Das Herz der Mantis von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 9: 08 - Der Manipulator -------------------------------     Struana rannte, als wäre Sargeras persönlich hinter ihr her. Sie ignorierte ihren rasenden Herzschlag, während sie mit trommelnden Pfoten über das ergraute Gras preschte. Die hohen Klippen trennten sie von dem Salzigen Schlick, doch sie fand eine passende Stelle und stürzte sich in die Tiefe. Schlitternd schaffte sie einen halbwegs gelungenen Absprung und landete im seichten Wasser. Schlamm und Salzwasser spritzten um sie herum und hängten sich lästig an ihre Klauen, Beine und sogar ihrem Kinn, doch ihr war es egal, wie sie aussah. Das Blut pulsierte durchdringend in ihren Ohren und sie sprintete unermüdlich weiter, geradewegs durch den Matsch um sich immer mehr mit Dreck zu bespritzen.   Das Salzige Schlick war eine schier endlose seichte Ebene im Meer, dennoch musste sie höllisch aufpassen, dass sie nicht in einer dünnen Sandschicht einsank und womöglich noch stecken blieb. Die Kriegerin musste glücklicherweise nicht lange suchen, oder gar eine weite Strecke zurücklegen, denn schon von Weitem erkannte sie die aufsteigenden Felsen und die kleine Kiesinsel, welche das Lager der Saurok sein musste. Sie wurde langsamer und nutzte in der Nähe herumliegende Felssteine - vielleicht waren es einmal Korallen gewesen - um Deckung zu suchen. Struana hatte nicht vor gesehen zu werden und wenn sie es nicht tun müsste, würde sie diese Kreaturen nicht herausfordern. Aufmerksam betrachtete sie zwei echsenartige Gestalten dabei, wie sie nicht unweit des Lagers miteinander um ein Stück Fleisch kämpften.   Kor'iks einfache Beschreibung als 'Echsenmänner' beschrieb wirklich sehr genau, was diese Wesen eigentlich waren. Tiere. Zu groß geratene Echsen mit scharfen Krallen und der Fähigkeit auf zwei Beinen aufrecht zu gehen. Die Worgen spürte ihr Herz gegen ihren Brustkorb hämmern, während sie vorhechtete um noch etwas näher an das Lager heranzukommen. Die grunzenden Laute und der Gestank, welcher von den Saurok und ihrem Lager ausging, war nahezu überwältigend für ihre sensible Nase. Doch sie würde nicht umhin kommen, wenn die Saurok den Getreuen umstellt hatten, musste er in der Nähe des Lagers sein - wenn nicht sogar mittendrin. Struana spannte sich an und spürte ein sachtes Kribbeln an ihrer Hüfte.   Plötzlich hielt sie inne und wartete einige Sekunden wie versteinert, ehe sie ungläubig auf ihre Gürteltasche starrte. Die Stimmgabel hatte sie fast vergessen, sie würde ihr die Richtung weisen können, in der sich der Getreue aufhielt. Sie holte das Artefakt aus ihrer Gürteltasche und starrte mit zunehmender Anspannung darauf. Die Vibrationen waren ganz schwach, kaum merklich, obwohl sie nicht mehr weit vom Lager entfernt war. Bedeutete das, dass sich der Getreue noch irgendwo in der Umgebung außerhalb des Lagers aufhielt? Struana hielt die Stimmgabel in verschiedene Richtungen, ehe sie sich nach Osten an dem Lager vorbeischlich. Die Saurok hatten sie zu ihrem Glück nicht bemerkt, während sie ihrem Lager dem Rücken kehrte und weiter in das Meer hineinlief.   Die Worgen hatte das Lager inzwischen weit hinter sich gelassen und kein Saurok kam ihr entgegen. Sie watete mit unruhigen Klauen durch das Salzige Schlick, während die Stimmgabel immer heftiger vibrierte und langsam der leise Ton zu hören war, den sie von sich gab, wenn ein Getreuer ganz in der Nähe war. Struana richtete sich auf, da sie sich nun noch nicht einmal mehr ducken musste, um nicht gesehen zu werden. Zu weit war sie inzwischen von dem Lager der Saurok entfernt, was sie ins grübeln brachte. Hatte der Ingenieur nicht gesagt, dass der Getreue umstellt wäre? Sagte er nicht auch, dass er sich in der Nähe des Lagers aufhalten würde? Nun, als in der Nähe konnte man das nun wirklich nicht mehr bezeichnen. Fast eintausend Fuß trennten sie von dem übelriechenden Nest mit den Saurok.   An einer Ansammlung aus hohen, herauswachsenden Felsen aus dem Schlick - vielleicht waren es wieder versteinerte Korallen - hörte Struana, wie das Wasser aufgescheucht wurde. Felsbrocken fielen geräuschvoll in das Wasser und Geröll rollte an den Felsen hinab. Die Worgen rannte um die Felsen herum, während sie die Stimmgabel fest in ihrer Klaue hielt, dessen Schwingungen und Vibrationen immer stärker wurden. Ob sie die Auslöser für den Felsrutsch war?   Auf der anderen Seite erkannte sie den großen Bernstein in dem der Getreue schlafen musste, während noch ein paar kleine Kiesel an diesem herabrieselten. Struana verengte ihre Augen und sah sich wachsam um, doch sie konnte weder einen Saurok sehen noch riechen. Nur ein schaler Geruch lag in der Luft, also konnte schon lange keiner mehr hier gewesen sein. Merkwürdig... Kor'ik hatte doch-   Sie schüttelte schnell ihren Kopf. Die Worgen sollte froh sein, dass sich der kleine Mantis geirrt hatte. Vermutlich wollte er es nur dramatisieren, damit sie sich beeilte. Struana näherte sich weiter dem Bernstein, die Stimmgabel in ihrer Pranke erhoben wie eine Fackel, während diese summende Laute von sich gab. Mit einem Knacken brach die Schale auf und die harzige Substanz quoll flüssig daraus hervor. Die Worgen entspannte sich etwas, als sich die harte Schale ebenfalls langsam verflüssigte und an dem Getreuen herablief, der bis vor wenigen Sekunden noch darin geschlafen hatte. Sie hatte es geschafft rechtzeitig zu kommen, um ihn zu erwecken.   Der Mantis blinzelte ungleichmäßig hinter einer zerbrechlich wirkenden Maske aus Chitinflügeln und erfasste Struana in seinen Blick. »Was... Wo bin ich? Was... was für eine Kreatur seid Ihr? Habt Ihr-« Der Getreue beugte sich ruckartig vor und erbrach. Die Substanz die noch seine Lungen gefüllt hatte, hatte den Getreuen stark beim Sprechen gestört. Der Mantis könnte die selbe Größe haben wie Kil'ruk wenn er gerade stehen würde, doch im Moment sah er wirklich... sehr schwach aus. Er wirkte dürr und seine Rüstung war nicht unbedingt als so eine zu bezeichnen. Die feinen Platten aus gehärtetem Chitin waren filigran und bedeckten nur seine Schultern und einen Teil seines Rückens. Er hatte einen hohen Kragen, wodurch der Getreue erhabener aussah, aber es wirkte viel mehr wie Schmuck als einen wirklichen Schutz gegen Angriffe darzustellen. Die Färbungen der Rüstung war ein ausgebleichtes rostrot gemischt mit weichem gelb. Der Getreue wirkte fast schon krank, während er einen weiteren Schwall der Bernflüssigkeit erbrach.   Struana sah sich um, doch zum Glück war noch immer kein Saurok auf sie oder den Getreuen aufmerksam geworden. Wieder legte sie ihren Blick auf den Getreuen, der leise und rasselnd röchelte. Er starrte mit verengten Augen misstrauisch zu ihr hinauf, während er sich bemühte gerade zu stehen. Doch genauso wie bei Kil'ruk's Erweckung gelang ihm das nicht, stattdessen rutschte er mit seinen Vorderbeinen aus, die seinen Leib stützten wollten und musste sich krampfhaft an einem Felsen hinter sich festhalten. Die Worgen entspannte sich zunehmend. Der Getreue war wohlauf.   »Wie habt Ihr mich aufgeweckt?«, fragte er und funkelte sie feindselig an. Struana blinzelte und hob wortlos die Stimmgabel etwas höher, als würde dies alle Fragen beantworten. Er zischte laut, ehe sie das Artefakt in ihre Gürteltasche gleiten ließ.   »Geht es Euch gut?«, fragte sie nach einigen Augenblicken und besah sich den Getreuen noch einmal von oben bis unten. Seine Flügel hingen an ihm schlaff herab, er versuchte noch nicht einmal sie zu entfalten. Die Kriegerin konnte sich nicht helfen, er wirkte so erbärmlich krank. »Wenn ja, dann sollten wir fort von hier. Ihr werdet gebraucht und-«   »Ihr seht mich an und stellt fest, dass ich kein großer Krieger bin.«, rasselte der Mantis ruhig und bedrohlich zugleich, während er Struana amüsiert betrachtete. Er schien sich zu konzentrieren, während er sprach. »Warum wurde ich als Getreuer auserkoren?«   Die Worgen legte ihre Ohren an. Auch wenn in den Worten des Mantis eine Warnung lag, kam ihr seine Stimme merkwürdig angenehm vor. Fast schon, als wäre sie ein sonderbares, wunderschönes Instrument. Struana blinzelte und schüttelte ihren Kopf. »Es ist mir eigentlich ziemlich egal. Irgendwann werde ich es wohl herausfinden.«, seufzte sie und bemerkte, dass der Getreue immer noch eine abwehrende Haltung eingenommen hatte. »Ich bin nicht hier um Euch zu verletzen. Ich bin-« Sie hielt inne und verdrehte ihre Augen. »Ich bin Eure Erweckerin, genauso wie von zwei weiteren Getreuen.«   Der Getreue zischte und Struana wünschte sich nun doch, dass sie lieber mit Kil'ruk losgezogen wäre. Der Windschnitter könnte den Getreuen beruhigen. Wo war er überhaupt? Es war bestimmt schon eine halbe Stunde vergangen, seitdem sie die Höhle verlassen hatte und Kor'ik ihn benachrichtigen sollte herzukommen. Der Getreue starrte sie nun mit zusammengekniffenen Augen an und seine langen Fühler zuckten, während sie direkt in seine Augen zurückblickte.   Struana verdrehte die Augen. »Ja ich weiß, ich bin eine Niedere Kreatur und nicht würdig... und was auch immer. Aber es ist nun mal so. Die Stimmgabel ist auf mich geprägt.«, sprach die Worgen genervt. »Und jetzt sollten wir von hier wirklich verschwinden, ehe die Saurok doch noch auf uns aufmerksam werden.« Sie näherte sich dem Getreuen, doch dieser zischte gereizt, während sich seine Augen weiteten. Struana zuckte zurück und seufzte, während der Mantis sie verwirrt und ungläubig anstarrte. »Nether nochmal! Wir können hier nicht bleiben und wenn Ihr Euch nicht gleich in Bewegung setzt, dann lasst Ihr mir keine andere Wahl, als zu-«   Der Rest ihres Satzes ging in einem ersticktem Keuchen, gefolgt von einem Gurgeln unter, als sie von der Seite zu Boden gerissen wurde. Sie spuckte ein Maul voll Salzwasser und Schlamm aus, als sie sich verwirrt umsah. Struana war so mit der Reaktion des Getreuen abgelenkt gewesen, dass sie den Angreifer nicht hatte kommen sehen. Sie hörte das gleichmäßige Summen von Flügeln und rappelte sich auf, als sich ihre Augen weiteten.   Fast hätte sie geglaubt, es sei Kil'ruk gewesen der sie - sie hoffte für ihn aus Versehen - umgeworfen hatte. Doch ein völlig fremder Mantis stand dort. Groß war seine Gestalt und gänzlich schwarz sein Chitin. Sein Kopf, ebenso wie sein Körper wurde von einer Maske aus schwarzem Metall und goldenen Ornamenten bedeckt. Dort, wo seine Augen hätten sein sollen, schienen sie rot zu glühen hinter dem durchsichtigen Metall, welches sie schützten. Grüner, edler Stoff mit goldener Umrandung hing von den Schultern des Mantis und bedeckte seine Brust und sogar seine Beine.   Der Angreifer rieb seine Vorderbeine gegeneinander, die zu Struanas Erstaunen ebenfalls mit dem vergoldeten Metall überzogen waren. Er starrte mit schier verrückter Freude auf die Worgen, während er etwas aus seinem Umhang hervorzog. »Ihr erspart mir eine Menge Arbeit.«, zischte er mit einer tiefen, rauen Stimme und gab die Sicht auf das frei, was noch unter seinem Umhang verborgen gelegen hatte.   Der Worgen wurde schlecht, als sie das Artefakt erkannte. Es war eine Urne, genau so eine, wie sie vor dem Todesrufer gestanden hatte und ihn verdarb. Struana erkannte die schwarzen und weißen Nebel, die sie absonderte, doch schienen sie dem Träger des Artefakts nichts anzuhaben. Er hob seinen Arm, während sich der Getreue selbst zurück gegen die Felsen drückte, doch er war noch immer zu schwach. Die Kriegerin keuchte auf und sprintete vor, während der Angreifer das Gefäß die paar Schritte zu dem Getreuen warf.   Gerade noch rechtzeitig schaffte es Struana ihren Arm zu heben, um die Urne zur Seite zu schlagen und so den Getreuen zu schützen. In seinem derzeitigen Zustand wäre er ein sehr leichtes Opfer für die Energien des Sha gewesen. Ihre Ohren waren angelegt und sie fletschte die Zähne, während Ihr zorniger Blick auf dem Angreifer ruhte. »Wegen Euch ist der Todesrufer wahnsinnig geworden! Wer seid Ihr?«   Der Angreifer ignorierte die Worgen und sah zu der Urne, die mehrere Meter von ihnen entfernt im Wasser gelandet war. Sie war nicht zerbrochen, zumindest hatte Struana davon nichts mitbekommen. Das Artefakt konnte also noch immer eine Gefahr darstellen. Dann richtete er seine Augen mit einer abartigen Freude die ihr einen Schauer über den Rücken laufen ließ, auf Struana. »Eigentlich verrate ich meinen Namen nicht und schon gar nicht einem solchen Dreck, wie Ihr es seid. Doch sonderbarerweise sind die Klaxxi auf die Idee gekommen, dass es eine gute Idee ist Niedere Kreaturen als Erwecker zu benutzen. Und wegen der vergangenen Ereignisse denke ich, dass Ihr es Euch verdient habt den Namen Eures Mörders zu erfahren.«   Der Mantis flog einige Meter in die Luft und starrte auf sie hinab. Noch immer sah er Struana mit einer sadistischen Freude an, die sie nicht nachvollziehen konnte. »Ich bin Klingenfürst Ta'yak und da Ihr mir die Möglichkeit genommen habt den Getreuen zu verderben, werde ich ihn eben töten.« Er lachte leise und kehlig. »Genauso wie Euch, Erweckerin. Ihr habt Euch gut geschlagen gegen den Todesrufer. Wenn Ihr für Eure Majestät kein Dreck unter den Füßen währt, würdet Ihr einen netten Zeitvertreib abgeben.«   Die Kriegerin runzelte ihre Stirn. »Woher wisst Ihr-?« Plötzlich stürzte er sich ohne ein weiteres Wort der Warnung auf Struana herab und ihre Augen weiteten sich. Sie versuchte auszuweichen, doch wurde sie von dem Schaft seiner Stangenwaffe getroffen und verlor ihre Balance. Die Worgen wandte sich ihm wieder zu, als er erneut von oben herab auf sie einschlug. Sie holte aus und schlug mit ihren Klauen gegen die Waffe um sie umzulenken. Ta'yak war schnell, unglaublich schnell. Sie war so damit beschäftigt auszuweichen und den einen oder anderen Schlag zu parieren, dass sie nicht zum Angriff kam. Seine Vorderbeine schnellten vor und trafen sie an der Seite, als sie sich gerade unter einem seiner Hiebe duckte.   Struana brüllte auf, als heißes Blut an ihrer Seite herablief und Ta'yak sie wieder freigab. »Bedauerlich.«, scherzte er und kicherte sadistisch. »Ich hatte zumindest etwas mehr Wiederstand erwartet.«   Die Kriegerin rappelte sich wieder auf und ignorierte das Blut, welches aus ihrer Seite lief und den Schlamm unter sich dunkel färbte. »Noch bin ich nicht tot. Ihr werdet Euch schon etwas besseres einfallen lassen müssen, als mit diesem Zahnstocher nach mir zu schlagen.« Struana warf eine Pranke voll Schlamm auf den Angreifer und traf ihn mitten auf den Helm. Der Dreck klatschte nass auf und Ta'yak zischte laut, da ihm die Sicht genommen wurde. Er zuckte zurück und schüttelte seinen Kopf. Struana sprang vor und schlug ihm seine Waffe aus den Händen.   Ta'yak - jetzt unbewaffnet - schlug ihr gegen die Schulter, da Struana aber schlau genug war sich zu ducken, verfehlte er. Sie holte aus und kratzte ihm über den Arm, wodurch sie mit ihren Verstärkungen eine tiefe Wunde in das Chitin riss. Der Mantis schrie und wischte sich den Schlamm von einem seiner roten Augenschützer fort.   