Das Herz der Mantis von Skampi835 ================================================================================ Kapitel 5: 04 - Der Unversehrte ------------------------------- »Es sind die Befehle der Klaxxi.«, beharrte der kleine Mantis, während er mit Kil'ruk in Struanas Hörreichweite kam. Neugierig hob sie ihren Kopf und spähte zu ihnen auf. Die beiden Mantis kamen direkt auf sie zu, wobei der Windschnitter keinen besonders entspannten Eindruck machte. »Außerdem ist es nicht mein Verdienst, dass sie hier ist.«   »Ich weiß, Kor'ik.«, knurrte der Windschnitter verbissen, ehe die beiden Mantiden vor der Worgen zum stehen kamen. Am missgünstigen Funkeln seiner jadegrünen Augen konnte Struana erkennen, dass er etwas machen musste, was ihm wohl überhaupt nicht Recht war. Und es hatte mit ihr zu tun - das zu erraten war nicht schwierig.   »Ihr da, Abschaum!«, krächzte Kor'ik und deutete mit seinen kleinen, klauenartigen Fingern auf Struana. »Ihr werdet zum Gelege von Shek'zeer gehen und den Signalgeber dort reparieren.«   Struana hob ihre Augenbrauen und sah den kleinen Mantis grimmig an. Es war der selbe, der ihr jeden Morgen das Fleisch gebracht hatte. »Warum?«, fragte sie nahezu gelangweilt. Aber ihre Ohren zuckten interessiert.   Kor'ik sah irritiert aus, weil sie nachfragte und tauschte einen kurzen Blick mit dem Windschnitter aus. Kil'ruk schüttelte demonstrativ seinen Kopf. Der kleine Mantis zuckte lediglich mit seinen schmächtigen Schultern und wandte sich wieder Struana zu, die jetzt nur noch skeptischer wirkte. »Unser Signalgeber funktioniert nicht ordnungsgemäß wegen eines Störsignals. Es wird von einem Turm in der Nähe von den kaiserlichen Gelegen ausgesandt.«   Kil'ruk zischte ungehalten, woraufhin Kor'ik ihn verständnislos anstarrte. »Legt die Pläne der Klaxxi nicht offen.«, zischelte der Windschnitter, woraufhin der kleine Mantis den Kopf schüttelte. »Es ist eine Niedere Kreatur! Sie versteht doch ohnehin nichts.«, murmelte er, ehe er seinen Blick wieder auf Struana legte, die mit gespitzten Ohren gelauscht hatte.   »Normalerweise wäre es meine Aufgabe, den Turm umzupolen, sodass die Sonarwellen anstatt gegen die Klaxxi, für die Klaxxi singen. Die Vorbereitungen hier sind allerdings immer noch nicht abgeschlossen, also werdet Ihr dort hingehen und das für mich machen.« Er blinzelte ungleichmäßig mit seinen Augen, während die Worgen ihre Stirn runzelte. »Habt - Ihr - mich - ver - stan - den, - Fleisch - ling?«, fragte Kor'ik den letzten Satz sehr langsam und betonte jede einzelne Silbe.   Struana legte ihre Ohren an. Glaubte der Kleine wirklich, sie wäre komplett bescheuert? »Ich wiederhole meine Frage noch einmal, für den Fall, dass Ihr sie nicht verstanden habt: Wa - rum - soll - te - ich - das - mach - en?«, fragte sie ihrerseits giftig und jede Silbe betonend zurück und funkelte Kor'ik bissig an.   Der kleine Mantis blinzelte Struana unmissverständlich und teilweise erstaunt an. Vermutlich aufgrund der Tatsache, dass sie ihn wohl doch sehr gut verstehen konnte und es sogar fertig gebracht hatte eine logische Frage zu stellen. Oder einfach nur, weil er es nicht gewohnt war eine Gegenfrage beantworten zu müssen. »Ihr dient den Klaxxi.«, war seine knappe Aussage, welche wohl die Antwort auf ihre Frage sein sollte.   »Ich diene den Klaxxi nicht.«, entgegnete Struana und verengte ihre Augen.   »Ihr dient den Klaxxi.«, kam prompt die gezischte Antwort von Kil'ruk.   »Gut, dann diene ich eben den Klaxxi.«, knurrte Struana hohl den Windschnitter an und rümpfte ihre Schnauze.   Kor'ok sah zwischen den beiden hin und her und schüttelte schließlich den Kopf. »Hier ist der Resonanzkristall. Die Intelligenz der Ingenieure der Palastwachen ist zu gering, als dass sie ihn beeinflussen könnten - ähnlich wie Eure.«, fügte er fast fröhlich hinzu, ehe er fortfuhr: »Jeder Turm, der Sonarwellen entsenden kann, hat einen Schwachpunkt. Für gewöhnlich ist es die Stelle, an der das Amber mit der Säule verschmilzt. Ihr werdet den Resonanzkristall in die Zwischenstelle schieben, das Amber wird darauf reagieren und ihn aufnehmen. Der Turm wird nach dem Einsetzen des Kristalls für die Klaxxi singen und entweder lassen sie ihn stehen, oder sie zerstören ihn. Vermutlich werden sie sich für die zweite Option entscheiden, aber das geht uns dann nichts mehr an.«   Struana verengte ihre Augen, während der kleine Mantis ihr den Resonanzkristall übergab. Sie betrachtete den kleinen, weißen Kristall und steckte ihn in ihre Gürteltasche, während Kil'ruk die Kette um ihre Fußfessel öffnete. »Ihr agiert gegen Eure Kaiserin wie ich sehe.«, murmelte sie, als sie sich aufrichtete und sich streckte. Sie hatte keine Antwort erwartet und ihr wurde auch keine gegeben. Sie wusste nicht was sie von diesem Vorhaben halten sollte. Struana hatte noch nicht einmal vor der Aufgabe nachzukommen. »Wie komme ich zu diesem Gelege?«, fragte sie, während sie ein paar Schritte ging. Sie war schon sehr lange an diesen Baum gekettet gewesen und war froh über die Bewegung.   »Ich werde Euch dorthin bringen.«, knurrte Kil'ruk gepresst, wobei Struana ihn zunächst erstaunt, dann schmunzelnd betrachtete. Deswegen war er also so schlecht gelaunt. Sie hatte bereits geahnt, dass die Klaxxi sie nicht unbeaufsichtigt gehen lassen würden. Und da Kil'ruk für sie bürgte, musste er sie begleiten. Struana konnte ihre Schadenfreude kaum verbergen.   Kor'ik wich einen Schritt von Struana zurück, während er sie nachdenklich betrachtete. »Für den Willen der Klaxxi.«, murmelte er leise vor sich hin, ehe er sich umdrehte und wieder in die Mitte der Plattform ging.   Struana funkelte Kil'ruk unterdessen weiterhin amüsiert an. »Ihr wisst, dass ich auch laufen kann.«, sprach sie gelassen und hob grinsend ihre Lefzen.   Der Windschnitter funkelte misstrauisch zurück: »Mal ganz davon abgesehen, dass Ihr Euch hoffnungslos verlaufen würdet, werde ich nicht riskieren, dass Ihr über die Mauer flüchtet.«, zischte er und drehte ihr den Rücken zu. Er ging etwas in die Knie und seine großen Flügel glitten zu seinen Seiten auseinander. Die Worgen runzelte ihre Stirn, als er sie plötzlich ungeduldig anblaffte: »Nun steigt schon auf!«   Struana murrte leise vor sich hin und überlegte, wie sie auf seinen verdammten Rücken kommen sollte. Er war groß, aber nicht unbedingt breit. Sie zog sich an dem Stachel seiner Schulterplatte auf seinen Hinterleib hinauf und hatte fast damit gerechnet, dass die Wespentaille unter ihrem Gewicht - sie wusste nicht so recht - absinken würde? Doch stattdessen stand sie auf ihm, als sich Kil'ruk bereits wieder aufrecht stellte und begann mit seinen Flügeln zu schlagen. Das summende Geräusch erfüllte die Luft und Struana griff an seinem Rücken nach seinem Chitinpanzer um sich an ihm festzuhalten.   Der Windschnitter flog schnell in die Luft und eine Runde über Klaxxi'vess, ehe er an den großen Steinsäulen vorbeiflog, direkt über die hügelreiche Gebirgslandschaft. Schweigend vergingen mehrere Augenblicke, in denen sich Struana einfach nur festhielt und der Wind um ihre Ohren pfiff. Sie überlegte, wie sie am besten fliehen konnte. Sie könnte von seinem Rücken springen, wenn er tief genug flog und versuchen fortzulaufen, aber er würde ihr sicherlich nachkommen und sie wieder einfangen. Vielleicht musste sie einfach noch etwas geduldig sein, ehe ihre Chance kam.   »Ich werde Euch beim Turm absetzen. Erhofft Euch bloß keine regelmäßigen Ausflüge und glaubt nicht, dass ich Euch immer fliegen werde.«, krächzte Kil'ruk sichtlich genervt, während sie über die unfruchtbare Narbe flogen, die sich in die Schreckensöde fraß.   »Keine Sorge, Kil'ruk.«, knurrte Struana gegen das stetige Summen seiner starken Flügel an. »Das hatte ich nicht vor.« Sie hatte ja noch nicht einmal vor wieder mit ihm zurück nach Klaxxi'vess zu fliegen. Was interessierten sie schon die größeren Pläne der Klaxxi? Die Worgen war nur in die Schreckensöde gekommen um herauszufinden, wie sie den Schwarm aufhalten konnte. Sie hatte keine Antwort bekommen und es wurde höchste Zeit für sie, wieder zum Schlangenrücken zurückzukehren.   Die Energien des Sha wirbelten auf dem Boden unter ihr auf, als wäre es Nebel, während Kil'ruk tiefer flog. Er wich einer vorbeiziehenden Gruppe von Mantis aus, die anscheinend über dem Gelege patrouillierten. Ein Gebilde, welches eindeutig einmal Kyparit gewesen sein musste, kam in Sichtweite. Struana erkannte, dass das Metall vor Sha-Verderbnis pulsierte, weswegen es die Farbe verändert hatte. Die Farben des Bernsteins schimmerten nun fast violett, mit weißen und schwarzen Gewichtspunkten, während das Nest in die Höhe ragte. Es wirkte wie ein Schutzwall auf Struana, ein Wall um irgendetwas zu beschützen.   Kil'ruk zischte verächtlich und langgezogen, als er wieder an Höhe zunahm und über das Nest vorbeiflog. »Dies sind die Gelege der Kaiserin.«, murmelte er, was Struana kaum verstehen konnte. Sie merkte, wie sich der Windschnitter unter ihr anspannte. Es wirkte auf sie, als würde er sich sehr über irgendetwas aufregen. Die Kriegerin versuchte es zu ignorieren und spähte zwischen seinen Flügeln, die stetig, summend schlugen, in das Gelege hinein.   