Misfits: Kreuzdame von Hushpuppy ({ boy x boy }) ================================================================================ Kapitel 3: Lukas - Hausparty Pt. 1 ---------------------------------- Nervös rieb ich meine Hände aneinander, kaute auf meiner Unterlippe und schaute zu, wie sich Hannah einen kleinen Spiegel zwischen die Beine klemmte und anfing ihre kleinen, blauen Augen zu schminken. Dabei saß sie auf der Couch, die in Noahs Zimmer stand und ich gleich neben ihr. Leise summte der Fernseher vor uns, doch ich interessierte mich nicht für den Film, der gerade lief. Noah war in seinem begehbaren Kleiderschrank verschwunden und kam nach nur wenigen Sekunden mit einer Galaxie-Print-Leggins wieder heraus. Mir fiel sofort auf, dass es dieselbe Leggins war, die er bei unserem ersten Treffen in der Schule getragen hatte. Noah verzog das Gesicht als würde er diese Klamotte plötzlich nicht mehr leiden können und pfefferte sie zurück in seinen Schrank. „Ich habe gar keine Lust feiern zu gehen“, murmelte er. Ich hoffte das lag nur daran, dass er müde war, zumindest sah er ziemlich müde aus. Unter seinen großen, strahlend blauen Augen befanden sich dunkle Augenringe und selbst die Sommersprossen, die sich über seine Wangen und seine schmale Nase sammelten, wirkten blasser als sonst. Er fuhr sich durch seine strohblonden Haare und ließ sich direkt vor uns auf den Boden plumpsen. Für sein Alter war er sehr klein und zierlich. „Ich habe auch keine Lust morgen mit meinem Vater in Urlaub zu fahren. Am liebsten würde ich mich in meinem Bett verkriechen und dort für den Rest der Sommerferien bleiben.“ „Oh, bitte nicht, Noah.“ Hannah schaute besorgt auf und ließ den Kayal sinken. „Du redest schon wieder als würde eine Depressionsphase bevor stehen. Bitte, die Letzte war ganz furchtbar gewesen.“ „Das weiß ich selbst.“ Noah fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Aber ich habe wirklich keine Lust.“ „Bitte bleib nicht hier“, flehte ich. „Ich brauche dich doch.“ „Du musst doch nur Gaara sagen, dass du alles, was du gesagt hast, gar nicht so gemeint hast“, sagte Noah als wäre es so einfach. „Ich kenne ihn, er ist nicht der Typ, um nachtragend zu sein oder eine Entschuldigung nicht anzunehmen.“ „Das schaffe ich aber trotzdem nicht alleine.“ „Du machst mich echt fertig.“ Noah seufzte. „Na gut, für dich komme ich mit, aber ich kann, wie gesagt, nicht lange bleiben.“ Als wir zu Gaaras Hausparty aufbrachen, mischte sich unter meine Angst ein schlechtes Gewissen, denn Noah schien wirklich keine Lust zu haben mitzukommen. Meistens war er fröhlich gesinnt, trällerte mit seiner honigsüßen, hohen Stimme ein paar Lieder und umarmte jeden, der ihm in den Weg kam, als würde er ihn bereits seit Jahren kennen. Alles im Allen, dachte man auf den ersten Blick, dass Noah eine Frohnatur war, doch leider verbarg sich dahinter viel mehr. Schon seit Jahren litt er unter Depressionen, die sich durch gelegentliche Phasen zeigte und das, obwohl er Antidepressiva nahm und regelmäßig einen Psychologen besuchte. Er tat mir Leid. Noah war ein unglaublich guter Mensch, er hatte eine solche Krankheit nicht verdient... Wir fuhren mit der S-Bahn und Hannah, Noahs Fast-Stiefschwester, versuchte die Stimmung mit ein paar lustigen Geschichten zu heben, die sie gemeinsam mit ihrem Freund Dennis und dessen Freundeskreis erlebt hatte. Leider funktionierte dies nicht wirklich. Ich lachte immer nur nervös und je näher wir Gaaras Haus kamen, desto mehr zitterten meine Finger. Es war doch wirklich ganz einfach, ich musste mich nur bei ihm entschuldigen und das war es auch schon, warum fiel mir das nur so schwer? Nach einigen Minuten stiegen wir aus und gingen im Halbdunkel der Stadt zu seinem Haus. Als wir vor der Eingangstür anlangten, durch die dumpf die Geräusche einer Party drangen, blieb ich ruckartig stehen. Noah und Hannah taten es mir gleich und blickten mich verwundert an. „Wie wäre es, wenn wir einfach abhauen?