Einzigartig von Felicia-Morena ================================================================================ Kapitel 4: Quinn ---------------- Quinn Die ruhige, gemütliche Stimmung, welche die Stadt noch am Vorabend verbreitet hatte, war dem völligen Chaos gewichen. Von überallher drangen Schreie an Kirito`s Ohren. Hektisch liefen Menschen hin und her und das Getrappel der verschiedensten Schuhe auf dem Steinboden war fast schon ohrenbetäubend. Etwas weiter entfernt hörte er noch ganz schwach ein Kind weinen, doch in dem großen, alles verschluckenden Gewirr aus Stimmen, Geräuschen und Getrampel, konnte er nicht ausmachen, aus welcher Richtung es kam. Kirito schloss die Augen, atmete einige Male tief durch und versuchte, sich nur auf ein einziges Geräusch zu konzentrieren. Wenn er es schaffte, alles andere einfach auszublenden, würde er bestimmt wieder besser zurechtkommen. Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung, sagte er sich. Rechts von ihm ertönte plötzlich ein lautes Krachen und der Schwertkämpfer drehte sich blitzartig und kampfbereit in die entsprechende Richtung. Sofort analysierten seine wachsamen, dunklen Augen die Situation und er entspannte sich wieder. Nur ein Karren mit Achsenbruch, an einem ganz gewöhnlichen Markttag. „Jetzt sag nicht, dass dich der Markt so nervös macht.“ An seiner linken Seite kicherte Asuna vergnügt und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund. „Ich ... was? Nein!“ Brachten seine Proteste überhaupt etwas? Oder hatte Asuna sich ihre Meinung längst gebildet? „Ich bin nicht nervös.“ Versuchen musste er es zumindest. „Ich mag nur den ganzen Lärm und die Hektik nicht so. Das ist alles.“ „Hmhm, na klar. ... Und warum hast du dann dein Schwert in der Hand?“ Verdutzt blickte er auf Elucidator, das tatsächlich in seiner Hand ruhte. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er das Schwert gezogen hatte. Es war keine bewusste Handlung gewesen. Was sollte es auch für einen Sinn machen? Sie waren in einer Stadt, in einer sicheren Zone. Außer in einem Duell gab es hier kaum eine Verwendung für ein Schwert. Es war einfach nur ein Reflex gewesen. Das Kichern neben ihm war inzwischen zu einem richtigen Lachen angewachsen. Natürlich. Er musste aber auch wirklich sehr dämlich aussehen. Peinlich berührt steckte er Elucidator wieder in seine Scheide auf dem Rücken. Er suchte nach einem schlagfertigen Konter, nach irgendetwas, das ihn nicht wie einen völligen Trottel wirken lassen würde. Schließlich wurde ihm klar, dass es dafür bereits zu spät war. „Du solltest dich gerade wirklich mal sehen.“ Asuna wirkte so vergnügt und entspannt, wie er sie nur selten zuvor gesehen hatte. Vielleicht war es ja gar nicht so schlecht, für den Moment mal der Trottel des Tages zu sein. „Ich kann`s mir vorstellen“, gab Kirito lächelnd zurück. Er sah sich um und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass die ganze Hektik und das ganze Chaos, eigentlich nur von NPC`s verursacht wurde. Nur vereinzelt war der eine oder andere Spieler zu sehen. Es faszinierte ihn einmal mehr, wie realistisch die Welt von Sword Art Online sein konnte. „Wo sollen wir deine Freundin treffen?“, wechselte er endlich das Thema. Vehement schüttelte Asuna den Kopf. „Sie ist nicht meine Freundin.“ „Aber du hattest sie doch vorgeschlagen.“ „Weil sie dem Anforderungsprofil entspricht, das ist alles.“ „Oh“, Kirito wollte noch etwas nachhaken, doch Asuna kam ihm zuvor. „Quinn ist ... sagen wir mal, sie ist nicht ganz einfach. Wir hatten in der Vergangenheit unsere Differenzen, haben aber auch schon mehrfach zusammengearbeitet.“ Kirito nickte. „Und du bist dir sicher, dass du wieder mit ihr zusammenarbeiten möchtest?