Der Sanftmütigen Erbe von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 8: Immergrün -------------------- Behutsam legte Lucy einen kleinen Strauß violetter Blüten auf das noch frische Grab und einen ebensolchen auf das daneben. Immergrün. In der Blumensprache die Blume der Erinnerung. Dann erhob sie sich. Die meisten Trauergäste waren längst gegangen, nur Edmund, Peter und Professor Kirke standen noch ein paar Meter weit entfernt und warteten auf sie. Eustachius war erst gar nicht gekommen, was Lucy erst geärgert hatte, sie jetzt aber hinnahm. Irgendwoher hatte sie das Gefühl, dass er gute Gründe hatte, nicht hier zu sein. Mit einem letzten Blick auf das Grab der beiden Kinder drehte sie sich um und ging zu ihren Brüdern. Das schwarze Trauerkleid bauschte sich ein wenig im Wind. „Professor? Wirst du uns noch zurück nach London begleiten?“, wollte sie von dem alten Mann wissen. Digory Kirke nickte etwas. Das war ganz offensichtlich sein Plan gewesen. Also hakte Lucy sich bei Peter unter und gemeinsam verließen die vier in langsamem Tempo den Friedhof. Vom Himmel begannen die ersten Flöckchen zu segeln, es begann mal wieder zu schneien. Der Winter wollte und wollte kein Ende nehmen. Doch Lucy wusste, dass er irgendwann weichen müsste. Hier in der realen Welt ebenso wie er es in Narnia hatte tun müssen. Damals, vor scheinbar so unendlich langer Zeit. Als sie am Bahnhof ankamen, war nicht viel los. Der Bahnsteig war wie leergefegt. Ohne ein Wort zu wechseln, warteten die vier darauf, dass der Zug kommen würde. Und als das lange, schwere Gefährt mit schrillem Quietschen und einer Menge Lärm vor ihnen hielt, spürte Lucy völlig unpassenderweise auf einmal eine solche Befreiung, als habe es die Beklemmungen und die Todesfälle der letzten zehn Jahre nicht gegeben. Edmund schien es ähnlich zu gehen, denn seine angespannten Gesichtszüge lockerten sich und er machte eine genervte Handbewegung. „Das diese Züge aber auch immer so laut sein müssen! Können die nicht mal leisere Gefährte erfinden?“, maulte er. Lucy sah ihn erst verwundert, dann voller Freude an. Ihr Bruder hatte sein Lästermaul wiedergefunden. „Du benimmst dich wie früher!“, rief sie über den Lärm hinweg und auf ihrem Gesicht breitete sich erst zaghaft, dann deutlicher, ein erlöstes Lächeln aus. „Nun kommt schon, ihr Trödelzwerge!“, hörten sie da Peter rufen, der gerade dem Professor in den Zug half. „Wir kommen schon!“, gaben Lucy und Edmund zurück, wie in Kinderzeiten. Den Mund des Professors umspielte ein wissendes Lächeln. Dieser Moment hatte etwas an sich, das ihnen allen vorkam, wie ein letzter Atemzug vor dem Ertrinken. Damit folgten die drei übriggebliebenen Pevensie-Geschwister Professor Kirke in den Zug. Sie sahen nicht, dass der einzige Fahrgast, außer ihnen, ein gebeugtes, altes Weiblein war, deren schlohweiße Haare in früheren Zeiten einmal blond gewesen sein mussten, und die Digory Kirke im Alter sicher in Nichts nachstand... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)