Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 116: Früchte der Arbeit (Ausschwärmen, TS!) --------------------------------------------------- Ich streife meine Handschuhe über und nehme die Gegnerflut von Jayjays Sattel aus in Augenschein. Ronya hat für meine heutige Herausforderung ein ganzes Rudel Sniebel angelockt, sowie zwei Ursaring, die von unterschiedlichen Seiten auf uns zukommen. Einige Morlord und Entoron sind ebenfalls von der Partie, genau wie ein Golbat, das von einer Kiefer zu uns herabschaut und feixend seine Fangzähne abschleckt. Jayjay tänzelt nervös unter mir und peitscht mit seinem Schweif. Es ist sein erster Kampf mit mir auf dem Rücken, aber das ist Teil der heutigen Aufgabe. Hunter gurrt beruhigend zu uns herab. Gott und Sku haben vor uns Stellung bezogen und fletschen bedrohlich knurrend die Zähne, während Priss an Jayjays Seite steht, die Schwimmhäute von ihren Wangen abspreizt und die kräftige Flosse von Seite zu Seite schwenkt. Mein Blick fällt auf Ronya, die etwas abseits auf Enteis Rücken sitzt und uns aus der Ferne im Auge behält. Wyatt hat sich wie ein lebendiger Schild um sie gewunden und schützt seine Trainerin von allen Angriffen. Sie nickt mir zu und ich grinse. Wenn sie glaubt, die heutige Herausforderung ist zu viel für mein Team, wird sie eine Überraschung erleben. Ich nehme die gegnerischen Pokémon in Augenschein, die sich bedrohlich auffächern und näher kommen. Der beißende Wind, der in den letzten Tagen zum ausgewachsenen Blizzard mutiert ist, bombardiert uns alle mit Hagelkörnern und entzieht uns jede Körperwärme. Ich habe mich längst daran gewöhnt. "Priss, unterstütz uns mit Rechte Hand", befehle ich ruhig und korrigiere meinen Sitz auf Jayjays Rücken. Seine Halsmuskulatur zuckt. "Sku, ich brauche deinen Kreideschrei. Konzentrier dich auf die Morlord, sonst kommen wir an ihrer Verteidigung nicht vorbei. Toxin nur, wenn sich die Gelegenheit bietet. Gott, starte mit Einigler. Ich will dich nicht an eins der Ursaring verlieren. Hunter, bereite dich auf deine Agilität vor. Ich will, dass du Sniebels Eisattacken ausweichen kannst, wenn nötig. Jayjay, wir starten sofort durch. Ladevorgang." Noch während ich ein Kommando nach dem anderen runter rattere, folgen meine Pokémon ihren Anweisungen. Ich kann erkennen, wie einige der Sniebel ihre Klauen wetzen. Der erste Angriff kommt jedoch von dem Golbat. Es schießt von der Baumspitze in die Höhe, schlägt kraftvoll mit den Flügeln und schleudert einen Luftschnitt in unsere Richtung, der Gott nur um Haaresbreite verfehlt, als er zur Seite hechtet. Die Attacke hinterlässt einen tiefen Riss im Boden. Feixend flattert es vor und holt zu einem Giftzahn aus. "Hunter!", brülle ich, während ich gleichzeitig meine Schenkel in Jayjays Seiten presse und ihn zum Spurt antreibe. Ibitak hat das Manöver mit Nathan und mir schon viele Male geübt − nun prescht er in einem Agilitätsspurt zwischen Golbat und Jayjay, reißt das Pokémon mit seinen Krallen von der Flugbahn und schleudert ihn von sich, genau dorthin, wo Jayjays Funkensprung landet. Die Fledermaus fiept kläglich, als die Elektroattacke es unter Starkstrom setzt und kracht flugunfähig zu Boden, wo Sku bereits mit ausgefahrenen Krallen wartet. Ein grell leuchtender Aurorastrahl schießt haarscharf an uns vorbei und erledigt den Rest. Ich schiele zu Priss zurück, die mich frech anmaunzt. "Gute Arbeit", lobe ich und lenke Jayjay seitlich, bis er schnaubend zum Stillstand kommt. Das besiegte Golbat liegt in unserer Mitte und rührt sich keinen Millimeter. Zufrieden hebe ich den Kopf. Einige Sekunden lang ist nur der tosende Blizzard zu hören, der