Struana knurrte leise und bedrohlich, während sie sich etwas auf Abstand brachte. Ihr Kampfeswille und ihre Angriffslust waren erwacht und die Bestie in ihr schlummerte nicht mehr. Sie kämpfte hier nicht nur um ihr Überleben, sie kämpfte auch für den Getreuen. Die Kriegerin erkannte, dass sie es mit einem gefährlichen Gegner zu tun hatte, dem sie weit unterlegen war. Dennoch konnte sie nicht an eine Flucht denken. Sie war die Erweckerin. War es nicht auch Teil ihrer Aufgaben, die Erwachten zu schützen? Sie konnte nur hoffen, dass sich Kil'ruk beeilte, mehr blieb ihr in dem Moment nicht, als sich ihr Rückenfell sträubte.   Gerade als Ta'yak noch damit beschäftigt war, seine Sicht wiederherzustellen, erkannte sie ihre Chance ihm eine tiefe Wunde zuzufügen. Die Kriegerin setzte vor und zielte mit ihren verstärkten Klauen auf seine ungeschützte Seite, um sie ihm mit Glück durch seinen Panzer rammen zu können. Doch der Klingenfürst duckte sich schnell vor - schneller als von Struana erwartet - und bekam sie grob am Hals zu packen. Mit Schwung riss er sie von den Beinen und drückte sie in den Boden. Schlamm spritzte um die Worgen herum, während sie mit ihren Klauen über den Panzer seiner Haut riss und versuchte ihn von sich zu drücken. Ihr Kopf war halb unter Wasser, sie konnte nur schwer durch ihre Nase atmen, da Ta'yak ihr die Kehle zudrückte, doch er klickte nur belustigt und ohne den Hauch einer Anstrengung in seiner Stimme. »Widerspenstig, aber nur Dreck.«, lachte er, als er mit der freien Klaue ausholte und plötzlich innehielt.   Struana verfluchte sich dafür, dass sie ihre Waffe nicht mitgenommen hatte. Wenn sie hier lebend rauskam, würde sie nie wieder so naiv sein, ohne ihre Waffe irgendwo hinzugehen. Die Kriegerin merkte, wie Ta'yak innehielt. Ohne Zeit zu verschwenden holte sie mit ihren Hinterläufen kräftig nach oben aus, während er über ihr gebeugt stand. Er stolperte zurück und schüttelte merkwürdig seinen Kopf, während Struana keuchend und nach Luft schnappend auf die Beine kam. Mit verengten Augen funkelte er zu den Felsen und schien von ihr abgelenkt zu sein.   Jaulend sprang Struana auf ihn und landete auf seiner Schulter. Sie riss mit ihren Klauen durch seinen Umhang und den Panzer zu dem Fleisch darunter, während sie versuchte sich in seinem Hals festzubeißen. Doch Ta'yak kreischte auf und riss Struana von sich, als würde sie nichts wiegen und schleuderte sie in die Richtung der Felsen. Sie versuchte sich blinzelnd wieder aufzurappeln und erkannte, dass der Getreue mit Hilfe seiner Vorderbeine tatsächlich aufrecht stand. Er klickte und zischte unbekannte Worte vor sich hin, als Ta'yak einen japsenden Laut von sich gab.   Doch dann blickte er wieder zu der Worgen und der sadistische Ausdruck in seinen Augen war zurückgekehrt. »Ihr habt Glück, dass der Getreue länger wach ist, als ich erwartet hatte.«, knurrte Ta'yak doch nichts von seiner Gelassenheit, war aus seiner Stimme gewichen. »Dies ist nur ein kleiner Rückschlag für Ihre Majestät. Es ist egal, wie viele Getreue Ihr noch erwecken werdet, Weichling. Die Klaxxi werden verlieren und ausgelöscht werden.«   Ein weiteres Japsen von dem Klingenfürsten, gefolgt von einem heiseren Gelächter. Er hielt plötzlich inne, sah über seine Schulter und starrte nach Norden. »Ich gebe Euch ein Versprechen 'Erweckerin'«, begann er und hob seine Stangenwaffe aus dem Schlamm auf, ehe seine Flügel begannen zu schlagen und er langsam in die Luft flog. »Es war wirklich sehr dumm von Euch sich mir zu zeigen. Von diesem Tage an, werde ich Euch jagen.« Er lachte und während er lachte, verschwand er vor Struanas Augen, als wäre er nur Nebel. Sie sah sich hektisch um, als plötzlich die Stimme wie aus dem Nichts neben ihr sprach. »Ihr werdet keinen Schritt mehr wagen. Ihr werdet die Schatten fürchten. Irgendwann, wenn Ihr alleine seid, werde ich in Eurer Nähe sein und Euch zur Strecke bringen.«   Die Stimme verhallte mit einem sadistischem Lachen und Struana wagte es nicht zu atmen, während sich die Stille über dem Salzigen Schlick ausbreitete. Nach einigen Herzschlägen schluckte die Worgen und prüfte schnuppernd die Luft.   »Der Feigling ist verschwunden.«, krächzte der Getreue und die Worgen drehte sich zu ihm um. Sie musterte ihn eingehend, doch der Mantis wirkte nach wie vor sehr schwächlich und krank. Struana zuckte zusammen, als er ohne Vorwarnung auf seine Knie zusammensackte. Sie eilte vor und legte einen seiner Arme um ihre Schultern - auch wenn er sich zunächst weigerte - und hievte ihn schließlich wiederwillig hoch. »Danke dass Ihr mir geholfen habt, aber wie-?«   »Nicht alle Waffen kann man sehen, Erweckerin. Man sollte nicht nach dem Aussehen allein urteilten.«, sprach der Getreue. Struana runzelte ihre Stirn. Sie war nach wie vor von seiner angenehmen Stimme abgelenkt, auch wenn sie gerade nur wieder knapp dem Tod ein Schnippchen geschlagen hatte.   »Wie-?«   »Kaz'tik, der Manipulator.«, rasselte der Getreue, gefolgt von einem Klicken seiner Kieferzangen. Die Worgen starrte ihn verwirrt und fassungslos von der Seite aus an. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? Sie hoffte nicht. Kaz'tik sah sie ungeduldig an. »Doch ehe ich Euch mehr erzähle, muss ich Euch um etwas bitten, Erweckerin.«   Struana rollte mit ihren Augen. »Das ging ja schnell, dass Ihr mir vertraut.«, grummelte sie ironisch. »Hätte Eure Vertrauensseeligkeit nicht etwas früher kommen können? Dann hätten wir vielleicht vor Ta'yak entkommen können.«   Der Manipulator seufzte nur rasselnd. »Unwahrscheinlich. Aber es ging nun mal nicht schneller, aber nun habt Ihr mein Vertrauen. Ihr könnt Euch also geehrt fühlen.« Die Worgen war verwirrt von seiner Wortwahl. Es ging nicht schneller?   »Zur Zeit meiner Bewahrung wurde etwas, das mir wichtig war, versteckt. Ohne es bin ich nichts.«   »Das eben sah mir nicht nach nichts aus.«, murmelte die Worgen. »Was auch immer Ihr-«   »Es ist meine größte Waffe.«, unterbrach Kaz'tik sie ungeduldig. »Ihr müsst mir helfen es zu holen.«   Struana seufzte und nickte schließlich. »Nun gut. Da Ihr alleine-«   »Macht keine Scherze über meinen derzeitigen, körperlichen Zustand, Erweckerin. Ihr könnt ja selbst einmal mehrere tausend Jahre in den Schlaf fallen, doch Euer weiches Fleisch dürfte die Prozedur nicht überstehen, oder Eure Muskeln, die mit der Zeit immer mehr verkommen würden. Von Eurem Verstand ganz zu schweigen.«   Die Worgen hielt inne und musterte Kaz'tik missbilligend. Fast so als hätte er seinen Verstand ohnehin bereits verloren. Dann schüttelte sie den Kopf. »Wohin-?«   »Nach Süden. Weiter in den Schlick hinein.«   Struana seufzte und grummelte etwas unverständliches vor sich hin. Sie blickte zu Kaz'tik, dieser schien zunehmend abgelenkt zu sein, vermutlich wegen seiner 'Waffe'. Die Worgen stützte den Manipulator, während sie durch das Salzige Schlick wateten. Wie schaffte er es nur auf ihre Fragen zu antworten, noch ehe sie die Sätze überhaupt geformt hatte?   »Beeindruckend.«, raunte Kaz'tik, während Struana kurz zu dem Lager der Saurok zurücksah. Es war weit weg, ebenso wie die aggressiven Kreaturen selbst. »Was denn?«, fragte sie genervt, während sie den Manipulator weiter führte. Mantis waren schwerer als sie vermutet hatte. Der Chitinpanzer war hart, aber machte er wirklich so viel von ihrem Gesamtgewicht aus? Wie waren Mantis physikalisch überhaupt in der Lage, sich mit bei einem solchen Gewicht in der Luft zu halten?   »Jetzt werdet Ihr unverschämt, Erweckerin.«   Struana hielt inne und drehte ihren Kopf ganz langsam zu Kaz'tik. »Ihr könnt meine Gedanken lesen!«, fluchte sie und sah ihn grimmig an. »Warum sagt Ihr mir das denn nicht?«   »Ich lese Eure Gedanken nicht nur.«, ertönte seine Stimme und er sah sie amüsiert an. Die Worgen erkannte, dass sich seine Kiefer überhaupt nicht bewegten während er sprach und erkannte, dass seine Stimme in ihrem Kopf war. »Ich durchwühle Euren Geist.«   »Hört gefälligst sofort auf damit!«, verlangte Struana gereizt und entblößte ihre Reißzähne.   »Ihr würdet mich nicht verletzten, Erweckerin. Etwas hält Euch zurück.« Kaz'tik legte seinen Kopf leicht schief. »Eure Gedanken faszinieren mich. Eure Handlungen sich zielgerichtet und Eure Komplexität ist beeindruckend.«   Struana knurrte. »Ich würde Euch nicht verletzten, das stimmt.« fauchte sie, und verzog ihre Gesichtszüge grimmig. »Ihr seid zu wichtig für die Klaxxi. Aber glaubt mir, das wird mich nicht daran hindern Euch einfach fallen zu lassen und Ihr werdet Eure Waffe nicht erreichen! Raus aus meinem Kopf!«   Kaz'tik kicherte vergnügt, wobei sein ganzer Körper erzitterte. Er klickte mit seinen Kieferzangen aufeinander, es wirkte auf Struana, als würde er spielen. Sie warf ihm einen genervten Seitenblick zu. »Nun gut. Aber denkt daran, dass ich dies aus reiner Freundlichkeit Euch gegenüber tue.«, bemerkte der Manipulator süffisant, während sich Struana wieder knurrend in Bewegung setzte.   »Wie überaus freundlich.«, knurrte sie und legte ihre Ohren zurück, während sich Struana fragte, was genau Kaz'tik mit 'den Geist durchwühlen' meinte.   Der Getreue sah nach vorne und konzentrierte sich auf seine Schritte. Immer wieder versuchte er selbstständig zu gehen, doch ohne Saftfliegen - oder irgendetwas anderem was ihn zu Kräften kommen ließ - würde er sich nur sehr langsam wieder erholen. »Eines verstehe ich nicht, Erweckerin.«, begann er rasselnd, doch Struana sah nicht von ihren Schritten auf. »Der Grund warum Eure Gedanken so faszinierend sind. Euer Wesen ist alt, doch Euer Geist jung und Eure Gedanken ausgereift. Wie kommt es dazu?«, fragte er.   Die Worgen warf ihm einen verwirrten Seitenblick zu. »Ich habe keine Ahnung, was Ihr gerade überhaupt gesprochen habt.«   Kaz'tik seufzte und sah sie wie ein Kind an das die Schwerkraft nicht verstand. »Euer Geist ist jung und frisch, wie der eines neu geschlüpften Schwarmgeborenen. Aber Euer Körper scheint doch schon erwachsen zu sein, wenn nicht sogar schon darüber hinaus gereift. Eure Gedanken passen zu beiden nicht. Sie sind, wie ich gesagt hatte, komplex. Als würde nichts zusammenpassen.«   Struana runzelte die Stirn und überlegte. Könnte Kaz'tik ihren Gedächtnisverlust meinen? Es war erstaunlich, dass er das alles aus ihr herauslesen konnte nur weil er... in ihrem Geist herumwühlte. Diese Vorstellung war irgendwie beängstigend, doch er hatte es gerate getan. Er hatte durch ihre Hülle gesehen, doch war es schlimm gewesen? Im Moment zumindest nicht, es machte ihr keine wirkliche Angst mehr. Sie hatte sich damit abgefunden vor drei Monaten ihr Gedächtnis verloren zu haben. Ihre Vergangenheit lag hinter ihr, doch nun ergaben seine Worte einen Sinn.   »Ein Gedächtnisverlust also. Das könnte es wirklich erklären.«, flüsterte die Stimme des Manipulators wieder in ihrem Geist und Struana sah ihn knurrend an. »Könntet Ihr das bitte unterlassen?«   Er kicherte leise, jedoch in ihrem Kopf, weswegen sie die Augen verdrehte. »Euer Geist ist stark, Erweckerin. Sogar jetzt muss ich mich anstrengen, um mit Euch zu kommunizieren. Euch zu kontrollieren dürfte fast unmöglich sein...«   »Das ist ungemein beruhigend.«, grummelte Struana vor sich hin und verkniff es sich zu erwähnen, dass es ohnehin nicht möglich war. Sie könnte den Manipulator wohl nicht dazu bringen, nicht mehr in ihren Gedanken herumzustöbern. Was erwartete sie auch? Schließlich war sie - wie in den Augen aller Mantis - nur eine Niedere Kreatur mit der man wohl alles machen konnte.   »Wir sind da.«, sprach Kaz'tik dann schließlich wirklich aus und Struana hob ihren Kopf. »Mit dieser Waffe werden wir die Armee der Kaiserin vernichten.«   Er nahm seinen Arm von Struanas Schultern und hielt sich mit Hilfe seiner Vorderbeine aufrecht. während er ein paar Schritte ging. Die Worgen fragte sich unweigerlich, ob er auch mitbekommen hatte, dass sie seine Stimme merkwürdig sanft und auf absurde Weise auch schön fand. Sie schüttelte ihren Kopf und schob diese Gedanken schnell bei Seite. Lieber nicht daran denken. Vielleicht hatte sie ja Glück und er würde es nicht herausfinden - wenn er es nicht schon getan hatte.   Struana wurde von einem summenden Geräusch abgelenkt und sie drehte sich mit aufgestelltem Nackenfell zu dessen Ursprung. Doch ihr Fell glättete sich wieder, als sie zu ihrem eigenen Erstaunen nicht Ta'yak sah der auf sie zugeflogen kam, sondern Kil'ruk.   Der Windschnitter flog schnell zu ihnen und landete vor der Worgen. Er sah sie etwas irritiert an und warf einen Blick über seine Schulter zurück, ehe er den Getreuen in seinen Blick fasste. Struana runzelte die Stirn, denn er trug etwas zwischen seinen Vorderbeinen. Es war ein Netz und irgendetwas lag darin, als wären es Steine. Aber warum kam er denn erst jetzt? Inzwischen war bestimmt schon eine Stunde vergangen, wenn nicht sogar mehr.   »Der Getreue wurde bereits erweckt, wie ich sehe.«, murmelte Kil'ruk krächzend und Struana legte ihre Ohren an. Sie öffnete ihren Mund, doch kam sie nicht dazu etwas zu sagen.   »Der Windschnitter ist auch erwacht?«, fragte der geschwächte Getreue und blinzelte ihn abschätzend an.   Kil'ruk wandte sich ihm zu und klickte sanft mit seinen Kieferzangen. »Und Ihr seid?«, fragte er, während sich Struana in die Seite ihrer Wange biss um den bissigen Kommentar zu unterdrücken, der ihr auf der Zunge lag.   »Kaz'tik, der Manipulator.«, sprach er und sah den Windschnitter amüsiert an. Die Worgen fragte sich, ob er gerade in seinen Gedanken herumwühlte und - was noch viel wichtiger war - was er gefunden hatte, das ihn so belustigte. »Ich kam nach Euch, daher könnt Ihr mich nicht kennen, Windschnitter.«   Kil'ruk löste das Netz aus seinen Vorderbeinen und übergab es dem Manipulator. Kaz'tik sah noch immer so aus, als würde er sich über irgendetwas sehr amüsieren, doch was genau es war, wusste Struana natürlich nicht. Er öffnete das Netz und zog einige Splitter gehärtetes Amber hervor. »Oh, Ihr habt mitgedacht. Das ist gut.«, krächzte der Getreue und schob sich die Splitter zwischen seine Kieferzangen um sie gierig in seinen Schlund zu schieben.   Struana erinnerte sich an Maliks Worte. 'Amber ist Leben.' Vermutlich würde es den Manipulator mehr stärken als Saftfliegen. »Warum seid Ihr mit dem Getreuen so weit außerhalb in den Schlick hineingegangen?«, fragte Kil'ruk sie plötzlich und sie hob ihren Blick zu ihm. »Warum seid Ihr nicht in der Nähe des Sauroklagers?«   »Ihr habt also Kor'iks Nachricht erhalten, ja?«, fragte Struana übelgelaunt, während sie ihre Augen verengte. »Kaz'tik war nicht in der Nähe des Lagers. Seine Hülle war weit von diesem entfernt.