Die dreizehnte Rose von Suzette_Godault (-- ein fiktives Familiendrama --) ================================================================================ Kapitel 1: Hier und Jetzt ------------------------- Wir liegen zusammen ein meinem Bett, klammern uns aneinander, so wie wir es immer tun, wenn er bei mir ist. Wir können nur dann beieinander sein, wenn Mutter nicht da ist. Heute Nacht, da der Mond sein silbernes Licht über den Teppich ergießt, ist sie nicht da, das wissen wir beide. Das Fenster ist geöffnet und eine kühle, vom Meer kommende Luft erfüllt den Raum, lässt den Tag ausklingen. Ich bette meinen Kopf auf seine nackte Brust, höre sein Herz unruhig schlagen. Dann streift mein Blick den leeren Rollstuhl, der wie ein Thron inmitten meines Zimmers steht und ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich löse mich aus seinen Armen und erhebe mich wieder von meinem Bett, umfasse ich die Griffe des Rollstuhls mit den Hände, spüre das abgewetzte, klebrige Gummi. Es ist eklig, es anzufassen, aber ich habe das Verlangen danach, es zu tun. Mein Blick wandert zum Fenster hinaus, der Nacht entgegen. „Mama“, flüstere ich. Kapitel 2: Was geschah ... -------------------------- „Ich habe euch beide heute gesehen.“ „Ja?“ „Ja! Und wohin bist du denn mit ihm gegangen? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich es nicht gerne sehe, wenn du dich weiterhin mit ihm triffst.“ Ich blicke auf die großkarierte Tischdecke. „Nur ins Kino.“ Ich erhebe mich, öffne die Kühlschranktür, um meinen roten Kopf zu kühlen. „So, und welchen Film habt ihr euch angesehen?“ „Spi ... derman“, erwidere ich. „Spiderman, aber der läuft doch gar nicht mehr.“ Ich weiß sie dicht hinter mir in ihrem Rollstuhl und spüre ihre Hand auf meiner Schulter. „Lüge mich nicht an, ich weiß doch Bescheid.“ „Ich lüge dich nicht an, Mutter“, flüstere ich. „Ich lüge nicht ... wir waren wirklich ...“ ... am Strand. In einer, vor den Blicken der anderen geschützten Bucht, lagen nebeneinander auf dem großen quadratischen Handtuch, du weiß schon, das, welches du am liebsten hast, weil es dir Hartmut zum Hochzeitstag schenkte. Wir nahmen es uns einfach, weil es schnell gehen musste, ... lagen dort, beieinander und ich spürte seine Hand auf meinem Bauch, - seine große, raue Hand, die mich leicht zu streicheln begann. Sanft wie ein Windhauch umkreisten seine Fingerspitzen meinen Bauchnabel und glitten dann langsam höher, bald kitzelten sie mich, so dass ich mich leicht verspannte, um nicht loslachen zu müssen, bald schienen sie wie junge Vögel auf meiner Haut zu flattern. Schon meinte ich ihr hohes melodisches Zwitschern zu hören, als sein Daumen meine Rippenbögen entlangfuhr. Ich schloss die Augen, wünschte mir, dass seine Hand die Reise fortsetzen möge, denn es war wundervoll, seine Berührungen zu spüren. Berührte er dich auch auf diese Art, als er dir seine Liebe gestand? Beugte er sich über dich, betrachtete er dich, küsste er dich zärtlich auf die Stirn, die Nase? Und du ...? Schlugst du die Augen auf, lächeltest, um ihm zu zeigen, wie sehr du seine Nähe magst? Recktest dich ihm entgegen, als er deine Brüste berührte, sie zuerst tastend mit den Fingerspitzen umkreiste, ehe er deinen heftiger gehenden Atem als Einladung deutete, mutiger werdend, seine Hand unter den dünnen Stoff deines Bikinioberteils schob, derweil seine Lippen die deinen suchten ... und fanden ...? Sogst du die Luft auch tief in deine Lungen, als du das zärtlich lockende Stupsen seiner Zunge spürtest und seinen herben Duft in sich aufnahmst. Zogst du ihn zu dir hinab, um dich seinem werbenden Spiel zu ergeben? „Möchtest du baden gehen?