Das Gelege war ein nahezu riesiges Areal genau inmitten der Narbe, welches von den Gebilden umgeben war. Struana wusste nicht, ob es einfach nur das komplette Gebiet innerhalb der Narbe war, oder noch weiter darüber hinaus, denn immer mehr von den Kokonähnlichen Abgrenzungen waren unter ihr zu sehen. Dann sah sie ihn. »Dort ist der Turm.«, rief sie und deutete nach unten. Er stand inmitten des Geleges, welches das Grundgerüst bildete, so machte es zumindest auf Struana den Eindruck. Vereinzelt streiften ein paar bewaffnete Mantis um die einzelnen Nester, doch anscheinend waren sie nicht sehr aufmerksam, denn ansonsten hätten sie Kil'ruk schon längst hören können.   »Die kaiserlichen Gelege sind zu einer Abscheulichkeit verkommen.«, zischte Kil'ruk verärgert und versuchte seinen Unmut zu verbergen, was ihm kaum gelang. »Die Gelegehüter treiben die Entwicklung der neuen Schwarm geborenen zu schnell voran, indem sie die Eier in dieser Sha- Energie tränken.«   Struana runzelte ihre Stirn, während sie versuchte, den Überblick über die Mantis um und in den Gelegen zu behalten. In ihrer nahen Umgebung waren es, soweit sie zählen konnte, nur fünf Mantis, die um die Gelege patrouillierten, aber sie waren bewaffnet. »Was auch immer. Ihr müsst die Mantis ausschalten, ansonsten kann ich den Resonanzkristall nicht einsetzen.«   Kil'ruk drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie mit einem Auge an. »Zu was seid Ihr eigentlich fähig?«, fragte er und stierte sie belustigt an.   Der Kriegerin stellte sich das Nackenfell auf. »Ich habe keine Waffe!«, versuchte sie sich zu verteidigen, als Kil'ruk leise mit seinen Kieferzangen aufeinander schlug. Plötzlich setzte er zu einem Sturzflug an. Struana riss ihre Augen auf und krallte sich in seinen Chitinpanzer fest, doch der Windschnitter bremste seinen Fall nicht ab. Er hatte seine Flügel komplett eingefaltet und sie spürte die Luft um sie herum pfeifen, als er sie kurz vor dem Boden wieder auseinanderklappte. Mit den Beinen voran landete er direkt auf den Schultern eines Mantis und riss ihn zu Boden. Nein, viel eher hatte er ihn mit seinem Gewicht zu Boden gepresst, wodurch sämtliche Knochen - falls Mantis Knochen besitzen sollten - im Rumpfbereich gebrochen wurden. Mit einem schnellen Schnitt seiner Dolche schlitzte er die Kehle des Gelegehüters durch und er konnte keinen Laut mehr von sich geben.   Struana sprang von Kil'ruks Rücken und sah kurz auf den Mantis, der in seinem eigenen Blut gestorben war. Doch schnell lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Umgebung zu und sie prüfte schnüffelnd die Luft. Die anderen Gelegehüter hatten nichts von dem Überfall bemerkt. Der Windschnitter war zu schnell, zu leise gewesen, als dass er die geringe Aufmerksamkeit dieser Mantis hätte wecken können. Kil'ruk zog die Waffe, welche der Mantis bei sich getragen hatte, aus seinen toten Klauen und drückte sie der Worgen in die Pranken. Verwundert sah sie zu ihm auf. »Hier. Dann seid Ihr hoffentlich nicht mehr ganz so nutzlos.«, zischte er und drehte ihr dann den Rücken zu um sich in dem Gelege umzusehen. Seine Fühler zuckten nervös, während er seine Dolche bereit hielt.   Die Kriegerin betrachtete die Waffe, die ihr gegeben wurde. Sie war aus Kyparit gefertigt und nicht so langreichend wie ihre ehemalige Stangenwaffe. Dafür aber ungewöhnlich leicht und gut ausbalanciert. Struana vermisste das schwere Gewicht ihrer zweischneidigen, massiven Stangenwaffe, doch würde sie sich mit dieser Waffe wohl zufrieden geben müssen. Vielleicht würde sie ihr auch für die bevorstehende Flucht dienlich sein. Immerhin war sie jetzt wieder auf dem Boden.   »Ich schalte die Hüter auf der gegenüberliegenden Seite des Geleges aus. Kümmert Euch um diejenigen auf dieser Seite und sterbt gefälligst nicht. Ich werde versuchen Euch von der Luft aus zu decken, sobald ich fertig bin.«, krächzte Kil'ruk und funkelte die Worgen herausfordernd an. »Macht schnell und setzt den Resonanzkristall in den Turm ein.«   Der Windschnitter flog in die Luft und ließ die Worgen zurück. Sie hob missmutig ihre Lefzen und grunzte. Warum sollte sie sich die Mühe machen, für die Klaxxi zu arbeiten? Nur weil sie die Erweckerin war? Leichtfüßig schlich sie sich näher an das Gelege heran, in dem der Turm versteckt lag und ging dann an diesen vorbei. Wenn sie sich beeilte, würde sie von hier verschwinden können. Sie könnte die einzelnen Gelege als Deckung vor dem Windschnitter nutzen.   Ihr Plan wurde von einem jähen Kreischen zerstört, das von hinten an ihre Ohren drang. Sie wirbelte herum und konnte gerade noch das Schwert parieren, dass der Gelegehüter auf sie niedersausen lassen wollte. Er machte einen solchen Lärm, dass sich Struana nicht sicher war, ob sie und Kil'ruk noch wirklich unbemerkt waren. Sie holte mit ihrem Fuß aus und trat in den Unterleib des Mantiden, der daraufhin nach hinten taumelte. Schnell drehte sie die Klinge in ihren Pranken und rammte sie dem Gelegehüter in den Hals, der daraufhin heftig zuckend und gurgelnd zu Boden ging. Blut floss aus der Wunde und auch dem Schlund zwischen den Kieferzangen, als die Kriegerin die Waffe zurückzog.   Die Energien des Sha wirbelten um sie herum über den Boden, als sie sich aufmerksam umsah, doch sie erkannte bereits den anderen Gelegehüter, der auf das Kreischen aufmerksam geworden war. Er rannte direkt auf Struana zu und schwang eine Axt über seinem Kopf. Die Kriegerin duckte sich unter dem Hieb und schlug mit ihrer Klinge nach oben. Doch ein klirrendes Geräusch ertönte, als sie gegen das Schild des Mantis schlug, das er gehoben hatte. Struana rollte sich zur Seite, als er wieder die Axt schwang und riss mit ihren Klauen über die Beine des Mantiden. Dieser zischte laut und drehte sich nach ihr um, genau in dem Augenblick, als sie ihre Klinge hob und ihn von unten aufspießte. Das knackende Geräusch seines brechenden Panzers erfüllte die Luft, als Struana verwirrt aber zufrieden feststellte, dass die Kyparitwaffe tatsächlich ungehindert durch den sehr harten Panzer gedrungen war. Dieses Kyparit war wirklich ein wundervolles Material gegen Mantis. Das hätte sie nicht erwartet, denn selbst mit Stahl aus Geistereisen hatte man für gewöhnlich Probleme, den stabilen Chitinpanzer der Mantis zu durchdringen. Mit einem weiteren Knacken und einem Schmatzen zog sie die Klinge zurück und der Gelegehüter fiel vornüber zu Boden.   Die Kriegerin beugte sich vor und griff nach der Axt des Mantis, als sie einen Schatten über sich erkennen konnte. Keinen Wimpernschlag später landete Kil'ruk neben ihr und betrachtete die beiden Gelegehüter die von ihr getötet wurden. »Keine saubere Arbeit.«, murmelte er, während er über das Gelege nach Westen zu dem Palast blickte, der ganz in der Nähe war. »Man hat Euch meilenweit gehört.«   Die Worgen schnaubte abfällig und griff mit ihrer Pranke in die Gürteltasche um den Resonanzkristall herauszuholen. Jetzt hatte sie keine Möglichkeit mehr zu fliehen, wenn der Windschnitter genau neben ihr stand. Sie war zu langsam gewesen. Verwundert zuckte sie mit ihren Ohren, als sie die leichten Vibrationen spüren konnte, die von der Stimmgabel ausgingen. Aus den Augenwinkeln sah sie prüfend zu Kil'ruk, der sie ungeduldig beobachtete. »Was ist?«, zischte er aufgebracht. »Habt Ihr den Resonanzkristall etwa verloren oder warum steht Ihr wie angewurzelt noch hier?«   Struana legte ihre Ohren zurück, ehe sie den Resonanzkristall aus ihrer Tasche zog und sich dem Turm - er war um so vieles kleiner als der Signalgeber in Klaxxi'vess - zudrehte und wortlos auf ihn zuging. Sie hatte Kil'ruk gefunden, weil die Stimmgabel vibriert hatte. Bedeutete das, dass sich hier in der Nähe auch ein Getreuer aufhielt?   Sie fand eine geeignete Stelle, genauso wie Kor'ik es ihr beschrieben hatte, beim Übergang des Schaftes in dem Amber, der sich durch die Sha-Essenzen ebenfalls verfärbt hatte. Mit etwas Kraftaufwand drückte sie den Kristall dazwischen und sie spürte, wie er langsam von dem Amber umschlossen wurde. Die eben noch verfärbten, schwarzen und violetten Stellen des Ambers änderten ihre Farbe und sahen nun wieder mehr wie ein Bernstein aus. So nahe am Turm konnte sie förmlich die Wellen spüren, die von ihm ausgingen. Kil'ruk wirkte unruhig, als Struana glaubte, in den Wellen ein Flüstern zu hören.   Es war eine lauter werdende Mantisstimme, die in ihren Verstand barsch eindrang. 'Der Kristall singt nun für die Klaxxi. Ein Getreuer hält sich in den kaiserlichen Gelegen auf.'   Die Worgen blinzelte benommen und rieb sich ihre Schläfe, als sie glaubte, dass die Sonarwellen leiser wurden. Kil'ruk packte sie an der Schulter. »Unsere Arbeit ist getan. Wir sollten von hier verschwinden, ehe noch mehr Gehilfen der Kaiserin kommen.«   Struana blinzelte. Er wollte weggehen? »Habt Ihr sie etwa nicht gehört?«, fragte sie entsetzt und versuchte sich von seinem Griff zu lösen. Doch stattdessen hätte sie auch versuchen können einen Berg zu schieben. Wie konnte es sein, dass sie die Klaxxi gehört hatte, Kil'ruk aber nicht? Lag es daran, dass sie so nahe an dem Signalgeber gestanden hatte? Der Windschnitter hatte ihre Worte ignoriert und ging zielgerichtet aus dem Gelege weiter. »Stopp, Kil'ruk! Ich glaube ein Getreuer ist hier in der Nähe!«   Der Windschnitter hielt inne und sah zu ihr zurück. Seine Fühler zuckten rastlos, während seine Augen sie abschätzend musterten. »Wen soll ich gehört haben?