Die Zauberin und der Fall der Arkana von Ghaldak (Die Abenteuer der Zauberin Freya, vierte Staffel) ================================================================================ Prolog: Freya in: (20.2) Mitternacht (Karte: Freiheit, umgekehrt) ----------------------------------------------------------------- Akt 0, Szene 0 – Der Pfeilklingentraum (Ansage?) Die Bühne der vierten Staffel ist ein Tempel: Zwei Säulen füllen den Raum und vielleicht ist der hintere Teil der Bühne auch einige Stufen höher als der vordere. In diesem Einleitungsakt ist außerdem alles noch provisorisch und unfertig: Plastik umschließt die Säulen und ein Baustellen-Gitterzaun steht zwischen ihnen. Wer mag, der kann Bettlaken mit im Stil der dritten Staffel aufmalten Hintergründe drüberhängen, nur in der Kerkerszene ist das aus offensichtlichen Gründen nicht möglich. Hinter diesem Gitter hockt die gefangene Mineda zu Beginn des Stücks und ihr Monolog bringt alles in Bewegung. Mineda: (zum Publikum) Atim-Suraq! Er ist wahr und mächtig, darauf setze ich mein Leben – na, wer von euch hält dagegen? Ich wusste es, so wie ich weiß, dass dies nicht das Ende sein kann. Es gilt noch Rache zu nehmen an der Frau, die es wagte, sich einzumischen. Sancide de Ruthor! Komm her. Träume diesen Traum mit mir. Sancide tritt an die andere Seite des Gitters heran – vielleicht aus dem Zuschauerraum, eher saß sie bereits am Rande der anderen Seite der Bühne. Mineda holt währenddessen das versteckte Messer hervor, welches sie am Ende der dritten Staffel bekam, und schneidet sich die Hand auf. Mineda: Wer glaubst du zu sein, dass du es wagst, mich zu besiegen? Ich weiß jedoch, dass auch in den nächsten einhundert Schlachten bloß Niederlagen auf mich warten, und so wird vor Atim-Suraq und der Welt eine andere Macht dein Schicksal besiegeln. Kommt zu mir, ihr Pfeile vom Rande der Welt, und gebt dieser Frevlerin den Rest! Mineda spritzt ihr Blut auf Sancide. Mineda: Und nun komm, erzähle diese Geschichte mit mir! Sancide: Vier Pfeile werden auf mich zielen, geschossen aus Morgen, Mittag, Abend und Mitternacht. Der erste Pfeil wird mich warnen. Mineda: Der zweite wird dir Schmerzen bereiten. Sancide: Der dritte wird mich zu Boden reißen. Mineda: Der vierte wird deinen Namen treffen, auf dass sich niemand mehr an dich erinnern wird. Langsam gehen von vier Ecken vier weiß vermummte und bewaffnete Gestalten auf und treten an Sancide heran, ehe sie sich umdrehen und vorbereiten, sie zu beschützen. Sancide lächelt. Sancide: Das sind vier Ritter aus dem Herzen der Welt, Helden, wenn du so willst. Machtvoll und tugendsam stehen sie mir bei… wundervoll, nicht wahr? Jetzt erst treten vier schwarz vermummte Gestalten aus den Ecken auf, woraufhin es zum Kampf kommt. Zuerst mag Sancide hoffen, doch unterliegen alle weißen Ritter den schwarzen Pfeilen und gehen zu Boden. Die Pfeile ziehen daraufhin Dolche und treten nacheinander an Sancide heran. Pfeil W: Ich bin der erste Pfeil. Ich werde dich warnen und das Ende fühlen lassen. (sticht zu) Pfeil O: Ich bin der zweite Pfeil. Ich werde dein Herz zum Bluten bringen und deinen Körper mit dazu. (sticht zu) Pfeil S: Ich bin der dritte Pfeil. Ich vernichte und mache alles tot, was noch am Leben ist. (sticht zu) Pfeil N: Ich bin der vierte Pfeil. Alles, was dann bleibt, ist unsere Geschichte. (sticht zu) Sancide krümmt sich unter Schock und Schmerzen. Black. Akt 0, Szene 1 – Ansage? Sancide ist allein auf der Bühne, offensichtlich nur mit Mühe ihre Fassung bewahrend. Sancide: (in einem Ton, der überhaupt nicht zu guten Nachrichten passt) Es ist ein großer Sieg gegen die Dunkelheit zu verkünden. Einer Gruppe tapferer Helden in der Gunst der Götter gelang unter dem Diener des Lebens Leatmon Phraisop, Oberhaupt der Kirche unserer Herrin Peraine, nach Ilsur an der tobrischen See vorzudringen und den Heptarchen Xeraan, den Gierigen Tyrannen, zu bezwingen. Seine Garde, die Unbesiegbare Legion von Yaq-Monnith, wurde durch die Herrin Peraine geläutert und die gemarterten Seelen der Kinder von Ruthor vor den Niederhöllen bewahrt. Die Truppen der Kaiserin rücken damit weiter vor. Hurra! Hurra! Hurra! (Pause, sie kann nicht mehr an sich halten und bricht in Tränen aus.) Kalchia, Hesindio, Aldare. Ihr seid gerettet. Ich hätte euch kein besseres Schicksal wünschen können, nicht wahr? (sie versucht zu lächeln, doch bricht dann wieder in Tränen aus) Ich wollte euch retten, hört ihr? Nun bin ich wieder die Jüngste. Marja geht auf. Sie trägt noch das blutverschmierte Gewand eines weißen Ritters, legt es aber am Bühnenrand ab und wechselt auf die Tracht eines Angehörigen des Grauen Stäbe von Perricum. Schließlich tritt sie an Sancide heran und klopft an die Säule, was in Sancide eine erstaunliche Wandlung hervorruft: Von einem Moment auf den nächsten ist von ihrem Schmerz kaum mehr etwas zu sehen. Sancide: Die Tür ist offen. (Pause) Marja! Schön, dich zu sehen. Marja: Gerade angekommen. Ich hörte, du hast es geschafft. Gratuliere. Sancide: Das ist unwichtig. Wie erging es dir in Grangor? Marja: Ich war nicht lange da, wurde an Meister Marcin Saibal nach Brig-Lo verwiesen. Kennst du ihn? Er ist beeindruckend. Sancide: Das freut mich für dich. (Pause) Dreißig raulsche Goldmünzen? Marja: Fünfundfünfzig. Er ist gut, doch leider sehr teuer. Sancide greift an ihren Gürtel, zählt ab und übergibt Marja die Summe. Sancide: Bleibst du noch auf einen Tee? Marja: Habe Erbarmen mit mir, meine Reise war lang. Wir sehen uns morgen beim Frühstück? Sancide: Schlaf gut. Tanke Kräfte. Ich brauche dich morgen. Marja: Gute Nacht. Marja geht ab. Black. Akt 0, Szene 2 – Lowangen, Ordensburg des ODL Der Speisesaal ist zum Frühstück gut gefüllt und entsprechend laut. Die Mitglieder von Sancides ehemaligem Kommando, einheitlich mit ODL-Kutten gewandet, sitzen an einem Tisch und unterhalten sich, wobei von den Gestalten nur Marja und Torja von Bedeutung sind. Freya tritt auf und an den Buffettisch heran, wobei sie durch ihr unzauberisches Schwarz sich von den anderen abhebt, trägt sie doch Trauer nach Tarrins Tod. Torja: (redet mit Marja und versucht, bei ihr zu landen) Du hättest sie sehen sollen. Da tritt sie also ganz allein Mineda entgegen und überzeugt sie davon, dass sie eine zwielichtige Zauberin ist, derweil wir ihre Waldläufer auseinandernehmen. Dann kämpfen sie beide gegeneinander und - Bumm! – wirkt sie einen Zauber und – Zang! – blitzt es noch einmal und auch die Feinde, die Mineda beistehen wollen, können der Kommandantin nichts anhaben! Sie blitzt und brennt und haut und sticht, so etwas habe ich noch nie gesehen. Marja: (sich über seine Versuche amüsierend) Hui. Torja: Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Sag es nur bitte nicht weiter. Marja: Versprochen. Torja: Als ich sie zum ersten Mal sah, unsere Kommandantin, da dachte ich mir: Was will die denn? Die ist doch jung und blass und hat sich sicher nur hochgehübscht. Da bin ich doch besser jetzt als gleich woanders. Marja: Erzähl weiter. Torja: Aber dann… ihre Taktiken… ihre Entscheidungen… Huiuiui. Wusstest du, dass sie die jüngste Kommandantin seit mindestens zwei Generationen ist? Marja: Wirklich? Torja: Ja. Und keinen einzigen Verlust in den ganzen drei Jahren. Weißt du, was anderswo gestorben wird? Marja: Ja. Torja: Soll ich dir was sagen: Wenn sie wirklich an die Ostfront geht, dann bin ich mit dabei. Du doch auch? Marja: Klar. Torja: Da räumt sie dann richtig auf, du wirst es sehen. (wendet sich um) He, Freya! Setz dich doch zu uns… und bring’ Tee mit! Freya erscheint und tut, wie geheißen. Torja: Wir sind doch alle eine Familie. Kennst du eigentlich schon Marja? (stellt vor) Marja, Sans Adjutantin. Freya. Marja: (zu Freya) Du bist wirklich hübsch. Freya: Danke, du aber auch. Sancide geht auf. Auch sie trägt ihre ODL-Kluft. Sancide: Lina? Freya: Schon fertig. (in die Runde) Wir sehen uns noch. Marja: Bestimmt. Viel Spaß euch. Freya und Sancide gehen ab, während Torja und Marja unbeholfen ihr Gespräch wieder aufnehmen. Torja: Wir haben sie auch in Havena getroffen. Sie ist aber wirklich nicht so hübsch wie du. Marja: Ich mache mich dann mal an die Arbeit. Du weißt ja, wie die Kommandantin ist. Torja: Ich kann nichts dafür, ich mag einfach blond. Black. Akt 0, Szene 3 – Lowangen, vor den Toren Rinn geht auf und wendet sich an das Publikum. Rinn: Ich bin nicht hier, noch schwanken nicht die Planken unter mir, doch ist dies bereits ein Teil meiner Geschichte. Ich warte und ich hoffe auf euch. Mögen weder eure Waffen noch eure Mauern brechen. Rinn geht ab und überlässt Freya und Sancide die Bühne, die gemeinsam durch die Gegend schlendern – vielleicht auch in den Zuschauerraum herein. Freya: (echauffiert sich) Hast du diesem Priester überhaupt zugehört? ‚Bedenkt, dass ihr euch während der Namenlosen Tage verbergen mögt, doch eure Werke bleiben.’ Will der uns in einen Haufen Zwerge verwandeln? Sancide: (aus dem Wunsch nach Ruhe) Er weiß es einfach nicht besser. Freya: Zwerge, huuuu, viele Waffen, keine Hände. Da sind mir Elfen bedeutend lieber. (Pause) Siehe es mal so: Wenn du bis zum Hals in einer heiligen Schlammgrube steckst – oder was auch immer ihr da habt –, dann wünschst du dir doch eine Hand und keine Hundert Werkstücke, oder? (Pause) Warte doch mal! Du bist zu schnell. Sancide: Du lässt nach. Früher warst du besser. Freya: Vielleicht. Früher war ich jünger. Sancide: (erklärend) Von diesem Hügel erhalten sie einen guten Blick bis zur Stadtmauer. Lass uns noch zu dieser Lichtung gehen, da könnten sie ihre Pferde anbinden. (Pause) Was hast du nach den Tagen vor? Freya: Ich muss endlich nach Andergast. Solange Nerva noch auf freiem Fuß ist, ist noch nichts vorbei. Sancide: Nerva muss sich gegen den ODL schützen, das wird ihn zu den Druiden führen. Ich würde dich zu ihnen schicken mit dem Auftrag, sie von uns zu überzeugen. Wenn du dich geschickt anstellst, kannst du ihn wohl bekommen. (Pause) Was hattest du denn vor? Reinstolpern und auf das Schicksal hoffen? Freya: (zurückzickend) Bisher bin ich sehr gut damit gefahren. Sancide: Ich werde nicht bei dir sein. Das Kommando bekomme ich mit Sicherheit nicht und möchte es auch gar nicht. Wende dich aber an Marja, dann kann ich dir mitgeben, was ich über Andergast weiß. Freya: Kann ich machen. Sancide: Tue es. Ich denke, dass du sie mögen wirst. Freya: Schön warm ist’s. Sancide: Wie gut bist du im Kampf? Freya: Was ist das denn für eine Frage? Sancide: Heute Nacht greifen sie an. Kannst du dich selbst verteidigen? Freya: Sicher… aber wie kommst du überhaupt darauf? Siehe dir die Mauern der Ordensburg an. Sie sind unbezwingbar. Sancide: Wenn du das sagst. Lass uns nun aber umkehren. Ich bin hier fertig. Black. Akt 0, Szene 4 – Lowangen, Freyas Kammer in der Ordensburg des ODL Freya ist allein in ihrer Kammer und richtet sich her, um auszugehen: Lippen röten, Puder auftragen, Schmuck anlegen, vielleicht die Haare nachfärben… das ganze Programm eben. Sie wird von einem Klopfen unterbrochen. Freya: Herein, wenn’s kein Schneider ist. Marja tritt auf, Papier und Feder mit sich führend. Marja: Störe ich? Freya: Was gibt es? Marja: San sagte, du wolltest mich sprechen. Ich dachte, da könnten wir gleich ein paar Formalien erledigen. Freya: Ach, sagte sie das? Schön, dass ich auch etwas davon erfahre. Marja: Ich komme später wieder. Freya: Nein, tritt ruhig ein und erledige deine Formalien – und magst du nicht derweil meinen Spiegel halten? Marja geht auf die Frage nicht einmal ein. Sie möchte beginnen, fügt dann jedoch noch eine Rechtfertigung an. Marja: Was hast du heute Abend denn noch vor? Triffst du einen Mann? Eine Frau? Freya: Das geht weder San noch dich etwas an. Marja: Ach… Nimm es San nicht übel. Du weißt ja, wie sie ist. Freya: Damals hätte sie sich das nicht gewagt! Also? Marja: Der Orden wünscht einige Angaben zu aktualisieren. Das heißt, San wünscht es, aber das ist noch eine Woche lang dasselbe. (Pause) Name: Firlina… di Arthuro-Galahan? (sie möchte damit wissen, ob sie mit Tarrin verheiratet war.) Freya: Ja. Marja: Den Magiernamen Freya führend. Freya: Ja. Eine richtig dumme Idee. Marja: (murmelnd) Pflichtdienst absolviert, gut… (aus dem Amtston fallend) Du warst einmal auf der Antimagierakademie zu Kuslik? Freya: Ein wundervolles Jahr. Ich wäre gerne geblieben und hätte San nie kennen gelernt. Marja: (von der Spitze unbeeindruckt) Reisende Heldin, aktiv in Andergast, Grangor, Brig-Lo und Havena, Retterin der Königin Yolande von Nostria… mag sie dich noch? Freya: Wenn sie hier wäre, hätte sie meinen Spiegel gehalten. Marja: Große Meditation vor etwas mehr als einem Jahr. Folgte eine zweite? Freya: Ich hätte sie auch furchtbar gerne mitgenommen. Marja: Das ist ein Nein? Freya: Das ist ein Ja. Auf den Tag genau ein Jahr später in der Ruine Albengriff in den Windhagbergen. Marja: Als Stärken werden hier angegeben: Solide Stabfechterin und Kampfmagierin mit einem Händchen für Feuerzauber. Allerdings… Stimmt es noch, dass du niemanden getötet hast und das auch nicht vorhast? Freya: Schau mal, wie schön rein meine Hände sind. Marja: Wärst du lieber eine Antimagierin oder eine Heilerin? Freya: Was ist das denn für eine Frage? Marja: Sie liegt auf der Hand. Du stehst dir selbst im Weg. Langsam wundert es mich nicht mehr, dass San nicht auf dich zählt. Freya: Also bitte! Marja: Wusstest du eigentlich, dass San einige Tage jünger ist als du? Dreiundzwanzig Jahre wandelt ihr nun beide über den Derenrund und die eine ist die jüngste Kommandantin des ODL seit zwei Generationen, während die andere… Spaß mit irgendwem haben möchte, nicht dass es mich interessiert. Freya: Das ist genug. Geh! Marja: Ist doch nicht böse gemeint, Hübsche. Ich mag dich und ich glaube, dass du mehr sein kannst, als du bist. Ich glaube sogar, dass in dir eine richtig große Zauberin steckt, vor der sich selbst San einmal verneigen wird. Magst du mir nicht dabei helfen, sie zu wecken? (Pause, dann nimmt sie ein Papier von ihren Unterlagen, präsentiert es Freya und lässt es dann zu Boden fallen) Sancide und ich sammeln gerade Streiter für eine Armee im Verborgenen. Ich hätte dich gerne dabei. Marja geht ab und lässt Freya allein. Akt 0, Szene 5 – Lowangen, Ordensburg des ODL In der Küche ist Sancide dabei, Tee zu kochen. Eine hübsch anzusehende Freya geht auf. Freya: Deine Schülerin ist unverschämt! Sancide: Sie ist nicht meine Schülerin, sie ist meine Sekretärin. Freya: Trotzdem würde ich gerne wissen, ob es stimmt. (drückt Sancide das Papier in die Hand) Ist es wahr? Baust du dir eine geheime Armee auf? Sancide: Sie hat es also getan. Ich gebe zu, dass ich diese Entscheidung nicht getroffen hätte, aber ich respektiere ihr Urteil. Hast du es dir gut überlegt? Freya: Ich habe mir gar nichts überlegt. Ich möchte einfach nur wissen, ob es stimmt. Sancide: (atmet leise erleichtert auf) Es stimmt. Du musst wissen, ich bin nicht mehr das Mädchen, das unbedingt das rote Halstuch wollte. Der Orden ist eine gigantische Einrichtung, die mit sehr großen Mitteln sehr wenig erreicht. Es ist gut, ihn zu haben, aber furchtbar, sich auf ihn verlassen zu müssen. Freya: Das ist verrückt. Sancide: Tatsächlich arbeiten wir schon seit einigen Jahren am Aufbau des Formlosen Bundes. Mit den Mitteln des Ordens allein hätte ich dir weder in Havena gegen die Auftragsmörder beistehen noch Mineda Morga bezwingen können. Freya: Warum möchtest du mich dann in den ODL reinbekommen? Sancide: Das möchte ich gar nicht. Ich würde dich – und Marja sieht das sicher auch so – für ein Zweitstudium in eine Akademie schicken, Perricum zum Beispiel… Freya: (unterbricht) Kuslik? Sancide: Unwahrscheinlich, tut mir leid. So mächtig bin ich nicht. (Pause) Wie dem auch sei, nach einem Jahr erwarte ich dich dann zurück. Wenn ich mit dir zufrieden bin, wirst du dann Marja ersetzen. Freya: Warum? Bist du ihr böse? Sancide: Keineswegs. Die Gute dient jetzt seit drei Jahren unter mir, auch sie soll sich verändern dürfen. Freya: Das ist… alles viel. Sancide: (zögerlicher) Wirst du heute Nacht hier sein? Freya: Was soll die Frage denn? Sancide: Wenn es geschieht, habe den Stab bei der Hand. Der Kampf wird ausbrechen. Freya: Du glaubst immer noch daran? Mit Tee in der Hand geht Sancide ab. Black. Akt 0, Szene 6 – Lowangen, Ordensburg des ODL zur Mitternachtsstunde Freya sitzt immer noch geschminkt in einem geborgten Stoff- oder Lederpanzer, vielleicht ergänzt durch die Kappe ihres Elfengewands der letzten zwei Staffeln, und mit ihrem Stab in der Hand im Dunkeln. Sie unterhält sich dabei mit dem Geist, der darin wohnt: Jandora. Freya: Was denkst du darüber? Jandora: „Herrin, vergesst nicht, auch Ihr einer Herrin dient: Rinn, der Zauberkönigin. Das ist eine Herrin, die allen anderen Herrinnen vorzuziehen ist.“ Freya: Wir waren einmal gute Freundinnen, San und ich. Sie war einmal meine Tutorin, musst du wissen. Jandora: „Sternträger sind keine Tutorinnenschüler, Herrin. Sie sollte dir dienen und nicht andersherum." Freya: Kann ich nicht beides verbinden? Ich meine… Jandora: „Zauberköniginnen erscheinen nicht in Akademiemauern. Sie ist dort draußen, inmitten der Wälder, Seen und Wiesen. Sucht sie dort, Herrin. Sie braucht euch so dringend, wie jemand einen anderen brauchen kann.“ Freya: Schon gut. Sie wird mir sicher nicht allzu böse sein. Jandora: „Ich werde Euch niemals böse sein, Herrin. Wenn Ihr nach der Zauberkönigin sucht, dann seid Ihr nicht allein.