meine Finger an ihrem Sattelknauf festfriert und Hagelkörner gegen meine Flugbrille prasseln lässt. Dann bricht Chaos los. In der Flut aus Pokémon und Attacken, die sich über uns ergießt, ist es unmöglich, alle Angriffe laut zu koordinieren, aber das muss ich nicht. Mehrere Wochen auf dem Silberberg haben mein Team zusammengeschweißt und auch, wenn meine Rufe sporadische Wörter oder halbe Sätze sind, weiß jeder instinktiv, was zu tun ist. Gott, der inzwischen bestimmt so schwer wie Sku und ein gutes Stück größer ist, hüllt die Reihen der Gegner in erstickenden, schwarzen Rauch, der für Verwirrung und Orientierungslosigkeit sorgt. Sku speit einige Ladungen Toxin auf ihre Gegner, die kreischen, als die hochgiftige Flüssigkeit sich in ihren Körper frisst, und legt mit einem schrillen Kreideschrei nach, der selbst den Blizzard übertönt. Kaum hat sich der Rauch gelichtet, presche ich auf Jayjay vor. "Funkensprung auf die Entoron", rufe ich ihm gegen den Wind zu. Neben mir springt Gott auf und schießt wie ein Pfeil durch den Schnee, schlägt Haken und kommt schlitternd einige Meter vor den Sniebel zum Stillstand, die rasend vor Wut auf ihn zu springen. Jayjays Funkensprung schlägt krachend in das uns nächste Entoron ein, während Gott im gleichen Moment tief Luft holt und seinen Flammensturm auf zwei Sniebel loslässt, die feixend auseinander stieben. Die übrigen Sniebel springen zurück und fauchen. Gott schnaubt selbstgefällig und dreht sein Rückenfeuer voll auf. Ein tiefes Brüllen wird laut, als eins der Ursaring losläuft und von Sku attackiert wird, deren Klaue von einem alles erstickenden Schatten umhüllt ist. Ihr Nachthieb trifft den Bären in die Magengrube. Der nachfolgende Schlitzer ihres Gegners schleudert sie einige Meter in die Höhe, doch ihr Training mit Nachtara hat ihr einen erheblichen Vorteil in ihrer Verteidigung verschafft. Sie rollt sich gekonnt ab, speit im Vorbeisprinten einem sich nähernden Morlord eine Ladung Toxin ins Gesicht und wirft sich so gut wie unbeschadet zurück ins Getümmel. Jayjay buckelt, als er von einem Zen-Kopfstoß in die Flanke getroffen wird und wirft mich fast ab, doch ich bleibe mit zusammengebissenen Zähnen im Sattel. Wer Hunters Schrauben und Saltos blind ausgleichen kann, der fällt nicht so leicht von einem Zebritz. Bevor das Entoron zu seiner Hydropumpe kommen kann, schießt Hunter aus dem Himmel herab und trifft es mit einer so kraftvollen Flugattacke, dass die Psychoente benommen zurücktorkelt, geradewegs in Gotts Reichweite, der alle Pokémon im Umkreis mit seinem Sternschauer bombardiert. Jayjays Stampfer erledigt den Rest; er bäumt sich auf, bis ich wirklich fast falle, und lässt seine Vorderhufe auf das Entoron niedersausen. Besiegt bleibt das Wasserpokémon liegen. Mein Blick gleitet suchend über das Kampffeld. Hunter hat sich bereits seinen nächsten Gegner gesucht und erledigt zusammen mit Sku das zweite Ursaring, dessen Schnarcherattacke gegen zwei Gegner im Nachteil ist. Noch während ich zuschaue, sinkt der schlafwandelnde Bär stöhnend in sich zusammen. Die Morlord geraten unterdessen durch Priss in Beschuss, die einen Aurorastrahl nach dem anderen abfeuert und sich langsam aber sicher den Entoron nähert, die in einer großen Gruppe auf Jayjay zusteuern. Gott findet sich in der Mitte einer ganzen Sniebelhorde, deren Bewegungen durch die Agilität so gut wie nicht nachvollziehbar sind. Ich gebe Jayjay den Befehl, einige seiner Gegner zu paralysieren, doch auch so prasseln die Strafattacken, Kratzfurien, Finten und Schlitzer unermüdlich auf ihn ein. Nur seine ungewöhnlich guten Ausweichmanöver, die das erste Mal im Kampf gegen Lambda