«, fragte er skeptisch und ließ sie los. Struana griff erneut in die Gürteltasche und hielt ihm die Stimmgabel entgegen, die immer noch leicht vibrierte. Kil'ruk starrte auf die Stimmgabel, als könnte er es nicht glauben. Abermals sah er zu Struana, als er vermutlich die Bedeutung ihrer Worte zuordnen konnte. »Wen habt ihr gehört?«   Die Worgen warf ihm einen skeptischen Blick zu, nachdem sie prüfend in der Luft geschnüffelt hatte. »Na, ich gehe davon aus, dass es die Klaxxi waren. Immerhin sprechen sie durch den Signalgeber, oder?«, fragte sie, obwohl ihr die Antwort darauf nicht wichtig war. »Es kann Euch doch nur zu Gute kommen, wenn wir ihn finden.« Sie ärgerte sich etwas über sich selbst, da Kil'ruk anscheinend keine Ahnung hatte wovon sie redete. Doch ohne ihn weiter zu beachten ging sie los und achtete dabei auf die Stimmgabel in ihrer Pranke. Struana hörte zwar noch, wie er aufgebracht zischte, doch sie ignorierte es. Sie würde die Reihen der Mantis - der Klaxxi - stärken, wenn sie diesen Getreuen fand. Eigentlich wollte sie ja flüchten, aber das war doch nicht so einfach wie sie sich erhofft hatte. Möglicherweise jetzt, wo die Aufmerksamkeit des Windschnitters beeinflusst wurde durch die Entdeckung eines weiteren Getreuen, möglicherweise konnte sie jetzt fliehen.   Die Kriegerin hörte seinen summenden Flügelschlag über sich, als sie über die faulige und Sha-Verseuchte Erde rannte, um von einem Nest zum anderen zu gelangen. Fast hatte sie die komplette Narbe überquert, als die Stimmgabel deutlicher und nun auch etwas lauter die Schwingungen von sich gab. Mit pochenden Herzen suchte sie weiter. In einem von diesen verdammten Nestern musste der Getreue sein, sie war sich sicher, dass sie ihn finden würde.   Zwei Gelegehüter überraschten sie, während sie sich mehr auf die Stimmgabel konzentrierte, als auf ihre Umgebung. Die Worgen wich einige Schritte zurück, als Kil'ruk lautlos hinter den beiden Mantiden landete. Er jagte seine Dolche in die Brustkörbe der beiden Gelegehüter, die sich auf der Stelle krümmten und gequälte Todeslaute von sich gaben. Struana rannte an ihnen vorbei direkt in das Nest dieses Geleges hinein. Nach ein paar Herzschlägen wurde sie schließlich auch fündig. Zwischen einigen Eiern, über denen die Nebel des Shas waberte, ragte auch der Bernstein in die Höhe, in dem ein Getreuer schlafen musste.   Struana ging langsam auf den Bernstein zu, während sie die Stimmgabel im Blick behielt. Sie sendete wieder den kaum hörbaren Ton aus, während sie in unmittelbarer Nähe des Getreuen war. Kil'ruk riss sie plötzlich an der Schulter zurück. »Diese Energie sickert durch die Bernhülle des Getreuen.«, murmelte er krächzend und starrte mit verengten Augen auf den Bernstein. Auch wenn es Struana erst jetzt erkannte, aber es wirkte tatsächlich so, als wenn die weißen und schwarzen Nebelschleier zu dem Amber gezogen wurden. »Ich fürchte ihm ist nicht zu helfen.«   »Was?!« Struana sah Kil'ruk fassungslos an. Wie konnte er so etwas sagen? Sollte es nicht in seinem Interesse sein, einen weiteren Getreuen für die Klaxxi zu gewinnen? Sie riss sich von ihm los und ging entschlossen auf den Bernstein zu. »Einer der Euren ist dort drin. Wollt Ihr nicht für ihn kämpfen?« Entsetzen lag in ihrer Stimme, was sie selbst nicht nachvollziehen konnte. Vielleicht konnte sie auch nur nicht begreifen, warum der Windschnitter so kalt blieb und schnell aufgab. Sie sah zu dem Bernstein auf, während sie ihre Klinge neben sich in den Boden rammte. Struana hoffte inständig, dass sie sich nicht selbst überschätzte.   »Was sollen wir machen, wenn diese Macht ihn bereits verzehrt hat?«, fragte Kil'ruk aufgebracht, als hätte Struana ihn in seiner Ehre beleidigt. Sie sah über die Schulter zu ihm zurück. »Wir müssen es immerhin versuchen.«, murrte sie ruhig, während sie die Stimmgabel in ihren Gürtel steckte. Ohne es zu bemerken ballte sie ihre Pranken zu Fäuste, als sie wieder auf den Bernstein starrte. Sie durfte sich einfach nicht überschätzen. Auch wenn der Plan, wie er sich in ihrem Kopf zusammenbaute sehr wage war und sich auf einer Handlung stützte, die bestimmt bereits zwei Monate her war, es musste einfach klappen.   Dort wo Struana stand, waren bereits die Schatten der verdorbenen Energie zurückgewichen. Behutsam legte sie ihre Pranken auf den Bernstein, während die Stimmgabel immer heftiger erzitterte. Die Worgen seufzte fast schon erleichtert, während sie beobachtete, wie die Nebelschleier nicht mehr in den Bern einzudringen versuchten. Knackend bildeten sich Risse in der harten Schale und wurden sehr langsam größer.   Kil'ruk hob ungeduldig seinen Kopf und sah zurück über die Gelege in die Richtung des Palastes. »Beeilt Euch! Die Gehilfen sind auf dem Weg. Sie kommen in Scharen.«   »Dann haltet sie hin!«, blaffte Struana ihn über die Schulter an, während sie ihre Pranken nicht von dem Bernstein nahm. Die dickflüssige Substanz benetzte ihr Fell, als sie an ihren Armen bereits herablief. »Schließlich seid Ihr der Windschnitter!«   Kil'ruk schlug wütend mit seinen Kieferzangen mehrere Male hintereinander, ehe er sich vom Boden abstieß und in die Luft flog. Struana knurrte leise, während sie ihm nachsah. Für den Bruchteil eines Herzschlages, hatte sie geglaubt, er würde einfach wegfliegen. Doch stattdessen flog er der Angriffswelle entgegen, die wie eine kleine Wolke auf sie zukam. Sie konnte die Mantis leise kreischen und zischen hören, während der Windschnitter ihnen entgegenflog um ihr Zeit zu verschaffen.   Plötzlich drückte sie die harte Hülle des Ambers ein und fiel fast auf den Mantis, der darin in seinem Bernschlummer gefangen gewesen war. Die Schatten huschten über seinen goldgelben Körper, neutralisierten sich aber binnen eines Wimpernschlages, als sie ihn berührte. Er taumelte, als ihr zusätzliches Gewicht ebenfalls auf ihm lastete und sie versuchte, ihn zu stützen - so gut es ihr möglich war, der Getreue war größer als sie. Erleichtert stellte Struana fest, dass sie durch das Ritual noch immer in der Lage war, kleine Rest von Sha-Verderbnis zu läutern. Sie war so froh, auf der Reise mit Sevias Gelegenheit bekommen zu haben, diese Fähigkeiten auszutesten.   Der hochgewachsene Mantis, dessen Leib sie umfasst hielt, damit er nicht stürzte, stand sehr wackelig auf den Beinen. Der breite Helm und die Schulterplatten waren gelb und moosgrün. Er drehte seinen Kopf und starrte erstaunt auf sie herab. Struana stellte verwundert fest, dass nichts Feindseliges in seinem Blick lag, nur Erstaunen. Wäre sie bei der ersten Begegnung mit Kil'ruk fast auf ihn gefallen, wäre er bestimmt aus seinem Chitin gefahren und hätte sie auf der Stelle gehäutet.   Der Getreue krampfte sich zusammen und bäumte sich auf, als die Worgen noch rechtzeitig einen großzügigen Schritt zurückwich, ehe er sich erbrach. Er keuchte und schnappte nach Luft, während die flüssige Substanz an seinem Körper abperlte. In seinen Klauen trug er eine breite Hellbarde aus reinem Bernstein. Lediglich der Schaft wirkte stabiler, wie aus Kyparit.   Struana hörte das wilde Kreischen hinter sich und drehte den Kopf zu dem Lärm. Mindestens zwanzig angreifende Mantis stürmten direkt auf sie und den eben erst erwachten Getreuen zu. Kil'ruk stürzte sich kreischend aus der Luft auf sie und fegte mit seinen Dolchen durch ihre Reihen. Die Worgen wandte ihren Blick ab. »Könnt Ihr laufen?«, fragte sie schnell und bemerkte, dass er sie bereits wieder ansah.   »Kaum.«, kam ihr ein tiefes Raunen als Antwort.   Die Worgen blinzelte verzweifelt, als sie die kurze Klinge aus dem Boden zog und den Getreuen unterm Arm packte. »Ihr müsst hier weg. Zumindest raus aus der Narbe.«, sprach sie hektisch und warf einen gehetzten Blick über die Schulter zu dem Windschnitter. Er hatte die Angreifer bereits stark dezimiert, doch sie konnte eine weitere Angriffswelle erkennen, die sich weiter hinten formierte.   Der eben erst erwachte Getreue hinterfragte zu ihrem Glück nichts, während sie ihn zum Rand der verderbten Narbe führte. Er versuchte sich nach Kräften selbst den steilen Hang hinaufzuziehen, doch größtenteils stützte die Worgen ihn. Er kauerte sich auf den Boden und rammte seine Hellbarde vor sich in den Boden, während seine Fühler angestrengt zuckten. Er wirkte auf sie etwas verwirrt - natürlich - immerhin war sie nur eine Niedere Kreatur und er war gerade erst erwacht. Kil'ruk hatte erst einige Augenblicke gebraucht, ehe er sich seiner Umgebung bewusst geworden war.   Struana warf einen prüfenden Blick zu Kil'ruk und stellte mit klopfendem Herzen fest, dass die Mantis versuchten Seile nach ihm zu werfen. Dies war ihre Chance, die Möglichkeit, auf die sie gewartet hatte, zu fliehen. Der Windschnitter war viel zu beschäftigt mit den Angreifern und der Getreue war zu schwach um ihr nachzukommen, wenn sie jetzt einfach nur loslaufen würde. Doch aus einem ihr unbekannten Grund, konnte sie es nicht. Die Worgen konnte den Getreuen und den Klaxxi nicht den Rücken kehren. Stattdessen starrte sie wie gebannt auf Kil'ruk, der sich aus den Seilen herauskämpfte und sich gleichzeitig gegen die Mantis wehrte, die ihn attackierten. Warum konnte sie nicht einfach gehen?   »Geht und helft ihm.