Peaks von Akinara (Wir Haben Es Immer Auf Die Spitze Getrieben) ================================================================================ Kapitel 6: Finding Field - Was Geht Hier Vor? ---------------------------------------------- Der schlanke, aber trainierte Blonde zeigte mir einen Waschraum, den ich benutzen konnte. „Schließ ab, wenn du rein gehst...“, riet er noch. Überflüssig zu fragen, warum. Das Schiff war nicht rappelvoll, aber ich musste es nicht darauf anlegen, unbekleidet erwischt zu werden. „Danke“ Ich lächelte den Mann mit der Maske an. „Ich bin übrigens Solekk. Und offenbar neuestes Mitglied der Crew.“ Bei dem Gedanken daran zog ich zweifelnd eine Augenbraue hoch und blickte zur Seite. Mir war immer noch nicht so recht klar, was der Feuerrote mit mir wollte. Eine Hure bekam er in jedem Hafen. Vielleicht nicht so eine wie mich, aber schon jemanden, der wusste, was er tat. Meine Gedanken mussten mir quasi auf die Stirn geschrieben stehen, denn die erstickte Stimme des Blondes klang aufgestellt. „Was ist? Stellst du die Entscheidung des Captains in Frage?“ Uh, er war wohl ziemlich loyal seinem Cheffe gegenüber. „Nein...naja...“, Vielleicht doch? Eigentlich bedeutete mir der Mann ja nichts und ich war ohnehin jemand, der herzlich wenig vom bedenkenlosen Herumkommandiert werden hielt. Das hatte ich lange genug ertragen müssen. Zu diesem Killer konnte ich aber scheinbar ehrlich sein. Auch wenn er ein einschüchterndes Äußeres besaß und vermutlich, wie alle anderen hier, Dutzende Menschenleben auf dem Gewissen hatte, fand ich ihn zugänglich. „Ich frag mich, was er mit mir will?!“, gestand ich schließlich unsicher. Killer beruhigte sich und antwortete mir frei raus. „Wenn es darum geht...Er will deine Teufelskräfte. Das hat er dir sicherlich schon gesagt.“ Hatte er. Und dennoch stockte ich und spürte das Band aus Seestein plötzlich sehr deutlich um meinen Hals. Ich wusste zwar, dass ich außergewöhnliche Fähigkeiten besaß, das hatten die anderen Mädchen von Disko mir gegenüber das ein oder andere Mal erwähnt, aber ich hatte das damals einfach übergangen. Und welche es nun genau waren, wusste ich auch nicht. Dass der junge Captain dies tat, bezweifelte ich ebenfalls stark. Wie konnte er also Interesse an etwas haben, das er nicht wirklich einzuschätzen in der Lage war? Vielleicht konnte man meine Teufelskräfte ja in der Pfeife rauchen und ich stellte nur eine Last für die Crew dar? Der unglückliche Ausgang einer solchen Sachlage skizzierte sich mir flugs vor dem inneren Auge und ich schüttelte den unangenehmen Gedanken ab. ~ Die junge, schöne Frau, die sich mir jetzt als 'Solekk' vorgestellt hatte, blickte nachdenklich zu Boden. Ich konnte mir ausmalen, was in ihr vorging. Sie hinterließ zwar nicht den Eindruck, als würde die ganze Geschichte sie ängstigen, aber es zeichnete sich klar ab, dass sie haderte. Mit sich, mit der Tatsache ihrer Stärke und mit der Zukunft. „Hast du denn gar keine Ahnung, was es ist?“ Überrascht schaute sie mich an, hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass ich in ihrem Gesicht lesen konnte, wie sehr sie an ihren Kräften zweifelte. Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf. „Ich hab nicht den blassesten Schimmer. Solange ich denken kann, trage ich diesen Ring“, sie deutete verächtlich auf ihren schmalen Hals. „Kid wird ihn dir abnehmen.“, versprach ich. „Sehr bald schon.