Peaks von Akinara (Wir Haben Es Immer Auf Die Spitze Getrieben) ================================================================================ Kapitel 27: Ace - Trumpf In Ketten ---------------------------------- Hastig flogen Kids Augen über die Männer an Deck. Alle waren wieder zurück gekehrt, nachdem auch der letzte schwächliche Marinesoldat erledigt worden war. Alle bis auf eine. „Wo ist Solekk?“, fuhr er Killer an, der über und über mit Blut bespritzt neben ihm stand. Dieser erwiderte nichts, wusste ebenso wenig die Antwort wie der nervöse Captain und stierte auf das verlassene, feindliche Schiff, das fast friedlich im sanften Seegang auf und ab dümpelte. Der Rothaarige begann zu kochen, zu rasen und blickte hektisch Richtung Horizont. Schnell! Schnell musste sie gefunden werden und dann galt es zu verschwinden. Die Arbeit hier war zwar noch nicht ganz getan, für gewöhnlich versenkten sie ein gekapertes Schiff, nachdem sie sich die Güter angeeignet hatten, aber mit dieser unerwarteten Wendung war nicht zu spaßen. Verflucht, wo war sie nur? Was in diesem Moment alles durch die Gedanken, die Adern und das Herz des jungen Mannes schoss war unbeschreiblich. Euphorie und Hitze vom Kampf, Erhabenheit, Triumph, Erregung ob des Sieges, Sorge, Hektik, Panik...Angst! Hatte er, Eustass Kid, gerade wirklich Angst? Es war keine Zeit, darüber zu philosophieren, zu rasch glitt die Gefahr am Horizont näher. Viel, viel zu rasch. Verdammt! „Killer!“, brüllte er seinen Vize an. „Du solltest auf sie aufpassen!“ Ruckartig wandte sich der Maskierte ihm zu und Kid hoffte, dass unter der Kopfbedeckung eine sehr schuldbewusste Miene stand. Obwohl das auch nichts brachte. Mit unglaublicher Geschwindigkeit kam der Feind näher und näher! Shit, er musste jetzt auf diesen gottverlassenen Kahn rüber und sie suchen. Sofort, sonst war es ein für alle Mal vorbei. Oh Gott, bloß nicht dran denken! Gegen diesen Gegner, der sich dort auf der gigantischen Galeere näherte, hatten sie keine Chance. Selbst ein Mann wie er erkannte hier seine Unterlegenheit und sein Leben war ihm so lieb, dass er es nicht für den sinnlosen Kampf gegen diese Übermacht geben würde. Dennoch, er würde diesen Ort nicht ohne sie verlassen. Der Rothaarige tat einen enthusiastischen Schritt gen Reling und wurde von einer kräftigen Hand aufgehalten. „Nicht, Captain! Das ist zu gefährlich. Es ist keine Zeit mehr.“, drang die raue Stimme des Blonden an sein Ohr, das sich in all dieser Aufregung und Verzweiflung weigerte zu hören. „Aber sie...“, begann er wirr in seinen Gedanken und beobachtete in diesem Moment, wie die imposante, hoch aufragende Flanke des mächtigen Kriegsschiffes der Marine zu ihnen aufschloss. Beeindruckend und definitiv überlegen dieses Gefährt, ganz abgesehen davon, dass sich vermutlich mindestens ein Vizeadmiral auf diesem Monstrum befand, dazu Heere an Soldaten, Dutzende erfahrener Kapitäne und ein Waffenarsenal, das jeden Marinestützpunkt erblassen ließ. Der Massakersoldat hatte Recht. Sie mussten verschwinden und zwar sofort. Er gab den Befehl zur Flucht und fühlte, wie es ihn zerriss. Die Lascivious Devil war schnell, er sorgte sich nicht darum, dass sie unbehelligt entkommen würden. Aber seine Kleine! Fuck, er würde sie zurück lassen und das brach ihm das Herz. Brach ihm alles, was ihn aufrecht hielt: Sein Herz, sein Genick, sein Rückgrat. Er wollte nicht und doch musste er. Schrecklich. Rasch nahm sein Schiff Fahrt auf und gewann Abstand zum Ort des Geschehens. Just in diesem Moment trat die Kleine an Deck des verlassenen Marineschoners. Mit einem erfahrenen, gebrechlichen Seebären zwischen den Klauen schritt sie triumphal zwischen den Toten entlang und rieb dem alten Captain ihren Sieg unter die Nase. Törichtes, geliebtes junges Ding. In dem Augenblick, da sie begann, ihn zu erdrosseln, erkannte sie die Gefahr. Identifizierte ihre Lage und sah sich um. Schmerz in ihrem Blick, unbeschreiblicher Schmerz, als sie die Devil in für sie unerreichbarer Entfernung vorfand. Wer nun auch immer fort war, sie von ihnen oder die Kid-Piraten von ihr, das hier war der letzte Atemzug. Der letzte Wimpernschlag, den sie teilten. Für alle Zeit der letzte Blick. ~ „Du hast verloren!