«   Mit einem verwirrten Blick zu dem Manipulator - der kurz mit seinem Essen innehielt um zur Bestätigung zu nicken - zischte der Windschnitter nur leise. Struana legte ihre Ohren an. Schnippisch fragte sie: »Warum habt Ihr so herumgetrödelt, Kil'ruk? Ihr hättet-«   »Getrödelt?!« Kil'ruk zischte verächtlich und beugte sich zu ihr herab. »Was bildet Ihr Euch eigentlich ein? Sofort nachdem ich die Nachricht von dem Ingenieur erhalten hatte, bin ich so schnell wie möglich hierhergekommen!« Struana runzelte ihre Stirn. Das konnte doch überhaupt nicht richtig sein. Schließlich-   »Mir war klar, dass Ihr Euch wieder in Schwierigkeiten bringen würdet. Und so wie Ihr ausseht, lag ich wie immer richtig.«, knurrte Kil'ruk sie an. Der Blick seiner jadefarbenen Augen wanderte kurz zu ihrer Seite hinab, ehe er sie wieder zornig anfunkelte.   »Ja, warum bin ich wohl von oben bis unten mit Schlamm beschmiert?«, knurrte Struana zurück und ignorierte dabei die Schrammen und die Wunde an ihrer Seite vom Kampf mit Ta'yak. »Bestimmt nicht, weil Ihr so schnell wie möglich gewesen seid! Wo wart Ihr überhaupt? Warum wart Ihr nicht in-«   »Das reicht!«, erhob zu Struanas Erstaunen Kaz'tik seine Stimme. Sie wirkte merkwürdig laut, als hätte er sie mit Magie verstärkt. Die beiden sahen ihn an, ehe er wieder mit einer normalen Lautstärke weitersprach. »Ihr benehmt Euch wie Schwarmgeborene, die sich um die Reste der Beute streuten.«   Kil'ruk zischte leise, ehe er Struana noch einmal mürrisch ansah und sich dann demonstrativ einen Schritt von ihr entfernte. Sie verschränkte ihre Arme und schnaubte, während der Manipulator das Netz auf den Boden fallen ließ, welches nun gänzlich leer war.   Er richtete sich vollständig auf und streckte seine Flügel durch, als er die Luft tief einsog. »Und nun, zu meiner Waffe.«, krächzte Kaz'tik, hob seine Arme und begann etwas merkwürdiges zu zischen. Die Fühler des Windschnitters zuckten, während er und Struana ihn beobachteten.   Einige Meter von ihnen entfernt rieselte der Kies und bewegte sich zur Seite, als etwas aus dem Boden in die Luft gehoben wurde. Die Worgen machte große Augen und ihre Ohren zuckten neugierig, als sich das etwas als ein Bernstein herausstellte, welches aber gerade mal die Größe ihres Oberkörpers hatte. Kaz'tik machte eine Bewegung, als würde er mit seinen Sicheln an den Unterarmen durch Luft schneiden und der Amberkokon sprang auf.   Die Worgen blinzelte, als eine runde Kugel ein paar Zentimeter auf den Boden fiel und sich krümmte. Die Amberflüssigkeit perlte an ihm herab, während es seine klauenartigen Sicheln hob und leise, kreischende Geräusche von sich gab. Der Manipulator kniete sich nieder und streckte seine klauenartige Hand nach dem Wesen aus. »Ist er nicht großartig?«, sprach er zu Struanas Erschrecken fast väterlich. Wie konnte es sein, dass Mantis den Menschen gar nicht so unähnlich waren? »Komm her, Kovok.«   »Kovok...?«, fragte der Windschnitter ungläubig und schnaubte, während das kleine Wesen langsam auf vier spitzen Füßchen auf den Manipulator zuging.   Struana verzog ihr Gesicht. »Was ist das?«, fragte sie, als es Kaz'tik erreicht hatte und merkwürdige, fast schon erschöpfte Laute von sich gab. Es sah aus, wie ein zu groß geratener Käfer. Er war an sich nicht größer als Struanas Kopf. Ein winziger Kopf, der von einem - für das kleine Wesen - viel zu großen Chitinpanzer bedeckt war, reckte sich langsam dem Manipulator entgegen, während die zwei sichelartigen Klauen aufklappten. Sie sahen scharf aus, fast wie Reißzähne.   »Es ist ein Kunchong.«, erklärte Kil'ruk rau, während er den Manipulator ungläubig dabei beobachtete, wie er dieser Kreatur über den Rücken streichelte und ihn auf seine Arme hob. »Das soll Eure Waffe sein?«   Kaz'tik verengte seine Augen und funkelte den Windschnitter gelangweilt an. »Richtig, Windschnitter. Dies ist meine Waffe. Kovok ist so imposant, wie bei unserer letzten Begegnung und er wird den Klaxxi große Siege bescheren.«   Kil'ruk senkte seinen Kopf und klickte ungehalten mit seinen Kieferzangen aufeinander. »Wie-?«, begann er, doch Kaz'tik schnitt ihm das Wort ab, noch ehe er seine Frage formulieren konnte. »Ich werde Eure zurückgebliebene und überaus geringe geistige Erfahrung mal etwas aufstocken, Windschnitter. Seit meinem Schwarm sind Kunchong fähige Kämpfer für die Mantis und sollten es noch immer sein, falls meine Theorien und Arbeiten nicht völlig vergessen wurden.«   Struana musste sich auf die Zunge beißen um nicht loszuprusten, denn Kil'ruk sah aus, als hätte ihn gerade ein Blitz getroffen. Ungläubig blinzelte er den Manipulator an, als dieser ungerührt fortfuhr: »Nach vielen Jahren der Arbeit mit den Kunchong habe ich eine Theorie entwickelt. Einen von klein auf großzuziehen, stärkt die Bindung und damit auch die akustische Verbindung. Ich hatte gerade mit Kovoks Erziehung begonnen, als ich für die Umhüllung auserkoren wurde. Er ist noch jung und muss sorgfältig ausgebildet werden um sein vollständiges Potential zu erlangen.« Kaz'tik streichelte Kovok behutsam über den harten Panzer, wobei sich Struana nicht sicher war, ob der Kunchong überhaupt etwas durch das Chitin spüren konnte.   Der Manipulator betrachtete Kil'ruk eine Zeit lang und seine Augen verengten sich. Struana wollte lieber nicht wissen, was der Windschnitter dachte und was Kaz'tik davon mitbekam, bis sich sein Blick auf die Worgen legte. »Um eine richtige Verbindung mit Kovok einzugehen, muss man ihn geistig und körperlich fordern. Seine Stärke und Intelligenz respektieren.« Die Worgen zuckte unruhig mit ihren Ohren, während sie die Stimme des Manipulators wieder in ihrem Kopf hörte. »Hört auf damit, Kaz'tik.«, knurrte sie und der Manipulator sah wieder amüsiert drein. »Verzeiht mir, Erweckerin. Ich konnte einfach nicht anders.«   Kaz'tik hob das kleine Wesen behutsam auf und bettete ihn fast in seine Arme, während er auf sie zuging. Sie hielt mehrere Herzschläge mit ihm Augenkontakt, während der Getreue einfach nur auf sie konzentriert hinabblickte. Dann, ohne Vorwarnung, drückte er ihr Kovok in die Arme. Der Kunchong versuchte vergnügt nach Struanas Klauen zu schnappen, doch sie zog diese gerade noch rechtzeitig weg. Argwöhnisch sah sie auf Kovok hinab, der seine Vorderarme in ihre Lederfeste grub und darüber schabte.   »Sehr schön. Ihr seid nun Freunde. Ihr seht wirklich reizend zusammen aus.«, krächzte der Getreue überaus zufrieden - und irgendwie falsch - während Kil'ruk zusammenzuckte. »Nehmt sofort den Kunchong wieder zu Euch!«, kreischte er fast. Wütend sah er den Manipulator an. »Die Erweckerin wird noch gebraucht!«   »Davon gehe ich aus, Windschnitter.«, murmelte Kaz'tik und sah ihn überlegen an. »Ich gehe davon aus, dass Ihr somit Sorge tragen werdet, dass ihr nichts zustößt.«   Struana legte ihre Ohren flach an und zuckte mit ihrem Kopf zurück, als Kovok versuchte nach ihrer Kehle zu schnappen. »Was? Was sollte mir denn zustoßen?«   »Ach nichts, Erweckerin.«, krächzte Kaz'tik freundlich und richtete seine Aufmerksamkeit wieder ihr zu. »Ich vertraue Euch Kovok an. Als erstes müsst Ihr ihn füttern, um sein Vertrauen zu gewinnen. Die Drachenschildkröten, die sich hier in der Nähe aufhalten, sollten sich dafür gut eignen.«, plauderte er weiter und sah Struana dann plötzlich ernst an. »Seid gewarnt, Erweckerin. Sollte Kovok irgendetwas zustoßen, büßt Ihr mir dafür mit Eurem Leben.«   Die Worgen blinzelte Kaz'tik unwohl an. Wie gerne würde sie ihm Kovok einfach wieder zurückgeben, wenn sich dieser nicht gerade in ihrer Lederweste förmlich verhakt hätte. Sie hatte merkwürdigerweise ein völlig ungutes Gefühl dabei, auf den Kunchong aufzupassen. Doch hatte sie hier eine Wahl? Der Manipulator hatte sie ihr doch praktisch genommen. Langsam nickte sie. »Gut, ich sehe, wir verstehen  uns, Erweckerin.«   Missmutig starrte Struana auf Kovok, der sich nach wie vor in ihrer Lederweste verhakt hatte. »Ich werde nach Klaxxi'vess fliegen, um die Anweisungen der Klaxxi zu erwarten. Und Ihr solltet darauf achten, dass der Erweckerin wirklich nichts zustößt. Schließlich liegt sie Euch ja so sehr am Herzen, da sie noch gebraucht wird, Windschnitter.«   Die Worgen fletschte die Zähne. Wie gerne hätte sie Kaz'tik gesagt, dass sie sich eigentlich in einer viel größeren Gefahr befand, wenn der Windschnitter in ihrer Nähe blieb, doch der Manipulator schlug bereits mit den Flügeln und stieg in die Luft. Sein überlegener Blick ruhte auf Struana, ehe er abdrehte und langsam verschwand. Der Windschnitter zischte laut und langgezogen, während er seine Augen verengte und ihm nachstarrte.   Struana seufzte verzweifelt, während Kovok wieder Gefallen an ihren Klauen gefunden hatte und vergnügt kreischend danach schnappte. Kurz hatte sie geglaubt, dass der Tag doch noch irgendwie gut werden könnte, doch inzwischen bezweifelte sie dies stark. Wenn sie irgendwann wieder zum Schlangenrücken zurückkehren sollte und dazu kam Tensho von genau dieser Situation zu erzählen, würde er ihr vermutlich niemals glauben.     *****     Gilean stieg von dem Gleiter, als die Pandarin ihm diesen abnahm und zusammenfaltete, um ihn später für jemand anderen mit den passenden Goldmünzen anbieten zu können. Sie stellte ihn zu den vielen anderen, ebenfalls zusammengefaltenen und bunten Gleitern und unterhielt sich dann mit einem Zwerg, der einen dieser Flughilfsmittel, gegen eine kleine Gebühr mieten wollte. Der graumähnige Worgen schüttelte seinen Kopf. Er, für seinen Teil, war froh wieder festen Boden unter seinen Füßen zu haben. Die Gleiter waren praktisch - darüber ließ sich nicht streiten - aber in seinen Augen waren sie unsicher. Holora streckte sich müde neben ihm, während Ace mit seinem Gleiter gerade zur Landung auf der Terrasse ansetzte.   Der ältere Druide ließ sich das Ereignis von den letzten beiden Tagen nochmals durch den Kopf gehen. Nachdem sie das Sha des Hassen in der Höhle eingesperrt hatten, waren sie zum Niuzaotempel zurückgekehrt und hatten von den Schrecken berichtet, die sie dort vorgefunden hatten. Taoshi war - verständlicherweise - nicht sehr erfreut gewesen, als er ihr berichtet hatte, warum er, Holora und Ace sich davongeschlichen hatten. Aber sie hatte später Einsicht. Ohne ihnen Fund wäre das Sha vermutlich noch größer geworden. Sie und die Shado-Pan würden versuchen, das Schlachtfeld auf einen anderen Teil zu lenken, doch sie konnte nichts versprechen. Wenn die Mantis direkt zu dem Tempel des Schwarzen Ochsen flogen, würden sie den Kampf dort austragen müssen. Dagegen hatte Gilean nicht argumentieren können, wie auch? Taoshi dachte wie eine Kriegerin und Verteidigerin, ebenso wie alle Shado-Pan.   Auf die Anfrage, ob sich die Shado-Pan mit der Mondsucht verbünden würden, wurde ausweichend geantwortet. Sie würden ihre Heimat verteidigen, sie stand an erster Stelle. Probleme mit dem Sha, hatten sie schon immer gehabt, doch bisher war es noch nie in diesem Maße aufgetreten. Erst seitdem die Schiffe der Allianz und der Horde hier auf Pandaria gestrandet waren. Außerdem könnte sie kein Wort geben, dies könnte nur ihr Meister, Taran Zhu.   Gilean grunzte, während Ace von seinem Gleiter stieg. Hass. Er fragte sich, wie viele Endformen das Sha annehmen konnte. Er kannte noch das Sha des Zorns, in den Kun-Lai Gebirgen und das Sha der Verzweiflung, welches in der Krasarangwildnis war. Sein Blick fiel wieder auf Holora, die sich an den Oberarmen kratzte. Sie wirkte unruhig, während sie die umherwandernden Völker auf der Terrasse beobachtete. Natürlich, da gab es dann noch das Sha des Zweifels, welches er mit ihr, Ryfang, Weramor und Marcina herausgefordert hatte.   »Holora?«, fragte Gilean und die Draenei hob ihren silbernen Blick zu ihm. Sie wirkte irgendwie kränklich und auch müde. Kam dies etwa von der Reise?   »Was gibt es?«, fragte sie und sah ihn freundlich an.   »Was glaubt Ihr, wie viele Mutationen des Sha es gibt?«, fragte er. Holora runzelte die Stirn und sah ihn verständnislos an. »Viele?«, fragte sie unsicher, also formulierte Gilean die Frage anders. »Ich meine von den mächtigen, wie das Sha des Hasses in der Höhle oder dem Sha des Zweifels im Tempel der Jadeschlange.«   Holora hob ihr Kinn und schloss die Augen zur Hälfte. »Hmm, gute Frage, alter Freund. Ich vermute fast, dass es ebenso viele Mutationen gibt, wie es negative Emotionen gibt. Wer weiß? Vielleicht gibt es auch noch Trübsal, Kummer und Elend? Ich denke aber auf jeden Fall, dass die Lebensformen davon besessen werden können, wie vielleicht Eitelkeit oder Eifersucht?«   »Ich stimme Holora zu.«, murmelte Ace, als er zu den beiden Schritt. »Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie viele es von ihnen gibt. Wir kennen nicht den Ursprung des Shas, wir sind zu wenig mit der Geschichte betraut. Aber was wir wissen ist, dass es wohl noch einige mehr sein werden.«   Gilean seufzte und nickte langsam. Wenn er ehrlich war, wusste er wirklich nicht besonders viel von der Geschichte Pandarias. Weitaus mehr als andere Mitglieder der Mondsucht, aber bei weitem noch nicht alles. »Bedauerlich, dass Eure kleine Freundin damals nicht bei der Versammlung anwesend war.«, bemerkte Ace. Gilean sah ihn fragend an und spitzte seine Ohren.   »Na, diejenige, die Euren Bericht über das Sha beim Tempel der Jadeschlange gestützt hatte und auch allgemein. Ihr habt nicht einmal ihren Namen erwähnt.«, sprach Ace um dem Worgen etwas auf die Sprünge zu helfen.   Gilean schnippte mit einem seiner Ohren und wechselte einen kurzen Blick mit Holora. »Ja, es war bedauerlich, dass sie nicht selbst kommen konnte, aber sie wollte es so. Ebenso wie sie auch nicht namentlich erwähnt werden wollte, Ace. Ihre Arbeit mit dem Sha ist etwas- ... Sagen wir es so, sie experimentiert mehr mit dem Sha als mit irgendwelchen anderen, schädlichen Substanzen. Sie wollte nicht verurteilt werden.«   Ace nickte langsam und seufzte. »Versehe. Wie sich sagte, wirklich zu schade.«   Gilean hielt seinem Blick stand, als der Hexenmeister den Augenkontakt abbrach. Er sah zu Holora. »Geht Ihr noch einmal mit mir zum Schwarzmarkt?«, fragte er fast beiläufig.   Die Draenei nickte nur matt. »Natürlich.«, murmelte sie, während sich Ace bereits umdrehte um ein weiteres Mal einen Gleiter zu mieten.   Der ältere Druide beobachtete Holora besorgt. Auch wenn sie lächelte, wirkte sie geschafft, als hätte sie sehr schlecht geschlafen. Vielleicht hatte sie ja wirklich nur schlecht geschlafen, weil sie noch in der Nähe des Shas des Hasses gewesen waren. Vielleicht würde sie später einen Zeitpunkt finden, um sich auszuruhen. »Morgen ist die Gildenversammlung. Vergesst das nicht.«, erinnerte Gilean die beiden.   Ace drehte seinen Kopf zu dem Druiden, während er bereits auf seinen Gleiter stieg. »Wir werden nicht lange unterwegs sein. Der Schwarzmarkt befindet sich sozusagen fast um die Ecke, wenn diese Berge nicht wären.«   »Keine Sorge, alter Freund.«, Holora grinste breit und zwinkerte Gilean verschmitzt zu. »Ich werde Euch noch früh genug wieder auf die Nerven fallen.