Mondscheinkuss von Shunya ================================================================================ Kapitel 12: Bonusgeschichte: Sheikh ----------------------------------- Ich mag Anzüge, sie sind so viel ansehnlicher als diese bodenlangen Thawbs, die man als Scheich normalerweise trägt. Mein Vater ist als Erbe seines Vaters zu einem Ölscheich geworden. Der Reichtum kam also nicht plötzlich. Ich bin damit aufgewachsen, genieße es in vollen Zügen und habe mir all meine Wünsche erfüllt. Das Problem daran ist, wenn man alles haben kann wird das Leben schnell langweilig und eintönig. Ebenso die Kleidung. Ich finde es erfrischend, dass die Jugend sich mittlerweile auch im westlichen Stil kleidet. Ich betrachte mich im Spiegel und sehe an mir herunter. Ich sollte es mit Stolz tragen. Jeder Araber, der etwas auf sich hält trägt einen Thwab. Der Diener klopft an die Tür und kommt herein. „Der Journalist Arik Ward ist hier.ˮ „Ich werde ihn selbst empfangen.ˮ Hoffentlich fängt er nicht an von Politik zu sprechen. Diese Ausländer treten gerne von einem Fettnäpfchen ins Nächste. Bestimmt geht es nur wieder um das Öl. Wie ich zu meinem Reichtum kam beziehungsweise mein Vater vor mir. Ich bin ja nur der Erbe. Seit einem Jahr übernehme ich die Arbeit meines verstorbenen Vaters. Ein plötzlicher Herzinfarkt hat ihn über den Jordan geschickt, nicht lange nach dem Tod meiner Mutter. Ich setze mir die Ghutra auf den Kopf, binde den Agal einen schwarzen Strick darum, verlasse mein Schlafzimmer und gehe zur Haustür. Da steht er. Der Mann, den ich lieber in meinem Bett sehen würde, als mit ihm lästige Gespräche zu führen. Er ist Amerikaner, lebt derzeit aber hier in Dubai und arbeitet für ein Onlinemagazin. Ich weiß, dass er auf Männer steht, denn ich habe genaustens über ihn nachgeforscht. Ich bin kein Mann, der etwas dem Zufall überlässt. „Ahlan wa sahlan!ˮ „Ahlan bik!ˮ Er erwidert lächelnd die Begrüßung und wir schütteln die Hände. Am Eingang zieht Arik sich die Schuhe aus und folgt mir. Ein Diener bringt Erfrischungen und kleine Häppchen. Wir betreten den Majlis, den Empfangsraum und lassen uns auf den Sesseln einander gegenüber nieder. Zwischen uns steht ein Glastisch auf dem der Diener alles abstellt. Arik greift dankbar nach dem kalten Glas Wasser. Ich komme nicht umhin ihm auf den Hals zu starren und zuzusehen wie sich sein Adamsapfel auf und ab bewegt bei jedem weiteren Schluck. Der nächste Gedanke ist allerdings nicht mehr ganz so jugendfrei, also versuche ich schleunigst an etwas anderes zu denken. Arik kommt mir entgegen und direkt auf den Punkt. Er stellt mir gezielte Fragen, auf die ich kurzangebunden reagiere – wie so oft. Eines kommt zum anderen und so dauert das Gespräch maximal eine Stunde an in der ich mich wie bei einem Verhör fühle. An der Haustür schüttele ich ihm etwas länger die Hand als beabsichtigt und streiche wie zufällig über seine warme Haut. Ob er es bemerkt hat, weiß ich nicht, da er sich nichts anmerken lässt. Ich sehe ihm nicht nach als er die Wohnung verlässt. *** Auf der Party, die ich eine Woche später besuche ist er ebenfalls zugegen. Wir feiern auf einer langen schnittigen blau-weißen Yacht. Wahrscheinlich hat ihn ein Bekannter von mir eingeladen. Umso besser. Hier bei Alkohol und lauter Musik kann man sich zumindest etwas unterhalten ohne formell klingen zu müssen. Ich hoffe, er hat seinen Job heute zu Hause gelassen. Wenn er dumme Fragen stellt werfe ich Arik höchstpersönlich ins Meer. Er trägt zu seiner sonnengebräunten Haut ein rotes Poloshirt, eine blaue Jeans und schwarze Schuhe. Die dichten schwarzen Haare tun ihr übriges und lassen ihn nur noch mehr wie einen Araber aussehen. Man könnte meinen er sei hier aufgewachsen. „Salam alaykum, Arik!