Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 18: Kairis erster Geburtstag ------------------------------------ Kapitel 18: Kairis erster Geburtstag Temari warf einen Blick auf die Beschreibung, dann tat sie alle genannten Zutaten in eine Schüssel und verrührte sie. Obwohl das Rezept für einen Marmorkuchen nahezu idiotensicher war, hatte sie zum Anlass des ersten Geburtstags ihrer Tochter tatsächlich eine Backmischung gekauft. Eine Fertigmischung in Tüten, die ihr das Abwiegen von Mehl und Zucker ersparte. Sie kam sich dumm vor. Das war so erbärmlich … Sie fettete die Form ein und füllte die helle Hälfte des Teiges hinein. Der Geruch löste eine leichte Übelkeit in ihr aus und so ging sie lieber etwas auf Abstand. Sie rührte das Kakaopulver in den Teigrest, wiederholte das Ganze und schob ihr Werk in den vorgeheizten Ofen. Zehn Minuten hatte sie für den Vorgang gebraucht und Matsuri schlug sich immer noch mit der Dekoration herum und bespaßte zur gleichen Zeit Kairi. Und sie …? Temari seufzte. Sie war wirklich erbärmlich. Sie ging ins Wohnzimmer. Ihre Freundin befestigte eine bunte Girlande in Form einer großen Eins an der Wand. Kairi stand an der Couch und schaute ihr mit großen Augen dabei zu. „Kommst du klar?“ „Alles im Griff“, keuchte Matsuri und streckte sich, kam aber an den Haken, an dem sonst ein Bild hing, nicht heran. Sie dachte einen Moment nach, dann nahm sie die Schlaufe und versuchte, sie mit einem Wurf an ihrem Platz zu befördern. „Gib mal her. Das kann man sich ja nicht mit ansehen.“ Temari luchste ihr die Deko ab – und mit einem Schwung aus dem Handgelenk hing die Girlande wo sie hingehörte. „Siehst du, so einfach geht das.“ „Du bist auch ein paar Zentimeter größer als ich“, murrte ihre Freundin. „Und wenn du kreativ gewesen wärst, hättest du deine Fähigkeiten als Kunoichi genutzt und wärst ein Stück an der Wand hochgeklettert – oder dich wie jeder andere Mensch, der zu klein ist, auf einen Stuhl gestellt.“ Sie lachte los und klopfte Matsuri freundschaftlich auf den Rücken. „Bist du denn mit deinem Fertigkuchen in der Position zu sticheln?“, erwiderte sie. „Ich glaube nicht.“ „Ja, ja“ – sie winkte ab – „Sei mir lieber dankbar, dass du noch ein paar Tage länger leben darfst. Außerdem ist es kein Fertigkuchen, sondern ’ne Backmischung.“ „Ist beides für Idioten – oder für Leute wie dich, die in allem talentfrei sind, was in der Küche stattfindet.“ Sie grinste und gab vor Temari zu trösten, indem sie ihre Schulter tätschelte. „Ja, ich bin eine furchtbare Köchin“, sagte sie tonlos. „Ich hab’s verstanden!“ „Wenn das so an deinem Ego kratzt, beleg doch einen Kochkurs“, schlug Matsuri vor. „Klar, du wirst nie eine begnadete Köchin werden, aber für dich wäre es schon ein Erfolg, wenn du etwas Essbares zusammenbrutzelst.“ „Hast du dich mit Kankurou gegen mich verschworen oder warum hackt ihr in letzter Zeit ständig auf mir herum?“ „Wir hacken nicht auf dir, sondern auf deinen Kochkünsten herum.“ „Das macht es nicht besser.“ „Ach, komm“ – ihre Freundin lachte – „das ist doch nur Spaß. Das weißt du doch.“ „Nett ist es trotzdem nicht.“ „Du siehst das alles viel zu ernst.“ „Das hat Kankurou auch schon gesagt.“ „Und er hat Recht“, legte sie fest. „Ich weiß, du machst gerade ’ne schwierige Phase durch, aber übertrag das doch nicht auf alle Lebenslagen. Kopf hoch, es geht weiter.“ „Ich werd’s mir merken“, schloss Temari halbherzig. „Wie sieht’s aus? Kannst du beim Dekorieren Hilfe gebrauchen?