«, sprach die tiefe Stimme des Getreuen und sie zuckte beinahe zusammen. Mit einem prüfenden Blick sah sie auf ihn herab, während er seine Waffe noch immer fest umklammert hielt. Entschlossen sah er zu ihr auf. »Ich werde mich gegen ein paar wehren können, sollten sie hierher kommen.«   Struana schluckte und nickte langsam. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Dass sie eigentlich fliehen wollte? Dass sie einfach nicht in der Lage war zu fliehen? Die Kriegerin nickte noch einmal - was überflüssig wirkte - und sprang knurrend den Hang hinunter, zurück in die Narbe. Noch immer verwirrt rannte sie durch das Gelege den Angreifern und Kil'ruk entgegen, der sich inzwischen aus den Netzen gekämpft hatte.   Die Kriegerin zog die Axt von ihrem Gürtel und rammte mit dem Anlauf, den sie hatte die Klinge in einen Mantis von hinten in den Leib. Dieser kreischte erschrocken und ein anderer versuchte sie zu attackieren, doch sie hob die Axt und schlug ihm damit in die Seite seines Halses. Als sie die Axt zurückzog, nahm sie dabei so viel Schwung um einen weiteren Mantis am Arm zu verletzten, der zischend zurückwich.   Sie hörte nur noch das Kreischen der Mantis und nahm die Bewegungen ihrer Feinde wahr. Diese Mantis waren ihre Feinde. Sie kümmerte sich nicht darum, ob sie die Angreifer mit ihren Waffen auch tötete. Wichtig war, dass sie sie verletzte. Töten konnte sie auch noch später. Kurz entdeckte sie den Windschnitter der mit seinen Dolchen herumwirbelte und die Mantis in seiner Umgebung zu Boden gingen, während Blut spitzte. Struana konzentrierte sich auf ihre Ziele, die Feinde, die sie treffen konnte. Mit einem wilden Geheul streckte sie die Mantis nieder, wich Waffen und Klauen aus und versenkte das Blatt der Axt in ihre harten Panzer.   Struana spürte die Wut die ihren Körper hochkroch. Warum war sie nicht in der Lage gewesen zu fliehen? Warum konnte sie aber jetzt töten? Die Mantis waren ihre Feinde, bedeutete das etwas anderes für die Klaxxi? Sie streckte weitere Angreifer nieder, wie viele wusste sie nicht. Die Kriegerin war zu beschäftigt mit ihren Bewegungen und ihren Gedanken, die sie auszuschalten versuchte. Nicht Denken, nur reagieren. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, wie sich ein paar Mantis zurückzogen. Sie flogen davon, doch es waren noch immer Angreifer übrig. Aber auch sie fielen unter ihren unerbittlichen Stößen und Hieben.   Plötzlich war es dann still um sie herum. Die unerbittliche Stille breitete sich über ihr aus und die Kriegerin rammte die Klinge in den Boden unter sich. Es fühlte sich grauenhaft an. Sie hatte sich so sehr auf den Kampf, ihre Bewegungen und ihre Feinde konzentriert, dass sie für den Augenblick des Kampfrausches ihre Unfähigkeit verdrängt hatte. Doch nun schalteten sich ihre Gedanken wieder ein und noch immer nicht wusste sie, warum sie nicht geflohen war, ja, gar nicht fliehen konnte. Der Windschnitter ging langsam auf sie zu und sah in Richtung des Palastes, dort wohin die Flieger verschwunden waren. »Der Kampf ist vorbei.«   »Ja.«, knurrte Struana gepresst und richtete sich leise keuchend wieder auf. Gedankenverloren starrte sie auf die gefallenen Mantis in ihrer Umgebung. Teilweise fehlten ihnen ganze Gliedmaßen, oder Blut strömte aus zu großen Wunden und besudelte den Boden. Sie spürte eine Übelkeit in sich aufsteigen, während sie überlegte, ob sich die Klaxxi von diesen Angreifern unterschieden. Warum waren sie so verschieden und doch so gleich?   »Gebt mir die Waffen.«, verlangte der Windschnitter und Struana verengte ihre Augen, ehe sie ihm widerwillig aber ohne Wiederworte die Bernklinge und die Axt übergab. Kil'ruk umklammerte die Waffen mit seinen Vorderbeinen und drückte sie gegen seinen Körper. Struana war immer noch zu verärgert über sich selbst, um den Grund zu hinterfragen, warum sie keine eigene Waffe haben konnte. »Wo ist der Getreue?«, fragte er. Die Worgen drehte sich zum Rand der Narbe und deutete auf den Hang. Der Getreue hatte die beiden die ganze Zeit über beobachtet. Nun erhob er sich auf die Beine und sah auf die beiden herab, als Kil'ruk mit seinen Flügeln schlug und auf ihn zuflog.   Struana sog die Luft scharf ein, ehe sie ebenfalls langsam zu dem Hang ging. Wer wusste, ob sie je wieder eine solche Möglichkeit zur Flucht bekommen würde? Wer wusste, ob sie - falls sich ihr noch einmal eine solche Möglichkeit bieten sollte - diese Chance auch wahrnehmen würde? Sie kletterte den Hang hinauf, als sie der Unterhaltung der beiden Getreuen bereits folgen konnte.   »Ich erkenne Euch. Ihr seid Malik der Unversehrte. Eure Taten wurden in meinem Schwarm geflüstert.«, krächzte der Windschnitter und betrachtete den erweckten Getreuen lange.   Der Unversehrte klickte gelassen mit seinen Kieferzangen. »Schön, dass meine Taten nicht vergessen wurden.«, erwiderte er tief und rasselnd, während er Kil'ruk betrachtete. »Doch kenne ich Euch nicht, Getreuer.«   »Ich bin Kil'ruk, der Windschnitter.«, stellte er sich vor, als Struana näher zu den beiden großen Mantis schritt. Sie betrachtete die beiden und erkannte, dass der Unversehrte etwas größer war als Kil'ruk. Außerdem war seine Rüstung stärker und massiver als die des Windschnitters. Seine Hellbarde wirkte schwer und unhandlich, fast so wie ihre ehemalige Stangenwaffe.   »Und Ihr seid?«, fragte Malik, während er seinen ruhigen Blick auf die Worgen heftete. Immer noch war da keine Abscheu oder Ekel zu erkennen, was Struana nach wie vor verwunderte. Kil'ruk hatte sie in den letzten Tagen nur allzu oft spüren lassen, wie sehr er sie verabscheute.   »Mein Name ist Struana, aber ich denke, er hat in Euren Reihen keinen Wert.«, erwiderte sie trocken. Es war fast so, als würde sie sich selbst nicht mehr darum kümmern, wie man sie behandelte. Warum fühlte sie sich nur so leer? So unglaublich unfähig, wie Kil'ruk sie immer beschrieb?   Zu ihrem Verblüffen nickte der Unversehrte nur ruhig. »Das ist richtig, aber Ihr tragt einen anderen Titel von mehr Wert, Erweckerin.«   Struana runzelte verwundert ihre Stirn, während Kil'ruk das Wort ergriff. »Wir waren nicht darauf vorbereitet, einen Getreuen zu finden. Ansonsten hätten wir Kyparit mitgebracht.«   Malik schüttelte nur langsam seinen Kopf. »Ich werde auf den Weg nach Klaxxi'vess etwas jagen, Windschnitter. Die ersten Schritte nach der Erweckung sind die schwersten, aber die wichtigsten.«, sprach er bedacht. »Die Erweckerin wird mir helfen, wieder zu Kräften zu kommen.«   Kil'ruk verengte seine Augen und warf einen abfälligen Blick auf Struana. Sie legte ihre Ohren an und starrte herausfordernd zurück. Sie wollte sich nicht so fühlen, als wenn der Windschnitter Recht hätte. »Nun gut.«, raunte er schließlich widerwillig und sah wieder Malik an. »Aber behaltet sie im Auge. Ansonsten wird sie Euch davonlaufen.«   Ein angenehmer Ausdruck legte sich auf Struanas Gesicht, während der Unversehrte amüsiert grunzte. »Ich denke, dass ich damit fertig werde, Windschnitter.«, entgegnete er scheinbar gelassen.   Kil'ruk wandte sich unschlüssig von dem Unversehrten ab. »Ich werde Eure Ankunft den Klaxxi mitteilen.«, krächzte er, ehe er Struana noch einmal in seinen Blick fasste und drohend mit den Kieferzangen klickte. Dann wurde die Luft um Struana herum aufgewirbelt und die Luft vom Summen seiner Flügel erfüllt, als er davonflog. Die Worgen schnaubte, als sie der kleiner werdenden Gestalt des Windschnitters nachsah. Sie konnte sich nicht erklären warum, aber auf einmal fühlte sie sich wieder in der Lage Kil'ruk die Stirn bieten zu können. Struana fühlte sich erleichtert und gleichzeitig angespannt, dass es sie förmlich in den Klauen juckte ihn herauszufordern.   »Er ist noch jung.«, raunte die rasselnde Stimme des Unversehrten, ehe er seine Hellbarde schulterte. »Er wird seinen Platz im Schwarm finden und Ihr solltet seine unbedachten Worte nicht allzu ernst nehmen, Erweckerin.« Struana legte ihren Kopf zur Seite und betrachtete Malik lange, während er seinen Hals in die Luft reckte. »Geht ein Stück mit mir, Erweckerin. Wir sollten bald etwas zum Jagen finden.«   Die Worgen blinzelte, als sich Malik einfach von ihr abwandte und langsam und noch immer etwas wackelig auf den Beinen losging. Sie folgte ihm und warf Malik einen nachdenklichen Seitenblick zu, als sie zu ihm aufgeholt hatte. Sie glaubte zu wissen, warum sie sich wieder gut fühlte. Dieser Getreue war anders, als alle anderen Mantis, die sie je getroffen hatte. »Warum seid Ihr so... freundlich?«, fragte Struana plötzlich. Ihre Ohren wurden heiß, denn sie wusste, wie dumm sich diese Frage wohl anhören musste. Vor allem, wenn sie Malik falsch einschätzte und er wie Kil'ruk gleich beginnen würde auf ihr herumzuhacken.   Der Unversehrte fasste sie lange in seinen Blick. »Freundlich?«, fragte er verblüfft, als hätte die Worgen etwas völlig Abwegiges gesagt.   Struana kam sich albern vor. Musste sie wirklich erklären, was sie meinte? Hatte Malik nicht mitbekommen, wie Kil'ruk sie alleine schon ansah? »Ihr habt eine furchtbare Auffassungsgabe, wenn Ihr glaubt, ich hätte Euch in Schutz genommen, Erweckerin.«, raunte Malik schließlich, während er weiterging. Sie hob ihren Kopf und sah ihn verwirrt an, während er weitersprach: »Der Windschnitter sucht seinen Platz im Schwarm und er wird ihn früher oder später auch finden. Aber was Euch angeht, Erweckerin, Ihr werdet nie zu diesem Schwarm gehören.