Das kleine Traumfresserchen von Kupoviech ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Traurig und allein saß das kleine Traumfresserchen auf einem hohlen Baumstamm. Den großen stacheligen Kopf hatte es nach vorn geneigt. Es blickte nachdenklich drein. Gar nicht munter und fröhlich spielend, wie es sonst um diese Stunde auf der großen Heide herumtollte. Da kam sein Vater und sah es dort sitzen, wie es betrübt zu Boden blickte. „Schnabbepi…mein kleines Traumfresserchen, was blickst du so traurig drein?“ Das kleine Traumfresserchen schnaubte nur kurz mit seinem übergroßen Mund. „Die Brownies haben mich geärgert“, sagte es und hob lustlos seine silbrigen, schmalen Schultern. „Sie haben gesagt, ich wäre dumm.“ Das große Traumfresserchen, das seinerzeit in der Jugend viele Abenteuer erlebt hatte, eines davon mit einer kleinen Prinzessin, setzte sich zu seinem Spross auf den hohlen Baumstamm. Es war nicht viel größer als sein kleines Traumfresserchen. „Aber du bist doch gar nicht dumm“, tröstete es, aber das kleine Traumfresserchen seufzte nur. „Doch…doch ich bin dumm. Ich esse ja nur Alpträume und die Brownies haben gesagt ich müsse gar keinen Verstand besitzen, wenn ich nur die bösen Träume esse. Die Guten müssten doch besser schmecken.“ Seine Freunde die Brownie Kinder kamen immer im Sommer vorbei, wenn die Arbeit mit den Eltern getan und sie sich auf der großen Heide austoben konnten. Liebend gerne zogen sie ihre Ringelreigen um das kleine Traumfresserchen, das so glitzerte wie helles Mondlicht. Die Brownies liebten glitzernde Dinge und so fühlte sich das kleine Traumfresserchen geschmeichelt, denn niemand sonst mochte seine hässliche, stachelige Gestalt. Es war auf den Spott in diesem Jahr nicht vorbereitet gewesen. Es sperrte seinen großen Mund zu und sah ganz jämmerlich aus. Sein Vater schnappte mit dem großen Mund, „Unsinn…iddefix…Blödsinn“, schnatterte er. „Die bösen Träume fressen wir. Die bösen Träume schmecken uns. Die Guten gehören den Menschen. Die schmecken uns nicht.“ Das kleine Traumfresserchen sah, wie sein Vater sich über den Bauch strich, bei der Vorstellung einen besonders üblen Kinderalptraum zu verspeisen. „Als ich so alt war wie du, da verirrte sich ein König auf unsere Heide…“, begann sein Vater zu erzählen. Sein großes Abenteuer, wie er es immer nannte. Das kleine Traumfresserchen vergrub sein Gesicht in den Händen, was kein leichtes Unterfangen war, denn sein Kopf war viel zu groß dafür. „Schnatterfix, Traumfresserchen, du hast mir die Geschichte schon so oft erzählt. Aber trotzdem weiß ich nicht wie ein guter Traum schmeckt, also bin ich dumm“, unterbrach es seinen Vater, denn noch einmal wollte es die Geschichte nicht hören. Der Vater schüttelte nur den Kopf. „Was willst du mit den guten Träumen. Die gehören den Menschen“, sagte er nun sichtbar erbost, da sein Sohn nicht zuhörte und stand auf. „Gute Träume schmecken uns nicht“, sagte er noch und ging dann seiner Wege, da aus der Ferne ihn ein Kind einlud. Das kleine Traumfresserchen blieb allein zurück auf dem hohlen Baumstamm sitzend. Es fragte sich vorher sein Vater wissen wollte, dass die guten Träume nicht schmeckten. Sie wurden ja nur für die schlechten Träume eingeladen. Nie hatte sie jemand probieren lassen. Da beschloss das kleine Traumfresserchen sich auf die Suche zu machen. Die guten Träume der Menschen durfte es nicht fressen. Aber auf der Heide hatte es viele Freunde, da würde bestimmt jemand bei sein, der mit ihm einen guten Traum teilen würde. So sprang es von dem hohlen Baumstamm und huschte zu die blühenden Eriken, denn es wusste die Brownies liebten dieses Heidekraut. Die kleinen dürren Beine flitzten geschwind und