“ Als Reaktion wog ihm eine Welle des Schweigens entgegen. „Nein“, sagte Asuna letztlich. „Aber mir fällt sonst niemand ein. Dir etwa?“ Daraufhin konnte er nur den Kopf schütteln. „Nein.“ „Also gut, pass auf, ich werde dir ein paar Dinge über Quinn erzählen, damit sie dich nicht völlig unvorbereitet überrascht.“ Sie hielt einen Moment lang inne und schien zu überlegen, wo sie anfangen sollte. „Es gibt Personen mit einem gesunden Selbstbewusstsein und dann gibt es Quinn. Sie ist so von sich selbst überzeugt, dass es schon abstoßend ist. Hinzu kommt, dass sie eben auch wirklich nicht gerade schlecht ist. Darüber hinaus sieht sie auch noch verdammt gut aus und ist sich dessen vollkommen bewusst. Es gibt Gerüchte, die besagen, dass sie nicht in den Spiegel gesehen hat. ... Aber ob das stimmt, weiß ich nicht.“ „Stopp mal“, unterbracht Kirito sie. „Sie schaut nicht in den Spiegel?“ Asuna verdrehte die Augen. „Ich meine keinen normalen Spiegel, sondern Akihiko Kayabas Spiegel. Du weißt schon. Der dafür gesorgt hat, dass wir alle ... naja, wie wir selbst aussehen.“ Überrascht sah Kirito sie an. Meinte sie das ernst? Ging das überhaupt? Erinnerungen durchfluteten ihn, an jenen schicksalhaften Tag, an dem das Spiel begann. Kayaba hatte davon gesprochen, dass er ein Geschenk im Inventar eines jeden Spielers platziert hatte. Sie alle hatten nachgesehen und den Spiegel gefunden, der das Aussehen ihres Avatars in ihr reales Aussehen umgewandelt hatte. Sie alle hatten in den Spiegel gesehen. Oder etwa nicht? War es tatsächlich möglich, dass jemand erst einmal abgewartet hatte, was passiert? Und sich anschließend entschlossen hat, nicht hineinzusehen? Aber selbst wenn es so war, hätte man das System wirklich so einfach austricksen können? Offenbar waren ihm seine Gedanken nur all zu deutlich anzusehen. „Ich weiß genau, was du jetzt denkst. Hab mir dieselben Fragen gestellt und wenn ich deinen Blick richtig deute, kommst auch du zu keinen Antworten.“ Er nickte nur. Asuna zuckte mit den Schultern. „Ist ja eigentlich auch egal. Quinn kämpft gut, sieht gut aus, ist arrogant ohne Ende, manipulativ und ... „ Sie sah verlegen zur Seite. „Sie benutzt ihre Reize, um zu kriegen, was sie will. Speziell bei Jungs.“ Plötzlich sah Asuna wieder auf und ihm direkt in die Augen. „Nimm dich vor ihr in acht. Quinn geht es nur um sich selbst, andere sind ihr völlig egal. Was sie dir auch vormacht, wie sehr sie dir auch schmeichelt, wenn sie erst mal hat, was sie will, lässt sie dich fallen, einfach so.“ Etwas verwundert nickte Kirito. „In Ordnung, verstanden.“ Sie gingen weiter über den belebten Marktplatz und ihm fiel auf, dass Asuna seine anfängliche Frage, wo sie Quinn treffen, eigentlich nie beantwortet hatte. Natürlich spielte es auch keine wirkliche Rolle, da es eh nur als Themenwechsel gedacht gewesen war. Er würde schon sehen, wo ihr Weg sie hinführte. Am Ende des Markplatzes angekommen, waren sie wieder auf der Promenade mit den Laternen, wo sie am Abend noch entlangspaziert waren. Jetzt, bei Tageslicht, konnte man unglaublich weit schauen, sogar bis hin zum Wald, wo sie Train wreck, Rowan, begegnet waren. Nach einem kurzen Stück kamen sie auf einen wundervoll verzierten Marmorbrunnen zu. Schwäne schienen in einem Kreis zu tanzen und spuckten dabei Wasserfonteinen in die Luft, die schließlich auf der zweiten Ebene des Brunnens landeten. Hier saßen wiederum kleinere Vögel am Rand, die das Gleiche taten. Ein großes Becken bildete die dritte Ebene. Auch hier saßen kleine Vögel am Rand, diesmal jedoch nicht aus Marmor. Sie tranken Wasser, ruhten sich aus und ließen sich von dem Trubel um sie herum nicht stören. Vor dem Brunnen standen zwei große, breitschultrige Schwertkämpfer, die so aussahen, als würden sie etwas bewachen. Hinter ihnen saß eine junge Frau auf dem Rand des Brunnens und fuhr, scheinbar verträumt, mit einer Hand durchs Wasser. Als sie sich dem Brunnen näherten, verstellten die beiden Kleiderschränke ihnen den Weg. „Namen und Anliegen?