“ In diesem Moment knackt es, was Aufmerksamkeit auf einen anderen Teil der Bühne. Taja geht in der Gewandung einer nostrischen Waldläuferin auf und führt weitere drei genauso gekleidete Statisten mit sich. Taja: Meine Herren, ihr alle wisst, was zu tun ist, also spare ich mir die großen Worte. Nun heißt es: Befreien wir Mineda aus ihrer Zelle! Durchsuchen wir die Burg und krallen wir uns alle Schätze, die wir finden! Und zuletzt: Töten wir alle, die sich uns in den Weg stellen. So lauten die Befehle. Meine Herren, unsere Taten bisher machen uns zu Helden. Erfüllen wir noch diese letzten Ziele, dann machen sie uns zu Legenden. Ich sage: Blut! Statisten: (im Chor antwortend) Blut! Die vier Gestalten strömen aus, einer trifft auf Freya, worauf ein Kampf entbrennt. Mit der Zeit gehen weitere kämpfende Paare auf: Torja hat mit einem Gegner zu tun, Marja mit einem weiteren, Taja taucht mit Mineda auf, woraufhin Keikin und Sancide aufgehen und sich diesen stellen. Dann endet der Kampf. Torja: Ignifaxius. (Er schickt damit seinen Gegner zu Boden.) Marja: Imperavi! Und jetzt mit dem Dolch in die eigene Kehle… wunderbar! (Ihr Gegner ersticht sich selbst und geht zu Boden.) Freya: Nimm das! Und das! Und das! (Der letzte Hieb mit dem Stab trifft den Gegner am Kopf und lässt ihn bewusstlos zu Boden gehen.) Keikin geht derweil mit einem frisch geschnitzten Pflock auf Mineda los, wird aber von dieser überwältigt. Sancide greift nun ein, was wiederum Taja zur Flucht nutzt. Sancide und Mineda sehen einander böse an. Mineda: Du hast gewonnen. Ich ergebe mich. Sancide: Torja, nimm ihr das Messer ab. Torja tut, wie ihm geheißen. Sancide: Nun geht es zurück in die Zelle. Sancide und Mineda gehen in die Richtung ab, aus der Mineda aufging. Marja fühlt derweil am Puls der Gegner. Marja: Lina? Deiner lebt noch. Freya: (derweil misstrauisch Keikin musternd) Ja? Marja: Ach ja, dieser Unsinn. Torja? Willst du, soll ich? Torja: Hab’ gerade das Messer in der Hand. Torja beugt sich über den Gegner und schneidet ihm die Kehle durch. Damit macht er Freya rasend. Freya: Bei den Zwölfen! Pack! Gib her. (Sie geht zu Torja hinüber und reißt ihm das Messer aus der Hand.) Torja: Trottel! Bei der nächsten Welle stände er sonst wieder gegen uns. Marja und Torja gehen ab, auch Keikin verschwindet. Derweil starrt Freya gebannt auf das Messer – bekanntermaßen ist es ihr eigenes. Dann ertönen Geräusche eines sich öffnenden Tors und Jannis tritt auf. Beide sehen einander fassungslos an. Freya: Jannis. Black. Akt 0, Szene 7 – Lowangen, Zellentrakt der Ordensburg des ODL Mineda und Freya sitzen als Insasse und Besucher zusammen in einer Zelle. Was zu reden war, taten sie bereits, nun sitzen sie beieinander. Wahrscheinlich folgen sie den Ereignissen in der Nachbarzelle, doch wenn sie es tun, reden sie nicht darüber. In dieser Nachbarzelle wartet Keikin, zu der Marja aufgeht. Keikin: (betrachtet die Wand und spricht zu sich selbst) Feygra! Leben reißt die Straßen ein. Regen fällt. Mallorn! Marja: Das war ganz schön beeindruckend heute Nacht. Vielen Dank für deine Hilfe. Keikin: (sich nicht umdrehend, abweisend) Uesälju! Uesä! Marja: Du bist wirklich stark. Du musst Mineda so sehr hassen wie wir. Keikin: Kaskju! Sanyara! Seidenweib! Marja: Du heißt Keikin, habe ich recht? Keikin: Taitää! Marja: Ich bin Marja, ich bin aus dem Bornland. Weißt du, Nivesen mochte ich schon, als ich ein kleines Mädchen war. (Pause) Siehst du mich an, Keikin? Keikin: (dreht sich jetzt erst zu ihr um) Sanyasala, nuju Marja. Marja: Warum bist du hier, Keikin? Keikin: Äkilauki! Habe einen Hund geschossen. Marja: (betont langsam) In deiner Akte steht etwas anderes. Du hast für uns gearbeitet, für Aljawa Walsareffnaja. Du bist weggelaufen. Du hast deinen Vertrag gebrochen. Keikin: Dhapäto! Atim-Suraq! Marja: (überrascht) Sprichst du dieses letzte Wort noch einmal aus? Keikin: Aman’Tir! Atim-Suraq! Marja: (setzt sich nun vor die Gitterstäbe) Das ist Minedas Herr. Möchtest du mir nicht mehr über ihn erzählen? Keikin geht langsam auf sie zu und setzt sich auf die andere Seite des Gitters. Black. Akt 0, Szene 8 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Sitzungssaal Eine kleine Gruppe hoher Damen und Herren versammelt sich um einen Tisch: Hagen Gerion, Aljawa Walsareffnaja, Gerwulf Zantentöter, Tamara, Sancide de Ruthor – weitere Plätze sind offensichtlich leer. Rinn geht auf. Rinn: (zum Publikum) Fünf Tage des Jahres konnte das Böse besetzen. Man sagt… Jannis geht auf und unterbricht damit den sich anbahnenden Monolog. Jannis: Meine Damen und Herren: Willkommen zum diesjährigen Mitternachtskonzil, in denen wir die fünf Tage nutzen, Bilanz zu ziehen und zu entscheiden, welchen Weg Gilde und Orden im neuen Jahr einschlagen sollen. Mein Name ist Jannis Skaldenson und es ist mir eine Ehre, euch alle im Namen des Ordenshochmeisters Tarlisin von Borbra zu begrüßen. Ich darf vorstellen: Großmeister Hagen Gerion, Herr über die Ordensburg Lowangens, Führer des Rohalsstabs Robureon und Verantwortlicher für die nördlichen Provinzen. Aljawa Walsareffnaja, Spektabilität des Kampfseminars Andergast, und Gerwulf Zantentöter, Waffenmeister des Seminarsund Befehlshaber über die ODL-Kräfte vor Ort. Tamara Abendstern, reisende Heldin und Elfenprinzessin aus dem Norden. Das Protokoll führt Adepta Sancide de Ruthor, Kommandantin einer Grauen Garde und mit außerordentlicher Befehlsgewalt über eine zweite. (nach einer kleinen Pause) Weitere Gäste werden im Verlauf des Tages eintreffen, der Ordenshochmeister selbst in wenigen Augenblicken. Während nun die Tagesordnung herumgereicht wird und auf eure Ergänzungen wartet – Sancide, bitte –, möchte ich gleich eines ankündigen: Ich möchte nicht mit dem Dämonenangriff auf Andergast im Spätsommer beginnen. Stattdessen interessiert mich brennend – und den Ordenshochmeister noch brennender –, wie es zu den Vorfällen der letzten Nacht kommen konnte! Hagen Gerion, bitte bereite deinen Bericht vor. Wir fahren fort in einer halben Stunde. Im Gemurmel wird es dunkel. Akt 0, Szene 9 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Wehrgang der Mauer Der Raum ist dunkel. Man hört die Stimmen Sancides und Aljawas – Schülerin und vertraute Lehrerin. Aljawa: „Ich habe eine Flasche Meskinnes, auf der unser Name steht. Soll sie wirklich verderben?“ Sancide: „Morgen wird es so anstrengend wie heute. Ich brauche die Ruhe.“ Aljawa: „Morgen Abend?“ Sancide: „Versprochen.“ Aljawa: „Zaubererwort. Schlaf schön.“ Sancide geht nach einer Weile auf, eine Lampe mit sich führend und sichtlich erschöpft von einem langen Tag. Derweil hört man Aljawa noch einmal von draußen. Aljawa: „Du bist hier?“ Dann ist wieder Ruhe. Erst nach einer Weile geht Keikin zögerlich auf. Sancide nimmt sie wahr, doch tauschen sie nur Blicke aus. Gerade als sie ein Gespräch beginnen wollen, werden sie unterbrochen: Marja geht auf, sichtbar verwundet, und bricht nach wenigen Schritten zusammen. Keikin zieht daraufhin ein Messer, welches mehr an ein Küchenmesser erinnert, und nach einem Blickaustausch wissen sie, dass sie zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten: Keikin sucht die Weite nach Gegnern ab, während Sancide erspürt, dass ihre Schülerin noch lebt, doch selbst nicht helfen kann. Sie nimmt sie daraufhin in den Arm und geht mit Keikin ab. Akt 0, Szene 9 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Freyas Kammer Freya umsorgt die verwundete Marja, die im Bett der Zauberin liegt und noch nicht wieder erwacht ist. Sancide und Jannis gehen von verschiedenen Seiten der Bühne auf. Jannis: (zum Publikum) Und so kam Sancide zu mir und sagte… Sancide: Jannis? Ich habe heute Abend ein Termin beim Ordenshochmeister. Ich muss ihn absagen. Jannis: Und ich sagte: Das wird ihm überhaupt nicht gefallen. Ist dir das klar? Sancide: Meine Adjutantin wurde angegriffen und ringt mit dem Tod. Es tut mir leid. Jannis: (weiter im Plauderton) Deine Entscheidung. Du wirst aber sicher verstehen, dass du dich für einen neuen Termin gedulden musst – gerade wollen wirklich alle etwas von ihm. Da du bald auch keine Ordensschwester mehr sein wirst… Ohne etwas versprechen zu können: Ende Praios in Anchopal vielleicht? Das war nicht, was sie hören wollte. Sancide: Spiele keine Spielchen mit mir! Jannis: Fauchte sie. Ich schüttelte nur den Kopf. ‚Das sind keine Spielchen’, sagte ich. ‚Das ist die Realität.’ (Pause) Ich legte eine theatralische Pause ein und fügte dann hinzu: ‚Es sei denn natürlich, du hast uns etwas anzubieten – ihm oder mir.’ Sancide: (gereizt) Ich habe euch bereits etwas zu bieten gehabt. Dieser Termin war teuer genug. Jannis: Ich lachte. ‚Ja, aber er ist nun Geschichte.’ Um sie zu trösten, fügte ich an: ‚Ich werde noch einmal nachsehen, was sich für dich machen lässt. Wir reden die Tage noch einmal, versprochen?’ Jannis geht ab, während Sancide ans Bett herantritt und Teil der Szenerie wird. Sancide: Wie geht es ihr? Freya: (erschöpft) So gut es eben möglich ist. Man hat auf sie eingestochen, diese Wunden habe ich geheilt. Ich gab ihr Menchal-Saft gegen das Gift in ihren Adern, doch ich denke, man versuchte es auch mit Zaubern. Gegen diese konnte ich nichts machen. Sancide: Was war es für ein Gift? Freya: Deine Waldläuferin sprach von Arax und ich würde ihr zustimmen. Es lähmt. (Pause) Jemand wollte sie entführen und sie töten, als sie sich wehrte. Sancide: Ich werde dir Torja zur Seite stellen. Du kennst ihn? Freya: Flüchtig. Sancide: Vertraue ihm. Vertraue mir. Vertraue niemandem sonst. Sancide umarmt sie, der Satz ‚Verzeih, dass ich dich hier mit hineinzog, und Danke für alles’ bleibt unausgesprochen. Dann möchte sie wieder aufbrechen. Freya: Was hast du vor? Sancide: Ich treffe mich mit Spektabilität Walsareffnaja. Ich werde sie von dir grüßen. Freya: Pass auf dich auf. Sancide: Du auch. Sancide geht ab. Akt 0, Szene 10 – Lowangen, ODL-Ordensburg, Sancides Kammer Jannis und Sancide gehen wieder von verschiedenen Ecken auf und bleiben bei den Säulen. Jannis: Am nächsten Tag hielt ich mein Versprechen und kam auf Sancide zurück. Vielleicht war ich etwas vorschnell damit, doch ich musste handeln, ehe sie mir entschlüpfte. ‚Hee, Sancide’, sagte ich. Sie blickte mich müde an und antwortete. Sancide: Ja? Jannis: ‚Ich habe eine Antwort für dich’, sagte ich. ‚Der Ordenshochmeister hätte Zeit heute Abend.’ Sancide: Aber? Jannis: ‚Es gäbe da eine Gefälligkeit, um die ich dich bitten müsste.’ Ich schämte mich beinahe, das zu sagen, doch wer auch immer seine Träume wahr werden lassen möchte, der muss über seinen Schatten springen. ‚Ich hörte, du verstehst dich immer noch mit Lina.’ (Pause) Sie sah mich so lange böse an, dass ich schon befürchtete, sie würde mich nicht einmal einer Antwort würdigen. Dann überraschte sie mich. Sancide: Kann schon sein. Jannis: ‚Hast du sie dir in letzter Zeit einmal angesehen?’, ließ ich mich überwältigen. ‚Sie ist ein Traum. Wir beide wissen ja, wie sie mit fünfzehn aussah, doch verglichen mit heute? Da musst du zugeben: Jeder, der sie heute nicht bespringt, tut das nur nicht, weil er nicht kann.’ (Pause) Nun, was soll ich sagen? Natürlich gab sie es nicht zu. Sancide: Sie trägt Trauer. Sie verlor gerade ihren Verlobten. Zeige ein bisschen Respekt! Jannis: Sie verstand mich einfach ganz falsch. ‚Ach komm’, sagte ich, ‚Ich bitte dich doch um nichts, was ich nicht schon hundertmal mit ihr gemacht hätte. Eine Nacht mit ihr, mehr verlange ich doch nicht.’ (Pause) Dann, nach einem furchtbar langen Moment, drehte sie sich um und ging. (Pause, mit einem breiten Grinsen) Und nun entschuldigt mich, ich muss mich auf ein Treffen mit einem Mädchen vorbereiten. Jannis geht ab. Sancide betritt allein ihre Kammer, eine Kanne Tee mit sich führend, entzündet eine Lampe, gießt sich ein und trinkt. Unerwartet für sie klopft es an der Tür. Sancide: Herein? Keikin geht auf, was Sancide entspannt. Sancide: Komm doch herein und setze dich. Möchtest du Tee? (Pause) Du möchtest. Es ist Kaisertee aus dem Tulamidenland, eine edle Sache. Das war das Abschiedsgeschenk meines Kommandos an mich nach drei erfolgreichen Jahren. (Pause) Ich habe allerdings kein Schmalz für Nivesentee, kann es auch Sahne sein? Keikin: Tuukijaa? Ich habe doch einen Hund geschossen. Sancide: Das weiß ich nicht. Marja hat dich freibekommen und ist immer noch bewusstlos. Keikin: Deine Hände. Deine heiligen Hände. Ich möchte sie küssen. Darf ich? Sancide ist davon nicht begeistert, tut ihr aber den Gefallen. Eine peinliche Stille folgt darauf, bis Keikin ansetzt, jedoch unterbrochen wird. Sancide: Dein Bogen liegt dort auf meiner Truhe. Nimm ihn dir. Keikin geht herüber, nimmt den Bogen, öffnet daraufhin die Truhe und durchsucht sie. Sancide: Lass das. Bitte. Komme wieder her. (Pause) Ich brauche deine Hilfe. Keikin: Deine Hände. Sancide erweist ihr wenig begeistert ein zweites Mal den Gefallen und lässt sich erneut die Hände abknutschen. Sancide: Du hast bereits für den Orden gearbeitet. Würdest du auch für mich arbeiten? Keikin: Miju? Sancide: Ich brauche einen Waldläufer, der mich von mir fortführt (Pause) und der nicht zuviel verlangt. Ich kann dich nicht einmal angemessen bezahlen. Keikin: Messerweib schnitzt Eisturm. Treten? (Pause, dann erklärend) Mein Leben ist bestimmt, Atim-Suraq zu bekämpfen. Deine Hände hielten ihn auf. Wir sind Freunde. Sancide: (lacht bitter) Wir sind keine Freunde – jedenfalls nicht, bis du meine Hände in Ruhe lässt. (Pause) Und auch dann nicht. Mache dir keine Hoffnungen. Du musst verstehen, dass ich dir nicht weiter helfen kann – ich kann nicht gegen Atim-Suraq kämpfen, weder heute, noch in einem Jahr. Lass uns einen Vertrag aufsetzen, das wäre mir am Liebsten. Keikin: Keika ist der Speer. Das ist mein Lienenlauki. Spüre! Keikin gibt Sancide ihren Bogen, dem eine göttliche Kraft innewohnt – sie ist davon überrascht und beeindruckt. Keikin: Du hast heilige Hände. Ich habe einen heiligen Bogen. Ich möchte in deinen Händen sein. Atim-Suraq! Sancide: (reicht den Bogen zurück) Das ist nicht mein Weg. Was verlangst du für den Weg nach Gareth? Keikin: Geschenk! Trotzdem Fehler! Statt abzugehen, greift Keikin zu ihrer Teetasse und trinkt sehr wütend und beleidigt Tee. Es wird dunkel. Akt 0, Szene 11 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Eingangshalle Eine Menge versammelte sich am Tor, da ein Gast erwartet wird. Marja ist darunter, die sich vermutlich davonstahl, und Freya und Torja stehen beisammen, irgendwann im Verlauf wird auch Sancide aufgehen. Schließlich gibt es noch Jannis. Er spricht zu Umstehende wie zum Publikum gleichermaßen. Jannis: Nun ist es mir eine ganz besondere Freude, einen neuen Gast des Mitternachtkonzils anzukündigen: Der Gesandte der Rabenmark und Neffe des Raben von Punin, Diener des Raben und Deuter Bishdariels Lontha Nazir… Mann, das waren aber ganz viele Raben. Jannis tritt in den Hintergrund, während ein Toröffnergeräusch die Momente dehnt. Wichtig ist dabei Freya, war die angekündigte (und die Maske auch am Gürtel tragende) Figur doch ihr Gegner. Dann geht er (vielleicht an der Spitze einer Statistengruppe) auf. Freya tritt ihm entgegen und auch Torja versteht aus ihrem Verhalten, dass es sich um einen Feind handelt. Er macht sich kampfbereit. Freya: (offen feindselig) Du! Lügner! Lontha: (überrascht, doch offenkundig milde) Fräulein, Fräulein… (zu Jannis) Das ist nicht der Empfang, mit dem ich gerechnet habe. Freya: Du bist ein Dämonendiener und ein finsterer Zauberer! Gib mir die Maske! Lontha: Weiß sie nicht, dass ich ein Gast hier bin? Erkennt sie nicht, dass sie gleich zweier Götter frevelt? Jannis: (zu Freya) Lina, bitte. Mache mir keine Probleme. Freya: (zu Jannis) Stehe mir bei und vertraue mir. Für eine Weile friert die Situation ein. Lontha: (zu Freya) Du frevelst, Kind. Du frevelst und siehst es nicht einmal. Es ist wirklich eine Schande, dass du die Kutte der Gilde trägst, deretwillen ich so weit reiste. (Pause, dann zu Jannis) Mein Gastrecht wurde verletzt. Bringe es wieder in Ordnung. Lontha geht voran, woran Freya merkt, dass die Stimmung gegen sie schlägt. Sie tauscht Blicke mit Marja aus und muss erkennen, dass diese ihr nicht beistehen wird, dann überzeugt ein Blickwechsel zwischen Marja und Torja auch Letzteren davon, die Waffe zu senken. Jannis: Sancide? Du bist ihre Tutorin. Bitte nimm dich der Adepta an. Sie muss bestraft werden. Sancide tritt in das Zentrum des Kreises und bestraft Freya – zehn Schläge mit einem Offizierstab auf den Handrücken bieten sich dafür an. Dann wird es dunkel. Akt 0, Szene 12 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Sitzungssaal Die Angehörigen des Mitternachtskonzils bevölkern wieder einen Tisch: Hagen Gerion, Aljawa Walsareffnaja, Gerwulf Zantentöter und Tamara, doch diesmal sitzen Carro und Lontha mit dabei. Sancide führt das Protokoll, während Jannis steht und spricht. Jannis: Lontha Nazir von der Boronkirche. Schön, dass es klappte. Lontha: Mich freut es, hier zu sein. Jannis: Dann fehlt nur noch der Sohn unseres Ordenshochmeisters – er hat aber auch einen ziemlich weiten Weg aus dem Süden hierher. Lontha: (unterbricht) Er wird erscheinen. Öffnet ihm die Tore heute zur Mitternachtsstunde. Jannis: Na dann. Wir haben den Tagesordnungspunkt für dich offen gehalten, um den du batest. Möchtest du erst einmal ankommen oder gleich darauf zurückkommen? Lontha: (signalisiert: gleich und legt eine Pause ein, in der er sich auf eine Rede vorbereitet.) Meine lieben Magierinnen und Magier, Ordensmeister, Kommandanten, Spektabilitäten, tapfere Helden, wunderschöne Wesen und Träger des Derenrunds: Wir alle wissen, dass wir in einer Endzeit leben. Die Zwerge werden in den tiefsten Böden versinken und die Elfen sich in Licht und Traum auflösen – Anwesende selbstverständlich ausgeschlossen –, nur um eines zu ermöglichen: Um Platz zu schaffen für das wahre Herrschervolk dieses Zeitalters und seine wahren Herren. Dort oben in Alveran fürchten die Götter jede Zeitenwende, denn in ihrem Verlauf wird über die Besetzung neu verhandelt. Ja, vielleicht glaubt der eine oder andere unter euch, dass die Götter ewig und gleich sind, doch sind wir ehrlich: Das ist Unfug. Tausende von Visionen und Träume, die die Kirche und damit mich erreichen, machen es sehr deutlich: Der Umbruch ist wahr und geschieht. Wir kennen die Namen. An dieser Stelle setzt sich Lontha einfach hin und lässt die anderen ratlos zurück. Jannis: Ja? Und? Lontha: Unter den Göttern Alverans ist niemand so mächtig wie der Mittler zu den Dämonen und Heermeister gegen den Namenlosen, der Götter General Atim-Suraq. Gemurmel ertönt. Hagen: Glaubt Ihr ernsthaft, was Ihr sagt? Das ist Narretei! Lontha: Boron glaubt daran. Praios glaubt daran. Rondra glaubt daran. Muss ich wirklich noch die anderen neun aufzählen, die daran glauben? Hagen: Ich beantrage, diesen Scharlatan vor die Tür zu setzen. Jannis: (zu Lontha, trotzdem betont laut) Soll ich ihn aufklären oder du? Lontha: Ihr seid der Orden. Jannis: Nun… (räuspert sich) möchte der Herr Großmeister vielleicht die Tatsache bedenken, dass seine Ordensburg bereits von den Kräften Atim-Suraqs überrannt wurde und es nur dem Einsatz dieser Schreibkraft (deutet auf Sancide) zu verdanken ist, dass wir uns nicht alle – mit Ausnahme des Herrn Nazir freilich – von Golgaris Schwingen tragen lassen. Vielleicht ist er sogar mit der Erklärung zufriedener, der schnell wachsenden Macht eines neuen Gottes unterlegen zu sein, als, ganz entschieden versagt zu haben. Hagen: Ich muss doch sehr bitten! Lontha: Danke, Jannis. Ich muss jedoch einen Schritt zurücksetzen, ehe Erwartungen aufkommen, die ich nicht erfüllen kann. Ihr wisst vielleicht, dass der Orden gerade Atim-Suraqs Hohepriesterin gefangen hält und sogar plant, sie hinzurichten. Ich bin kein Gott, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass es ihm gefällt. Aljawa: Sie hat Ordensgeschwister getötet. Andergast ist verheert. Lontha: Vielleicht, doch ihr müsst doch verstehen: Das liegt in der Vergangenheit. Atim-Suraq ist die Zukunft. Hagen: Dann lassen wir sie eben frei. Dann haben wir gleich unsere Ruhe. Lontha: Ich fürchte, das reicht inzwischen auch nicht mehr. Jemand aus eurer Mitte war so unverschämt, gegen Atim-Suraq und seine Hohepriesterin zu freveln – sie gelangte, wie ihr sicher wisst, nicht von selbst hinter Gitter. (Pause) Ich beantrage, die Adepta Sancide de Ruthor dem Feuer zu übergeben. Es herrscht Stille. Jannis: (zu Sancide) Magst du nicht eben etwas Tee aufsetzen? Für den folgenden Teil brauchen wir kein Protokoll. Sancide: Nein! Wer mich tot sehen möchte, der soll mir dabei in die Augen