Momentum von Zyra (Für immer Mein) ================================================================================ Kapitel 1: Erwarteter Besuch ---------------------------- Es war der 14. Mai kurz nach 23 Uhr, als Jian endlich die SMS abschickte. Alles erledigt. Kommst du morgen nach Shanghai? J. Das Handy immer noch in der Hand ließ er sich rücklings ins Bett fallen. Er war erschöpft. Den ganzen Papierkram für Seto zusammenzustellen, war mehr Arbeit gewesen, als er erwartet hatte. Nichts mit „In ein paar Stunden ist das erledigt“. Er hatte deswegen die ganzen letzten Tage bis spät in die Nacht gearbeitet. Aber immerhin, er war termingerecht fertig geworden. 52 Minuten vor Beginn seines Geburtstags. Er entspannte sich. Dann klappte er sein Handy wieder auf. Keine Nachricht. Was erwartete er auch? Er hatte die SMS erst vor drei Minuten geschickt. Er seufzte und schloss die Augen. Mit dem Handy auf dem Bauch konnte er die Antwort nicht verpassen, selbst wenn er einschlief – was keine fünf Minuten später bereits geschehen war. Das Vibrieren des Telefons riss ihn tatsächlich aus dem Schlaf. Blitzschnell wurde es geschnappt, aufgeklappt und zum Ohr geführt. „Ja?“ Obwohl er plötzlich wieder hellwach war, hörte es sich selbst in seinen Ohren genuschelt an. „O Liebling, hab ich dich geweckt?“ Das klang eindeutig nicht nach Seto, sondern nach seiner Mutter. Verdammt. „Hm.“ Jian setzte sich auf und warf einen schnellen Blick auf das Display. Mutter, bestätigte es und zeigte weiterhin 0:04 Donnerstag 15. Mai 2014. „Das tut mir leid. Alles Gute zum 25. Geburtstag.“ „Danke“, murmelte er nur – weniger genervt von ihrem Anruf, als enttäuscht, nicht seinen Freund in der Leitung zu haben. „Ist alles Ordnung, Liebling? Du gehst doch sonst nicht so früh zu Bett.“ „Ich bin nur weggedöst. Hatte viel zu tun.“ „Du hast immer viel zu tun“, schimpfte sie. „Wag es ja nicht, die Firma vorzuschieben, um den Wochenendbesuch abzusagen. Ich hab dich so lange nicht mehr gesehen.“ „Davon war doch nie die Rede“, erwiderte er gereizt. Wie gerne würde er diese Feier absagen. „Ich bin mit der Angelegenheit fertig und ich komme am Freitagabend – alles wie geplant.“ „Gut. Alles ist bereits vorbereitet. Es werden bestimmt ein paar schöne Tage.“ Jian brummte. Das würde wieder einmal die Hölle auf Erden werden. Nichts anderes. Da machte er sich keine falschen Hoffnungen. „Mir ist zu Ohren gekommen“, fuhr seine Mutter – nun wieder bestens gelaunt – fort, „dass deine Männergeschichten abgenommen haben. Gibt es da jemanden, Liebling?“ „Mutter“, presste Jian genervt hervor, „du solltest nicht alles glauben, was Lang dir erzählt. Schon vergessen: Männer erzählen ihren Frauen, was sie hören wollen. Deine eigene Weisheit.“ „Schatz, ich wollte nur sagen, dass ich mich für dich freuen würde und er immer herzlich willkommen ist“, sagte sie beschwichtigend. Den Teufel würde er tun. Seto zu seinen Leuten mitnehmen, pah. Das würde er ihm in tausend Leben nicht antun. Er glaubte zwar nicht, dass der leicht zu verstören war, aber man musste ja kein unnötiges Risiko eingehen. „Du wirst nie müde, derlei zu betonen, Mutter.“ Sie seufzte und ließ das Thema fallen, nur um zu ihrem anderen Lieblingsthema zu kommen. „Wie geht es dem Kater?