ˮ, grüße ich ihn ungezwungen. Er dreht sich zu mir um und hält einen Blue Splash in der Hand. „Wa alaykum as-salam, Farikˮ, erwidert er lächelnd und drückt meine Hand. Immer wieder amüsant wie ähnlich sich unsere Namen sind, denn nur ein einziger Buchstabe trennt sie voneinander. Ob dies ein Wink des Schicksals ist, dass ich mich so zu ihm hingezogen fühle? Seit unserer ersten Begegnung vor drei Monaten bei einem kurzen Interview geht mir dieser gutaussehende Mann mit den stechend grünen Augen nicht mehr aus dem Kopf. Die Musik zwingt uns dazu nahe beieinander zu stehen und dem jeweils anderen ins Ohr zu brüllen. Wir ziehen uns ans Heck der Yacht zurück und stehen somit etwas Abseits der tanzenden Meute im Inneren. Der laue, frische Wind zerzaust unsere Haare. Immer wieder ist er am Lachen und scheint bester Laune zu sein. Auch wenn wir nur Small Talk machen scheint er viel ausgelassener zu sein als bei unserem Interview. Meine Hand auf der Reling tastet sich suchend zu seiner. Als ich seinen Handrücken berühre entzieht er sich mir nicht. Mit den Fingern streiche ich über die Haut. Arik trinkt und sieht mir dabei tief in die Augen. Niemand beobachtet uns als ich mich zu ihm herunterbeuge und diese sinnlichen Lippen mit meinen berühre. Er schmeckt nach Alkohol. Meine Hand schlingt sich fest in Ariks Nacken. Ich intensiviere den Kuss, schiebe ihm meine Zunge in den Mund und spüre wie sich seine Finger in mein Hemd krallen. Das Glas stellt er hinter sich auf einen Tisch und schlingt seine Arme fest um meinen Oberkörper. Ich dränge ihn lechzend gegen die Reling ohne auch nur noch einen Zentimeter Abstand zwischen unseren Körpern zu gewähren. Ich habe mir schon immer genommen was ich haben wollte, aber noch nie habe ich jemanden so sehr begehrt wie Arik. Meine Hand rutscht unter sein Shirt und berührt die warme Haut. Nach einer schier endlosen Zeit löse ich den Kuss und lasse meine Lippen über seine Wange wandern. Ich spüre die rauen Bartstoppeln und küsse mich zu seinem Hals herunter. Er stöhnt mir ins Ohr und sein Atem kitzelt, beschert mir eine Gänsehaut und bringt meine Geduld ans Ende ihrer Kräfte. Ich gehe auf Abstand, ergreife seine Hand und schleife Arik entschlossen unters Deck. Wir laufen durch einen engen, schlauchartigen Gang und suchen nach einem leerstehenden Zimmer. Wir landen im eleganten Schlafzimmer meines Freundes und sehen uns flüchtig um. Der Raum an sich ist nicht sehr groß, rechteckig und das weiße moderne Kingsize Bett nimmt den meisten Platz ein. Direkt an der Wand zu meiner Rechten ist eine kleine Sitzecke mit grauer Couch, einem schwarzen kreisrunden Tisch und direkt neben dem Bett befindet sich eine schwarz lackierte Kommode. Gegenüber ist ein schmaler Schrank mit Fernseher, während sich direkt am Kopfende des Bettes ein