sehen. Jannis: (nimmt ihren Arm) Gehen wir doch eine kleine Runde. Tamara, du kannst doch so viel, magst du nicht kurz für mich übernehmen? Ich bin gleich wieder da. Jannis und Sancide gehen ab, während Tamara Jannis’ Platz übernimmt. Black. Akt 0, Szene 13 – Lowangen, Ordensburg des ODL, Gang Jannis und Sancide gehen auf. Jannis zeigt sich dabei verwandelt. Jannis: Das wollte ich nicht. Dieser miese Hund. Wir hatten uns darauf geeinigt, dich zu expurgieren… verbannen… teeren und federn und dann Straßenstaub schlucken lassen. Das hättest du wirklich verdient. (Pause) Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich hasse! Ich habe dich immer schon gehasst. Du hast mich Lina gekostet und mein Siegel dazu. Was hatte ich dir denn getan? Sancide: Das warst du selbst. Jannis: Doch ein Mann ist ein Mann und auch wenn du nichts bist und keine Schonung verdienst, bist du doch ein Kamerad. Jannis zieht seinen Dolch, übergibt ihn Sancide. Dann dreht er sich um. Jannis: Aber nimm den Knauf, ja… und sei sanft… und sag Lina, dass… Er wird von Sancide unterbrochen, die ihm mit voller Wucht den Dolchknauf gegen den Kopf rammt. Sie gestattet sich ein Lächeln, während er zu Boden geht. Dann geht Keikin auf. Die beiden tauschen einen entschlossenen Blick und gehen dann gemeinsam ab. Kapitel 1: Freya in: (21) Jandoras Niedergang (Karte: Vollkommenheit, umgekehrt) -------------------------------------------------------------------------------- Akt 1, Szene 1 – Ansage Karl Marx sagte einmal, dass sich (Welt-)Geschichte wiederhole, einmal als Tragödie und einmal als Farce. Dies möge der Wegweiser für die folgenden Szenen sein: Obgleich nun Freya ähnlich wie Sancide leiden muss, sind die Farben heller und die Darstellung komödiantischer. An dieser Stelle beginnt nun auch offiziell das Stück: Die Bühne wird in den fertigen Zustand gebracht (Säulen-Abdeckungen, Bauzaun und die eventuell genutzten Hintergrundbild-Laken verschwinden, vielleicht werden auch symbolisch die Wände neu gestrichen) und wenn noch eine Publikums-Begrüßung samt Verweis auf Mobiltelefone ansteht, dann sollte sie nun geschehen. Freya geht im Eselskostüm und einen Schandkragen tragend auf und darf in der Mitte der Bühne am Pranger stehen. Statisten gehen auf und ab und verhalten sich wie auf einem Marktplatz oder in einem Tempel. Ihre Plaudereien können Referenzen an Geschehenes sein oder Verweis auf die aktuellen Ereignisse des sich ankündigenden Jahrs 1.034 BF. Alle diese Teile gehen ineinander über, während nun – durch Statistenan- und Abwesenheit und/oder Beleuchtung angezeigt – die namenlosen Tage passieren. Es ist unnötig zu erwähnen, dass Freya die ganze Zeit über immer schwächer wird. 1.1.1 - Erster Tag: Gunda überquert – vielleicht noch nicht einmal von den Statisten zu unterscheiden – die Bühne, bemerkt Freya, hält kurz inne, wechselt vielleicht ein paar Worte mit einem vorbeikommenden Statisten und geht dann ab. 1.1.2 - Zweiter Tag: Gunda geht auf und hält sich immer noch im Hintergrund. Irgendwann tritt sie aus der Menge heraus, gibt Freya mit ihrer Wasserflasche zu trinken und geht dann wieder ab. 1.1.3 - Dritter Tag: Gunda geht auf und tritt erneut mit einer Flasche an Freya heran. Diesmal unterhalten sie sich. Gunda: Habe keine Angst. Ich kämpfe für die Ruthorin. Freya: Das ist gut. Gunda: Du hast Glück, dass ich dich finde. Ich bin nicht deinetwegen hier. Ich warte auf eine Kameradin. Freya: Es war niemand bei mir. Sie bekommt erneut zu trinken. Gunda: Warum bist du hier? Freya: Unwichtig. (Pause) Du? Kannst du mir den Rücken massieren? Gunda: Was? Freya: Er schmerzt ganz furchtbar. Gunda kommt dieser Bitte nach und massiert ihr den Rücken. Dann geht sie wieder ab. 1.1.4 - Vierter Tag: Gunda geht auf, gibt Freya zu trinken und füttert sie diesmal auch. Gunda: Was hast du dir dabei nur gedacht? Freya: Nicht viel. Deine Freundin ist nicht da? Gunda: Nein – und es gefällt mir nicht. Freya: Namenlose Tage. Gunda: Das kümmert sie nicht. Sie ist zäh. Bist du zäh? Freya: Klar. Gunda: Ich lasse dich nicht im Stich. Bis morgen. Freya: Bis morgen. Gunda geht ab. 1.1.5 – Fünfter Tag: Gunda geht auf, Verpflegung mit sich führend. Freya rührt sich nicht. Gunda fühlt besorgt ihren Puls, bevor diese sich rührt. Freya: Gib mich nicht auf. Gunda: Mädchen! Du stinkst vielleicht. Freya: Was denkst du denn? Gunda: Es ist furchtbar, einfach nur furchtbar. Freya: Deine Freundin? Gunda: Ist stark und mächtig und nicht aufzuhalten. Sie wird schon noch kommen. Freya: Gehst du mit mir zum Rahja-Dienst? Wenn es vorbei ist? Gunda: Wir werden sehen. Freya: Pferdefrau. Teshkalerin. Gunda: Versprochen. Es donnert und beginnt (vermutlich nur akustisch) zu regnen. Gunda: Ich gehe ins Trockene. Wir sehen uns morgen. Gunda geht ab, Freya lässt sich durchnässen. 1.1.6 - Sechster Tag: Ja, der sechste Namenlose Tag geschieht. Es ist kein Irrtum von meiner Seite. Gunda geht auf. Freya ist zu schwach für mehr als kleine Bewegungen. Gunda: Zauberin! Freya: (schwach) Rahja. Gunda: Nein, ich bin es. Die Teshkalerin. Hörst du nicht das Donnern meiner Hufe? Spürst du nicht, wie die Erde bebt, wenn all die Reiterhorden der Freiherrin durch die Steppe brausen? Sie zeigen all ihren Feinden, dass Andergast sicher ist, und sie sind deinetwegen hier. Vierhundert Streiter auf viermal vierhundert Hufen stehen dir bei und kämpfen für dich. Da ist auch Sancide. Sie ist hier und sie ist sehr besorgt um dich. Freya: ’geht’s ihr? Gunda: Sie ist sehr tapfer, unsere Herrin. Wir alle sehen zu ihr auf – und sie blickt gerade zu dir auf. Freya: War ’n Esel. Gunda: Das macht doch nichts. So geht es uns allen einmal. Dann stehen wir wieder auf und sind es nicht mehr. (sie klopft ihr auf die Schulter) Du stinkst immer noch. Freya: Gar nicht. Gunda: Wie ein verlauster Straßenköter. Freya: Vielleicht. Es wird still für einen Augenblick. Gunda: Es ist nicht mehr lange. Nur noch bis Sonnenuntergang. Freya: Bleibst du? Gunda: Werde ich. Ich gebe auf dich Acht, versprochen. Black. Akt 1, Szene 2 – Methumis, vor dem Rahjatempel Freya und Gunda verlassen den Rahjatempel nach dem Göttinnendienst und gehen verlacht, angetrunken und mit Rosen im Haar tragend auf. Sie wirken beide frischer und tragen sommerliche Kleidung, die nun Freyas neues Hautbild enthüllt: Zwei Rosen, die ihren Bauchnabel umschließen. Gunda: Hübsch, wirklich. Freya: Willst du es näher sehen? Habe es mir in Salza stechen lassen, schon ein paar Jahre her. Gunda: Hat’s wehgetan? Freya: Bisschen. Du? Bist du schon müde? Ich kenne da einen schönen Strand ganz in der Nähe, da können wir baden, ganz für uns. Gunda: Ist’s erlaubt? Freya: Ganz sicher nicht, aber es ist schön. Komm. Beide wollen abgehen, doch geht nun Keikin auf und sieht sie tadelnd an. Keikin: Gunda! Sie halten inne. Black. Akt 1, Szene 3 – Methumis, Freyas Kammer Die drei Frauen gehen auf, Freya und Gunda ganz offen in die Wirklichkeit zurückgeholt. Freya: Willkommen in meiner kleinen Kammer. Fühlt euch zuhause, so gut es geht, und entschuldigt mich, ich hatte einen langen Tag. Freya macht sich, ohne sich groß um die anderen zu kümmern, bettfertig und wird sich dann hinlegen. Gunda und Keikin unterhalten sich währenddessen miteinander. Gunda: Und? Was geschah? Keikin: Reiner Mist. Wir hielten die Marasken vom Tempel fern. Die Kinder fühlten sich zur Jagd bereit. Niemand außer mir überlebte. Gunda: (an Freya) Mineda sucht immer noch Verbindung zu ihrem Meister und griff diesmal den Hesinde-Tempel in Kuslik an. Wir haben sie zurückgeschlagen. (Pause, zu Keikin) Das ist schlecht. Keikin: Kinder sollen keine Bären jagen. Sie begreifen nicht. Gunda: Es wird sich wieder ändern. Sie werden lernen. (Pause, dann wieder zu Freya) Wir sind Sancides Armee. Wir sind der Heerbann des Wahren Kaisers. Wir halten die Schergen des Generals auf, gegen die sonst niemand etwas unternimmt. Freya: Hmm? Gunda: Wollte San dich nicht auch mit dabeihaben? Vor vier Jahren. Komm her und schwöre mit mir. Freya trottet lustlos herüber. Keikin und Gunda bilden mit ihr einen Kreis, legen die rechte Hand an den eigenen imaginären Schwertgriff und strecken die linke vor, um die linken der anderen zu berühren. Gunda spricht und wird dabei von Keikin mehr schlecht als recht geechot. Gunda: Hiermit gelobe ich, ein Ritter im Heerbann des Wahren Kaisers zu sein. Mit Stärke, Ehre, Stolz und Treue werde ich der Schöpfung dienen, meine Hand, mein Blut, meinen Namen und meine Seele unserer Kommandantin anvertrauen, damit Fluss, Berg, Wald und Meer sicher sein werden vor dem Wirken von General… Freya lässt die Hand los und legt sich wieder hin. Freya: Das hat Zeit bis morgen. Auch Gunda und Keikin lassen die Arme sinken und verweilen einen Moment stehend, ehe sie sie an möglichst bequemen Stellen niedersinken. Keikin: Sancide ruft uns. Wir müssen nach Andergast. Gunda: Wir sind in Methumis. Ist denn niemand näher? Keikin: Du kennst sie. Gunda: Ja. Keikin: Ich habe noch etwas. Keikin holt eine Pergamentrolle heraus und wirft sie Gunda zu. Diese öffnet sie und liest vor. Gunda: „Die Zwölfe mit dir, Zauberin. Vier Jahre sind vergangen, seit sich unsere Wege trennten, und ich wünschte, ich müsste Dich nun nicht anflehen, die Hand zu ergreifen, die ich Dir damals reichte. Ich mag Dich, Lina. Als Schüler einer Meisterin sind wir Schwestern und auch wenn wir damals nicht im Guten auseinander gingen, habe ich mich doch nie von Dir abgewandt und Dich nie vergessen. Ich freue mich sehr, dass es Dir gelang, aus den Avespfaden auszusteigen. Ich gratuliere Dir dazu. Sancide leidet. Der Kummer frisst sie auf. All die Jahre stand ich ihr bei, den Heerbann zu schultern, doch nun bricht sie ein. Sie zieht sich zunehmend zurück und verschließt sich selbst vor mir. Bitte komme zu ihr. Seit vier Jahren kämpft sie Deinen Kampf, nun stehe ihr bitte bei. Schwesterlich, Marja Lafeijen“ Sie legt die Pergamentrolle beiseite. Gunda: Freya? Keikin: Sie schläft. Gunda: Mist. (Pause) Gehe auch schlafen. Ich wecke dich an. Keikin legt sich hin, während sich Gunda auf eine Wachschicht vorbereitet. Black. Akt 1, Szene 4 – Methumis, Freyas Kammer Als es hell wird, schläft Gunda tief und fest, während Keikin Freyas Hautbild aus der Nähe betrachtet und sie dadurch weckt. Keikin: Es verwischt nicht. Freya: Es verwischt gar nicht mehr. Das bleibt so. (Sie gähnt.) Könnt ihr auf Frühstück verzichten? Ich habe nichts mehr da. Keikin: Ich kann. Freya zieht sich nun an und wechselt damit auf das Gewand, welches nun für eine Zeit ihr Markenzeichen wird: Ein Hemd zwischen Weiß und Hellbraun Liebfelder Art, einen mit Pailletten verzierten Rock ähnlicher Farbe und einen weißen, mit magischen Zeichen versehenen und damit zur Magierrobe erklärten Kusliker Kurzmantel (bedenkt: Es ist Sommer in einem warmen Land.). Sie geht zu ihren Stiefeln über, bei denen sich nichts veränderte, und legt schließlich den breiten Ledergürtel um, mit dem sie schon in Brig-Lo vor ihren Meister trat. Schließlich bindet sie vier Dinge an ihren Gürtel: Ein gebogenes Kurzschwert, einen Satz hölzerne Trippen (Schuh-Untersatz gegen Straßenschlamm), einen Fächer mit dem Bild einer nächtlichen Stadt darauf und ihre Lesebrille in einem Etui. Währenddessen unterhält sie sich mit Keikin. Keikin: Was machtest du hier in der Stadt? Freya: Was tut man in Methumis? Ich habe studiert. Keikin: Was denn? Freya: Rechtskunde. Ich wollte Advokatin werden. Ich wollte den Menschen beistehen – so ganz ohne kämpfen und schlagen und zaubern und töten… und getötet werden, weißt du? Keikin: Pfeile sind Schicksal. Freya: Ich habe meinen Verlobten verloren. Ich habe die Welt gerettet. Ich habe jahrelang davon geträumt, durch Atim-Suraq zu sterben, und auf einmal gab es da diesen Weg… Wärst du an meiner Stelle, wärst du auch hier. Keikin: Riokaulaukijak. Freya: Das ist halt etwas, was San nie verstand: Zauberei ist ein Weg in die Niederhöllen und je weiter man ihn beschreitet, desto tiefer stürzt man nur hinab. Deshalb habe ich auch der Zauberei entsagt. Gib das deiner Freundin als Antwort. Ich gehöre nicht zu Sancides Heer. Nun ist sie fertig angezogen. Keikin reicht ihr wortlos das Pergament, woraufhin Freya die frisch verstaute Lesebrille aufsetzt und sich den Brief durchliest. Gunda erwacht währenddessen und macht sich ebenfalls bereit. Freya: (aufblickend) Blöde Pute! Keikin: Eorla! Gunda: (wirft Keikin einen bösen Blick zu) Keikin! Freya: Guten Morgen. Gunda: Bereit für den Aufbruch? Freya: Ja, aber eines musst du noch wissen: Ich bin keine von euch. Gunda: Du dankst mir schlecht. Freya: Ich reise jedoch mit euch nach Andergast… Gunda: (unterbricht) Nein, du reist allein nach Andergast. Freya: Wie du willst. Gunda: Ich habe mehr von dir erwartet. Komm, Keikin. Gunda geht ab. Keikin: Bist du in Andergast? Freya: Ja, ich muss ohnehin fort von hier. Ich bin verbannt. Keikin umarmt sie sanft. Dann greift sie zum Gürtel und übergibt Freya ihre Geldkatze. Keikin: Es ist nicht viel. Freya: Es ist genug. Danke, Keikin. Keikin: Iara! Möge Liskas Auge über dich wachen. Keikin geht ab. Black. Akt 1, Szene 5 – Coverna Freya irrt unter schwerer Last ächzend über die Bühne, legt eine Pause ein, drückt den letzten Rest aus ihrem Wasserschlauch und treibt sich dann weiter. Geschwächt, wie sie ist, fällt es ihr jedoch zunehmend schwer. Sie legt wieder eine Pause ein, möchte trinken, lässt ihren Wasserschlauch wieder sinken, möchte aufstehen, kann sich nicht mehr aufrappeln und sinkt schließlich zu Boden. Nach einer Weile geht Mataro auf, gekleidet wie ein Immanspieler und den passenden Stab schwingend. Mataro: Und mit der Nummer 4 spielt für die Kusliker Kavaliere: Mataro, der Rote! Na, was meint ihr? Wollen wir heute den Schweinchen von Ehrbar Andergast so richtig auf den Popo klatschen? Naa? Ich kann euch nicht hören! Freut euch, denn euer Kaiser ist aus dem Abseits getreten und wird ganz ohne Elfenroller gleich die ersten vier versenken! Jubelt mir zu, Bürger von Kuslik! Eure Leidenschaft ist meine Kraft. Freya: (leise) Hurra. Mataro: Hallo, Kusmina! Hallo, werter Herr Elemis Thalai di Arthuro-Galahan! Ich bin stolz, sagen zu können: Ich stamme aus der Khom, doch ich bin Kuslik! Ich bin der, den ihr feiert. Ich bin der, über den ihr sprecht. Ich bin der, den ihr liebt oder hasst. Alles, was ihr seid und fühlt, seid ihr durch mich. (zu Freya) Hallo, kleines Fräulein. Wie alt sind wir denn? Freya: Das weiß ich nicht. Mataro: Du bist wirklich eine wunderschöne kleine Wüstenrose. Hast du vielleicht eine ältere Schwester, die mich kennen lernen möchte? (Er lacht.) So ist es Brauch seit alters her: Die Starken, Mutigen und Außergewöhnlichen stellen sich der Arena, die anderen hingegen… nein, es ist keine Schande. Manche sind einfach nicht für die Arena gemacht. Solange es Löwen gibt, muss man bloß ein Freund der Löwen sein. Hast du am Feuertag schon etwas vor? Freya schiebt langsam ihren Rock nach oben. Mataro: Du hast recht, wer will schon warten? Es donnert. Mataro: Oh nein! Wasser! Mein alter Erzfeind. Black. Akt 1, Szene 6 - Coverna Im neuen Licht ist Mataro verschwunden. Freya liegt immer noch an ihrer Stelle und wird vom Dauerregen geweckt. Sie lässt diesen eine Weile auf sich wirken und in ihren Mund fallen, dann greift sie zu ihrem Gepäck und geht weiter. Schließlich scheint sie etwas zu bemerken. Freya: He! Hier bin ich! Freya rennt von der Bühne. Akt 1, Szene 7 – Coverna, Weggasthaus Das Gasthaus besitzt einen Wirt, einen Tresen und Statisten im Hintergrund, darunter der Barde Elgarath. Tamara sitzt allein an diesem Tresen und kippt einen Klaren nach dem anderen in sich hinein, wird aber ignoriert, während der Barde auf seiner Laute etwas klimpert. Eine völlig durchnässte Freya geht auf, hängt ihren Mantel auf und tritt dann an den Wirt heran. Freya: Ich habe noch sieben Heller. Bekomme ich dafür ein Bier und einen Schlafplatz? Wirt: Fräulein Zauberin? Ist Euch etwas Schlimmes widerfahren? Freya: Ja. Wirt: (nach einer Weile) Wenn Ihr kein Bett erwartet, sicher: Seid heute Abend mein Gast. Seid ihr hungrig? Freya: Ja. Freya bekommt Suppe und Bier. Nach einer Weile wendet sie sich an Elgarath. Freya: Ihr spielt ‚Grangorer Träume’? Elgarath: Gut erkannt. Freya: Würdet Ihr wechseln? Ich finde das Lied furchtbar. Elgarath: Sicher. Habt Ihr einen Wunsch? Freya: Weiß nicht. Etwas Albernisches. Der Barde wechselt auf ein traurigeres Lied und Freya trinkt und hört zu. Plötzlich stolpert Rufus in Panzer-Unterkleidung aus einem der Zimmer. Rufus: (ruft nach draußen) He! Meinen Panzer! Nacheinander wird ihm ein Kettenhemd, ein Schwert und ein Rucksack vor die Füße geworfen – freilich jeweils mit einem großen Gepolter. Rufus lässt sich nicht davon stören, dass wirklich alle Blicke auf ihn gerichtet sind, zieht sein Kettenhemd über und legt das Schwert an. Dann tritt er in den Schankraum, erkennt Freya und ist froh, sie zu sehen – ein Gefühl, dass auf Gegenseitigkeit beruht. Rufus: Freya! Wunderschöne Zauberin. Freya: Rufus? Ich fasse es nicht, du siehst genauso aus wie damals. Rufus: Das kann ich zurückgeben, du wirkst auch viel jünger als deine paarundzwanzig. (Er greift zu seinem Schwert und deutet ein Ziehen an.) Schau mal. Das ist eine richtig starke Zwergenklinge. Von wem ich die wohl habe? Freya: Sie kam also an. Rufus: Das beste Schwert, das ich jemals sah. Danke dir. (zum Wirt) Ein Bier für mich und noch eines für meine Hübsche. (nun greift er in seinen Rucksack und holt Pfeife und Tabak hervor) Hast du Feuer? Freya: Stein, aber durchnässten Zunder. Gib mir dein Päckchen, dann gebe ich dir. Freya zündet die Pfeife an. Rufus raucht. Rufus: Du möchtest auch? Freya: Klar möchte ich. Beide rauchen. Zeit vergeht. Rufus: Mann, mir ist mein Auftritt peinlich. Es war eine Magierin und ich dachte, sie wäre schon soweit. Freya: Magierinnen sind eben schwierige Beute. Rufus: Im Gegenteil, die meisten sind ganz leicht zu haben. Freya: He! Rufus: Schläfst du jetzt mit mir? Freya: Spinner! Er legt die Pfeife zur Seite und greift zum Bierkrug. Rufus: Auch wenn es kein Andrabräu ist: Auf Freya, die Wundervollste. Freya: Auf Rufus, den Wundervollsten. Rufus: Und auf Dey, der gerade draußen ein paar Mäuse quält. Freya: Mit furchtbar durchnässtem Fell. Beide lachen und prosten sich zu. Freya: Ach, was waren wir ein gutes Dreigespann. Rufus: Wir sind es wieder. Freya: Ich muss aber… Rufus: Warte! Lass mich dein Reiseziel erst erraten, dann werden wir feststellen, dass ich das Gleiche habe. Also: An… Freya: …der… Rufus: …gast. Dahin bin ich auch unterwegs. Da sollen Dinge geschehen. Freya: Es wird also alles so werden wie früher? Rufus: Das ist es bereits. Diese fünf Jahre waren ein böser Traum. Schön, dass du wieder erwacht bist. Black. Kapitel 2: Freya in: (22) Der Hauptmann von Punin (Karte: Manneskraft, umgekehrt) --------------------------------------------------------------------------------- Akt 2, Szene 1 – Ansage Im Empfangszimmer der Zaubererakademie von Grangor wartet Freya und liest ein Buch. Wilbrecht wartet zusammen mit ihr. Zeit