schon bald konnte das kleine Traumfresserchen, die Brownie Kinder hören, wie sie miteinander rangen. „Schnabbepi…Brownie Kinder“, grüßte es. Etwas verlegen hüpfte es von einem Bein auf dem anderen. Die Brownie Kinder kicherten und grüßten zurück. Flink kamen sie näher und begannen mit ihren Ringelreihen um das kleine Traumfresserchen herum. Ihre braunen Hemden und Röcke raschelten mit dem Wind. Das kleine Traumfresserchen nahm all seinen Mut zusammen und traute sich dann zu fragen, „Eure Brüder und Schwestern haben gesagt ich sei dumm, da ich nicht weiß wie ein guter Traum schmeckt. Würdet ihr mich probieren lassen?“ Die Frage hörte Mutter Brownie, sie kam geschwind herbei, mit dem Besen in der Hand. Fluchend und zeternd schwang sie ihren Besen. „Hinfort mit dir!“, rief sie zornig. „Hinfort, wie kannst du es wagen kleines Traumfresserchen, die guten Träume meiner Kinder, die lass sein. Die sind nicht dein.“ Sich sputend nahm das kleine Traumfresserchen die Beine in die Hand, denn der Besen der Mutter Brownie war dafür bekannt besonders schmerzhaft und schnell den Hintern von ungehorsamen Kindern zu versohlen. Aus der Ferne konnte das kleine Traumfresserchen immer noch ihre Schimpferei hören. Traurig zog es weiter, da es nicht mehr bei den Brownies erwünscht war. Doch in seinem Unglück, fand es einen Haggis, der an einen Hügel stand. Das linke Bein lang, das rechte Bein kurz, stand es da auf der Hut vor den Dudelsäcken der Jäger. Denn es war Jagdsaison und der Haggis landete nicht gerne freiwillig auf der Speisekarte der Menschen. Hastig eilte das kleine Traumfresserchen näher. Vielleicht würde der Haggis ihn probieren lassen. So fragte es doch auch ganz höflich. Doch der Haggis erschreckte sich so sehr, dass er anfing davonzulaufen. In kurvigen Kreisen lief er los und schrie, „Lass Frieden bei mir… doch schon auf der Speisekarte der Menschen bin ich“ Immer weiter lief der Haggis seine Kreise in die flache Ebene der Heide, wo es aufgrund seiner ungleichen Beine umfiel und kläglich schimpfte. „Ach nay….ach nay“ Mit schlechtem Gewissen sah das kleine Traumfresserchen, was es angerichtet hatte, es wollte dem Haggis wieder auf die Beine helfen. Das Problem war aber, dass es ihn mit den Stacheln auf seinem Kopf furchtbar piekte und das kleine Männlein auf den ungleichen Beinen nicht auf der flachen ebene stehen konnte. Da begann der Haggis so furchtbare Verwünschungen auszustoßen, dass das kleine Traumfresserchen nur wieder davon laufen konnte. Es sauste und brauste über die Heide, es fand Freunde zwischen den Kornblumen und fragte, es fand Freunde unter dem Klee und fragte. Es fand sogar Freunde im Moss und auf den Köpfen der Gänseblumen und fragte sie alle. Als es alle gefragt hatte und niemand ihn hatte probieren lassen von den guten Träumen, da wurde es wieder ganz traurig und setzte sich zurück auf seinem hohlen Baumstamm. Seinen Mund hatte es wieder geschlossen und die Freude daran diesen weit auf zu sperren war ihm vergangen. Wie es so deprimiert dort saß, da kam die Frau Holle vorbei, um die Blumen, Gräser und Kräuter den nötigen Saft zum blühen zu geben. „Kleines Traumfresserchen, warum so traurig?“, fragte die Frau Holle freundlich. Ihr gutmütigs Gesicht sah wohlwollend auf den Freund der kleinen Kinder. Sie setzte sich auf den Baumstamm. Es war Sommer und so war die Frau Holle jung. In ihrem blonden Haar, da schien golden die Sonne und in ihren blauen Augen, das war der Himmel klar und freundlich. Aber selbst die lebendige Gestalt des Sommers mochte dem kleinen Traumfresserchen keinen Trost geben. Es schnappte nur kurz mit seinem großen Mund. „Warum spielst du nicht mit deinen Freunden, kleines Traumfresserchen?