“ „Mischio geht’s gut“, brummte Jian. Er wartete nur daran, dass Seto das kleine Fellknäul endlich zu sich nahm. Eine tägliche Nervensäge weniger. „Aber er mag das viele Reisen nicht. Ich überlege, ihn einem Freund zu überlassen.“ „Du kannst das junge Tier doch nicht zu einem Unbekannten abschieben“, empörte sich seine Mutter wie nicht anders erwartet. Dachte sie wirklich, dass er ihr das glaubte? Nachdem sie so einen Wirbel darum gemacht hatte, dass er unbedingt Gesellschaft brauchte? Er konnte nur mühsam das Lachen unterdrücken. „Die beiden verstehen sich bestens. Und er hat einen großen Garten.“ „Ach, ich weiß nicht.“ Ein Seufzen erklang aus dem Hörer. Sie schien zu begreifen, dass es ihm ernst war. „Bring ihn doch am Wochenende mit. Vielleicht lebt er sich hier ja doch noch ein.“ „Ich denke darüber nach“, sagte Jian vage. Im Grunde hatte er die Abmachung mit Seto schon getroffen. Wenn der heute kam, konnte er ihn direkt mitnehmen. „Was hast du heute vor? Du hast dir doch frei genommen?“ Seine Mutter entschied sich abermals für einen Wechsel des Gesprächsthemas. „Sicher. Ich werde ausschlafen und mir einen ruhigen Tag machen. Vielleicht kommt ein Freund zu Besuch.“ So hätte er zumindest eine Ausrede, wenn er mit Seto gesehen wurde und es seiner Mutter irgendwie zu Ohren kam – er sollte direkt ein ernstes Wörtchen mit seinem PA reden, das musste aufhören. „Vielleicht?“, fragte sie verwundert. „Ich wusste nicht, ob ich mit meiner Angelegenheit fertig werden würde. Also konnte ich ihm erst vor einer guten Stunde schreiben. Keine Ahnung, ob sein Terminkalender einen spontanen Besuch zulässt.“ „Das wäre doch schön. Dann hättest du Gesellschaft. O, du wartest sich auf seine Antwort. Da blockiere ich ja die Leitung.“ „Gewissermaßen, ja.“ „Gut. Ich wünsche dir noch einen schönen Geburtstag, Liebling. Lass es dir gut gehen, ja? Bis Freitag!“ „Bis Freitag“, murmelte er wenig erfreut, aber sie hatte schon aufgelegt. Immer noch keine Nachricht von Seto. Nach einer Stunde. Verdammt, was trieb der denn? Der war doch nicht etwa eingeschlafen. Er wusste doch, dass Jian sich melden wollte. Vielleicht war er auf Reisen – irgendwo, wo es bereits mitten in der Nacht war. Jian rappelte sich auf und beschloss Setos Smartphone zu orten. Danach würde er mehr wissen. Und da seine Aufgabe abgeschlossen war, durfte er ihm sogar offiziell hinterherspionieren. Hinterlistig lächelnd holte er sich eine Flasche Wein aus der Küche und ließ sich mit seinem Notebook auf dem Ecksofa im Wohnraum nieder. Neben ihm lag Mischio zusammengerollt. Der kleine, braun-cremefarbene Kater hob den Kopf – und ignorierte ihn kurz darauf wieder. Er war halt uninteressant, wenn das Vieh nicht gerade essen oder jemanden nerven wollte. Aber gut, das sollte ihm recht sein. Wenige Minuten später folgte die Ernüchterung auf Jians Euphorie. Das Smartphone war nicht zu orten. Auch beim dritten Versuch bekam er kein GPS-Signal. „Verdammt“, grummelte er. Also war Seto wahrscheinlich im Ausland und hatte das Gerät über Nacht ausgemacht, um nicht zu Unzeiten geweckt zu werden. Es konnte sich um Stunden handeln, bis beim ihm der Morgen anbrach. Genervt schenke sich Jian ein zweites Glas Rotwein ein. So etwas Ärgerliches. Jetzt musste er warten. Ein, zwei Stunden konnte er damit totschlagen, das Material zu durchforsten, das sein Privatdetektiv für geschäftliche Zwecke über Seto gesammelt hatte. Wenn