“, fragte der etwas kleinere der beiden. Seine Stimme war ein tiefes Brummen. Er hatte eine flache Stirn und Augen, die eng beisammenstanden, dazu ein kantiges Kinn. Perfekt zur Abschreckung, dachte Kirito sich. „Asuna und Kirito. Wir möchten mit Quinn sprechen, sie erwartet uns.“ Der Kleinere nickte bei Asunas Worten. Sie wollten schon weitergehen, doch die beiden gaben den Weg noch immer nicht frei. „Keine Waffen“, sagte der größere Mann. Verdutzt sah Kirito ihn an. Eigentlich unterschied er sich nicht so sehr von dem ersten Typen, mal von der merkwürdig schiefen Nase abgesehen, die aussah, als wäre sie schon mehrfach gebrochen gewesen. Die Stimme jedoch hätte genauso gut auch einem kleinen Mädchen gehören können. Er grinste und versuchte krampfhaft sich ein richtiges Lachen zu verkneifen. „Wir sind in einer Stadt, die Waffen nutzen uns hier eh nichts“, klärte Asuna ihn auf. „Ist mir egal“, fiepte er zurück, „Vorschrift ist Vorschrift! Legt eure Waffen im Inventar ab, dann könnt ihr passieren.“ Asuna seufzte und war bereits dabei, ihr Inventar aufzurufen, doch Kirito hakte noch einmal nach. „Und was machst du, wenn wir es nicht tun?“ Der überraschte Blick des Gorillas wanderte von Asuna zu Kirito. Er musterte sein wesentlich kleineres Gegenüber sorgfältig und schien seine Möglichkeiten abzuwägen. „Dann ... dann ...“ Fast konnte man die Zahnräder in seinem Kopf rattern hören. Doch zu einer Lösung seines Problems kam er nicht. Stattdessen starrte er Kirito wütend an. „Leg die Waffen ab, sonst ...“, quiekte er verheißungsvoll, doch gleichwohl wenig imposant. Asuna neben ihm begann zu kichern, sodass es auch für Kirito schwer wurde, sich noch länger zu beherrschen. Er presste seine Lippen mit aller Kraft aufeinander und verzog das Gesicht, um nicht laut loszuprusten. „Jetzt lass sie schon endlich vorbei, du Idiot“, erklang hinter den beiden Männern die melodische Stimme der jungen Frau. Der große Typ sah sich zu ihr um und wollte wohl etwas erwidern, doch als er ihren genervten Blick sah, verkniff er sich seine Worte und macht stattdessen den Weg frei. Quinns Blick war noch immer auf das Wasser des Brunnes gerichtet, sodass Kirito ihr Gesicht nicht sehen konnte, da es von ihrem schulterlangen, dunkelblauen Haar verdeckt wurde. Sie trocknete sich in aller Ruhe, ihre zart wirkenden Hände hab, legte das Handtuch beiseite und erhob sich langsam, fast wie in Zeitlupe. Kiritos Blick wanderte über ihre langen, mit schwarzen Stiefeln und einer ebenso schwarzen, eng anliegenden Lederhose bedeckten Beine, über ihren freien, gut trainierten Bauch, bis hin zu ihren mit einer elegant verzierten, leichten Brustplatte geschützten, üppigen Brüsten. Am Rand des Brunnens lag noch ihr Mantel, doch sie machte sich keine Mühe, ihn aufzuheben. Ihr Augenaufschlag traf Kirito wie ein Blitz. Ihre dunkelblauen Augen waren wie tiefe Seen, in denen man sich problemlos verlieren konnte, ihr Gesicht war wie gemalt und dazu diese vollkommene, mandelfarbene Haut. Ihre vollen roten Lippen bewegten sich, doch für einen Moment war Kirito zu abgelenkt, und überhörte das Gesagte komplett. „Hallo Asuna, schön dich wiederzusehen.“ Etwas stimmte nicht, an der Art wie Quinn die Worte sprach. ... Es war nicht ehrlich gemeint. „Quinn“, antwortete Asuna nur knapp. „Das hier ist Kirito“, stellte sie ihn vor. „Hey“, sagte dieser nur. „Ah. Hast du dir also endlich auch jemanden für die Drecksarbeit gesucht. Wurde aber auch Zeit.“ Sie lächelte verspielt. Asuna schüttelte heftig den Kopf. „Nein, so ist das nicht. Wir ... arbeiten nur hin und wieder zusammen.