“ Ursprünglich wollte ich die süße Dunkelhaarige damit beruhigen, doch ich konnte sehen, welches Unbehagen ihr die Vorstellung der Entfesselung ihrer Kräfte bereitete. Und vielleicht auch die Art und Weise, wie der Captain diesen Seestein von ihrer Kehle lösen würde, der seltsamerweise bei ihrer Flucht nicht hoch gegangen war. Augenblicklich juckte es mich in den Fingern, sie zu berühren. Ihr ein bisschen Sicherheit zu geben in diesem Aufruhr. Herrgott, was stimmte denn nicht mit mir? Ich schüttelte überrumpelt den Kopf und verscheuchte diese unpassend sanftmütigen Gedanken. Es lag an ihr. Die Kleine war einfach zu hübsch und es war ewig her, dass ich eine Frau gespürt hatte. Ich versuchte mich zu besinnen. War sicherlich auch nicht einfach für sie, immer nur mit Männern konfrontiert zu werden, die spitz wie Sau auf sie waren. So wie mein Captain. Ich grinste. „Was ist?“, fragte ich sie lax. „Rauchst du?“ ~ Entspannt zog ich an dem kleinen glühenden Tabakstängel zwischen meinen Fingern. Ich hasste den Geschmack und den Geruch, aber die schöne Wolke in den Himmel steigen zu sehen, spendete mir Trost. Killer rauchte nicht. Er hatte mir die Zigaretten lediglich angeboten, weil er gesehen hatte, wie fertig ich war und sich der Schachteln entsann, die seit Monaten im Laderaum vor sich hin vegetierten. Kein Schwein wusste, warum sie die damals von Dexter Lowrys Schiff mitnahmen, nachdem sie den Kahn bis auf die Planken geplündert hatten. Dass ich tatsächlich ab und an gern ein bisschen Rauch atmete, ahnte er vorher nicht. Es war auch keine Angewohnheit, der sich die Engel von Disko rühmten. Wir taten es heimlich, wenn er nichts mitbekam. „Es geziemt sich nicht, für so eine Schönheit, für meine Göttin, nach Qualm zu stinken“, hätte mein ehemaliger Besitzer gesagt. Ehemaliger Besitzer...ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Dass dieses Leben vorbei war und ich hier ganz neu beginnen musste. Durfte. Ich zog noch einmal fest an der Zigarette, bevor ich mich an Killer wandte. „Was wird mir denn hier bevorstehen?“, fragte ich ihn und ließ den Rauch sanft zwischen meinen Lippen aufsteigen. Betrachtete ihn bewundernd, ehe der Wind ihn erfasste und davontrug über die Weiten des Meeres. „Ach, so großartig eigentlich nichts“, winkte der Blonde ab. Er war schon deutlich aufgetaut, seit wir hier standen und redeten. Wie ungewöhnlich das für einen so schweigsamen Mann wie ihn war, ahnte ich nicht. Ich kannte ihn ja kaum. „Also wenn ich von uns anderen ausgehe zumindest.“ Ich sah aus dem Augenwinkel herüber zu ihm. Ja ja, ich hatte längst verstanden, dass mir eine Sonderrolle zufiel. Ich war die Einzige, die für den Boss die Beine breit machen würde. Aber darauf ritt Killer nicht herum. Es war ihm vermutlich nicht einmal bewusst, was er da andeutete. „Wir halten die Devil am fahren, wo auch immer es Kid hintreibt. Und stehen hinter ihm, egal was.“ Ich ließ mir seine Worte auf der Zunge zergehen. Diese Männer schienen laut der Beschreibung des Maskenträgers wirklich treu zu sein. Unterstützten ihren jungen Captain bei allen seinen Entscheidungen. Bewunders- und beneidenswert, dieser Rückhalt. Sowas kannte ich nicht. „Ob ich das kann?“, sprach ich meine Gedanken laut aus. Killer wandte seinen Kopf zu mir, doch ich erkannte natürlich keine Mimik. „Du wirst es müssen.“ Ich hätte schwören können, dass er unter seiner Maske schief lächelte und so lächelte ich zurück. „Oder zumindest nicht aufmucken. Das wird bei dir schon reichen.“ Er schaute sichtbar an mir herunter. „Hey!