Fragmente der Finsternis von Naenia (Dragon Age / Mass Effect) ================================================================================ Kapitel 3: Zevran ----------------- Jegliches Gefühl von Zeit war zwischen sternenlosen Nächten und wolkenverhangenen Tagen verloren gegangen. Es war niemals hell, nicht richtig jedenfalls. Nur der Schimmer einer Erinnerung an die glühende Sonne Antivas. Zevran fiel es schwer Amaranthine und Vigils Wacht zu ertragen und ihm fehlte das Verständnis für die Notwendigkeit ihres Bleibens. Einige Tage nach Alistairs Besuch waren die orlesischen Wächter angekommen und ihm gefiel nicht, wie dieser Shepard versuchte, Solonas Platz einzunehmen. Ihr hingegen schien es kaum etwas auszumachen. Sie wirkte in letzter Zeit, als wäre sie gar nicht richtig da und Zevran suchte seither nach einem Ausweg für sie. Die Frage war nur, ob Solona das wollen würde. Die Pflicht hatte sie hierher befohlen, ein Geheimnis, das unter der Erde lauerte, aber diese Gefahr schien nicht das zu sein, nach dem sie suchte. Die Mutter und der Architekt – beide fanden keinen Platz in Solonas Gedanken, ihr Blick schwebte immer häufiger in den Wolken, versuchte verzweifelt das zu sehen, was sich hinter der dichten Decke versteckte.   •   Anders war ein angenehmer Begleiter und seine offene Unbekümmertheit ein Rätsel, wann immer Zevran über die Vergangenheit des Magiers nachdachte. Der langsam verrottende Körper zu seiner Linken hingegen bereitete ihm Unbehagen. Dieser Geist, der sich selbst Justice nannte, gehörte einfach nicht in diese Welt. Zevran traute ihm nicht und wusste, dass irgendwann etwas geschehen würde, das niemand hatte vorhersehen können. Sie patrouillierten auf der Straße in der Nähe des Waldes, dort, wo Velanna sie damals angegriffen hatte. Zwei weitere Wächter folgten ihnen durch das Halbdunkel. Zevran erkannte Rolan, den ehemalige Templer, der zu Anders’ Schatten geworden war. An den Namen des anderen erinnerte er sich nicht. Er lauschte einer von Anders Geschichten, stellte sich die farbenfrohen Bilder seiner erstaunlichen Ausbrüche vor und versuchte das, was sich hinter diesen Worten verbarg, auszublenden. Nebel breitete sich langsam aus, verschluckte die Bäume und das letzte Licht, der verschleierten Sonne. Zevran hielt die kleine Gruppe dazu an, wachsam und zusammen zu bleiben, doch es half nichts. Die Dunkle Brut traf sie überraschend. Pfeile surrten durch die Luft, verfehlten zwar ihr Ziel, zerschnitten jedoch die Haut an seinem Hals. Er sackte auf die Knie, als das Blut heiß über seine Schulter lief und sich im Leder seines Wamses verlor. Anders stand hinter ihm, reagierte schnell. Heilzauber, dachte Zevran und war unendlich dankbar, dass Solona mittlerweile darauf bestand, jeder Patrouille einen Heiler oder Medizinkundigen zuzuteilen. Er spürte das Kribbeln, als eine dünne Schicht Haut sich in rasantem Tempo über seiner Wunde bildete und die Blutung stoppte. Er verlor für einen Moment das Gleichgewicht, spürte ein seltsames Summen in seinem Kopf und dann war er wieder auf den Beinen, zog seine Dolche und stürmte auf die Horde entstellter Kreaturen. Der Nebel war sein Freund, half ihm tödlich und verborgen zuzuschlagen. Feuerbälle schossen durch das Zwielicht, Flammen züngelten an Sträuchern herauf und der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft. Justice’ schweres Langschwert zerschnitt die Luft und erschlug den Hurlock, der mit dem Bogen aus nächster Nähe auf Zevran gezielt hatte. Für Dank war keine Zeit, denn die nächste Welle trampelte dem Klang nach auf sie zu. Zevran konnte den kommenden Tod fast schmecken.   •   Sein Kopf dröhnte und jede Faser seines Körpers schrie, als er versuchte, sich zu bewegen. Als er die Augen öffnete, dauerte es einige Sekunden, bevor er wirklich etwas sah. Er lag auf dem Boden, begraben unter Staub und Leichen. Blut und Regen und was auch immer noch hatten seine Kleidung durchnässt. Zevran schaffte es irgendwie, sich von der Last der Toten zu befreien, kroch aus dem Gemetzel hervor und war am Leben. Ein heiseres Lachen entrann seiner trockenen Kehle, die sich anfühlte, als habe er seit Tagen nichts getrunken. Die spröden Lippen brachen bei der Bewegung auf, es schien als hätten sie vergessen, dass sie zum Lachen fähig waren. Er roch Rauch und kalte Asche. Eine Silhouette näherte sich ihm. Er hat Schwierigkeiten zu erkennen, wer oder was es ist, bis Anders direkt vor ihm steht. Ein blaues Leuchten in den Augen und getrocknetes Blut im Haar, die Robe dreckig und halbzerfetzt. „Zevran“, seine Stimme klang hohl und seltsam fremd, „Du lebst.