Die Legende von Shikon No Yosei von Ami_Mercury (Das Schicksal einer Elementarmagierin) ================================================================================ Kapitel 11: Buch 05: Das Ende der Legenden? ------------------------------------------- Teinai´s Zeichen Ohtah Ryutaiyo erwachte am frühen Morgen. Ein wohliger Schauer ließ ihn zusammenzucken, als er an die vergangene Nacht dachte. „Shiko … ich liebe dich …“, flüsterte er, aber seine Hand fasste ins Leere, „ Shiko? Wo bist du?“ Der Assassine ging in die Küche, dort saß bereits Seiketsu No Akari am Frühstückstisch. „Sie hat bereits vor Sonnenaufgang das Haus verlassen.“, erklang die Stimme der Mönchin beinahe monoton. Verblüfft sah Ohtah Ryutaiyo sie an und fragte: „Weißt du, wo sie hingegangen ist?“ „Du weißt genauso gut wie ich, dass es nur einen Ort gibt, den Shiko so früh aufsuchen würde …“, antwortete Seiketsu No Akari melancholisch, „Ohtah, du solltest sie-“ Doch der einstige Am Fah hörte ihr nicht weiter zu und stürmte zur Tür hinaus. „Ach, Ohtah … Du kannst sie nicht zwingen. Es ist viel geschehen zwischen euch … vielleicht zu viel.“, flüsterte sie vor sich hin und stand auf. Ohtah Ryutaiyo lief über die Felder. Dann blieb er abrupt stehen, sah hoch zur Sonne. „Ich war ein Idiot. Schlimmer noch … ein Vollidiot! Ich war viel zu oft und viel zu lang im Auftrag des Kaisers unterwegs. Dabei wollte ich Shiko nie mehr allein lassen! Ich habe sie verletzt … Aber das wird heute alles ein Ende haben. Heute ist es soweit!“, flüsterte er fest entschlossen. Als er weiterging, entdeckte er sie auf Knien vor ihrem Schrein, den Shikon No Yosei nach Meister Togo´s Tod erbaut und nachdem Teinai´s Seele ihren Körper verlassen hatte, für ihre treue Freundin erweitert hatte. „Meister Togo … ich wünschte, Ihr könntet mir raten. Teinai … ich brauche Kraft, um meine Entscheidung treffen zu können. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll … Ich liebe Ohtah! Ich liebe ihn mehr, als alles andere auf dieser Welt und darüber hinaus. Doch er lässt mich immer wieder allein … Er glaubt, ich wüsste nicht, was er tut. Aber ich sehe es tief in seinen Augen …“, bete Shikon No Yosei, „Ich bitte euch … schickt mir ein Zeichen! Helft mir …“ Die rotharrige Shing Jea wurde von gleißendem Licht eingehüllt und eine vertraute Stimme erklang über ihr: „Meine liebe Shiko, ich habe zwar deinen Körper verlassen und bin in die Nebel zurückgekehrt … aber ich werde immer bei dir sein! Und auch wenn du inzwischen sogar deine wahre Macht entdeckt hast … ist da irgendwo in deinem Innern noch das leicht naive Mädchen, das vor so langer Zeit zum Kampf gegen Shiro Tagachi aufgebrochen ist. Du hast mich um Hilfe, um Rat gebeten … dir ein Zeichen von mir gewünscht, auf dass du die richtige Entscheidung getroffen hast – du weißt im Grunde selbst, dass du sie bereits getroffen hast. Darum … solltest du dich umdrehen und deinen Gefühlen einfach freien Lauf lassen!“ Shikon No Yosei´s Augen füllten sich mit Tränen, als sie ihrer Anweisung folgte. Auf dem Feldhügel hinter ihr stand Ohtah Ryutaiyo und schaute ihr in die Augen. Er ging langsam auf sie zu, bis er schließlich wenige Zentimeter vor ihr stehenblieb. „Du hast jedes Wort gehört, nicht wahr?“, fragte sie zaghaft. Ohtah Ryutaiyo hielt ihr seine Hand hin und nickte. Sie nahm seine Hand und er kniete nieder. „Shiko … bitte, hör´mich an.“, begann Ohtah Ryutaiyo etwas zaghaft, „Damals … als ich von deiner Ankunft in Kaineng erfuhr, habe ich mich sofort auf die Suche nach dir gemacht. Es hieß Meister Togo käme mit seiner persönlichen Schülerin in die Hauptstadt, weil uns etwas Schreckliches bevorstünde … Ich befürchtete, du könntest ins Visier der Am Fah geraten … Schließlich hatte dich Meister Togo auserwählt, um dieses bevorstehende Übel abzuwenden – Grund genug für meine ehemalige Gilde dich zu töten. Aber dann … dann habe ich dich auf dem Vizunahplatz gesehen … wie du Meister Togo mit deinem Leben beschützt hast. Und ich sah in dein Gesicht … Deine Augen hielten mich von ersten Moment an gefangen … Auch jetzt noch. Diese Augen, wie geschmolzene Schokolade … Von diesem Tag an gab es für mich nur noch einen einzigen Lebensinhalt … dich zu beschützen! Während unserer Reise durch Cantha wurden meine anfänglichen Empfindungen zu echten Gefühlen. Noch bevor wir uns bei der Feste Maatu trennten, war ich mir meiner Liebe zu dir bewusst … Zu dieser Zeit habe ich mir selbst geschworen, dir meine Gefühle zugestehen, wenn wir Shiro besiegt hätten.“ Die Hand von Shikon No yosei zitterte, während die Tränen stumm ihre Wangen hinabrannen. „Und ich danke den Geistern der Nebel und den Sechs Göttern, dass du meine Liebe erwiderst. Doch … in den vergangen Monaten habe ich dich allein gelassen … Dafür möchte ich dich um Verzeihung bitten … Shiko … ich liebe dich! Nie könnte ich eine andere so lieben, wie dich liebe!