Mondscheinkuss von Shunya ================================================================================ Kapitel 1: Und Vampire gibt es doch! ------------------------------------ Ich stehe an der Mauer der Sporthalle und luge vorsichtig um die Ecke. Da ist er. Dale. Er hockt an der Wand hinter dem Gebäude, den Blicken der lästigen Lehrer entzogen und raucht heimlich. Das ist es jedoch nicht, warum ich ihn seit einigen Tagen stalke. Ich habe eine schlimme Befürchtung und sehe klammheimlich zu meinem Mitschüler. Ein kurzer Blick zu meiner besten Freundin Melanie sagt mir, dass sie bereit ist. Kugelschreiber und Notizblock sind gezückt, also können wir mit der Checkliste beginnen. „Blasse Haut.“ Sie notiert es. „Ziemlich lange Fingernägel für einen Jungen.“ Ich betrachte meinen Mitschüler und sehe dann flüchtig auf die raspelkurzgeknabberten Nägel meiner linken Hand. „Seine Eckzähne sind schon ein bisschen länger, habe ich letztens in der Kantine bemerkt.“ „Mia hat die Zähne vorne aber auch länger und schaut aus wie ein Kaninchen und deine Schneidezähne sind auch nicht wirklich sehr gerade.“ „Ja, egal. Schreib auf. Was soll das auch? Ich wollte nie eine Zahnklammer tragen, es ist unangenehm und der kleine Schönheitsmakel fällt nicht weiter ins Gewicht.“ Seufzend schaut Melanie auf ihren Block und zeichnet ein Vampirgebiss. „Schwarze Haare. Nun gut, dass tut nicht wirklich etwas zur Sache.“ Ich grübele einen Moment andächtig. „Er trägt eine Sonnenbrille. Das macht ihn schon irgendwie verdächtig.“ „Na ja, die Sonne scheint auch, Andreas.“ „Ja, aber Vampire reagieren empfindlich auf Lichteinflüsse. Deswegen trägt er ja auch den Hoody und die Jeans bei dieser Hitze.“ Melanie verzieht ihren Mund und sieht stirnrunzelnd zu unserem unfreiwilligen Opfer. „Er muss oft ins Krankenzimmer. Ich habe gehört, dass er unter Anämie leidet.“ „Natürlich, er braucht Blut und wenn er keines bekommt, geht er noch vor die Hunde.“ „Ob die Krankenschwester eingeweiht ist?“ „Wir werden sie nachher noch eingehender unter die Lupe nehmen.“ Wir beschatten Dale neugierig. Mein Mitschüler ist erst seit kurzem in unserer Klasse. Ich habe mitbekommen, dass sein Vater Amerikaner ist, seine Mutter Deutsche, daher auch der Name, der nicht gerade üblich an deutschen Schulen ist. Was mich allerdings fasziniert ist die Tatsache, dass er wahrscheinlich ein Vampir sein könnte. Das muss ich allerdings erst noch beweisen! Einige Hinweise gibt es und denen werde ich näher auf den Grund gehen. Ich muss versuchen mehr über diesen Jungen herauszufinden und dann werde ich ihn überführen! „Meinst du nicht, dass du es ein bisschen übertreibst, Andreas? Ich meine, er sieht nicht aus wie ein Vampir. Jedenfalls nicht so wie ich sie mir immer vorstelle...“ „Ich werde dich schon noch überzeugen!“, erwidere ich abwesend und fest entschlossen Dale zu überführen. „Weißt du was? Mich interessiert ein anderes Gerücht viel mehr.“ „Hä?“, frage ich und ziehe eine Grimasse. Was kann denn bitte interessanter sein als die Tatsache, dass wir hier einen waschechten Vampir an unserer Schule haben?! Verständnislos sehe ich Melanie an, die mich bis über beide Ohren angrinst. „Einige meinen, er steht vielleicht auf Jungs.“ Sie kichert amüsiert. Ich verziehe meinen Mund. „Was soll daran interessant sein?“ „Na, er sieht gut aus und was ist schöner als die Vorstellung, dass sich zwei sexy Jungs zusammen in einem Bett...