vergeht. Wilbrecht: Fräulein Zauberin? Ist Euch auch langweilig? Freya: (im Lesen) Hmm? Wilbrecht: Unterhaltet Euch doch mit mir. Ihr interessierst mich. Freya: (setzt zu einer bösen Antwort an, verkneift sie sich aber, als sie über den Buchrand schauend den Stand ihres Gegenübers wahrnimmt. Sie legt das Buch weg und setzt die Lesebrille ab, die sie gleich verstaut.) Natürlich. Ich bin Freya, Herr Donator Lumini. Wilbrecht: Was beschäftigt Ihr Euch mit ketzerischer Hesinderei, Adepta Freya? Freya: Tue ich das? (Sie deutet auf ihr Buch.) ‚Firuna im Palast der Gräfin’. Sehr trivial, ziemlich unmagisch, in Adelsfragen völlig falsch und dafür ausgesprochen romantisch. Wilbrecht: Erzählt Ihr mir, warum Ihr eine Zauberin wurdet? Freya: Das ist wirklich eine lange Geschichte. (Pause) Die Kurzfassung? Ich wollte Menschen beistehen. Wilbrecht: Dazu musstet Ihr unbedingt zum Hexerstab greifen? Freya: Ich wäre sonst heute Eheweib, Mätresse oder Kurtisane. Wilbrecht: Vielleicht ist das Euer zugewiesener Platz. Freya: Wo wärt Ihr, wenn Ihr nicht Praios’ Willen gesehen hättet? Wilbrecht: Jagdmeister oder Kastellan oder Vogt irgendwo. Freya: Nun seid Ihr mehr, richtig? Wilbrecht: Bei aller Bescheidenheit, ja. Freya: Also, was wollt Ihr da noch wissen? Wilbrecht: Ich möchte ein guter und weltoffener Praiot sein, der den Menschen dient. Im Augenblick suche ich nach dem heiligen Licht, da dachte ich, die Illusionszauberer hier in Grangor könnten sich auskennen. Es klingt wie ein Scherz, ich weiß, doch bin ich verzweifelt. Auch der Praiosmond 1.034 BF ging vorüber und das Allerheiligste kehrte nicht zurück. Bald werde ich in meine Heimat zurückkehren müssen. Ich schäme mich so. Freya: (die Antwort erahnend) Und Eure Heimat ist… Wilbrecht: Andergast. In dem Moment tritt eine Statistenmagierin im Grau auf die Bühne und wendet sich an Freya und Wilbrecht. Magierin: Adepta Freya? Spektabilität Jikhbar lässt ausrichten, dass sich Euer Panzer nicht mehr auf dem Gelände befindet. Er wurde schon vor einer ganzen Zeit weiter nach Punin gesandt. Freya: Wie Ihr seht, werden wir nicht gemeinsam reisen. Vielleicht sehen wir uns jedoch in Andergast. Wilbrecht: Ich würde mich freuen… Fräulein Freya? (sie nickt) Mein Name ist Wilbrecht von Selmfeld. Habt keine Scheu, meinen Tempel aufzusuchen. Freya: Praios mit Euch, Wilbrecht. Ich muss mich erst einmal wieder an Aves halten. Sie steht auf und geht ab. Black. Akt 2, Szene 2 – Andergaster Grenzland, Gasthof Die Taverne befindet sich in einem typischen Zustand: Die Bedienung Iskara wird spielend mit den Gästen, darunter eine abgehalfterte Söldnergruppe fertig, ehe ganz plötzlich eine Gruppe des Heerbanns in voller Ausrüstung hereinpoltert: Lorana und Turike, die Amazone Chora, Immrade und weitere Frauen unter Waffen. Iskara beginnt mit einer gewöhnlichen Begrüßung, wird dann jedoch überrascht, während Immrade ebenfalls den ruhigen Weg wählen möchte, jedoch überspielt wird. Iskara: Willkommen im Weißen Ritter. Wir bieten alles für den müden Wanderer: Kühles Bier, herzhafte Speis und Zimmer für die Nacht. Immrade: Ihr habt einen Schlafsaal? Wir sind weit gereist. Lorana: (laut in die Menge) Hört her, Grenzvolk Andergasts. Die Stadt Eslamsbrück wurde den Mächten der Finsternis entrissen. Das ist ein großer Sieg! Turike: Siegreicher Heerbann! Dreimal Hoch auf den Heerbann! Dreimal Hoch auf den Wahren Kaiser! Die Soldatinnen geben sich selbst das Hoch und setzen sich dann um einen Tisch, während Chora noch kurz zu den Söldnern hinübergeht. Chora: Na, ihr Strohpuppen? Schmeckt das Dünnbier? Turike: Heerbann kämpft, Heerbann siegt – überall! Lorana: (nun auch lautstärkentechnisch nur noch auf die Runde bezogen) Außer, wo Keikin führt. Turike: Zugegeben. Dummes Weib. Soll verrecken! Lorana: Scheiß Keikin. Chora: (zu Iskara) He, Mädchen! Starre keine Löcher in die Luft und schaffe Bier ran, sonst klatscht es nach Amazonenart. Immrade: (zu Iskara) Ganz ruhig, sie meint es nicht so. Immrade setzt sich an den Tisch. Chora: (zu Immrade) Du bist weich! Der Zivilist steht unter dem Soldaten, denn der Soldat hat eine Waffe! Lorana: (zu Chora) Sei nett zu ihr. Es war ihr erster Einsatz. Immrade: Ich meine ja nur: Bevor du eine Waffe nahmst, warst du auch ein Zivilist. Chora: Amazonen nie! Iskara erscheint mit Bierkrügen und verteilt. Iskara: Und ihr seid wirklich… ich meine… die Heldinnen vom Heerbann? Ich meine, euch gibt es tatsächlich? Chora: Und wie! Magst du mal meinen Schwertarm fühlen? (sie präsentiert ihren Bizeps.) Immrade: Setze dich doch. Iskara: Hier in Andergast dürfen Frauen nicht kämpfen. Hier müssen wir kochen, putzen und Bier zapfen. Immrade: Ich war einmal eine Fuhrknechtsfrau. Ich kenne Plackerei. Iskara: Ihr hingegen… Lorana: Turike und ich sind Lanzenreiterinnen aus Ferdok. Ein Hoch auf den alten Ardo von Eberstamm, der sie wieder ins Leben rief. Dann wollten wir jedoch nicht mehr bloß unsere Heimatstadt verteidigen und schlossen uns dem Heerbann an. Chora: Ich bin Chora von der Amazonenhälfte des Heerbanns. Im Namen der Königin verwandele ich hübsche Töchter in Ehrfurcht gebietende Löwinnenkrieger. Lorana: Wir sind Kämpferinnen aus ganz Aventurien, geeint durch ein Ziel: Das Böse zu vernichten, wo auch immer es sich zeigt. Turike: Sag, Mädchen, gibt es auch schöne Männer hier in Andergast? Was anderes als das da? Chora: Sie spricht nur für sich. Mein Kerl sitzt in Perainefurten, der genügt mir. Iskara: Wir haben Grenzwächter. Eine Gruppe sollte bald vorbeikommen. Iskara verlässt den Tisch, um neues Bier zu zapfen. Turike: (zu Immrade) Was ist mit dir? Gehen wir uns gemeinsam was suchen? Immrade: (nach einer Pause) Ich mag Frauen. Chora: Kein Makel unter Amazonen. Nur sag: Magst du Brüste? Lorana: Nicht schon wieder. Immrade: Ist das eine Falle? Lorana: Sie möchte wissen, welche unserer Kommandantinnen dir besser gefällt: Sancide oder Marinna? Immrade: Ich kenne beide nicht. (nach einem Zögern) Ich mag Brüste. Chora: Dann bist du eine Amazone. Ich gratuliere. Gunda und Marja gehen, zunächst in dunklen Mänteln schwer zu erkennen, auf. Iskara geht auf sie zu und spricht ihren Begrüßungsmonolog. Iskara: Willkommen im Weißen Ritter. Wir bieten alles, was der müde Wanderer begehrt. Gunda: (in die Menge) Räuber der Kasparbaldsbande sind auf dem Weg hierher und werden bald angreifen. Spart eure Kräfte, Mädels: Heute Nacht wird gekämpft. Black. Akt 2, Szene 3 – Punin, Magierakademie Freya und Leila gehen gemeinsam auf – Letztere ist eine tulamidische Scholarin (entspricht einer Oberstufenschülerin), die sie durch die Stadt führte. Leila: Willkommen in der Akademie der Hohen Magie. Jetzt können wir sprechen. Freya: Was ist nur los mit der Stadt? Ich war im besetzten Albernia und selbst dort war es sanfter und wärmer. Leila: (sarkastisch) Willkommen im von Kaiserlichen besetzten Almada. Hier fällt es schwer, zu sprechen. (Pause) Kaiser Selindian Hal hat sich umgebracht. Was immer auch von ihm zu halten war, nun kann man sehen: Keinen Kaiser zu haben ist schlimmer. Torja geht aus einer anderen Richtung auf. Torja: Die Garden in der Stadt kommen frisch von der Ostfront. Wehe uns, mit denen wir belohnt wurden. Freya: Torja! Torja: Freya, du angenehme Überraschung! Wie ist es dir ergangen? Freya: Am Stadttor wurde ich intensiv durchsucht, intensiv befragt und nur mit einer Abholung hereingelassen, in der Stadt durfte ich wegen Spitzeln nicht sprechen und ein Passant, den ich anrempelte, hätte mich beinahe abgestochen. Könnte also besser sein. (zu Leila) Was habt ihr nur aus dieser Stadt gemacht? Leila: Das waren nicht wir, das waren die Herren. Torja: Scholarin! Gehe und erstatte Meldung. Leila geht ab. Torja: Du bist also hier. Freya: Ja. Torja: Möchtest du deinen Panzer zurückfordern? Freya: Ja. Torja: Sprich es aus. Freya: Ich fordere meinen Panzer zurück. Pause. Torja: Das ist gut. Die Magier haben ihn sehr intensiv untersucht, doch sie verstehen ihn noch immer nicht. Nun werden sie beiwohnen, wenn du ihn anlegst. Das werde ich auch – offiziell, damit dir nichts passiert, doch tatsächlich… damit dir nichts passiert. (Pause) Du wirst dich ausziehen müssen. Freya: Verstehe. (Pause) Na, wenn’s den Magiern eine Freude macht. Du hast wenigstens eine Decke für mich? Torja: Ich hole eine. Torja geht ab, verschiedene Magier in ebenso verschiedenfarbigen Roben gehen auf und Freya entkleidet sich (vielleicht hinter der Säule). Kurze Gespräche werden geführt und ein paar Ritualvorbereitungshandgriffe getan. Dann sind laute Stimmen von draußen zu hören. Leila: „Sie dürfen hier nicht sein. Wer sind Sie?“ Reto: „Leutnant Reto von Angersberg, Zweiter Gardekommandant. Das ist eine Hausdurchsuchung… Was trägt sie da für einen Panzer? Darf sie ihn führen?“ Leila: „Der gehört der Zauberin Freya. (Pause) Firlina Galahan.“ Reto: „Gib sie ihn mir. (zu jemand anderem) Steht sie auf unserer Liste?“ Carro: „Nein, Herr Leutnant.“ Freya: Carro? Reto: „Dann ist dir ein Fehler unterlaufen. Trage sie nach.“ (Zielwechsel) „Dieser Panzer ist beschlagnahmt. (Pause) Ist sie eine Zeugin?“ Leila: „Nein, mein Herr, ich habe nichts…“ Sie wird unterbrochen von dem Geräusch einer Klinge, die Fleisch trifft. Reto: „Schwärmt aus. Ihr kennt die Liste. Findet und tötet alle, die es verdienen.“ Auf der Bühne macht sich Unruhe breit. Da geht Leila auf, mit einem Dolch im Körper. Leila: Sie töten… sie töten uns alle. Leila bricht zusammen. Black. Akt 2, Szene 4 – Almada, Straßen von Punin Freya eilt nackt und panisch auf einer dunklen Bühne herum. Aus dem Off hört man das Gemurmel einer Menge. Im Licht wird sie verschwunden sein, doch bauen Statisten eine Stadtkulisse auf – mit einem Prediger vor der linken und einem Ausrufer vor der rechten Säule. Freya: (in Eile) Verzeihen Sie, verzeihen… da sind Männer hinter mir her. Aus dem Weg, glotzt nicht so, habt ihr noch nie…? Nein. Ich brauche keine Garde, es geht mir gut, lasst mich… (sie geht ab) Prediger: Spürt ihr ihn nicht? Spürt ihr ihn? Das ist der Zorn des göttlichen Hal, der dieses Land bestraft… und warum? Weil ihr ihm gefrevelt habt wider ihn, wider sein Recht und wider seiner Enkelin. Euer Kaiser frevelte und ihr folgtet ihm dabei… doch es ist nicht zu spät. Die Gestraften und die, die gestraft werden, die verdienen ihr Schicksal, oh ja, doch die Reuigen… wie du, wie du, wie du… denen wird euer Kaiser im Himmel vergeben, er wird… Ausrufer: Bürger von Punin, schützt euer Geld vor der Kaiserin und vermehrt es dabei. Legt es an! Kauft Anteilsscheine für eine Fahrt ins Güldenland, jetzt bei den günstigen albernischen und al’anfanischen Bedingungen. Jeder eurer Dukaten bringt euch vier bei Rückkehr des Schiffes. Zeichnet, Leute, zeichnet… und denkt immer daran: Gold kennt jeder Gardist, Papier nicht! Eine Pause entsteht, dann geht Freya in der grünen Uniform eines Gardisten auf, die sie von einer Wäscheleine stahl. Mühsam rückt sie sie zurecht, bringt ihre Frisur in Form und verschnauft. Boronlieb, ein Gardist, geht auf. Boronlieb: Moment, wartet! Freya bleibt stehen und dreht sich langsam um. Boronlieb: Ihr seid es. (Pause) Wir hatten Euch erst in einigen Tagen erwartet. Freya: (überspielt ihre Unsicherheit) Ich wollte mir die Stadt ansehen. Boronlieb: Kennt Ihr bereits den Weg zur Commandantur? (Pause) Wenn Ihr mögt, führte Ich Euch dorthin, auch sofort. Ich möchte zur Eile raten. Freya: Gut. Wenn Ihr das meinen… Boronlieb: Ich setze Euch dann gleich ins Bild. (im Abgehen) Sagt, wo waren Ihr denn an der Ostfront eingesetzt? Unsere Angaben sind dazu sehr vage. Freya: Natürlich, es war ja auch geheim. Für Kaiser und Reich, Ihr versteht? Boronlieb: Natürlich. Freya: Aber ich kann Euch versichern, es war hart dort, sehr hart. Beide gehen ab. Black. Akt 2, Szene 5 – Almada, Punins Commandantur Reto, der stellvertretende Kommandant, lungert ebenso wie Carro auf der Bühne herum. Über den Offizier bleibt wenig zu sagen, er ist geradezu der Archetyp des militärischen Schurken. Weitere Stadtwachen halten sich je nach Statistenvorkommen im Hintergrund auf. Reto beginnt damit, seine Jacke auszuziehen und sie in den Raum zu werfen. Carro hebt sie auf und verstaut sie ordentlich. Reto: So. Ist doch schön, wieder zu Hause zu sein. So ein kleiner Spaziergang tut richtig gut, findest du nicht? Carro: Es gefällt mir nicht. Wir könnten zu weit gegangen sein. Die Magierschaft… Reto: Der Papiertiger hat anderes zu tun. (Er füllt ein Säckchen mit Goldmünzen.) Dein Anteil. Kannst davon ins Theater gehen. (Er wirft Carro das Säckchen zu.) Oder mit mir feiern. (Pause) Du weißt doch, dass meine Einsatzkräfte zurückkehrten. Unsere neue Kommandantin ging leider auf dem Weg nach Punin verschollen. Ist das nicht furchtbar? Carro: Irgendwann fällt es auf. Reto: Irgendwann ist auch genug. Dann folgt ein Zugriff gegen unseren Hehlerring und dann wird Leutnant Reto von Angersberg, Vertrauter des Fürsten Gawain und Held von Al’Muktur, die Garde ganz offiziell als neuer Kommandant übernehmen. Ach… (Pause) Ziehe nicht so ein Gesicht, Carro. Mir ist nach Feiern. Hole uns etwas zu trinken und dann lass uns über unsere Möglichkeiten sprechen. Es müssen doch in dieser Stadt noch irgendwo Dukaten zu finden sein. Carro: Natürlich. Reto: Habe ich dir eigentlich schon einmal erzählt, wie ich die kleine Rabenmund gerettet habe, damals in Al’Muktur? Carro: Ja, Herr Leutnant, doch ich höre Ihnen gerne zu. Boronlieb betritt die Bühne und grüßt knapp. Boronlieb: Meine Herren, stehen Sie stramm für unsere neue Kommandantin, Hauptfrau Helmberta vom Finsterwald und Schattengrund, freie Agentin der Kaiserin in geheimer Mission um Ysilien und Tobrien und Siegerin über den Heptarchen Xeraan, die Faust der Kaiserin aus glühendem Stahl. Achtung! Die Schauspieler auf der Bühne reagieren. Freya lässt sich einen Moment Zeit und geht dann auf. Reto: Frau Kommandantin, es ist mir eine Freude. Ich bin… Freya: (unterbricht ihn) Interessiert mich nicht! Was höre ich von einem Übergriff auf die Magier? Wer trägt dafür die Verantwortung? Reto: (nach einem Moment der Stille) Ich leitete diesen Einsatz, Frau Kommandantin, doch bewilligt… Freya: (unterbricht ihn) Gut! Jetzt möchte ich wissen, wer Sie sind. Reto: Leutnant Reto von Angersberg, stellvertretender Gardekommandant. Wir durchsuchten das Bauwerk nach Kollabor… Freya: (unterbricht ihn) Sie sind sich der rechtlichen Situation bewusst? Wie, Sie kleines Spatzenhirn, soll sich die Lage in Punin beruhigen, wenn Sie weiter Präzedenzfälle schaffen? Reto: Mein Fehler. Verzeiht. Freya: Wir müssen die Sache wieder ins Lot bringen, ehe sie weite Kreise zieht. Ich möchte alles sehen, alle festgesetzten Personen, alle einkassierten Gegenstände, und ich möchte einen ausführlichen Bericht über alle Ereignisse. Sofort! Reto: Natürlich, Frau Kommandantin. (im Abgehen) Carro, kommst du? Freya: Halt! Er bleibt. Reto: Der Mann ist mein persönlicher Sekretär. Ich brauche ihn für die Aufgabe. Freeze. Blickkontakt zwischen Freya und Carro. Schließlich nickt sie. Reto und Carro gehen ab. Freya macht es sich gemütlich. Boronlieb: Frau Kommandantin, erlaubt Ihr mir eine Frage? (Freya nickt knapp) Ihr seid eine Zauberin… aus Andergast? Freya: (lächelt) Mit einem Stipendium des Kaisers. Das geschieht häufiger, als man denkt. (sanft) Hättest du das nicht gedacht? Boronlieb: Nein, Frau Kommandantin. Freya: Du hast mir einen großen Dienst erwiesen. Danke dafür. Magst du dich nicht zu mir setzen und mir erzählen, was ich wissen muss? Boronlieb: Sehr gerne. Black. Akt 2, Szene 6 – Punin, Büro das Hauptmanns Das Büro des Hauptmannes zeichnet sich durch einen Schreibtisch mit großer Blumenvase und darin verdorrten Blumen aus. Das Zimmer wird dunkel bleiben, während von draußen Stimmen zu hören sind. Freya: „Schönen Feierabend und danke noch einmal.“ Boronlieb: „Haben Sie schon eine feste Wohnung hier in der Stadt?“ Freya: „Ich möchte noch nicht heim. Weist du mir noch den Weg zu meinem Büro? Die Schlüssel dafür bräuchte ich auch noch.“ Boronlieb: „Jetzt noch? Es ist nicht hergerichtet. Lassen Sie die Arbeit ruhen und geben Sie uns etwas Zeit. Morgen ist auch noch ein Tag.“ Freya: „Lass mich in die Lage mich einfühlen. Bitte.“ Boronlieb: „Natürlich. Einen schönen Abend noch.