“ Ein verächtliches Schauben war Quinns Antwort. „Was für eine Verschwendung. Mit einem so gut aussehenden Jungen wüsste ich eine ganze Menge mehr anzufangen, als nur ab und zu mit ihm zu arbeiten.“ Sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Kirito war nicht entgangen, dass sich Asunas Körperhaltung immer weiter versteift hatte und während ihre Miene wie Eis war, hätten ihre Augen Selbiges zum Schmelzen bringen können. „Geht dich nichts an“, brachte sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Quinn verdrehte die Augen. „Ist ja schon gut.“ Sie hob ihren schwarzen Mantel mit blauen und silbernen Verzierungen auf und zog ihn an. Unmerklich atmete Kirito auf. „Du sprachst von einer Quest. Worum geht es, warum braucht ihr unbedingt mich und am wichtigsten: Was ist die Belohnung?“ Es überraschte Kirito, wie plötzlich Quinn von verspielt auf ernst und konzentriert gewechselt war, als wäre es das Leichteste auf der Welt. Sie schien tatsächlich Übung darin zu haben, fast so, als sei sie es gewohnt, ihre Stimmungen quasi auf Knopfdruck zu ändern. Asuna erklärte worum es in der Quest ging, dass sie Rowan bereits rekrutiert hatten und das die Belohnung „einzigartig“ sein solle. Quinn hörte ihr aufmerksam zu und unterbrach sie kein einziges Mal. Sie war ein klein wenig größer als Kirito selbst und schien auch etwas älter zu sein, vielleicht zwei Jahre oder so. Aber natürlich konnten all diese Beobachtungen völlig wertlos sein, überlegte er. Wenn Asuna recht hatte und Quinn tatsächlich nie in den Spiegel geschaut hatte, nie verwandelt worden war ... dann konnte sie im Prinzip Alles und Nichts sein. Vermutlich wäre es besser, ihr Aussehen nur als eine schöne Illusion abzutun, aber das das war natürlich leichter gesagt als getan. „Einzigartig ... interessant. Etwas Genaueres weist du nicht?“ Asuna schüttelte den Kopf. „Hm.“ Quinn sah sie nachdenklich an. „Ich weiß nicht. Könnte eine große Mühe für etwas gänzlich Wertloses sein.“ Hilfe suchend sah Asuna zu ihm hinüber. „Schon möglich“, reagierte er prompt, „aber was wenn nicht? Was wenn die Belohnung nicht nur einzigartig, sondern auch wirklich außergewöhnlich ist?“ Er machte eine kurze Pause und gab ihr etwas Zeit zum Nachdenken, nur um dann noch einmal fortzufahren. „Wenn wir etwas weiter suchen, finden wir bestimmt auch jemand anderen, der bereit ist, uns zu helfen.“ Unwahrscheinlich. Zumindest niemanden mit den gesuchten Fähigkeiten. Aber das wusste Quinn schließlich nicht. „Willst du dich später wirklich darüber ärgern, dass dir jemand vor der Nase weggeschnappt hat, was hätte dein sein können?“ Dieses Mal lächelte er verspielt. Forderte sie heraus, provozierte sie, köderte sie und hoffte. Das Spiel schien ihr zu gefallen, jedenfalls lächelte sie ebenfalls. „Gut gepokert“, antwortete sie vergnügt. „Ich werde entsprechende Vorbereitungen treffen. Wir sehen uns dann morgen. Schickt mir eine Nachricht mit Treffpunkt und Zeit.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon. Die beiden Kleiderschränke folgten ihr, ohne noch ein einziges Wort zu sagen. „Und, was denkst du?“, fragte Asuna ihn. Sein Blick war noch immer auf den Rücken Quinns gerichtet, die sich immer weiter entfernte und dabei verführerisch mit dem Po wackelte. „Ich weiß nicht“, gab er zu. „Sie macht ne Menge Show und das gar nicht Mal schlecht. Sie weiß, was sie tut. Das ist alles Kalkül und berechnet. Nichts davon ist Zufall, davon bin ich überzeugt. Dummerweise macht es das auch schwer, sie wirklich einzuschätzen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir werden sehen.“ Asuna nickte zustimmend, aber glücklich sah sie dabei nicht aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)