“, erklärte Ohtah Ryutaiyo und hielt ihre Hand fester, „Shiko … Shikon No Yosei … Verteidigerin von Cantha und Shing Jea … Retterin von Tyria und Elona … Vernichterin der Zerstörer und Vertraute der Asura … ich, Ohtah Ryutaiyo, bitte dich … werde meine Frau!“ Die schöne Elementarmagierin sank langsam neben ihn auf die Erde, ihre Stirn berührte beinahe seine, als sie antwortete: „Noch vor wenigen Stunden hätte ich nicht gewusst, was ich dir auf diese Frage geantwortet hätte … Doch du hast Teinai´s Worte ebenso gehört wie ich. Es stimmt … ich habe meine Entscheidung vor langer Zeit getroffen. Ja! Ja, ich will! Ich will deine Frau werden und mein Leben mit dir verbringen, Ohtah!“ Er nahm ihr Gesicht in seine Hände und flüsterte: „Ich lass´ dich nie wieder los, Shiko … Das verspreche ich dir! Nie wieder …“ So hielt Ohtah Ryutaiyo hielt sie fest in seinen Armen, während sie sich zärtlich küssten. Kurz darauf scherzte der gewiefte Assassine: „Wir sollten gehen – sonst feiert Seiketsu noch ohne uns.“ Auf Shikon No Yosei´s Gesicht trat ein verwirrter Ausdruck und sie fragte: „Feiern? Seiketsu weiß doch nichts von unserer Verlobung. Oder?“ „Sag´ nicht du … Hast du es vergessen? Heute ist dein Geburtstag, Shiko!“, erwiderte er lächelnd. Sie begann schallend zu lachen. Das habe ich wirklich vergessen! Ohtah Ryutaiyo legte Shikon No Yosei die Hände auf die Augen, kurz bevor das Dorf Tsumei in Sichtweite kam. Seiketsu No Akari wartete bereits. Und sie war nicht allein. „Ich nehme jetzt die Hände runter, Shiko … Du darfst die Augen öffnen.“, flüsterte Ohtah Ryutaiyo. Shikon No Yosei tat wie geheißen und wurde vom Sonnenlicht geblendet. Sie blinzelte ein paar mal, bevor sie klarsehen konnte. Doch was sie vor sich sah, kam ihr vor wie ein Traum und trieb ihr erneut Tränen in die Augen – außer ihrer Seelen-Schwester standen da noch ihre Tante Adeptin Bishu, Bruder Mhenlo, Tahlkora, Koss, Melonni, Gwen, Jora, Vekk und Odgen vor einem kleinen Pavillon. „Wir wünschen dir alles Gute zum Geburtstag, Shiko!“, erklang es aus ihren Mündern. Die Elementarmagierin stand ihnen sprachlos gegenüber und antwortete dann langsam: „Das … das ist ja unglaublich … Seid ihr alle wegen mir gekommen? Danke! Danke! Danke!“ „Ohtah und ich dachten, du würdest deine Freunde sicher gerne wiedersehen wollen. Deshalb hat er dein tragbares Portal … entwendet.“, erwiderte Seiketsu No Akari lächelnd. Darüber lachte der tyrianische Mönch: „Ohtah würde eben alles tun, um Shiko glücklich zu machen.“ Tahlkora ging auf Shikon No Yosei zu und sagte: „Shiko, es ist so schön dich wiederzusehen. Elona ist wieder hergestellt, das haben wir dir zu verdanken! Alle Seelen der Menschen, Tiere und Pflanzen, die von Abaddon berührt wurden, sind geläutert. Und Dunkuro wurde zum neuen Speermarschall ernannt – Morgahn ist seine rechte Hand, deshalb konnten sie leider nicht mitkommen.“ „Ich freu´ mich so für euch.“, meinte Shikon No Yosei überglücklich. Gwen kam als nächstes, nachdem sich Tahlkora zurückgezogen hatte und erzählte: „Ich weiß, das klingt jetzt seltsam, aber … ich soll dich von Brandor und seinem Trupp grüßen. Sie wünschen dir alles Gute. Auch die Ebon-Vorhut sendet durch mich ihre Grüße.“ Shikon No Yosei umarmte sie und entgegnete: „Ich bin froh, dass du hier bist, Gwen. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, nach allem was geschehen ist.“ „Ich weiß inzwischen, dass Brandor und viele andere Charr … anders sind. Aber die Anhänger der Schamanenkaste werden ihre gerechte Strafe erhalten!“, bemerkte die junge Mesmer entschlossen. „Wenigstens ist der Krieg gegen die Zerstörer beendet.“, meldete sich Odgen zu Wort, „Jalis und seine Zwerge haben wohl ganze Arbeit geleistet.“ Vekk nickte zustimmend und fügte hinzu: „Die Asura haben das Portalnetzwerk wieder für sich. Na ja … wenn man Odgen nicht mitzählt. Die Asura werden Euch für immer dankbar sein, Shiko.“ „Auch ich bin euch zu Dank verpflichtet … euch allen.“, antwortete Shikon No Yosei und sprach nun lauter, „Ohne Unterstützung hätte Shiro den Kampf gewonnen und Cantha wäre ins Verderben gestürzt … Auch im Kampf gegen den Lich hatte ich Hilfe, ohne die ich unterlegen gewesen wäre. Und mit den richtigen Verbündeten wird alles möglich, sogar einen Gott zu stürzen. Der letzte Kampf war dennoch der schwerste von allen. Nur durch Energie, jenseits der Unendlichkeit, die mir durch Freundschaft und Liebe verliehen wurde, konnte der Kampf gewonnen werden … Ich werde all meine Kampfgefährten für immer in meinem Herzen behalten … Auch wenn wir weit von einander entfernt leben, wir bleiben verbunden! Ohne jene, die mich auch meinem Weg begleitet haben, wäre ich nicht die Shikon No Yosei geworden, die ich heute bin. Kein Wort könnte ausdrücken, wie sehr ich euch allen dafür danke!