«   »Wer sagt, dass ich zu diesem bescheuerten Schwarm gehören will?!«, fragte Struana entrüstet und knurrte leise.   Malik blieb weiterhin gelassen. »Ich habe Augen, Erweckerin. Ihr seid sehr leicht zu durchschauen. Ihr möchtet mit Respekt behandelt werden, doch habt Ihr nichts getan, um Euch diesen Respekt zu verdienen. Ihr möchtet, dass Euch Würde entgegengebracht wird, doch könnt Ihr keine Würde erwarten als Außenseiter.« Die Worgen war sprachlos. Warum erzählte ihr Malik dies? Als wäre es wirklich das, was sie wollte. Doch irgendwo hatte er sogar mit seiner Theorie recht. War sie etwa so einfach zu durchschauen?   »Doch auch, wenn Ihr eine Niedere seid, habt Ihr es geschafft, dass zumindest ich Euch etwas Würde entgegenbringe.«, ergänzte der Getreue und Struana sah zu ihm auf. »Wie das?«, fragte sie leise. Der Unversehrte sah wieder nach vorne und wirkte kurz in Gedanken versunken. »Ihr habt mich von dem Einfluss geläutert, dem ich ausgeliefert war. Die Energie, die in meinen Bernschlummer eingedrungen ist. Ich hatte merkwürdige, verwirrte Gedanken und war nicht mehr in der Lage den Klaxxi zu antworten. Das hat sich geändert, als Ihr mich erweckt habt, rechtzeitig.«   Struana zuckte mit ihren Ohren und sah zu Boden. Also hatte sie - ohne es beabsichtigt zu haben - Malik einen Gefallen getan? Ihm geholfen? Und deswegen unterhielt er sich auch relativ normal mit ihr. Sehr langsam glaubte sie zu verstehen. »Mein Geist war verwirrt, vielleicht ist das der Grund, weshalb mich die Klaxxi bisher nicht gefunden hatten.«   »Aber sie haben Euch gefunden.«, erwiderte Struana und folgte Malik auf den Fuß. »Als ich den Resonanzkristall in den Turm einsetzte um das Signal zu manipulieren, habe ich die Stimme eines Mantis gehört. Er ist in meinen Verstand eingedrungen und hat mir gesagt, dass sich ein Getreuer in den Gelegen aufhält. Deswegen habe ich Euch überhaupt gefunden, Malik. Also haben die Klaxxi Euch gehört.« Die Kriegerin hielt es nicht für erwähnenswert, dass die vibrierende Stimmgabel in ihrer Gürteltasche ihr bereits den Ersten Hinweis dafür gegeben hatte. Denn auf einmal waren ihre Gedanken wegen der Flucht wie weggeblasen.   Der Unversehrte blieb stehen und funkelte Struana skeptisch an. »Das ist leider unmöglich, Erweckerin. Ich habe nicht zu den Klaxxi gesprochen, sondern zu jemand völlig anderen. Außerdem sind die Klaxxi nicht in der Lage in den Verstand anderer Kreaturen einzudringen und zu ihnen zu sprechen. Sie kommunizieren mit den Getreuen, indem sie Sonarwellen aussenden, die wir beantworten können.«   »Aber wer hat mir dann gesagt, dass Ihr in der Nähe seid?«, fragte Struana verwirrt und starrte zu ihm auf. »Ich bin mir völlig sicher, dass es ein Mantis war, den ich gehört habe.«   Malik sog die Luft tief ein, während seine Kieferzangen leise klickten. »Ich kann Euch dies leider nicht beantworten, Erweckerin.«, sprach er schließlich rau. Struana legte ihre Ohren an und unterdrückte ein frustriertes Seufzen, während sie ihren Blick senkte. »Aber wer auch immer es war, ich bin demjenigen sehr dankbar. Und ich bin Euch dankbar, Erweckerin.«   Die Worgen blinzelte und sah wieder zu Malik auf, während er seine Hellbarde, die er bis eben noch geschultert hatte, in die Klauen nahm. Sie fühlte sich so beflügelt in diesem Augenblick. Malik war ihr dankbar. Ihr, einer in seinen Augen wertlosen, Niederen Kreatur. War das diese Würde, die er ihr entgegenbrachte? »Die Jagd beginnt.«, murmelte er, während Struana seinem Blick nach einigen Herzschlägen folgte. Sie verzog ihr Gesicht, als sie einen Panther erkannte, der durch das Unterholz nicht weit von ihnen entfernt streifte.   »Das ist nicht Euer Ernst, oder?«, fragte sie zweifelnd, als Malik ein weiteres Mal die Luft überprüfte, die direkt von ihrem Rücken kam. Der Panther musste auf die beiden schnell aufmerksam geworden sein.   »Doch.«, sprach er und sah die Worgen verständnislos an. »Das Muskelgewebe der Raubkatzen ist sehr nahrhaft und wird mir schnell meine ehemalige Stärke zurückgeben. Wusstet Ihr das nicht?«   Die Kriegerin verzog noch einmal ihr Gesicht. Die Raubkatze verließ ihr Versteck und pirschte um die beiden herum. Die runden Augen waren gierig auf die beiden gerichtet, während der Schweif ruhig hin und her schlug. Fauchend entblößte der Panther sein Gebiss und machte sich zum Sprung bereit. Das Tier glaubte tatsächlich, dass es die Rolle des Jägers hatte.     *****     Der Windschnitter drehte sich gerade von dem Bernschmied ab, ehe er eine weitere Frage über die Beschaffenheit der Waffe stellen konnte, die er ihm gebracht hatte. »Nun, sie werden wohl ausreichen.«, zirpte der Bernschmied, als er die Bernklinge betrachtete und über diese strich. »... müssen.«   »Ja, das werden sie.«, knurrte der Windschnitter und stampfte davon. Er war nicht in der Stimmung, eine Unterhaltung zu führen, mochte sie noch so belanglos sein, wie das Wetter. Rastlos blickte er zu der Stelle, an der die Niedere Kreatur an dem Kypari gekettet gewesen war. Seiner Meinung nach sollte sie auch jetzt genau dort sein und nicht die Möglichkeit bekommen zu fliehen.   Kil'ruk ließ sich die Momente des Kampfes noch einmal durch den Kopf gehen. Auch wenn es ihm - und zu seinem Erstaunen auch der Fremden - gelungen war die Angreifer niederzustrecken, waren sie zu vorbereitet gewesen. Ein zufälliger Angriff, eine Patrouille konnte er ausschließen. Dieser Angriff war geplant und gezielt gegen ihn gewesen. Ansonsten hätten die Wachen der Kaiserin keinen Grund gehabt Seile und sogar Netze dabei zu haben, die sie nach ihm werfen konnten. Es musste eine Falle gewesen sein, welche die Kaiserin gestellt hatte. Das Störungssignal war der Anlass gewesen um ihn, den Windschnitter, herauszulocken. Vermutlich hatte sie angenommen, dass er alleine kommen würde, oder einen der Ingenieure mitnehmen würde um die Störung aufzuheben. Doch es brauchte mehr um einen Getreuen zu überwältigen, auch wenn die Erweckerin eine große Hilfe gewesen war.   Ein grässlicher, harter Kloß zog sich in Kil'ruks Magen zusammen und er schüttelte seinen Kopf heftig um nicht an die Niedere Kreatur denken zu müssen. Doch es klappte nicht. Sie hatte die Verderbnis aus dem Unversehrten reinigen können und hatte den Klaxxi damit einen weiteren Getreuen geschenkt. Außerdem hatte sie sich als eine wertvolle Verbündete im Kampf erwiesen. Auch wenn sie ziemlich ziellos um sich geschlagen hatte, es hatte seine Wirkung gezeigt. Immerhin waren ihre Gegner umgefallen, mehr oder weniger tot. Die animalische Wut, gebündelt mit dem taktischen Verständnis, ihre Art zu kämpfen war einzigartig und doch war es nur ein Rohdiamant, der geschliffen werden musste.   Kil'ruk spuckte aus. Nein, musste er nicht. Eine Niedere Kreatur konnte nicht geschliffen werden. Sie waren zu dumm um etwas zu erlernen. Doch nicht zu dumm, um zu entkommen. Gerade jetzt war sie mit dem Unversehrten unterwegs und der Windschnitter konnte nur hoffen, dass der Getreue sie im Zaum halten konnte. Bestimmt versuchte die Weiche zu fliehen, doch selbst, wenn es ihr - wie durch ein Wunder - gelingen sollte, er würde sie schon wieder zurückholen. Selbst wenn er über die Mauer in das goldene Tal der Pandaren fliegen musste, um sie zu finden. Er würde sie wieder zurück nach Klaxxi'vess bringen.   Kil'ruk sah über die Plattform und blieb an dem großen Signalgeber stehen, um dem die Klaxxi'va verteilt standen und abwechselnd mit Kor'ik, dem Ingenieur sprachen. Würdevoll schritt er zu ihnen hinüber und erkannte, dass es ihnen erstaunlich gut gelang, den Signalgeber mit ausreichend Bernmagie zu füllen. Selbst jetzt, als die Sonarwellen noch nicht ausgesandt wurden, konnte er die sensiblen Schwingungen spüren, die von ihm ausgingen.   »Windschnitter.«, hörte er die tiefe, raue Stimme von seiner Seite und er wandte seinen Blick von dem Signalgeber ab. Der größte der Klaxxi'va, Ik, hatte ihn in seinen Blick gefasst und sah ihn verwundert an. »Wo ist die Erweckerin?«   Kil'ruk zuckte mit seinen Fühlern und neigte knapp seinen Oberkörper, ehe er antwortete: »Sie hilft dem Unversehrten wieder zu Kräften zu kommen.«   Klaxxi'va Ik neigte seinen Kopf nachdenklich und sein Blick bohrte sich fast durch ihn hindurch. »Wir hörten von seiner Erweckung.« Unruhig zuckte Kil'ruk mit seinen Fühlern und sah zu dem Priester auf. Er wollte noch etwas erwähnen, was er nach mehreren verstrichenen Momenten auch tat. »Woher wusste sie, dass er sich in der Nähe der Gelege aufhielt?«   Der Windschnitter öffnete seinen Mund, schloss ihn aber dann wieder und klickte fast wie beiläufig mit seinen Kieferzangen sachte gegeneinander. Wie einfach wäre es gewesen, wenn er gesagt hätte, es wäre die Stimmgabel gewesen, was auch teilweise stimmte. Aber er erinnerte sich daran, dass dies nicht der einzige Hinweis war, den die Erweckerin - die Niedere - bekommen hatte. »Mit Verlaub, Klaxxi'va.«, begann er und richtete sich wieder auf. »Wart Ihr es nicht, die Ihr dies zuflüsterten?« Er wusste, dass diese Frage vermutlich überflüssig war, doch war es nicht so gewesen?   Der Älteste blinzelte ungleichmäßig mit seinen runden Käferaugen und schüttelte langsam seinen großen Kopf. Der große Kragen an seinem Hinterkopf bewegte sich mit. »Wir sprechen nicht mit Niederen Kreaturen, Windschnitter.