«   Der Worgen grinste, wobei er seine Reißzähne entblößte und wieder mehr bedrohlich als freundlich wirkte. Er sah seinen beiden Kameraden noch nach, während die Gleiter abhoben und langsam an Höhe zunahmen.   Er musste leise seufzen, als sie hinter den Bergen aus seiner Sicht verschwunden waren. Am Schrein der Sieben Sterne war viel los, doch er war gleichzeitig nicht überfüllt. Die meisten machten sich für die Abreise bereit, oder planten eine neue Route, die Abenteuer und Beute versprechen sollte. Sie redeten über die Krasarangwildnis, und dass es bei der Herrschaftsfeste eine Explosion gegeben hatte. Gilean zuckte gleichgültig mit den Ohren und ging gemächlich in den Schrein hinein. Die ruhigen Klänge einer Lyra und einer Flöte drangen zu ihm, während er in den rechten Flügel des Schreins wanderte.   Eine Pandarin, welche ein rotes Kleid trug, fing ihn ab. »Ihr seht hungrig aus, Abenteurer. Esst Ihr auch genug? Ruht Euch doch ein wenig aus.«   Gilean schmunzelte. »Eigentlich keine schlechte Idee.«, sprach er, wobei ihn die Pandarin begeistert anlächelte.   »Dann folgt mir. Ich bringe Euch zu einem freien Tisch.«   Der Worgen folgte ihr, die Wirtin des Schreins hatte immer alle Hände voll zu tun, doch nie verlor sie ihr sanftes Lächeln oder ihre Gastfreundschaft. Sie geleitete Gilean an einen freien Tisch in einer Ecke des Flügels, der ziemlich ruhig war. Abgeschirmt wurde der Platz noch zusätzlich von Vorhängen die von der höhen Decke hinabhingen. Der Druide setzte sich, während die Wirtin die Kerze auf dem Tisch mit einem Schnippen ihrer Pfoten entzündete. Gilean hob eine Augenbraue, also musste sie eine Magierin sein.   »Kann ich Euch etwas bringen? Etwas zu Essen, vielleicht?«, fragte sie zu sah ihn weiterhin freundlich an.   Er überlegte kurz. »Hungrig bin ich nicht, danke. aber ich nehme mit Freuden einen Kirschblütentee.«   »Ein Kirschblütentee.«, sprach die Pandarin und lächelte breit. »Ihr habt einen guten Geschmack, Reisender. Ich gieße ihn für Euch auf.«   »Danke, sehr freundlich.«, entgegnete Gilean, als sie sich bereits umdrehte und hinter dem Vorhang verschwand.   Der graumähnige Worgen schloss für eine kurze Zeit seine Augen und lauschte den Melodien der Instrumente und dem Aufkommen der Völker der Allianz hinter sich. Sie berichteten von ihren Abenteuern auf Pandaria. Ein paar kamen wohl gerade aus den Mysteriengewölben von Mogushan, denn sie berichteten von unvorstellbaren Schätzen und Reichtümern, aber auch von Monstern aus Stein und Schrecken, die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Mit einem letzten seufzten, öffnete Gilean wieder seine Augen und starrte in die Flamme der Kerze, welche vor ihm auf dem Tisch stand.   »Bedauerlich, dass Eure kleine Freundin, damals nicht bei der Versammlung anwesend war.«, kam ihm Ace in den Sinn. »Ja, wirklich bedauerlich.«, murmelte er leise vor sich hin, während er seine Klaue nach der Flamme ausstreckte und mit dieser spielte, indem er seine Klaue darüber hielt und direkt über die Flamme gleiten ließ um mit ihr zu spielen.   Es war in der Tat sehr schade, dass Marcina nicht anwesend gewesen war. Mit ihr hätte Veoran nicht noch zusätzlich, wertvolle Zeit verschwendet und sie hätten die Verseuchung am Tempel des Roten Kranichs noch früher aufdecken können. Möglicherweise wären sie jetzt auch schon mehrere Schritte weiter und würden nicht im Kreis laufen. Marcina würde wissen, wie viele endgültige Mutationen es von dem Sha gab, davon war er überzeugt. Außerdem würde sie ihren Ursprung kennen, ihre gesamte Geschichte. Das Wissen, das ihm fehlte, würde sie mitbringen, wenn sie nur hier wäre.   Gilean verengte nachdenklich seine Augen. Ob sie ihm ein weiteres Mal mit ihren Studien über das Sha helfen würde? Doch wie sollte er sie finden? Das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, war beim Tempel der Jadeschlange gewesen. Danach hatte sie ihm ihren Bericht übergeben und seitdem war sie verschwunden. Er wusste nicht, wie er sie erreichen sollte, oder wo er mit seiner Suche beginnen sollte, jetzt, wo es immer mehr Sha Mutationen und Abnormalien auf Pandaria gab. Er konnte die Suche noch nicht einmal eingrenzen.   Die Gastwirtin kam zurück und stellte eine grobe, große Tasse vor ihm ab. Sie lächelte ihn freundlich an. »Ich dachte mir, mit diesen Pranken ist es vielleicht schwierig, feines Besteck zu halten. Ich musste an meinen großen Jungen denken. Er ist etwas ungeschickt und zerbricht das feine Porzellan sehr leicht.« Sie zwinkerte dem Worgen zu.   Gilean grinste breit, doch die Pandarin ließ sich nicht von seinen wölfischen Gesichtszügen und den dazu gehörigen Reiszähnen abschrecken - im Gegenteil - und grinste ihm ebenfalls entgegen und zeigte ihre Zähne. »Das ist sehr freundlich von Euch. Vielen Dank.«   »Nicht der Rede wert. Ich werde später noch einmal nach Euch sehen.«, erwiderte sie und drehte sich um.   »Oh, könntet Ihr mir noch einen Gefallen tun?«, fragte der Worgen und die Pandarin sah über die Schulter zu ihm zurück. »Könntet Ihr mir ein Blatt Papier, Tinte und eine Feder bringen?«   Sie überlegte kurz, dann nickte sie. »Natürlich. Ich musste nur kurz nachdenken, wo ich solche Utensilien haben könnte. Ich werde sie Euch sofort zukommen lassen.«   »Vielen Dank.«, sprach Gilean, als sie sich knapp verbeugte und sich dann wieder abwandte. Er würde sein Glück einfach versuchen und Marcina eine Nachricht schreiben, die er ihr hier hinterlegen würde. Vielleicht würde sie früher oder später hier vorbeikommen und diese finden. Gilean nahm die Tasse in seine Klaue und schnüffelte an dem Tee, ehe er einen Schluck von dem heißen Getränk nahm. Es rann seine Kehle hinab in seinen Magen und wärmte ihn von innen heraus. Der Kirschblütentee war köstlich.     *****     Die Sonne erreichte den höchsten Punkt, als Weramor und Nohlanie endlich die Stufen der Verhüllten Treppe erreichten. Zuversichtlich waren die Schritte der Nachtelfe, während sie sich nicht einmal mehr nach dem Jäger hinter sich umsah. Je leichter ihre Schritte wurden, desto unruhiger wurde Weramor. Nach wie vor zweifelte er an der Geschichte seiner Verflossenen, dass dieser so genannte Schwarze Prinz existierte. Fast erwartete er, dass sie jeden Augenblick einen flüchtigen Ausweg oder eine Ausrede suchen würde, doch diese blieb aus. Allein, dass sie immer mehr an Tempo zulegte, sodass sie schneller die Taverne erreichten, ließ ihn in seinem Zweifel schwanken. Stattdessen wuchs hingegen seine Neugierde für diesen Schwarzen Prinzen. Er wollte ein Gesicht zu diesem schwarzen Drachen wissen, der frei von jeder Verderbnis der Alten Götter sein soll. Weramor wollte wissen, wie er war.   Seine Anspannung wuchs, während sie immer höher stiegen und der Jäger glaubte fast innerlich zu explodieren. Vor Zweifel und gleichermaßen vor Wissensdurst. Doch aus einem bestimmten Grund hoffte Wermor, dass diese Unterredung auch nicht zu lange dauern würde. Morgen war die Versammlung der Mondsucht und er hatte vor, noch etwas an seinem Bericht zu feilen. Er war sehr mager und schwach, schließlich hatte er sich nur im Randgebiet der Schreckensöde aufgehalten und war nicht wirklich weit vorgedrungen. Und das, um Nohlanie zu treffen, wegen einem gemeinsames Kind, welches nicht existierte und nun um den Schwarzen Prinzen zu treffen. Wenn der Bericht zu mager war, würde die Mondsucht - verständlicherweise - daran zweifeln, dass er fünf Tage in der Schreckensöde verbracht hatte.   Nach dem Aufstieg erreichten sie das obere Ende der Stufen und der Jäger spähte über die kahlen Felsen, welche sich in den Nebeln verfingen und vor ihm halb im Verborgenen blieben. Seine Füchsin reckte ihre Schnauze in die Luft und nahm die unbekannten Gerüche in sich auf. Doch aufgrund des schweren Nebels dürfte sie nicht sehr viele Gerüche ausmachen können. Weramor war schon öfter hier vorbei gekommen, auch weil der Schwarzmarkt an der Verhüllten Treppe war. Ihm kam es fast so vor, als würde über diesem Ort eine immer währende Nebelschicht liegen. Sie kam ihm nicht gänzlich natürlich vor.   Nohlanie ging leichtfüßig auf die Taverne zu. Weramor folgte ihr, doch hielt er inne bevor er eintrat. Beide hatten kein Wort mehr gewechselt. Was ihn nun wohl erwarten würde? Er atmete tief durch, ehe er hinter Nohlanie in das Gebäude eintrat. Die Taverne war untypisch für die Pandaren einerichtet. Sehr diskret und auch irgendwie fein. Die Bänke waren mit Samtkissen bezogen und schwere Tischdecken mit eingestickten Ornamenten schmückten die zwei Tische, die an der Wand standen. Die Taverne wirkte nicht unbedingt gastfreundlich, eher dunkel und befremdlich. Der Nachtelf entdeckte zwei Frauen, welche ein und die selbe, dunkelblaue und braune Lederrüstung trugen, fast schon wie eine Uniform. Eine Orkin stand auf der linken Seite zur Treppe, die nach oben führte. Ihre schwarzen Haare waren zu einem Zopf streng nach hinten gebunden worden. Große Hauer schoben sich von ihrem Unterkiefer über die oberen Mundwinkel und verliehen ihr einen grimmigen Ausdruck. Die Menschenfrau mit markanten und stark ausgeprägten Gesichtszügen war braun gebrannt, dort wo ihre Haut unter der Rüstung zu sehen war. Ihre dunkelbraunen Haare waren ebenfalls zu einem Zopf gebunden worden. Sie flankierte die rechte Seite der Treppe. Die Blicke der beiden ruhten ruhig auf den beiden Nachtelfen, was für den Jäger zunächst nicht ungewöhnlich gewesen wäre. Schließlich war er mit Nohlanie gerade eben in die Taverne eingetreten und Neuankömmlinge wurden immer sofort in Augenschein genommen. Aber es kam ihm fast so vor, als würden die beiden Frauen ihn wirklich unentwegt anstarren und jede seiner Bewegungen mustern.   Nohlanie warf Weramor einen abschätzenden Blick über die Schulter zu. »Erinnere dich an die Geschichte, die ich dir erzählt habe.«, murmelte sie leise und ging auf die beiden Frauen zu.   Der Nachtelf folgte ihr mit einem großen Abstand. Als würde er jetzt noch an irgendetwas anderes denken, als an diese absurde Gesichte. Sie war immer noch lächerlich, doch in Anbetracht der Situation in der er sich gerade befand, siegte die Neugierde über das Misstrauen. Sein Blick ruhte vorsichtig auf der Menschenfrau, während Nohlanie stehen blieb. Sie musterte beide nacheinander, ehe sie ihren Kopf vor der Orkin neigte. »Hallo Links.« Sie wandte sich wieder an die Frau. »Rechts.« Ein leichtes, gerissenes Lächeln umspielte Nohlanies Lippen, als die beiden Frauen ihr ebenfalls zunickten. Weramor runzelte seine Stirn. Sie mussten sich also untereinander kennen.   »Ich wünsche mit dem Schwarzen Prinzen zu sprechen. Er erwartet meinen Bericht und ich seine Befehle.« Links nickte langsam, doch der Blick von Rechts ruhte nach wie vor auf Weramor, doch inzwischen hatte die Frau ihre Augen misstrauisch verengt. Unweigerlich spannte sich der Jäger an. Der Blick dieser Frau war so kalt, so schneidend, so starr, als würde sie ihn allein mit ihrem Blick einen Dolch in die Brust rammen können. Weramor fühlte sich mehr als unbehaglich.   Rechts tauschte einen kurzen Blick mit ihrer orkischen Verbündeten aus, während Nohlanie ungewöhnlich ruhig und geduldig auf etwas zu warten schien. Weramor hörte leichte Schritte vom Stockwerk über sich, doch waren das überhaupt Schritte? Die angeblichen Schritte verhallten und er glaubte lediglich noch ein leises trappeln zu hören. Ein kratzen auf Holz? War es doch nur ein kleines Tier gewesen? Der Blick des Jägers wanderte langsam nach oben, doch außer dem Geländer des Balkons konnte er nichts erkennen. Keinen Menschen oder etwas derartiges, was er den Geräuschen hätte zuordnen können.   »Es ist nicht abgesprochen, dass Ihr in Begleitung zurückkehrt, Champion.«, erklang eine raue Stimme und Weramor senkte seinen Blick wieder vor sich auf Nohlanie. Links hatte gesprochen und ihre kalten, blauen Augen funkelten die Nachtelfe herausfordernd an. Nohlanie warf einen kurzen Blick auf Weramor. »Er ist ein Freund, der für meinen Erfolg garantieren wird.« Ihr Blick ging wieder nach vorne und sah der Orkin energisch entgegen. »Er ist noch nicht gänzlich Überzeugt von der Existenz des Prinzen.«   »Ihr habt ihn eingeweiht?«, raunte die Orkin alarmiert und Rechts schüttelte ungläubig ihren Kopf. Weramor spürte, wie die Stimmung innerhalb der Taverne umschwank. Von dem anfänglichen, ruhigen betrachten könnte diese Situation jeden Augenblick eskalieren. Selbst Nymeria sträubte das Rückenfell und machte einen leichten Buckel. Doch Nohlanie blieb so ruhig wie zuvor. Sie nickte lediglich und sah Links und Rechts entgegen. Ihr Blick war entschlossen und eisern. »Ich verbürge mich für ihn. Ihr wisst, was geschehen wird.«   Links fletschte ihre Zähne, wobei ihre großen Hauer noch deutlicher zur Geltung kamen. Weramor ließ seine Hand hinter seinen Rücken gleiten und tastete vorsichtig nach einem versteckten Dolch in seinem Gürtel. Wenn die Situation eskalierte, wollte er vorbereitet sein. »Links! Rechts! Lasst meinen Champion und ihre Begleitung zu mir nach oben.«   Weramor umgriff den Dolch und sein Blick wanderte wieder nach oben. Diesmal erkannte er allerdings jemanden und er runzelte seine Stirn. Er fasste einen Jungen in seinen Blick, der auf der Rehling saß und die Beine über den Balkon baumeln ließ. Er trug edle, weiß verzierte Kleidung und eine Turban ähnliche Kopfbedeckung. Seine Haut war stark gebräunt und seine Haare pechschwarz, dort wo sie lockig unter dem Turban hervorlugten. Doch am auffälligsten waren die Augen, mit denen der Junge direkt hinab auf Weramor nach unten starrte. Sie schienen in einem roten Schein zu glühen und eine unglaubliche Stärke repräsentieren. Die Gesichtszüge des Knaben waren weich und doch überlegen. »Den Dolch würde ich Rechts geben. Sie wird ihn für Euch verwahren, ebenso wie Euren Bogen.« Der Klang seiner Stimme war überheblich und doch weich und einladend.   Weramor senkte seinen Blick wieder und erkannte, dass Nohlanie ihn wissend anlächelte. Sie hatte Recht gehabt, mit ihrer Geschichte, mit ihrem Titel. Weramor hatte bis eben noch nicht gänzlich geglaubt, bis er ihn selbst gesehen hatte. Auch wenn es nur ein kurzer Blick gewesen war, den er auf den vermeintlichen Schwarzen Prinzen erhaschen konnte. »Gib ihr deine Waffen, Weramor. Damit wir mit ihm sprechen können.«   Der Nachtelf wirkte innerlich noch immer zerrüttet. Nymeria schlich um seine Beine herum, was ihm aus seiner Starre befreite. Er zog den Dolch aus seinem Gürtel und überreichte ihn der Menschenfrau, bevor er seinen Bogen von den Schultern nahm und ihn ihr ebenfalls gab. Der Blick von Links ruhte währenddessen auf seinem Rücken. Weramor atmete ruhig und doch fühlte sich das atmen falsch an. Der Schwarze Prinz wusste seine Präsenz sehr gut zu verstecken. Deswegen hatte er vorhin auch keine Schritte mehr gehört. Wie lange war der Kataklysmus und der Niedergang Todesschwinges her? Zwei Jahre? Und während die sterblichen Völker im Glauben gelassen wurden, der schwarze Drachenschwarm sei vollständig ausgerottet worden, wuchs ein weiterer im Unbekannten heran.   