Misfits: Kreuzdame von Hushpuppy ({ boy x boy }) ================================================================================ Kapitel 8: Lukas - Zurück in der Schule Pt. 2 --------------------------------------------- Ehe ich mich versah, steckte ich bereits in der dritten Schulwoche und mittendrin in den Aufgaben. Unsere Geschichtslehrerin hielt uns Predigten, dass der Unterrichtsstoff in unserer Abi-Klausur in der 13 dran kommen würde und in Ethik hatte ich bereits ein Referat gehalten. Wie ich es hasste, Referate zu halten. Seit ich die Stufe gewechselt hatte und nicht mehr vor den kichernden Idioten sprechen musste, die mich noch für jedes Wort auslachten, war es etwas besser geworden, doch ich hasste es immer noch mich vor alle Schüler zu stellen und zehn Minuten lang zu sprechen. Und mit Gaara im Klassenraum war es nur noch schlimmer. Mehr denn je fiel mir auf, wie viel Unterricht ich eigentlich mit ihm hatte. Vor den Sommerferien saßen wir immer zusammen. Als ich zu ihnen in die Stufe gewechselt war, hatte er sogar Schifti kurzerhand einen anderen Platz zu gewiesen, damit ich bei ihm sitzen konnte. Jetzt saßen wir in jedem Unterricht, den wir zusammen hatten, so weit voneinander entfernt wie nur möglich. Vor wenigen Wochen hätte ich noch nicht gedacht, dass ich um die Fächer glücklich wäre, die wir nicht zusammen hatten. Gerade hielten wir die letzten Minuten Deutsch Leistungskurs aus, in dem ich zwischen Kaito und Noah in der vorletzten Reihe saß. Während unsere Lehrerin vorne verzweifelt versuchte die Aufmerksamkeit der Klasse aufrecht zu erhalten, war mir Kaito angeregt und im Flüsterton von einem Mädchen namens Sky am Erzählen. Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen zeigte er mir von ihr ein Foto auf seinem Handy, bei dem sie eine ihrer blonden Strähnen über die Lippe gelegt hatte, als wäre sie ein Schnurrbart. Ihre Lippen waren knallrot geschminkt, ihr Gesicht rundlich mit einer Stupsnase. „Die ist ziemlich hübsch“, flüsterte ich Kaito zu. „Ja, Mann. Die ist der Hammer. Sie sieht gut aus, hat einen klasse Körper, sie ist kreativ und talentiert und, wenn man sie erst mal richtig kennen lernt, hat sie auch Humor.“ „Klingt als hättest du dich verliebt“, stellte ich fest. Noah, der auf der anderen Seite neben mir saß, hörte nur mit einem halben Ohr zu und schrieb währenddessen ein wenig vom Unterricht mit. „Ich fürchte schon.“ Kaito grinste verlegen, fuhr sich mit einer Hand durch seinen braunen, kurzen Haare und betrachtete das Bild auf seinen Handy. „Scheiße.“ Er schüttelte den Kopf und bekam das Grinsen nicht mehr von den Lippen. „Scheiße, Mann.“ „Oh je.“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Ich kenne sie jetzt sein ungefähr einem Monat und wir sind schon so kurz davor zusammen zu kommen. Ich wäre der glücklichste Mensch dieser Welt.“ „Das freut mich für dich, ehrlich“, sagte ich. Laut erklang das Klingeln der Schulglocke und sofort begannen alle ihre Sachen zusammen zu packen, während die Lehrerin uns daraufhin wies, dass wir bis zur nächsten Stunde die neue Lektüre haben sollten, damit wir anfangen konnten damit zu arbeiten. Fluchs verstaute ich meine Sachen in die Tasche, warf mir diese über den Rücken und verließ mit Noah und Kaito das Klassenzimmer. Plaudernd schlenderten wir über den Gang in Richtung des nächsten Unterrichts. Gerade als wir um die Ecke bogen, spürte ich, wie mich jemand an der Schulter anstieß. Ich wurde zur Seite gerissen und mein Ordner fiel mir fast aus der Hand. Überrascht wandte ich mich demjenigen zu, der mich angerempelt hatte und sagte: „Entschuldigung!“ „Nicht angenommen! Was fällt dir ein mich anzurempeln?“ Einen Moment stutzte ich, dann erkannte ich, dass es sich bei dem Schüler um Michael handelte. Einer der fünf Idioten, die mich während meines ersten halben Jahres, als ich noch in der parallelen Klassenstufe gewesen war, jeden Tag gemobbt hatten. Ich spürte wie mir das Herz heftiger in der Brust schlug, schnell senkte ich mein Gesicht, sodass mir die langen Strähnen meines Ponys in die Augen fielen. Michael machte einen Schritt auf mich zu und schlug mir den Ordner aus der Hand. „Bist du bescheuert?!