“, hallten die Worte des Alten in meinen Ohren wider. Er war mittlerweile tot, hing noch leblos an meine Krallen geheftet in meiner Faust, während ich der Devil hinterher sah. Zunächst starrte ich nur betäubt auf das immer kleiner werdende Heck meiner ehemaligen Heimat, bis ich meine Aufmerksamkeit dem finsteren Schatten in meinem Rücken zuwandte. Ein gigantisches Schiff, eine Kriegsgaleere der Marine, hatte neben dem ausgestorbenen Schoner gehalten und einige Männer in weißen Hemden begannen, sich auf das Deck, auf dem ich ganz allein war, abzuseilen. Dieser Kreuzer vor meinen Augen raubte mir den Atem. Fünfmal so hoch wie die jedes normale Schiff und unzählige Male so lang, ein fahrendes Hauptquartier quasi, beeindruckend und Angst einflößend. Ich begriff kaum, dass sie mich erwischt hatten. Dass ich in ihren Fängen gelandet war, schutz- und hilflos. Keine Wut auf meine Crew spürte ich, keine Enttäuschung. Vorerst nur Erleichterung, dass man auf dem Koloss von Schiff offensichtlich beschlossen hatte, ihnen nicht zu folgen. Gott sei Dank waren sie in Sicherheit. Kid und Killer und Heat und Wire und Toad und Rev und Jack und all die anderen. In Sicherheit... Erst als die ersten Soldaten einige Meter entfernt von mir aufkamen, realisierte ich meine eigene Lage. Fuck. Ich ließ den toten Captain fallen und schloss die Augen. Nahm meine ultimative Form an und widmete mich mit Leichtigkeit den ersten paar Schafen, die dennoch schon deutlich mehr Können an den Tag legten als die Hanseln auf diesem Schiff, das nun leer gefegt unter mir im Wellengang taumelte. Immer mehr Männer strömten an Deck des verbündeten Geisterschiffs und ich verlor bald den Überblick. Wo ich zu Beginn noch ohne Anstrengung die wenigen Angreifer hatte wegputzen können, drängten sie nun wie Ameisen auf mich zu. Ich fauchte, biss und hieb um mich. Schlug mit dem Schweif und trat. Kratzte und schnappte, doch letztendlich half mein zeitnah verzweifeltes Wehren nichts mehr. Man überwältigte mich und ich sah nichts als Sterne. Fühlte Blut überall, Platzwunden, Schnitte, Fesseln. Schmerz, nur Schmerz. Scheiße, ah! Es tat weh. Erst lange nachdem es schwarz vor meinen Katzenaugen geworden war, erbarmte sich mein Körper der völligen Bewusstlosigkeit und ich durfte endlich in die erlösende Ohnmacht fallen, die mich vor weiteren Qualen durch die zugefügten Verletzungen bewahrte. Sie hatten mir sehr schwer zugesetzt. Auch die stärkste Löwin hört irgendwann auf zu kämpfen. Ich gebe auf. ~ Kid tobte. Die vorläufige regungslose Fassungslosigkeit war gewichen, sobald die Silhouette der Galeere und des Schiffes, auf dem Solekk sich noch immer befand, am Horizont verschwunden waren. Nun konnte mein langjähriger Captain und Freund nicht mehr an sich halten. Zornige Röte stieg in sein Gesicht, Adern pulsierten unter der sonst so blassen Haut und ich fürchtete, er würde tatsächlich platzen, wenn nicht bald Abhilfe geschaffen wurde. Jene suchte er sich selbst. An mir. Völlig außer sich kam er auf mich zugestampft. „Du solltest auf sie aufpassen!