“ Matsuri mitleidiger Blick lichtete sich und sie schüttelte den Kopf. „Nee, alles in Butter“, witzelte sie. „Aber du könntest deine Tochter davon abhalten, mir ständig vor die Füße zu krabbeln.“ Die beiden schauten zu Kairi. Sie stand immer noch an derselben Stelle, starrte nun den Banner an und machte vor Erstaunen große Augen. „Okay, sie hat wohl eine bessere Beschäftigung gefunden“, setzte sie nach und kicherte. „Ob sie weiß, dass sie heute Geburtstag hat?“ Temari schmunzelte. „Wohl kaum.“ --- Kankurou beendete sein grauenvoll schiefes Geburtstagsständchen für seine Nichte und Matsuri und sogar Gaara prusteten laut los. Temari spürte, wie ihre Freundin ihr einen Tritt gegen das Schienbein verpasste und rang sich ein Lächeln ab. Ein unehrliches Lächeln, das nur dazu diente, sie und ihre Brüder zufrieden zu stellen. Ihr Magen rebellierte und reduzierte ihren Bedarf zu lachen auf ein Minimum. Und das ausgerechnet am Geburtstag ihrer Tochter. Zur Ablenkung hielt sie den Teller mit dem Kuchen durch die Runde und nahm sich zum Schluss das kleinste Stück. Ihr war übel, aber nicht so übel, dass sie ganz aufs Essen verzichtete und den anderen einen Anlass gab, sich Sorgen um sie zu machen. Sie viertelte ein weiteres und reichte einen Teil davon Kairi, die es zwischen den Händen zusammenmatschte und sich in den Mund stopfte. Weiteres Gelächter von den anderen. Um nicht noch eine Schau abziehen zu müssen, nahm sie einen großen Bissen und ließ sich beim Kauen extra viel Zeit. Für so einen Fertigkram schmeckte der Kuchen ziemlich gut und der Gedanke, dass diese Nacht vermutlich niemand wegen ihr im Krankenhaus verbringen musste, beruhigte sie. Und ja, ein bisschen belustigte er sie auch und sie fühlte sich nicht mehr ganz so schlecht, dass sie an diesem Tag bisher so wenig Freude aufbringen konnte. Sie sah am Tisch entlang und dachte ein paar Wochen zurück. Wenn sie nicht diese eine Fehlentscheidung getroffen hätte, säße nun wahrscheinlich Koutarou hier und feierte mit. Temari erwischte sich öfter dabei, dass sie an ihn dachte. Es war nicht so, dass sie ihn vermisste, aber es war schön gewesen, so umworben zu werden; jemanden zu haben, der sich wirklich Mühe gab und die Beziehung mit Kompromissen am Laufen hielt. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie er auf sie zu gekommen war, bevor sie mit ihm Schluss gemacht hatte. So herzlich verhielt sich niemand, der wütend darüber war, dass er einige Tage zuvor von der Bettkante gestoßen und vor die Tür gesetzt worden war. Nicht wie eine andere Person, die einfach abgehauen war. Sie verfluchte sein Auftauchen, da es ihr Leben so über den Haufen geworfen und in den Zustand nach der Trennung von ihm zurückgesetzt hatte; und auf der anderen Seite war sie dankbar dafür, dass es sie davor bewahrt hatte, sich in eine Beziehung zu stürzen, die sie auf lange Sicht wohl nicht glücklich gemacht hätte. Nein, das an sich war nicht tragisch, wenn sie nicht den Fehler gemacht und mit ihm geschlafen hätte. Ein Fehler, der sie seitdem nur in unangenehme Situationen gebracht hatte. Koutarou hatte sie damit verletzt; zu Kankurou konnte sie nicht ehrlich sein, ohne ihre gute geschwisterliche Bindung auf die Probe zu stellen und Gaara wollte sie nicht damit belasten. Ihr Blick blieb auf ihrer besten Freundin haften. Sie war die einzige Person, mit der sie darüber reden konnte. Einige Ratschläge taugten nur bedingt etwas und manchmal wollte sie ihr für ihre blöden Kommentare eine