«   »Natürlich.«, sprach Kil'ruk und verneigte sich tief vor dem Klaxxi'va. »Dann muss es die Stimmgabel gewesen sein, die ihr zuflüsterte.«   »So muss es gewesen sein.«, krächzte Klaxxi'va Ik und drehte sich dann wieder dem Signalgeber zu und betrachtete die Bernsteinförmige Säulenspitze nachdenklich. Dann hob er seine klauenartige Hand und füllte das Gefäß der Säule mit mehr Bernenergie.   Der Windschnitter beobachtete ihn für einige Herzschläge, dann stieß er sich kräftig vom Boden ab und flog in die Luft. Seine Gedanken kreisten merkwürdig schwer in seinem Kopf herum. Nachdenklich fasste er einen Schwarm der leuchtenden Saftfliegen in seinen Blick, ehe er schnell hindurch flog und sich eine der Delikatessen in der Luft fing. Genussvoll verschlang er diese, nachdem er sich auf einen Zweig des gewundenen Kyparis gehockt hatte und starrte ungeduldig auf den Eingang von Klaxxi'vess. Auch wenn er es nicht zugeben würde, aber er sehnte die Ankunft der Erweckerin herbei, damit sie ihm Antworten geben konnte.     *****     Struana seufzte tief, als sie den großen Baum von Klaxxi'vess wieder erkannte. Nachdem Malik und sie - ihren Teil hatte sie über einem mageren Feuer gebraten - etwas gegessen hatten, waren sie sofort nach Klaxxi'vess zurückgekerht. Die Worgen hatte ihn aufgeklärt, dass für die Veränderung der Umgebung das Sha verantwortlich war. Sie hatte ihm einiges darüber erzählt, auch, dass es in die Lebewesen schlüpfen konnte und diese manipulieren konnte. Merkwürdigerweise war der Getreue merkwürdig ruhig gewesen und hatte ihr gelauscht, fast so als würde er ihr wirklich zuhören.   Auch das Dilemma, warum sie die Erweckerin war und kein ehrwürdiger Klaxxi'va, hatte Struana ihm erklärt. Sie versuchte nicht mehr zu verstehen, warum Malik dies so einfach hinnahm, während hingegen Kil'ruk regelmäßig aus seinem Panzer zu fahren schien. Immerhin hatte sie dem Windschnitter wirklich das Leben gerettet, bei dem Kampf gegen die Sha besessenen Schwarmgeborenen und er brachte ihr keine Würde entgegen.   »Wisst Ihr, warum man uns erweckt?«, fragte Malik, während sie den Hügel herauf schritten, um immer näher zu der heiligen Stätte der Klaxxi zu gelangen.   Struana schüttelte ihren Kopf. »Kil'ruk sagte, dass Niedere Kreaturen die größeren Pläne der Klaxxi nicht verstehen würden.« Sie verzog genervt ihr Gesicht und machte eine abwertende Bewegung mit ihrer Pranke. »Er sagte nur, dass wir den selben Feind hätten.«   Der Unversehrte raunte tief und amüsiert. »Damit hat er vielleicht nicht ganz unrecht.«, sprach er beschwichtigend. »Es bestand noch nie die Notwendigkeit, dass ein Außenstehender in die Pläne der Klaxxi eingeweiht werden mussten. Ich bezweifle, dass Ihr unsere Existenz auch nur ansatzweise versteht.«   Struana runzelte ihre Stirn und sah auf ihren Weg herab. »Naja, das Leben ist merkwürdig, nicht wahr?«, scherzte sie und seufzte. »Na, es gibt Euch, die Klaxxi, um die Kaiserin zu stürzen, wenn sie irgendetwas machen sollte, womit sie das Kaiserreich bedroht.«, murmelte sie kleinlaut und hob ihren Kopf daraufhin wieder. Malik raunte leise, doch es war ihr auch nicht wichtig, ob sie richtig lag oder falsch. »Es ist nicht die Kaiserin, sondern das Sha, dass hier alles manipuliert.«   »Das mag sein.«, erwiderte Malik. »Doch wer sendet die Schwarmgeborenen frühzeitig auf die Mauer aus? Wer hat den Angriff auf den Windschnitter und Euch inszeniert? Dieses Sha hat keinen Einfluss auf unsere Gesellschaft.«   Struana verengte ihre Augen. »Dann muss es die Kaiserin sein, die von dem Sha befallen ist und kontrolliert wird.«   Malik neigte seinen Kopf. »Alles deutet darauf hin. Dass die Schwarmgeborenen zu früh angreifen bedeutet, dass sie noch zu jung sind und sich von diesen Schatten nähren. Der Zyklus ist in Gefahr und das ist das Schlimmste, was heraufbeschworen werden kann.«   »Welcher Zyklus?«, fragte Struana schnaubend und sah zu den Steinsäulen von Klaxxi'vess auf. Sie wusste, dass sie nicht mehr viel Zeit hatte um an Informationen heranzukommen, die sie auch verstehen konnte. »Meint Ihr, diese einhundert Jahre die vergehen müssen, damit die Schwarmgeborenen angreifen?«   »Ihr habt eine merkwürdige Ausdrucksweise, aber ja, das meine ich.«, entgegnete Malik, als sie bereits auf dem Pfad gingen, der zu der heiligen Stätte hinaufführte. »Der Zyklus ist alles, was uns Mantis ausmacht. Was unser Reich von den anderen unterscheidet. Sollte er durcheinander geraten, wird unsere Kultur sterben. Ihr könnt nicht verstehen, warum wir die Mauer Zyklus für Zyklus stürmen und unsere Schwarmgeborenen in den Kampf gegen die Pandaren schicken. Doch bei uns Mantis ist der Zyklus und seine Bedeutung seit unserer Geburt an in uns verwurzelt. Wir werden mit dem Wissen an ihm geboren und doch werden nur wenige über seine Bedeutung aufgeklärt. Die Klaxxi hüten den Zyklus und achten darauf, dass er fortwährend bestehen bleibt. Durch sie wird unsere Kultur weiter fortbestehen. Der Zyklus ist ewig, ebenso wie wir.«   Struana seufzte leise. Das Gerede über diesen Zyklus brachte sie nicht wirklich weiter und so wie es sich angehört hatte, würde Malik ihr nicht die hiesige Bedeutung des Zyklus erklären. »Aber wie kann man den Schwarm aufhalten?«, fragte sie und sah den Getreuen hoffnungsvoll an. Vielleicht würde er ihr immerhin diese Frage beantworten. Diese verdammte Frage, die sie erst in dieses ganze Chaos geworfen hatte.   Malik schwieg für mehrere Sekunden, während sie die beiden Steinsäulen nach Klaxxi'vess passierten. »Es gibt zwei Möglichkeiten, doch keine von beiden kann ich Euch verraten, Erweckerin.«, antwortete er und sah sie nachdenklich an. Struana wollte gerade zu einer anderen Frage ansetzen, eine die er ihr vielleicht auch beantworten konnte, doch da sprach der Getreue weiter: »Ich habe Euch heute kämpfen gesehen. Versteht Ihr Euer Handwerk gut?«   Struana blinzelte ihn unvorbereitet an. »Natürlich.«, sagte sie etwas zu schnell und hob ihre Lefzen, wobei sie ihre Reißzähne entblößte. »Viele Eurer Art sind bereits durch meine Waffe gefallen.«   Malik funkelte die Worgen unbeeindruckt an. »Ihr tragt keine Waffe.«, stellte er zerschmetternd klar.   »Ich habe meine Waffe verloren, als mich der Windschnitter hierher entführt hat.«, murrte die Kriegerin. Ihr Blick flog prüfend über die Plattform. Sie hielt Ausschau nach Kil'ruk und erwartete fast, dass er sich direkt auf sie stürzen würde und sie wegen dieser Beleidigung an den Kypari ketten würde.   »Welche Waffe habt Ihr getragen?«, fragte der Getreue beiläufig weiter, als würden sie sich über das schlechte Wetter in der Schreckensöde unterhalten. Überhaupt, dass sie sich mit einem Mantis unterhielt, war an sich schon absurd. Dennoch schnippte sie mit ihren Ohren. »Eine lange Stangenwaffe mit einer zweischneidigen Klinge am Kopf. Massiv und schwer. Etwas unhandlich, aber ich konnte mit ihr gut umgehen.«   »Was ist mit Eurem Kiefer? Euren Klauen?«, fragte der Unversehrte weiter und funkelte auf sie herab.   Die Kriegerin hob ihre Klauen und betrachtete diese. »Sie sind nützlich.«, gab sie schließlich zu und hob ihren Blick wieder zu seinem. »Aber Schwach im Vergleich zu Stahl. Ich komme mit ihnen nicht durch das Chitin eines Mantiden.«   Malik klickte amüsiert mit seinen Kieferzangen. »Beweist mir, dass Ihr mit ihnen auch umgehen könnt.«, raunte er und hob die breite Hellbarde von seiner Schulter. »Versucht mich zu treffen.«   Struana runzelte ihre Stirn und legte ihre Ohren verblüfft an. »Ich soll was?«, fragte sie perplex, als der Unversehrte seine Waffe auf sie niedersausen ließ. Sie wich geschickt zur Seite aus und blinzelte verwirrt. »Versuchen mich zu treffen.«, raunte er und hob seine massive Waffe erneut in die Luft.   Die Kriegerin hob ihre Lefzen, als sie sich unter einem weiteren Hieb duckte. Sie sprang vor und versuchte Malik ihre Pranke über seine Seite zu ziehen, doch er wehrte sie mit seiner Waffe ab. Die Worgen sprang auf Abstand, während Malik ihr nachsetzte. Er schwang seine Hellbarde und Struana versuchte die Waffe mit ihrer Pranke umzulenken. Es klirrte und ein unnatürlicher Druck blieb in ihrer Pranke zurück, als sie gegen das harte Kyparit schlug, doch es funktionierte. Sie versuchte in seinen Arm zu beißen, doch Malik war zu flink. Erneut hob er seine Waffe über sie und Struana war bereit den Schlag ebenso abzuwehren.   »Was macht Ihr da?«, kreischte eine erboste, rasselnde Stimme, ehe die Hellbarde von dem Dolch geblockt wurde und der klirrende Ton die Luft erfüllte. Kil'ruk stieß Maliks Waffe ungewöhnlich leicht zurück und Struana erkannte, dass der Getreue nicht seine ganze Kraft gegen sie eingesetzt hatte. »Sie wird noch gebraucht!«, murrte der Windschnitter grimmig und fixierte Malik mit klackernden Kieferzangen.   Der Unversehrte schulterte unbeeindruckt seine Hellbarde und funkelte den Windschnitter an. »Ich habe sie getestet.«   »Getestet?!«, spie Kil'ruk verächtlich zischend aus und klickte hart mit seinen Kieferzangen. »Wofür? Sie wird nicht im Kampf gebraucht! Sie-...«   »Hat heute gekämpft, Windschnitter.«, schnitt Malik ihm das Wort ab und betrachtete ihn gelassen. »Soweit ich das einschätzen konnte, hat sie Euren Chitinpanzer vor einigen Klingenhieben gerettet. Sie hat gut gekämpft und sie würde noch besser kämpfen, wenn man sich um sie kümmern würde.