“, donnerte seine Stimme erneut, diesmal ohrenbetäubend, über das Deck und alle Anwesenden hielten den Atem an. Ich verharrte still und bereitete mich innerlich auf meine Strafe vor. Ich wusste selbst nur zu gut, dass ich versagt hatte und wer glaubte, dass ich mir deshalb keine Vorwürfe machte, der irrte so sehr. Nein, es zerfraß mich. Es quälte mich, dass ich Schuld an ihrem Verlust trug. Ich wollte kaum daran denken, was jetzt mit ihr geschah, so oder so aber war sie nicht mehr bei uns und das verschlang mich. Natürlich konnte Kid das nicht sehen, er begriff nach wie vor nicht völlig, was ich für sein Mädchen fühlte und so konnte ich ihm seinen Wutausbruch, der schlimmer war als jeder zuvor, nicht verübeln. Er nutzte keine Teufelskraft, aber die Wucht seiner Schläge war dennoch stark genug, mich bis an das andere Ende des Hauptdecks zu schleudern. Ich keuchte, war ja auch nicht schmerzfrei und stand ächzend wieder auf, bereit für den nächsten Hieb. Ich wusste, er war noch nicht fertig. Und ich wusste, ich hatte es verdient. Wenn er mich verprügelte, kam ich besser mit meiner Schuld zurecht. Der Schmerz half mir, meinen Fehler zu verarbeiten. Warum nur war ich kurzzeitig unaufmerksam gewesen? Wie konnte ich nur verpassen, dass Solekk in ihrem kämpferischen Übermut den Captain der lausigen Patrouille aufgesucht hatte, die doch bis dato ein Kinderspiel für uns und auch für sie gewesen war? Wie konnte ich versäumen, sie über das Auftauchen der scheinbar von eben jenem alten Mann angeforderten Unterstützung zu informieren? Es war meine Schuld, alle hatten Recht. Er hatte Recht. Schlag mich, Kid! ~ Ich keuchte. Alles drehte sich in meinem Kopf und ich versuchte mit Zucken und Blinzeln dieses unangenehme Gefühl zu verscheuchen. Unmöglich. Ich konnte mich kaum regen. Ich wusste nicht, weshalb, aber weder ließ sich mein Gesicht irgendwo anders hin drehen, ohne dass ich Schmerz im Nacken empfand, noch war ich in der Lage Hände oder Füße zu bewegen. Was zum Teufel war das hier? Waren das Fesseln? War das bereits Impel Down, das berüchtigte Piraten-Gefängnis, in das sonst nur ganz besonders gefährliche Freibeuter kamen? Ich kniff die Augen zusammen und versuchte in der anhaltenden Dunkelheit etwas zu erkennen. Vergeblich. Aber irgendetwas sagte mir, dass das hier (noch) nicht die Haft war. Einige Sekunden später war es mir dann klar: Wir bewegten uns. Ich fühlte die wenn auch minimale Schwankung des Untergrundes, Seegang. Erleichterung breitete sich in mir aus. Wir waren also noch auf dem Meer. Gnadenfrist. Leise seufzte ich und schloss die Augen wieder. Ohnehin war es sinnlos, sehen zu wollen. Zu finster hier. Wie treffend. Es passte doch so sehr zu dem, was sich gerade bei mir, in meinem Leben tat. Das hier war die Wende, der Wechsel, das Verlieren des Bodens unter den Füßen. Von einem unbekümmerten Augenblick herrührend kletterte diese Entwicklung nun rasch in ungeahnte Tiefen hinab. Nur eine Sekunde zu lange, ein übermütiger Gedanke war es gewesen, der mein Schicksal besiegelte. Jetzt blieb nur noch das Ende. Einsamkeit, Dunkelheit, Warten auf den Tod. Sie würden mich kaum sofort hinrichten, dachte ich deprimiert. Seltsam vielleicht, so über die gekreuzten Schwerter an der Kehle zu denken, und doch...So war es. Sterben wäre besser als dahinsiechen im trostlosen Impel Down. Warten auf den Stillstand des Herzens, Altern in der Lichtlosigkeit. Nein, tötet mich gleich! Schnell und schmerzlos! Welch feiger, erbärmlicher Wunsch. Verdammt, ich war die Frau, die sich ein Mann wie Eustass Kid ausgewählt hatte: Schwäche und Angst zählten nicht zu meinem Gefühlsrepertoire. Und Gnade wollte ich nicht! Entschlossen presste ich die Lippen aufeinander und festigte meine Gedanken. Lieber würde ich sterben als Kid zu verleugnen, selbst wenn dies den Tod bedeutete, das Schafott. „Lieber sterben als das!