“, fragte die Frau Holle weiter. Hatte sie doch den ganzen Tag gearbeitet und nichts von dem Kummer des kleinen Traumfresserchen mitbekommen. „Die sind alle davon gelaufen und die Brownie Kinder haben mich geärgert“, antwortete es ganz deprimiert. „Sie haben gesagt ich sei dumm. Ich würde nicht wissen, wie die guten Träume schmecken. Aber es wollte mich auch keiner probieren lassen.“ Als die Frau Holle dies hörte, da musste sich herzlich lachen. „Aber kleines Traumfresserchen. Du hast ein Schnappschnäbelchen, ein Hornmesserchen und ein Glasgäbelchen. Die Dinge sind für die bösen Träume geschaffen, mein kleines Igelchen der Anderswelt.“ Die Frau Holle legte ihre große Hand behutsam und tröstend auf den stacheligen Rücken des kleinen Traumfresserchen. „Natürlich gibt dir niemand die guten Träume. Die guten Träume sind einem jeden Geschöpf dieser Welt wertvoll und besonders wichtig. Ein Mensch ohne einen guten Traum, der ist nicht glücklich und die Welt der Menschen über die wir alle wachen, die wäre eine andere ohne die guten Träume. Drum Freue dich doch. Du, dein Vater und alle aus der Familie der Traumfresserchen sind ganz besondere Hüter der Träume. Denn wer sonst, mag die bösen Träume.“ Die Worte der Frau Holle waren für das kleine Traumfresserchen nicht leicht zu verstehen und auch waren sie keine Antwort darauf, wie ein guter Traum nun schmeckte. „Das verstehe ich nicht“, räumte das Traumfresserchen kläglich ein, „Außerdem weiß ich immer noch nicht wie ein guter Traum schmeckt.“ Es fühlte sich ganz klein. Erwartungsvoll sah es die Frau Holle an. Vielleicht wusste sie eine bessere Antwort zu geben, immerhin war die Frau Holle bewandert in den Geschicken der Welt. „Nun die Menschen sind ein Volk für sich, das gebe ich gerne zu. Es ist auch nicht leicht zu verstehen. Ein Mensch mit einem guten Traum, der hat ein Ziel vor Augen, dass seinem Leben Sinn gibt. So wie es für die Brownies Sinn macht Hausarbeit zu erledigen für hin und wieder eine Schüssel voll Milch. So wie es das Ziel des Haggis ist vor den Dudelsackjägern davon zu laufen, weil es nicht gegessen werden möchte. Jedes Geschöpf auf unsere Heide hat Sinn und Ziel. Aber die Menschen sind da anders. Sie brauchen Träume und Visionen, die sie zum Ziel machen können. Daher müssen die bösen Träume gefressen werden, damit sie keine Angst vor den Träumen haben. Ein Abraham Lincoln hatte einmal einen Traum, ein Gesetz zu verabschieden, dass alle Menschen gleich sind. Was wäre die Menschheit nun, hätte er niemals diesen Traum gehabt. Gewiss lebten viele noch im Elend der Sklaverei. Oder sag mir kleines Igelchen, was wären die Menschen ohne ihren Fortschritt? Träume von großen Erfindern wie Thomas Watt oder eines Edison? Sie würden heute noch in harter Arbeit und Dunkelheit leben. Was wäre aus den Menschen geworden, hätten ihre Vorfahren in den Höhlen nicht von einer warmen Mahlzeit geträumt und so das Feuer entdeckt? Eine arme, graue Welt wäre das. Und was wären wir kleines Traumfresserchen, wenn nicht Schall und Rauch ohne die Träume der Kinder. Wir alle sind auch Teil ihrer guten Träume.“ Die Augen des kleinen Traumfresserchens wurden ganz groß, während es der Erklärung der Frau Holle lauschte. So hatte es das kleine Traumfresserchen noch nie gesehen. Gute Träume konnte man also gar nicht essen. Verdruss machte sich in dem kleinen Traumfresserchen breit, es war ja gar nicht dumm, sondern sogar sehr klug, wenn einem Traumfresserchen nur die bösen Träume schmeckten. „Sag, kleines Traumfresserchen, hat dir dein Vater denn nie die Geschichte der Prinzessin Schlafittchen und dem Königreich Schlummerland erzählt?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)