zum Einsatz gekommen sind, bewahren ihn vor einem sofortigen KO. Plötzlich frieren Gotts Beine ein. Ich reiße Jayjay herum, um das Schauspiel besser sehen zu können. Gotts Brust schwillt an, seine Kiefer öffnen sich und ein Flammenwurf schießt aus seinem Rachen. Die Feuersbrunst besiegt zwei der Sniebel augenblicklich, ein weiteres fängt Feuer und der Rest der Gruppierung hechtet zischend zur Seite und gibt ihm so einen kurzen Moment Verschnaufpause. Genug Zeit für ein Morlord, den geschmolzenen Schnee um ihn herum zu manipulieren und in einer gewaltigen Wasserwoge auf Gott zurollen zu lassen. Ich schreie ein Kommando, doch Priss ist schon vorgeprescht und fängt die Lehmbrühe mit ihrem Körper ab. Ein Teil des Wassers wird durch ihre Schuppen absorbiert, den Rest lenkt sie in ihrer eigenen Lehmbrühe auf das Morlord zurück, das von der Attacke zurückgeschwemmt wird. Gott legt fauchend mit einem Sternschauer nach und plötzlich ist auch Hunter zur Stelle, der von dem besiegten Ursaring abgelassen hat und das Morlord nun mit einem perfekt platzierten Fliegen außer Gefecht setzt. Erleichtert atme ich aus und schaue mich um. Gott jagt den Sniebel nach, die versuchen, sich ins verschneite Unterholz zu flüchten, doch sein Flammenwurf hüllt die gesamte Gruppe problemlos in ein loderndes Flammeninferno. Zufrieden mit seiner Arbeitet trottet er zurück an meine Seite, wo ich bereits mit Jayjay damit beschäftigt bin, die restlichen Entoron unter Strom zu setzen. Priss fängt eine Wasserattacke nach der anderen ab und Sku trägt ihren Teil mit Nachthieben und Schlitzern bei. Hunter kreist kreischend über unseren Köpfen und schießt in mächtigen Flugangriffen auf seine Gegner herab. Langsam aber sicher lichtet sich das Kampffeld, bis wir schwer atmend inmitten besiegter Pokémon und großer Schmelzpfützen stehen. "Wir… haben es geschafft", sage ich, ein wenig verdutzt. Ich war zuversichtlich, dass wir gewinnen würden, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir so gut davon kommen würden. Natürlich hat Ronya mit ihren eigenen Pokémon alle anderen Bergbewohner von unserem Kampf ferngehalten, trotzdem erscheint es mir wie ein Traum, mich mit meinem Team alleine gegen so viele Pokémon vom Silberberg behauptet zu haben. "Wir sind die BESTEN!", jubele ich und schwinge mich von Jayjays Sattel. Sku springt mich an und schnurrt hochzufrieden, Hunter landet krächzend und mit den Flügeln flatternd auf Jayjays Rücken und Priss leckt sich delikat eine Pfote. Ich lasse von Sku ab und wende mich Gott zu, der hochzufrieden knurrt. Schon halb in der Hocke, um ihn in meine Arme zu ziehen, halte ich inne. Gott leuchtet. Dieses Mal sehe ich keinen Grund, seine Entwicklung zu unterbrechen. Mit einem Grinsen, das mein Gesicht zu sprengen droht, beobachte ich, wie das silbrige Licht Gotts muskelbepackten Körper einhüllt und wächst. Langsam richte ich mich wieder auf. Als das Lichtspektakel vorüber ist, fallen die Funken wie Neuschnee um Gott zu Boden. Ich hebe den Kopf und finde mich Auge in Auge mit meinem Tornupto. Hitze pulsiert von seinem Körper wie glühende Kohlen und die spitzen Ohren zucken aufgeregt. Ich strecke eine Hand aus und streiche über die türkisfarbene Schnauze. Das tiefe Vibrieren seiner Atemzüge ist bis in meine Finger zu spüren. Als er hechelt, strömt heißer Atem über meinen Arm und er fletscht die Zähne zu einem selbstzufriedenen Grinsen. Seine Rückenflamme, die nun entlang seiner Schulterblätter positioniert ist und fauchend empor zischt, erstickt in Sekundenschnelle, als ich mich um Gotts Hals werfe und mein Pokémon fest drücke. Gotts Pranken legen sich in einer vorsichtigen Umarmung um meine Taille, eindeutig unsicher, wie viel seiner geballten Kraft ich aushalte. Auch so sind seine Muskeln hart wie Stahl. Als ich aufschaue, blicken seine tiefroten Augen in meine. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie er als kleines Feurigel in meine Handfläche gepasst hat. Wir sind weit gekommen. Pling. Erschrocken löse ich mich aus der Umarmung und schaue zu Ronya, die schmunzelnd zu uns gestoßen ist und nun ebenfalls die Stirn runzelt. Gleichzeitig greifen wir nach unseren S-Coms. Es ist Wochen her, seit wir von Dark oder einem der anderen kontaktiert wurden.   Von: Ryan_Bittner_05 An: Team_Shadow_00 »Neuigkeiten bezüglich Team Rocket. »Nachrichten laufen in einer halben Stunde an.   "In einer halben Stunde?", fluche ich leise und rufe alle Pokémon außer Hunter zurück. Ronya verzieht genervt das Gesicht. "So schnell kann ich nicht unten sein", sagt sie. "Aber wenn es Neuigkeiten gibt, ist unsere Zeit hier wohl vorbei. Ich komme auf Entei nach." Ich nicke und schwinge mich auf Hunters Rücken. Bevor wir abheben, springe ich noch einmal ab und falle ihr um den Hals. "Falls wir uns nicht mehr sehen…", sage ich und schlucke die Tränen hinunter, "…vielen, vielen Dank. Für alles. Für Gott und das Training und dafür, dass du Louis geholfen hast und… pass einfach auf dich auf." Sie lacht und erwidert meine Umarmung. "Das sollte ich dir sagen. Du hast dich heute sehr gut geschlagen, Abby. Keine Mängel meinerseits." Sie löst sich von mir. "Du bist bereit. Ihr seid bereit." Ich nicke energisch, springe auf Hunters Rücken und hebe augenblicklich mit ihm ab. Der Blizzard hüllt uns in eine Wolke aus Eis und Schnee, aber unser kontinuierliches Training mit Nathan hat Hunter an die schlimmsten Wetterbedingungen gewöhnt. Es gibt nichts, was ihn jetzt noch aufhalten kann. "Los", flüstere ich und drücke mich eng an seinen Körper. Hunter holt Schwung und schießt durch die Lüfte, als die Agilität seine Geschwindigkeit maximiert. Wir rasen mit dem Wind, fliegen über den weißen Berghang unter uns und entdecken nur wenige Sekunden später Jayden, der auf seinem schwarzen Glurak gut erkennbar ist. Kurz darauf tauchen Washakwil und Ho-Oh auf und zu viert fliegen wir in Formation zum Rand des Berges, wo wir bislang unsere Absprünge geübt haben. "Steilflug?", schreie ich den anderen zu. Nathan nickt grinsend, während Jayden ein hallendes OH YEAH in den Himmel brüllt. Ohne auf ein weiteres Kommando zu warten, lehnen wir uns alle so weit zurück, dass wir Rücken an Rücken mit unseren Pokémon liegen. Im nächsten Moment gehen alle Flugpokémon in den Sinkflug, bis sie parallel zum Berg fliegen, legen ihre Flügel an und rasen im Sturzflug nach unten. Der Wind reißt an meinem Gesicht und meinen Haaren, meine Finger frieren selbst unter den Handschuhen ein und meine Beine beginnen nach wenigen Sekunden zu brennen, doch ich halte mich auf Hunters Rücken. Es dauert einige Momente, bevor mit klar wird, dass ich Golds Flugmanöver aus der Safari-Zone imitiere. Ein breites Grinsen schleicht sich auf meine Züge und im nächsten Moment schreie ich in unbändiger Freude. Egal, was Team Rocket getan hat, egal, was uns ab jetzt bevor steht… dieses Erfahrung, diese Zufriedenheit, wird mir niemand jemals nehmen können. Wir erreichen das Pokécenter schneller als je zuvor. Durchgefroren und mit steifen Beinen springe ich von Hunters Rücken und schüttele meine Hände aus. Die anderen Shadows tun es mir gleich, auch wenn sie nicht annähernd so viel stöhnen. Vor dem Eingang wartet bereits Melissa. "Dachte schon, ihr habt verschlafen", sagt sie grinsend und wirft mir einen kurzen Blick zu. Seit ich mich