The last Gummi von Kita ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war ein warmer Tag. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten ausgelassen. Nichts deutete darauf hin, dass ein Schatten das Gummibärental überlagerte. Drei Tage war es mittlerweile her, seit Tummi und Gruffi spurlos verschwunden waren. Drei Tage, in denen Grammi vor Sorge beinahe umkam, wenn sie nicht gerade fluchend gegen Gruffi wetterte, der ihren armen kleinen Tummi sicherlich in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht hatte. Zummi versuchte sich mehr als einmal an einem Suchzauber, doch alle Spuren liefen ins Leere. Einmal war die Antwort „ein Loch im Ozean“ – Zummi und auch die anderen verwarfen diese Antwort (wie alle anderen zuvor) als erfolglosen Versuch. Cubbi vermutete, dass Lord Igzorn seine Finger im Spiel hatte, doch auch ihre Ermittlungen in dieser Richtung liefen ins Leere. Verzweiflung ergriff von der kleinen Familie Besitz und bedrückte Stille beherrschte das sonst so fröhliche Tal. Eines Tages spielte Cubbi in den Schnelltunneln – eigentlich saß er nur auf den Felsen und warf lustlos Steine in die Höhle, doch er wollte Grammi nicht noch mehr Sorgen bereiten und so gab er vor, dass seine unschuldige Kinderseele nicht verstand, warum die anderen so besorgt und schweigsam waren. Als das leise Klackern eines weiteren Steins verhallte, hörte der Gummibär noch etwas anderes – ein leises, aber durchdringendes Zischen, das Geräusch eines sich nähernden Schnellwagens. „Sie kommen!“, platzte aus ihm heraus, als er in die Wohnung stürmte. „In den Schnelltunneln! Sie sind wieder da!!“ Augenblicklich waren die Gänge wieder erfüllt von aufgeregtem Rufen und dem Geräusch trippelnder Schritte, als die vier verbliebenen Bären voll vorsichtiger Hoffnung in die Tunnel liefen. Das Zischen war mittlerweile lauter geworden und wurde zusätzlich untermalt von einem charakteristischen Brummen, das die Höhle sachte vibrieren ließ. Aber da war noch etwas. „Hört ihr das auch?“, fragte Sunni verwirrt. „Das klingt ja wie ein Schrei!“ Cubbi schüttelte den Kopf. „Ich denke eher wie Freudengeheul …“ „Dann kann es auf keinen Fall Gruffi sein“, feixte Grammi. „Der würde nicht einmal in Freudengeheul ausbrechen, wenn wir Igzorn und seine Ungeheuer endlich los wären!“ „A-aber wer kann es dann sein?“, fragte Zummi unsicher. Niemand antwortete. Gespannt starrten sie in den Tunnel, bis das Vibrieren zu einem lauten Donnern angeschwollen war. Auch das Schreien – es war eindeutig Freudengeheul – war lauter geworden und sie alle erkannten einwandfrei, dass es sich nicht um Tummi und schon gar nicht um Gruffi handelte. Dann kam der Schnellwagen mit kreischenden Bremsen und gewohnt ruckartig vor ihnen zum Stehen. Es waren tatsächlich Gruffi und Tummi, die in ihm saßen. Doch sie waren nicht allein. Mit großen Augen starrten die anderen den fremden Bären an, der auf der Rückbank saß und noch immer die Hände zur Decke streckte. „Wow, war das ne Fahrt!“, jauchzte er. „So einen Spaß hatte ich nicht mehr, seit ich vor acht Jahren den großen Wasserfall runter gerutscht bin! Können wir das noch mal machen?!“ Gruffi beantwortete seine Frage mit einem genervten Augenrollen und der blaue Bär zuckte gleichmütig mit den Schultern. Dann bemerkte er die anderen Bären, die ihn mit offenen Mündern anstarrten und strahlte über das ganze Gesicht. „Gummibären!“ Leichtfüßig schwang er sich aus dem Wagen und packte die total verdutzte Grammi an der Hand. „Du musst Grammi sein! Ich habe ja so viel von dir gehört! Wenn man Tummi glauben kann, dann musst du die beste Köchin diesseits des Meeres sein!“ Irgendwann hörte er auf, ihre Hand zu schütteln – und die alte Bärin gleich mit – und wandte sich an Zummi, um auch diesen mit stürmischem Händedruck zu begrüßen. „Und du bist bestimmt der Zauberer! So zerstreut wie Gruffi behauptet hat, siehst du gar nicht aus!“ „Eh … danke?“, stammelte Zummi, während er sich seinen verrutschten Zwicker gerade rückte. „Und ihr“, der Fremde drehte sich zu Cubbi und Sunni um, „seid dann die Kleinen!“ Er musterte sie einen Moment lang unschlüssig, dann lachte er. „Nach Gruffomundos Erklärungen habe ich etwas Kleineres erwartet!