“, wisperte er mir ins Ohr. Neckte er dich auch in dieser Weise, während seine Fingerspitzen die Knospe deine rechten Brust umtanzten? Lächelnd schüttelte ich den Kopf, schloss die Augen, denn schon glitt seine Hand tiefer, verharrte kurz auf meinem Bauch, ehe sie mit dem Gummizug des Bikinislips zu spielen begann. Kichernd zuckte ich zusammen, wenn der Gummi meine Haut leicht ziepend traf. Küsstest du ihn in diesem Augenblick auch, um ihm dein Einverständnis zu geben? Und er? Fasste er es als solches auf? Ich spürte, wie seine Hand tiefer glitt und in mir ein Gefühl bisher ungekannter Intensität auslöste. „Magst du das?“, hauchte er mir ins Ohr. Nickend schlug ich die Augen auf, blickte in ein hellleuchtendes Blau. „Dann entspanne dich. Lass dich fallen, lass dich treiben“, schien mir sein Blick sagen zu wollen. Während sich unsere Lippen trafen, unsere Zungen einander wie aufflatternde Vögel neckten, ich seinen heißen Atem prickelnd auf der Haut spürte, öffnete ich mich ihm. Sacht durchflutete mich ein intensiv pulsierendes Gefühl, als er einen Finger sanft auf meiner empfindlichsten Stelle kreisen ließ, um den Druck ganz leicht zu erhöhen. Derweil wir uns in einem tiefen Kuss vereinten, - einander schmecken wollten. Mein Leib ging unter seinen Berührungen schier in Flammen auf. Blickte er dich auch so an? Schlich dieses wundervoll süße Lächeln über sein Gesicht, ehe er sich mit einem Finger in deine Tiefe versenkte, um dich zärtlich von innen her zu stimulieren, während sein Daumen noch immer einen sachten Druck auf deine kleine, sich bereits entfaltende Blüte ausübte? Passtest du dich seinem Rhythmus an, meintest du zu fliegen, als er tiefer in dich drang und zucktest du zusammen, als er deine intimste Stelle leicht anstupste? Küsste er dich auf die Stirn, nur um sich nochmals anzuschleichen und ein leise seufzendes Stöhnen zu ernten? Spürtest du ...? Spürtest du etwas Hartes an deinem Bauch? Berührtest du es, umfasstest es mit der Hand, drücktest es leicht und empfingst dafür ein weiteres Stupsen an deiner empfindlichsten Stelle tief in deinem Leib? Verständigtet auch ihr euch auf diese Art? Glitt deine Hand in seine Badehose, - ganz selbstverständlich? Strichen deine Finger über seine Spitze, drückten sie sie leicht und flatterten dann flink über seine empfindlichste Stelle? Benetzte er deine Hand mit seiner Feuchtigkeit, während ein tiefes Stöhnen an dein Ohr drang, so als wolle er dich um dein Einverständnis bitten? Lächelnd blickte ich ihm in die sonnendurchfluteten blauen Augen. Mutter sag, hat er dich überhaupt geliebt? „Was habt ihr getan?“ „Es war wunderschön“, entgegne ich und schließe die Kühlschranktür. „Um Gottes Willen! Das darf doch nicht wahr sein!“ „Mutter, ich bin alt genug“, schrie ich. „Ich bin 22.“ Mühsam ringt sie nach Luft und starrt mich an. Ihre leicht geöffneten Lippen beben, als sie „Hartmut“ ruft. „Hartmut, komm sofort her.“ Ihre Stimme überschlägt sich beinahe, als sie seinen Namen noch einmal ausstößt. „Ja, Schatz ...“ Ihre Lippen beben, als er die Küche betritt, sich zu ihr hinab beugte und ihr einen Kuss auf den Scheitel gibt. „Was möchtest du?“ Ihre Lippen beben, als mich ihr Blick streift. Hatten ihre Lippen auch damals gebebt, als Hartmut sie zum ersten Mal in seine Arme geschlossen, ihr die ewige Liebe geschworen hatte? Hatte er sie wie jetzt auf den Scheitel ihres, nun ergrauten Haares geküsst. Hatte er seine Hand auf ihre Schulter gelegt, sie leicht gedrückt? „Möchtest du ein wenig an die frische Luft? Schau, es ist so ein sonniges Wetter“, wispert er ihr beinahe väterlich ins Ohr, während sich unsere Blicke treffen. Ich weiß, dass er noch immer diesen Augenblick durchlebt, ja spürt, in dem wir uns beide einander so nahe waren. „Hartmut, was habt ihr getan?