“, fragte ich und wollte auch schon gehen, doch die Beiden packten mich gleichzeitig an meinem Shirt und zogen mich zurück. „Vergiss es, du kleiner Feigling“, sagte Noah. „Bleib stark, du bist doch ein Mann!“ „Nein, ich bin eine Schwuchtel, ich darf mich verdrücken“, entgegnete ich, was die anderen Beiden zum Lachen brachten. Dann gab mir Noah einen Klaps auf den Hinterkopf. „Hör auf dich selbst Schwuchtel zu nennen, ich kann dieses Wort nicht leiden. Das ist eine Beleidigung für uns Homosexuelle.“ Wäre nicht das erste Mal, das ich mich selbst beleidigte. Ich biss mir auf die Unterlippe, um diese Worte nicht laut auszusprechen. Hannah klingelte und keine Sekunde später wurde die Tür von Schifti geöffnet, der uns grölend begrüßte und alle Drei gleichzeitig umarmte. Dann drückte er Noah eine Flasche Jägermeister in die Hand und schob uns herein. Es sah beinahe so aus, wie an Gaaras 18. Geburtstag. Überall waren Jugendliche, einige aus unserer Stufe, viele kannte ich gar nicht, es roch überall nach Gras und Shisha und in der Küche wurden Cocktails gemixt. Im Wohnzimmer dröhnte laute Musik, die wie immer von Marc auserwählt wurde, weshalb sie auch dementsprechend rockig war. Ich versuchte mich mental darauf vorzubereiten Gaara unter die Augen zu treten, aber ich war alles andere als vorbereitet als ich ihn auf der Couch zwischen Kaito und Samantha sitzen sah. Er zog gerade an einer Bong, legte den Kopf in den Nacken und blies den weißen Rauch genussvoll wieder aus. Ich wusste nicht warum, aber der Anblick machte mich an. „Du regelst das jetzt sofort“, meinte Noah bestimmend. „Lass das bloß nicht auf sich warten, sonst denkt er, du würdest nicht wissen, dass du einen Fehler gemacht hast.“ Damit hatte er Recht, aber trauen tat ich mich trotzdem nicht. Ich nahm ihm den Jägermeister, gerade als er davon einen Schluck trinken wollte, und schüttete mir selbst ein paar mehr Schlucke in den Rachen. Die Kräutermixtur hinterließ einen widerlichen Nachgeschmack, bei dem sich mein ganzer Körper schüttelte. Ich gab Noah die Flasche zurück und Schifti, der nicht wusste, was überhaupt los war, klopfte mir anerkennend auf die Schultern. „Ich bin stolz auf dich. Nicht jeder kann so Jägermeister kippen.“ „Ehm... danke.“ „Jetzt geh doch mal weg, Schifti“, meckerte Noah und schob ihn davon. Er schenkte ihm einen anklagenden Blick aus einfachen, braunen Augen. Schifti war groß, hieß eigentlich Florian, doch aus irgendeinem Grund nannten ihn alle Schifti, vielleicht, weil wir noch einen zweiten Florian in der Stufe hatten und es ansonsten zu kompliziert werden würde, er hatte ein flaches Gesicht, eine breite Nase und rappelkurze Haare, und er war dafür bekannt immer nur zu feiern und zu saufen. Manchmal fragte ich mich, ob das Leben einfacher wäre, wenn ich wie Schifti oder Marc wäre. Sie kamen mir so einfach gestrickt vor. Vielleicht dachte ich das nur, weil ich sie nicht besser kannte, aber ich war mir selbst zu kompliziert und zu emotional. „Du bist aber wieder schlecht drauf, Noah“, stellte Schifti fest und klang dabei ziemlich ernst. „Lass das nicht über dich kommen... okay?