scheuern, aber unter dem Strich war sie ohne sie aufgeschmissen. Das wurde ihr in solchen Augenblicken immer wieder bewusst. Matsuri bemerkte es, setzte eine besorgte Miene auf und lächelte. Temari erwiderte ihr Lächeln und riss sich von ihrem Anblick los. Kairi streckte sich in ihrem Stuhl durch und versuchte den Teller mit ihrem Essen zu erreichen. Ihre Mutter seufzte und reichte ihr den zweiten Teil von der Zuckerbombe. Das Mädchen setzte sich zurück, als wäre es das bravste Kind der Welt – was sich in den letzten Wochen immer mehr als Irrtum herausstellte – und aß. „Du hast ganze Arbeit geleistet!“, stichelte Kankurou und schenkte seiner Schwester ein süffisantes Grinsen. „Der Kuchen schmeckt sogar.“ Sie sah, wie Matsuri ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen stieß, seinen Protest ignorierte und einen Beutel unter dem Tisch hervorholte. „Wie wäre es mit Geschenke auspacken?“, trällerte sie fröhlich in die Runde. --- Da Kairi sich lieber mit dem Geschenkpapier aufhielt, es zerriss und drauf herumkaute, wenn gerade niemand hinsah, öffnete Temari die Geschenke an ihrer Stelle. Das Erste war ein rotes Kleid, auf dem ein weißes Kanji aufgestickt war. „Ich weiß, es ist nichts Besonderes“, murmelte Gaara, „aber etwas Besseres ist mir nicht eingefallen.“ Seine Schwester wunderte sich, dass er überhaupt die Zeit gefunden hatte, ein Geschenk zu besorgen. „Ich weiß gar nicht, was du hast. Ich find’s süß.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln – das erste an diesem Tag, zu dem sie sich nicht zwingen musste – und setzte nach: „Dann könnt ihr beide nächstes Wochenende im Partnerlook nach draußen gehen.“ Sie deutete auf das Schriftzeichen – es war dasselbe wie das, das Gaara auf der Stirn trug – und ihr jüngster Bruder wurde etwas rot um die Nase. Temari ignorierte Kankurous erwartungsvollen Blick – das hatte er davon, wenn er meinte, ständig arschig zu ihr sein zu müssen – und griff das Präsent von ihrer besten Freundin. Es enthielt ein Sammelsurium aus verschiedenen Haarspangen und –bändern in allen Farben des Regenbogens. „Nicht kreativ“, gab Matsuri zu, „aber so ’n Zeug kann man bei einem kleinen Mädchen immer mal gebrauchen.“ „Ja, wenn man es zu einer kleinen Prinzessen machen möchte“, stimmte sie amüsiert zu und stellte erleichtert fest, dass sich ihre Stimmungskurve langsam nach oben bewegte. Furchtbar, wenn man am ersten Geburtstag seines Kindes den Griesgram heraushängen ließ. So konnte es schließlich nicht weitergehen. „Jetzt aber meins!“ Kankurou hielt seiner Schwester demonstrativ das Geschenk für seine Nichte vor die Nase. „Und wehe, es gefällt dir nicht!“ „Das überleg ich mir noch“, erwiderte Temari und nahm es ihm ab. Es war ein neues Pappbilderbuch. „Und?“, fragte er. „Ich dachte, sie braucht mal ’ne Abwechslung zu diesem Grüffelo.“ „Den mag sie zwar immer noch“ – sie blätterte das Buch flüchtig durch – „aber trotzdem danke.“ „Danke? Das ist alles?“ „Soll ich auf Knien herumrutschen und dich anbeten?“, fragte sie. „Es ist ein Buch! Nicht mehr und nicht weniger.“ Und da sie die enttäuschte Miene ihres Bruders nicht ertragen konnte, setzte sie nach: „Aber ich finde es schön, dass du dir Gedanken gemacht hast. Ich bin sicher, dass Kairi es mögen wird.“ Um ihm zu beweisen, dass sie es ernst meinte, schlug sie die erste Seite auf und zeigte sie ihrer Tochter. „Ein Affenkind“ – sie deutete darauf –„und ein Schmetterling.