“, flüsterte ich heiser in die Dunkelheit. Zuckte, als ich plötzlich eine Präsenz neben mir registrierte. Wer auch immer es war, er hatte solange still gehalten, gehorcht und geschwiegen, dass er mir nicht aufgefallen war. Nun aber ein Räuspern von rechts oben. Die Person saß, anders als ich, die ich liegend hier festgekettet war, und musste auch schon länger hier unten hocken als ich. Es war niemand, den ich persönlich kannte. Kein Kid-Pirat, keiner vom Archipel. Aber doch so berühmt und berüchtigt, dass ich ihn später schnell einordnen konnte, nachdem er sich mir offenbarte. „Das habe ich mir auch sofort gedacht“, erklang seine Stimme, weit weniger tief als die von Eustass. Er war vermutlich etwas kleiner. Sie war angenehm und etwas darin ließ mich Respekt vor ihm haben. Er war so ruhig, so eins mit sich und der Situation. Das musste ein starker Mann sein, nicht nur körperlich, wenn er hier auf dieser Galeere gefangen gehalten wurde und dabei so besonnen sein konnte. „Die Sache ist nur“, fuhr er mit einer beeindruckenden Ruhe fort, „mir wird diese Gnade bald schon zuteil. Dir nicht.“ Seine Worte schockierten und beeindruckten mich zugleich und so konnte ich nicht umhin, nachzuhaken: „Wer bist du?“, fragte ich vorsichtig in die Düsternis. „Mein Name ist Puma D. Ace.“ Offenbar war er es nicht gewohnt, sich vorstellen zu müssen. Aber da ich ihn nicht sehen konnte, blieb mir kaum eine andere Möglichkeit als die direkte Frage. Die Antwort raubte mir kurz den Atem. What? Puma D. Ace? Selbst eine ahnungslose Landbewohnerin wie ich hatte im Laufe ihres Lebens diesen Namen aufgeschnappt. Eine solche Größe hier neben mir in dieser erbärmlichen Zelle zu finden, war ebenso eine Ehre wie ein Schock. „Die Feuerfaust?“, wisperte ich erstaunt. „Wie haben sie dich gekriegt?“ Ein mattes Seufzen neben mir, dann antworte der Berüchtigte. „Ich war im Kampf gegen jemanden, 'Blackbeard'. Ich habe verloren und die Marine wurde alarmiert. Tja, jetzt sitz' ich hier in Ketten und warte auf den Tod. Sie werden mich hinrichten, sobald wir Impel Down erreichen.“ Ich war fassungslos. Ich gehörte eigentlich ja erst seit Kurzem zu dieser Seite der Welt, zu den Piraten, den 'Bösen', den Rookies. Dennoch machte mich die bevorstehende Niederlage 'unseres' Lagers traurig. „Nein, das können sie nicht!“ Ein heiseres Lachen, dann: „Natürlich können sie das. Und sie werden. Ich will nicht, dass mich jemand rettet, das würde nur in einer Katastrophe enden. Leider, so glaube ich, wird mein Bruder versuchen, mich zu befreien. Und womöglich sogar mein Vater...“ Bruder? Vater? Ich schwieg und überlegte, konnte mir aber nicht so richtig zusammenreimen, von wem er da sprach. Meine Wortlosigkeit deutend fuhr der Zellenmitbewohner fort. „Ruffy ist mein Bruder. Kennst du ihn?“ Er sprach wohl von dem Strohhut, von Monkey D. Ruffy? Nein, den kannte ich nicht direkt, aber wer in aller Welt hatte noch nicht von ihm gehört? „Ich bin ihm nie begegnet.“, antwortete ich wahrheitsgemäß und meinte gleich darauf. „Aber so wie erzählt wird, besteht kein Zweifel daran, dass er verrückt genug ist, das Impel Down anzugreifen.“ „Das ist meine Sorge.“, hakte Ace ein. „Und wenn er und mein Vater gegen die Marine vorgehen....Dann wird es Krieg geben.“ „Wer ist dein Vater?“ „Whitebeard...“ Whitebeard, geisterte es durch meinen Kopf. Einer der Piratenkaiser. Ehrfürchtig hatte Killer die Namen derer vier in den Wind geflüstert. 