“ „Gruffomund…“, begann Cubbi, doch eine krächzende Stimme unterbrach ihn: „Hörst du eigentlich noch mal auf zu Reden? Du musst doch irgendwann mal Luft holen!“ Aus dem Tunnel flatterte ein schwarzer Vogel mit viel zu großem Schnabel und ließ sich schnaufend auf der Schulter des Bären nieder. Der wiederum lachte lauthals. „Hey mein Alter, ich dachte schon, wir hätten dich unterwegs verloren!“ „E-entschuldige bitte, aber“, schaltete sich nun zögernd Zummi ein, „wer bist du?“ Der Gummibär musterte ihn einige Sekunden lang schweigend, dann schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. „Wo hab ich nur meine Manieren?!“ Erneut ergriff er die Hand des Zauberers und danach noch einmal die von Grammi. „Ich bin Augustus Gummibär, aber meine Freunde nennen mich Gusto!“ „S-sehr erfreut“, antwortete Zummi, erneut seinen Zwicker zurechtrückend. „Woher-“, begann Grammi, doch Tummi unterbrach sie: „Können wir das nicht beim Essen bereden?“ Er zupfte verlegen an seinem Wams. „Ich bin am verhungern …“ Grammi strahlte und nickte augenblicklich. „Natürlich, Tummilein, wir müssen das alles ja auch nicht hier im Türrahmen besprechen! Na los, kommt rein und ich koche uns ein herrliches Essen!“ „Prima Idee“, grinste Gruffi. „Vielleicht sehnt sich Gusto dann bald zurück nach seiner Insel …“ Sie betraten die Wohnung und Gusto sah sich mit großen Augen um, während er ohne nennenswerte Pausen weiter plapperte. „Wunderschön! Diese Formen, dieser Stil! Nun ja, die Gemälde sind ein wenig altbacken, aber irgendwie auch sehr rustikal!“ Auf einen fragenden Blick von Grammi murmelte Tummi nur: „Er ist ein Künstler!“ Weiter vorne in der Reihe flüsterte Zummi zu Gruffi: „Wer ist dieser Gummibär?“ Sie hatten in der Vergangenheit schon einmal Erfahrung mit einem Kobold gemacht, der sie, als Gummibär verkleidet, in eine Falle locken wollte. Er war vorsichtig geworden. Doch Gruffi zuckte mit den Schultern und raunte ihm die Kurzfassung ihrer Geschichte zu: „Wir haben Tummis Boot getestet und sind aufs Meer getrieben worden und auf einer einsamen Insel gestrandet. So wie er, allerdings ist das bei ihm zwölf Jahre her.“ Er schnitt eine Grimasse. „Die Sonne hat ihm den Verstand weggebrutzelt, wenn du mich fragst. Das und die Einsamkeit. Und ich glaube, ein wenig Veranlagung ist auch im Spiel.“ Zummi drehte sich unauffällig zu Gusto um, der die Inneneinrichtung mit kritischem Auge musterte, und nickte sachte. „Er macht einen leicht verwirrten Eindruck.“ Gruffi schnaubte leise. „Verbring du mal mehrere Tage mit ihm in einem winzigen Boot. Da beginnst du zu überlegen, was leichter wäre – ihn über Bord zu schmeißen, oder lieber gleich selber zu springen!“ Zummi ersparte es sich, darauf etwas zu antworten. Während Cubbi sich auf die Zunge beißen musste, um den fremden Bären nicht mit den Tausend Fragen zu löchern, die ihm auf der Zunge brannten, begnügte Sunni sich damit, ihn mit großen Augen anzustarren. Er war jung. Bei Weitem nicht so jung wie sie und Cubbi, nicht einmal so jung wie Tummi, aber jünger als Gruffi und wesentlich jünger als Zummi. Ein Erwachsener, der noch einen Hauch Jugend an sich haften hatte. Und obwohl sie nicht abstreiten wollte, dass er ein wenig … seltsam wirkte, konnte sie genauso wenig abstreiten, dass sie ihn sehr faszinierend fand. Nur wenig später saßen sie im großen Wohnzimmer der Gummibären um den Tisch herum und Gruffi erzählte ihnen ihre Geschichte. „Und jetzt sind wir endlich wieder hier …“, schloss er seine Ausführungen und sah in die Runde. Die anderen Gummibären hatten gebannt an seinen Lippen gehangen und starrten ihn nun schweigend an. Es fiel ihnen schwer, das Gehörte so schnell zu verdauen. Doch dann hielt Cubbi es einfach nicht mehr aus und seine Fragen platzten aus ihm heraus: „Woher kommst du?! Wenn Gruffi sagt, sie haben dich auf einer Insel mitten im Ozean gefunden, heißt das, dass du aus Neu Gumminea kommst?!