er dann immer noch nichts gehört hatte, würde er sich schlafen legen, ansonsten war er morgen zu nichts zu gebrauchen. Jian holte die Akten aus dem Arbeitszimmer, stapelte sie nach Monaten auf dem Couchtisch und machte einen Abstecher in die Küche. Ein kleiner Snack wäre jetzt etwas Feines. Leider zeigte der Kühlschrank nur gähnende Leere. Er hatte an den letzten Abenden alles aufgegessen. „Ein Königreich für eine Schachtel gebratene Nudel mit Ente“, murmelte er seufzend in sich hinein. Kurz spielte er mit dem Gedanken sich etwas zu bestellen, verwarf ihn nach einem Blick auf die Uhr jedoch wieder. Als ersten nahm Jian den letzten Bericht vor dem Vertragsabschluss zur Hand. Sauber, stand dort, keine illegalen Aktivitäten. Und weiter: Keine geschäftlichen Aktivitäten als Drohung/Erpressung verwendbar. Keine Verhandlung über das Projekt mit der Konkurrenz. Schwer zu überwachen. Soweit die Kurzfassung. Das war nichts, was Jian überraschte. Der weitere Bericht erwies sich als eher langweilig. An den beigefügten Fotos blieb er allerdings hängen. Mm. Seto beim Joggen im Central Park. In Shorts und T-Shirt. Schwitzend. Der Blick nachdenklich-abwesend. Jian nippte an seinem Rotwein und startete abermals eine GPS-Ortung. Wieder ohne Erfolg. Er seufzte. Bei seinem Glück war Seto in Amerika, wohlmöglich auch noch an der Westküste oder nein, besser noch, Hawaii. Nach einem letzten gierigen Blick auf seinen sexy, joggenden Freund, sortierte er die Bilder wieder ein und griff nach der nächsten Mappe. Ebenfalls nicht Auffälliges. Eine Akte später nickte er ein. Als er wieder aufwachte, war es Viertel nach Eins. Gähnend checkte er den GPS-Standort. Nichts. Er beschloss mit Akten und Wein an den Küchentisch umzuziehen. Auf dem Sofa wäre er innerhalb der nächsten Minuten tief und fest eingeschlafen. Nachdem zwei weiteren Akten auch nur sein Verlangen nach seinem Freund verstärkt hatten, holte er sein Smartphone heraus und begann resigniert Tetris zu spielen – allerdings eher mechanisch als konzentriert. Um zehn vor zwei klingelte das Telefon. Er blinzelte. Der Festnetzanschluss? Wer konnte das sein? Ein Blick aufs Display zeigte das Foyer als Anrufer. „Ja“, meldete er sich. „Guten Abend, Sir. Hier ist ein junger Mann und verlangt, sie zu treffen. Er sagt, sein Name sei Seto Kaiba und sie erwarteten ihn.“ Seto? Hier? Wie das? Jian hatte ihm nie verraten, wo sein privater Wohnsitz war. Wie sollte er das herausgefunden haben? Ein eigener Privatdetektiv? „Sie sieht er aus?“, fragte er argwöhnisch. „Ein Japaner, Sir. Mit braunen Haaren und blauen Augen. Großgewachsen. Gutgekleidet, sehr feines Sakko. Er scheint mir allerdings …“ Der Nachtwächter unterbrach sich. „Hey! Warten Sie! Sie können den Fahrstuhl nicht ohne Freigabe benutzen“, hörte Jian ihn dem vermeintlichen Seto nachrufen. „Was zur …“ Jian bewegte sich automatisch zu der Kommode, in der er eine Pistole versteckt hielt, als er durch das Telefon das leise „Pling“ des Fahrstuhls wahrnahm. „Sir, er ist im Fahrstuhl. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Das System zeigt an, dass er den richtigen Code für Ihr Stockwerk eingegeben hat. Dabei fragte er nach Stock und Appartementnummer“, erklärte der Nachtwächter aufgebracht. „Ich alarmiere sofort den Sicherheitsdienst.“ „Warten Sie“, verlangte Jian. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich Seto war, wollte er ihm nicht den Sicherheitsdienst auf den Hals hetzten. Mit den Jungs war nicht zu spaßen. Leise schritt er zur Wohnungstür hinüber und entsicherte die Waffe. Mit einem Angreifer käme er locker alleine zurecht. „Sir?“, erklang es verwirrt aus dem Telefon. „Er ist jetzt oben. Soll ich nicht…?“ „Ich erwarte Seto Kaiba“, unterbrach Jian. „Ich kann Ihnen gleich bestätigen, ob er es ist“, sagte Jian. Im selben Moment klingelte es an der Tür. Vorsichtig linste er durch den Spion und entdeckte … seine Seto. Er lächelte. „Alles in Ordnung. Er ist es.“ Jian sicherte die Pistole, beendete das Gespräch und öffnete routiniert die Türschlösser. Kaum hatte er die Tür aufgemacht, umschlang Seto ihn und ein zufriedenes „Hm“ erklang an seiner Schulter. Weiches Haar kitzelte seine Wange. Überrascht managte Jian es, Pistole sowie Telefon auf den Schuhschrank neben sich zu schieben, und mit seinem Freund in den Armen die Tür zu schließen und zu verriegeln. „Entschuldige die Verspätung“, murmelte Seto in sein Ohr. „Ich war mir nicht sicher, ob ich kommen sollte.“ „Warum?“ Seto lachte leise. „Das wirst du schon noch merken.“ Neckisch knabberte er an Jians Ohr. „Was hast du angestellt?“, fragte Jian argwöhnisch und trat einen Schritt zurück, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Die blauen Augen blickten gewohnt kühl. „Ich bin sicher, ich kann vieles im Handumdrehen aus der Welt schaffen.“ Demonstrativ hob er das Telefon. Setos Mundwinkel zuckten belustig. „Es ist nichts Schlimmes.“ Auf Jians bohrenden Blick fügte er hinzu: „Wirklich nicht. Ich hab keinen ermordet, angefahren, verprügelt, beraubt oder dergleichen.“  Jian blickte weiterhin skeptisch. Seto verdrehte die Augen. „Betrogen habe ich dich ebenfalls nicht, wenn du darauf hinaus willst“, sagte er spöttisch. „Wobei… in denen Augen wäre das schlimmer als das eben aufgezählt, nicht wahr?“ „Allerdings“, brummte Jian. Er traute dem Frieden nicht. Irgendetwas war da doch. „Ich hab dir Kaffee mitgebracht“, sagte Seto und zog einen von zwei Pappbechern aus dem Vorderfach seines kleinen Reisekoffers. Das ganze sah stark improvisiert aus. „Vorausgesetzt du möchtest jetzt nicht schlafen gehen.“ Jian schnaubte. Nachdem sein Freund so unverhofft aufgetaucht war, würde er die Nacht bestimmt nicht mit schlafen verbringen. Er griff nach dem Becher. Seto zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Du siehst müde aus“, meinte er. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. „Ich lauf dir bis zum Morgen nicht weg.“ „Klappe halten“, murmelte Jian und beugte sich zu ihm hinüber. Was als kurzer Kuss geplant gewesen war, artete schnell in einen leidenschaftlichen Zungenkuss aus. So lange hatte er darauf verzichten müssen. „Dann trink deinen Kaffee.“ Seto schlüpfte aus seinen Schuhen und nahm sich den zweiten Becher. „Du schmeckst nach Wein“, stellte Jian fest. Rotwein, um genau zu sein. Vielleicht kam Seto von einem Geschäftsessen. Und dort war etwas besprochen worden, von dem er erwartete, dass es Jian nicht gefallen würde. Eine mögliche Erklärung für die Verspätung. Er nippte an seinem Kaffee. Mm, noch heiß. Mit einem Schuss Milch und zwei Löffeln Zucker. So wie Jian es mochte. Der Mann kannte ihn einfach. „Du auch“, gab Seto ungerührt zurück. „Zeigst du mir deine Wohnung?