Nohlanie nickte Weramor zu, ehe sie die Treppenstufen nach oben stieg. Der Nachtelf ließ seinen Blick noch einmal über Links und Rechts schweifen. Sie starrten ihn weiterhin an, doch lag nun nichts feindseliges in ihren Augen, sondern gewecktes Interesse. Er straffte seine Schultern und stieg die Stufen in das obere Stockwerk nach oben.   Das obere Stockwerk wirkte fast noch formeller, noch edler, als die Taverne im Erdgeschoss. Allein schon bei den Stufen entdeckte Weramor feine Samttücher, welche an der Decke befestigt waren und von den Wänden hinab hingen. Als er den Fuß oben absetzten sah er sich suchend um. Schnell entdeckte er Nohlanie, die sich inmitten einer Verbeugung der kal'doreiischen Art befand. Sie straffte ihre Schultern und sah auf den Knaben hinab. Weramor hätte geglaubt, dass sie geschmunzelt hätte, oder wieder ihr überlegenes Grinsen aufgesetzt hätte. Doch ihr Blick wirkte einfach nur wach, ihre Haltung war voller Erwartung und vielleicht auch ein wenig angespannt. Sie drehte sich zu Weramor um und winkte ihn mit einem Kopfnicken näher zu sich heran.   Der Junge ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl nieder und schlug die Beine übereinander, während sein durchbohrender Blick nachdenklich auf dem Nachtelfen ruhte. Ein leichtes, überlegenes und gleichermaßen wissendes Schmunzeln umspielte seine Lippen, als hätte er etwas ganz bestimmtes vor. Etwas, was Weramor zu diesem Zeitpunkt nicht erahnen konnte und das jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Nun, da er dem Schwarzen Prinzen gegenüberstand, glaubte er zu erahnen, dass ein Vergleich mit einem Menschen einfach nur falsch war. Der Knabe verschränkte leicht seine Arme hinter dem Kopf, ehe sein Blick zu Nohlanie schwenkte. »Es überrascht mich, dass Ihr in Begleitung kommt, Nohlanie. Aber wenn sogar Ihr für ihn bürgen wollt, möchte das etwas heißen.« Weramor runzelte seine Stirn. Diese Geschichte, die ihm seine ehemalige Geliebte erzählt hatte, sie musste stimmen. Es konnte gar nicht mehr anders sein. Weshalb sonst, konnte dieser Knabe einen solchen Respekt ihr gegenüber haben, wenn er doch ein schwarzer Drache war? »Ich hoffe, ich werde nicht enttäuscht.«, endete der Schwarze Prinz und lehnte sich leicht zurück.   Die Schurkin schüttelte ihren Kopf, was ihre silbernen Haare leicht in Wallung brachte. »Das werdet Ihr gewiss nicht, mein Prinz.«, bestätigte sie und warf Weramor einen Seitenblick zu. »Weramor ist sauber. Noch dazu der beste Späher und Bogenchütze, den ich kenne.«   Der Jäger sah langsam von Nohlanie wieder zurück zu dem Schwarzen Prinzen um diesen abschätzend zu mustern, während er die Nähe seiner Füchsin um seine Beine spüren konnte. Etwas passte nicht - oder zumindest wollte es in seinem Kopf nicht zusammen passen. Wenn dies hier vor ihm ein schwarzer Drache war, der vor ungefähr zwei Jahren geschlüpft war, wie kann er schon die Gestalt eines Menschen annehmen, der eindeutig älter war? Er könnte gut in dem Alter von Anduin Wrynn sein - dem Aussehen nach zu urteilen zumindest. Und doch wirkte er, trotz des jungen Alters, als wäre er etwas Großes. Erhaben und irgendwie auch eingebildet. So wie er ihn gerade ansah, ganz gleich ob der junge Prinz vor ihm saß, wirkte es dennoch so, als würde er auf Weramor hinabsehen.   Weramor war so in Gedanken vertieft, dass er nicht bemerkt hatte, dass Nohlanie ihn die ganze Zeit über beobachtete. Sie stieß ihm unauffällig ihren Ellenbogen in die Seite und riss ihn so aus seinen Überlegungen. Der Schwarze Prinz wirkte allerdings nur amüsiert, fast so als hätte er Weramors Bedenken, die er den gesamten Weg hierher in sich getragen hatte, erahnt. »Habt Ihr ihm Eure Geschichte nicht erzählt, Nohlanie?«, fragte er grinsend. »Weramor, richtig?« Der Knabe nickte dem Jäger zu und entschlang seine Arme hinter seinem Kopf, nur um eine ausschweifende Handbewegung in die Richtung von Nohlanie zu machen. »Die Geschichte meines Champions ist wirklich erzählenswert. Wie ein Geist schlüpfte sie durch die Mauern des Rabenholdanwesens und wie ein Schatten überwältigte sie meine Wächter.«   Der Jäger rührte sich nicht, als sein Blick langsam auf Nohlanie fiel. Sie erwiederte seinen Blick ernst. »Doch, ich habe ihm meine Geschichte erzählt, mein Prinz.«, sprach sie ruhig und betont aus. Weramor verengte seine Augen, wollte sie ihn etwa herausfordern? Diese Geschichte, die sie ihm zunächst als eine Legende erzählt hatte und die sich dann als ein Teil von ihr herausstellte. Der Junge vor ihm, war der Schwarze Prinz, ein schwarzer Drache, frei den Einflüsterungen der Alten Götter. Noch immer versuchte Weramor zu verstehen, wie so etwas überhaupt möglich war.   »Ihr könnt es ruhig glauben.«, drang seidig die Stimme des Knaben zu ihm. »Ich, Furorion, bin ein schwarzer Drache und direkter Nachkomme Todesschwinges. Der letzte meiner Art, frei von jedem Einfluss der Alten und mein eigener Herr.«   Weramor verengte seine Augen. Todesschwinges Nachkomme? Ein direkter Sohn des Weltenzerstörers? Dem Aspekt des Todes? Er wusste selbst, dass der schwarze Drachenschwarm auf Azeroth komplett ausgelöscht wurde. Er selbst war gegen die Feldzüge im Schwarzfels dabei gewesen und hatte gegen die verrükten Experimente von Nefarian gekämpft und schließlich gegen ihn selbst. Und dieser Knirps sollte ebenfalls ein Sohn Todesschwinges sein? Konnte er noch mehr an diesem Tag überrascht werden? Der Jäger sah Furorion mit gehobenen Augenbrauen an und konnte seinen überraschten Gesichtsausdruck nicht verbergen. »Und was macht Ihr nun hier auf Pandaria?« Weramor konnte sich nicht helfen, aber seine Neugierde schien stetig weiter zu wachsen. Je ungläubiger die Worte waren, desto mehr schien er ihnen Glauben zu schenken. Diese ganze Situation in der er sich befand, war sehr unrealistisch.   Der Schware Prinz hob gewitzt eine Augenbraue, ehe er die Luft um sich herum tief einatmete. »Ahh...«, stieß er langsam aus. »Jetzt wird es interessant.«, sprach er ruhig und in seinen Augen funkelte leichte Begeisterung und waches Interesse für den Nachtelfen. Nohlanie schlich sich von Weramors Seite und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch. Aufmerksam beobachtete sie die Unterhaltung aus einem überschaubaren Winkel. Furorion verschränkte die Arme locker vor seiner Brust und sah Weramor überlegen mit einem gehobenen Mundwinkel an. »Mein Vater, Todesschwinge, so verfallen er auch in seinem Wahn war, in einer Sache hatte er Recht gehabt. Unsere Welt ist... so fragil.« Furorion erhob sich mit leichtem Schwung von dem Stuhl und schritt auf den Balkon zu. Nur kurz spähte er nach unten in die Taverne - wohl um sich zu vergewissern, dass kein Besucher ihr Gespräch belauschen konnte - ehe er sich wieder zu Weramor umdrehte und sich gegen das Geländer lehnte. Der Blick des Jungen war ernst und doch weich mit einem seichten Lächeln. Drängend und auch neugierig. So, als wolle er Weramor auf die Probe stellen - oder eher gesagt, ihn herausfordern.   Weramor runzelte seine Stirn. Dieser Junge war frech und doch hatte er noch nicht auf seine Frage geantwortet, was er hier auf Pandaria verloren hatte, wo er doch ein schwarzer Drache war. Weshalb war er auf einem völlig fremden Kontinenten, der über dreitausen Jahre hinter den Nebeln verborgen geblieben war? »Wir sind ein Funken des Lichts in einem Universum des Schattens. Eine Kerze im Sturm und wir steuern auf einen Abgrund zu. Und nein.«, der Schwarze Prinz unterbrach sich selbst und er wirkte belustigt und auch überheblich. »Ich spreche nicht vom aktuellen Konflikt zwischen der Allianz und der Horde. Was Garrosh Höllschrei in Theramore getan hat, ist noch nichts, im Vergleich zu den Schrecken, die bereits in diesem Moment unsere zerbrechliche Heimat heimsuchen.«   Der Jäger lauschte gespannt, doch noch immer wirkte er sehr skeptisch. »Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.«, begann er und er engte knapp seine goldenen Augen. »Und doch bin ich an Euren Worten interessiert, Furorion. Erzählt mehr von diesen Schrecken über die Ihr sprecht und was man gegen diese unternehmen kann.« Er wusste noch nicht einmal genau weshalb er mehr wissen wollte. Vielleicht war es dieses Angebot, welches Nohlanie ihm gegeben hatte. Mehr zu wissen, über das Schicksal Azeroths.   Der Schwarze Prinz lächelte schleierhaft. »Ich sehe, ich habe Eure Aufmerksamkeit. Gut.« Der Knabe stützte sich vom Geländer ab und ging langsam einige Schritte vor Weramor, während sein Blick auf das Fenster der gegenüberliegenden Seitenwand gerichtet war. »Ihr werdet bestimmt nachvollziehen, dass mir dieser Krieg große Sorgen bereitet.«, säuselte Furorion und blieb schließlich vor Nohlanie stehen. Sie hob ihren Blick zu ihm.   »Eigentlich nicht.«, sprach Weramor, was ihm einen strengen Blick von Nohlanie einbrachte und einen überheblichen des Prinzen. Machte er sich etwa über ihn lustig? »Ich verstehe nicht, weshalb sich ein schwarzer Drache Sorgen um den Krieg zwischen der Allianz und der Horde machen sollte. War es nicht Eure Spezies, die bisher alles tat, um das Misstrauen weiterhin aufrecht zu erhalten? Waren es nicht schwarze Drachen, die sich in Sturmwind eingeschmuggelt und das Feuer des Krieges noch weiter geschürrt hatten?« Der Jäger musterte die Reaktion des Schwarzen Prinzen und scheinbar verfehlten seine Worte die Wirkung auf ihn nicht. Inzwischen hatte Furorion die Augen geengt und funkelte ihn mit seinen rot glühenden Augen skeptisch an. »Habt Ihr von Onyxia gehört?«   Die Luft knisterte förmlich, doch ging dies nicht von Furorion aus, wie der Jäger erwartet hatte. Es war Nohlanie, die den Jäger mit einem feurigen Blick bedachte. Doch bevor sie etwas sagen konnte - was sie zweifelsfrei wollte - begann der Schwarze Prinz zu sprechen. »Ich habe sehr viel über meine Schwester gehört, Jäger. Sie handelte mit ihrem Taten im Auftrag unseres verdorbenen Vaters. Sie war eine starke Persönlichkeit, ihr einziger Fehler, dass sie das Denken jemand anderem überließ.« Furorions Blick war kalt. »Doch die Vergangenheit ist geschehen. Es gibt keinen Grund mehr sie aufzuwerfen und auf eine Waage zu legen, da es kein passendes Gegenstück gibt. Was meine Brüder und Schwestern getan haben, war nicht richtig und ich werde sie nicht in Schutz nehmen. Stattdessen möchte ich mich auf die Gegenwart und die Zukunft unserer Welt konzentrieren.«   Weramor hob einen Mundwinkel und neigte seinen Kopf leicht vor dem Schwarzen Prinzen. Er hatte die Herausforderung angenommen. »Ich verstehe.«, erwähnte er. »Bitte fahrt fort, Furorion.« Der Knabe engte kurz seine Augen. Scheinbar hatte er erkannt, was Weramor vorgehabt hatte und für einen kurzen Augenblick, hatte er gezögert. Vielleicht weil er die passenden Worte erst suchen musste? Die Überheblichkeit war aus dem Gesicht des Knaben gewichen. Auch wenn dies nicht der eigentliche Grund für die Fragen des Jägers war, war dies doch ein positiver Nebeneffekt.   »Ein geteiltes Azeroth hat keine Chance gegen die Dunkelheit. Deswegen muss der Krieg enden und zwar bald. Bevor er unsere Stärke verschlingt.« Der Schwarze Prinz verschränkte wieder die Arme vor seiner Brust und wieder schlich sich dieses überhebliche Lächeln auf seine Lippen. »Ihr sollt wissen, dass ich Eure Allianz in diesem Konflikt voll und ganz unterstützte. Alleine schon wegen meinem Champion.« Ein kurzer Blick über seine Schulter zu Nohlanie folgte, ehe er wieder Weramor betrachtete. Die Ruhe schien der Knabe nun auch wieder gefunden zu haben.   »Das sagte man mir bereits.«, murmelte der Jäger und spähte zu der Schurkin, die ihn immer noch ernst anblinzelte. So ernst hatte er sie selten gesehen. Doch Weramor konnte sich nicht auf sie konzentrieren. Zu groß war die Flut an Informationen, die gerade über ihn zugeschwemmt waren. Diese Legende, diese Geschichte, die sie ihm ezählt hatte. Nohlanie hatte schon einmal für den Schwarzen Prinzen gearbeitet und war - wie er selbst bestätigt hatte - sein Champion. Und er stand hier und geriet gerade selbst in diesen Strang aus merkwürdigen Ereignissen und verwickelte sich darin, obwohl er nichts besonderes gemacht hatte. Nichts besonderes geleistet hatte. Noch nicht jedenfalls.   »Das ist gut.«, er nickte langsam. »Ich werde Euch zunächst beobachten. Doch wenn Ihr Euch beweisen könnt, dann werde ich Euch mit allem ausstatten, das Ihr benötigen werdet, um Eure Aufträge auszuführen.« Der Blick des Schwarzen Prinzen bohrte sich durch Weramor. Wieder jagte ihm dieser Blick einen Schauer über den Rücken, doch Furorion drehte sich zu seiner Erleichterung zu Nohlanie und musterte sie abwartend. »Dann könnt Ihr mir nun bestimmt mehr von dem Krieg in der Krasarangwildnis berichten, Nohlanie.«   Die Nachtelfe wischte sich mit einer Hand einige silbernen Strähnen aus dem Gesicht und klemmte sie sich hinter das Ohr. »Die Arbeiten der Allianz und der Horde schreiten voran. Wir konnten die Herrschaftsfeste sabotieren, sodass sie mehrere Tage mit dessen Errichtung zurückgeworfen werden. Die Löwenlandung wird demnächst vollständig errichtet sein und die Angriffe werden vermtlich von der Flotte der Himmelsfeuer geleitet.«   »Ausgezeichnet.«, sprach der Schwarze Prinz mit einem sehr zufriedenen Gesichtsausdruck und ging einige Schritte durch den Raum. Vermutlich um seine Gedanken zu sortieren. Der Drache schien in diesem Konflikt die Fäden in den Händen zu halten, dies erkannte Weramor nun. Und das nur dank Nohlanie und vermutlich auch bald ihm. Möglicherweise wusste Furorion, wie sie als nächstes vorgehen sollten. »Garrosh Höllschrei treibt die Horde geradewegs in den Kampf, aber König Varian Wrynn kann ich nicht so leicht durchschauen.«, murmelte er leise und kratzte sich gedankenverloren am Kinn.   »Anduin Wrynn ist zur Löwenlandung zurückgekehrt.«, warf Nohlanie ein und riss so den jungen Prinzen aus seinen Gedanken. Er betrachtete sie mit einer gehobenen Augenbraue. »Ist dem so?« Auch Weramor nickte. Doch er musste sich fragen, weshalb diese Information Furorion interessierte. »Dann ist der kleine Löwe zum Wolf zurückgekehrt. Auch gut.«, murmelte er und schüttelte kurz darauf seinen Kopf leicht. War das Bedauern? Weramor musterte das Verhalten des Schwarzen Prinzen teilweise skeptisch, teilweise verwundert.   »Tong! Etwas zu essen, bitte! « , rief Furorion von dem Balkon hinunter und wandte sich wieder Weramor und Nohlanie zu. Er begann wieder auf und ab zu gehen, während der Jäger ihn gespannt beobachtete. »Der Hochkönig, Varian Wrynn...« Er hielt in seinen Schritten inne und hob seinen Kopf. Wieder war da dieses überlegene Lächeln in seinem Gesicht. »Wusstet Ihr, dass er einst ein Gladiator war?