“ Diese Frage, leise wimmernd ausgestoßen, schwebt im Raum, senkt sich langsam schwerer werdend auf unsere Schultern, harrt auf die Antwort, die ich bereits gegeben hatte. Nickend streife ich seinen Blick und er öffnet den Mund, holt tief Luft, stockt, während sich seine Hände fest um die beiden Griffe ihres Rollstuhls schließen, beinahe verkrampften. Ich spüre, dass es in ihm tobte und ahne, woran er denkt … Beide, Vater und Tochter, hatten wir damals nach ihrem Autounfall an ihrem Krankenbett gestanden. Er hatte ihr rote Rosen mitgebracht, dreizehn hatte er gekauft, dreizehn, das wusste ich genau, da ich sie zu Hause nochmals in freundlich grünes Papier eingewickelt hatte. Es waren dreizehn tiefrote Rosen gewesen, aber in einer schmucklosen Vase auf dem Nachttisch standen nur zwölf ... ich hatte sie genau gezählt, zählte sie immer wieder, während sich Mutter unter Stöhnen an meinen Vater wandte. Wie lange lag sie schon hier? Sie erholte sich nicht. Ich klingelte nach der Schwester, sie kam, gab ihr eine schmerzstillendes Mittel. „Ist zu Hause alles in Ordnung?“, nuschelte meine Mutter und packte die Hand meines Vaters. „Ja, mach dir keine Sorgen. Mira und ich haben alles im Griff. Schlaf jetzt ein wenig, das wird dir guttun. Wir kommen morgen wieder“, erwiderte er sacht und ich zählte die Rosen in der langhalsigen Glasvase immer und immer wieder. Es blieben zwölf, obwohl ich zu Hause dreizehn eingepackt hatte. Und dann, als wir auf der Straße standen, ergriff er meine Hand, drückte sie leicht, um mit der anderen in die Brusttasche seines Mantels zu greifen und diese dreizehnte Rose hervorzog. Diese Rose stand noch lange auf unserem Esstisch, gab uns beiden Hoffnung, dass Mutter wieder gesund würde. Die Ärzte gaben sich optimistisch, - ihre Nerven könnten sich regenerieren. Am Ende des Winters begann diese Rose ein Blütenblatt nach dem anderen zu verlieren. Vater sammelte sie stets ein, warf sie jedoch nicht weg. Ich wusste nicht, was er mit ihnen tat. Behielt er sie als Andenken? Kurz bevor sich das letzte löste, um auf die großkarierte Decke zu fallen, wurde es Frühling. Das frische Grün drang ans Licht, die Luft war von einem geheimnisvollen Blütenduft erfüllt und das Vogelgezwitscher drang sacht an mein Ohr. „Vielleicht können wir deine Mutter dann endlich nach Hause holen. Ich habe heute einen Rollstuhl für sie gekauft. Den wird sie brauchen, - für den Anfang. Stell dir vor, wenn sie wieder hier an diesem Tisch säße ... Und dann, - vielleicht können wir ja diesen Sommer zusammen Urlaub machen. Wir drei “, wisperte Vater und führte seine Kaffeetasse an die Lippen. Mein Herz begann zu rasen. Ich nickte, versuchte fest daran zu glauben. „Ja, vielleicht. Es klingt doch gut, was die Ärzte sagen.“ An einem jener Tage, da das letzte Blütenblatt, bereits all seiner Farbe beraubt, nunmehr welk geworden, wie durch ein Wunder an dem Fruchtstängel hing, klingelte das Telefon. Noch ehe ich den Höher abnehmen konnte, hatte ihn sich schon mein Vater ans Ohr gedrückt. „Ja, am Apparat“, stammelte er, während ich dicht neben ihm stand, jeden seiner ruckartigen Atemzüge spürte und seinen Arm fest umklammert hielt. „Ja“, ließ er sich wieder vernehmen. „Ja, aber ...“ „Ja, aber das kann doch unmöglich ... Sie müssen sich täuschen ... Die Ärzte sagten uns doch ... sagten, es bestünde ...