“ - Ich halte ihr mit meiner Hand den Mund zu. „Das will ich gar nicht wissen, was du hier schon wieder für Fantasien hast! Heb' dir dein Kopfkino für Zuhause auf!“, meckere ich leise. Schalkhaft blicken mich ihre blauen Augen an. Ich grummele und ziehe meine Hand zurück. Die spinnt doch. Haben wir es hier jetzt etwa mit einem schwulen Vampir zu tun? Das geht ja mal gar nicht! Ich meine, prinzipiell haben Vampire es doch immer auf Frauen abgesehen, denen sie das Blut aussaugen können, zumindest in Filmen und Büchern. „Was regt es dich so auf? Kann dir doch eigentlich egal sein oder nicht?“, fragt Melanie und beugt sich zu mir vor. Ich ziehe abrupt meinen Kopf zurück, als sie mir plötzlich so nahe ist. Ich mag Melanie, aber manchmal ist sie es, die kräftig übertreibt. „Es regt mich nicht auf. Das macht nur alles keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass er auf Jungs steht. Er gibt sich ja mit überhaupt niemandem hier ab! Wie kommen dann alle darauf, dass er vom anderen Ufer ist?“ „Weil er schon einige Mädchen abgewiesen hat und ich denke, dass es dafür durchaus seine Gründe geben könnte.“ Melanie nickt aufgrund ihrer Schlussfolgerung und verschränkt die Arme vor der Brust. „Du spinnst doch. Dann steht er halt noch nicht auf Mädchen. Na und? Dann ist er eben ein Spätzünder.“ „Du hast für alles eine plausible Ausrede oder?“ „Das sind keine Ausreden. Es ist die Wahrheit!“, erwidere ich großspurig. Ich linse aus dem Augenwinkel zu Dale und verziehe mein Gesicht zu einer Grimasse. Der Junge drückt die Kippe aus und erhebt sich gemächlich. Ich zerre Melanie am Arm zurück und laufe mit ihr eilig auf den Pausenhof. Grummelnd stecke ich meine Hände in die Hosentaschen. Wir setzen uns auf die Stufen vor der Sporthalle und gelangweilt lasse ich meinen Blick über die anderen Schüler schweifen. „Diese nichtsahnenden Idioten. Sie wissen gar nicht wie sehr sie in Gefahr schweben.“ Melanie kichert und kritzelt neben mir auf ihrem Block herum. „Lach nicht!“, murre ich ohne sie anzusehen. „Ist doch wahr. Hier könnte jeder als Blutkonserve dienen. Vampire sind da nicht wählerisch. Sie nehmen sich wen sie kriegen können, hauptsache das Blut schmeckt gut.“ Melanie streicht mit ihrem Kugelschreiber über meinen Hals. Erschrocken zucke ich zusammen und rücke von ihr ab. Sie lacht daraufhin lauthals. „Idiot! Du nimmst mich nicht ernst!“ „Nein, tut mir leid.“ Sie grinst breit und schüttelt den Kopf, so dass ihre kurzen blonden Haare über ihre Wangen streifen. „Aber du bist witzig.“ Ich blicke an ihr vorbei und schaue zu Dale, der aus seinem Versteck kommt. Sein Blick streift flüchtig den meinen und für einen winzigen Moment wird mir unbehaglich zumute. Wenn der Kerl schwul ist und dann auch noch ein Vampir... dann bin ich möglicherweise in Gefahr. In beiderlei Hinsicht. Ich stehe abrupt auf und schaue auf Melanie herunter. „Lass uns die Krankenschwester aushorchen!“, fordere ich sie entschlossen auf. Die Frau weiß sicher mehr. „Wenn du meinst...“ Melanie erhebt sich träge und folgt mir. Ich schaue wie nebenbei auf ihren Block und entreiße ihn ihr kurzerhand. Mit einer schwungvollen Bewegung reiße ich die Seite heraus, die sie die ganze Zeit bemalt hat. Genervt halte ich ihr den karierten Zettel vor die Nase, woraufhin sie mich schuldbewusst ansieht. „Du und dein blödes Kopfkino! Soll ich das etwa sein?!