«, fragte er und sah dabei Weramor in die Augen. Der Nachtelf schüttelte seinen Kopf, wobei seine blauen Haare mitwippten.   Furorion schmunzelte erneut belustigt und erzählte weiter. »Er verlor sein Gedächnis und kämpfte in Arenen der Horde um sein Leben. Dort bekam er den Namen 'Lo'Gosh' oder 'Geisterwolf'. Er ist ein Kämpfer, das steht außer Frage, aber, ist er auch ein Anführer?« Der Nachtelf beobachtete den Jungen aufmerksam, doch erwiderte er nichts darauf hin. Er entschied sich dafür zunächst abzuwarten und zu lauschen. Wrathion schien die Taktik von Weramor zu erkennen und fuhr fort: »Ich frage Euch nun folgendes, Weramor. Wrynn folgt seinen Prinzipien, aber können Prinzipien einen Krieg gewinnen?« Weramor ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. König Varian Wrynn war gewiss ein besserer Anführer, als Garrosh, aber war er stark genug um gegen den kriegerischen Ork zu bestehen? Er war sich nicht sicher und wusste nicht, ob er sich diesbezüglich ein Urteil bilden wollte. Sein Blick war weiterhin starr auf Furorion gerichtet, welcher lediglich grinste, als kenne er seine Gedanken.   »Wir werden sehen, ob die Allianz das Zeug dazu hat, Azeroth zu beherrschen.«, schloss der Schwarze Prinz seinen Gedanken.   »Beherrschen?«, fragte Weramor und schmälte seine Augen. Aufmerksam ruhte sein Blick auf dem jungen Prinzen, doch dieser erwiderte seinen Blick nur gelassen. »Natürlich. Wie ich bereits sagte, ein geteiltes Azeroth kann nicht gegen die Schrecken bestehen, die auf unsere Welt zurasen.«   »Es wird nur noch eine Flagge geben unter dem die Völker gemeinsam kämpfen werden. Und das wird die Allianz sein.«, schloss Nohlanie und stand von ihrem Stuhl auf. Sie warf Weramor einen abschätzenden Blick zu, ehe sie diesen auf Furorion legte. »Wir müssen bald aufbrechen, mein Prinz. Wir wurden von Admiral Taylor beauftragt einen Agenten der SI:7 in Sturmwind ausfindig zu machen.«   Furorion wirkte kurz abgelenkt, ehe er nickte. »Gut. Ich sehe ihr seid bereits dabei die Gunst des Königs zu erhalten.« Gewitzt sah er die beiden Nachtelfen nacheinander an. »Viel Erfolg bei Euren Missionen. Ein guter Ruf kann uns bei dem weiteren Vorgehen zugute kommen.« Der Schwarze Prinz schmunzelte wieder überheblich und setzte sich zurück auf seinen Stuhl, als Nohlanie dem Jäger engegen kam. »Komm mit.«; murmelte sie ihm zu und ging an ihm vorbei, die Treppen hinab.   Weramor sah noch einmal fasziniert zu dem jungen Drachen, der in seiner menschlichen Form vor sich hin schmunzelte und überlegen seine Gedanken zurechtrückte. Danach drehte er sich um und gab Nymeria ein Zeichen ihm zu folgen, ehe er Nohlanie folgte und die Treppen hinunterstieg. Links und Rechts sahen ihn noch immer misstrauisch an, doch er ignorierte ihre Blicke, während Rechts ihm kommentarlos seinen Bogen und den Dolch entgegenhielt. Er verstaute den Dolch wieder in seinen Gürtel und schulterte seinen Bogen, ehe er an ihnen vorbei ging und der Nachtelfe nach draußen folgte.   Nohlanie nahm gerade einen tiefen Atemzug und sah über die Schulter zu Weramor zurück. Sie stand am Geländer vor den Treppenstufen, was wie ein kleiner Balkon wirkte. »Jetzt weißt du Bescheid.«, sprach sie und rang sich ein Lächeln ab. Der Jäger ging an ihre Seite und starrte hinaus in die dichten Nebel, welche um der Taverne lagen. »Stimmt, ich hatte es jedoch nicht erwartet.«, murmelte er und warf Nohlanie einen Seitenblick zu.   Sie erwiderte seinen Blick ernst. »Ich bin sein Champion, Weramor. Vielleicht musste ich dich deswegen damals verlassen. Ich war rastlos und musste meinen Weg finden. Alles was ich in der Zeit getan hatte, hat mich zu diesem Punkt geführt, an dem ich jetzt stehe.« Nohlanie hielt kurz inne, ehe sie wieder geradeaus sah. »Es ist nicht so, dass ich dich betrogen habe.«   Weramor atmete seufzend aus und schloss seine Augen für einen kurzen Augenblick. Als Nohlanie ihn damals verlassen hatte, war eine Welt für ihn zusammengebrochen. Ohne ein weiteres Wort war sie verschwunden, von einem auf den anderen Tag. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte er bemerkt, dass sie in den letzten Wochen ihrer Beziehung merkwürdig gewesen war. Angespannt und oft mürrisch. Möglicherweise war es wirklich der Grund, weil sie für etwas anderes bestimmt gewesen war. Doch was war mit dem hier und jetzt?   Wenn Furorion die Allianz wirklich unterstützte, dann hätten sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Horde. Was konnte es sein, das der Schwarze Prinz gesehen hatte, dass die Völker vereint werden mussten? Dass es kein geteiltes Azeroth mehr geben sollte? Weramor schüttelte seinen Kopf. »Wenn Furorion die Allianz unterstützt, werde ich dir helfen und für ihn arbeiten, Nohlanie.« Die Nachtelfe sah zu ihm auf. »Schließlich ist es das, worum du mich gebeten hattest, oder?«   Er zwinkerte ihr zu und die Schurkin blinzelte ein paar Mal verlegen. »Ich danke dir. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann, Weramor.«   Der Jäger winkte ab. »Nichts desto trotz habe ich noch einen Bericht abzuliefern. Die Gildenversammlung der Mondsucht ist morgen. Ich schätze, wir werden uns in zwei Tagen wieder sehen.«   Nohlanie nickte langsam und behielt ihn im Auge. »Dann werde ich Agent Connolly in Sturmwind ausfindig machen.«   Weramor stimmte nickend zu. »Du bist ohnehin geübter darin, in einer stinkenden Bar voller Trunkenbolde einen speziellen Trunkenbold, der nur so tut als ob er ein Trunkenbold wäre, ausfindig zu machen.« Er grinste. »Ich wäre da nur ein Klotz am Bein.«   Die Nachtelfe hob eine ihrer Augenbrauen und funkelte ihn amüsiert an. »Natürlich... Aber du wirst dich bald entscheiden müssen.«, murmelte sie.   »Wozu entscheiden?«, fragte Weramor und hielt inne.   »Für was brauchst du die Mondsucht, wenn du die Gunst eines schwarzen Drachen, dem letzten seiner Art genießen kannst? Du hast ihn gesehen, Weramor. Du musst auch seine Präsenz gespürt haben. Du weißt wie mächtig er wirklich ist, hinter seiner menschlichen Fassade.« Nohlanie sah ihn drängend mit ihren silbernen Augen an. »Du solltest dich für das richtige Entscheiden.«   Weramor sah Nohlanie nachdenklich an. Er überlegte und drehte auch seinen Kopf weg von ihr um wieder in den dichten Nebel zu spähen. Konnte er der Mondsucht in den Rücken fallen? Seine Freunde verlassen und sich selbst überlassen? Er musste zugeben, dass seine derzeitige Loyalität zu wünschen übrig ließ, aber-   »Nohlanie?«, fragte die Orkin - Links - und blieb im Türrahmen der Taverne stehen. Ihr Blick fiel auf die beiden Nachtelfen und sie gab ein tiefes Grunzen von sich. «Der Schwarze Prinz möchte Euch noch einmal sehen.«   Die Nachtelfe richtete sich auf und nickte. »Natürlich, ich komme.«, sprach sie und sah Weramor noch ein letztes Mal eindringlich an. »Ich hoffe, dass ich nicht umsonst für dich gebürgt habe. Wir sehen uns in zwei Tagen wieder hier.«, murmelte sie ihm zu, ehe sie an ihm vorbei in die Taverne ging.   Der Jäger seufzte und sah zu seiner Füchsin hinab. Er hatte sich sein Treffen mit Nohlanie ganz anders vorgestellt. Jetzt sah es so aus, als würde sich doch alles für ihn verändern. »Eine Entscheidung, hm?«, murmelte er vor sich hin, als er sich vom Geländer abstützte und die Treppen der Taverne hinunterstieg.   Wollte er sich denn überhaupt entscheiden? Er musste an Gilean und Holora denken. An ihr letztes 'Abenteuer', welches sie im Tempel der Jadeschlange hinter sich gebracht hatten. An den Zusammenhalt, den sie hatten, während sie gegen die Schergen des Sha gekämpft hatten. Wie sie auf Pandaria angekommen waren und dieses noch neue und unbekannte Land erforscht hatten. An die nächtlichen Runden bei Lagerfeuer und einem guten Tropfen Wein und Met. Das Vertrauen, welches er den beiden entgegen gebracht hatte, hatten sie ihm ebenso zurückgegeben. Der Spaß und die Freude, welche sie miteinander geteilt hatten.   Doch alles hatte sich verändert, als sie beschlossen hatten, sich dem Problem auf Pandaria zu widmen. In letzter Zeit hatte er sich häufig mit Holora gestritten. Es war nichts neues, dass sie andere Meinungen hatten, aber noch nie hatte er befürchtet, sie als Freundin zu verlieren. Doch dies hatte sich inzwischen geändert und er wusste noch nicht einmal genau warum. Warum konnten sie nicht wieder so sorglos herumalbern, wie noch vor drei Monaten?   In Gedanken versunken schlug Weramor die Richtung zu dem Flugmeister ein. Er musste jetzt erst einmal noch an seinem Bericht arbeiten. Vorausgesetzt er fand etwas Zeit und die Ruhe dafür seinen Kopf von all dem zu befreien, was er gerade erfahren hatte.     *****     Holora blinzelte ungläubig, über das, was sie gerade beobachtet hatte. Sie wollte ihren Augen einfach nicht trauen und redete sich ein, dass es ein Zufall gewesen war. Eine komische Verwechslung, oder ein Streich ihrer Fantasien, was auf ihren derzeitigen Zustand zurückzuführen war, doch, es war Wirklichkeit. Weramor stieg gerade auf einen Gleiter, nahm seine Füchsin auf den Arm und hob gemeinsam mit ihr in die Luft ab. Was machte er denn hier? Warum war er ausgerechnet hier und nicht in der Schreckensöde? Und wer beim Licht war diese ominöse Nachtelfe gewesen?   Weil ihr schwindlig wurde, war sie aus dem Auktionshaus des Schwarzmarktes rausgegangen um etwas frische Luft zu schnappen. Aus Zufall, weil sie sich die Beine etwas vertreten wollte, war sie um das Gebäude geschlendert, während Ace die restlichen Kräuter und Zutaten ersteigerte, die für ihren Trank notwendig waren. Und dann hatte sie Weramor entdeckt, während er über die Brüstung gelehnt von der Nachtelfe abgelenkt war. Schnell hatte sie sich hinter den Büschen geduckt und hatte diese schnelle Reaktion sofort mit einem leichten Stoßschmerz in ihren Rippen gebüßt, was sie aufkeuchen ließ. Doch sie hatte sich zusammengerissen und ihre Atmung schnell wieder unter Kontrolle gebracht, während Weramor durch die Nebel direkt in ihre Richtung gesehen hatte. Die Schamanin hatte die beiden beobachtet, während sie sich miteinander unterhielten. Scheinbar hatten beide die Draenei nicht bemerkt, ansonsten hätte Weramor sie doch angesprochen, oder?   Die Schamanin verzog ihr Gesicht zu einer leicht genervten Grimasse. Sie war sich nicht einmal mehr deswegen sicher. Vielleicht hätte er sie angesprochen, wenn es ihm nervend aufgefallen wäre, vielleicht aber auch nicht. Dieser sture Nachtelf hatte es ja inzwischen zu seiner Lebensaufgabe gemacht, sie zu ignorieren, oder sie mit spitzen Bemerkungen von sich zu stoßen. Blöder Idiot. Holora seufzte sehr leise. Sie hatte geglaubt, sie wären Freunde. Doch noch nicht einmal mehr deswegen war sie sich sicher. Nicht seitdem sich Weramor immer mehr zurückgezogen hatte und wegen jeder Kleinigkeit unausstehlich wurde.   Sie hatte geglaubt - oder vielmehr gehofft  dass er nicht nur ihr gegenüber so war, sondern, dass es nur eine Phase war, die irgendwann vorübergehen würde. Doch er hatte sich hier, auf der Verhüllten Treppe mit dieser Nachtelfe getroffen. Weshalb? Wer war sie wohl? Sie schienen merkwürdig vertraut miteinander zu sein. Ob er mit ihr über seine Probleme gesprochen hatte, die er wohl irgendwie haben musste? Warum konnte er nicht mit ihr darüber sprechen?   Doch das, was die Draenei am meisten ins Grübeln brachte, war die Tatsache, dass sie Weramor hier gesehen hatte. Sollte er nicht eigentlich in der Schreckensöde sein? Die Schreckensöde war riesig und sehr gefährlich. Holora glaubte nicht, dass er dieses Gebiet bereits in nur vier Tagen komplett ausgekundschaftet hatte. Die Draenei biss sich gedankenverloren auf die Unterlippe. Wieso also-   »Da bist du ja!«, riss Ace sie aus ihren Gedanken und sie zuckte zusammen. Die Schamanin drehte ihren Kopf und blinzelte den Hexenmeister überrascht an. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil du nicht mehr zurück gekommen bist.« Der skeptische, von Felmagie getränkte Blick des Mannes sah an Holora herab. »Warum genau sitzt du in einem Busch?«   Die Draenei neigte ihren Kopf zur Seite und musterte zunächst Ace, dann spähte sie zu der Taverne zurück. Doch die Nachtelfe war nicht wieder herausgetreten. Langsam wanderte ihr Blick wieder zu dem Mann, der nun nur noch skeptischer aussah. Holora rang sich ein Lächeln ab. »Ist doch gemütlich hier.«, sprach sie scherzend und richtete sich wieder auf die Beine, was mehr Zeit und Anstrengung in Anspruch nahm, als sie selbst gedacht hätte. Ace beobachtete sie ruhig und geduldig dabei, machte aber keine Anstalten ihr zu helfen. »Bist du wieder hingefallen?«   Holora wandte sich dem Hexer zu, als sie wieder auf ihren Beinen stand. Ihr silberner Blick war trüb, selbst ihre blaue Haut wirkte blass. Sie könnte Ace sagen, dass sie Weramor gesehen hatte, doch würde sie ihm somit in den Rücken fallen? Irgendwie hätte Ace die Wahrheit verdient, doch andererseits fühlte es sich falsch gegenüber ihrer Freundschaft mit Weramor - ob sie nun noch bestand oder nicht - an. Sie nickte müde und der Mann seufzte resigniert. »Hier.«, murmelte er und überreichte Holora eine Phiole in der eine grünlich, schimmernde Flüssigkeit schwappte. »Einen konnte ich bereits fertigstellen. Für weitere werde ich mehr Zeit und einen ruhigeren Ort in Anspruch nehmen müssen.«   »Der wird fürs erste genügen.«, murmelte Holora ernst und nahm fast gierig den Trank entgegen. Sie betrachtete die Flüssigkeit, während sie die Phiole langsam schwenkte. Sie wirkte fast traurig und sehr weit weg, als sie die Phiole langsam entkorkte.   »Wie lange möchtest du das Geheimnis noch für dich behalten?«, fragte Ace mit einem argwöhnischen Unterton und verschränkte dabei seine Arme ineinander. »Du wirst es nicht für den Rest unseres Aufenthalts in Pandaria schaffen, wenn du dich nicht behandeln lässt. Zumal wir noch nicht einmal wissen, wie lange wir hier noch sein werden. Hast du dich schon einmal im Spiegel betrachtet? Es grenzt schon an ein Wunder, dass Gilean noch nicht nachgefragt hat, was mit dir los ist. Schließlich ist er dein bester Freund.«   »Das weiß ich selbst.«, raunte Holora und schürzte ihre Lippen, sodass ihre Fangzähne kurz unter der Oberlippe hervorblitzten. Sie wusste, wie sie aussah. Ihre Haare waren vermutlich eine Katasrophe, davon abgesehen, dass sie glanzlos und matt wirkten. Ihre Augen verloren allmählich den silbernen Glanz und ihre Haut sah fahl und leblos aus. Es war ein Prozess, den Holora bereits kannte. »Es gefällt mir ja selbst nicht, ihn anzulügen. Aber ich werde es für mich behalten, solange ich kann um unsere Mission nicht zu gefährden.«   »Unglaublich.