Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 13: Über das Wiedergutmachen von Fehlern ------------------------------------------------ Kapitel 13: Über das Wiedergutmachen von Fehlern „Wovor hattest du Angst?“, fragte Shikamaru, bekam allerdings keine Antwort darauf. „Ich weiß“, flüsterte Temari vor sich hin, „dass ich den größten Mist meines Lebens gebaut habe, als ich es dir nicht gesagt habe.“ „Hast du mir deshalb den Brief mit dem Foto geschickt, um dein Gewissen zu erleichtern?“ Sie wusste, dass er es wahrscheinlich nicht so meinte, aber sie kam sie wie bei einem Verhör vor. „Nein … vielleicht … ich weiß nicht …“, erwiderte sie. „Aber selbst wenn … Ich wollte auch, dass du von deiner Tochter erfährst – auch wenn es viel zu spät war.“ Sie senkte den Blick, um ihn nicht weiter ansehen zu müssen. „Es war ziemlich hart, dass du dich gar nicht gemeldet hast, aber ich kann’s verstehen. Du musst gedacht haben, dass ich dich verarschen will.“ „Nein“, sagte er, „das dachte ich nicht mal eine Sekunde lang.“ Temari starrte vor sich hin und sie spürte die Wut, die in ihr aufkeimte. Warum zum Teufel tauchte er fast ein Jahr zu spät auf? Ihr kamen tausend Gründe in den Sinn und einer war absurder als der Nächste. „Warum hast du dann so lange gebraucht, um dich hier blicken zu lassen?“, fragte sie aufgebracht. „Warum bist du überhaupt hier?“ „Ich wollte wirklich herkommen, nachdem du mir geschrieben hast, aber irgendwie … Irgendwas kam immer dazwischen. Irgendwas hab ich immer vorgeschoben, um es noch eins, zwei Wochen hinauszuzögern“, antwortete Shikamaru ruhig. „Diesen saudummen Fehler möchte ich wiedergutmachen.“ „Den hättest du gar nicht erst gemacht, wenn du keine blöden Ausflüchte gesucht hättest und gleich nach der Geburt hergekommen wärst“, meinte sie bitter und verfluchte gleichzeitig ihren Tonfall. „Ach, ich muss gerade reden …“ „Schon okay.“ Er deutete ein Kopfschütteln an. „Wir haben beide ziemliche Scheiße gebaut.“ „Allerdings. Wir sind beide nicht in der Position, um dem anderen Vorwürfe zu machen. Ich noch viel weniger als du.“ Er legte eine Hand auf ihr Handgelenk und sie fühlte sich besser. Diese Geste des Trostes funktionierte noch genauso gut wie früher und so genoss sie einfach die Wärme seiner Berührung. Auch der Drang, ihm noch irgendetwas vorzuwerfen, war verschwunden. Sie wollte keinen Streit – nicht jetzt, nicht darüber und vor allem nicht, nachdem sie sich so lange nicht gesehen hatten und sich in der Schuldfrage einig waren. „Wie war die Geburt?“, fragte er in die Stille hinein und überraschte sie mit seinem Interesse daran. „Nicht so schön – nein, eher ziemlich grauenvoll.“ Temari spürte die kurze Anspannung seiner Hand, dann fuhr sie fort: „Bis eineinhalb Wochen vor dem Termin hat sich null getan und dann …“ Sie pausierte kurz. „Urplötzlich bekam ich schlimme Wehen. Zwei Tage lang passierte trotzdem nichts, ich konnte vor Schmerzen kaum schlafen und hatte ständig das Gefühl, ich müsste sterben. Und als die Fruchtblase dann doch geplatzt ist, ging alles viel zu schnell. Keine zehn Minuten und Kairi war auf der Welt.“ Sie biss sich in Erinnerung daran auf die Unterlippe. „Eine Viertelstunde vorher dachte ich noch, dass es an dem Tag nichts mehr wird. Und dann hatte ich plötzlich diesen kleinen Menschen im Arm. Ich fühlte mich völlig erschlagen von den verschiedensten Gefühlen, die auf mich einprasselten und hab erstmal losgeheult.“ Eine erneute Pause. „Und das nicht nur aus Freude.“ „Entschuldige, dass ich nicht da war“, sagte Shikamaru. Abermals merkte sie, wie angespannt er war und etwas in ihr zog sich zusammen und besagte, dass sie es nicht so stehen lassen konnte. „Wie hättest du das sein sollen, wenn du von nichts wusstest?