“ Ohtah Ryutaiyo legte ihr eine Hand auf die Schulter und widersprach lächelnd: „Du bist nicht die einzige, die zu danken hat … Ich glaube, ich spreche für jeden einzelnen, wenn ich dir sage … Du hast unser Leben geprägt, verändert und bereichert! Dafür lieben wir dich … Und wann immer du uns brauchst, werden wir an deiner Seite sein!“ Zurück in die Vergangenheit Ohtah Ryutaiyo hatte ein ungutes Gefühl, als er die Küche am nächsten Morgen betrat. Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari schliefen noch, die Feier hatte immerhin bis weit in die Nacht hinein gedauert. Aber etwas stimmte hier einfach nicht … Sein Blick schweifte umher. Seiner Kehle wäre beinahe ein Schrei entfahren, doch er hatte gelernt, sich zu beherrschen. In einem der Holzbalken steckte ein silberner Dolch, der eine Nachricht befestigte. Allein der Dolch selbst verriet ihm, von wem das Schreiben stammte. Sie hatten ihn also gefunden … Ein melancholischer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. Einst war er der beste Assassine in der Geschichte der Am Fah gewesen, doch nun gab es anscheinend einen noch besseren. Wütend riss Ohtah Ryutaiyo das Schreiben von der Wand ab. „Niemand ist geeigneter vor den Am Fah zu fliehen, als ein Am Fah …“, flüsterte er, wie einst vor so vielen Jahr, als er die Gilde verlassen hatte, und sah auf das Schreiben, „Aber … es ist wohl auch niemand fähiger einen Am Fah zu jagen, als die Am Fah.“ Er spürte die tobende Wut in sich und las leise für sich die Nachricht: „Sehr geehrte Shikon No Yosei, unserem Kenntnisstand nach lebt Ihr mit dem Verräter Ohtah Ryutaiyo zusammen im Dorf Tsumei, hier in diesem behaglichen, kleinen Haus … Eine Tatsache, die unsere hochgeschätzte Gilde natürlich keinesfalls dulden kann! Demnach werdet Ihr verstehen, dass Ihr zum Schutz Eurer restlichen Familie und auch zu Eurer eigenen Sicherheit diese Verbindung mit sofortiger Wirkung lösen müsst … Ihr werdet sicher einen tiefen Widerwillen gegen diese Forderung verspüren … aus Eurer Lage vielleicht sogar verständlich – aber wie bereits erwähnt, solltet Ihr auch an den Rest Eurer Familie denken. Wenn Ihr bereit seid uns von Eurer Trennung zu überzeugen, trefft uns in drei Tagen an den Docks von Kaineng. Allein. Um Punkt Mitternacht. Andernfalls … werden wir Eurem Dorf einen Besuch abstatten. Gezeichnet, Rien, Gildenmeister der Am Fah.“ Ohtah Ryutaiyo zerknitterte den Brief zwischen seinen Fingern. Er kannte die Methoden seiner ehemaligen Gilde. Psychologische Kriegsführung war nur eines ihrer Mittel. Doch das schlimmste an der ganzen Sache war, dass sie die Möglichkeit besaßen ihre Drohungen wahrzumachen. Der ausgezeichnete Assassine wusste auch, was sie wirklich beabsichtigten – sie wollten nicht Shikon No Yosei. Die Verteidigerin von Cantha und Shing Jea genoss ihren Ruf nicht grundlos. Nein, sie wollten etwas anderes … jemand anderen. Sie wollten ihn – ihn, Ohtah Ryutaiyo, der die Gilde verlassen und verraten hatte. Die Zeit des Weglaufens, des Versteckens war vorbei. Er musste gehen. Auch wenn er seinen Schwur damit erneut brechen würde … „Nein, ich breche ihn nicht.“, flüsterte er bestimmt, „Ich habe geschworen Shiko vor allem Unheil zu bewahren … Nur wenn ich gehe, kann ich ihr Leben weiterhin schützen. Auch wenn ich ihr dafür das Herz brechen muss … Hauptsache sie ist am Leben. Das ist alles, was zählt! Verzeih´ mir, Shiko … Ich habe keine andere Wahl. Ich muss dich verlassen … für immer.“ Dieser Abschied würde ihr beider Herz zerreißen … Die Sterne strahlten in einem seltsamen Licht in dieser Nacht. Ohtah Ryutaiyo´s Schritte wurden vom Geräusch der Wellen überlagert. Er spürte die Anwesenheit mehrerer Personen und rief laut: „Ihr habt diesen Brief nur deshalb an Shiko geschrieben, weil Ihr mich wollt. Also, gut … Hier bin ich!“ Ein Lachen erklang und jemand sagte: „Man merkt, dass du von den besten unserer Gilde ausgebildet wurdest … Ohtah Ryutaiyo!“ „Ja. Pläne zu durchschauen war und ist noch heute mein tägliches Geschäft.“, antwortete der geschickte Assassine, „Euer Ziel ist erreicht … Ich werde mich fügen! Deshalb lasst meine Familie und meine Freunde in Ruhe! Sie haben nichts mit meinem Verrat zu tun.“ „Obwohl du unsere Gilde verlassen hast, bist du eine Legende unter den Am Fah … Sie verehren dich.“, erklärte ein Mann, der etwas jünger war als Ohtah Ryutaiyo und plötzlich vor ihm auftauchte, „Doch in Wahrheit bist du nur ein liebeskranker Trottel!