“ „Sicher.“ Zuerst führte Jian ihn ins Schlafzimmer, damit Seto seinen Koffer und die Notebooktasche abstellen konnte. Ohne zu fragen, ließ dieser auch sein Sakko dort zurück – ordentlich aufgehängt in Jians Kleiderschrank. „Entschuldige die Unordnung“, murmelte Jian, als sie die Küche betraten. Er raffte schnell die Akten zusammen, aber vermutlich hatte Seto bereits bemerkt, dass es dabei um ihn ging. „Ich hab nicht mit Besuch gerechnet.“ „Unordnung?“ Seto hob spöttisch eine Augenbraue. „Ich nenn das Zeichen einer Bewohnung. Sag jetzt nicht, ich wäre unordentlich. Du bist einfach pedantisch.“ Jian hatte tatsächlich gerade den Mund öffnen wollen, um etwas Entsprechendes zu äußern. Er lächelte, obwohl Seto ihm geschickt den Wind aus den Segeln genommen hatte. Es war ein gutes Gefühl, jemanden zu haben, der einen so gut kannte. Das verlieh ihren Diskussionen die richtige Schärfe. Jian schnaubte. „Du übertreibst mal wieder maßlos“, warf er ihm vor. „Ach ja?“ Setos Augen funkelten. „Guck dir mal dein Bücherregal an und dein Kühlschrank ist …“ Er brach abrupt ab, als er die Leere bemerkte. „… wäre mit Sicherheit ebenso ein gelungenes Beispiel für übertriebene Ordnung.“ Jian lachte ihn aus. Er gab sich keine Mühe, seine Belustigung zu verbergen. Der Schlag war gründlich danebengegangen. Obwohl er zugeben musste, dass Seto sich schnell und gut gefangen hatte. „Verdammt, hast du gar nichts zu essen da?“ Seto klang überraschend frustriert. Er klappte das Gefrierfach auf. Auch das war leer. „Warst du nicht bei einem Geschäftsessen?“, konterte Jian, um nicht zugeben zu müssen, dass er meilenweit davon entfernt war, seinen Gastgeberpflichten gebühren nachzukommen. „Das Essen ist eine Weile her. Und es gab nur Kleinkram“, murmelte er und ließ nach einen letzten Blick in den leeren Kühlschrank, die Tür zufallen. „Kann man hier noch irgendwo eine Pizza bestellen? Oder meinetwegen etwas Chinesiches?“ Ganz automatisch schlich sich ein Lächeln in Jians Züge. Danach hatte er sich erst vor kurzem gesehnt. „Hat da etwa jemand Hunger?“, spöttelte er dennoch. Setos Reaktion traf in unvorbereitet. Der pikste ihm in den Bauch und sein Magen grummelte prompt verräterisch. „Hm“, machte Seto kurz und herausfordernd. „Überführt“, gestand Jian ein. Vorsorglich erstickte er jegliches Gefrotzel mit einem Kuss. „Ich zeigt dir schnell den Rest, dann können wir etwas bestellen.“ Schnell wurde durch das gefleckte Fellknäul sabotiert. Sobald sie das Wohnzimmer betraten, reckte es abermals neugierig den Kopf und hatte im Nu seinen Seto registriert. Mauzend kam Mischio angetigert. „Hey“, murmelte Seto, nahm seinen kleinen Kater auf den Arm und begann ihn zu kraulen. War ja klar, dass das Vieh erst mal ausgiebig geliebkost wurde. Hmpf. Zufriedenes Schnurren erklang. Jian verdrehte die Augen und gab sich die größte Mühe, nicht allzu eifersüchtig zu wirken. Vergebens. Seto wusste inzwischen wohl sehr genau, worauf er zu achten hatte. „Nicht so ungeduldig“, murmelte er ihm ins Ohr. Der Ton schwankte zwischen Spott und Verführung. „Du bekommst deine Streicheleinheiten schon noch. Vielleicht auf dem Sofa? Oder ist es dir im Bett lieber?