“ Diesmal legte sie ihre noch freie Hand auf seine und drückte sie in der Hoffnung, dass es bei ihm etwas Ähnliches bewirkte wie bei ihr. „Und Kankurou hat dich würdig vertreten – auch wenn es für viele merkwürdig ausgesehen haben muss, dass ich meinen Bruder mit in den Kreißsaal genommen habe“, erzählte sie weiter. „Außerdem hab ich ihm beim Händchenhalten einen Finger und fast noch zwei weitere gebrochen. Sei froh, dass dir das erspart geblieben ist.“ „Ich hätte mir liebend gern auch die ganze Hand von dir brechen lassen, wenn ich dafür dabei gewesen wäre.“ Er ließ ihren Arm los, nahm ihre Hand, die auf seiner lag und verkreuzte die Finger mit ihr. „Willst du es nachholen?“ Sie musste lachen. „Das wäre doch nicht fair! Wir können schließlich die Zeit nicht zurückdrehen.“ „Leider …“ „Nicht in diesem Punkt“, widersprach sie. „So sehr ich es dir auch gönnen würde, aber diese Geburt möchte ich auf gar keinen Fall noch einmal erleben. Und Kairis Drei-Monats-Koliken im Anschluss auch nicht.“ „War es so schlimm?“ „Die ersten drei, vier Wochen gingen, weil sie nur geschlafen hat, aber dann … Tagsüber war es noch auszuhalten, aber abends bin ich oft mit ihr stundenlang im Tragetuch durch Suna spaziert, damit ich das Geschrei nicht ertragen musste. Furchtbar.“ Die Erinnerung daran gruselte Temari und sie wusste nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, diese Phase durchzuhalten. „Dann wurde sie vier Monate alt und plötzlich war sie wie ausgewechselt. Auf einmal hatte ich das pflegeleichteste Kind der Welt und eine Zeit lang konnte ich mich vor Freizeit kaum retten. Jetzt, wo sie so mobil geworden ist, sieht es natürlich wieder etwas anders aus, aber hey, ich kann mich nicht beschweren. Auch wenn mir die Millionen Spaziergänge am Tag nicht helfen, die überflüssigen Schwangerschaftskilos loszuwerden.“ „Ich finde, sie stehen dir ausgezeichnet“, sagte Shikamaru und antwortete das, was sie vermutet hatte. „Du siehst großartig aus.“ „Ja, so großartig, wie man mit Breiflecken auf dem Oberteil nur aussehen kann.“ Sie überspielte mit einem Lachen, wie sehr sie sich über dieses Kompliment freute. „Aber ich dachte mir schon, dass du das sagst. So oft, wie du mich früher gefragt hast, ob ich nicht ein paar Kilo zunehmen möchte.“ „Und warum wolltest du nicht?“ „Damit ich irgendwann im Notfall eine zukünftige Schwangerschaft kompensieren kann und dir trotzdem noch gefalle.“ Geglückt, dachte sie und hätte der Welt am liebsten ihr zufriedenstes Grinsen gezeigt, wenn sie sich nicht so albern dabei vorgekommen wäre. „Das mit der Schwangerschaft musst du mir ohnehin noch mal erklären“, meinte er sachlich und verpasste Temaris guter Laune damit einen ordentlichen Rückstoß. „Als ob du nicht wüsstest, wie das funktioniert“, entgegnete sie, wusste aber, dass er es auf keinen Fall darauf belassen würde. „Nein, im Ernst. Du hast doch die Pille genommen, oder?“ „Ja.“ Nervös blickte sie hin und her. Es war ihr wirklich unangenehm das zuzugeben, aber – „Hin und wieder …“ „Hin und wieder?“ „Die Prüfung hat mich sehr gestresst … und na ja, da wurde ich etwas fahrlässig.“ Etwas fahrlässig war gut. In der Zeit hatte sie von keiner Packung auch nur die Hälfte genommen, aber dieses Detail ersparte sie ihm. „Die Prüfungsvorbereitungen sind doch immer stressig“, sagte Shikamaru und sie wunderte sich immer noch über seine Gelassenheit. Wozu wollte er es überhaupt wissen, wenn ihn das Wie nicht interessierte? Der Vollständigkeit halber oder doch, um ihr die Schuld unter die Nase zu reiben? Nein, den letzteren Punkt hatten sie hinter sich gelassen, also konnte sie sich das Gestammel sparen und gleich die Fakten auf den Tisch packen. „Es ist auch nicht während der Prüfung passiert, sondern danach.