“, meckere ich aufgebracht. Die Zeichnung zeigt mich und Dale in inniger Umarmung, nackt auf einem Bett. Was wir da tun, gefällt mir ganz und gar nicht! Melanie zuckt mit den Schultern. „Das könnte jeder sein...“ Sie versucht sich herauszureden, doch dann runzelt sie die Stirn und blickt mich frech an. „Oder legst du es darauf an, dass ich denke, dass du auf der Zeichnung bist? Du hast es doch wohl nicht etwa auf Dale abgesehen und hast dir nur deswegen diesen ganzen Schrott mit dem Vampirzeug ausgedacht?“ Ich ziehe eine Schnute und sehe meine Freundin bleleidigt an. „Wie kommst du denn auf so einen Müll? Das bildest du dir nur ein! Ich will gar nichts von dem! Im Übrigen ist er ein Vampir und das werde ich dir auch beweisen!“, versuche ich mich zu verteidigen, auch wenn Melanie mich mitleidig ansieht und mir scheinbar kein Wort mehr glaubt. Wütend knülle ich den Zettel zusammen und werfe ihn in den nächsten Mülleimer. Ich öffne die Glastür, die ins Gebäude führt und suche mit Melanie das Krankenzimmer auf. Es ist eigentlich kaum als solches zu bezeichnen. Es gibt zwei Liegen und ein paar Medizinschränke sowie einen Schreibtisch, an dem wie jeden Tag die Krankenschwester sitzt. So einen kleinen Luxus leistet sich nicht jede Schule. Ich klopfe an die offene Tür. Die Frau sieht von ihrem Buch auf und lächelt uns entgegen. Sie trägt über ihrer Kleidung einen weißen Kittel und ihre schlanken Beine ragen darunter hervor. Sie ist noch recht jung und hat ein hübsches dezent geschminktes Gesicht. Die Haare sind schwarz und zu einem Pferdeschwanz gebunden. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragt sie und legt das Buch beiseite. Ich werfe kurz einen Blick darauf. Es scheint ein Thriller zu sein. Keine leichte Sommerlektüre passend zur Jahreszeit? „Uns geht es gut, wir wollten Sie nur etwas fragen.“ Melanie übernimmt meinen Part und reißt mich somit aus meinen Gedanken heraus. Ich schaue auf das Namensschild der Ärztin. Daniela Maibach. „So? Worum geht es denn?“, fragt sie und dreht sich uns zu, wobei sie ihre Beine überschlägt was mir für einen Moment den Atem verschlägt und ich krampfhaft meinen Blick heben muss, um nicht an dem Anblick festzuhängen wie Sekundenkleber. „Na ja, ähm... wir haben gehört, dass Dale hier oft herkommen muss und da haben wir uns gefragt was mit ihm los ist.“ „Das ist nett von euch, dass ihr euch Sorgen um ihn macht, aber ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht. Tut mir leid.“ „Ach so?“, fragt Melanie arg enttäuscht, auch wenn ich ihr anmerke, dass es sie nicht die Bohne interessiert. „Da kann man wohl nichts machen...“, murmele ich und zucke mit den Schultern. „Ich kann euch beruhigen. Es ist nichts allzu Ernstes.“ Die Krankenschwester lächelt uns aufmunternd zu. „War es das?“ Wir nicken und gehen zurück in den Flur. „Das hat uns gar nichts gebracht.“ „Wir sollten noch mal hingehen, wenn sie nicht da ist und uns ein bisschen umsehen.“ Melanies Einfall gefällt mir und so nicke ich zustimmend. „Ist schon ein bisschen auffällig oder nicht? Ist doch nur eine Schule und kein Krankenhaus, da kann sie uns doch sagen was er hat.“ „Eben nicht, sie ist trotzdem eine Ärztin und mal ehrlich, es geht uns gar nichts an was mit Dale los ist. Wahrscheinlich stimmt es wirklich, dass er unter Anämie leidet.“ „Vielleicht stecken die beiden unter einer Decke? Deswegen will sie uns nichts sagen. Sehr verdächtig...“, schlussfolgere ich nachdenklich. Melanie boxt mir in den Arm. „Spinn hier nicht rum!