“ Jian schwieg und versuchte sein Kopfkino im Zaum zu halten. Diese Art des Neckens war neu. Das kannte er von Seto gar nicht. Schließlich schaffte er es trotz Verwirrung die Augen zu verdrehen. Er führte Seto samt glücklichem Kater zurück auf den Flur und zeigte ihm den Rest der Wohnung. „Reg dich nicht auf“, verlangte Seto, als sie Jians Arbeitszimmer verließen und Jian sich noch immer sichtlich über das Fellknäul ärgerte. „Ich nehme Mischio bei meiner Abreise mit. Und bis dahin wirst du ihn kaum bemerken.“ Er küsste ihn kurz. „Das will ich dir geraten“, brummte Jian nur, obwohl die Aussicht verlockend klang. In der Küche hielt er Seto die Speisekarte hin, der betrachtete jedoch grinsend die Mappe, in die Jian seine Lieferservicekarten einsortierte. „Was möchtest?“ „Das gleiche wie du. Ich gehe mich kurz frisch machen.“ Damit machte er kehrt und verließ die Küche. Jian blickte ihm irritiert hinterher. „Du weißt gar nicht, was ich essen möchte.“ „Natürlich, weiß ich das.“  „Dann halt zweimal gebratene Nudeln mit Ente“, murmelte Jian kopfschüttelnd. Wenig später drang das Rauschen der Dusche an sein Ohr. Er macht die Bestellung und richtete die Wohnung wieder her. Seto konnte sagen, was er wollte. Es war nicht ordentlich. Es dauerte eine gute viertel Stunde, bis sein Freund zurück in die Küche kam. Beim Eintreten kreuzte sein Weg den des Katers und im Versuch ihm auszuweichen, kam er ins Stolpern. Geistesgegenwärtig machte Jian einen Ausfallschritt, sodass Seto in seinen Armen landete. Der Geruch von Shampoo und Duschgel stieg ihm in die Nase. „Das war knapp“, sagte Seto an seiner Schulter und legte die Arme um seinen Nacken, während er ihn zurück auf die eigene Füße stellte. Jian warf dem Kater einen vernichtenden Blick zu, doch der putzte sich unbeteiligt. Mit einer sachten Berührung am Unterkiefer brachte Seto ihn dazu, stattdessen ihn anzusehen. Die unglaublich blauen Augen blickten ihn versöhnlich entgegen und strahlten eine Zufriedenheit aus, die ihn besänftigte. Einen Augenblick sahen sie sich schweigend an. Jian hätte so oder so nicht in Worte fassen können, wie glücklich er war. „Ich…“, setzte er schließlich an, um die Stille zu brechen, doch Seto legte einen Finger auf seine Lippen. Gleich darauf küsste er ihn sanft. „Wo ist dein Smartphone?“ Jian runzelte die Stirn, zog das Gerät aber aus der Hosentasche. Bevor er überhaupt reagieren konnte, hatte sein Freund bereits den Akku entfernt. „Nein“, sagte Jian, als in ihm eine ungeheure Vermutung aufstieg. Der hatte es doch wohl nicht geschafft, ihn zu verwanzen? „Doch.“ Seto grinste triumphierend und drückte ihm einen weiteren, kurzen Kuss auf. „Ich hab das Gerät mehrmals überprüft“, erwiderte er skeptisch. Vielleicht war das Ganze eine Ente. „Und ich hab dich doch überlistet!“ Seto schien ihm die Zweifel vom Gesicht abzulesen. „Was glaubst du, wie ich an den Code für den Fahrstuhl gekommen bin?!“, gab er süffisant zu Bedenken. Jians Miene verfinsterte sich. „Das ist Betriebsspionage!“ „Das musst du mir erst einmal nachweisen.“ Seto schien seinen Stimmungsumschwung zu spüren. Er ließ sich in einigem Abstand auf einem Küchenstuhl nieder, doch ansonsten sprach die reine Selbstsicherheit aus seiner Gestik und Mimik. „Was du nicht kannst.“ Er lehnte sich im Stuhl zurück, griff nach seinem Kaffeebecher und trank den Rest in einem Schluck aus. „Wann kommen unsere gebratenen Nudeln mit Ente?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)