“ Kaito ging dazwischen und stieß Michael so heftig weg, dass dieser gegen die Wand krachte. Im nächsten Moment waren Hendrik und Marvin um ihn herum, die nächsten beiden Idioten, die Kaito mit vereinten Kräften von Michael weg zerrten. Heftig riss sich Kaito von ihnen los, sein Gesicht war wütend verzerrt, dass es mir beinahe Angst machte. „Lasst Lukas gefälligst in Ruhe“, zischte Kaito. „Er hat euch nichts getan.“ „Das ist ne Sache zwischen uns und Lukas.“ Michael ging zu mir herüber, legte einen Arm um meine Schulter und drückte mich kumpelhaft an sich. „Oder nicht? Unsere kleine Schwuchtel hier. Wir wussten gar nicht, dass du auf Schwänze stehst? Würdest du mir einen kleinen Freundschaftsdienst ableisten und an meinen Eiern lutschen?“ „Du widerlicher -“ Diesmal war es Noah, der Kaito davon abhielt auf Michael los zu gehen. Dafür musste er nur die Hand heben und schon schluckte der Russe seine Beleidigungen herunter und atmete tief durch. „Lukas, komm.“ Noah streckte die Hand nach mir aus und ich ergriff sie. Michael hielt mich nicht davon ab, als ich mich aus seinem Griff heraus wand. Fest drückte Noah meine Hand, als wollte er mir sagen, dass ich keine Angst zu haben brauche. „Ist das dein Freund?“, erkundigte sich Hendrik mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen, diesem Lächeln bei dem ich mich immer wie der letzte Dreck fühlte. Mein Mund klappte auf und ich wollte etwas sagen, wusste jedoch nicht was und selbst wenn, hätte ich wahrscheinlich ohnehin keine Worte über meine Lippen bekommen. Stattdessen neigte ich den Blick zu Boden und ging mit Noah, der meine Hand fest hielt bis wir beim nächsten Raum anlangten. Kaum, da wir drin waren und unsere Plätze eingenommen hatten, begann Kaito auf russisch zu fluchen. So laut, dass es der halbe Mathekurs mit bekam. „Was ist denn passiert?“, fragte Schifti. Gemeinsam mit ihm und Samantha belegten wir die letzte Reihe. Der hoch gewachsene, junge Mann mit dem flachen Gesicht saß direkt neben Kaito und hatte das Kinn auf einer Hand abgestützt. „Nichts“, antwortete ich leise. „Also, Kaito flucht nicht häufig wegen nichts“, sagte Schifti und Sam seufzte: „Bambi, du bist ein schlechter Lügner.“ Und, da Noah dabei gewesen und eine Tratschtante war, dauerte es keine Sekunde bis er ihnen alles genau erzählte. Als er endete, betrat der Lehrer den Klassenraum bevor Sam ihrer Wut Ausdruck geben konnte. Zähneknirschend wartete sie ab, bis sie ihre Aufgaben verteilt bekamen und sich in der Klasse ein dumpfes Gemurmel erhob. Wie immer halfen sich alle gegenseitig bei ihren stündlichen Aufgaben und der Lehrer war ständig damit beschäftigt irgendwem etwas zu erklären, weshalb er Sams gedämpften Wutausbruch nicht mitbekam. „Die mach ich fertig“, zischte sie. „Was fällt denen ein?“ „Wieso hast du nichts gemacht, Lukas?“, fragte Schifti. „Weil -“ Ich stockte und rang nach Worten. „Ich bin halt nicht... ich bin nicht gut in so etwas. Ich kann mich nicht verteidigen... ich weiß nie, was ich sagen soll... ich bin einfach nicht... ich bin nicht schlagfertig.“ „Ich auch nicht“, sagte Kaito. „Bei so etwas raste ich einfach aus.“ „Aber du bist stark.“ Ich packte meine Sachen aus, um etwas zu tun zu haben und den Anderen nicht in die Augen schauen zu können. „Du hast Michael einfach gegen die Wand gestoßen, das würde ich gar nicht schaffen. Ich bin körperlich nicht stark und verbal auch nicht, ich bin einfach... ein...“ Ich bin das geborene Opfer. Das hatte ich mir immer während des ersten halben Jahres auf dieser Schule gedacht. Ich wehrte mich nicht, beschwerte mich nicht bei einem Lehrer oder meiner Mutter, ich ließ alles über mich ergehen und versank dann Zuhause im Selbstmitleid. Und warum, konnte ich mir selbst nicht erklären. Meine Ausreden waren, dass ich niemanden damit belasten wollte, dass die Idioten mich nur noch mehr mobben würde, würde ich es jemanden verraten, dass es einfacher wäre, wenn ich versuchte sie zu ignorieren. Aber das änderte nichts daran, dass das Mobbing geschmerzt hatte. So bescheuert die meisten ihrer Sprüche auch gewesen waren. „Ist ja auch nicht weiter wichtig“, sagte Samantha. „Wenn so etwas noch mal passiert, musst du mal was gegen sie sagen. Du musst ja keinen coolen Spruch klopfen oder dich mit ihnen prügeln, sag einfach, dass sie dich in Ruhe lassen sollen.“ „Was soll das bringen?“, murmelte ich verbittert. „Wenn sie merken, dass du so etwas nicht mit dir machen lässt, hören sie auf“, erklärte Sam als wenn es so einfach wäre. „Ich glaube dieser Zug ist für mich abgefahren“, sagte ich. „Damit komme ich ungefähr ein Jahr zu spät.