“, meint sie lachend. Ich bleibe stehen und renne augenblicklich wie von der Tarantel gestochen nach draußen. „Andreas? Was ist los? Hey, warte doch!“, brüllt Melanie mir überrascht hinterher. Ich öffne die Tür und kann gerade noch rechtzeitig vor Dale abbremsen. Mit grimmigen Gesicht packe ich den zerknüllten Zettel und nehme ihn an mich. Wütend sehe ich Dale an, der die Augenbrauen hochzieht. „Hast du das etwa aus dem Mülleimer gefischt?“, schnauze ich ihn an und merke wie peinlich mir das ist. Wie kommt er denn nur an diese dämliche Zeichnung?! Dale wirkt weniger aufgebracht. Stört es ihn denn gar nicht, dass wir beide darauf zu sehen sind? Vor allem was wir da tun, sollte ihn doch eigentlich auf die Palme bringen! „Na ja, bist du das da?“, fragt er und deutet auf Melanies blödes Meisterwerk. Ich laufe rot an und zerknülle den Zettel sofort wieder. „Bin ich nicht!“ „Doch, der sieht aus wie du.“ Hat sich denn heute jeder gegen mich verschworen? „Das bin ich aber nicht!“, beharre ich starrsinnig. Dale schweigt und ich spüre wie er mich mustert. Der Blick entgeht mir nicht. Ich presse meine Lippen fest aufeinander und spüre wie ich jetzt erst recht wie eine Tomate anlaufe. Was soll das denn werden? „Okay“, meint er schließlich lächelt unbekümmert und lässt mich einfach verdutzt stehen. Ich drehe mich um und sehe ihm nach. Was war das denn gerade eben? Der Typ ist wirklich ein komischer Kauz. Melanie kommt zu mir gelaufen. Anklagend halte ich ihr den Zettel vor die Nase. „Er hat das da aus dem Mülleimer gefischt!“ Melanie sieht mich ungläubig an. „Wieso wühlt er denn im Müll herum?“ „Was weiß ich? Ist doch scheißegal, viel schlimmer ist, dass er das hier gesehen hat und wissen wollte ob ich das bin!“, fahre ich sie forsch an. Melanie kratzt sich am Kopf. „Sorry, ich habe nicht geahnt, dass er das jemals zu Gesicht bekommen würde.“ „Das kannst du dir sparen! Es ist ja längst passiert und jetzt haben wir den Salat! Toll gemacht, Mel!“ „Wir können es nicht ändern. Gib es mir, dann entsorge ich es.“ „Auf keinen Fall! Ich behalte den Zettel! Ich will nicht, dass es am Ende noch die ganze Schule zu Gesicht bekommt! Es reicht mir, wenn Dale mich schon für einen Idioten hält! Der denkt doch sicher, dass ich diesen Schund gezeichnet habe!“ „Reg' dich ab, Andreas! Ich habe mich entschuldigt und wir können es nun mal nicht mehr ändern. Es ist zu spät.“ Gereizt sehen wir einander an. Zum Glück klingelt es zum Ende der Pause, so dass wir schweigend nebeneinander zu unserer Klasse gehen. Ich verstecke den Zettel in meiner Hosentasche und weiche Dales Blick vor dem Klassenzimmer demonstrativ aus. Auf dem Heimweg verfolge ich Dale mit einem geringen Abstand, damit ich ihn nicht aus den Augen verliere. Zu meinem Glück passieren wir viele Orte, an denen ich mich bestens verstecken kann. Dale hat es jedenfalls nicht eilig und schlendert gemütlich heimwärts. Er achtet kaum auf den Weg, sondern spielt auf seinem Handy herum. Einmal wäre er dabei beinahe gegen ein Auto gelaufen, dieser Trottel. Ich folge ihm dicht auf den Fersen und frage mich, was ich hiermit eigentlich bezwecken will. Sobald er in seinem Elternhaus verschwindet, enzieht er sich ohnehin meinen Blicken. Und so kommt es auch. Nach wenigen Minuten erreichen wir ein Wohnhaus, das so gar nicht zwischen die anderen passt. Wie es aussieht arbeiten Bauarbeiter an einem Anbau. Ich bleibe an einem Wagen stehen und sehe zu wie Dale die Haustür öffnet und dann bleibt mir das Herz in der Hose stecken, als er sich umdreht. Ich hocke mich eilig hinter das Auto und kneife die Augen zusammen. Ich höre langsame Schritte, die auf mich zukommen und krieche vorsichtig die Längsseite des Wagens entlang. „Was machst du da? Verfolgst du mich?