“ Als Noah darauf nichts sagte, ging Schifti einfach fort und gesellte sich zu den Mädchen, die sich um die Cocktails kümmern. In eben diesem Moment erhob sich Gaara von der Couch und verließ das Haus durch den Hintergarten. „Jetzt aber!“ Noah und Hannah gaben mir gleichzeitig einen Stoß in den Rücken und ich ging sehr langsam in Richtung Hinterausgang. Nach ein paar Metern wurde ich lauthals von Kaito und Sam begrüßt, die noch immer auf der Couch saßen. „Bambi!“, rief Sam, die heute ein knappes Outfit trug und ihre hellbraunen, buschigen Haare zu einem lockeren Dutt hochgebunden hatte. Sie war nur selten geschminkt, heute hatte sie nur etwas Wimperntusche aufgetragen, wodurch ihre bernsteinfarbenen Augen größer wirkten und wunderbar in ihr bräunliches, schmales Gesicht passten. „Du musst mich gleich ein wenig trösten. Chris kann heute nicht dabei sein und er hat gefragt, ob du nächstes Wochenende auf Joker und Felix aufpassen könntest, aber er traut sich nicht dich direkt zu fragen, weil er meint, das wäre zu viel Verantwortung.“ „Oh...“ Über die Sache mit Gaara hatte ich Joker und Felix und eigentlich auch alles andere komplett vergessen. Chris war Samanthas fester Freund, Felix sein jüngerer, querschnittsgelähmter Bruder, mit dem ich mich trotz des Altersunterschiedes, ausgezeichnet verstand und Joker war der Hund, den wir uns teilten. Meistens war er bei Chris und seiner Familie, aber manchmal konnte ich ihn mit zu mir nehmen oder bei ihnen ein wenig mit ihm spielen und spazieren gehen. „Ja, können wir gleich darüber reden?“, fragte ich. „Klar.“ „Ja, geh erst mal mit Gaara reden“, sagte Kaito und es klang beinahe wie ein Befehl. Er deutete nach draußen und ich nickte nervös lächelnd. Immer noch langsam ging ich hinaus und hoffte ein wenig niemals anzukommen, doch nach nur wenigen Sekunden stand ich im Hintergarten. Gleich neben der Tür machten zwei Jugendliche miteinander herum und Gaara saß mit Tami, einem Mädchen aus unserer Stufe, auf der Hollywoodschaukel, auf der wir uns das erste Mal geküsst hatten. Gemeinsam rauchten sie eine und unterhielten sich. Vorsichtig schlenderte ich zu ihnen herüber, die Hände in meinen Hosentaschen verstaut und blieb drucksend vor ihnen stehen. Als sie mich anschauten, blickte ich lieber den Boden an. „Ich... ehm... würde gerne... ehm... mit dir reden“, brachte ich hervor. „Ich lass euch alleine“, sagte Tami und stand auch sogleich auf. Zu Gaara gewandt meinte sie noch, dass sie später weiter reden könnten und ging zurück ins Haus. Unsicher ließ ich mich neben Gaara auf der Schaukel nieder, die daraufhin ein wenig hin und her schwang. Im Garten war es recht dunkel, nur die Sterne erhellten das Szenario ein wenig und ich war recht froh Gaaras Gesichtsausdruck nicht richtig erkennen zu können. „Was gibt’s?“, fragte Gaara und in seiner Stimme lag ein angespannter Unterton. „Ich wollte mit dir reden“, sagte ich. „Das hast du vor zwei Sekunden schon mal gesagt.“ „Ja, richtig.“ Ich spürte, wie ich dunkelrot anlief. „Mach dich bitte nicht lustig über mich, ich bin nicht besonders gut in so etwas.“ Daraufhin sagte er nichts. Ich atmete einmal tief durch, dann fuhr ich fort: „Bei dem Festival, also als Lena und Katharina aufgetaucht waren, das war eine blöde Situation. Ich wollte nicht solche Sachen sagen.“ „Hast du aber.“ „Ich weiß, aber nur, weil es die Beiden waren. Sie sind so... ich weiß nicht, ich hatte irgendwie Angst in der Situation. Wenn sie herausgefunden hätten, dass ich schwul bin...“ Weiter kam ich nicht, denn ich wusste meine Erklärung würde Gaara alles andere als gefallen. „Dann was?