«, raunte Ace und schüttelte seinen Kopf, während die Draenei die Phiole in einem Zug austrank. Sie schüttelte sich kurz darauf und unterdrückte einen Hustenreiz, ehe sie sich einige Tränen aus den Augen blinzelte. Mit ihrer freien Hand löste sie ihre Kettenstulpe, wobei die Haut ihrer Unterarme sichtbar wurde. Giftgrüne, hell leuchtende, rituelle Muster, welche in ihrer blauen Haut eingebrannt waren, wurden sichtbar. Doch der Schimmer verfing sich langsam und verblasste allmählich. Das Grün wurde zunächst zu einem Türkis und schließlich färbte es sich in ein dunkles Blau und hörte gänzlich auf zu leuchten. Das Narbengewebe mit dem Muster wirkte wieder vollends normal und ruhend, ohne den Einfluss von Dämonischen Mächten. Die Schamanin seufzte erleichtert, während sie ihre Stulpe wieder hochzog und mit einem Lederriemen befestigte.   »Du weißt, dass der Trank keine Lösung für die Dauer ist, Holora. Und selbst die Wirkung des Trankes zeigt bereits Schwächen, weil du ihn schon so oft getrunken hast. Früher oder später wirst du etwas dagegen unternehmen müssen und besser du tust es früh genug. Ansonsten gefährdest du wirklich diese Mission.« In den Worten von Ace schwang eine Warnung und gleichzeitig eine Drohung mit. Die Schamanin betrachtete den Hexenmeister aus zusammengekniffenen Augen und ihr entfuhr Luft aus den Lippen. »Das weiß ich selbst, oder denkst du, ich bin komplett bescheuert? Ich wäre schon lange zur Exodar gereist wenn meine Verpflichtungen mich nicht hier komplett einspannen würden.«, fauchte sie wütend. »Außerdem musst du nicht so leicht daher reden, Mister Hexenmeister! Schließlich bist du selbst von diesem Fluch betroffen!«   Der 'Mister Hexenmeister' rührte sich für einige Zeit nicht und Holora glaubte schon, sie hätte ihn endlich zum Schweigen gebracht und sie wandte sich von ihm ab. Die Entdeckung seiner Felrunen hatte sie erst kürzlich in der Höhle gemacht, als er noch unter dem Einfluss des Sha des Hasses stand. Damals hatte sie ihn nicht darauf angesprochen, denn sie hatten noch Gilean finden müssen. Aber dass sie ihn nun in dieser Verbindung darauf ansprach war vielleicht doch nicht ganz fair von ihr gewesen.   Ohne Vorwarnung packte Ace ihre Schulter und riss sie zu sich herum. Holora war auf diese Kraft, die der Mann aufbrachte nicht gefasst - vielleicht lag es aber auch einfach noch an den Nachwirkungen ihres Zustandes. Ace zog sich mit der freien Hand den Schal nach unten. Er entblößte einen Teil seiner Runen, die in filigranen Zügen auf seiner Haut um den Hals und den Unterkiefer grün leuchteten. Sein Gesicht war eine ernste Grimasse und er funkelte sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Das sind völlig andere Runen, als deine, Holora. Ich habe sie angenommen, weil sie meine Macht, Magie aus dem Nether zu ziehen steigern. Vielleicht habe ich in deinen Augen das falsche getan, doch dies ist ein Weg, den ich gewählt habe!« Seine Worte wurden zu einem leisen Zischen, während er fortfuhr. »Dir hingegen, wurden sie aufgezwungen. Sie geben dir keine Kraft, keine Macht. Sie wurden in dein Fleisch gezeichnet um dich zu schwächen, um dich unter Verschluss zu halten, dass du nicht fliehen kannst. Dachtest du ich wäre so närrisch, das nicht zu erkennen?«   Er ließ Holora los, sein Blick jedoch, brannte sich weiter in sie hinein. Die Schamanin wirkte einerseits unglaublich gefasst, andererseits schockiert. Diese Informationen, die Ace gerade über ihre Vergangenheit offen gelegt hatte, hatte sie niemanden der Mondsucht preis gegeben. Es war etwas worüber sie nie sprach. Bisher, hatte es auch nie einen Anlass dazu gegeben. Der Hexenmeister hatte ihr aus freien Stücken mit den Tränken geholfen, die dämonischen Energien, die von den Runen ihrer Narben ausgingen zu neutralisieren. Er hatte nie danach gefragt, wie sie zu diesen Narben gekommen war, doch wusste er über sie bescheid. Ace richtete seinen Schal langsam wieder zurecht und unterbrach so den Blickkontakt für einen Moment. Die Draenei war über seine Erkenntnis noch immer leicht geschockt. Wie war er dahinter gekommen? Waren es die Runen und die damit verbundene, dämonische Energie? War es die Form der Narben und wie sie in ihre Haut gezeichnet worden waren?   Als Holora noch jung war und der Tempel von Karabor von den Orks überfallen und geplündert wurde, wurde sie Opfer dieses kranken 'Experimentes'. Damit sie nicht fliehen konnte, hatten die Hexenmeister auf ihrer Haut dieses Runen gezeichnet. Ace hatte den Grund genau erkannt - um sie unter Verschluss zu halten. Der Einfluss der Runen ließen ihren Körper kraftlos werden und ihren Willen zerfallen. Doch dank einiger tapferer Draenei, die sie nicht aufgaben und zurückließen, konnte sie aus dem Alptraum entkommen. Holora bekam Hilfe von ihrem Volk, welche die rituellen Formeln mit bestimmten Tätowierungen auf ihrem Körper bannten. Besagte Tätowierungen befanden sich an ihren Oberschenkeln, eine Stelle, die sie nie in Gesellschaft entblößte. Eine sehr lange Zeit hatte sie seitdem keine Probleme mehr mit den alten Runen gehabt. Sie waren lediglich hässliche Narben die sie als eine ehemalige Gefangene zeichneten.   Die Schamanin fühlte sich unwohl, während die Augen des Hexers wieder auf sie gerichtet waren. »Ich wollte dir keinen Schmerz bereiten, Holora. Wie bisher werde ich dein Geheimnis wahren und niemanden etwas darüber erzählen. Es liegt an dir, es ihm zu offenbaren, oder für immer in deinem Herzen zu verschließen.« Holora richtete ihren silbernen Blick auf Ace. In ihren Augen spiegelten sich eine tiefe Trauer und eine helle Dankbarkeit. »Aber du musst dich untersuchen lassen. Diese Kräfte werden dich zerstören, wenn du es nicht tust.« Sein Blick war wieder ernst und seine Stimme hinterließ einen bitteren Nachgeschmack in Holora. »Sagtest du nicht einmal, dass dieser 'Fluch' für immer gebannt worden war?«   Holora schluckte und befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge. Noch immer gerührt von der Sorge, welche er ihr entgegenbrachte um ihr zu helfen. Niemals in ihrem Leben hätte sie gedacht, dass es einmal nützlich sein würde einen Hexenmeister zu kennen, doch schon seit geraumer Zeit konnte sie einen davon sogar zu ihren Freunden zählen. »Ja, das ist er eigentlich auch.«, murmelte Holora und schüttelte langsam ihren Kopf, da ihre Stimme noch immer sehr dünn klang. »Jahrzehnte lang hat er mir keine Probleme bereitet. Ich weiß auch nicht, was genau los ist, dass er jetzt wieder ausbricht.« Sie seufzte leise. Ja, sie musste deswegen wirklich etwas unternehmen, doch im Augenblick hatte sie einfach keine Zeit dafür. Sie war unentbehrlich, sie konnte nicht einfach für einige Tage oder auch für einige Wochen verschwinden und zur Exodar gehen, auch wenn sie es für Ace liebend gern getan hätte - und sei es nur, damit er etwas beruhigter war. Die Draenei wusste, dass sie mit ihrem Leben spielte, wenn sie es nicht untersuchen lassen würde.   Merkwürdigerweise wurde sie erst, seitdem sie bereits zwei Monate auf Pandaria gewesen war, wieder mit dieser Last konfrontiert. Zunächst hatte sie den Zustand nicht erkannt. Als sie wusste, worum es sich handelte und sie schon fast in eine Art Lethargie gefallen war, hatte sie Ace notdürftig eingeweiht und ihn angefleht ihr zu helfen. Der Hexenmeister hatte ihr ohne zu zögern geholfen, als er die Dringlichkeit erkannte und ihr über die Zeit mit Tränken geholfen, welche die dämonische Energie neutralisieren sollten. Doch es war wie er sagte und die Wirkung des Trankes entfaltete sich nicht mehr komplett. Fast so, als hätte sie eine gewisse Immunität entwickelt.   »Ich werde mir etwas einfallen lassen, wenn ich die Zeit dazu finde.«, sprach Holora schließlich ruhig. »Vielleicht habe ich in der Krasarangwildnis Glück.« Ace funkelte sie erstaunt und besorgt an, also erklärte sie weiter: »In der Löwenlandung wird es bestimmt auch Angehörige meines Volkes geben. Möglicherweise sogar Anachoreten, die sich mit diesen Bannsprüchen auskennen.«   »Gut.«, stimmte Ace nach einem kurzen Kopfnicken schließlich zu. Allerdings wirkte er nicht unbedingt zuversichtlich auf die Aussicht, dass sich Holora in Kriegsgebiet begeben würde. »Ich hoffe, du hältst dein Wort und lässt dich nicht ablenken. Dass ist wichtig sogar wichtiger als die Jagd nach dem Sha.«   Holora seufzte leise. »Ich weiß...«, murmelte sie ohne weitere Wiederworte und blickte dann zu Ace auf. »Ich brauche trotzdem noch ein paar Tränke.«   Der Hexenmeister unterbrach den Augenkontakt zu ihr und nickte. »Gut, ich werde dir einen Vorrat brauen. Aber du musst das untersuchen lassen!«   »Mache ich.«, erwiderte Holora. Damit gab sich der Mann dann wohl auch endlich zufrieden und wandte sich ab. »Ich werde noch ein paar Kräuter kaufen.«, murmelte er vor sich hin und ging zurück zu dem Auktionshaus des Schwarzmarktes. Er sah noch einmal über die Schulter zu Holora zurück, ehe er den Kopf schüttelte, weiterging und leise »Sture Henne« in seinen Bart murmelte.   Die Draenei blieb zurück und starrte auf die leere Phiole in ihrer Hand. Gedankenverloren dachte sie an die Zeit in Karabor zurück. Nein, sie würde nicht überwältigt werden. Sie würde das nicht zulassen. Ace hatte recht, dies war viel wichtiger als das Sha. Der Fluch hatte so lange ruhig in ihr geschlummert, dass sie sogar geglaubt hatte, er wäre komplett weg. Warum brach er ausgerechnet jetzt wieder aus? Holora seufzte und schüttelte ihren Kopf. Es gab andere Sachen, auf die sie sich konzentrieren musste. Nach der Gildenversammlung würde sie vielleicht Zeit finden, um in die Krasarangwildnis zu reisen. Aber vorher musste sie unbedingt noch das Gespräch mit Weramor suchen.     *****     »Wie viel kann so ein kleiner Kunchong eigentlich fressen?«, fragte Struana zweifelnd, während sie auf Kovok starrte. Er zog scheinbar das letzte Stückchen Fleisch aus dem Panzer der ehemaligen Drachenschildkröte und verschlang dieses, ehe er mit seinen sichelartigen Klauen begann an der Innenseite des Panzers noch ein paar Reste abzuschaben.   »Das müsst Ihr nicht mich fragen.«, krächzte Kil'ruk übelgelaunt. »Ich bin nicht der Kunchongflüsterer.«   Die Worgen seufzte. Sie konnte nicht glauben, dass dieser kleine Käfer wirklich fast eine ganze Drachenschildkröte gefressen hatte - alleine! Inzwischen bereute sie es Kil'ruk zugestimmt zu haben, dass er sich selbst auch ein Stück des Fleisches genehmigen konnte, während sie selbst auch etwas über einem mageren Feuer gebraten hatte. Doch ansonsten wäre der Windschnitter nur noch unausstehlicher gewesen, als er ohnehin schon war. Kovok sah so aus, als würde er noch einmal eine ganzen Drachenschildkröte verspeisen wollen.   Struana seufzte noch einmal hörbar, während Kil'ruk ungefähr einen Meter über ihr flog. Sie war mit Kovok zu dem Ufer zurück gekehrt, in der Hoffnung, sich ausruhen zu können, während der Windschnitter eine Schildkröte erlegt und schließlich hierher gebracht hatte. Wirklich ausruhen hatte sie sich allerdings nicht können. Kovok hatte permanent versucht nach ihren Zehen zu schnappen, weswegen sie mehr damit beschäftigt war, nicht selbst auf der Speisekarte des gefräßigen Kunchongs zu landen, bis der Ärenkrieger mit der Beute zurückgekehrt war. Außerdem durfte sie sich seit seiner Rückkehr mit Kil'ruks niederschmetternder, schlechter Stimmung herumschlagen. Er war nicht einfach nur 'nicht erfreut' darüber, dass Kaz'tik ihn mit ihr alleine gelassen hatte und er obendrein noch auf sie aufpassen musste, das war eine blanke Untertreibung. Der Windschnitter war über die Maße angespannt, zischte sie bei nahezu jeder Gelegenheit gereizt an, wenn er Struana nicht gerade anblaffte oder krampfhaft ignorierte.   Der Tag hatte unglaublich ereignisreich und auch erfolgreich für sie begonnen und er schien nun kein Ende mehr nehmen zu wollen in Anbetracht der Tatsache, wie schnell er eine Wendung angenommen hatte. Der Schnitt, welchen Ta'yak in ihre Seite gerissen hatte, blutete nicht mehr und Schmerzen empfand Struana ohnehin keine. Also war diesbezüglich im Moment alles in Ordnung. Sie sollte die Wunde nur regelmäßig prüfen. Kil'ruk landete plötzlich neben ihr und kauerte sich mit angelegten Flügeln auf den Boden. Sie zuckte mit ihren Ohren und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, während sie weiterhin an ihrer lümmelnden Haltung - das Kinn auf ihren Pranken stützend - festhielt. Er sah ungeduldig auf Kovok herab. Außerdem wirkte er nach wie vor gereizt, vermutlich auch, weil der Manipulator ihn so zum Narren gehalten hatte. Also hatten die fast fünf Stunden die dazwischen lagen nicht ausgereicht um ihn wenigstens etwas zu beruhigen. Tse, als würde sich Kil'ru um sie sorgen. Vermutlich hätte es ihm nichts ausgemacht, wenn Kovok in der Zwischenzeit ihre Beine angeknabbert hätte. Wenn sie so darüber nachdachte - natürlich hätte er dies sogar noch begrüßt! Dann hätte sie immerhin nicht mehr auf eigene Faust etwas unternehmen können.   Kovok kreischte leise auf und rannte plötzlich auf Struana zu. In seinem Maul lag ein kleines Stück Fleisch, welches er noch erfolgreich aus dem Panzer der Drachenschildkröte gekratzt hatte. Die Worgen zog ihre Beine zurück, doch der Kunchong schien das zu ignorieren und ging an ihre Seite. Mit fast funkelnden Augen sah er sie erwartungsvoll an, während er ihr das Stückchen Fleisch auf ihren Schoß fallen ließ.   Kil'ruk zischte angespannt - und vielleicht auch etwas vor Ungeduld - während Kovok hinter Struana scheinbar Deckung suchte. Aus unerklärlichem Grund schoss Struana in den Kopf, dass diese Reaktion irgendwie niedlich war. Doch was sollte sie nun mit dem kleinen Stück Fleisch anfangen? Sie hob es mit zwei abgespreizten Klauen hoch und betrachtete Kovok, der sie erwartungsvoll anstarrte. Die Worgen hob eine Augenbraue. Der kleine Kunchong war schlauer, als sie ihm zugetraut hätte. Sie hielt ihm das Fleischstückchen wieder zu, denn sie hatte nicht vor rohes Fleisch zu essen. »Brav aufessen.«   Kovok schnupperte an dem Fleisch, dann sah er kurz zu Struana auf, ehe er nach dem Stückchen mit seinen Sichelklauen schnappte - wobei er fast ihre Klaue erwischte - und knabberte darauf herum.   Irgendwie konnte die Worgen langsam verstehen, was so besonders an diesem Kunchong war, oder besser gesagt, warum ihn der Manipulator wie ein geliebtes Haustier behandelte. Kovok war ein Kind und benahm sich wie ein kleiner Welpe. Egal wie scharf seine Sicheln aussehen und wie furchterregend sein Appetit zu sein schien oder die Laute, die er von sich gab.   »Können wir dann endlich gehen?«, knurrte der Windschnitter, doch stattdessen Struana anzusehen ließ der Getreue Kovok für keinen Moment aus den Augen.   Struana legte ihre Ohren zurück und murrte vor sich hin. Sie wollte den Windschnitter noch fragen, warum er sich eine ganze Stunde Zeit gelassen hatte, ehe er endlich hier her gekommen war. Aber vermutlich war es so, wie er gesagt hatte. Vielleicht hatte Kor'ik einfach so lange gebraucht, um den Signalgeber richtig einzustellen, damit der Getreue ihn hören konnte. Und da Kil'ruk nicht in Klaxxi'vess gewesen war, war es auch den Klaxxi nicht möglich gewesen, ihn zu informieren.   »Ich schätze.