“ Es war nicht mehr als eine Feststellung, aber die Nüchternheit ließ kalte Schauer über Zevrans Rücken laufen. Der Magier wirkte ganz anders als in dem Moment, in dem er ihm das Leben gerettet hatte. Ihn umgab etwas Eisiges, etwas Fremdes, etwas Unbehagliches, das Zevran zuvor in der Nähe des Geistes gespürt hatte. „Justice?“, krächzte er mit einer Stimme, die unmöglich seine eigene sein konnte, „Wo sind- Was ist mit den anderen?“ „Tot. Jeder von ihnen“, das Grinsen, das dem blonden Mann sonst so viel Charme verlieh, verwandelte sein Gesicht in eine abscheuliche Fratze. Die Augen schimmerten wirklich blau… Zevran blickte von unten zu ihm herauf und sah, wie sich das Ende in Form von bläulichen Blitzen nähern wollte. Er schloss die Augen.   •   Diesmal spürte er weiche Laken und eine zarte Hand, die seine hielt, als das Leben in seinen Körper zurückkehrte. Er war zurück in Vigils Wacht und Solona an seiner Seite. Sie bemerkte seinen Blick und schüttelte den Kopf, „Sagt nichts. Ich weiß, was passiert ist. Lasst Euch Zeit.“ Sie reichte ihm ein Glas Wasser, half ihm auf und wich schuldbewusst der in der Luft liegenden Frage aus. Er bemerkte erst jetzt, dass Kommandant Shepard sich ebenfalls im Zimmer aufgehalten hatte. Der hochgewachsene Mann schien gar nicht glücklich über Solonas Worte zu sein und verließ kurze Zeit später den Raum. „Anders“, hauchte sie, nachdem die Tür schwer ins Schloss gefallen war, „Und Justice. Er – sie waren hier. Sonst hätten wir Euch vermutlich erst viel zu spät gefunden.“ Sie drückte seine Hand und er richtete sich mühsam auf. „Wie lange liege ich hier schon?“ „Ein paar Tage, ich bin kein besonders guter Heiler…“ „Wo ist er?“ Sie senkte ihren Blick und seufzte lautlos: „Ich habe ihn gehen lassen.“ Zevran war nicht einmal überrascht. Er kannte die Antwort noch bevor er die Frage gestellt hatte, aber das Warum brannte in seinen Gedanken. „Euer Leben für seines. Ich habe zugestimmt und verhindert, dass sie ihn verfolgen. Sein Tod hätte keine Bedeutung, Anders wollte Euch nicht verletzen.“ „Das, was ich gesehen habe, war nicht Anders.“   •   Es regnete auch in dieser Nacht. Dass Amaranthine nicht längst unter Wasser stand, kam einem Wunder gleich. Zevran saß noch immer in seinem Bett und spürte jeden Knochen in seinem Leib. Unweigerlich fiel ihm wieder Anders ein, sein perfekter Heilzauber, der vermutlich der einzige Grund dafür war, dass er jetzt noch atmete. Draußen zuckten Blitze am Himmel, nicht blau, sondern ganz natürlich. Kommandant Shepard war einige Stunden zuvor zu ihm gekommen, um ihn zu dem Vorfall zu befragen. Er gab an, dass sie von einer Gruppe Hurlocks und Genlocks überrascht worden waren und ließ den Part, in dem Anders ihm das Leben nehmen wollte, aus. Shepard befahl trotzdem einer Truppe, den Eidbrüchigen zu verfolgen. In den Häusern brannte längst kein Licht mehr und er spürte, wie die Müdigkeit durch seinen Körper kroch. Er wollte sich der dumpfen Wärme hingeben und in einen traumlosen Schlaf hinübergleiten, als das Knarren der alten Holzdielen ihn wieder aufschrecken ließ. Solona stand vor ihm und er konnte ihr Gesicht unter dem schwarzen Umhang kaum erkennen. „Ich muss verschwinden, Zevran“, erklärte sie und er starrte sie fragend an. Sie schlug die Kapuze zurück und offenbarte dunkles Haar und gerötete Augen, er glaubte im Schein der Blitze die Spuren von Tränen auf ihrem Gesicht zu sehen: „Begleitet mich nach Antiva. An einen Ort, an dem mich niemand findet.“   •   Sie ließen die Festung noch in dieser Nacht hinter sich, flohen durch den Regen und Wind, auf der Suche oder auf der Flucht, Zevran hatte nicht gefragt, denn am Horizont leuchtete für ihn bereits die Sonne seiner Welt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)