“ Jetzt schoss sie sich zwar erst recht ein Eigentor, denn sie bezweifelte, dass er wusste, wie man den ungefähren Tag der Zeugung festlegte, aber wenn schon, denn schon. Keine Heimlichkeiten mehr, hatte sie sich geschworen und das galt auch gegenüber dem Vater ihres Kindes. „Wie kannst du im Urlaub denn noch gestresst gewesen sein?“ „Das war ich auch nicht“, gab sie zu. „Und bevor du weiter nach dem Grund fragst: Es gab keinen. Außer grenzenloser Dummheit und einem verborgenen Kinderwunsch in den Tiefen meines Unterbewusstseins vielleicht.“ Temari rechnete schon damit, dass er ihre Hand auf der Stelle losließ, doch es passierte nicht. Er war genauso gefasst wie zuvor – oder vor Ungläubigkeit über ihre Blödheit erstarrt. Letzteres war Kankurous und Matsuris Reaktion auf die Geschichte gewesen. „Warum dachtest du, dass du mit mir nicht darüber reden kannst?“, fragte Shikamaru und klang in keiner Weise irritiert. „Du hast ja immer mal wieder davon geredet, dass du später Kinder möchtest und vielleicht hab ich angenommen, dass dir egal ist, wann es passiert.“ Herzlichen Glückwunsch für diese tolle Erklärung!, sagte die sarkastische Stimme in ihren Gedanken. Wenn sie noch mehr Mist von sich gab, konnte sie die winzige Chance, die sie im Moment auf eine intakte Familie hatte, auch gleich mit einer Schaufel erschlagen … Intakte Familie … Wie kam sie darauf? Weil sie zusammen auf der Couch saßen, er ihr Komplimente für ihre Figur machte und ihre Hand hielt? So ein Quatsch! Reden ließ aufgerissene Wunden nicht einfach so verschwinden. „Ach, das ist doch totaler Schwachsinn!“, unterbrach Temari das Schweigen. „Ich hätte vorher mit dir reden müssen, Punkt.“ Er seufzte. „Oder ich hätte dir sagen müssen: Kinder ja, aber nicht bevor ich fünfundzwanzig bin.“ Ein Lachen trat gegen ihre Kehle, doch sie schluckte es wieder herunter. Auch wenn sein selbstironischer Kommentar sie von ihrer Blödheit freisprach, war dies nicht der richtige Augenblick, um es herauszulassen. „Das hätte vielleicht geholfen.“ Sie lächelte dankbar. „Ich möchte nicht drängeln, aber“ – sie horchte auf und fragte sich, was kam – „hast du etwas zu trinken für mich?“ Temari löste ihre Hand aus seiner, sprang auf und patschte sich gegen die Stirn. „Natürlich!“, sagte sie und hechtete in die Küche. Was war sie für eine Gastgeberin, dass sie ihn nach der Reise durch die Wüste verdursten ließ?! Sie schaute in den Kühlschrank. Die Auswahl beschränkte sich auf Sekt und Wasser. Da Shikamaru keinen Alkohol mochte, fiel ihr die Wahl nicht schwer und sie goss ein Glas mit Mineralwasser ein. Es beschlug vor Kälte und Kondenstropfen setzten sich an der Außenwand ab. Sie griff nach der Sektflasche und verspürte den Drang, sie mit einem Zug zu leeren. Wozu?, fragte sie sich. Um dein Schuldbewusstsein abzutöten? Kannst du die Situation nur mit Alkohol ertragen? Temari schlug die Kühlschranktür zu. Sie hasste ihr Gewissen mit jedem Mal mehr. Weil es so verdammtes Recht hatte – und sie vor eineinhalb Jahren im Stich gelassen hatte. „Was anderes hab ich gerade nicht da“, sagte sie und stellte das Wasserglas auf den Tisch. „Von abgestandenem Sekt, den Kankurou vor ein paar Wochen angefangen hat, mal abgesehen.“ Er bedankte sich und trank. Temari betrachtete den Wasserrand, den das Glas auf dem Holz hinterlassen hatte. Das Licht der Wohnzimmerlampe spiegelte sich darin und der Anblick beruhigte sie. Sie degradierte die Idee, sich zu betrinken, zur Lächerlichkeit. Unbegreiflich, wie sie darauf gekommen war. „Hast du Yoshino von Kairi erzählt?“, fragte sie. Shikamaru fröstelte und tat das Glas zurück an seinen Platz. Dann sagte er: „Erst vor ein paar Wochen. Sie hat es für einen schlechten Scherz gehalten, als ich meinte, dass ich eine neun Monate alte Tochter habe.“ „Und weiter?“ „Als ich ihr das Foto gezeigt habe, hat sie ihre Meinung geändert.“ „Und dann?