'Einst' tendierte ich fast zu sagen, denn mit den zunehmenden Stunden, die ich hier Seite an Seite mit der Feuerfaust in der Finsternis dieses Verlieses verbrachte, kam mir diese vergangene Realität fern und unwirklich vor. Ja, 'einst' war es gewesen. Scheinbar lange her, dieses Glück, das nun, abgesehen von der Gesellschaft des sympathischen Piraten mein einziges Licht war. Er sprach viel mit mir, zunächst nur über die Umstände meiner Verhaftung und Dinge, die mir kaum von Bedeutung schienen, je mehr Zeit verrann. Uns blieb nicht ewig, bis diese Galeere Impel Down erreichte. Es würde sein Ende sein. Meins war längst gekommen. Hatte das gefräßige, mit scharfen Zähnen bewaffnete Maul aufgesperrt, als ich die Flanke ebenjenes Schoners neben mir auftauchen und das Heck der Devil am Horizont verschwinden sah. Dieser Augenblick war mein Ende gewesen. Hatte mich verschlungen. Getötet. Unbestreitbar. „Sie werden dich retten.“, stellte ich matt in den Raum, obwohl seit Minuten kein Wort mehr gefallen war. War es Tag oder Nacht, war es nahe des Ziels oder noch am Anfang des Weges, ich wusste es nicht. Doch ich musste reden. Mein Gesprächspartner war wach, reagierte, antwortete mit nicht weniger bedrückter Stimme. „Ich weiß. Aber ich will es nicht.“ „Warum?“, fragte ich und leitete unseren Dialog ein zweites Mal in die Richtung, die wir ganz zu Beginn eingeschlagen hatten. Nur flüchtig hatte er da seine Beweggründe für diese ganz und gar untypische, selbstlose, ja beinahe heldenhafte Auffassung erklärt. Von einer Katastrophe hatte er gesprochen, wenn man ihn rettete. Und von Krieg. „Überleg' mal.“, forderte er jetzt leiser auf, weil die Wache sich bereits verärgert räusperte. „Wenn mein Vater, ein Piratenkaiser, und Ruffy, der Rookie mit dem zweithöchsten Kopfgeld, gegen die Marine ziehen, werden andere Piraten ihre Gelegenheit sehen, endlich zum Schlag gegen die Weltregierung auszuholen. Sie werden Seite an Seite mit den beiden kämpfen und es wird keinen Stärkeren und keinen Schwächeren geben. Viele werden sinnlos sterben.“ Ace' Worte spukten in mir umher. Gott behüte, dass sich Kid genötigt sah, einzugreifen. Auch wenn ich nachvollziehen konnte, dass es in den Augen so mancher Kapitäne günstig erscheinen könnte, sich Whitebeard und den Strohhüten anzuschließen, betete ich doch, wenigstens er besäße genügend Intelligenz, sich raus zuhalten. Für ihn gab es in dieser drohenden Schlacht nichts zu holen. Nichts, auch mich nicht. Bleib bloß weg, Kid. Ich seufzte. Die andere Stimme fragte nach. „Und um wen sorgst du dich?“ Ja, wir beide teilten die Angst, dass ein wichtiger Mensch sein Leben für das unsere aufs Spiel setzte. So gesehen waren wir gleich. „Ich sorge mich um das höchste Kopfgeld unter den Rookies.“ „Eustass Kid?“, erstaunt wie auch nicht urteilsfrei, zumindest zunächst, erklang seine Erkundigung. War da eine Spur von Abneigung in seinen Worten? Warum so voreingenommen?, dachte ich flüchtig, bevor ich antwortete. „Ja. Kid. Ich hoffe, er ist schon auf dem Weg in die Neue Welt.“ Nun war es an meinem in Schwarz gehüllten Gegenüber, neugierig und auch ein wenig misstrauisch in die Dunkelheit zu fragen: „Wer bist du?“ Ich antwortete postwendend und mit fester Stimme. „Mein Name ist Solekk Samedha und ich gehöre zu Kid.“, gab ich zu verlauten und verwendete ganz bewusst eben diese ungewöhnlichen Worte, die Trafalgar Law damals so hellhörig hatten werden lassen: 'Ich gehöre zu Kid'. Auch Ace entging dieser Unterton nicht. „So so, dann bist du also die, von der sie überall erzählt haben.“ Nur ein kurzer Laut meinerseits machte der Feuerfaust meine Überraschung klar. Ich hatte keinen blassen Schimmer, dass meine Geschichte die Grenzen des Archipels überschritten hatte. „Na, also hör mal!“, lachte der Mann leise. „Wenn man einen Tenryuubito so abzieht, bleibt das doch nicht lange geheim. Und deine Schönheit war ja ohnehin auf der ganzen Grandline bekannt.