riesiger Spiegel befindet. An der Fensterfront gibt es eine weitere Sitzecke mit weißen, lederbezogenen Sesseln und einer Tür zum angrenzenden Badezimmer. Der Teppich unter unseren Schuhen ist flauschig und weich. Ich ziehe Arik energisch an mich und zerre ihm ungeduldig die Kleidung vom Leib. Er tut es mir gleich und immer wieder suchen unsere Lippen lüstern nacheinander. Grinsend schubse ich Arik aufs Bett und klettere schließlich über ihn. Wir sind nackt. Ich halte seine Handgelenke in die Laken gedrückt und sehe auf ihn herunter. Lust, Verlangen und Gier sehe ich in seinem herausfordernden Blick. Heute Nacht gebe ich ihm alles was er will. Wir wälzen uns wolllüstig im Bett, nutzen jede freie Fläche und in dieser Nacht zeige ich ihm Dinge, die er sich noch nicht einmal in seiner wildesten Fantasie erträumt hätte. Ich entlocke Arik die schönsten Laute, beschere ihm eine wohlige Gänsehaut nach der anderen, klammere mich wie ein Ertrinkender an ihn und suche Halt in seiner liebevollen Umarmung. Ein Passagier würde draußen im Gang nur das Ächzen und Knarzen des Bettes, das Stöhnen und Keuchen der Liebenden hören, aber ihm würde entgehen, dass diese eine Nacht unser beider Leben verändern sollte. Das es niemals mehr so sein würde wie jetzt. Dass es unsere einzige Nacht sein würde in der wir eng umschlungen in einem Bett liegen. Eine Nacht im Schein des hellen Vollmondes, der sich auf der Wasseroberfläche spiegelt, das Zimmer hell erleuchtet und seine unheilvollen Fühler nach uns beiden ausstreckt um uns in die dunkle Finsternis der Ewigkeit ziehen zu können. *** Manchmal braucht es nicht viele Worte um zu verstehen, dass man einander braucht. Worte, die einfach nicht ausreichen um auszudrücken was man für jemanden empfindet. Worte, die einen schönen Moment ruinieren könnten. Falsche Worte, die nur Unsicherheit, Hass, Wut und Misstrauen heraufbeschwören können. Und manchmal, wenn man dennoch vergisst sie zu benutzen, sie nicht einsetzt um diese Gefühle, die sich aufstauen, in jemandem aufkeimen und sich wie ein zartes Netz einer Spinne im Innersten ausbreiten, dann ist es vielleicht zu spät. Zu spät um den Moment zu retten. Zu spät um alles in Ordnung zu bringen. Wie abhängig wir doch von Wörtern sind. Wie ein Wort etwas Gutes auslösen kann und im nächsten Moment alles zerschlägt was man sich nach langer Zeit aufgebaut hat. „Es ist ein Geschenk. Mein Geschenk für dichˮ, sage ich ihm. Man züchtet eine Blume, sieht ihr beim Wachsen zu, gibt ihr das Nötigste damit sie stark wird und dann, wenn man vergisst sie zu gießen, ihr keine Aufmerksamkeit mehr schenkt, sich die Blätter verfärben, Schädlinge sie zerfressen, diese Blume vertrocknet und verkümmert, dann weiß man, dass man früher hätte eingreifen müssen. „Das ist kein Geschenk. Es ist ein Fluch!