“ Sie wusste, dass ich Recht hatte und das schien sie nur noch wütender zu machen. Die Anderen fingen an zu überlegen, was man gegen die Idioten zu könnte, bis ich sie darum bat, es einfach auf sich beruhen zu lassen. Mal abgesehen von der unglücklichen Begegnung beim Festival, war dies das erste Mal seit einem halben Jahr, dass sie etwas gegen mich gesagt hatten, weshalb es so schnell vermutlich nicht wieder passieren würde. Widerwillig hörten sie also auf darüber zu diskutieren, stattdessen widmeten wir uns den Mathematikaufgaben. Mal wieder bewies der Kurs, dass er der schlechteste Mathematik Grundkurs war, der jemals existiert hatte und existieren würde. Als zum fünften Mal eine falsche Lösung zu ein und derselben Aufgabe vorgetragen wurde, riss bei unserem Lehrer der Geduldsfaden. „Es kann doch nicht möglich sein, dass ihr so oft die falsche Lösung heraus habt. Wie kann man denn so viele falsche Rechenwege finden?“ Er seufzte genervt und blickte zu mir. „Lukas, tu mir den Gefallen und rette mich.“ Und mal wieder blieb es an mir hängen, der Klasse Rechenweg und Lösung zu erklären. In der Mittagspause entschied ich mich dazu zu Kiaro und Florian zu gehen, die auf dem Schulhof etwas weiter entfernt von der Raucherecke waren. Auf einer hölzernen Bank, der einige Schüler die Lehne abgerissen hatten, saß Kiaro im Schneidersitz und klimperte auf seiner Gitarre. Florian hatte seine dünne Stoffjacke wie eine Decke auf dem Boden ausgebreitet, lag mit dem Rücken darauf, die Füße auf der Bank abgelegt und las in seiner Englischlektüre. „Kann ich mich zu euch setzen?“, fragte ich. „Klar“, sagten die Beiden wie aus einem Mund und ich ließ mich gleich neben Kiaro nieder. Tasche und Ordner stellte ich auf dem Boden ab. „Seit wann bist du nicht mehr bei den Anderen in der Raucherecke?“, fragte Kiaro und hörte auf zu spielen. Er trug lockere Klamotten, seine Haare waren schulterlange, hellbraune Dreads und sein Gesicht länglich und gebräunt. Florian sah im Gegensatz normal aus, mit kurzen, braunen Haaren, die er unter einer Kappe versteckte und einer blassen Haut. Unter seinen Augen waren wie immer dunkle Ringe zu erkennen. Mein Blick glitt herüber zur Raucherecke, wo alle anderen versammelt waren. Es schmerzte zuzusehen wie Noah etwas Lustiges erzählte und alle zum Lachen brachte, während Schifti mit Sam herum alberte. Aber am Schlimmste war es Gaara zu sehen. Natürlich war er am Rauchen. Ich war nur ein Partyraucher und auch erst dann, wenn ich schon etwas getrunken hatte, doch Gaara rauchte ständig. Eigentlich mochte ich das gar nicht an ihm, doch es hatte etwas Attraktives an sich wie er dort stand, eine Hand lässig in der Hosentasche und den Rauch spitz ausblies. Wir hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt. Wir ignorierten uns und ich konnte nicht einmal erklären, warum. Meiner Meinung nach hatte ich alles getan, was in meiner Macht stand, Gaara war es nicht genug, doch er wollte mir auch nicht sagen, was ich noch mehr machen sollte. Ich wusste, dass es ihm schwer fiel über seine Gefühle zu sprechen und vielleicht war das unser größtes Problem bei diesem bescheuerten Streit. Wir konnten nicht normal miteinander sprechen, weil Gaara nicht über seine Gefühle sprach und ich ihm gegenüber nicht zugeben wollte, was ich wirklich für ihn empfand. „Ich wollte heute mal nicht den Rauch einatmen“, log ich zu Kiaro gewandt. „Ihr seid auch nicht immer in der Raucherecke.“ „Wegen dem.“ Kiaro deutete auf Florian, der die Lektüre ein wenig zur Seite schob, um ihm einen düsteren Blick zu schenken. „Flo kann sich nicht konzentrieren, wenn so ein Chaos um ihn herum herrscht.“ „Meine Noten letztes Jahr waren nicht gerade prickelnd“, sagte Florian. „Ich muss mich mehr anstrengen, wenn ich mein Abi schaffen will.“ „Naja... ich komponiere momentan ein eigenes Lied“, erzählte Kiaro mir. „Ach echt?“, fragte ich überrascht. „Ja, es geht ziemlich ins Reggae und es ist auch nur die Melodie auf der Gitarre. Ich kann nämlich nicht singen und bin auch nicht gerade gut darin eigene Songtexte zu schreiben... willst du es mal hören?“ „Klar, gerne!“ Und ich lauschte Kiaros Lied, als mir in den Sinn kam, dass das erste Halbjahr in der Elf in Grausamkeit nur dadurch übertroffen werden konnte, wenn zum Mobbing der Liebeskummer hinzu kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)