“ Daf...was? Wie bitte? Da wurde ich doch leicht rot. Von einer Größe wie Puma D. Ace so ein Kompliment zu bekommen war doch ausgesprochen schmeichelnd. Sicher hatte er in seinem Leben die ein oder andere Hübsche zu Gesicht bekommen und dennoch diese Worte für mich zu finden, erschien mir als große Ehre. Nichtsdestotrotz schwieg ich über meine peinlich berührte Dankbarkeit hinweg und lauschte seinen schnell folgenden nächsten Sätzen. „Kein Mensch wusste damals, was Eustass 'Captain' Kid mit dir anfangen wollte, die Zeitungen haben wild spekuliert. Darüber, dass er die Menschenhändler erpressen wolle, dass er dich selbst zu verkaufen gedachte oder sonst irgendwas. Dass er dich allerdings so gebrauchen würde...“ Ich hörte ihm aufmerksam zu und als er in dieser seltsamen Formulierung endete, sah ich mich gezwungen, einzugreifen. „Er hat mich nicht 'gebraucht'.“, stellte ich trocken, aber laut in den Raum. Das war schon ein bisschen frech, was die Feuerfaust hier postulierte. Und dennoch fuhr er fort. „Willst du mir erzählen, er hat dich nicht angefasst?“ Trotz dass dieses Gespräch in eine eindeutige Richtung verlief, die alles andere als unpersönlich war, blieb mein Gegenüber sachlich und völlig beleidigungsfrei. Das war schon etwas seltsam, fast ungewohnt für mich in Anbetracht meines ehemaligen Berufs, für den ich stets dieselben Blicke und Meinungen geerntet hatte. Dieser Zuneigung zu seiner unbefangenen und freundlichen Urteilsfreiheit folgend, gab ich etwas schüchtern zu. „Doch...schon, aber...“ Bevor ich fortfahren konnte, fiel mir der Kommandant der zweiten Division von Whitebeard ins Wort. „Na, siehst du. Und ehrlich, es ist ihm nicht zu verübeln. Ich mein, was man so hört, die wenigen Bilder, die man in der Zeitung und auf Plakaten gesehen hat...Wenn wir hier nicht angekettet wären, dann....grrr!“ Ich konnte nicht anders als zu lachen. Lauthals und ihn mit einfallen hörend genoss ich seinen Schabernack. Er war wirklich unterhaltsam und ein netter Kerl. Trotz dass wir zwei hier in einer so aussichtslosen Situation hockten, konnten wir dennoch herzhaft lachen und das war vollständig der Verdienst dieses Mannes. Welch eine Schande, dass er sterben musste. Ich beruhigte mich langsam von der Erheiterung und gab dann etwas keuchend ob der Atemlosigkeit zurück. „Glaub mir, Kid würde dir den Kopf abreißen.“ Wieder gluckste der junge Mann. „Wenn ihm die Marine nicht zuvor kommt“, vernahm ich heiter. Wow, der Kerl besaß eine gute Portion Galgenhumor. Bewundernswert. „Aber im Ernst...“, meinte er schließlich nach einigen leise lachenden Minuten, in denen der nervtötende Wächter nicht müde wurde, sich zu räuspern. „Wenn ihm so viel an dir liegt, wird er nichts unversucht lassen, dich hier rauszuholen.“ Ich wusste, dass Ace mir damit weder Angst noch ein schlechtes Gewissen machen wollte und auch, dass er Recht hatte und so ich war zufrieden, ihn und mich bedenkenlos beruhigen zu können. „Er ist längst nicht mehr in der Nähe.“, gab ich seelenruhig, vielleicht gestärkt von Ace' ehrlichem Optimismus, zurück. „Wir haben damals eine Abmachung getroffen: Sollten wir jemals voneinander getrennt werden, so würde der eine oder der andere den Weg in die Neue Welt fortsetzen. Wir wollten uns dann treffen dort irgendwo. Waren sicher, bis dahin genug Wirbel um uns gemacht zu haben, sodass wir nur den Berichten hätten folgen müssen, um uns wieder zu sehen. So wird es wohl nicht geschehen.“ Traurig blickte ich zur Seite und versuchte diese schweren Gedanken zu verscheuchen. Weder war ich gewillt, die langsam nagende Trauer und Angst vor der Verdammnis zuzulassen noch diesen mutigen, herzensguten Kerl neben mir herunter zu ziehen. „Keine Sorge.“, wisperte der junge Mann, eigentlich so unbedarft wie ich und doch viel, viel weiser. „Du wirst überleben. Du wirst den Krieg überstehen....“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)