“ Die Tür öffnet sich und Freya tritt mit einem Stapel Akten in der Hand auf. Sie sieht sich in dem dunklen Raum um, spürt die Staubschicht auf dem Schreibtisch, legt den Aktenstapel darauf ab und setzt sich auf den Sessel. Bei dem Versuch, ganz herrschaftlich die Beine auf den Tisch zu legen, trifft sie jedoch die Vase, die auf dem Boden zerschellt. Sie steht etwas bekümmerter als beim Hereinkommen auf und blickt auf die Scherben, zwischen denen sie eine Pergamentrolle entdeckt, die sie ausrollt und liest. Carro tritt unbemerkt durch das Fenster und nähert sich ihr von hinten. Carro: Wann bist du eigentlich so verdammt dumm geworden? Ich kann den Schmerz nicht in Schreie fassen. Freya: (kalt) Hallo, Carro. Carro: Ist dir eigentlich bewusst, dass mehrere Gardisten nun den Auftrag erhielten, dich zu töten? Sie machen viel Geld mit dem, was geschieht, und wollen es nicht ändern. (Freya bleibt ungerührt.) Es kostet mich nur ein Wort und du bist dran. Spreche ich es nicht, wird alles für mich viel schlimmer. Angersberg ist nicht für seine Milde bekannt. Freya: Ich kenne dich, Carro. Warum bist du hier? Carro: (Pause) Alles begann mit dem Sturz des Kaisers. Ich saß im Kerker wegen gefälschter Wechsel und wartete auf meine Verhandlung, bis dann der Kaiser stürzte und Angersberg zu mir kam. Er schloss mit mir einen Vertrag: Er würde mich zum Widerstandskämpfer gegen das alte Regime erklären, wenn ich dafür in seine Dienste trete. Kaiserliche Dekrete, Verhaftungslisten, Vollmachten, Befehle… Meinen letzten Auftrag kannst du dir denken. Freya: Hat es mit der Akademie zu tun? Carro: (nickt) Aber nicht nur. Freya: Du sorgst auch für Dreck gegen mich. Du lässt mich auffliegen. Carro: Du oder ich, Lina. Bitte fliehe. Freya: Nein. Carro: Ich bezahle dich auch dafür. Hier. (er nimmt einen Beutel und wirft ihn ihr zu) Das war mein Anteil an der Akademiegeschichte. Das reicht bis… wo immer du hin willst. Für neue Ausrüstung, einen neuen Zauberstab, für… was weiß ich. Pause. Freya wirft ihm den Beutel wortlos zurück. Carro: Ich werde dir nicht helfen. Ich werde dich jagen lassen, bis dir nichts mehr bleibt, als davonzulaufen. Ich werde bestimmt nichts für dich riskieren. Verstehst du das? Pause. Freya legt das Pergament ab und breitet die Arme aus. Carro: Verstehst du das? Freya: Wenn du mich töten willst, tue es gleich hier. Einen Dolch kannst du sicher finden. Carro: Das ist kein Spiel. Tue nicht so, als wärst du eine Heldin. Das bist du nicht, das wissen wir beide. (Pause) Wie sehr wünschte ich, ich könnte es einfach tun. Freya: Gehe, Carro. Jetzt. Carro: (Pause, setzt zum Abgehen an, blickt aber zurück) Was ist nur aus uns geworden? Freya: Frage dich das selbst. Carro geht ab. Freya bleibt noch eine Weile stehen, lässt langsam die Arme sinken und tritt dann heftig gegen den Schreibtisch. Freya: Mistkerl! Sie setzt sich an den Schreibtisch, versucht sich auf ihre Akten zu konzentrieren, was ihr aber nicht gelingt, sie räumt die Schäden der Vase beiseite, was sie aber auch nur einen Moment beschäftigt, hebt eine vertrocknete Blume auf und betrachtet sie. Freya: Was ist nur aus uns geworden? Mistkerl! Freya setzt sich wieder an den Schreibtisch, möchte sich einlesen, kann sich jedoch nicht konzentrieren. Sie bettet den Kopf auf ihre Arme und schläft im Sitzen ein. Black… für eine Weile. Carro geht auf. Er streichelt die schlafende Freya; das Licht kehrt zurück, als sie erwacht. Freya: Carro? Was tust du da? Carro legt ihr einen Finger auf die Lippen, küsst sie und setzt an, sie ihrer Uniform zu entledigen. Black. Akt 2, Szene 7 – Punin, Vor der Commandantur (im Mondlicht) Die Bühne wird leer, Carro tritt niedergeschlagen auf, meidet jedoch den Boden und setzt sich ins Publikum auf den Boden. Carro: Als ich jung war, noch vor meinem Weg nach Andergast, kannte man mich in Al’Anfa als einen der heißesten Hübschler der Stadt. Es war mein natürlich blondes Haar, das in der dunklen Stadt die Sehnsucht nach dem Fleisch unter dem Gold weckte, und was da alles mein Laken durchwühlte… gefeierte Gladiatoren wie fremde Kapitäne, in die Jahre gekommene Hausfrauen, verklemmte Vorzeigeväter und ihre dicken halbwüchsigen Madentöchter, die endlich einmal dazugehören wollten, dazu ein paar der großen Gestalten, deren Namen heute die Bücher füllen, zum Beispiel… (er lächelt) Nein, das sage ich euch besser nicht. Vieles würdet ihr mir eh nicht glauben. (Er lacht und lehnt sich zurück.) Nie wieder in meinem Leben war ich so glücklich wie in diesen Jahren um die Zwanzig, wenn wieder ein Hoher Herr vor mir zum Jüngling wurde und es in meiner Hand lag, ihn zu allen Freuden zu bringen, und selbst in den kargen Zeiten war jede Widerlichkeit ein wundervoller Sieg über Ekel und Zauderei. Es war so schön, wenn sie mir… (lächelnd verliert er sich in den Gedanken) Ich verachte sie. Ich verachte sie zutiefst. Was ich auch erlebte an hässlichem Fleisch, unausstehlichem Benehmen und nichtswürdigen Existenzen, noch nie verachtete ich jemanden so sehr wie Firlina Galahan. Eines Tages ging es nicht mehr und ich rannte. Warum nur treffen sich unsere Wege immer wieder? Freya geht in ihrer Uniform (jene allerdings sichtbar schnell übergeworfen) auf und geht zu ihm. Freya: Das war furchtbar. Carro… Carro: Hmm. Freya: Warum hast du es getan? Carro: Ich muss dich doch irgendwie unter Kontrolle bekommen. Freya: Das musst du nicht. Du kannst mich nicht davon abhalten. Carro: Dann stirb halt. Wenn du mir was beweisen willst… Du bist nichts, du kannst nichts, das wissen hier doch alle. Freya: (Pause) So denkst du über mich? Carro: Das tun wir alle. Sancide, Mineda, der General selbst… Du bist verlacht bei Freund und Feind. Freya: Gehe und lass mich schlafen. Carro: (steht auf) Ich hasse dich, Firlina. Nächstes Mal, wenn wir uns sehen, tue ich Dere einen Gefallen und steche dich ab. Carro geht ohne zurückzublicken ab. Freya sieht ihm nach. Freya: Du warst meine erste große Liebe. Was du da sagst… So sterben wohl Träume. Freya versucht, sich zusammenzureißen, bricht dann aber in Tränen aus. Es wird dunkel. Akt 2, Szene 8 – Punin, Commandantur Als es hell wird, befinden sich Freya, Carro, Boronlieb und weitere Gardisten in der Commandantur. Freya hält in Uniform eine Rede. Freya: Hört her. Ich habe Punin erlebt und ich denke, ihr alle kennt das Bild, welches sich mir offenbarte: Diese Stadt ist ein Hort von Unrecht und Gewalt, in der die Schwachen den Starken und Ruchlosen hilflos ausgeliefert sind. Das ist so, daran kann man nicht diskutieren… doch nun gilt für uns, alles daranzusetzen, dass es nicht so bleibt. Will diese Stadt heilen, so braucht sie die Garde als starke Stütze, und ich werde alles daransetzen, dass sie dies wieder sein wird. Meine Herren, wer jetzt zu mir kommt, um Vergangenes zu beichten, für den werde ich mich mit ganzer Kraft einsetzen, doch wer von euch in Zukunft bei irgendwas erwischt wird, was dem Ansehen der Garde schadet, der sollte lieber rennen, so schnell er kann, denn mein Zorn wird keine Grenzen kennen. Habt ihr das verstanden? (Pause, sie lächelt) Lassen wir es keine leeren Worte bleiben. Gardisten, nehmt diesen Mann fest! (Sie zeigt auf Carro.) Die Anklage lautet Hehlerei in mehreren Fällen. Sperrt ihn weg. (Pause, dann nehmen sich einige Gardisten Carros an, und führen ihn ab.) Ihr drei (sie zeigt auf einige Statisten), sucht seine Bleibe auf und forscht nach Beweisen. Ihr anderen: An die Arbeit. Unter den Statisten entsteht Bewegung, nur Boronlieb wartet, ehe er zu Freya herüber tritt. Boronlieb: Das war Leutnant von Angersbergs Sekretär. Das wird ihm nicht gefallen. Freya: (lächelt) Das hoffe ich doch. Begleitest du mich auf dem Weg durch die Stadt? Ich möchte den Gardistenalltag erleben. Freya macht sich ausgangsfertig und möchte gerade mit Boronlieb zusammen das Gebäude verlassen, als vier Schläger hereinstürmen und mit den beiden einen Kampf beginnen, die jedoch – Rücken an Rücken kämpfend – so lange durchhalten, bis weitere Gardisten eintreten und durch ihre reine Präsenz den Kampf beenden. Die vier Schläger müssen sich ergeben. Akt 2, Szene 9 – Punin, Kerker Carro beginnt auf der Bühne, es sitzt an Ketten an eine Säule gefesselt auf dem Boden und muss sich anhören, was in der Nachbarschaft geschieht. Freya: „Wissen Sie, wie ich zu meiner Zeit in den Schwarzen Landen an das Wissen kam, welches andere mir nicht preisgeben wollten? Da habe ich einfach eine Zange wie diese hier erhitzt und mit ihr… eine Region berührt…, die Männern besonders am Herzen liegt.“ Schläger: „Bitte nicht, nein. Wir gestehen alles. Es war das Haupt der Garde, der Leutnant von Angersberg. Der wollte, dass wir dich totschlagen.“ Freya: „Hmm, wenn ich darauf hätten wetten müssen… Danke, verwahrt die Männer gut, bis entschieden wird, was mit ihnen geschieht.“ Pause. Dann geht Freya auf und blickt zu Carro herab. Carro: Du… Freya: Wo sind meine Sachen? Wo befindet sich der Panzer der Zauberkönigin? Carro: Das war der Königspanzer? Oh je. (Pause) Der ist fort. Den Rest weiß ich nicht. Freya: Wo ist mein Stab? Du kennst ihn, der mit meinem Namen. Carro: (lacht schwach) Fordere doch ihn zurück und alle wissen, wer du bist. (Pause) Ich weiß es nicht. Verkauft, zurückgelassen, verfeuert, von Hunden zerkaut? Pause. Freya setzt sich zu ihm und blickt ihn lange an. Freya: Weißt du, Carro, ich gelange gerade an die Grenzen meiner Macht. Natürlich steckt Angersberg hinter den Schlägern, das weiß jeder, doch mir fehlen die Beweise. Ich kann ihm nicht die Garde auf den Hals hetzen. Nun bin ich ratlos… Sage mir: Wenn ein Meister der Täuschung, der zum Beispiel… sagen wir… ein ganzes Königreich rettete, indem er Verschwörer glauben ließ, er sei ein Attentäter, und das, obwohl er Tsa friedlichen Geboten folgt, von seiner Schülerin, die… vielleicht… im falschen Garderock über Zellenschlüssel entscheiden kann, gefragt wird, wie sie gemeinsam ein Schlachten innerhalb der Stadt verhindern können, was würde er wohl sagen? Carro: Die gleiche Geschichte, immer und immer wieder… Freya: Das ist keine Antwort. Carro: Doch, ich bin es müde. Ich bin es leid. Wann immer jemand gegen den General zieht, steht er vor meiner Tür, und dann sage ich ihm das Gleiche, was ich dir jetzt sage: Ich konnte Atim-Suraq damals besiegen, weil er mir vertraute und ich ihm erst den Krieg erklärte, als er sich nicht mehr wehren konnte… und weil ich die meiste Zeit über selbst nicht einmal ahnte, dass ich am Ende diesen Weg beschreiten würde. Wäre ich in deiner Lage, wäre ich wohl genauso untergegangen. Freya: Das hilft mir nicht. Carro: (in Gedanken) Alle kamen sie zu mir. Dejarras Briefe, Keikin… damals, als er noch ein Mann und mit Haaren in der Farbe von fallendem Herbstlaub und einer Haut wie Honig auf Pergament… und dann kam auch Mineda, diese garstige Frau, die kann einen wirklich aus Träumen reißen… Freya: Wenn ich dir Tinte und Pergament hinterlasse, wirst du dann einen Brief an die Kaiserin verfassen? Sie muss erfahren, was hier geschieht. Carro: Nicht an die Kaiserin, an den Paligan an ihrer Seite. Freya: Warum? Carro: Der stammt aus Al’Anfa. (Pause) Reiche mir zwei Pergamente, dann schreibe ich dir auf, wofür die Zeit im Gespräch nicht reicht. Freya: Was uns aber zurück zu meiner Frage führt: Wie verschaffe ich uns Zeit? Carro: Er benutzt einen Hehler, Eslamo Pitanza. Suche nach ihm in der Kneipe in Unter-Punin „Räudiger Köter“. Er kennt mich. Freya: Danke, Carro. (Pause) Findest du es nicht schön, etwas zu tun, woran man glauben kann? Freya geht ohne auf eine Antwort zu warten ab. Carro: (zum Publikum) Wenn ich in der Zeit zurückreisen könnte, dann würde ich an den Tag zurückkehren, an dem ich in Andergast die Wahrheit über die Göttinnentochter erfuhr, die unerkannt unter uns lebt. Hätte auch die Stadt gebrannt und wenig später Al’Anfa selbst, ich hätte nicht Tag für Tag in Angst gelebt, er könne sich erinnern und mich finden. Es war furchtbar, zu erkennen, dass ich ihn nicht besiegen konnte… und nun wird er immer mächtiger und die verrückte Mineda geht um, um jeden seiner unausgesprochenen Wünsche zu erfüllen. Es ist ein furchtbares Leben mit rastlosem Blick. Manchmal wünschte ich, sie käme endlich zu mir und alles wäre vorbei. Ja, so spricht jener, der zuerst die Stimme gegen Atim-Suraq erhob. So ergeht es den Helden in unserer Zeit. Black. Akt 2, Szene 10 – Punin, Räudiger Köter Der Räudige Köter wird von Eslamo Pitanza, einem Wirt und einigen zwielichtig wirkenden Statisten bevölkert. Freya geht in Alltagskleidung auf, zaudert eine Weile, überdeckt dann noch mit Handschuhen ihr Magiersiegel und tritt dann auf den Wirt zu. Freya: Eslamo Pitanza? Der Wirt deutet auf einen Gast und wendet sich wieder sich selbst zu. Freya geht zu dem Mann, der vor der anderen Säule sitzt. Über Eslamo bleibt nicht mehr zu sagen, als dass er eine schmierige Hehlerfigur ist. Freya: Eslamo Pitanza? Eslamo: Wer will das wissen? Freya: Yppolita von Gareth mit der schweren Reiterei. Sie bedürfen einer Rettung und wissen es noch nicht. Eslamo: Ach? Freya: Der Leutnant der Garde, Reto von Angersberg, sammelt Beweise gegen Sie, um Sie hochzunehmen, sobald er Ihrer nicht mehr bedarf. Ein herrlicher Aktenstapel, so hoch, dass er einen eigenen Schatten wirft… wenn sich nicht jemand seiner annimmt. Eslamo: Bist du betrunken? Freya: Wir müssen keine Feinde sein, wenn es da nicht eine Sache gäbe, die zwischen uns stände: Sie besitzen etwas, was mir gehört. Es ist ein elfischer Panzer aus Fell und weichem Leder, der beim Übergriff auf die Akademie verloren ging. Überlassen Sie ihn mir und Sie bekommen alles, was von Gardeseite aus Ihnen droht. Eslamo: Ich weiß nichts von einem Panzer. Freya: Wir sehen uns morgen zur Geisterstunde unter der Brücke bei der Alten Abtei. Bis dann. Freya steht auf und geht ab. Black. Akt 2, Szene 11 – Punin, Lazarett Boronlieb liegt in einer Feldbett-Liege mitten auf der Bühne. Freya erscheint, inzwischen wieder in Uniform. Freya: (nähert sich, bleibt aber an der Säule) Boronlieb? Wie geht es dir? Boronlieb: Ich bin schon durch Schlimmeres durch. Diese Schläger konnten nichts. Freya: Ich muss dir etwas gestehen. Ich bin nicht eure Kommandantin. Boronlieb: Ich weiß. Freya: Ich heiße Firlina Galahan und bin eine reisende Zauberin, die seit dem Übergriff um ihr Leben fürchten muss. Boronlieb: Ja. Freya: Ich lüge ungern, doch ich konnte nicht zulassen, was hier passiert. Boronlieb: Komm her und setze dich. Ich weiß das doch längst. Freya: Seit wann? Boronlieb: Von Anfang an. Freya: Dann ist ja gut. (Sie entspannt sich.) Höre zu, es gibt da etwas, was du wissen musst, und da musst du mir vertrauen. Ich brauche meinen Panzer zurück, der aus der Akademie entwendet wurde. Ich brauche ihn, weil… ich ihn von einer Elfenkönigin vor tausend Jahren geschenkt bekam, um damit eine Prophezeiung zu erfüllen, die die Welt wieder ins Gleichgewicht bringen soll. Ich weiß, das klingt verrückt. Boronlieb: Vollkommen. Freya: Ist so ein Helden-Ding. Ich verstehe es auch nicht, aber ich vertraue darauf. Bitte vertraue mir. Boronlieb: Tue ich. Freya: Ich sprach gerade mit Angersberg. Er denkt nun, ich sei eine KGIA-Agentin. Ich versprach ihm den Ruhm für den Hehler Pitanza und mein Weiterziehen für den Panzer. Zugleich treffe ich mit heute Nacht mit diesem Herrn unter der Brücke unter der Alten Abtei. Boronlieb: (niedergeschlagen) Der Leutnant wird davonkommen. Ich hatte mir mehr erhofft. Freya: Wenn ich mehr geben könnte… Wenn aber nun etwa eine Abordnung der Garde plötzlich in dieser Nacht auftauchen und alles verhaften könnte, was dort erscheint, dann könnte es richtig Staub aufwirbeln… und der Stadt etwas Ruhe verschaffen, bis die Kaiserin erscheint und alles klärt… und vielleicht einer reisenden Zauberin mit einem elfischen Panzer im Gepäck die Möglichkeit zur Flucht bieten, wer weiß. Boronlieb: Ja, das könnte geschehen. Freya: Wenn alles gut geht, dann hast du auch etwas davon. Wenn nicht, dann habe ich zumindest schon alles gebeichtet. (Freya steht auf, um abzugehen) Halte dich an Carro. Du kannst ihm vertrauen. Lebewohl. Boronlieb: Warte. Ist der Panzer so wichtig? Wichtiger als dein Stab? Freya: Ja, leider. Ich kann wohl nicht beides bekommen. Boronlieb: Nicht? Komm zurück. Greife unter mein Bett. Freya tut wie geheißen und zieht ihren Stab hervor. Boronlieb: Du solltest nicht so abfällig über ihn sprechen. In ihm wohnt ein Geist mit einer wunderschönen Stimme. Freya: (zu ihrem Stab) Dann verdanke ich dir alles? Boronlieb: (antwortet stattdessen) Nicht alles, aber viel. Freya: Danke euch beiden. (sie entfernt sich einige Schritte) Gehen wir es an. Freya lauscht einer unhörbaren Antwort und geht dann ab. Akt 2, Szene 12 – Punin, Geisterstunde Personen spielen auf einer dunklen Bühne die Ereignisse der Nacht im Schnelldurchlauf durch. Freya: „Sie sind hier. Ich habe die Akten. Haben Sie den Panzer?“ Eslamo: „Allerdings… doch beantworte mir noch eine Frage: Warum sollte ich ihn dir überlassen, Firlina Galahan? Du bist eine Betrügerin und du stehst auf der Liste. Bewege dich kein Stück.“ Reto: „Keiner rührt sich. Sieh mal einer an… weißt du kleines Miststück eigentlich, was für eine Freude es für mich ist, das jetzt zu sagen? Nehmt sie fest und zerrt sie in den Kerker… und keiner rührt sie an, bis ich nicht mit ihr fertig bin.“ Freya: „Zurück, oder ihr erfahrt, warum man mich die Feuermagierin nennt.“ Reto: „Vorwärts!“ Eslamo: „Augenblick. Was ist eigentlich dran an der Geschichte, dass du Material gegen mich sammelst?“ Reto: „Nichts. Die lügt doch nur. Die log doch die ganze Zeit.“ Eslamo: „Ich will sie durchsuchen. Dann könnt ihr sie haben.“ Reto: „Nein, keinesfalls.“ Eslamo: „Warum nicht, wenn nichts dran ist? Mir scheint…!“ Reto: „Du Hund! Männer, tötet sie alle!“ Eslamo: „Verräter! Macht sie nieder.“ Boronlieb: „Halt! Im Namen der Garde, die Waffen runter.“ Waffengeklirr ertönt, während Freya mit einem Pack unter dem Arm aus dem Dunkel auftaucht und von der Bühne rennt. Reto: „Im Namen der Garde, haltet sie auf. Sie ist eine Betrügerin. Sie entwischt uns!“ Boronlieb: „Vielleicht, aber du entwischst uns nicht.“ Pause. Es wird Licht und auf der Bühne bleibt einzig ein an die Säule geketteter Carro zurück. Von draußen unterhalten sich Gardisten namens Ali und Rick. Ali: „Hast du schon gehört, unsere neue Anführerin war eine Schwindlerin. Ich habe ja gleich gewusst, dass an ihr etwas faul war.“ Rick: „Eine Andergasterin im Dienste des Kaiserhauses, was für ein Blödsinn.“ Ali: „Ich meine, eigentlich wussten wir es alle, aber sie war… so zart. Welcher Mann kann einer so empfindsamen Frau schon etwas antun?“ Rick: „Und sie hatte Glück. Ganz viel Glück. Sie wäre niemals entkommen, wenn an der Vinsalter Pforte noch Wachen gestanden hätten. Aber was will man machen?“ Ali: „Jetzt wird sie nicht einmal verfolgt. Gut, dann sehen wir nicht so dumm aus.“ Rick: „Schlecht. Ich hätte sie gerne hier im Kerker gehabt.“ Ali: „Was du alles willst…“ Schritte entfernen sich. Carro: Sie hat es also geschafft. Lina, du bist davon… und ich habe doch noch dieses Pergament für dich vorbereitet. Du musst doch noch wissen, wofür die Zauberkönigin steht und wer zu ihrer Gegnerschaft zählt. Du kannst doch nicht einfach… Immerhin ist das Pergament an den Kaiserhof unterwegs. Sollen die etwas tun. Das Pflaster scheint ja bereitet zu sein. An deinem Sieg haftet ein Makel. Ich bin noch hier. Die Guten sollten doch frei sein. Ich bin nicht frei. Willst du mir damit etwas sagen? Hör mal, es tut mir leid. Es tut mir leid. Es tut mir so leid. Black. Kapitel 3: Freya in: (23) Die Schwarze Eiche (Karte: Vergeblichkeit, umgekehrt) ------------------------------------------------------------------------------- Akt 3, Szene 1 – Ansage Statisten finden sich ein, um im regnerischen Havena dem Rahjadienst beizuwohnen, dazu gesellen sich ein Priester, Freya in einer Akoluthenrolle, ein irgendwie auch anwesender Drajin und Rinn, die verunsichert wirkt. Tamara im Hintergrund rundet alles ab. Freya: (in die Menge) Meine Freundinnen, meine Freunde, willkommen. Es könnte nie leichter sein als bei diesem Wetter, hier in Rahjas Schoß die Welt dort draußen zu vergessen. Zu einer Göttin zu gelangen ist leider nicht so leicht, wie eine Tür zuzuschlagen. Rahja ist nicht so einfach wie andere Götter, die einem schon zu Füßen liegen, wenn man bloß eine Hundehütte zimmert; Rahja verlangt mehr. Rahja verlangt uns. Rahja verlangt Liebe zur Schönheit und zur Kunst, sie verlangt Liebe zu den Menschen – unseren Mitbürgern hier in Havena wie auch zu den Freundinnen und Freunden hier unter uns. Rahja bittet uns um Demut. Rahja bittet uns um Vergebung. Rahja bittet uns darum, im Hässlichen nach dem Guten zu sehen. Dann erst klopft sie uns auf den Hintern und sagt: Nun habt euren Spaß. Lasst uns diesen Abend nun Rahja weihen, doch vergesset nicht ihren Brauch: Tut, was ihr wünscht, doch tut nichts gegen der Anderen Willen. Pause. Freya tritt etwas aus dem Licht, während die Statisten damit beginnen, Dinge zu tun. Der Priester tritt daraufhin auf sie zu. Priester: Gut gemacht. Aillil wäre sicher stolz auf dich. Freya: Habt Dank. Es war mir eine Ehre. Freya tritt auf Rinn zu. Freya: Hallo. Trittst du zum ersten Mal vor Rahja? Rinn nickt. Freya: Du bist eine Kriegerin? Rinn: Ich hatte einen Schiffbruch. Freya: Du siehst auch aus wie frisch den Niederhöllen entronnen. Würdest du es mögen, wenn ich dich massiere und mit Rosenöl einreibe? Rinn nickt, legt sich auf eine Decke und lässt sich den Rücken massieren. Schließlich schläft sie ein – Black. Akt 3, Szene 2 – Dela, Takeas Hexenhäuschen Die Bühne ist dunkel. Von draußen wird geklopft. Schließlich öffnet Freya langsam die Tür. Schließlich geht sie auf und fühlt den Staub. Drajin und Rinn gehen ebenfalls auf, Letztere hält sich jedoch im Hintergrund. Drajin: Sagte ich doch. Freya: Ich hatte es ja auch befürchtet. (Pause, dann spricht sie ins Leere.) Takea, du wunderbare Elfe, ich hätte dich wirklich gerne wieder gesehen. Drajin: Es sieht aus, als würde schon seit Jahren niemand mehr hier leben. Freya: Ich weiß. Ich habe nur die Hoffnung, dass sie eines Tages zurückkehrt. Nicht nur, weil ich gerade ihre Hilfe für so einen Panzer benötige… (Pause) Ich möchte noch zum Grab meines Verlobten gehen. Wollt ihr so lange auf dem Schiff warten? Drajin: Wenn es dir nichts ausmacht, kommen wir mit. Wir verdanken dir so viel, da ist das das Mindeste. Freya: In Nostria werde ich um eine Audienz bei der Königin bitten. Gut möglich, dass es einige Tage dauern wird. Drajin: Darauf kommt es nicht an. Wenn wir gemeinsam und sie sicher in Andergast ankommt, ist viel gewonnen. Freya: Gut. (ins Leere) Takea, ich hoffe wirklich, es geht dir gut. Es gab in letzter Zeit viel zu viele Gräber für mich. Gemeinsam gehen sie ab. Akt 3, Szene 3 – Andergastisch-Nostrisches Grenzland, Hütte Es ist düster. Freya sitzt mit einer Lampe und ihrem Elfenpanzer auf dem Boden, während aus dem Nebenzimmer Kopulationsgeräusche zu vernehmen sind. Irgendwann enden sie… und etwas später geht Rinn auf. Rinn: Hey, Freya. Freya: Dima. Rinn setzt sich neben sie und legt den Kopf auf ihre Schulter. Rinn: Das ist er also? Freya: Ja. Er wechselt von Fell zu Leder ohne Naht. Es ist Elfenarbeit. Rinn: Ist er verzaubert? Freya: Wahrscheinlich. Rinn: (Pause) Darf ich jetzt etwas Verrücktes sagen? Nur lache bitte nicht. Freya: (Pause) Versprochen. Sag. Rinn: Mein voller Name ist Wezyradima Icemna Rinn. Ich bin die Zauberkönigin und rufe durch die Sphären nach meinem Gefolge. Freya: Du bist die, die ich suchte? Rinn: Ich bin keine Elfe, keine Zauberin und… habe es mir auch nicht ausgesucht. Freya: Und nun? Soll ich den Panzer anlegen? Rinn: Ja, bitte. Freya zieht sich aus. In diesem Moment kommt Drajin aus den Tiefen der Hütte und lässt die Damen erstarren. Pause. Während diese noch nach Worten suchen, stürmt von draußen ein Trupp nostrischer Waldläufer mit Taja an der Spitze die Hütte. Black. Akt 3, Szene 4 – Andergast, Burgruine Ysraeth, Verließ Freya und Rinn sitzen in Kerkerkleidung gehüllt und gefesselt beieinander – Erstere bewusstlos, Letztere hellwach. Rinn: (leise) Wach auf. Freya erwacht langsam und sieht sich um. Rinn: In meinem Stiefel steckt ein Messer. Kommst du ran? Freya greift nach dem Messer und beginnt damit, sie zu befreien. Aus dem Off sind derweil Stimmen und Schritte zu hören. Jannis: „Diese Stiefel sind immer noch ein Alptraum. Wenn diese Nostriakin nicht bald ihre Köter besser im Griff hat, dann werde ich sie eigenhändig bis nach Salza prügeln. Hunde! Dumme Geschöpfe! Maßlos überschätzt.