ˮ, meint er verbittert und stößt mich von sich. Ich taumele zurück und sehe ihn überrascht an. Ich verstehe nicht wieso er mir das antut nachdem ich ihn so gut behandelt habe, ihm alles gab was er wollte. Er ist undankbar. Zorn brodelt tief in meinem Inneren. Erst ist es eine kleine Flamme, noch versuche ich die Situation zu retten. Ihm das neue Leben schmackhaft zu machen. Ich führe ihn an der Hand durch die Dunkelheit, zeige ihm was ihm vorher alles entgangen ist. Er zeigt mir keine Dankbarkeit. Er verkümmert und vertrocknet jeden Tag mehr. Ich bin am Ende. Ich weiß nicht was ich tun soll. Nacht für Nacht gebe ich ihm Halt, rede auf ihn ein und immer wieder prallt alles an ihm ab. Er hat eine unsichtbare Mauer errichtet und lässt mich nicht mehr in sein Innerstes blicken. Er will gehen. Zurück nach Amerika. Weg von mir. Er flüchtet vor meinem Geschenk. Vor dem was ich aus ihm gemacht habe. Ich lasse ihn nicht gehen. Nicht solange da noch ein Funken Liebe in mir ist. Ein kleiner Funke Besessenheit von seiner liebenswerten Person und seinem attraktiven Äußeren. Noch immer suche ich nach dem Menschen in den ich mich einst verliebt habe. Viel zu spät begreife ich, dass er nicht mehr da ist, dass er schon lange gegangen ist und nur eine Leere Hülle hinterlassen hat. Er hat das Geschenk, das ich ihm gemacht habe nicht akzeptiert, sein neues Ich mit Händen und Füßen von sich ferngehalten. Er gibt mir die Schuld. Mir allein. Er sieht nicht was ich damals sah. Er sieht keine Zukunft für uns beide. Kein gemeinsames Leben. Arik will nicht so sein wie ich. Er sieht nicht, dass ich es damals nicht freiwillig angenommen habe. Dass ich dem kleinen Mädchen nur helfen wollte. Sie machte mir ein Geschenk und ich war nicht fähig es abzulehnen. Sie hat das Böse in mir erweckt und es gedeihen lassen. Sie ließ mir keine Wahl, so wie ich sie ihm nicht ließ. *** Ich trete in das Verließ unter meiner Wohnung, gehe vorbei durch die engen Grabstätten meiner Vorfahren und ignoriere die Gebeine zu beiden Seiten. Die Luft riecht abgestanden und muffig. Der Gang vergrößert sich zum Ende hin. Links und Rechts sind von oben bis unten Schädel aufgetürmt, die mich aus ihren hohlen Augen anstarren. Mir die Schuld an allem geben. Mich verachten und verhöhnen. Ich trete gebückt durch das Loch in der Wand vor mir und halte die Taschenlampe fest in meiner Hand. Der Lichtschein tastet suchend die Wände ab, erleuchtet die feste Erde an den Wänden und den Körper der sich vor mir befindet. Aus matten, seelenlosen Augen sieht er durch mich hindurch. Er hängt in Ketten an der Wand und ist dem Zerfall und der Verwesung zugeschrieben. Lange bleibe ich abwesend vor ihm stehen und versuche mich an den Mann zu erinnern in den ich mich verliebt hatte. Der Mann, der nicht mehr hier ist. Meine Hände ballen sich für Sekunden zu Fäusten. Ich trete nahe an ihn heran und hebe meine Hand. Seine Wange ist ganz kühl. Er zuckt kaum merklich unter meiner Berührung zusammen. Meine Hände schlingen sich um seinen ausgemergelten Leib. Es ist mir egal wie abstoßend er mittlerweile aussehen mag. Ich liebe ihn noch immer. „Du hast mich nie gefragt...ˮ, flüstert er kaum hörbar in mein Ohr ohne sich zu rühren. Wie könnte er auch. Ich schließe die Augen und lächele. „Ich habe mir schon immer genommen was ich haben wollte.ˮ Er wird hierbleiben. Bei mir. Für immer. Weil ich ein Egoist bin, weil ich ihn liebe, auf diese krankhafte und besitzergreifende Art, die seine eigenen Wünsche außer Acht lässt. Tief in mir verschließe ich den kleinen zweifelnden Keim, dass nicht er das abstrakte, hässliche Monster ist, sondern ich. Dass ich hier statt seiner in Ketten hängen müsste. Bis in alle Ewigkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)