“ Weitere Gestalten lösten sich aus den Schatten und umzingelten Ohtah Ryutaiyo. Er wehrte sich nicht gegen sie. Solange er sich fügte, wäre Shikon No Yosei in Sicherheit … Ihr Leben war weitaus ihm wichtiger, als seine Freiheit. Seiketsu No Akari hielt Shikon No Yosei fest in ihren Armen. Ihre Seelen-Schwester konnte sich nicht länger aus eigener Kraft auf den Beinen halten. Sie presste den Brief zitternd an sich. Immer und immer wieder wanderten ihre Augen über die wenigen Zeilen, die Ohtah Ryutaiyo ihr hinterlassen hatte: „An Shikon No Yosei, die Verteidigerin von Cantha und Shing Jea … Wenn du diese Zeilen liest, bin ich bereits nach Kaineng zurückgekehrt. Ich verlasse dich und kehre nie mehr zurück! Niemand kann ändern, was er wirklich ist. Ohtah Ryutaiyo, Assassine der Am Fah.“ „Ich bin für dich da, Shiko … Sei stark.“, flüsterte Seiketsu No Akari und streichelte ihr über das Haar, „Du musst ihn vergessen … Er hat seine Wahl getroffen und sich der Finsternis hingegeben.“ Shikon No Yosei schluchzte und erwiderte: „Wie kannst du nur so etwas sagen, Sei? Ich liebe Ohtah! Müsste ich mich zwischen ihm und Cantha entscheiden … Ich könnte ihn niemals verlassen. Ich kann und ich werde Ohtah nicht aufgeben, Seiketsu. Selbst wenn …“ Sie brach ab. Zu groß war der Schmerz, den sie in ihrem Herzen spürte. Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihr Geliebter in seine Gilde zurückgekehrt war. Erneut richtete sie ihren Blick auf den Brief, sah auf die letzten Worte. Leise fand sie ihre Stimme wieder: „Ohtah Ryutaiyo, Assassine der Am Fah … Aber … was ist das?! Sei, siehst du das? Die Tinte ist verlaufen. Wie von Wasser …“ „Lass´ mal sehen.“, entgegnete Seiketsu No Akari und betrachtete die Stelle genauer, „Du … du hast recht. Shiko … Weißt du, was das heißt? Ohtah hat geweint, als er den Brief geschrieben hat!“ Shikon No Yosei starrte gebannt auf die verlaufene Tinte und flüsterte: „Ohtah hat diesen Brief nicht aus freien Stücken geschrieben. Er muss einen Grund gehabt haben … Ich muss sofort nach Kaineng – ich werde Ohtah finden!“ Ohtah Ryutaiyo betrat das Versteck der Am Fah. Den Blick hielt er gesenkt. Er fühlte sich wie in die Vergangenheit zurückversetzt … Vor so vielen Jahren hatte er der Gilde, seinem Zuhause den Rücken gekehrt. Wieder hier zu sein, fühlte sich seltsam an. Wie der Verrat eines Verrates … „Es freut mich, dich wiederzusehen.“, sagte eine Stimme gespielt freundlich, „Ich hatte gehofft, es nicht so weit kommen lassen zu müssen … Ich dachte, du hättest es inzwischen selbst verstanden. Niemand kann ändern, was er wirklich ist. Und du bist mein Sohn, ein Assassine ersten Ranges … einer unserer Generäle, ein wahrer Am Fah. Es ist deine Bestimmung!“ Der junge Mann erwiderte den Blick des Mannes ernst und meinte: „Ihr solltet daran denken, dass ich mich nicht grundlos hierher bringen ließ, Meister. Seit jenem Tag, an dem ich ein Teil dieser Gilde wurde, ist der Tod mein täglicher Begleiter gewesen. Er hat keinen Schrecken für mich …“ „Und was ist mit deiner Shikon No Yosei … dieser Verteidigerin von Cantha?“, erklärte er, „Sie mag ja mächtig sein … Aber hätte sie auch gegen unsere gesamte Gilde eine Chance?“ Er ballte wütend die Hände zu Fäusten und entgegnete: „In einem fairen Kampf würde sie Euch und Eure zweitklassigen Gildenanhänger vernichten … Sie ist die größte Elementarmagierin, die je in Cantha gelebt hat! Tötet mich, wenn Ihr wollt, aber lasst Shiko aus der Sache heraus!“ „Ja, ja … doch Fairness ist bekanntlich nicht gerade unsere Stärke, nicht wahr Deshalb lässt du dich lieber einsperren.“, bemerkte Rien listig, „Mein Sohn, ich bin sicher, du hast unsere … Taten auch weiterhin verfolgt. Du kennst unsere Macht. Bald schon werden wir den Kaiser stürzen … Und dafür brauchen wir dich! Es liegt an dir … Wenn du dich uns anschließt, verschone ich diese kleine Göre. Aber … wer würde sie beschützen, wenn du tot bist?“ Rien wollte ihn lebend … Es war von Anfang an sein Plan gewesen, ihn wieder in die Gilde zu locken. Ohtah Ryutaiyo schloss für einen Moment die Augen. War es wirklich sein Schicksal immer diejenigen verraten zu müssen, die er liebte? Wenn er Cantha gegenüber treu blieb, würden die Am Fah Shikon No Yosei erbarmungslos jagen … schloss er sich ihnen dagegen beim Putsch an, hätte sie eine Chance zu überleben. Lieber versank er in Schande, als sie in Gefahr zu bringen. „In Ordnung …“, antwortete Ohtah Ryutaiyo nach einer gefühlten Ewigkeit, „Mein Leben gegen das von Shiko. Schwört mir, dass ihr niemand etwas antun wird! Dann … werde ich wieder in Eure Dienste treten … Vater.“ In diesem Augenblick wurde das Hauptquartier von einer gewaltigen Explosion erschüttert. Rien klammerte sich an seinem Thron fest, Ohtah Ryutaiyo ging in die Knie. Und aus dem entstandenen Qualm traten zwei Gestalten. Nach und nach erkannte man, dass es sich um zwei junge Frauen handelte. Der geschickte Assassine schnappte erschrocken nach Luft – er hätte allein ihre Silhouette unter Tausenden erkannt. „Ich werde das nicht zulassen!