“ Im letzten Augenblick können sich die Frauen befreien und verstecken. Jannis, Drajin und einige weitere Andergaster Grenzwächter gehen auf – Drajin wird dabei deutlich behandelt wie ein Gruppenmitglied, nicht wie ein Gefangener. Jannis: Lina, Lina, Lina, sorgst du wieder für Probleme? Das ist schön. Das hatte ich beinahe gehofft. Drajin: Ich war es nicht. Jannis: Ich weiß. Damen! Herren! Nun geraten die Dinge in Bewegung. Der General wünscht sie sich lebend, doch ich würde meinen: Er ist nicht hier. Die Wachen gehen ab und Drajin folgt ihnen. Zuletzt bleibt Jannis, der sich noch einmal umblickt und erst dann die Tür bevorzugt. Dann erst treten Freya und Rinn aus ihrem Versteck. Sie tauschen Blicke aus und gehen dann ebenfalls ab. Akt 3, Szene 5 – Andergast, Burg Ysraeth, Thronsaal Wachen gehen auf, blicken sich um und gehen wieder ab – ein riesiger Thronsessel im Raum bleibt unbenutzt und unbeachtet. Nun gehen auch Rinn und Freya auf und unterhalten sich leise. Freya: Ich weiß, wo wir sind: Das ist Burg Ysraeth, die machtvolle Grenzfeste, bis Andergasts Zauberer vor Jahrhunderten ihre Mauern erschütterten. Ich hätte nicht erwartet, dass so viel von ihr die Zeit überdauerte. Rinn: Ist das gut oder schlecht? Freya: Beides. Rinn setzt sich auf den Thron, um etwas auszuruhen. Dabei fällt ihr ein daneben stehender Rucksack auf. Rinn: Schau mal. Das ist doch deiner. Freya: Ja, tatsächlich. Alles da. Freya wühlt sich durch die Ausrüstungsgegenstände und übergibt Rinn ihr Kurzschwert. Rinn: Wusstest du eigentlich, dass ich genauso so ein Schwert in der Heimat führte? Es könnte wirklich die Schwester meiner Klinge sein. Sie ist leider im Meer versunken. Freya: Der Panzer ist auch noch da. Rinn: Wir versuchen es noch einmal. Während Rinn weiter auf dem Thron sitzt und ihr zusieht, zieht sich Freya aus und legt dann ihren Königspanzer an: Ein mehr an ein modernes Superheldenkostüm erinnernder Catsuit-Overall aus Fell an Armen und Beinen und gepanzertes und verziertes Leder im Torso. Rinn erhebt sich erst, um ihr die Lederbänder am Rücken festzuziehen und zuzubinden. Dann verschnaufen sie einen Augenblick. Freya: Es fühlt sich komisch an. Rinn: Der Ruf wird all jene erreichen, für die er bestimmt ist. Bald wird sie erscheinen, meine Armee. In diesem Moment sind wieder Schritte zu hören, vor denen sie fliehen. Dann geht Lontha auf und nimmt auf dem Thronsessel platz. Akt 3, Szene 6 – Andergast, Burg Ysraeth, Wachturm Freya und Rinn betreten den verlassenen Turm und legen eine Pause ein. Rinn übergibt Freya ihre Wasserflasche. Freya: Du bist wirklich… stark, doch vor allem schnell. Du erinnerst mich an einen Helden, den ich einmal traf. Rinn: Ist er noch am Leben? Freya: Ich denke schon. Er reiste zusammen mit der Elfe, die wir versäumten. Rinn: Dann möchte ich sein wie er. (Pause) Wie geht es dir in deinem Panzer? Freya:Ungewohnt. Er fühlt sich warm an, so als würde er leben, als hätte ich eine zweite Haut. Tarrin, sichtbar ein Geist, geht auf und singt. Sein Anblick wird Rinn zu Tode erschrecken und von der Bühne fliehen lassen. Freya jedoch ist fasziniert. Tarrin: "Ach, ich größter, größter Tor Ich ärmster aller Mannen. Ich bin auf meinem Derenweg schon viel zu weit gegangen. Die böse, böse, böse Welt Wie hat sie mich betrogen. Sie hat mir ach so viel erzählt Und jedes Wort erlogen. Und nun am Ende sitz' ich hier. Ich träum' von meinem Leben. Hab' nur noch Strick und vier Schluck Bier Wer wird mir noch vergeben?“ Freya und Tarrin gehen aufeinander zu und singen zusammen im Wechsel. Tarrin: Ich war ein Meister… Freya: Du warst so gut. Tarrin: Ich war ein Lehrer… Freya: Du warst so klug. Tarrin: Ich war ein Priester… Freya: Du warst so frei. Tarrin: Dann flogen Pfeile… Freya: Da war’s vorbei. Der Gesang endet. Sie sehen einander an. Tarrin: Hallo, Freya. Freya: Tarrin… Du hast schon wieder eine Königin vertrieben. Tarrin: Um die tut es mir nicht im Geringsten leid. (Pause) Du bist so schön, wie ich dich in Erinnerung hatte. Freya: Tarrin… Wache ich oder träume ich? Tarrin: Ein bisschen von beidem. In jedes alte Gemäuer gehört ein Geist. (Pause) Ich bin so froh, hier zu sein. Wie geht es dir in der Welt der Lebenden? Freya: Ich komme gerade von deinem Grab. (Pause) Ich bin jedoch nicht enthaltsam geblieben. Tarrin: Du musst dich nicht dafür schämen. Wir hatten eine wunderbare gemeinsame Zeit und das war mehr, als ich verdiente. Freya: Tarrin… Tarrin: Ich bin tot, da sieht man vieles gelassener. Viele Dinge, die mir damals wichtig waren, verblassen, sie verziehen wie Nebel. Wenn man mich fragt, was blieb, dann kann ich sagen, ich hatte eine wunderschöne Frau, die ich sehr liebte und der ich mein Seelenheil verdanke, wofür ich ihr nicht genug danken kann. (er setzt sich neben sie) Darf ich dich Lina nennen? Freya: Ja, natürlich… Tarrin: Ich liebe dich, Lina. Ich liebe dich, ich liebte dich und… wenn du eines Tages vor Boron trittst und niemand anderen hast… Freya: Ich liebe dich auch, Tarrin. Freya fängt an zu weinen und versinkt in seiner Schulter. Tarrin: Höre mir genau zu und merke dir meine Worte: Schiebe den Thron zur Seite und du findest einen Fluchttunnel. Greifst du unter seine linke Armlehne, liegt ein Schwert in deinen Händen. Ich habe daran ein Schicksal gebunden. Glaube mir, jetzt, wo du deines Feuers verlustig gingst, hängt wirklich alles an der kalten Klinge eines toten Eismagiers. Hast du das verstanden? Freya: Ja. Ja, habe ich. Tarrin: Gut. Dann wirst du in Sicherheit sein… (die beiden schmusen sich aneinander) Du trägst wirklich einen garstigen Panzer. Wie wirst du ihn los? Freya: Das ist kompliziert. Die beiden beschränken sich darauf, sich innig zu küssen. Schließlich geht Drajin auf und schlägt sie nieder. Tarrin muss zusehen, wie weitere Wachen erscheinen und die bewusstlose Freya mitnehmen. Akt 3, Szene 7 – Andergast, Burg Ysraeth, Thronsaal Sie kommen alle zusammen: Lontha sitzt auf dem Thron, Jannis, Taja und Drajin leisten ihm jeweils mit einer Gruppe ihrer Streiter (Andergaster Grenzer, nostrische Waldläufer und Söldner) Gesellschaft und auch Rinn ist frei und bewegt sich unter ihnen, als gehörte sie dazu. Freya liegt in der Mitte der Bühne auf dem Boden. Sie wird erst langsam erwachen und sich umsehen. Lontha: Erwache mein Kind. Der General ist dein Herr und du bist sein Gast. So tönte der Ruf der Zauberkönigin durch die Sphären. Sage mir, Dima: Welche Zahl hat ihr Gefolge? Rinn: Viermal vier. Lontha: Sage mir, Taja: Welche Macht versammelt sich um die Mauern Ysraeths herum? Taja: Vierhundert Männer und Frauen in Waffen. Lontha: Sage mir, Jannis: Wie viele der Elfen Orimas folgten ihrem Aufruf? Jannis: Nicht einer. Lontha: Das hast du deine Antwort, mein Kind. Das ist die reine Wahrheit: Das Gefolge der Zauberkönigin existiert nicht mehr. Es verging mit den elfischen Länden und Heeren. Wir bereiteten einen Krieg vor, doch wie du siehst, kämpfen wir gegen eine Legende. Ich muss sagen, selbst der General war überrascht. Dieses Ergebnis soll einige Leistungen nicht schmälern. Danken wir also Wezyradima Rinn, die ihr Wissen um diese Prophezeiung an den General weitergab, und danken wir Jannis, der sie uns herbrachte. Der gewünschte Applaus folgt. Lontha: Kommen wir nun zum gefangenen Herold einer geschlagenen Armee. Was sollen wir nur mit ihr anstellen? Für eine Weile herrscht Stille im Raum. Dann tritt Rinn vor. Rinn: Bringen wir sie um! Drajin: Tut uns nicht weh. Jannis: Ausgezeichneter Vorschlag. Da wäre ich dabei. Bringen wir sie um. (Pause) Was denkst du, Taja? Taja: Sie hat mir nichts getan. Allerdings haben meine Hundchen Hunger. Lontha: Danke. Ich werde dem General euren Rat weitergeben. Lontha setzt seine Maske auf und wirkt für eine ganze Weile geistig in einer anderen Welt. Schließlich setzt er sie wieder ab. Lontha: Atim-Suraq reicht dir die Hand. Schließe dich uns an und dir soll nichts nachgetragen werden. Freya: Und wenn ich mich weigere? Lontha: Auch dann sollst du leben… wenn auch bei Wasser und Brot im Verlies bis ans Ende deiner Tage. Du hast die Wahl. Freya: So wie immer. Sie geht auf den Thron zu und deutet dann ein Niederknien an, greift jedoch in einer schnellen Bewegung nach dem Kurzschwert unter der Armlehne und hält es schon einen Augenblick später Rinn an die Kehle. Freya: Ist’s schön kalt, Zauberkönigin? Fürchte dich, denn auf der Klinge steht dein Name. Taja reagiert, indem sie zu ihrem Langbogen greift und damit auf Freya und Rinn zielt. Freya: Vom Thron runter und ihn zur Seite schieben. Dann geschieht ihr nichts. Taja: Glaube nicht, dass irgendeinen von uns das Blondchen kümmert. Lege die Waffe weg. Bei vier schieße ich. Freya: Dann wird ein General sehr unglücklich werden. Taja: Eins. Freya: Wer weiß, was nach ihrem Tod geschieht? Denke mal darüber nach. Taja: Zwei. Freya schweigt. Taja: Drei. Freya schweigt. Taja: V… Im letzten Moment lässt Freya die Waffe sinken. Jannis: Gratuliere, du hast gerade deine letzte Chance auf einen Heldentod verspielt. Rinn reißt sich los und schlägt zu. Dann nimmt sie Freyas Kurzschwert ab. Lontha: Dima! Gib es mir. Zögerlich überlässt Rinn Lontha die Klinge. Dann greift sich Taja Freya und geht mit ihr ab. Akt 3, Szene 8 – Andergast, Burg Ysraeth, Burghof Taja und Freya gehen auf. In der Mitte der Bühne lockert die Waldläuferin den Griff. Taja: Du sahst, was ich sah. Jetzt lauf. Dein Rucksack steht im Pförtnerhäuschen. Freya setzt zu einer Erwiderung an, doch bittet sie Taja, zu schweigen. Taja: Du hast eine mächtige Freundin. Danke es ihr, wenn du sie siehst. Nun geh. Bald wird es Nacht, doch das Mondlicht steht dir bei. Freya: Danke,… Taja? Taja: Ich werde dir bald meine Hunde hinterherschicken müssen. Sei lieb zu ihnen, ja. Freya: Sie werden mich nicht finden. Freya geht ab. Black. Kapitel 4: Freya in: (24) Im Griff der Schwarzen Eiche (Karte: Nacht, umgekehrt) -------------------------------------------------------------------------------- Akt 4, Szene 1 – Ansage Die Handlung setzt auf Andergasts Marktplatz wieder ein. Rufus lehnt an einen Brunnen und unterhält sich mit Rosa, einer Blumenverkäuferin, die ihre Waren in einem Bauchladen mit sich führt, während Statisten ihren Geschäften nachgehen. Im Gespräch selbst wenden sich beide gelegentlich der Umwelt zu: Rosa, um ihre Waren den Passanten feilzubieten, und Rufus, wenn er Kutschen nachblickt. Rufus: Orchideen, für mich geht nichts über Orchideen. Meine Mutter züchtet welche im Garten, zuhause in Grangor, und rate mal, wer die dann immer gießen muss? Dafür sind sie dann schön rot und riechen gut. Wenn ich eine bei mir hätte, würde ich sie dir schenken. Rosa: (lachend) Wenn ich eine bekommen würde, würde ich sie verkaufen. Rufus: Ich finde ja, sie sollte mal Lotus züchten. Wozu lebt man denn in Grangor, wenn man nicht den Garten unter Wasser setzt? Rosa: Du hast Sorgen. Rufus: Allerdings. Ich verlange Mitleid. (lacht) Was wäre denn deiner Meinung nach eine gute Willkommensblume für eine wirklich liebe Gefährtin? Rosa: Das kommt darauf an. Möchtest du, dass sie mehr wird? Rufus: Nein, ganz und gar nicht. Das hätte ich haben können, doch unsere Freundschaft war mir wichtiger. Rosa: Dann kaufe ihr etwas, was dem Blumenmädchen richtig viel Geld einbringt. Rufus: Du nimmst mich nicht ernst. (Pause) Hast du Feuer? Rosa: Wenn du schon rauchst, dann bitte nicht neben mir. Meine Blumen leben von ihrem Duft. Rufus: Dann nicht. (Pause) Gehst du heute Abend mit mir aus? Rosa: Geht das vielleicht auch etwas romantischer? Rufus: Teuerste Rosa! Deine Lippen sind eine Schatzkammer voller Rubine, dein Haar ist… blond und du hast schöne Hupen. Gehst du mit mir aus? Rosa: Du bist furchtbar. Rufus: Das ist ein Ja. Ich hole dich ab, wenn die Marktglocke schlägt. Rosa: (lacht) Dann ist es halt ein Ja. Mache dir aber keine zu großen Hoffnungen: Die neuen Herren sind mir der Sperrstunde ziemlich streng. Black. Akt 4, Szene 2 – Andergasts Umland, Alter Friedhof vor der Stadt Gunda und Turike bevölkern wartend die Bühne, verschwörerisch gekleidet und spürbar angespannt. Nach einer Weile tritt auch Iskara auf und geht auf sie zu. Iskara: Kurkum. Gunda: Kurkum. Nach dieser Parole entspannen sie sich. Gunda: Wir waren in Sorge. Iskara: Es gab ein paar Schwierigkeiten, doch ich bin ja schon ein großes Mädchen, nicht wahr? Leider heißt das auch: Es geht ziemlich hässlich zu in Andergast. Gunda: Das war zu befürchten. Iskara: Massenweise Söldnervolk marschierte in die Stadt ein und beherrscht sie nun, geführt von einem Kanzler. Der König floh nach Teshkal und sammelt dort seine Getreuen. Gunda: Sind Söldner in schwarzen Uniformen dabei, mit silbernen säbelförmigen Broschen? Iskara: Ja, zum Teil. Turike: Schwarze Säbel von Kuslik. Ihr General nutzte vor zwölf Jahren und Mineda seitdem jedes Mal. Iskara: Ich kenne sie. Nervas Garde vor vier Jahren, Nervas Garde heute. Er ist der Kanzler und beherrscht die Stadt. Gunda: Und die Bürger nehmen es hin? Iskara: Sie tun, was sie können. Damit kommen wir nämlich zu den guten Nachrichten. Turike: Deine Schmugglerfreunde? Iskara: (nickt) Sie werden uns heute Nacht in die Stadt bringen und uns eine Unterkunft zur Verfügung stellen. Wenn wir noch Ausrüstung brauchen, lasst es mich wissen. Turike: Gut gemacht. Gunda: Sancide? Iskara: War in der Stadt, ist jedoch vom Erdboden verschwunden. Black. Akt 4, Szene 3 – Andergasts Umland, Freyas Nest Die Bühne ist eine verfallende Holzhütte, in der Sancide verweilt – Zivilkleidung tragend und nach dem Alptraum aussehend, den sie durchlebte. Sie hält sich sehr im Schatten und ist für den Zuschauer vielleicht noch nicht zu erkennen. Dann tritt Rinn in Erzählerfunktion – Freyas Kurzschwert mit sich führend – auf. Rinn: An einem Tag vor zwölf Jahren trat Carro an die junge Firlina heran und sagte zu ihr: „Lass dich auf mich ein, dann werde ich dich zur Heldin machen.