auf dem Silberberg halbwegs selbst behaupten kann, haben ihre schneidenden Kommentare abgenommen, auch wenn sie noch lange nicht nett ist. "Hast du schon einen Fernseher organisiert?", frage ich, ohne auf ihre Worte einzugehen und folge den anderen Mitgliedern ins Pokécenter, wo Schwester Joy in ihrem Haufen Bücher sitzt und erschrocken aufblickt. "Wollt ihr eure Pokémon heilen, während ihr die Nachrichten schaut?", fragt sie nervös. Ein kollektives Nicken geht durch die Runde. Wir lassen unsere Bälle in runden Plastikbehältern bei ihr. Anschließend führt Melissa uns in den Mediaraum, der weiter hinten im Pokécenter liegt. Warum ein Pokécenter am abgelegensten Ort Kantos einen Fernseher besitzt, ist mir zwar unbegreiflich, aber ich will mich nicht beklagen. Wir trollen uns auf den Boden und das einzigen Sofa und schalten auf PCN ein. Da wir uns so beeilt haben, läuft noch Werbung. Jayden stöhnt, springt auf und murmelt etwas von wegen Essen besorgen, dann verschwindet er aus dem stickigen Raum. "Jetzt wird es also ernst", meint Nathan und starrt auf den Fernseher. "Was denkst du, Abby? Wann werden wir uns aufteilen?" "Kommt auf die Nachrichten an", sage ich und ignoriere Melissas Schnauben, so als wäre Nathan bescheuert, ausgerechnet mich deswegen zu fragen. "Aber es ist schon Mai. Ich glaube nicht, dass wir viel mehr Zeit bekommen werden. " Nathan nickt nachdenklich und lässt sich tiefer in die Sofalehne sinken. Jayden kehrt wenige Minuten später mit Armen voller Chipstüten zurück, die er uns nacheinander zuwirft. Ich fange meine aus der Luft und begutachte die Verpackung kritisch. "Was Gesünderes gab´s wohl nicht", murmele ich. Nach sechs Wochen Müsliriegeln und tagealten Sandwiches hatte ich mir etwas frischeres erhofft. Trotzdem öffne ich die Tüte und bediene mich an dem salzigen Inhalt. Während Jayden sich neben Chris auf das Sofa fallen lässt und seinen Kopf auf ihrem Oberschenkel ablegt, nehme ich Melissa in Augenschein, die doch sicher etwas auszusetzen hat. Zu meiner Überraschung hat sie sich auf die Chips gestürzt, als gäbe es kein Morgen mehr. Sie fängt meinen Blick auf, schluckt runter und grinst mich frech an. "Problem?" Bevor ich mir einen Konter einfallen lassen kann, erklingt PCNs Tonfolge. Alle Augenpaare heften sich auf den kleinen Bildschirm.   "Meine Damen und Herren. In Anbetracht der Meldung, die uns gerade von Rockys Spezialeinheit erreicht hat, wird du heute Nachmittagsshow entfallen. Stattdessen erwartet sie eine Diskussionsrunde mit Alfred Phirello, Noah Reynes und Gold, die sich für ein Interview zur Verfügung gestellt haben."   Noah und Gold? Ich presse die Lippen aufeinander. Auf der einen Seite kann ich es nicht erwarten, Gold wieder zu sehen, wenn auch nur im Fernsehen, andererseits kann das Erscheinen der beiden Profis nichts Gutes bedeuten.   "Nach der Drohung, die vor einigen Wochen in Saffronia Citys Polizeirevier einging und einen Anschlag von Team Rocket im Mai ankündigte, hat die Verbrecherorganisation nun in einer anonym versendeten Nachricht veranlasst, ihren Anschlag Samstag den 19. Mai zu verüben."   "Das ist schon in fünf Tagen", murmelt Chris. Stumm beobachte ich, wie der Nachrichtensprecher weggeschaltet und durch das mir inzwischen sehr bekannte PCN Studio ersetzt wird, in dem alle von Alfreds Interviews stattfinden. Wie angekündigt sitzt er in seinem violetten Streifenanzug auf der roten Couch und lächelt in die Kamera.   "Liebe Zuschauer, wir begrüßen sie herzlich zu unserer Sondersendung hier bei PCN! Ich bin Alfred Phirello und heute haben wir für unsere Diskussion die beiden Asse im Ärmel der Polizei eingeladen. Begrüßen sie mit mir, den amtierenden Champion Noah Reynes und die Trainerlegende, Gold!"    