“, erklang die Stimme der schönen Elementarmagierin, „Ohtah gehört nicht zu den Am Fah … Auch jemand, der die Schatten manipuliert und im Verborgenen kämpft, kann im Licht leben! Mein Name ist Shikon No Yosei. Ich bin die Verteidigerin von Cantha und Shing Jea! Und ich werde Ohtah ein für alle Mal aus euren Fängen befreien!“ Rien brach in schallendes Gelächter und er meinte prustend: „Das ist ja wunderbar! Um ihren Geliebten zu retten, begibt sich die große Heldin sogar in das Versteck unsrer geliebten Gilde!“ „Verschwinde von hier! Du störst eine wichtige Zeremonie!“, zischte Ohtah Ryutaiyo, wobei er versuchte die Furcht in seiner Stimme zu unterdrücken, „Meine Entscheidung ist endgültig!“ Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Züge, während sie langsam auf ihn zu ging und zärtlich erwiderte: „Ich gebe dir einen Tipp – wenn du das nächste Mal einen Abschiedsbrief schreibst … achte, dass keine deiner Tränen darauf fällt. Dann wirkst du vielleicht überzeugend, Ohtah.“ „Shiko, ich …“, begann er leise, doch bevor er weitersprechen konnte, sah er etwas aufblitzen. Der Assassine stieß Shikon No Yosei zur Seite, drehte sich um und blockte den Dolch mit seiner Waffe in Sekundenschnelle ab. Sein Ziehvater knurrte wütend: „Damit hast du deine Entscheidung getroffen! Ich wollte dich wieder zur Vernunft bringen, aber anscheinend hat dich diese widerliche Gutmensch-Krankheit bereits vollkommen infiziert. So sei es … ich habe dich damals dein Leben gerettet … darum werde ich es jetzt auch beenden! Mach dich bereit, mein Sohn!“ Ein entsetzter Laut drang aus Shikon No Yosei´s Kehle und sie flehte ihren Geliebten an: „Bitte, tu das nicht! Lass´ uns einfach von hier verschwinden! Bitte, Ohtah!“ „Ich kann nicht Shiko … diesmal nicht.“, widersprach Ohtah Ryutaiyo und zog zur Untermalung seiner Worte blank, „Dies ist mein Kampf! Ich muss mich meiner Vergangenheit stellen und darf nicht länger vor ihr fliehen – sonst werde ich nie wirklich frei sein! Als ich dich traf, dachte ich, ich könnte sie hinter mir lassen. Aber … ich habe mich selbst belogen. Durch dich habe ich endlich den Mut gefunden, den ich brauche. Danke, Shiko …“ Ihre Tränen machten sich selbstständig. Tief in ihr drinnen fühlte es sich wie ein Abschied an. Zum ersten Mal seit sie Ohtah Ryutaiyo kannte, befürchtete sie, er würde nicht zurückkehren. Noch nie hatte Shikon No Yosei solch eine Angst verspürt. Ihr ganzer Körper zitterte. Seiketsu No Akari stand ihr tapfer zur Seite und stützte sie. Ohtah Ryutaiyo eröffnete den Kampf mit einem Frontalangriff. Er sprang hoch in die Luft, zielte auf die Brust seines Gegners. Die Dolchpaare knallten mit Wut aufeinander. Das Klirren hallte von den Wänden wieder. Sie ließen sich keine Atempausen. Der Assassine führte schnelle, präzise Stöße. Sein Ziehvater parierte mit weit ausholenden Bewegungen und täuschte mehrmals an. Sie studierten die Bewegungen des Gegenüber. Doch Ohtah Ryutaiyo war der erste, der eine Schwachstelle fand – er schnellte mit rechts vor, daraufhin verkanteten sich die beiden Dolche miteinander, als sein Gegner den Schlag abwehren wollte. Der Jüngere lächelte nicht, obwohl sein Plan aufging. Rien hatte ihn in der Gosse aufgelesen, ihm ein Zuhause und einen Namen gegeben – er war sein Vater! Und dennoch konnte er ihn nicht gehen lassen … Früher oder später hatte es so enden müssen – nicht nur wegen ihm selbst … als Verteidiger war es seine Pflicht, Cantha zu schützen. Und die Am Fah stellten seit jeher eine Bedrohung für Kaineng dar. „Als ich ein Kind war, habe ich dich und die Gilde geliebt.“, murmelte Ohtah Ryutaiyo kaum hörbar, „Finde Frieden in den Nebeln …“ Damit ließ er die Waffe seiner Zweihand fallen und nahm einen seiner Giftpfeile aus der Innenseite seines Mantels. Trauer lag in seinem Blick. Der kleine Pfeil traf mitten in Rien´s Herz und mit dem Tod ihres Anführers wurde auch das Ende der Am Fah eingeläutet. Im selben Moment stürmte nämlich die kaiserliche Armee das Versteck. Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari lächelten erleichtert – Kaiser Kisu hatte ihre Nachricht erhalten. Schwankend ging Ohtah Ryutaiyo auf seine Geliebte zu. Wenige Meter von ihr entfernt, brach er zusammen. Die Elementarmagierin rannte erschrocken zu ihm und hielt ihn in ihren Armen. „Ich bin so froh, dass du gekommen bist … Shiko, ich liebe dich.