«, murmelte Struana säuerlich und sah an sich herab, während Kovok vergnügt an ihrer Hose zupfte. Sie hatte sich so gut es ging, den Schlamm abgewaschen, doch das salzige Wasser hatte ihr Fell stattdessen völlig verklebt und die Schrammen vom Kampf hatten gebrannt.   'Ich gebe Euch ein Versprechen, 'Erweckerin'. Es war wirklich sehr dumm von Euch sich mir zu zeigen. Von diesem Tage an, werde ich Euch jagen. Ihr werdet keinen Schritt mehr wagen. Ihr werdet die Schatten fürchten. Irgendwann, wenn Ihr alleine seid, werde ich in Eurer Nähe sein und Euch zur Strecke bringen.'   Struana blinzelte, während sie an Ta'yaks Warnung dachte. Kil'ruk stand bereits wieder auf seinen Beinen und sah ungeduldig zu ihr herab. »Ah, Kil'ruk.«, begann sie und sah ihn an, als wäre er nicht die ganze Zeit neben ihr gewesen. »Kennt Ihr den Klingenfürsten Ta'yak?«   Der Windschnitter klickte mit seinen Kieferzangen hart gegeneinander und für einen kurzen Moment wirkte er nachdenklich. »Sein Name ist mir bekannt, Erweckerin. er ist ein Diener der Kaiserin im hohen Stand. Die Klaxxi sagten, dass er aus den Schatten heraus zuschlägt und sonderbare Fertigkeiten haben soll, was seine Schnelligkeit und seine... Taktik im Kampf angeht. Gesehen habe ich ihn allerdings noch nicht. Doch warum fragt Ihr nach ihm?«   »Nun, ich hatte eine Begegnung mit ihm.«, begann Struana und wägte ihre Worte ab. »Er hat versucht eines der verseuchten Bernsplittergefäße auf Kaz'tik zu werfen. Ich glaube, er ist ebenfalls ein Erwecker.«, murmelte sie, als sie sich daran erinnerte, wie Ta'yak sagte, dass sie ihm Arbeit abgenommen hätte, indem sie den Manipulator erweckte.   Kil'ruk verengte seine Augen. »Es gibt also noch mehr von den verseuchten Bernsplittern?«   »Es sieht zumindest ganz danach aus. Ta'yak hat es-«, sie hielt kurz inne. Sie konnte nicht sagen, dass es der Klingenfürst auf sie abgesehen hatte. Sie würde nie wieder aus Klaxxi'vess herauskommen und Kil'ruk würde sie möglicherweise wieder anketten. »Er hat es auf die Getreuen abgesehen.«, endete sie ihren Satz.   Kil'ruk blinzelte sie hinter seinem Helm heraus mit seinen jadegrünen Augen an. »Von ihm stammen dann auch die Schrammen und die Wunde an Eurer Seite, oder?«, fragte er nun merkwürdig ruhig.   Struanas Fell begann unwohl zu kribbeln. Sie nickte, auch wenn sie ihn nicht direkt ansah. »Ja, es hat ein kurzes Gefecht gegeben, ehe er wieder verschwunden ist.«   »Er ist einfach wieder verschwunden?«, hakte der Windschnitter mit Nachdruck in der Stimme nach. Scheinbar glaubte er ihr nicht und wie Recht er damit auch hätte. Doch Struana hatte nicht vor näheres von dem Gefecht zu preiszugeben.   »Ja ist er.«, Struana stand nun ebenfalls auf. Da Kovok nun nicht mehr an der Seite ihrer Hose herumzupfen konnte, begnn er stattdessen, an ihrem Fußfesselschutz mit seinen sichelähnlichen Klauen zu zupfen. Aber dies störte sie im Moment sehr wenig. Der Kunchong war merkwürdigerweise sogar irgendwie sanft. »Der Manipulator hat ihn vertreiben können.«   Kil'ruk schnaubte. »Ich glaube Euch nicht, Erweckerin.«   »Ihr könnt ja Kaz'tik fragen.«, murrte Struana, wobei sie sich wünschte, sie hätte nichts gesagt. Der Manipulator hatte die Warnung von Ta'yak ebenfalls gehört. Er würde Kil'ruk sagen, dass es der Klingenfürst auf sie abgesehen hatte, weil sie die Erweckerin war. Die Getreuen hielten untereinander bestimmt zusammen. Verfluchte Insektenscharr.   »Das werde ich, Erweckerin. Verlasst Euch darauf.«, krächzte Kil'ruk und seine Augen verengten sich etwas. »Warum seid Ihr überhaupt aus Klaxxi'vess verschwunden?«   Struana zuckte mit ihren Ohren. Fing er etwa allen Ernstes jetzt wieder damit an? »Verschwunden? Ich habe Kor'ik geholfen einen Signalgeber zu reparieren!«, keifte sie zurück.   »Warum?« Kil'ruk sah sie ernst an und es war ihm anzusehen, dass er sich bemühte nicht laut zu werden. »Es war mitten in der Nacht.«   Die Worgen verdrehte ihre Augen. »'Ihr dient den Klaxxi, also dient Ihr auch mir'«, ahmte sie den kleinen Ingenieur nach. »Deswegen vielleicht? Ich-«   »Kor'ik ist nicht in der Position Euch Aufgaben zu übertragen ohne sie vorher mit mir abzusprechen.«, knurrte Kil'ruk und wirkte nun wirklich bedrohlich.   Struana spannte sich ebenfalls an, verengte ihre Augen und fletschte die Zähne. Der Windschnitter brauchte nicht glauben, dass er ihr drohen konnte. »Woher soll ich das denn wissen?«, fuhr sie ihn wütend an. Warum musste sie sich für etwas zurechtweisen lassen, wofür sie letztendlich nichts konnte? »Ihr sagt mir so etwas ja nicht! Außerdem wahrt Ihr ja noch nicht einmal in Klaxxi'vess!«   Der Windschnitter blinzelte sie verwirrt an. »Was redet Ihr da? Ich war die ganze Zeit in Klaxxi'vess!«, zischte er zurück und rieb energisch seine Vorderbeine gegeneinander.   »Ich... Was?« Struana blinzelte verwirrt zurück. »Aber-«   »Die Klaxxi haben mir aufgetragen auf Euch aufzupassen, direkt nachdem wir gemeinsam in Klaxxi'vess angekommen sind. Ich muss sicherstellen, dass Euch nichts zustößt, da Ihr dummerweise die Erweckerin seid.«, krächzte Kil'ruk laut und unterbrach sie damit. »Diese ganzen Freiheiten, die man Euch gab, sind Euch allerdings zu Kopf gestiegen. Ihr könnt nicht einfach aus Klaxxi'vess verschwinden und wieder kommen, wie es Euch passt. Falls es Euch immer noch nicht aufgefallen sein sollte: Die Klaxxi haben Feinde. Das gesamte Kaiserreich ist gegen uns und Ihr gefährdet die Arbeit der Klaxxi, indem Ihr Eure weiche Hülle immer wieder in Schwierigkeiten bringt!«   Kil'ruk sah sie mit verengten Augen an, als er mit seiner Standpauke geendet hatte zischte er laut und wandte sich von ihr ab. Struana starrte ihn an. Sie wusste nicht, was sie darauf hätte erwidern können, doch sie wollte auch nichts mehr darauf erwidern. Die Worgen ließ ihre Ohren hängen und sah zu Boden. Sie wollte den Klaxxi helfen, als sie Kor'ik geholfen hatte. Letztendlich hatte sie das auch zu einem weiteren Getreuen geführt, der verdorben worden wäre, wenn sie nicht rechtzeitig da gewesen wäre. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie diesen Sieg nicht mehr genießen. Struana fühlte sich schuldig, auch wenn sie nicht genau wusste, warum. Sie hatte Ta'yak vertrieben, zwar mit der Hilfe des Manipulators und ohne seine Hilfe wäre sie vermutlich tot gewesen, noch ehe Kil'ruk eingetroffen wäre. Frustriert ballte sie ihre Pranken zu Fäusten. Sie wollte doch-   »Wir gehen«, verkündete Kil'ruk übelgelaunt, dann sah er sich merkwürdig um, ehe er sie anfunkelte. »Wo ist der Kunchong?«   Struana sah sich zu ihren Füßen um. Sie hatte Kovok schon lange nicht mehr wahrgenommen, während sie mit dem Windschnitter diskutiert hatte. Hektisch sah sie sich um. Er war weg! Wo bei Goldrinn war dieser Kunchong nur hingelaufen?   »Könnt Ihr überhaupt etwas richtig machen?«, krächzte Kil'ruk und machte die Situation nicht besser. Struana funkelte ihn vernichtend an. »Haltet die Klappe, Kil'ruk!« Sie war wütend auf diese Situation, wütend auf sich selbst, sauer auf Kil'ruk und sie verfluchte Kor'ik. Blöder Ingenieur. Blöder Kovok. Wo war er denn nur? »Helft mir lieber ihn zu suchen! Der Manipulator wird mich umbringen, wenn dem Kleinen etwas zustößt!« Dessen war sich Struana sogar sicher. Kil'ruk würde sie nie sterben lassen, da sie die Erweckerin war und er für sie bürgte. Doch der Manipulator würde nicht zögern seine Worte wahr werden zu lassen, dessen war sie sich sicher.   Kil'ruk flog in die Luft, während Struana hinter einigen Felsen nachsah. Vielleicht versteckte sich der Kunchong ja nur? Schließlich verhielt er sich wie ein Kind. Vielleicht-   »Ich sehe ihn!«, rief der Windschnitter und deutete in den Salzigen Schlick hinein. Struana hob ihren Kopf und entdeckte nun auch den kleinen roten Punkt, der sich immer weiter von ihnen wegbewegte.   »Kovok! Komm her!«, rief sie, doch der Kunchong hörte nicht auf ihr Rufen.   »Das ist ein Kunchong, kein Hund, wie Ihr es seid.«, knurrte Kil'ruk. »Obwohl... Hunde gehorchen immerhin.«, fügte er knurrend hinzu.   »Ist gut! Ich habe es verstanden!«, knurrte Struana zynisch und sprang von dem Felsen herab und würdigte den Windschnitter somit keines Blickes mehr. Sie rannte los, Kovok hinterher. Doch dieser legte an Tempo zu und flitzte förmlich durch das Salzige Schlick, direkt auf die Insel in der Mitte zu. Der Worgen sank das Herz in die Kniekehlen. Kovok rannte genau auf das Lager der Saurok zu! Konnte dieser Tag eigentlich noch schrecklicher werden?   Die Worgen stürmte hinterher, als sie Kovok für einen kurzen Augenblick nicht mehr sehen konnte und stattessen aufgeregtes Kreischen und Knurren aus dem Sauroklager hörte. Sie schwor sich, dass sie nie wieder ohne Kil'ruks Einverständnis irgendetwas tun würde, selbst wenn das bedeutete, dass sie zugab, dass sie kontrolliert wurde, nur wenn Kovok nichts geschah.   Struana war noch ein paar Schritte von dem Lager der Saurok entfernt, als der kleine Kunchong ihr wieder entgegen stürmte. Er trug etwas zwischen seinen Kieferzangen, während mindestens acht wütende Saurok ihm hinterherliefen. Die Worgen jaulte auf, als sie Kovok zu packen bekam und mit ihm in den Armen einem werfenden Speer von den Kreaturen zur Seite auswich, eine Hake schlug und davonrannte.   Kil'ruk flog auf einmal neben ihr und sie zögerte nicht, nach dem Stachel an seiner Schulterrüstung zu greifen und sich hochzuziehen. Der Windschnitter flog höher und sie ließen die wütende Meute der Saurok unter sich zurück.   Die Kriegerin atmete erleichtert aus, als Kil'ruk an den Wurzeln eines Kyparis wieder landete. »Wirklich, sehr gut gemacht Erweckerin. Oh, Ihr habt ja wirklich ein Talent dafür in Schwierigkeiten zu geraten!«   Struana grummelte. Am liebsten wollte sie schreien, heulen und in einem schwarzen Loch im Erdboden versinken. »Ja, danke dass Ihr mir geholfen habt, Kil'ruk.«, sagte sie zynisch und stieg von seinem Rücken, während Kovok furchterregende, erfreute Laute von sich gab und ihr das etwas zwischen seinen Kieferzangen entgegenhielt. Sie nahm es und war in Begriff das Etwas sofort wegzuwerfen. »Mach das nie wieder!«, knurrte sie Kovok an, der seine Sicheln unbehaglich gegeneinander rieb und leise klickte.   Die Worgen starrte auf das etwas in ihrer Pranke, holte aus und hielt inne. Sie starrte noch einmal auf das etwas, das Kovok ihr gebracht hatte. Es war kein Fleisch gewesen, wie sie zuerst angenommen hatte - und ihm durchaus zugetraut hätte - und auch kein Stein, wie sie geglaubt hatte, als sie das Ding in ihrer Pranke gehalten hatte. Es war ein faustgroßer Bernstein. Sie blinzelte verwirrt. Warum würden Saurok Bernstein besitzen? Er sah zudem merkwürdig aus, massiv und irgendwie wirkte er sehr alt. »Kil'ruk, seht Euch das bitte einmal an.«   Der Windschnitter sah sie genervt an während er sich ihr näherte. Die Worgen streckte ihm den Bernstein entgegen. »Das hat Kovok aus dem Lager der Saurok mitgenommen.«   Der Getreue betrachtete den Bernstein und verengte seine Augen. Er streckte seine klauenähnliche Hand aus und strich über ihn. »Das ist ein Stück einer Amberhülle, in der wir Getreuen schlafen.«, erklärte Kil'ruk schließlich und sah zu Struana herab. Immer noch sah er wütend aus. »Es ist wohl ein Stück der Bernhülle des Manipulators.«   Die Worgen sah auf den Bernstein in ihren Händen herab. »Das kann nicht sein.«, murmelte sie. »Das Bernei des Manipulators war von massiven Felsen umgeben. Man könnte sogar sagen, dass er in einem Felsen versteckt gewesen war. Die Saurok hätten nicht an ihn herankommen können.«   Kil'ruk sah über die Schulter zu ihr zurück. Seine Fühler zuckten und seine Kieferzangen klickten leise aufeinander, doch ehe er etwas sagen konnte - was er eindeutig wollte - sah Struana zu ihm auf. »Vielleicht hält sich noch ein Getreue in der Nähe auf? Oder vielleicht in einem anderen Lager der Saurok?«   Kovok zupfte am Leder, welches die Fußfesseln der Worgen schützten, während Kil'ruk den Kopf leicht neigte. »Das könnte tatsächlich stimmen.«, krächzte er und legte seinen Blick auf Struana. »Das nächste Lager der Saurok befindet sich ganz in der Nähe. Die Stimmgabel schlägt noch nicht an, oder?«   Die Worgen nahm die Stimmgabel aus ihrer Gürteltasche, wobei sie den Bernstein hinein gleißen ließ. Das Artefakt blieb ruhig und sie schüttelte nur den Kopf.   »Gut, dann müssen wir näher ran.«, krächzte Kil'ruk und neigte sich vor Struana, damit sie aufsteigen konnte. Die Worgen beugte sich hinab und nahm Kovok auf ihren Arm. Er wehrte sich nicht, sondern hakte sich mit seinen Sichelklauen in ihre Lederweste und hielt still, während sie sich ein weiteres Mal an dem Stachel der Schulterplatte hochzog. Die Worgen nahm die Stimmgabel in die Pranke, mit der sie auch Kovok hielt und umfasste mit der anderen den Chitinpanzer von Kil'ruk. »Geht es so, oder sind wir zu schwer?«, fragte sie kleinlaut. Sie konnte nicht anders, denn noch immer fühlte sie sich schuldig für die Fehler, die sie gemacht hatte. Damit meinte sie aber weniger, dass sie Klaxxi'vess ohne die Zustimmung des Windschnitters verlassen hatte, sondern vielmehr, weil sie nicht auf Kovok aufgepasst hatte.   »Der Kunchong ist in Ordnung, aber Ihr seid viel zu schwer, Erweckerin.«   Struana runzelte ihre Stirn als Kil'ruk mit den Flügeln schlug und summend in den Himmel flog. War das etwa Sarkasmus in seiner Stimme gewesen? Zwischen dem Klicken seiner Kieferzangen und dem Rasseln, welches stets in seiner Stimme mitschwang? Hatte er sie etwa... veralbert?   Die Worgen war fast schockiert über diese Tatsache, aber sie konnte sich nicht helfen und musste darüber schunzeln. Vor wenigen Momenten hätte sie schwören können, dass Kil'ruk ihr den Kopf abreißen wollte und jetzt hatte er sie geneckt? Verwundert blickte sie über ihn hinweg, während sie den Schlangenrücken immer größer werden sah. Die Mauer, die sie vor ein paar Wochen verlassen hatte. Nein, sie hatte den Schlangenrücken nicht verlassen, was dachte sie denn da? Kil'ruk hatte sie förmlich vom Schlangenrücken weggezerrt. »Wohin genau fliegen wir?«, fragte sie gegen den Wind an, der um ihre Ohren pfiff und ihr ins Fell blies.   »Das nächstgelegene Lager der Saurok befindet sich im Osten zu den Wurzeln eines Kyparis. Dort werden wir zuerst nachsehen. Achtet auf die Stimmgabel, Erweckerin.«, krächzte Kil'ruk während er geradewegs zu dem großen Kypari flog, der noch nicht gänzlich tot zu sein schien.   Struana nickte und sah auf das Artefakt in ihren Klauen hinab. Sie wollte Kil'ruk nicht ein weiteres Mal enttäuschen. Die Worgen wollte beweisen, dass er sich auf sie verlassen konnte, doch wie könnte sie es am besten zeigen? Ihr Versuch Kor'ik zu helfen, war auf jeden Fall fehlgeschlagen, auch wenn sie dem Ingenieur das Leben rettete und ein weiterer Getreue für die Klaxxi gewonnen werden konnte. Der Beweis schien keine einfache Aufgabe zu sein.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)