“, vernehme ich Dales Stimme hinter mir. Ich zucke zusammen und drehe mich ihm langsam zu. Er sieht von oben auf mich herab und wirkt statt ärgerlich eher belustigt. Ich schaue zu ihm auf und schlucke. Was soll ich denn sagen? Eine passende Ausrede habe ich mir natürlich nicht ausgedacht und meine glorreiche Idee, mich hinter dem Auto zu verstecken, kann ich auch nicht erklären. „Äh...“ Klar, ausgerechnet jetzt habe ich natürlich mal keine Ausrede parat! Das hat mir gerade noch gefehlt. Das scheint echt nicht mein Tag zu sein und es ist nicht mal ein Montag! Ich verharre in der Hocke und sehe auf den grauen Asphalt zu meinen Füßen. Dale hockt sich neben mich und zupft an einem gelockerten Schuhband meines Turnschuhs herum. Ich ziehe meinen Fuß etwas zurück und er lässt davon ab. „Im Verfolgen bist du nicht sehr gut. Ich habe dich schon seit einer ganzen Weile bemerkt. Willst du was von mir?“, fragt Dale neugierig. Meine Hand wandert unwillkürlich in meinen Nacken. Ich lege meinen Kopf ein wenig schief, um ihm nicht ins Gesicht sehen zu müssen. „Geh einfach weg. Ich bin gar nicht da.“ Verdammt, ich komm mir hier so blöd vor! Dale lacht. „Nach dem Motto: Was ich nicht sehe, sieht mich nicht?“ Er boxt mich leicht gegen die Schulter und so sehe ich doch zu ihm. Er scheint wirklich nicht wütend auf mich zu sein. Warum nur? Ich meine, dass muss man doch irgendwie creepy finden, wenn man gestalkt wird. Obwohl ein Vampir, der ewig lebt, hat sicher schon so einiges gesehen und erlebt. Den bringt bestimmt nichts so schnell aus der Ruhe. Ja, dass muss es sein! Ich stehe auf und Dale tut es mir gleich. „Hier wohnst du also?“, frage ich wie beiläufig in der Hoffnung so seiner Frage entgehen zu können. „Ja. Wie du siehst wird noch ein bisschen am Haus gebaut.“ Ich nicke und bin froh, dass Dale nicht auf seiner vorigen Frage beharrt. Ich schaue zu dem Haus und der verlassenen Baustelle davor. „Tja, also ich muss jetzt auch mal heim...“ Hastig gehe ich an ihm vorbei. Zu früh gefreut, denn Dale packt kurzerhand mein Handgelenk und lässt mich nicht so schnell entwischen. Egal wie sehr ich auch zerre, er lässt nicht los. Mürrisch blicke ich ihn an. „Lass los!“ „Auf einmal hast du es so eilig?“ Dale lächelt vergnügt. Sieht er das hier als Spiel an oder was? Ach, du scheiße! Er tut es wirklich! Wie eine Katze die mit ihrer Beute spielt, bevor sie diese genüsslich verputzt! Und ich bin die Beute! Er wird mich ins Haus schleppen und mich aussaugen! Jetzt zerre ich erst recht an meinem Arm. „Lass los! Ich will nach Hause!“, meckere ich mit leicht aufkeimender Panik in meiner Stimme. Dale zieht mit einem Ruck an meinem Handgelenk, so dass ich unsanft nach vorne gezogen werde und beinahe gegen ihn pralle. Ich sehe zu ihm auf und werde langsam aber sich ungehalten. Hat der Junge keine Ohren? Ich habe ihn aufgefordert mich loszulassen und er tut es nicht. Ich schaue in seine Augen, na ja, zumindest versuche ich es, denn seine Sonnenbrille versperrt mir die Sicht. „Und wenn ich gar nicht loslassen will?“, fragt Dale mich dreist. Ich sehe ihn wütend an. Merkt er gar nicht wie unwohl ich mir fühle? Was will er denn von mir? „Sag mal...