“, flüsterte er schwach. Sie streichelte ihm sanft über die Stirn. Der psychische Stress hatte ihm alle Kraft geraubt. Seiketsu No Akari räusperte sich leise und berührte anschließend seinen Körper mit ihren Handflächen, warmes Licht sprang auf ihn über. Die positive Energie schickte Ohtah Ryutaiyo in einen erholsamen Schlaf. Dankend lächelte Shikon No Yosei und gab ihrem Liebsten einen Kuss auf die Stirn. Sie konnte nicht sagen, wie froh sie war, ihn wiederzuhaben! „Mach so etwas niemals wieder, Ohtah … Für mich gibt es keine größere Qual, als von dir getrennt zu sein. Ich stehe jede Gefahr mit dir gemeinsam durch … nur verlass´ mich nie wieder.“, raunte sie ihm zu, „Aus Vergangenheit wird Gegenwart … Aus Gegenwart wird Zukunft … Es ist mir egal, wer du warst. Oder was andere in dir sehen … Ich kenne dich besser, als jeder andere. Und ich wünsche mir jeden Tag und jede Nacht an deiner Seite zu verbringen.“ Ein Traum wird wahr Seiketsu No Akari klatschte begeistert in die Hände und schwärmte: „Du siehst traumhaft aus, Shiko! Wenn du Pech hast, fällt Ohtah vor dem Schrein in Ohnmacht.“ Sie lachten ausgelassen. Shikon No Yosei atmete tief ein und schaute in den Spiegel. Eine junge Frau in einem weißen Kleid lächelte sie an. Heute war der Tag, auf den sie schon so lange gewartet hatte – der schönste Tag in ihrem Leben! Die Mönchin seufzte gerührt und fragte: „Hast du alles bei dir, Schwesterchen?“ „>Alt, wie die Welt< … ist die Kette, die mir meine Mutter vor vielen Jahren geschenkt hat und die ich immer um den Hals trage. >Blau, wie die Treu´< … sind meine Ohrringe.“, zählte Shikon No Yosei auf und lächelte verlegen, „>Wie der Tag so neu< … sind mein Hochzeitskleid und der Schleier. Aber-“ Ihre Seelen-Schwester unterbrach sie mit einem Räuspern und nahm zwei goldene Armreifen aus einer Schatulle heraus, die sonst selbst immer trug. Sie ging zurück zu Shikon No Yosei und sagte: „Mein größter Schatz … das einzige, was ich von meinem Vater besitze. Doch heute sollen sie >geborgt, wie das Leben< … für dich sein!“ „Sei, du … Das kann ich nicht annehmen.“, flüsterte die schöne Elementarmagierin gebannt. Doch Seiketsu No Akari legte ihr die Armreifen an und antwortete sanft: „Heute ist der Tag, an dem meine kleine Schwester heiratet. Dies ist dein Tag! Und ich werde an deiner Seite sein … um dir alles Glück zu wünschen.“ Ohtah Ryutaiyo stand vor Bruder Mhenlo, der die Trauung vollziehen würde. Er zitterte leicht. Die Hochzeit fand auf einem Hügel in der Nähe des Dorfs Tsumei statt. Direkt vor Shikon No Yosei´s Schrein. An dem Ort, wo er um ihre Hand angehalten hatte … und wo Meister Togo sowie Teinai ebenfalls bei ihnen sein würden. Das Glockenspiel setzte ein und die Gäste verstummten augenblicklich. Der Assassine schluckte, langsam drehte er sich um und sah seine Braut, die von Kaiser Kisu höchstselbst über die grüne Wiese geführt wurde, während Seiketsu No Akari rote Blütenblätter vor sie auf den Weg streute. Sein Blick weitete sich, wurde beinahe verklärt, so berauscht war er allein von ihrem Anblick … Shikon No Yosei trug ein langes, weißes Kleid, das ihre Haut strahlen ließ. In ihrem Haar war wie üblich die Shing Jea-Seerose befestigt und ein weißer Schleier zierte sie. In Händen hielt sie einen Strauß roter Rosen – ihre Lieblingsblumen. Der Herrscher deutete eine Verneigung vor ihm an und sagte: „Hiermit überreiche ich dir die Hand von Shikon No Yosei … der Schülerin meines geliebten Bruders, der Verteidigerin meines Reiches. Ich vertraue darauf, dass Ihr sie glücklich machen und beschützen werdet …“ „Und wenn ich mein Leben dafür geben müsste!“, erwiderte er und nahm ihre Hand in seine. Das Glockenspiel verklang und Bruder Mhenlo erhob stolz seine Stimme: „Cantha sah nie zuvor ein Paar, wie jenes, das hier vor mir steht … Ein Paar, dem solch schwere Prüfungen auferlegt wurden und das sich so oft ihre Liebe bewiesen hat. Es erfüllt mich mit großer Freude diesen Tag, diese Zeremonie miterleben zu dürfen. Ich weiß, auch in den Nebeln wacht man über euch … Und so frage ich dich, Ohtah Ryutaiyo … möchtest du Shiko zu deiner Frau nehmen?“ Ohtah Ryutaiyo wendete ihr seinen Blick zu und sagte: „Meine über alles geliebte Shiko … ich kann mir nichts schöneres vorstellen, als die Gewissheit, dass du mich liebst … Die Liebe deines Herzens leuchtet heller, als jedes Licht. Ich verspreche dir, dieses Licht zu beschützen … auf dass es Cantha und ganz Tyria auch weiterhin erhellen wird! Meine Antwort lautet ja … Ja, ich will dich zu meiner Frau nehmen!“ Bruder Mhenlo lächelte zufrieden und fuhr fort: „Ich frage nun dich, Shikon No Yosei … möchtest du Ohtah zu deinem Mann nehmen?“ Shikon No Yosei schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und antwortete: „Ohtah, mein Held … seit vielen Jahren bist du an meiner Seite, seit vielen Jahren kämpfen wir gemeinsam, seit vielen Jahren setzt du dein Leben ein, um mich zu beschützen. Du bist derjenige, der mir Halt und Sicherheit gibt. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dir heute mein Jawort zu geben … Ja, ich will dich zum Mann nehmen!