“ Auch die anderen sahen den siebten Bären nun an. Die Antwort auf diese Frage interessierte sie alle, und Gruffi wunderte sich nicht zum ersten Mal an diesem Tag, dass er sie dem Künstler noch nicht selbst gestellt hatte. Gusto jedoch schüttelte den Kopf. „Nein. Nein, ich komme nicht aus Neu Gumminea. Ich war auch noch nie dort. Aber“, sein Blick wurde traurig, „meine Heimat war nicht einmal sehr weit vom Land der Großen Gummibären entfernt …“ Der Vogel auf seiner Schulter pickte ihn ins Ohr. „Hör auf, Trübsal zu blasen, Kumpel! Du hast doch tolle neue Bekanntschaften gemacht!“ Und mit diesen Worten plusterte er sich voller Stolz auf und grinste Gusto frech an. Der Bär lachte leise und schnippte dem Tukan gegen den Schnabel. „Hast ja Recht …“ Er wandte sich wieder an die anderen. „Da ihr das fragt … nehme ich an, dass wir ziemlich weit weg sind von Neu Gumminea?“ „Das könnte man so sagen“, antwortete Zummi, mit einem Hauch von Enttäuschung in der Stimme. „Schade, wir hatten gehofft, du könntest uns etwas über die Großen Bummigären, äh, Gummibären erzählen.“ Er sah in die Runde. „Wir hoffen schließlich schon sehr lange auf Nachricht von ihnen.“ Gusto musterte ihn einen Augenblick lang schweigend, dann fragte er: „Wo genau sind wir hier? Wie nennt sich diese Gegend?“ „Das ist das Königreich Dunwyn“, erklärte Sunni voller Stolz. Gusto horchte auf. „Dun…wyn?“ Ruckartig stand er auf und warf einen erneuten Blick in seine Umgebung. Dann drehte er sich wieder zu den Bären um, die ihn mit leicht besorgten Mienen musterten. „Gummi Glen … das hier ist Gummi Glen, nicht wahr? Ihr seid es wirklich!“ Mit weit aufgerissenen Augen ließ er sich wieder auf seinen Stuhl fallen. „Ihr seid die Nachfahren derer, die nicht mit den anderen über das Meer geflohen sind … es gibt euch noch immer!“ Plötzlich strahlte er. „Es gibt noch Gummibären auf dieser Seite des Ozeans. Das sind gute Nachrichten …“ „Du meinst, man erzählt sich Geschichten über uns?“, fragte Sunni unsicher und Gusto nickte. „Ja. Geschichten über die mutigen Bären von Gummi Glen, die damals nicht die Flucht ergriffen haben, sondern hier geblieben sind, um alles in Schuss zu halten. Die nicht vergessen haben, dass Gummibären und Menschen einst Seite an Seite gelebt haben, und die hoffen, dass dies in ferner Zukunft wieder so sein wird!“ Seine Augen strahlten, als er in die kleine Gruppe blickte. „Ihr seid so etwas wie Helden in meiner Heimat!“ Bevor jemand etwas sagen konnte, stand Grammi auf und lächelte ihn an. „Komm, Gusto, du hast eine lange Reise hinter dir … für’s Erste mache ich dir das Gästezimmer fertig, ja?“ Dankbar nickte Gusto und folgte der Bärin aus dem Zimmer. Kaum hatten sie die Türschwelle passiert, ließ Gruffi den Kopf auf die Tischplatte fallen. „Jetzt wird er bei uns einziehen … womit habe ich das eigentlich verdient?“ „Ich finde das total aufregend!“, rief Cubbi und sprang von seinem Stuhl, wobei er sein Holzschwert zog und es wild herumwirbelte. „Habt ihr gehört, was er gesagt hat, wir sind Helden in seiner Heimat!!“ „Ja“, seufzte Sunni leise. „Ich habe alles gehört, was er gesagt hat.“ Mit leicht verträumtem Blick sah sie zur Decke. „Das ist wirklich so aufregend …“ Etwas am Klang ihrer Stimme alarmierte Gruffi aufs Höchste, ohne dass er sagen konnte, was es war oder warum. Er stand auf. „Wir werden ihm vieles beibringen müssen. Er kann hier nicht mehr so leben wie auf seiner Insel. Es gibt hier Regeln. Und vor allem“, sorgenvoll blickte er in die Richtung, in die Gusto mit Grammi verschwunden war, „gibt es hier Menschen. Er wird lernen müssen, sich versteckt zu halten. Monströse Statuen sind in diesen Gefilden nicht mehr möglich …“ „Er wird es lernen, Gruffi“, sagte Zummi zuversichtlich und legte dem braunen Bären die Hand auf die Schulter. Er lächelte. „Wir sind nicht allein. Irgendwo hinter dem Ozean gibt es sie noch, die Großen Gummibären, und sie warten auf Nachricht von uns. Das sind großartige Neuigkeiten … findest du nicht?“ Gruffi löste mit einem leisen Seufzen seine verschränkten Arme und sagte: „Kann sein. Aber uns erwarten hier großartige Probleme …“ Er sah mit bekümmerter Miene in eine Zukunft, die durch die Anwesenheit des neuen Bären um einiges chaotischer werden würde, als ihm lieb war … Ende? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)