“, beginnt Dale. „Das Bild vorhin...“ „Was ist damit?“ „Das bist wirklich du gewesen oder?“ Ich schlucke und weiche genervt seinem Blick aus. „Man kann es sich auch schön reden...“, brumme ich. „Was?“ „Nichts!“ „Also bist du es nun oder nicht?“ „Nein, bin ich nicht!“ „Schade...“ Ich habe mich wohl verhört. Findet Dale es wirklich schade?! Entsetzt sehe ich ihn an. „Wi-wieso denn schade?“ Dale grinst verlegen und ich merke wie sich sein Griff an meinem Handgelenk lockert. Eilig entziehe ich mich ihm, bleibe jedoch an Ort und Stelle stehen. „Och nee...“ Ich schaue zu ihm auf, weil er einen Kopf größer ist als ich. „Sind die Gerüchte echt wahr?“ „Welche Gerüchte?“, will Dale wissen. „Na ja, dass du ein bisschen anders tickst.“ „Anders?“ „Dass du vom anderen Ufer bist.“ „Welches Ufer?“ Ungläubig sehe ich ihn an. Ist der Kerl echt nicht helle oder steht er tatsächlich gerade auf dem Schlauch? „Na, dass du auf Jungs stehst!“, fahre ich ihn ungehalten an. „Ach so!“ Dale lacht. Scheinbar hat es klick gemacht. „Ja, das stimmt.“ Na super... „Deswegen habe ich auch gehofft, dass du das auf der Zeichnung bist.“ Er grinst verlegen. Ich greife in meine Hosentasche, ziehe den Zettel heraus und falte ihn auseinander. Eingehend betrachte ich die erotische Zeichnung, die Melanie von mir und Dale angefertigt hat. Ob ich es will oder nicht, der Typ sieht mir mehr als ähnlich. Dummerweise haben nun mal nicht viele Jungs an meiner Schule Sommersprossen im Gesicht. Die kleinen Verräter. Bei dem Anblick der Zeichnung dreht sich mir allerdings der Magen um, denn es ist deutlich zu sehen, wer da in wem steckt und was unsere Zungen so miteinander für Spielchen treiben. „Wenn es dich so anturnt kannst du es behalten. Bei der Zeichnung will ich mich lieber erschießen.“ Dale lacht und nimmt sie mir ab. „Du siehst aber ziemlich heiß darauf aus.“ „Danke, aber das Kompliment lehne ich ab.“ Gereizt schaue ich Dale an, der noch immer wie gebannt auf die Zeichnung stiert. „Sag mal, stehst du etwa auf mich?“, frage ich unbeholfen. „Nee, eigentlich nicht.“ Dale blickt zu mir auf. „Aber... du hast schon was an dir das mir gefällt und weißt du, die Zeichnung turnt mich ehrlich gesagt schon ein klein bisschen an.“ Er lacht und kratzt sich am Arm. „Eh ja... also ich würde dich nicht von der Bettkante schubsen, wenn du das wissen willst.“ So langsam aber sicher habe ich echt genug gehört. Merkt Dale eigentlich was er hier für eine Scheiße redet? Was soll das alles? Der will mich ins Bett kriegen oder habe ich das gerade falsch interpretiert? „Ich muss nach Hause!“ Ich trete einen Schritt zurück und schlucke. Was soll das ganze Schwulenzeug? Das verwirrt mich nicht nur, es lenkt mich auch von meinen Absichten ab, Dale als Vampir zu überführen. „Kann ich mit hochkommen?“, frage ich und kriege beinahe einen Herzkasper. Das habe ich gerade nicht wirklich gesagt! Hirn, was tust du mir da an? Will es mir etwas mitteilen? Dale ist ebenso verwirrt, wirkt aber deutlich angetan. Hoffentlich denkt er jetzt nicht, dass ich mit ihm in die Kiste steigen will? „Klar, aber wolltest du nicht heim gehen?“ „Äh, das kann noch warten.“ Eigentlich eine gute Idee, so kann ich gleich mal herausfinden, ob er in einem Sarg schläft oder andere kuriose Dinge zuhause tut. Ich folge Dale zögernd ins Haus und erlebe eine weitere Überraschung an diesem Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)