“ Der tyrianische Mönch erhob die Hände und sprach: „Wir alle sind Zeugen dieser einzigartigen Liebe geworden. Wir haben euch auf eurem Weg begleitet … haben mit euch gekämpft, gehofft und gelitten. Ihr habt jedes Hindernis überwunden und wahre Liebe bewiesen. Darum erkläre ich, Mhenlo, euch hiermit im Namen der Sechs Götter zu Mann und Frau! Ohtah, du darfst die Braut jetzt küssen …“ Das ließ sich der geschickte Assassine nicht zweimal sagen. Shikon No Yosei schloss die Augen und Ohtah Ryutaiyo küsste sie zärtlich. Von den Hochzeitsgästen erklang begeisterter Applaus, Seiketsu No Akari´s Augen füllten sich mit Tränen. Hastig wischte sie sich über das Gesicht. Es wurde Zeit für die ganz besondere Überraschung – sie zog eine Flöte aus der Tasche und entlockte ihr eine liebevolle Melodie. Ohtah Ryutaiyo zwinkerte ihr verschwörerisch zu und begann zu singen: „Ich fühl´ wie du … Ja, es ist soweit. Für immer du … in alle Ewigkeit. Ich fühl´ wie du … Und will dich fühlen. Ich hör´ dir zu. Auch ohne Worte kann ich dich versteh´n. Du wirst seh´n. Denn bist du da, geht die Sonne auf. Und ich geh´ wie auf Wolken – und werd´ es immer tun. Ich fühl´ wie du … Ein Abenteuer. In mir brennt … ein neues Feuer. Ich gebe zu … Zärtlichkeit war vor dir nur ein Wort. Nicht mehr. Ich mag dich sehr. Und bist du nicht da, hört mein Herz auf zu schlagen – und wird es nie mehr tun!“ „Ich fühl´ wie du … Du bist mein Leben. Für immer du … es wird niemals anders sein. Ich hör´ dir zu. Auch ohne Worte kann ich dich versteh´n. Du wirst seh´n. Denn bist du nicht da, bricht der Himmel zusammen. Geht ein Sturm durch mein Blut. Steht die Erde in Flammen – und wird es immer tun!“, stimmte Shikon No Yosei in das Lied ein, was ihrem Ehemann ein erstauntes Gesicht verpasste, „Steht der Himmel in Flammen. Geht ein Sturm durch mein Blut. Steht die Erde in Flammen – und wird es immer tun! Er hatte keine Ahnung gehabt, dass die junge Mönchin einen Teil mit ihr einstudiert hatte. Die Legende von Shikon No Yosei Als sich die Sonne dem Horizont entgegen neigte, spürte Shikon No Yosei plötzlich eine starke Aura auf sich zukommen und verbeugte sich tief vor Suun, dem Orakel der Nebel. „Ihr braucht Euch nicht vor mir zu verneigen … Ich bin gekommen, weil es an der Zeit ist, Euch etwas sehr bedeutsames mitzuteilen.“, erklärte Suun und sah sie mit wachsamen Augen an, „Gehen wir zu Eurem Ehemann und Eurer Cousine. Ich will, dass sie es auch hören …“ Suun ging voraus, Shikon No Yosei folgte ihm. Seiketsu No Akari und Ohtah Ryutaiyo verbeugten sich ebenfalls vor ihm. „Shiko …“, meinte er wieder an Shikon No Yosei gewandt, „Ihr wisst, dass man die Identität Eures Vaters vor Euch geheim hält … Aber den Grund dafür kennt Ihr nicht. Hört mir gut zu … dann werdet Ihr verstehen, warum manches so gekommen ist, wie es ist. >Ein Mädchen … geboren aus der Liebe zweier Adepten, dem Himmel geschworen. Eine Legende … gesprochen vom Orakel und den Nebeln. Ein Schrecken geboren aus der Vergangenheit, Tod den Menschen des falschen Glaubens, sodass in Qual versinkt die Welt und Feuer allem ein Ende bereitet. Ein Mädchen … geprüft durch unzählige Kämpfe, mit Verbündeten gestärkt. Eine Legende … erfüllt im Angesicht der Zukunft. Mit der Kraft der Elemente, die ihr zu eigen sind, wird sie den Mut, die Kraft und den Willen finden, um ihren eigenen Wegen zu gehen, den selbst ein Leben nicht beenden kann. Shikon No Yosei starrte Suun an und flüsterte: „Das … das ist eine Legende, die Ihr über mein Leben vorausgesagt habt?“ „Ja, so ist es. Um es etwas verständlicher auszudrücken …“, antwortete er, „Ihr seid die Tochter zweier Himmels-Adepten, die sich liebten … Eure Eltern lernten sich kennen, während sie mir im Nahpuiviertel dienten … dort wurdet Ihr geboren. Nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte … nun, es entstand ein reges Interesse an der prophezeiten Heldin. Und manche Minister wollte Euch gerne … nach eigenem Ermessen formen, daher hat dein Vater mich angefleht, ihn und Kai nicht zu verraten … Er wollte dich ohne diesen Einfluss aufwachsen sehen – du solltest frei entscheiden, ob du dich Shiro Tagachi, den Untoten Lich, Abaddon und den Großen Zerstörer stellst … Eure Reisen mit Ohtah und Seiketsu haben Euch wichtige Dinge gelehrt … Durch Eure Erlebnisse und den Wesen, denen Ihr begegnet seid, konntet Ihr die wahre Kraft der vier Elemente in Eurem Innern erwecken … die reine Magie. Heute lüftet sich das Geheimnis um >die Legende von Shikon No Yosei< für Euch. Glaubt mir, Euer Weg ist noch lange nicht zu Ende … Ich sehe, dass Euch noch vieles bevorsteht. Und ich weiß, Ihr tragt alles notwendige bereits in Euch. Darum kann ich Euch nur dasselbe raten, wie bereits auf dem Göttlichen Pfad … >Vertraut auf Euch und auf jene, die Euch vertrauen.