“, spielerisch stupste ich den großen Blonden an. Der Umgang mit ihm war locker und unbekümmert, er machte keine Anstalten, bösartig auf meine Berührung zu reagieren. Obwohl wir uns noch keine vierundzwanzig Stunden kannten, schienen wir uns fast vertraut. Dass das ganz und gar untypisch für Killer, den Massakersoldaten war, vermutete ich nicht im Geringsten. Der Tag verlief im Sande. Ich nahm die erfragte Dusche und fühlte mich ein bisschen besser, aber trotzdem immer noch wie ein Hund ohne Schwanz. Irgendwie passte ich hier nicht her. Das hier war nicht meine Welt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich den Jungs bei den alltäglich anfallenden Arbeiten helfen sollte, auch wenn sie vorrangig recht nett reagierten, selbst wenn ich mich blöd anstellte. 'Tittenbonus!', hatte Killer mir geflüstert, als Wire, ein anderes, starkes und respekteinflößendes Crewmitglied milde über meinen Fehler bei der Takelage hinweg geblickt hatte. Ich hatte ihn in die Seite geknufft und war doch sicher gewesen, dass der Blonde recht hatte. Wire schien auch ein netter Kerl zu sein. Wesentlich weniger zugänglich als der Maskierte zwar, aber zumindest nicht so unberechenbar und bestialisch wie ich mir Piraten immer ausgemalt hatte. Ruhig halt. Darüber hinaus machte ich noch Bekanntschaft mit Heat. Spät am Abend, als die Dunkelheit längst herein gebrochen war, lehnte ich an der Reling und zog eine Zigarette aus einer der kleinen Schachteln, die mir Killer überlassen hatte. Dann tastete ich nach dem Feuerzeug. Für gewöhnlich hatte man sowas ja in der Tasche. Aber dieses beschissene Kleid hatte keine einzige davon. Das hieß, es musste hier sein. Prüfend fühlte ich über meinen BH, wo ich für gewöhnlich, wenn keine Hosentasche und nix zur Verfügung stand, alles Wichtige verstaute. Niemand weigerte sich, Geld aus dem Körbchen einer jungen Frau anzunehmen. Aber auch dort war jetzt nichts zu finden. Mist. Missgelaunt sah ich mich um und hoffte insgeheim auf ein Wunder. Ein Engel mit einem Feuerzeug. Und da kam er. Heat. Ein großer Mann, wie alle in der Crew, mit dunkler Haut und blassblauem, langem Haar, das lockig über seine Schulter fiel. Seine Gesichtszüge waren kantig, finster und irgendwie verhärmt und so jagte er mir zunächst einen gewaltigen Schauer über den Rücken. Bis sich wie durch Zauberhand die Spitze meines Glimmstängels entzündete. „Gern geschehen“, flüsterte er, bevor ich mich bedanken konnte und so schenkte ich ihm einfach ein Lächeln. „Na, treibt dich die Neugier auf die Neue an Deck?“, fragte ich ohne Umschweife. Es war bereits spät und der Rest der Mannschaft hatte sich schon lange in die Kabinen verzogen. Umso verwunderlicher war es, dass dieser Pirat hier noch, im wahrsten Sinne des Wortes, herumgeisterte. Ich kam nicht umhin, ihn mit einem Untoten zu vergleichen. Die Art, wie sich die Haut im Gesicht kräuselte, bevor sie zu den spröden Lippen zusammenlief. Waren das da Nähte? Die ausdruckslose Mimik, die „Gehirne!“ zu rufen schien und die allgemeine Seelenruhe, mit der er sich bewegte. Ein Zombie ohnegleichen. Deshalb aber nicht minder unterhaltsam. „Die Neue...“, begann er sinnierend, „kümmert mich nicht.“ So so. „Ich bin schon viele Jahre auf der Devil.“ „Jahrhunderte wohl eher, hm?“, schlug ich frech vor und hätte mir am liebsten sofort selbst auf den Mund gehauen. Wie konnte ich so respektlos sein? Mit diesen Männern musste ich schließlich auf unbestimmte Zeit meine Zukunft verbringen. Doch der sinistre Kerl reagierte gelassen. Ein schauriges Lachen ertönte. „Böses Kind.“, er grinste zu mir hinab. „ Wie heißt du?“, fragte ich ohne Umschweife und zog an meiner frisch entzündeten Zigarette. „Heat.“ „Weil du's mit Feuer drauf hast?!“, hakte ich belustigt nach. Er lächelte sanftmütig und ein wenig geschmeichelt. „So sieht's wohl aus, nicht wahr?" „Ja, eindeutig“, gab ich zur Antwort und hielt die in der Dunkelheit glühende Spitze meiner Tabakrolle ein wenig in die Höhe. Momente des Schweigens folgten. Kein peinlich berührtes Schweigen. Eher eines, dass der Anmut der Nacht angemessen war. „Heat?