“ „Sie hat herum geflucht, weil ich viel zu jung für ein Kind wäre, was mir denn einfällt, eine zu schwängern, die mich kurz darauf verlässt …“ Er zuckte die Achseln. „Dann ist sie in Tränen ausgebrochen.“ Temari zog die Augenbrauen zusammen und kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. Seine Mutter war nie ihre beste Freundin gewesen und trotzdem fühlte sie sich schuldig, dass sie so ein Chaos verbreitet hatte. „Mach dir nichts draus“, sagte er in dem Versuch sie aufzuheitern. „Sie war immer ein bisschen dramatisch veranlagt und der Tod meines Vaters hat es nicht besser gemacht.“ „Dabei ist der Krieg schon vier Jahre her … Müsste sie nicht langsam drüber hinweg sein?“ Nein, warum sollte sie? Sie wusste selbst, dass die Zeit nicht alle Wunden heilte. Egal, ob sechzehn Monate, vier oder vierzehn Jahre vergingen. Shikamaru deutete ein Schulterzucken an. „Logisch gesehen schon.“ „Und praktisch?“ „Hab ich immer noch keine Ahnung von Frauen.“ Ein belustigtes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Trotz alldem, was vorgefallen war, hatte er sich in der Zeit kein Bisschen verändert. „Und wie stehen deine Brüder dazu?“, fragte er. „Die beiden sind Onkel wie aus dem Bilderbuch“, erwiderte sie. „Gaara sieht sie meist nur am Wochenende, beschäftigt sich dann aber viel mit ihr. Und Kankurou“ – sie suchte nach dem treffenden Wort, um seine Rolle zu beschreiben – „ist fast wie ein Ersatzvater für sie. Er hat mir in den ersten Monaten viel geholfen und hat eine tolle Bindung zu ihr. Er ist der Einzige außer mir, der sie ohne Gezicke und Protest zu Bett bringen darf.“ Ersatzvater … Hätte sie ihn so bezeichnen sollen? „Ach ja, und er möchte dich am liebsten umbringen“, setzte Temari nach. Eine weitere Morddrohung beeindruckte ihn wohl nicht – ihr Bruder hatte ihm in der Vergangenheit mehrere um die Ohren gehauen –, aber … „Warum denn diesmal?“ „Kankurou ist ziemlich verbittert, was die Situation betrifft“, redete sie drumherum. „Er ist wütend auf dich, weil es ist, wie es ist.“ Und ich blöde Kuh hab’s vermasselt!, dachte sie und fühlte sich mies. Sie fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Stirn und bekam das Bedürfnis zuzukneifen. Der Schmerz über ein paar Kratzer war als Ablenkung für den Augenblick gut genug … „Ich hab es ihm x-mal erklärt“, fuhr sie fort, „aber für ihn zählt es nicht, dass ich dich angelogen und unsere Beziehung massakriert und weggeworfen habe.“ Temari senkte den Arm, legte ihn zu dem anderen auf den Schoß und knetete ihre Hände. „Scheiße, ich hab alles falsch gemacht“, fluchte sie. „Ich bin gerade mal Mitte Zwanzig und mein Leben reicht schon nicht mehr aus, um alles nur im Ansatz wieder gutzumachen.“ „Hör auf, dir an allem die Schuld zu geben“, sagte Shikamaru. „Darum geht’s doch gar nicht mehr.“ „Versuch mal, das meinem verdammten Gewissen klar zu machen.“ Sie krallte ihre Fingernägel in ihre Hose und zerknüllte den Stoff. Es half, ihre Wut auf sich selbst zu minimieren, auch wenn ein Sandsack die bessere Wahl gewesen wäre. „Ich würd’s gern glauben, aber –“ Der Rest des Satzes ging auf dem Weg zu ihrem Mund verloren, als er sie küsste. Und genauso schnell wie er begonnen hatte, war der Kuss wieder vorbei. „Entschuldige bitte, aber du hörst sonst nicht mit dem unsinnigen Gerede auf!“ Seiner Stimme schwang etwas Provozierendes bei und ihr war klar, dass es ihm nicht leid tat. Und warum auch? „Toll“, sagte Temari, mehr zu sich selbst als zu ihm, „jetzt bin ich komplett verwirrt …“ Es war keine Woche vergangen, dass sie mit Koutarou herumgeknutscht hatte und nun küsste sie ihren Ex? Was kam als Nächstes? Ein Heiratsantrag von einem heimlichen Verehrer? „Bist du mit jemandem zusammen?