«   Kil'ruk wich einen Schritt zurück, als hätte Malik ihm eine Ohrfeige verpasst. Struana konnte förmlich spüren, wie in ihm die Wut hochkochte. Zornig funkelte er Malik an, doch er schien wie verstummt. Lediglich seine Kieferzangen klickten mehrere Male hintereinander.   »Ich werde sie trainieren, Windschnitter.«, fuhr Malik geduldig fort, als würde er den Zorn des Getreuen nicht bemerken. »Sie wird uns nicht von Nutzen sein, wenn sie sich nicht wehren kann und deswegen stirbt.«   Struana hielt es für das Beste, wenn sie nicht einwarf, dass sie sich sehr wohl wehren konnte, als ein weiteres Zischen Kil'ruks Kehle verließ. Er funkelte Malik an, dass sie glaubte, er würde ihn jeden Moment angreifen wollen. «Die Klaxxi werden dies nicht zulassen.«, rasselte er dumpf.   »Die Klaxxi'va werden sie nicht trainieren, Windschnitter.«, stellte Malik zerschmetternd klar. Strauana stellte sich das Nackenfell inzwischen auf. Sie spürte den Zorn von Kil'ruk in Wellen von ihm ausgehen. Mit einem weiteren erbosten und lauten Zischen drehte er sich von ihnen weg, stieß sich vom Boden ab und entschwand in der Luft. Die Worgen blinzelte ihm fast schon entsetzt nach, während der Unversehrte zufrieden grunzte. »Er sollte wissen, wo sein Platz ist.«   Struana starrte Malik teils entsetzt, teils interessiert an. Sie wollte wissen, wie ihr Training wohl aussehen würde, allerdings wollte sie lieber nicht herausfinden, in welcher Form Kil'ruk seine Wut am besten an ihr auslassen konnte. Diese Szene war so belustigend, wie erschreckend gewesen. Der Getreue ging gemächlich an ihr vorbei. »Ihr werdet hier warten, während ich mit den Klaxxi'va spreche.«, ordnete er an und sah sie über die Schulter lange an. »Ihr habt doch nicht etwa vor, davonzulaufen, oder? Ansonsten müsste ich den Windschnitter zu Euch schicken.«   Es war als hätte der Unversehrte einen Nerv in der Worgen getroffen - was er zweifelsfrei beabsichtigt hatte - und sie richtete ihre Ohren wachsam auf. Sie grinste gezwungen. »Das wird nicht nötig sein.«, sprach sie schnell, während sich Malik zufrieden umdrehte und zu den riesigen Mantiden in der Mitte des Signalgebers ging. Struana fiel es schwer, sich wieder zu entspannen, hektisch sah sie in die Luft, aber sie wusste - oder hoffte - dass Kil'ruk zumindest für den Augenblick Ruhe geben würde. Sie konnte sich nicht helfen, aber sie hatte so etwas wie eine Respektsperson in den Reihen der Mantis gefunden. Einerseits war sie froh über diese Entwicklung der Ereignisse und hoffte, dass ihr weiterer Aufenthalt in Klaxxi'vess nicht mehr so gehetzt und so angespannt verlaufen würde. Andererseits musste sie innehalten und sich fragen, wohin sie das alles noch führen sollte.     *****     Geduckt schlich die Gestalt über die Terrasse von Gurthan und behielt dabei den buschigen, braunen Schweif seiner Gefährtin genau im Auge. Bei jedem Schritt wippte ein Stück seiner Kettenrüstung mit und klimperte leise unter seinem Umhang. In seiner Hand trug er eine sehr unhandliche und sperrige Stangenwaffe, die er nicht weit von einem Kypari entfernt gefunden hatte. Nymeria hatte die Witterung aufgenommen und lief nun zielstrebig in eine Richtig, während Weramor ihr folgte. Kurz blieb das Tier stehen, um auf dem lehmigen Boden zu schnüffeln, doch dann stellte sie ihre Ohren auf und huschte weiter.   Der Jäger hatte außer der Waffe noch die Leiber von drei toten Mantis gefunden, die zwischen den stämmigen Wurzeln des kranken Kyparis gelegen hatten. Es war unschwer zu erkennen gewesen, dass sie mit dieser Waffe niedergestreckt worden waren. Zumindest ließen die Wunden der drei Insekten darauf schließen und mit der entsprechenden Kraft konnte das zweischneidige Blatt wahrlich einen riesigen Schnitt reißen. Aus den Spuren zwischen den Wurzeln war er allerdings nicht schlau geworden, da sie kaum noch zu lesen gewesen waren. Also musste er den Weg der unbekannten Worgen zurückverfolgen, von der Tensho überzeugt war, dass sie noch lebte.   Wenige Stunden in der Schreckensöde hatten für ihn ausgereicht um die Lage in diesem Land einzuschätzen. Die Verderbnis des Shas in der Schreckensöde war so gravierend fortgeschritten, dass es noch nicht einmal weiterer Recherchen bedarf. Die abscheulichen Veränderungen, auf die er Zweifelsohne weiter im Landesinnere treffen würde, musste er nicht sehen. Die Erde unter ihm pulsierte vor der Essenz des Sha und die Pflanzen und Bäume würden sich wohl nie mehr vor seinem Einfluss erholen. Je weiter er ging, desto schlimmer wurde diese Verderbnis, die das Land in ihrem Griff hielt. Sie war nicht mehr einzugrenzen und nur sehr mächtige Druiden könnten sich der Herausforderung stellen, dieses Land doch noch zu Heilen. Doch er selbst würde nicht sehr viel dazu beitragen können. Außerdem hatte er nicht die Zeit dafür.   Nymeria führte Weramor zu einem sumpfigen Moorland, ehe sie eine Böschung hinauf huschte und aus seiner Sicht verschwand. Schwanzwedelnd wartete die dunkelbraune Füchsin am Hang und starrte mit ihren eisblauen Augen erwartungsvoll zurück auf ihn. Die Stangenwaffe als Stütze nutzend, stieg er die Anhöhe hinauf und atmete tief durch. Am liebsten hätte er die unhandliche Waffe einfach liegen gelassen, doch er hatte sich vorgenommen sie Tensho mit einer Nachricht zukommen zu lassen. Er wollte sich nicht nachsagen lassen, dass er es nicht wenigstens versucht hätte, nach dieser Worgen zu suchen.   Die Füchsin rannte weiter zu einer Höhle und verschwand in ihrem Inneren. Der Nachtelf folgte ihr, während er sich wachsam umsah. Auf dem Höhlenboden lagen zwei weitere, tote Mantis, viel größere als die drei Exemplare an den Wurzeln des Kyparis. Die Höhle war stickig und an den Leibern taten sich bereits Insekten und Würmer gut.   Mit gerümpfter Nase kniete sich der Jäger zu dem ersten Mantis nieder, der näher am Höhleneingang lag und untersuchte die Wunden. Aufgescheuchte Fliegen stoben auseinander, als er sich vorbeugte. Die Verletzungen wurden ebenfalls von der breiten Waffe verursacht. Diese Worgen hatte einen sehr bestialischen Kampfstiel, so vermutete er, als er die tiefe, klaffende Wunde an der Seite des harten Chitinpanzers betrachtete.   Weramor erhob sich und widmete sich nun dem zweiten Mantiden, dessen Leib am Rand des Höhlenboden lag. Doch als er seine Wunden betrachten wollte, musste er stutzen. Keine Waffe hatte ihn getötet, oder auch nur berührt und trotzdem war der Mantis - der eine erstaunliche Größe hatte - gestorben. Er hob den Kopf des Insektoiden mit der Stangenwaffe an, wobei einige Würmer aus dessen Kiefer zuckten. Anscheinend hatte er innere Verletzungen gehabt, doch wodurch waren sie hervorgerufen worden? Ein Zauber? Ein Fluch?   Nachdenklich betrachtete der Nachtelf die große Stangenwaffe in seiner Hand und schwang sie probeweise einige Male in der Luft. Jemand, der eine solche Waffe schwang, machte sich nicht die Mühe um irgendwelche schwierigen Zauber zu wirken. War die Worgen vielleicht nicht alleine gewesen? Weramor versuchte zu ergründen, was in dieser Höhle vorgefallen war und ging noch einmal zu dem ersten Mantiden zurück. Wieder beugte er sich über ihn und wieder stoben die Fliegen auf, weswegen er kurz husten musste.   Gestorben war er an der Wunde an seiner Seite, dies stand außer Frage. Doch warum waren überhaupt zwei so große, ungewöhnlich gekleidete Mantis dem Schlangenrücken so nahe gekommen? Hatte die Worgen sie vielleicht hierher getrieben? Doch das machte keinen Sinn. Bestimmt war sie doch nicht größenwahnsinnig gewesen um sich jeder Herausforderung zu stellen, die sich ihr bot, oder? Gedankenverloren zeichnete er in der Luft über der Wunde den Schnitt nach und seufzte. Dann sah er einen spitzen Dolch in dem klauenartigen Greifer des Mantiden liegen, den er fest umklammert hielt.   Der Dolch war aus Kyparit. Eigentlich war dies nichts besonderes für eine Waffe eines Mantis, allerdings gewann etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Der Nachtelf zog den Dolch aus den toten Klauen und betrachtete ihn interessiert. Winzige Runen waren in dem Klingenschaft eingegossen und die Waffe wirkte eher edel als tödlich. Schließlich stand er auf und entfernte sich einige Schritte von dem Leichnam. Nachdenklich betrachtete er die Positionen, in denen beide Mantiden gestorben waren. Beide waren dem Eingang zugeneigt gewesen, ehe sie starben. Doch trägt nur einer der beiden die tödlichen Wunden von der massiven Stangenwaffe. Der Nachtelf runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass die Mantis gegeneinander gekämpft hatten?   Der Ritualdolch ließ Freiraum für einen solche Gedanken. Eine solche Waffe konnte seine Gegner nicht unbedingt verletzen, die Klinge war zu kurz um wirklichen Schaden anzurichten. Außerdem war sie frei von Blut und anderen Schäden. Aber er könnte verwendet worden sein um Energien zu kanalisieren. Bernmagie? War sie zu solchen Verletzungen überhaupt im Stande, denen der größere Mantis erlegen war?   