<“ Die drei lebenden Legenden waren sprachlos. Sie tauschten einen raschen Blickwechsel. Sie wussten nicht, was sie davon halten sollten. Suun´s Vertrauen in sie war zwar rührend, doch seine Worte bedeuten auch neue Herausforderungen. Und eine Frage blieb offen: „Wer … wer ist mein Vater?“ „Ich glaube, Ihr kennt die Antwort bereits … Shiro hat darüber gesprochen, nicht wahr?“, entgegnete Sunn, „Ihr wolltet ihm damals schon glauben. Ändert es wirklich etwas, wenn ich Euch nun antworte?“ Die rothaarige Shing Jea schüttelte den Kopf. Für sie würde stets nur einer ihr Vater sein … Meister Togo. Ein erster Schritt in die Zukunft Shikon No Yosei lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Die Hand auf den rundlichen Bauch gelegt. Sie presste die Lippen aufeinander, unterdrückte ein Stöhnen. „Ruhig. Ganz ruhig, Shiko … Du bist stark.“, flüsterte Seiketsu No Akari und legte ihr ein nasses Tuch auf die Stirn, „Du schaffst das!“ Kaum hatte sie ausgesprochen, bäumte sich Shikon No Yosei unter den Schmerzen auf und brachte mit Mühe hervor: „Wo ist … Ohtah? Ohtah … bitte …“ „Ich bin hier, meine geliebte Shiko, ich bin hier.“, antwortete er sofort und griff nach ihrer Hand. Seiketsu No Akari legte ihrer Cousine die Hand auf den gewölbten Bauch und murmelte: „Es wird Zeit … Ich werde jetzt damit beginnen, die Geburt einzuleiten. Denk´ immer daran, wir lassen dich nicht allein, Shiko … Ohtah und ich sind bei dir!“ Sie nickte und schrie im nächsten Augenblick bereits wieder auf. Ihr Kopf wirbelte von einer Seite zur anderen, das Tuch fiel zu Boden. Der Griff um Ohtah Ryutaiyo´s Hand verstärkte sich. Er erschrak, als sich das weiße Laken, auf dem sie lag, langsam dunkelrot färbte. Der Blutfluss ließ ihn schlucken und zwang ihn den Blick wieder auf ihr Gesicht zu richten. Die junge Mönchin legte mit geschlossenen Augen eine Hand über Shikon No Yosei´s Herz, es schlug viel zu schnell. Es würde gefährlich für sie und ihre Kinder werden, wenn sie sich nicht beeilten … Der Körper der Elementarmagierin hatte sich die ganze Schwangerschaft über immer wieder dagegen gesträubt, so als wolle irgendeine Macht diese Geburt verhindern. Entschlossen sprach Seiketsu No Akari: „Ich rufe die Kräfte der Heilung und des Schutzes an. Oh gütige Göttin des Lebens … Dwayna, erhöre mein Flehen … Schenke ihr Ruhe, auf dass die Kindern unter ihrem Herzen leben können … Gewähre ihnen das Licht dieser Welt erblicken zu dürfen …“ Shikon No Yosei wurde spürbar ruhiger. Ihre Augen blieben geschlossen. Ihre Hand, die sich an Ohtah Ryutaiyo klammerte, lockerte sich. Dennoch wurde ihre Haut mit jeder weiteren Sekunde blasser. Der Blutverlust war einfach zu groß. „Teinai, ich spreche an Shiko´s Stelle zu dir … Bitte, steh´ ihr bei an diesem schweren Tag.“, flüsterte Ohtah Ryutaiyo kaum hörbar, „Ich liebe sie so sehr … Ich brauche sie! Ohne sie könnte ich nicht weiterleben. Bitte … hilf´ deinem Schützling. Lass´ sie noch kein Teil der Nebel werden!“ Viele Stunden später lag Shikon No Yosei noch immer bewusstlos auf dem Rücken. Doch die Zeit des Bangens war vorüber … Ihre Haut hatte wieder einen gesunden Farbton angenommen. Ihr Herz und ihr Atem waren ruhig. Anders als bei Ohtah Ryutaiyo – sein Gesicht war bleich vor Angst, gleichzeitig zierte aber auch ein stolzes Lächeln seine Lippen. In seinen Armen lag ein kleines, weißes Bündel, in das ein neugeborenes Mädchen eingewickelt war. Seine Tochter … Ein leises Stöhnen war zu hören und er wirbelte herum. Langsam erwachte Shikon No Yosei. Sie blinzelte einige Male, bevor sie Seiketsu No Akari und Ohtah Ryutaiyo klar erkennen konnte. Versuchte vergeblich sich aufzurichten und hauchte: „Geht es … ihnen gut?“ Seiketsu No Akari hielt ebenfalls ein Lakenbündel im Arm und erklärte: „Ja … du hast zwei gesunde Kinder. Einen Jungen und ein Mädchen.“ „Ryukii No Mai, unsere Tochter …“, erklärte Ohtah Ryutaiyo und streichelte seiner Frau über die Stirn. Shikon No Yosei lächelte schwach und flüsterte: „Unser Sohn, Yoso No Koshi …“ Ein weiterer Teil der »Legende von Shikon No Yosei« hat sich erfüllt! Sie besitzt nun nicht nur die tiefe Verbindung zu Seiketsu No Akari, die wie eine Schwester für sie ist, und die unendliche Liebe zu ihrem Ehemann Ohtah Ryutaiyo, sondern hat auch der nächsten Generation von Helden in Gestalt von Yoso No Koshi und Ryukii No Mai das Leben geschenkt. Ihre Geschichte, ihr Leben, ihre Abenteuer werden weder in Cantha, noch in Tyria oder in Elona jemals vergessen werden. Denn eine wahre Legende endet nie … Nicht solange es Menschen gibt, die sich an sie erinnern! Und so gehen Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari der Zukunft der Legenden entgegen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)