“ Seine Frage fühlte sich für sie wie ein Schlag mit der Handkante in den Nacken an. Was sollte sie antworten? Die Wahrheit? Aber was zur Hölle war die Wahrheit? Ja, sie hatte sich die letzten zwei Monate mit einem Mann getroffen, ihm im entscheidenden Augenblick von der Bettkante gestoßen und seitdem nicht gesehen. War das die Definition einer Beziehung? „Nein“, sagte sie und schämte sich für ihre Unehrlichkeit. Sie wollte ihm erklären, dass es ein wenig komplizierter war, doch sie traute sich nicht. Es war nicht wie damals, als sie Angst vor seiner Reaktion auf die Schwangerschaft hatte – nein, sie wollte die kleine Hoffnung, dass sich zwischen ihnen alles wieder zum Guten wendete, nicht im Keim ersticken. Ein Gedanke kam ihr. Wenn er eine Freundin hatte, war der Keim von vornherein tot … „Bist du denn mit jemandem zusammen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab’s versucht, kurz nachdem du gegangen bist“, sagte er, „aber es funktioniert nicht.“ „Ich hab’s zwar nicht versucht, aber mit Babybauch ist man auf dem Singlemarkt auch nicht gerade angesagt.“ Vor Nervosität knibbelte sie an ihrem rechten Daumen herum. Was war denn das für ein Kommentar? Sie brauchte dringend eine Auszeit … Temari stand auf, murmelte ein „Entschuldige mich“ und verschwand ins Badezimmer. Sie wusch sich das Gesicht und hoffte, so einen klareren Blick auf das Ganze zu bekommen. Es nützte nichts. Ein Gang zur Toilette. Nützte nichts. Sie kniff sich in den Arm. Fehlanzeige. Sie verließ das Bad und schaute nach ihrer Tochter. Vor dem Schrank lag das Gegenstück zum Babyfon, das auf dem Regal über dem Kinderbett stand. Sie hob es auf, betrachtete Kairi und lächelte. In ihrer Hand drehte sie das Gerät vor und zurück. Es war ihr ein Rätsel, wie sie es hier vergessen konnte. Vielleicht war sie deshalb die ganze Zeit so von der Rolle? Sie schloss die Tür hinter sich. Und blieb stehen. Das Babyfon war nicht der Grund für ihre innere Unruhe. Es war die Lüge, die sie Shikamaru aufgetischt hatte. Dass sie ihm Koutarou verschwieg, mit dem sie bis vor ein paar Tagen definitiv zusammen war. Auch wenn sie nicht wusste, wie es nun mit ihm stand, Fakt war, dass sie nicht mit ihm Schluss gemacht hatte. Und bevor sie das getan hatte, konnte sie sich nicht guten Gewissens auf ihre alte Liebe einlassen. Das hieß, wenn er denn wollte. Sie berührte ihre Lippen und erinnerte sich an den Kuss. Natürlich wollte er. Und sie auch. Alles wäre so einfach, wenn diese Sache mit Koutarou nicht zwischen ihnen stehen würde … „Geht es dir gut?“ Temari zuckte zusammen, ihr Puls raste und das Blut rauschte ihren Ohren. „Alles bestens“, sagte sie und stellte ein naives Lächeln zur Schau. „Ich hab das Babyfon in Kairis Zimmer liegen lassen … Passiert mir sonst nie.“ Ja, warum servierst du ihm deine Unsicherheit nicht gleich zum Abendessen?, dachte sie verdrossen. Warum zum Henker hast du dich vor kurzem auf eine neue Beziehung eingelassen? Und warum kannst du nicht auf der Stelle tot umfallen oder im Boden versinken? Genau, ein Kaninchenloch war der perfekte Ort, um sich zu verstecken – mit dem Manko, dass es im Windreich keine Kaninchen gab … Verdammt, konnte sie nicht endlich aufhören, nach Ausflüchten zu suchen? Einmal im Leben das Richtige tun? War es nicht falsch, Shikamaru wegen eines Mannes, den sie erst seit Kurzem kannte, vor den Kopf zu stoßen? Los, erzähl ihm von Koutarou!, wisperte ihr Gewissen. Sag ihm, dass du es erst mit ihm klären musst, bevor du – Er will dich und du willst ihn! Was gibt es da zu überlegen? Ihr Schuldbewusstsein verstummte. Als sie Koutarou abwies, hatte sie auf ihr Herz gehört. Und nun tat sie dies noch einmal. „Du fängst schon wieder an, wirres Zeugs zu reden“, sagte er und brachte sie mit dieser Bemerkung zum Lachen. „Und zu denken“, ergänzte sie und legte ihre Arme um seine Schultern. Dann zog sie den Vater ihres Kindes an sich und küsste ihn. Weil es das Richtige war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)