“ „Vater, was ...?“, keuchte ich. „Was?“ Ungeduldig und von einer unsäglichen Angst gepackt, riss ich an seinem Arm. Ich sah seine Schock geweiteten Augen, sah, wie er panisch nach Halt suchte, sich schließlich am Beistelltisch festkrallte. „Das ... wir kommen sofort“, stammelte er mit belegter Stimme. Er konnte noch einhängen, ehe er aufs Klo rannte und mich wie gelähmt zurückließ. In mir tobte ein Sturm, der Fürchterliches verhieß. Momente später trat Vater wieder in die Küche, seine Augen hatten einen feuchten Schimmer und das Haar hing ihm wirr ins Gesicht. „Vater?“ „Deine Mutter ... sie ... ist tot.“ In dem Augenblick, da er es sagte, herrschte eine eigenartige Stille und ich wandte mich der Rose zu. Das Blütenblatt aber hing noch immer an der Rose und schwang, so als werde es von Geisterhand angestupst leicht hin und her. „Wie?“ „Tabletten, sie hat sie gesammelt.“ „Aber warum? Es gab doch Hoffnung.“ Er schüttelte den Kopf, nahm mich in den Arm, strich mir übers Haar. „Sie wusste es als Ärztin besser. Wollte uns nicht ... Gab ihren Kollegen den Auftrag, uns ...“ Er unterbrach sich, fuhr sich mit der Hand über das tränennasse Gesicht. „Oh, mein Gott“, wimmerte er dann, ließ sich auf seinen Stuhl sinken, starrte diese Rose an. Dann plötzlich schoss seine Hand hervor und riss das letzte Blütenblatt ab. Wieder steht eine einzige tiefrote Rose auf unserem Esstisch. Sie erblüht gerade und verströmt einen betörenden Duft. „Hartmut, was habt ihr getan?“ Mutters Stimme, kaum mehr als ein schwaches Flüstern, peitscht mich auf. Unwillkürlich greife ich nach Hartmuts Hand und drücke sie. Mutters Blick sticht mir in den Nacken, lähmt mich beinahe. Ich will ihn abschütteln, mich umwenden, in die Ecke sehen, aus der sie uns die ganze Zeit beobachtet. Doch Hartmut schüttelt unmerklich den Kopf, blickt mir tief in die Augen, dann holt er tief Luft, legt seine Hände um die meinen. „Wenn ihr mich lieb habt, dann lasst ihr das sein“, höre ich Mutter mit Tränen erstickter Stimme hinter mir flüstern. Dann schlägt die Küchentür gegen die Wand. Ich zucke zusammen, halte den Atem an. Was geschieht hinter mir? Ich will mich umdrehen, doch kann ich meine Augen nicht von Hartmut abwenden. Sein Gesicht ist kreidebleich. Schweißperlen stehen ihm auf Stirn und Nase. Er zittert ebenso wie ich. Die Räder des Rollstuhls holpern über die Türschwelle. Hartmut holt tief Luft und erhebt sich: „Verschwinde endlich aus unserem Leben!“ Die Tür schlägt zu. Kapitel 3: Hier und Jetzt ------------------------- Es ist Abend geworden und ich öffne das Fenster meines Zimmers, lehne mich hinaus, sauge die würzige Meeresluft tief in meine Lungen und versuche mich zu beruhigen. Doch mein Herz rast. So nah wie heute war uns Mutter noch nie. Wenn, dann hielt sie sich immer im Hintergrund – erschien in der Ecke zwischen Wand und Küchentür. Dielen knacken. Jemand nähert, bemüht, keinen unnötigen Lärm zu verursachen. Ich beginne zu schwitzen. Der Mond ergießt sein fahles Licht in den Raum. Ich spüre plötzlich eine Berührung an der Schulter. „Mama?“ „Sie ist tot“, dringt es an mein Ohr. „Sie kommt nicht wieder!“ Ich wende mich um, blicke in die beinahe silbern leuchtenden Augen meines Vaters und kämpfe mit den Tränen, als er mich zu meinem Bett zieht. Aus dem Augenwinkel sehe ich den leeren Rollstuhl in der Mitte meines Zimmers stehen. Er ist vom Mond hell erleuchtet und wirkt wie ein Thron. „Mama“, flüstere ich. „Mama, ich hab dich lieb.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)