“ Sie blätterte langsam weiter, benannte jedes Tier und Kairi vergaß sogar ihren Geburtstagskuchen und schaute und hörte aufmerksam zu. Kankurou setzte ein zufriedenes Grinsen auf, nahm sich einen Nachschlag und fing mit Gaara eine Diskussion über seine Aufgabe im Wachdienst an. Temari betrachtete die Seite, auf der alle Tiere noch einmal abgebildet waren. „Elefant, Papagei, Fledermaus … Du musst weit reisen, wenn du diese Tiere mal in Echt sehen möchtest“, sagte sie, „aber Schlangen und Spinnen findest du in der Wüste mehr als genug.“ Sie lachte. Ihre Tochter stimmte mit ein, verlor dann ihre Aufmerksamkeit und matschte lieber wieder mit ihrem Kuchen herum und so blätterte sie für sich noch etwas weiter. Beim Anblick des Affenpapas auf der vorletzten Seite überkam sie ein mulmiges Gefühl. Und sie ärgerte sich über die Darstellung, dass das Kind, obwohl es endlich seine Familie wiedergefunden hatte, an ihm vorbeilief. Was dachte sich dieses blöde Affenkind eigentlich?! Es sollte doch froh sein, dass es einen Vater hatte, aber stattdessen ignorierte es ihn. Sie schlug das Ende auf und starrte verdrossen die vereinte Familie an. Genau so sollte es bei ihr aussehen, aber stattdessen … Was hatte Kankurou sich dabei gedacht, ausgerechnet dieses Kinderbuch zu kaufen? Temari klappte das Bilderbuch zu und versuchte, sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen. Er hat es nur gut gemeint, sagte sie sich. Wahrscheinlich hatte er nicht gedacht, dass ein Buch, das Wo ist Mami? hieß, eine Szene enthielt, die mit ihren Gefühlen Kickboxen spielte. Ihr Magen drehte sich und ihre Hand wanderte automatisch an ihren Bauch. Sie legte ihrer Tochter die restlichen Teile ihres Kuchenstücks vor sie auf den Tisch, dann stand sie auf und verließ das Wohnzimmer. Der kurze Weg zum Bad kam ihr wie eine Bergwanderung vor. Gerade noch rechtzeitig erreichte sie die Toilette und übergab sich. Einmal, zweimal, dreimal, bis nur noch Galle kam. Der widerlich saure Geschmack löste noch mehr Übelkeit in ihr aus, doch nichts kam mehr. „Alles in Ordnung mit dir?“ – sie spürte Matsuris Hand auf ihrer Schulter – „Der Kuchen war doch okay, oder?“ Sie betätigte die Spülung, trocknete die Tränen, die sich in ihren Augenwinkeln gesammelt hatten und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. „Es ist nicht der Kuchen“, sagte Temari. Sie klappte den Klodeckel herunter, setzte sich und hielt sich den Magen. „Du bist schon die ganzen letzten Tage so komisch“, meinte ihre Freundin. „Was ist denn los? Es liegt doch nicht etwa daran, dass Kankurou und ich dich wegen deinen Kochkünsten aufziehen?!“ „Vergiss den Scheiß. Das ist mein geringstes Problem.“ „Und was ist dann dein Hauptproblem?“ Sie wich Matsuris Blick aus und sah zur Tür. Kairi machte ordentlich Lärm im Wohnzimmer und Kankurou und Gaara lachten sich scheckig darüber. „Die beiden bekommen gerade eh nichts mit“, sagte ihre Freundin. „Also leg schon los. Ich bin ganz Ohr und verrate es auf gar keinen Fall weiter.“ Daran zweifelte Temari nicht eine Sekunde, aber … Sie legte ihre Hände in den Schoß und faltete sie. Sie überlegte, ob sie sich von ihrer Nervosität mit Däumchendrehen ablenken sollte, und verwarf den Gedanken. Bei Kankurou hatte sie einen Grund, nervös zu sein, aber nicht bei Matsuri. „Um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, nichts ist in Ordnung – absolut gar nichts.“ Sie machte eine kurze Pause und setzte dann nach: „Ich bin schon wieder schwanger.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)