“ fragte ich schließlich. „Hm?“, lautete die gemurrte Aufmerkung. „Werde ich hier auf dem Schiff überleben?“ Ich konnte nicht anders. Musste wissen, was er glaubte, was ich glauben durfte. Ich war schon immer unsicher gewesen, doch ich verstand es gut, das zu verbergen. Unter meterdicken Schichten von Selbstsicherheit und Abgeklärtheit, die niemand überwand. Wenn ich es nicht zuließ. Für den Moment aber, bei diesem ohnehin lebenserfahrenen, uneingebildeten Mann, schien es in Ordnung, die Schilde sinken zu lassen. Der Ältere musterte mich von der Seite. „Ich kenne dich nicht. Wie soll ich das beurteilen?“ Er hatte ja Recht. Dennoch blickte ich ihn vorwurfsvoll an. Dann präzisierte ich meine Frage. „Was brauche ich, damit ich's hier mache?“ „Schon besser“, quittierte der Große meine Umformulierung. Dann überlegte er kurz und lehnte sich an die Reling. Ich zog an meiner Zigarette und pustete wartend einen zarten, grauen Faden in die Luft. „Lass mich überlegen.“, leitete er seine Antwort ein. „Um vor dem Captain zu bestehen, brauchst du Stärke.“ Na klasse. Das war ungefähr so aussagekräftig wie Bier auf 'nem Volksfest. Nichts, was man nicht erwartete, eine Selbstverständlichkeit und ohne bekam jemand ganz schlechte Laune. „Stärke … und vielleicht noch 'ne ganze Portion Leidenschaft. Das ist es.“ Ich nahm seine Worte auf und wog sie ab. Leidenschaft, geisterte es mir durch den Kopf. Wofür? Die Seefahrt? Das Piratenleben? Persönliche Ziele? Ziele der Gruppe? Ich wollte Heat keine weitere Belästigung zumuten und so verbrachten wir die Minuten einfach schweigend nebeneinander an der Reling der Lascivious Devil. Die Tagen vergingen, ohne dass sich etwas Besonderes tat. Langsam gewöhnte ich mich an das sich stets wiederholende Treiben auf dem Schiff. Ich half, wo ich konnte und wurde von der Crew weitestgehend akzeptiert, mehr aber auch nicht. Kid ließ sich die ganze Zeit nicht blicken. Killer war der Einzige, mit dem ich ein bisschen mehr Kontakt hatte. Ab und an, wenn ich an Deck zu tun hatte, kam er vorbei und wir unterhielten uns. Auch abends, wenn ich in der Dunkelheit allein auf der Reling saß und das stetige Rauschen des Meeres genoss, gesellte er sich häufig dazu. Wir redeten einfach nur. Über mich meistens, denn er sprach nicht viel. Manchmal, eigentlich gar nicht so selten, über Kid. Seine Pläne, seine Ziele. Doch das wollte ich eigentlich von dem Feuerschopf persönlich erfahren. Killer hatte mir auch ein paar Klamotten gegeben, altes Zeug von sich, damit ich nicht ewig in dem zarten, weißen Kleidchen herum laufen musste, das ich bei meiner Entführung getragen hatte. Jetzt war ich zumeist in seine weiten Hemden gehüllt, die ich enger schnürte, damit sie überhaupt an mir hielten. Ein paar ausgefranste Jeans-Shorts waren auch noch aufzutreiben gewesen. Im Bauch der Devil gab es Einiges an Krimskrams. Bei Kaperaktionen wurden einfach immer komplette Truhen mit an Bord genommen, was sich darin befand, wusste keiner. Erstmal haben. Was damit anzufangen war, konnte man später in Ruhe überlegen. Notfalls wurde es verkauft. Mein Glück, dachte ich mir dankbar und zog die ausgewaschenen, kurzen Hosen an. Es klopfte. „Augenblick“, rief ich in der Düsternis meines Zimmers und schmiss mir eines der Hemden von Killer über. Ein schwarzes, das ich hochkrempelte und um die Taille zusammen knotete. Oben ließ ich zwei Knöpfe offen. Genug, damit jeder sah, dass ich eine Frau war. „Okay“, murmelte ich leise und ging zur Tür. Die Maske des Blonden begrüßte mich. Ich lächelte ihn freundlich an und fragte dann. „Was gibt’s?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)