Weramor ließ den Ritualdolch in seine Tasche gleiten und verließ die Höhle mit den beiden toten Mantiden. Auch wenn er selbst damit nichts anfangen konnte, wusste er, wer es konnte. Man konnte herausfinden, wofür der Dolch einmal gebraucht worden war. Der Nachtelf schüttelte gedankenverloren seinen Kopf, ehe er in den schwarzen Himmel über sich blickte. Er hatte noch immer nicht herausgefunden, wohin die Worgen spurlos verschwunden war und warum sie nicht zurück zur Mauer kam. Vielleicht war sie doch nicht so treu gewesen, wie Tensho angenommen hatte.   Ein dumpfer Stich machte sich in seiner Brust bemerkbar und er musste schlucken. Leise pfiff er nach Nymeria und lief stur die Mauer nach unten, Richtung Süden. Einerseits war er froh, dass es nicht nötig, war mehr von der Schreckensöde zu sehen, um einen fassenden Bericht abzuliefern, doch andererseits fragte er sich, wie es um seine eigene Loyalität stand.   Er hatte genug Zeit bis man ihn zurückerwartete. Wenn er sich sputete, würde er die Krasarangwildnis noch vor der Dämmerung erreichen. Er war sich bewusst, dass er den ganzen Weg in der Schreckensöde zurücklegen musste, doch er war bewaffnet und wusste sehr genau, wie man sich in den Schatten bewegen musste. Wann würde er eine weitere Gelegenheit erhalten um ihrer Bitte in dem Brief nachzukommen? Er hatte es ohnehin schon viel zu lang hinausgezögert und es war besser, wenn er es jetzt hinter sich bringen würde. Mit diesen Gedanken beschleunigte er sein Tempo, als ihn die Dunkelheit der Schreckensöde förmlich verschlang.     *****     Der Windschnitter klickte frustriert mit seinen Kieferzangen gegeneinander und rieb seine Vorderbeine zusammen, ehe er sie wieder unruhig hinter seinen Unterleib zurückzog. Er kauerte auf dem höchsten Wurzelknoten des Kyparis, der Klaxxi'vess umgab und starrte zu dem Unversehrten und der Erweckerin herab. Sie unterhielten sich miteinander und Kil'ruk ertappte sich dabei, wie er sie selbst teilweise interessiert und teilweise abstoßend beobachtete. Der Getreue drehte sich schließlich um und ging zur Schmiede, während sich die Niedere geduckt umsah.   Kil'ruk fragte sich erst gar nicht, was der Unversehrte vor hatte. Er konnte ihn ohnehin nicht verstehen, oder gar nachvollziehen. Warum wollte er sie trainieren? Und vor allem, wie wollte er sie trainieren? Ein Fleischling wie diese wertlose Kreatur könnte keinem wahren Hieb des Getreuen standhalten. Er hatte sie nicht getestet, er hatte mit ihr gespielt, als wäre sie eine zerbrechliche Wabe. Doch der weiche Körper war auch zerbrechlich und nutzlos. Kil'ruk zischelte leise, während er daran dachte, wie einfach es gewesen wäre, sie noch auf der Terrasse von Gurthan zu töten. Er hätte ihr einfach seine Vorderbeine in den weichen Leib rammen können, als sie ihm den Rücken zugedreht hatte. Doch hätte er zu diesem Zeitpunkt töten können? Er klickte hart mit seinen Kieferzangen gegeneinander und spreizte seine Flügel geräuschlos. Ein ekelerregendes Übelkeitsgefühl stieg in ihm auf, als er daran dachte, was vorher auf der Terrasse geschehen war und ihm wurde schlecht.   Langsam schritt die Erweckerin zum Fuß des Kyparis, nachdem sie sich noch mehrere Momente lang in der heiligen Stätte umgesehen hatte. Es war aber nicht die Stelle wo sie hingehörte. Sie ging weiter außerhalb an den Wurzeln entlang. Kil'ruk verengte seine Augen, als er gerade mit den Flügeln schlagen wollte um zu ihr herunterzufliegen. Die Niedere musste angekettet werden. Sie musste nicht glauben, dass sie nun anders behandelt werden würde, nur, weil der Unversehrte auf die schwachsinnige Idee gekommen war, sie zu trainieren. Sinnlos. Doch plötzlich hielt er inne und entspannte seine Flügel wieder, als eine Stimme in seinen Geist eindrang. »Kettet die Erweckerin heute nicht fest, Windschnitter. Der Unversehrte hat sie unter Kontrolle. Sie wird nicht fliehen.«   Der Windschnitter hob langsam seinen Kopf und sah in die Augen von Klaxxi'va Vor, der ihn seinerseits beobachtete. Kil'ruk neigte seinen behelmten Kopf, als sich der Klaxxi'va umdrehte und wieder in die Mitte der Plattform zu dem Signalgeber schritt.   Wieder knotete Frustration seine Kehle zu und er starrte mit verengten Augen nach unten zu den Wurzeln des Kypari. Die Niedere Kreatur lehnte sich gegen die Rinde und sah sich aufmerksam um. Ein letztes Mal klickte der Windschnitter mit seinen Kieferzangen gegeneinander, ehe er nach unten sprang und sich fallen ließ. Der Wind rauschte an ihm vorbei, ehe er sachte mit seinen Flügeln schlug und so seinen Fall abbremste. Geräuschlos landete er auf einer knotigen Wurzel direkt über der Außenseiterin und kauerte sich über sie. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt und er konnte sich zumindest die kleine Schadenfreude nicht verkneifen, als er sie ansprach: »Erweckerin.«   Die Niedere Kreatur drehte sich komplett um und sah ihn überrascht an, ehe sie ihre Augen verengte und ihre Reißzähne entblößte. Wollte sie ihm damit etwa Angst machen? Lächerlich. »Was wollt Ihr, Kil'ruk?«, blaffte sie ihn knurrend an. »Wollt Ihr mich etwa wieder anketten?«   Der Windschnitter starrte sie noch immer aus verengten Augen heraus an. »Ihr wisst nicht, wie gerne ich das täte.«, krächzte er und genoss für einen kurzen Augenblick den Zorn in ihren Augen, ehe der Ausdruck Verwirrung wich. Ehe sie fragen konnte, sprach er weiter: »Die Klaxxi sind der Annahme, dass Ihr durch den Unversehrten zahm geworden seid und nicht mehr fliehen würdet.« Er funkelte sie an. »Doch wisset, dass ich Euch nicht aus den Augen lassen werde.«   Die Erweckerin legte ihre kleinen, pelzigen Ohren an, doch sie wirkte eher nachdenklich. »Tut Euch keinen Zwang an. Ich hoffe, dass sie Euch rausfallen.«, raunte sie fast säuselnd.   »Ihr solltet Euch keine allzu großen Hoffnungen machen, Erweckerin.«, sprach Kil'ruk leise und beherrscht. Die Niedere Kreatur blinzelte ihn fragend mit ihren bernsteinfarbenen Augen an. »Für den Unversehrten seid Ihr nur ein interessantes, zerbrechliches Spielzeug. Doch auch er dient dem Willen der Klaxxi.«   Sie verengte ihre Augen und funkelte den Windschnitter herausfordernd an. »Er ist auf jeden Fall zugänglicher als Ihr, Kil'ruk.«, knurrte sie dumpf. »Habt Ihr denn überhaupt keinen eigenen Willen?« Die Frage war ruhig und der Kopf der Erweckerin neigte sich nachdenklich, während sie seinem Blick stand hielt.   Die Frage kam plötzlich und der Windschnitter erwiderte ihren verständnislosen Blick. Er verstand nicht was sie mit dieser Frage bezwecken wollte und konnte sie nicht nachvollziehen. »Der Wille der Klaxxi ist ewig.«, sprach er, doch die Erweckerin blinzelte nur weiterhin verständnislos. Kil'ruk wurde wieder schlecht, doch etwas drängte ihn dazu diese Frage zu stellen. Er versuchte nur die richtigen Worte zu finden: »Ihr könntet es als ein Prinzip betrachten. Eine Priorität, der nicht jeder folgen darf. Ihr seid eine Niedere, Ihr folgt nicht dem Willen. Was hat Euch dazu veranlasst, Eure Zeit darin zu verschwenden, mein Leben zu retten?«   Die Niedere hob eine Augenbraue und sah ihn forschend an. Kil'ruk wurde noch schlechter und er zischte. Er hasste diesen ekelhaften Blick von ihr. Dieser Blick, wenn sie sich überlegen fühlte. Doch plötzlich schüttelte sie ihren Kopf und sie seufzte langgezogen. »Man sagte mir, dass Ihr wüsstet wie man den Schwarm aufhalten kann.«   Kil'ruk hätte sich am liebsten übergeben. »So etwas Belangloses...?«, raunte er, doch die Erweckerin fuhr ihm ins Wort. »Das und nichts anderes.«, entgegnete sie fest und erwiderte seinen Blick ernst.   Er schüttelte seinen Kopf und lenkte das Thema um. Der Windschnitter wollte nicht daran denken, dass er einer Niederen etwas schuldig war. »In den kaiserlichen Gelegen fragtet Ihr mich, ob ich sie nicht hören könnte. Von wem habt ihr gesprochen?«   Von dem plötzlichen Themenwechsel irritiert zuckte die Niedere Kreatur mit ihren Ohren und sah ihn für einige Herzschläge nachdenklich an. »Ich habe eine Mantisstimme in meinem Verstand gehört, als sich der Resonanzkristall aktiviert hat.« Sie klang zögerlich, als sie antwortete.   Nachdenklich neigte der Windschnitter seinen Kopf. »Es waren nicht die Klaxxi. Sie sprechen nicht zu Niederen Kreaturen.«   Die Erweckerin knurrte leise und funkelte Kil'ruk genervt an. »Das weiß ich inzwischen auch. Malik ist um einiges informativer als Ihr.«, giftete sie ihn an. »Dennoch bin ich mir sicher, dass es die Stimme eines Mantis war.«   »Zu Schade, dass Ihr nicht mehr wisst, Erweckerin. Aber wenn es Euch tröstet, Ihr enttäuscht mich nicht mit Eurem Unwissen. Ich hatte nichts anderes erwartet.«, knurrte Kil'ruk seinerseits, ehe er summend seine Flügel schlug und nach oben flog. Aus den Augenwinkeln konnte er noch erkennen, wie sich die Erweckerin nach ihm umdrehte, doch schließlich nur mit dem Kopf schüttelte und sich gegen den Kypari lehnte. Die Gedanken des Windschnitters schweiften zurück in die fernen Gelege der Kaiserin in der Nähe des Palastes. Er setzte sich auf einen hochliegenden Ast des Kyparis und blickte über Klaxxi'vess. Die heilige Stätte lag still da und doch konnte er die Schritte und leisen Flügelschläge der patrouillierenden Vesswachen hören und die bizarren Schwingungen des Signalgebers wahrnehmen.   Ruhig verengte er seine Augen und starrte misstrauisch auf die Plattform herab. Konzentriert versuchte er, eine logische Schlussfolgerung zu finden, doch es wollte sich ihm keine offenbaren. Wer hatte zu der Erweckerin gesprochen?   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)