“, hakte Gaara nach. „Dann hätten sie es in der Schule herum erzählt.“ „Jetzt sag bloß nicht, du denkst, niemand wüsste, dass wir was miteinander hatten, das weiß so ungefähr jeder aus der Oberstufe. Sie hätten es nur im anderen Gebäudeteil herum erzählen können und, was die denken, kann dir doch so ziemlich egal sein.“ Mein Hirn hatte nach dem Wort 'hatten' ein wenig nachgegeben und ich konnte meinen eigenen Herzschlag deutlicher hören als Gaaras Stimme. 'Dass wir was miteinander hatten', er hatte 'hatten' gesagt und nicht 'haben'. Hatte ich es so versaut? Mein Herzschlag war schmerzhaft und ich konnte spüren, wie mein Herz sich ein wenig verkrampfte. „Wieso hast du hatten gesagt?“, fragte ich dumpf. „Du hast gesagt, Sex mit einem Mann ist ekelhaft und du bist auf gar keinen Fall schwul. Für mich klang das danach, dass das, was auch immer wir miteinander gehabt hatten, vorbei ist.“ „Aber das hatte ich doch nur wegen denen gesagt und es tut mir leid.“ „Das reicht aber nicht“, sagte Gaara. Mir fiel auf, dass er mich nicht anschaute. Er schenkte seiner Zigarette mehr Aufmerksamkeit als mir und schaute zu, wie die Asche glühte, wenn er daran zog. „Was soll ich denn noch machen?“ Gaara schüttelte den Kopf, trat seine Zigarette auf dem Boden aus und stand auf. Ihn von mir weggehen zu sehen, war beinahe noch schmerzhafter als seine Worte. Kaum, da er im Haus verschwunden war, kamen Noah und Hannah heraus gehuscht, die heimlich am Fenster geklebt und zugeschaut hatten. Die beiden Jugendlichen, die neben der Tür miteinander herum machten, sahen aus als würden sie sich gegenseitig auffressen. Bei dem Anblick kam mir das Kotzen. Wie konnten die es nur wagen miteinander glücklich zu sein, wenn ich gerade von meinem Schwarm abserviert wurde? „Was ist passiert?“, fragte Noah als die Beiden sich links und rechts neben mir nieder ließen. „Warum sah er so sauer aus?“ „Ich hab mich entschuldigt und er meinte, das wäre nicht genug.“ „So ein Mädchen“, spuckte Hannah aus. „Was erwartet er von mir?“, fragte ich verzweifelt. „Ich will nicht, dass das mit ihm vorbei ist, wirklich nicht.“ „Dann sag es ihm. Er hat wahrscheinlich das Gefühl, dass du es gar nicht ernst meinst“, sagte Noah, doch es klang eher nach einer Überlegung. „Gaara ist sehr... er hat Angst davor verletzt zu werden, glaube ich, und du bist die erste Person, mit der es ernst meint. Vorher hatte er immer nur so Bettgesellschaften. Es ist schwierig an ihn heran zu kommen und du bist schon sehr nahe an ihm heran, da muss man vorsichtig sein, wie bei einer Bombe, bei der der falsche Draht alles in die Luft gehen lässt.“ „Eigentlich beunruhigt mich das mehr als, dass es mich tröstet“, gab ich zu. Die beiden Jugendlichen hörten wir mittlerweile keuchen. „Wir besprechen jetzt genau, was du ihm sagen willst und sagen sollst und dann startest du einen zweiten Versuch“, schlug Hannah sachlich vor. „Gute Idee“, nickte Noah. „Von mir aus“, sagte ich. „Gut, dann besorge ich uns nur noch was zum Trinken.“ Hannah stand auf und zuckte erschrocken zusammen, als Noah plötzlich quer durch den Garten brüllte: „HOLT EUCH GEFÄLLIGST EIN ZIMMER!“ Die beiden Jugendlichen waren nicht weniger erschrocken, schenkten ihm einen anklagenden Blick und verdrückten sich dann zurück ins Haus. Hannah musste darüber lachen und sogar ich brachte ein ehrliches Lächeln zustande. Vielleicht würde ich das heute Nacht mit Gaara noch gerade biegen können, so einfach durfte ich nicht aufgeben! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)