Während beide jungen Männer ihren Auftritt haben, surrt mein S-Com. Ich schiele auf das Display, auf dem mir die Ziffern #01 entgegen leuchten. Ich drücke den grünen Annahmeknopf und hebe den Com an mein Ohr, während ich gleichzeitig Gold und Noah flüchtig in Augenschein nehme. Golds Augen sind tief in ihre Höhlen gesunken und das schwarze Haar, das unter seiner Cappie hervorguckt, ist matt und kraftlos. Noahs schokoladenbraune Haut leuchtet grell im Scheinwerferlicht und sein krauses, schwarzes Haar erinnert mich an Wolle. Er trägt Jeans und einen Strickpullover, der seinen schlanken Körperbau perfekt zu Geltung bringt. Gerade, als die Verbindung zu Dark hergestellt wurde, ertönt Nathans Stimme. "Verdammt, ist der heiß!" Alle Augen wenden sich in seine Richtung. Nathan wird puterrot und rutscht noch tiefer in die Polster, während Melissa ein leises Tsz von sich gibt, die Arme verschränkt und zur Seite guckt. Mir werden plötzlich eine Menge Dinge klar. Dark, der rechtzeitig in der Leitung war, um den Ruf mitzuhören, räuspert sich in mein Ohr.  "Ihr habt die Nachrichten laufen, wie ich höre." "Es sieht ziemlich übel aus", stimme ich zu, ohne Nathan aus den Augen zu lassen. "Fünf Tage reichen kaum, um alle Vorbereitungen abzuschließen." "Keine Sorge", sagt Dark. Alfred begrüßt in der Zwischenzeit enthusiastisch seine beiden prominenten Gäste. "Wir waren in eurer Abwesenheit nicht untätig. Ryan ist kurz davor, den Team Rocket Hauptserver zu knacken und wir hatten mehrere Gespräche mit Rocky. Gold und Noah werden heute Nacht zum ersten Mal in unserem Quartier sein, um die letzten Feinheiten mit uns zu besprechen. Weiterhin habe ich die Favoriten organisiert, wie du vorgeschlagen hast. Sie werden ebenfalls kommen." Ich atme erleichtert aus. Sicher war ich nicht, ob in meiner Abwesenheit alles flüssig ablaufen würde, aber Dark ist nicht umsonst Anführer. Er setzt zu einer Frage an, verstummt aber, als der Smalltalk im Fernsehen abbricht und Alfred sich vorlehnt.   "Gold, du bist seit deiner Rückkehr in die Polizeiarbeit eingebunden worden und patrouillierst Kanto und Johto täglich. Denkst du, Team Rocket wird seine Drohung wahrmachen und am angekündigten Termin seine Anschläge verüben?" "Ich kann es dir nicht sagen, Alfred. Aber wird dürfen Team Rocket unter keinen Umständen unterschätzen. Jetzt ist die Zeit für uns alle gekommen, zusammenzuarbeiten und ihrem verbrecherischen Treiben ein für alle Mal Einhalt zu gebieten." "Das erinnert mich sehr an die Worte unserer jungen Abby Hampton, die seit ihrer Motivationsrede vor über einem Monat verschwunden ist. Was kannst du uns dazu sagen?" "Ich bin Abbygail bereits persönlich begegnet. Sie ist eine mutige und engagierte junge Frau und ich unterstütze ihr Vorhaben, gemeinsam mit Team Shadow vorzugehen. Die Polizei und ich arbeiten bereits eng mit ihnen zusammen und wir sind froh, so starke Trainer an unserer Seite zu wissen. Lugia ist schnell, aber wir können nicht überall gleichzeitig sein." "Selbstverständlich, selbstverständlich. Noah, als Champ der Pokéliga ruhen alle Augen auf dir."   "Wenn er mit alle Nathan meint…", murmelt Jayden und lacht schallend, als Nathan ein Kissen schnappt und ihm damit ins Gesicht schlägt. Einige Sekunden lang herrscht totales Chaos, als Kissen durch das Zimmer fliegen, Melissa sich halb auf Jayden stürzt, auf Nathans Chipstüte ausrutscht und sich der Länge nach hinlegt. Geschockte Stille folgt, nur unterbrochen von dem laufenden Fernsehprogramm.   "−es mir eine Ehre, meiner Region mit meinen Fähigkeiten helfen zu können. Die Verhandlungen mit der Liga haben sich in die Länge gezogen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir morgen ein Okay für die Beurlaubung der Top Vier und Arenaleiter erhalten werden, damit diese problemlos ihre lokalen Trainergemeinschaft anweisen und unterstützen können." "Lassen Sie mich diese Gelegenheit nutzen, um erneut unsere Trainer-helfen-Trainern-Kampagne vorzustellen! Getreu dem Aufruf von Team Shadow haben sich in allen Städten Kantos und Johtos Trainergruppierungen gebildet, die von der Polizei Kurse zum Thema Selbstverteidigung und Erste-Hilfe bekommen. Wenn auch Sie sich für ihre Region einsetzen möchten, melden Sie sich bei ihrem lokalen Pokécenter oder der nächsten Arena. Dank Noahs Bemühungen werden die Arenaleiter schon bald ganztägig Hilfe leisten können. Mitglieder von Team Shadow und der Top Vier werden zusätzlich auf die Städte verteilt."   "Das Treffen beginnt um elf Uhr. Könnt ihr bis dahin hier sein?", fragt Dark. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Inzwischen ist es kurz nach sechs. "Wird knapp, aber wir sollten es hinkriegen", sage ich. Dann, mit einem schiefen Blick zum Rest der Truppe, "Warum rufst du nur mich an? Sollen die anderen nicht da sein?" "Die Teilnahme ist freiwillig", erklärt Dark. "Es wird wahrscheinlich keine großen Neuerungen geben, also ist es nicht wichtig, dass alle hier sind. Gerard ist schon nach Dukatia City gereist, wie du vorgeschlagen hast. Amy und Ryan sind noch hier." "Ich kläre das", sage ich, dann, bevor ich es mir verkneifen kann, "Warum ist das Meeting so spät abends?" Darks Stimme nimmt einen amüsierten Unterton an. "Amy wollte dabei sein. Ich werde sie gleich aufwecken. Wir sehen uns später." Ich lege auf und schaue zum Fernseher, doch das wichtigste Gesprächsthema ist vorbei und so gerne ich mich an Gold und Noah sattsehen würde, gibt es dringendere Probleme. Immerhin werde ich die beiden heute Abend noch live zu Gesicht bekommen. Bei dem Gedanken daran zieht sich alles in mir zusammen. Ich kann es kaum noch erwarten!  "Alle mal herhören", rufe ich und warte, bis selbst Melissa den Kopf dreht und mir ihre Aufmerksamkeit schenkt. "Heute Nacht ist im Hauptquartier ein letztes Strategietreffen geplant. Teilnahme ist freiwillig, aber Gold, Noah und die Favoriten werden mit von der Partie sein. Wer Interesse hat, fliegt jetzt mit mir zurück nach Prismania City. Alle anderen steuern ihre zugewiesenen Städte an und machen sich mit den dortigen Sicherheitsmaßnahmen, Trainern und Arenaleitern bekannt." Ein kollektives Stöhnen geht durch die Runde, aber davon lasse ich mich nicht beirren. Es muss ja niemand um einen Orden kämpfen. "Noah war der… Dunkelhäutige?", fragt Nathan mit gespielt desinteressiertem Ton. Melissa schnaubt und Jayden bricht in einen heiseren Lachanfall aus. "Genau der", stimme ich grinsend zu. "Unser amtierender Champion. Willst du ihn kennen lernen?" "Schaden würde es nicht", sagt Nathan und kratzt sich verlegen am Kopf. Melissa springt auf und stapft davon. "Ich komme auch mit!", ruft sie noch, bevor sie aus dem Mediaraum stürmt. "Da ist ja jemand überhaupt nicht eifersüchtig", bringt Jayden mühsam hervor und klopft sich bei Nathans Anblick hemmungslos auf seine Knie. Nathan murmelt etwas, dass sich ganz stark nach immer dasselbe mit ihr anhört. Chris nutzt den Moment, um sich ebenfalls in die Diskussion einzubringen. "Sie ist sehr eifersüchtig", stellt sie Jaydens Aussage richtig. "Das sieht man doch." Jayden schielt zu ihr. "Du hast Recht Chris", meint er und tätschelt liebevoll ihren Kopf. "Mein Fehler." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)