“ Er nahm sie mit in eine Hütte im Wald, um sie zu lieben, stürzte mit ihrer Hilfe den General und verschwand, während sie sich feiern ließ. Die Hütte hingegen, die ihr als Belohnung überlassen wurde, blieb seit Jahren verlassen. Rinn geht ab, während Freya langsam auftritt und sich nervös umsieht. Erst jetzt tritt Sancide langsam ins Licht. Freya: Du bist hier. Sancide: Ja. (Pause) Ich habe keinen Tee mehr. Freya: Ich auch nicht. Freya bricht in Tränen aus und heult sich an Sancides Schulter aus. Diese versucht, sie zu trösten. Zeit vergeht. Freya: Die Zauberkönigin hat uns verraten. (Pause) Sage mir, wie konnte sie das nur tun? Sancide: Ich weiß es nicht. Freya: Ich kann nicht mehr. Verstehst du? Ich bin mit meiner Kraft am Ende. Nimm meine Hand. Führe mich, wohin du magst. Sancide: Laufe mit mir davon. Freya: (nach einer Pause) Wohin? Sancide: (nach einer Pause) Nirgendwohin. (Pause) Was sagt die Stimme in deinem Stab? Freya: Ich soll der Zauberkönigin folgen und klar machen, dass sie nicht davonlaufen kann. Sancide: Na also. Ich verlasse mich auf dich. Du warst schon immer da, wenn es wichtig war. Freya: Danke. Zeit vergeht. Schließlich tritt Lorana auf, grüßt knapp und steht an der Tür Wache, durch die nun Marja auftritt. Marja: Dem Kaiser zum Gruße. Kommandantin. Freya. Freya: (kühl) Hallo, Marja. Sei mein Gast. Marja: Das ist furchtbar lieb, doch wir müssen weiter. (sie lässt sich von Lorana ein Kleidungsstück geben, welches sie Sancide zuwirft.) Deine Robe ist wieder trocken. Sancide zieht die Magierrobe der Schwarzen Gilde über ihre Zivilkleidung. Marja: Wir haben dich überall gesucht. Was ist in Andergast geschehen? Sancide: (mit Blick auf Freya) Später. Marja: Du hast recht, es wird bald dunkel. Lorana! Aufbruch. Lorana geht ab. Sancide möchte zusammen mit Marja folgen, doch dreht sich noch einmal um und spricht zu Freya. Sancide: Lina! Wenn wir uns nicht mehr sehen… Freya: Es wird alles gut werden. Pass auf dich auf. Sancide: Ja, du auch. Sancide und Marja gehen ab. Black. Akt 3, Szene 5 – Andergast, Leidolins Schneiderladen Der Schneiderladen von Sancides Bruder ist verwüstet. Iskara beginnt auf der Bühne und durchsucht die Trümmer nach Hinweisen, während Sancide aufgeht. Sancide: Bleibe sie stehen. Keine Bewegung. Iskara: Heerbann! Sancide: Ich wüsste davon. Was hat sie meinem Bruder angetan? Iskara: Heerbann! Ich suche Spuren. Sancide: Wohin wurde er verschleppt? Lebt er noch? Antworte sie. In diesem Moment gehen Gunda, Turike und Keikin aus dem Haus und Lorana und Marja von außen auf. Gunda: Beruhige dich. Die Kleine gehört zu uns. Sancide: (ohne sich umzudrehen) Keikin! Du hast den Heerbann verraten und bist kein Teil mehr von uns! Marja: Was ist los? Das meinst du nicht ernst, oder? Sancide: Tue ich. Gehe sie. Ihr Name ist von diesem Moment an erloschen, sie ist nun als die Nivesin aus den Reihen unserer Feinde bekannt. Keikin nimmt, von allen Blicken verfolgt, ihren Bogen und geht wortlos ab. Sancide entspannt sich und wendet sich sanfter Iskara zu. Sancide: Sieh mir den ruppigen Empfang nach, Kleine. Ich bin Sancide. Iskara: Iskara vom Weißrittershof. Gunda: Sie brachte uns auf Schmugglerpfade durchs Königreich bis in die Stadt. Es steckt wirklich viel in ihr. Sancide: Das freut mich, zu hören. Sancide umarmt Iskara sanft. Marja: Rekrutin! Bereite sie sich darauf vor, den Eid zu schwören. Sancide: Geschenkt. (zu Iskara) Das ist ein Beweis meines Vertrauens. Nun berichte. Iskara: Euer… Sancide: (unterbricht) Dein. Iskara: Dein Bruder wurde entführt. In dem Schreiben steht, dass er sterben wird, wenn du dich nicht auslieferst. Gunda: Wir sind gerade erst eingetroffen. Man erzählt sich, dass er im Kerker der Königsburg schmachtet. Sancide: Mein armer Laidolo. Wir lassen ihn sterben. Lorana: (tritt vor) Heerbann! Turike: (tritt vor) Heerbann! Lorana: Wer einer der unseren angreift, der greift uns alle an. Das müssen wir sie büßen lassen. Sancide: Wie stellst du dir das vor? Wir sechs treten gegen Banner an. Wenn wir uns von ihnen leiten lassen, gehen wir unter. Lorana: Niemand von uns fürchtet den Kampf. Sancide: (nach einer Weile) Iskara, was meinst du? Iskara: (Pause) Du hast recht. Sancide: Braves Mädchen. Blicke sie an, die Lanzerinnen; ab heute trägst du die Verantwortung für sie. Iskara: (Pause) Natürlich. Sancide: Gunda, von dir hörte ich noch gar nichts. Was denkst du? Gunda: Du hast recht. Es gibt nichts Schmerzlicheres für eine Kommandantin, als Opfer bringen zu müssen. Sancide: Wo du es gerade ansprichst: Du bist von deinem Schwur entbunden und von nun an kein Teil des Heerbanns mehr. Kehre zu deiner Herrin nach Teshkal zurück. Gunda: Das glaube ich nicht. Sancide: Du kannst auch in der Stadt bleiben, es ist mir gleich – bloß gehe! Gunda: Du bist von Sinnen. Das werde ich nicht vergessen. (zu den anderen) Lebt wohl. Gunda nimmt ihren Bogen und geht ab. Sancide wartet noch einen Augenblick, ehe sie fortfährt. Sancide: Damit wären wir fünf Gefährten. Das ist perfekt, ich brauche keinen mehr und keinen weniger. Nun tretet heran und hört mir zu, wenn ich euch sage, wo wir tatsächlich angreifen. Sie treten an Sancide heran. Black. Akt 3, Szene 6 – Andergast, Leidolins Schneiderladen, Separee Marja und Sancide betreten Leidolins Arbeitsraum, der genauso verwüstet ist wie der öffentliche Teil des Ladens. Sancide: Sprich dich aus. Marja: (wütend) Was sollte das eben? Sancide: Was denn? Dass ich Keikin rauswarf? Seit Jahren liegst du mir damit in den Ohren und nun… Marja: Mache dich nicht lächerlich! Denkst du, es interessiert mich auch nur ansatzweise, was du Keikin oder einem Bruder oder Gunda oder der Kleinen oder irgendeiner deiner Schneiderpuppen antust? Keikin hat’s verdient, Gunda nicht und um deinen Bruder hast du dich eh nie gekümmert. Fein. Deine Familie, dein Heerbann, nicht meiner. Was du allerdings niemals wagen solltest – und nicht einmal daran wagen, zu denken –, ist, mich auf die gleiche Weise zu behandeln. Ich kenne dich, Frau Ruthorin, ich kenne dich besser, als dir lieb sein kann. Hast du mich verstanden? Sancide: War es das jetzt? Marja: Oh nein, so einfach wird das für dich nicht. Ich möchte wissen, was nur in deinem strohdummen Schädelchen vorgeht. Du überschätzt dich nämlich maßlos, kleines Schneiderchen. Du denkst wirklich, der Heerbann wäre dein Werk. Soll ich dir etwas verraten? Ohne deine Offiziere wärst du ein Nichts. Ohne Keikin! Ohne Gunda! Ohne Marinna! Ohne mich! Sancide: Möchtest du gehen? Marja: Und wie ein geprügelter Hund von dannen schleichen? Ich habe dir meine besten Jahre geopfert. Ich bleibe bis zum Ende. Du musst mich jedoch in deinen Schädel schauen lassen. Was immer du planst: Ich muss die erste Person sein, die es erfährt, nicht die letzte. Sag es! Sancide: Du bist eine wundervolle Adjutantin und ich bin dir sehr dankbar. Im Moment gibt es nichts, was du noch wissen musst. Marja: Ach, San, es ist doch alles nicht so gemeint. Du musst nur endlich einmal lernen, auf andere Rücksicht zu nehmen. Komm. Es ist wieder gut. (Pause) Was ist in Andergast passiert? Sancide: Aljawa Walsareffnaja wollte mich an Nerva verkaufen. Sie hat sich mitsamt ihrer Hausmacht den Aufständischen angeschlossen. Black. Akt 3, Szene 7 – Andergast, Marktplatz vor dem Praiostempel Rufus sitzt lesend und einen Blumenstrauß mit sich führend auf dem Markt. Rinn geht auf und auf ihn zu. Rinn: Hallo. Was liest du? Rufus hält ihr den Buchrücken hin. Rinn: Was ist das? Ich kann es nicht lesen. Rufus: Die Geschichte der heiligen Thalionmel und die Verteidigung ihrer Heimatstadt gegen die Ungläubigen. (Pause) Eigentlich mag ich ja keine Frauen in der Hauptrolle, doch in dieser wird richtig oft gekämpft. Rinn: Wie endet es? Rufus: (blickt ans Ende) Sie lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage. Rinn: Eine schöne Geschichte. Möchtest du eine hören, die ich dir zu erzählen habe? Rufus: Wird darin gekämpft? Rinn: Sicherlich. Es ist die Legende der Zauberkönigin. (sie setzt sich zu ihm) Es war einmal vor langer, langer Zeit, noch ehe das Menschengeschlecht aus dem Schoß der Tochter entstiegen war, da beherrschten die Elfen das Land unter der Führung ihrer Prophetenkaiserin Orima. Ihr Palast war groß wie eine ganze Stadt und erstrahlte doch in jedem Winkel in Marmor, Kristall und Magie, ihr Heer umfasste Legionen und wenn sie Feste feierte, dann reisten Könige aus allen Winkeln der Welt an und kehrten reich beschenkt, doch schwer beschämt zurück von all der Pracht. Der größte Schatz der Orima jedoch war sie selbst: Sie war eine lebende Elfe und zugleich war sie ein Gott. Sie war Kraft und Glanz und Sicherheit ihres Reiches – und als das Böse kam, um zu vernichten, setzte es bei ihr an. Orima verstand und war geblendet, war allmächtig und hilflos zugleich, während sie immer tiefer in den Wahn taumelte. Sie konnte nicht gehen und sie konnte nicht bleiben, denn was würde aus der Welt werden, wenn sie blieb oder ging? So quälte sie sich und litt darunter, ehe ihr doch ein Weg aufging, und so schickte sie nach ihren vier edelsten Gefolgsleuten, allesamt unbesiegte Ritterfrauen und Königinnen über eigene Reiche, und als diese den Hof erreichten, zerbrach Orima ihre Macht und legte jeder von ihnen ein Viertel in den Schoß. Dann verließ sie diese Welt und kehrte ins Licht zurück. Die vier Ritterfrauen waren unvergleichbar stark, doch war Orimas Macht noch unvergleichbar stärker. Sie zerbrachen unter der Aufgabe und brachten allesamt vier Töchter zur Welt, die alle gleichermaßen mit der Kraft gesegnet waren. Da erfüllte sich das Schicksal und das Land fand sein Gleichgewicht wieder. Diese viermal vier Frauen sind Sternträger, Hüterinnen der Macht einer Göttin von Mutter zur ältesten Tochter. Sie sind alle gleich im Rang, doch die erste der ersten von ihnen, Sprecherin und Bannerträgerin, ist von diesem Tag an als die Zauberkönigin bekannt. Ich, Wezyradima Icemna Rinn, bin die Zauberkönigin. Ich rief durch die Sphären nach meinem Gefolge. Nun bitte ich in dieser dunklen Stunde um ein Bündnis mit dem Wahren Kaiser. Für einen Moment kehrt Stille ein. Rufus: Eine schöne Geschichte. Die kannte ich noch gar nicht. Hier, nimm ein Blümchen. Rinn: Was weißt du über deine Legende? Über deine Kräfte? Über unsere Zeit? Rufus: Wenn du mit mir ausgehen möchtest, dann solltest du dir etwas anderes anziehen. Ich würde gerne einmal wieder tanzen gehen, aber ich möchte ehrlich zu dir sein: Deine Heroldin wäre mir lieber als du. Rinn: (unsicher) Was wäre denn angemessen? Rufus: Etwas Praiostäglicheres – im Augenblick siehst du aus wie eine Dienstmagd. Etwas Haut wäre auch schön – das mögen zwar die Andergaster nicht, dafür aber ich. Rinn: Ich komme aus einem Kloster. Ich kenne mich damit doch nicht aus. Rufus: Leidolins Schneiderladen im Tuchmacherviertel ist die beste Adresse für Fremde. Frage dich dorthin durch, er ist bekannt. Ich hole dich dann dort ab. Rinn geht ab. Nach einer Weile geht auch Rufus ab und Zeit vergeht, in der Statisten ihren Geschäften nachgehen. Marja geht auf und drückt sich in der Nähe des Praiostempel-Eingangs herum, Keikin geht auf und hält sich weit entfernt. Sie werfen sich bloß misstrauisch-neugierige Blicke zu. Mit Ende des Praiosdiensts streben Menschenmassen aus dem Tempel. Freya und Wilbrecht, in ein Gespräch vertieft, sind darunter. Freya: Eine wunderschöne Predigt, aber ganz schön mutig. Wilbrecht: Weißt du, was mir Kraft gibt? Ich weiß, dass in allen großen und guten Reichen auf dem ganzen Derenrund und sicher auch darüber hinaus ein Herrscher von Praios’ Gnaden auf dem Thron sitzt. Tausende Jahre, Tausende Tragödien und menschliche Irrungen konnten daran nichts ändern. Marja: Freya! Auf ein Wort! Freya: Praios zum Gruße, Marja. Kennst du schon Wilbrecht von Selmfeld, Donator Lumini? Er predigte gerade gegen den selbsterklärten Gott Atim-Suraq, was du leider verpasst hast. Marja: Möge Praios einer armen Sünderin verzeihen, die ihre Zeit lieber damit verbringt, Probleme zu lösen, statt anderen beim Reden zuzuhören. Freya: Gerade in schweren Zeiten ist es wichtig, die Götter nicht zu vergessen, denn wer sie aus den Augen lässt, der verliert sich selbst. Was meinst du, Wilbrecht? Wilbrecht: Traue dich doch nächste Woche einfach einmal. Wenn du noch lebst, ich noch lebe und der Kanzler immer noch herrscht, wirst du kaum etwas anderes hören. Freya: Herr Wilbrecht? Praios’ Segen wünsche ich Ihnen. Wilbrecht: Alles Gute, Zauberin. Bis nächste Woche. Wilbrecht geht weiter und schließlich ab, Freya und Marja nehmen einen anderen Weg. Marja: Ein reizender Herr. Wenn ich nicht vor Jahren den Tempeln abgeschworen hätte, würde ich mir solche Priester wünschen. Was hatte er denn zu erzählen? Freya: Was willst du von mir? Marja: Ich möchte dir von San deine Gewandung zurückgeben. Sie hat sie natürlich gewaschen und gestärkt, du kennst sie ja. Freya: Was meinst du? Marja: Das Gewand aus der Hütte. Sie musste sich bei dir bedienen. Freya: Ach. Marja: Es geht ihr wirklich schlimm in letzter Zeit. Sie trägt zuviel Verantwortung und fürchtet sich davor, zu scheitern. Nun wurde heute Morgen auch noch ihr Bruder entführt. Freya: Darum geht es dir also. Marja: Du hast recht, darum geht es mir. Leidolin wird sterben, wenn nichts geschieht, und wir sind dazu nicht in der Lage. Sancide braucht eine Heldin. Freya: Sage ihr, die hat sie. Ich nehme mich der Sache an. Marja: Das wird sie freuen und es freut mich. Einen schönen Tag. Freya: Einen Augenblick noch. Wenn Sancide mein Gewand möchte, dann kann sie es behalten. Es ist zu klein geworden für meine Fraulichkeit. Marja: Ich richte es aus. Sonst noch etwas? Freya: Nein. Einen schönen Tag noch. Marja geht ab. Black. Akt 3, Szene 8 – Andergast, vor Leidolins Schneiderladen Rinn tritt zögerlich vor den Schneiderladen, klopft und wartet. Nach einer Weile tritt Gunda aus der Tür. Gunda: Bei Travia, was gibt’s? Rinn: Den Herrn Leidolin suche ich. Ist das hier seine Werkstatt? Gunda: Ist sie. Er kann dir jedoch nicht helfen. Die Söldner nahmen ihn mit. Rinn: Kannst du mir denn helfen? Ich brauche etwas Schönes zum Anziehen. Es ist sehr wichtig. Gunda: Ich bin nicht von hier. Siehe dich doch um, es ist das Tuchmacherviertel hier. Gunda geht wieder in den Laden und lässt Rinn zurück. Nach einer Weile geht Rufus auf. Rufus: Du kamst nicht weit. Rinn: Es ist ja auch nicht Abend. Rufus: Mein Kater hat aber meinen Blumenstrauß zerfetzt. Lass uns gleich etwas unternehmen. Worauf hast du Lust? Rinn setzt zur Antwort an, doch wechselt Rufus mit Blick auf den Schneiderladen das Thema. Rufus: Kannst du dir vorstellen, dass ich auch lange von meinem eigenen Laden träumte? Ich wollte bei Stoerrebrandt einsteigen und Abenteuer-Zubehör an Helden verkaufen. Meine Besonderheit wären Paketlösungen gewesen… und Horoskope. Ich kann sehr viel aus den Karten lesen, weißt du? Rinn: Ich wollte nie die Zauberkönigin werden. Wenn man versteht, ist es ein furchtbares Schicksal. Rufus: Die ganzen großen Abenteuer wurden ohnehin von den ganzen großen Helden übernommen und der Rest ist Augenwischerei. Ich will kein kleiner Fisch sein, der sich für einen großen hält. Ich will die Großen ausnehmen. Rinn: Kannst du mein Ende sehen? Rufus: Wahrscheinlich nicht. Ich kann dein Seelentier nicht erkennen. Du bist vor dem Schicksal eine Elfe, so seltsam es auch klingt. Über dich habe ich keine Macht. Rinn: Ich bin eine Kriegerin, mächtig, gewandt und beinahe unbesiegbar. Ich bin davongelaufen, um nicht geschwängert und getötet zu werden, und seitdem ich hier bin, mache ich immer nur die Beine breit. Rufus: Dann mach doch mal. Rufus deutet an, dass er einen Spagat von Rinn wünscht. Sie schlägt sich gut darin, was ihn amüsiert. Rufus: (noch während sie posiert) Ist dir eigentlich bewusst, dass ich es weiß? Rinn: Was weißt du? Rufus: Wie schön golden dein Flaum ist. Rinn: Das weißt du nicht. Rufus: Du hast recht, aber ich weiß etwas anderes: Du hast dich an Atim-Suraq verkauft und deinem Gefolge eine Falle gestellt. Du hast dich gegen deine Heroldin gestellt – und das ist die einzige Frau, die ich von ganzem Herzen liebe. Ich würde sagen, du hast es wirklich nicht leicht. Rinn: Du sagtest, du kannst mich nicht lesen. Rufus: Ich erkenne auch so eine Lügnerin, wenn ich eine sehe. (Pause) Wie ich es sehe, hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst entweder gehen und deinem Herrn erzählen, dass du gescheitert bist, oder du bleibst bei mir und wir können versuchen, einander zu mögen. Das Herz meines Katers hast du schon erobert, sei dir da gewiss. Sei dir aber auch einer Sache bewusst: Du wirst auch für mich die Beine breit machen. Das verlange ich einfach von meiner Partnerin. Rinn: Lass uns doch ins Badehaus gehen. Ich glaube, das haben wir beide nötig. Black. Akt 3, Szene 9 – Andergast, Söldnerlager im Rathaus / Freyas Kammer Im Rathaus der Stadt Andergast richteten sich die Besatzer ein – und entsprechend sieht es darin aus: Mietlinge warten, kommen und gehen, rasten, lassen sich anheuern oder holen ihren Sold ab. Auch Drajin, Taja, Jannis und Tamara sind zeitweilig anwesend, zeitweilig nicht. Der Fokus liegt jedoch auf Keikin, die hier mit ihrem weißen Bogen wartet. Parallel dazu bereitet sich Freya auf das Abenteuer vor, was bedeutet, ihren Königspanzer anzulegen und sich danach nach allen Regeln weiblicher Kunst hübsch zu machen. Schließlich geht Gunda auf und wendet sich direkt an Keikin. Gunda: Keikin. Du bist hier? Keikin: Wo soll ich sonst sein? Du hast die Kommandantin gehört. Wir sind Feinde. Gunda: Wir beide sind keine Feinde. Die Kommandantin warf mich ebenfalls heraus. Keikin: Ich will nicht nach vier gemeinsamen Jahren gegen euch kämpfen, doch mir bleibt wohl keine Wahl. Von irgendetwas muss ich auch leben. Gunda: Ich wollte aus eigener Kraft Sans Bruder retten, doch meine Spuren verliefen im Sand. Nun kehre ich nach Teshkal zurück. Keikin: Braucht deine Herrin eine Waldläuferin aus dem Nivesenland? Gunda: Vielleicht, vielleicht nicht. Was zahlt denn Atim-Suraq? Keikin: Das werde ich bald erfahren. Die Handlung wechselt zu Freya, die nun mit ihrem Aussehen zufrieden ist und ihren Stab in die Hand nimmt. Jandora erscheint diesmal in Person. Freya: Geist? Jandora: Herrin. Ihr seid so wunderschön. Freya: Danke. Ich möchte dich bitten, mir Glück zu wünschen. Ich gehe auf ein Abenteuer… und werde dich nicht mitnehmen. Jandora: Bitte geht auf kein Abenteuer. Die Zauberkönigin braucht Euch. Freya: Sancide braucht mich auch. Vertraue mir. Jandora: Einigen Wenigen ist es bestimmt, zu führen, Herrin, und vielen, zu folgen. Ich werde diesen Weg bis zum Ende mit Euch gehen. Freya: Danke dir. Danke für alles. Sie legt den Stab zur Seite, womit Jandora verschwindet. Dann verlässt sie ihre Kammer und tritt wenig später ins Rathaus. Dort sind nun alle Augen – besonders jene von Gunda und Keikin – auf sie gerichtet. Keikin: Sie soll den Bruder retten. Gunda: Gehen wir es an. Beide treten an Freya heran. Gunda: Zauberin Freya! Warte. Wir wissen von deiner Queste und wollen dir zu Diensten sein. Keikin: Das ist unser Wunsch. Freya: (nach einer Pause) Ich brauche euch nicht. Geht. Keikin: Mein Bogen wird deine Feinde vernichten. Gunda: Auf meinem Pferd sind wir schnell wie der Wind. Freya: Das mag sein. Geht. Nach einer Weile gehen Gunda und Keikin ab. Freya tritt an Taja heran. Taja: Hallo, Freya. Nun bin ich aber gespannt. Freya: Ich bin tatsächlich wegen dir hier. Ich möchte mit dem Kanzler sprechen. Kannst du ihm mitteilen, dass eine Gesandte des Heerbanns der Wahren Kaisers eine Audienz wünscht? Taja: Meine Hunde mögen dich. Diesen Wunsch erfülle ich dir. Freya: Das ist nicht alles. Ich bitte als Gesandte um deinen Schutz und den Schutz deiner Herrin. Taja: Ich kann nicht für meine Herrin sprechen, aber du weißt sicher selbst, was du von ihr erwarten kannst. Wenn dir das genug ist, wird es mir eine Freude sein. Black. Akt 3, Szene 10 – Andergast, Königsburg Freya beginnt auf der Mitte der Bühne, während sich Taja zusammen mit einigen Waldläufern am Rand aufhält. Jannis geht auf. Jannis: Wenn du vorhattest, mir den Tag zu verderben, dann hast du dein Ziel erreicht. Das war mein erster freier Abend seit Wochen. Danke dafür. Freya möchte etwas antworten, doch er lässt sie nicht zu Wort kommen. Jannis: Setze dich hin. Du willst nicht hier sein, ich will nicht hier sein, schon klar. Bringen wir es also hinter uns: Du bleibst und schweigst und bewegst dich nicht. Die Zauber, die ich sprechen muss, tun dir nicht weh. Die Sprache, in der ich zaubere, ist thorwalsch. Die Zeichnungen, die ich nutze, machen mir meine Arbeit leichter. Bin ich fertig und zufrieden, wirst du den Kanzler treffen, bin ich es nicht, findet keine Audienz statt. In Ordnung? Freya: Was du sagst. Sie setzt sich hin, während Jannis mit Kreide Kreise und Zauberzeichen auf den Boden malt. Freya sieht ihm dabei zu. Freya: Ich wüsste trotzdem ganz gerne, was du da tust. Jannis: Das kann ich mir vorstellen. Es vergeht eine Weile, in der Freya dasitzt und Jannis um sie herum mit Zauberkram beschäftigt ist, ehe Elemis aufgeht. Elemis: Das ist wirklich ein beeindruckender Panzer, den sie trägt. Was mag er wert sein? 500 Dukaten? Freya: Das wäre ein gutes Angebot. Er ist in seiner Form und Kraft einzigartig, allerdings keine gute Rüstung. Es ist mehr eine zweite Haut. Elemis: Sie kehrt nach über zweimal drei Jahren in einem einzigartigen Panzer für 500 Dukaten zurück. Damit hätte ich nicht gerechnet. Freya: Ja. Elemis: Ich freue mich. Freya: Ich freue mich auch, Euch zu sehen, Herr Vater. Elemis: Bleibe sie doch nach der Audienz bei mir auf der Burg. Jannis: Den Panzer musst du ausziehen. Elemis: (zu Jannis) Das ist nicht Euer Ernst. Jannis: Leider schon. So gerne ich behaupten würde, ihn völlig zu verstehen und die gute Lina nur noch einmal nackt sehen zu wollen, sind meine Befehle eindeutig. Elemis: Lasst uns das sehen. Wie war denn der Wortlaut? Jannis: Der Kanzler sagte zu mir: ‚Suche auf Zauber und auf Waffen, halte sie hin, damit mein Gefolge sich sammeln kann, und dann reiße ihr diesen verdammten Panzer vom Leib.’ Ich habe dafür eine hübsche weiße Decke für sie. Elemis: Das ist gegen die guten Sitten. Jannis: Das wissen wir beide. (er setzt sich zu Freya) Es liegt bei dir. Du bestimmst, wie es weitergeht. Freya: Dann muss es wohl so sein. Von den Blicken der Anwesenden begleitet und sich sichtbar unwohl fühlend beginnt Freya damit, den Panzer am Rücken loszuschnüren. Dann hält sie inne. Freya: Ich kann es nicht. Elemis: Das ist die richtige Entscheidung. Jannis: Es ist eine Entscheidung. Es gibt weder eine richtige noch eine falsche. Elemis: Bleibt sie noch eine Weile bei mir aus der Burg? Freya: Ich möchte hier so schnell wie möglich fort. Was haltet Ihr vom Fetten Schinken? Elemis: Ich muss es ablehnen. Ich darf die Festung nicht mehr verlassen. Jannis: Lina? Es hat mich gefreut. Taja? Kommst du? Taja: Fräulein Zauberin? Es hat mich gefreut. Taja, Jannis und die Waldläufer setzen zum Abgehen an, Elemis zieht es in eine andere Richtung und auch Freya ist schon halb draußen, ehe sie innehält. Mit schnellen Handgriffen zieht sie ihren Panzer ab und tritt nackt vor Tara und Jannis. Dieser reicht ihr eine weiße Decke. Freya: Zufrieden? Jannis: Ein wenig. Freya: Verzeiht mir, Vater. Wir sehen uns später. Sie gehen ab. Black. Akt 3, Szene 11 – Andergast, Königsburg, Audienzsaal Freya geht nur in ein weißes Tuch gekleidet auf, Jannis, Taja und Anhang hinter sich, in einen großen, von Menschen aller Söldnergruppen bunt gefärbten Raum auf, unter denen sich auch Tamara und Drajin befinden. Nerva, zuvor auf einem Thron sitzend, springt auf. Es folgt die härteste Szene des gesamten Stücks. Wenn sie nicht so gespielt werden kann, dass sie jedem Zuschauer (und Schauspieler auf der Bühne) an die Nieren geht, sollte sie besser rausgestrichen werden. Jannis: Ich verkünde: Der viel gerühmte Kanzler Nerva, ehrbarster Ritter des Generals Gefolge, empfängt… Nerva: Schweig! Wir kennen sie. Nerva klatscht in die Hände, woraufhin Reihen von Orksöldnern aufgehen und die Anwesenden bedrohen. Nerva: Auf die Streckbank mit ihr! Jannis: Herr, das ist eine Gesandte. Findet Ihr nicht… Nerva: Ich finde, du solltest deine Worte überdenken, Zauberer, und dich daran erinnern, wer du bist und wer ich bin. Dann sage mir: Immer noch Einwände? Jannis: Nein, natürlich nicht. Nerva: Das wollte ich doch auch gehofft haben. Orksöldner sind dabei, Freya auf eine (möglichst aufrecht stehende) Streckbank zu schnallen, wogegen diese sich nicht wehren kann. Eisen rasten ein und das Rad wird leicht angedreht – quälend langsam anzusehen. Nerva: Lina, Lina, Lina, ist es nicht schön, zuhause zu sein? Verrate uns doch, warum du hier bist. Freya: Wegen des Schneiders Leidolin! Lass ihn frei. Nerva: Du gibst ein schönes Stichwort. Leidolin, komme doch bitte herein. Leidolin tritt in Gefangenenkleidung auf. Nerva: Drehe doch noch ein wenig am Rad. Ich kann deine Retterin noch gar nicht sehen. Leidolin: Verzeih mir. Freya: Alles wird gut. Leidolin dreht am Rad, was Freya furchtbare Schmerzen zufügt. Nerva: Geht das vielleicht nicht auch etwas schneller? Ja, gut. Braver Junge! Jetzt gehe meine Geißel holen. Leidolin kommt diesem Befehl nach. Nerva sieht ihm hinterher. Nerva: Er ist so ein lieber Junge, meinst du nicht auch? Ich glaube, er mag dich wirklich sehr. Freya: Warum tust du das? Nerva: Ist furchtbar, nicht wahr? Habe noch ein bisschen Geduld, dann wirst du es verstehen. Leidolin kehrt mit der Geißel zurück. Nerva nimmt sie an sich und schlägt und redet sich zugleich in Rage! Nerva: Vier Jahre meines Lebens habe ich im Kerker verbracht und als ich dachte, es ginge nicht mehr schlimmer, fiel ich in die Hände der Druiden. Sie nahmen meinen Kopf, verstehst du? Sie zerfetzten meinen Geist und machten mich zu ihrer Puppe – und wenn du erlebt hast, was es heißt, nicht mehr bestimmen zu können, was du tust und warum, wenn du dich fragst, was als nächstes kommt, und du nur noch zu sterben hoffst, was nichts mehr – und zwar gar nichts – dir mehr Linderung verspricht, wenn du nur noch willst, das es aufhört, dann hast du das Grauen gesehen! Nerva hält keuchend und sichtbar am Ende seiner Kräfte inne. Er sieht Leidolin an. Nerva: Du weißt, was zu tun ist. Damit verschwindet Leidolin. Nerva: Du hast mir das angetan! Du hast mich in Tiefen gestoßen, von denen ich nie geahnt hätte, dass es sie gab! Weißt du was: Wenn alles um dich herum zerbricht und dir nichts mehr bleibt, dann sind es die einfachen Gedanken, die dir noch Kraft geben. In meinem Kopf konnte ich die Stimme wieder und wieder hören, die mir langsam so viel weniger vertraut war als die Bestimmungen, der Druiden und die alles war, die von meiner Vernunft noch übrig war. Weißt du, was sie mir flüsterte? Nimm Rache! Nimm Rache! Nimm Rache! Nimm Rache! Er schlägt noch ein paar Mal zu. Nerva: Dann kamst du her, feige und dumm wie du bist, und nahmst an, ich wäre immer noch der Edelmann von früher. Du bist so jämmerlich! Bringt man Menschen an ihre Grenzen, dann verändern sie sich; sie werden hässlicher und werden edler. Siehe dir diese ganzen Amöben doch an! Niemand von denen wagt es, aufzustehen und für dich zu sterben. Wo ist deine Beschützerin jetzt? Und noch wichtiger: Wo bist du? Leidolin kehrt mit vollen Händen zurück. Nerva: Nun habe ich doch etwas Erfrischung für uns: Ein Gläschen Wein für mich und einen vollen Nachttopf für dich! Er gießt Freya den Inhalt des Nachttopfs über die blutig geschlagene Haut. Nerva: Bist du bereit für die letzte Wahrheit? Du wirst sie erkennen, denn jetzt frage ich dich: ‚Einer von euch beiden wird diesen Tag überleben. Möchtest du dich oder ihn sterben sehen?’ Freya: Lass Leidolin gehen! Nerva: Sage ich doch. Er greift zu seinem Schwert und schlägt Leidolin den Kopf ab. Freya: Nein! Nerva: Erkennst du denn das Schwert? Hübsche, leuchtende Klinge, nicht wahr? Es ist deines! Ich habe es in der Burg gefunden! Freya: Monster! Nerva: Keine Angst, wir haben es gleich hinter uns. Jetzt machen wir noch ein kleines Feuerchen und schon badest du im Nirgendmeer. Er klatscht in die Hände und Orks errichten zu Füßen der Streckbank einen Feuerholzstapel. Nerva: Jetzt brauche ich nur noch Feuer. Magst du mir nicht aushelfen? Nein? Zu schade. Er greift nach Zunderstein und Stahl und versucht, den Stapel zu entzünden… einmal, zweimal, dreimal, viermal. Schließlich tritt Jannis durch die Reihen. Jannis: Habe Gnade mit ihr. Die Götter entschieden. Nerva: Jetzt ist er auf einmal mutig. Beeindruckend! Trotzdem sollst du deinen Willen bekommen: Bringe sie in die Zelle. Morgen früh wird sie aufgeknüpft! Nerva zieht sich mit seinen Orksöldnern zurück, während augenblicklich das Gemurmel losbricht. Jannis löst Freyas Fesseln und trägt sie dann von der Bühne. Akt 3, Szene 12 – Andergast, Kampfseminar, Raum der Spektabilität Lontha und Aljawa sitzen beisammen, trinken Wein und diskutieren über Pläne. Ganz plötzlich stürmen Sancide, Lorana und Turike in voller Bewaffnung herein. Lorana: Die Herrschaften rühren sich bitte nicht. Turike: Und nicht nach den Wachen rufen! Die Stimme könnt ihr euch sparen. Aljawa: San! Ich fürchte, du hast da etwas missverstanden. Ich wollte natürlich niemals… Lontha: Fulminictus! Nichts geschieht. Sancide: Die Maske. Aljawa: Imperavi! Nichts geschieht Lontha gibt sich geschlagen und händigt die Maske aus. Lontha: Und nun? Sancide und ihre Gefährtinnen gehen ab. Aljawa und Lontha bleiben ratlos zurück. Akt 3, Szene 13 – Andergast, Kerker Die Szene beginnt im Dunkeln. Freya, immer noch in das weiße, nun blutdurchtränkte Tuch gekleidet, blickt sichtbar misshandelt und verstört ins Leere. Jannis geht auf der anderen Seite der Gitterstäbe auf. Jannis: Darf ich hereinkommen? Sie reagiert nicht, also tut er es einfach. Jannis: Ich weiß nicht, ob es dir ein Trost ist, aber ich wusste es nicht. Es wusste niemand von uns. (Pause) Und ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich dich sitzen ließ. Ich war wirklich ein Feigling. Freya: Was seid ihr nur für Monster? Jannis: Wir sind einfach Menschen, die durch schwere Zeiten gehen. Nun entscheide dich: Es ist deine letzte Nacht auf Deren. Möchtest du sie allein oder in meiner Gesellschaft verbringen? Freya: Wecke mich morgen früh, wenn du magst. Diese Nacht möchte ich allein sein. Er setzt sich zu ihr. Black. Kapitel 5: Freya in: (25) Menschenjagd (Karte: Sterne, umgekehrt) ----------------------------------------------------------------- Akt 5, Szene 1 – Ansage Die Szene spielt in Freyas alter Kammer auf der Burg: Ein Bett, ein Schrank, ein Bücherregal, ein Tisch und ein Bild eines Pferdes an der Wand. Sancide liegt auf diesem Bett, die Maske tragend und weggetreten, während Freya sich ihr Konventsgewand anzieht. Als sie damit fertig ist, beobachtet sie neugierig Sancide und wartet. Freya: Wie geht es weiter? Sancide: Kannst du mir sagen, wo sich Mineda Morga aufhält? Freya: Nein. Weiß Taja das nicht? Sancide: Nein. Freya: Und was heißt das für uns? Sancide: Für dich heißt das nichts. Unsere Wege trennen sich nun. Freya: Lass mich nicht allein! Sancide: Das muss ich. Ich habe dafür Takea gefunden und ihren blonden Helden. Sie warten auf dich in der Hütte in Dela. Freya: Du hast meine Elfe erreicht? Das ist wundervoll. (Sie umarmt sie.) Sancide: Orimas Maske ist beeindruckend. Stört es dich, wenn ich dieses Zimmer nutze? Freya: Was du willst. Sancide: Zeigst du mir auch dein Hautbild? Freya: Klar. Freya knöpft ihre Robe auf und präsentiert Sancide ihren Bauch. Sancide: Es ist schön. Freya: Besuche mich doch in Perricum, wenn alles vorbei ist. Es gibt dort genug Sonne, Sand und Palmen für uns beide. Sancide: Versprochen. Gute Reise. Freya geht ab. Sancide bleibt einen Augenblick sitzen und spricht dann zum Pferdebild. Sancide: Vergib mir. Dann steht sie auf, nimmt ein Tuch und deckt es ab. Black. Akt 5, Szene 2 – Teshkal, Burg der Pferdeherrin Der Festsaal platzt aus allen Nähten, so gefüllt ist er mit Andergaster Vasallen, Rittern aus Greifenfurt und anderen Teilen des Reiches, thorwalschen Axtkämpfern, Teshkaler Reitern, Volk und anderen Repräsentanten des aventurischen Nordwestens – nur die beiden Thronsessel im Zentrum bleiben leer. Marja, Lorana, Turike und Iskara nehmen von Gunda geführt den langen Weg auf, der sie vielleicht durch die Reihen des Publikums führt. Dabei reden sie. Gunda: Ich weiß nicht, ob ihr es schon vernahmt, doch der Bote des Lichts in Praios sprach König Efferdan und seiner Familie das Königsheil ab. Das sorgt hier für einigen Wirbel. Iskara: Ganz Andergast ist ja vertreten, aber viele Wappen kenne ich nicht. Gunda: Das ist die Thuranische Legion unserer Zeit – nur diesmal auf unserer Seite. Iskara: Ich bin ja so aufgeregt! Gleich werde ich auf den König treffen. Gunda: Freue dich auf Freiherrin Ossyra von Teshkal. Sie ist noch viel beeindruckender. Sie stellen sich in die Menge. Nach einer Weile strömt ein Schwarm Entscheidungsträger-Statisten herein, dem sich Rufus und Rinn anschließen. Schließlich tritt Rufus ins Licht und beginnt zu sprechen. Rufus: Hört mir zu. Bitte, seid leise. Ihr alle habt die Nachricht vernommen: Die Praioskirche kniet vor Atim-Suraq. Ich frage euch aber: Wie echt kann ein Gott sein, den nicht einmal unsere Väter kannten? In dieser dunklen Stunde komme ich zu euch, um mich zu offenbaren. Ich bin der Wahre Kaiser, der Hirte des Menschengeschlechts seit dem Auszug aus Thalami Sora. Ich war der Horas, der die Siedler aus dem Güldenland führte, ich war der Raul, der das falsche Dämonenkaiserreich zerschnitt und ich führte vor Jahrtausenden Siedler in den Wald, um meine Stadt Andragard zu errichten. Man nannte mich Frühlingsheld, weil ich mich selbst verjünge und immer wieder vergesse, um bleiben zu können, wer ich bin. Eines kann ich jedoch versichern: Ich bin die Macht der gesamten Menschheit und mehr als willig, sie in ihr eigenes Zeitalter zu führen. Lernt auch mein Weib kennen, die Zauberkönigin Rinn. Ihr ist es bestimmt, Atim-Suraq zu töten. Nun wünsche ich, dass ihr alle vor ihr niederkniet. Wirklich alle Anwesenden erfüllen ihm diesen Wunsch. Rufus: Ich werde euer Heerführer sein und euch den Sieg bringen. Doch frage ich: Was ist ein Kaiser ohne sein Gefolge? Danken wir dem König von Andergast und seinem Rat der Recken, die entschieden, dass nur ein mystischer Held eine geeinte Armee gegen diesen verführerischen Feind führen kann. Danken wir auch den Damen vom Heerbann des Wahren Kaisers, die in den letzten Jahren meinen Namen mit einem solchen Ruhm verbanden. Ich hätte mir keine besseren Herolde vorstellen können. Bitte, ihr Damen, tretet vor. Marja, Turike, Lorana und Iskara treten ins Licht. Rufus: Wo ist denn eure Kommandantin, die machtvolle Sancide de Ruthor? Marja: Sie wird bald erscheinen. Vorher muss sie noch eine Prinzessin retten. Rufus: Dann sei ihr verziehen. Mädchen, wer bist du denn? Tritt doch einmal vor. Iskara: Ich bin Iskara vom Weißrittershof. Ich bin neu bei dem Heerbann. Rufus: Hast du denn schon Heldentaten vollbracht, Iskara? Iskara: Ich habe mein Bestes gegeben. Rufus streicht Iskara durch das Haar. Rufus: Ich sehe es in deinen Gedanken. Du warst sehr tapfer… du bist noch Jungfrau? Iskara: Ist das schlimm? Rufus: Nein, es ist sehr gut. Mit einer schnellen Bewegung zieht Rufus eine Klinge und schlitzt Iskara die Kehle auf. Rufus: Atim-Suraq! Da steht ihr nun und gafft, hättet alles verhindern können und seid doch verloren. Das Volk der Menschen wählte sich seinen Gott, um in seinem Zeitalter zu bestehen, und dieser Gott ist Atim-Suraq. Seine Heere werden ihm ganz Dere zu Füßen legen, wie auch schon ganz Alveran um seine Gunst buhlt, und sie werden unbesiegbar sein durch mich an ihrer Spitze. Tötet die Damen des Heerbanns. Bereitet den Zug nach Andergast vor, es gilt, in meine Hauptstadt einzuziehen… und Rinn: Klinge waschen und Boden putzen. Wir wollen ja gute Gäste sein. Rinn nimmt die Klinge an sich, doch bedroht sie im nächsten Augenblick schon Rufus damit. Rinn: Wage es nicht, so mit mir zu sprechen, und lasse die Finger von diesen feinen Soldaten. Ich brauche ein Gefolge und der Heerbann soll meine Garde sein. Rufus: Ich habe dich nicht vergessen, ich wollte nur sehen, ob du so weit gehen würdest. Kriegerinnen, ihr dürft euch entfernen. Marja, Lorana und Turike gehen ab. Im nächsten Augenblick wirkt es, als sei ein Zauber von Rinn abgefallen. Sie löst sich. Rufus: Eine gute Wahl. Ich schätze nämlich Mut nicht. Keikin! Das waren deine Freundinnen. Jage und töte sie! Nun zu dir, Rinn: Lass dir von Lontha dein Schwert geben und dann jage und töte deine Heroldin! Hast du das verstanden? Rinn: Ja, mein Kaiser. Rufus: Ihr anderen: Bereitet den Krieg vor. Wir haben eine Welt zu unterwerfen. Black. Akt 5, Szene 3 – Teshkal, Burghof Im Burghof herrscht die Betriebsamkeit einer Armee im Aufbruch, auch Rinn ist bei oder auf dem Weg zu ihrem Pferd. Gunda tritt ihr entgegen. Gunda: Was war das da drinnen? Warst du echt oder hatte Marja dich verhext? Rinn: Ist das die entscheidende Frage? Gunda: Wirst du deinen Befehl befolgen? Rinn: Ich muss. Gunda: Dann fordere ich dich zum Duell! Rinn hält in ihren Vorbereitungen inne und lacht. Rinn: Du möchtest wirklich dein Leben dafür riskieren, eine Frau zu töten, die in ihren Tod geschickt wurde? Dann dienst du deiner Herrin schlecht. Gunda: Was meinst du? Rinn: Denkst du, es ist Zufall, dass du hier bist und nicht gejagt wirst? Deine Kommandantin muss sehr viel von dir halten, wenn sie beschloss, dir ihr Werk in die Hände zu legen. Gunda: Woher weißt du das? Du kennst weder sie noch uns. Rinn: Das muss ich auch nicht. Ich sehe doch, dass sie nicht hier ist – und ich würde das Schwert mit meinem Namen darauf wetten, dass sich das nicht mehr ändert. Sie erkauft Zeit. Gunda: Du hättest ihr mehr geholfen, wenn du den Kerl gleich abgestochen hättest. Rinn: Das mag sein, doch warum hätte ich es tun sollen? Das ist nicht mein Kampf, nicht einmal mein Heimatland. Soll er doch alles zugrunde richten, ich kann sehr gut damit leben. Gunda: Gehe sterben! Rinn: Warum hast du nicht den Bogen erhoben, als er das Mädchen ermordete? Warum willst du gerade mich aufhalten statt Keikin oder den Kaiser selbst? Urteile erst einmal über dich selbst. Gunda: Was kann ich tun? Rinn: Vergiss deine Freundinnen, sie sind nicht mehr zu retten. Lasse deine Lehnsherrin hinter dir. Was du dann tun musst, kann ich dir nicht sagen. Es ist nicht meine Geschichte. Es ist deine. Black. Akt 5, Szene 4 – Wegkreuz / Freyas Zimmer In einer Doppelszene richtet sich Sancide in Freyas Zimmer ein: Sie brennt ein wenig Räucherwerk ab, überprüft ihr Aussehen in Freyas Schminkspiegel, bedient sich am Bücherregal und sieht sich die Werke an bzw. liest sie an. Währenddessen versammeln sich Marja, Lorana und Turike um ein Lagerfeuer. Gunda geht auf. Gunda: Iskara! Lorana: Iskara. In Ordnung. Marja: Was machst du hier? Gunda: Ich brauche eure Hilfe. Die Kommandantin braucht sie auch, nehme ich an. Marja: Die Kommandantin ist schuld daran, dass wir in dieser Lage sind. Gunda: Wir sind Heerbann. Wir erfüllen unsere Kriegerpflicht – nicht wahr? Lorana und Turike stimmen zu. Gunda: Sancide schickte uns hierher, um Zeit zu gewinnen, und diese Aufgabe sollten wir so gut erfüllen, wie wir können. Die Nivesin ist uns auf den Fersen. Ich schlage vor, wir teilen uns auf. Turike: Nein! Lorana: Sie hat recht. Einzeln können wir nicht bestehen. Gunda: Ich fürchte, das können wir auch in der Gruppe nicht. Ihr kennt Keikin. Marja: Wohl wahr. Ich bin dafür. Gunda: Ich werde nach Greifenfurt reiten, um unsere Amazonen zu rufen. Marinna wird den Unterschied ausmachen. Marja: Ausgezeichnet. Dann begebe ich mich nach Nostria. Die Lanzenreiterinnen: Wer von euch geht nach Ferdok? Turike: Lorana. Ich wähle Lowangen. Gunda: Ausgezeichnet. Meine Damen... (sie reichen einander die Hände) Sancide verlässt sich auf uns. Stehen wir ihr bei. Machen wir sie stolz. Black. Akt 5, Szene 5 – Freyas Zimmer / Freyas anderes Zimmer Sancide setzt sich mit einem Buch, schlägt es auf, schlägt es zu und erzählt dann selbst. Währenddessen wühlen sich Rinn und Drajin durch Freyas Herbergszimmer. Sancide: Keikin, weißt du eines? Ich hatte einmal einen verrückten Traum. Ich saß darin ganz allein im Dunklen, gefangen in einem Käfig aus lebendem Stahl und über einem Abgrund baumelnd. Ich fürchtete mich sehr, denn es schwankte und wand sich und zerrte und zog, und ich wusste nicht, ob ich mit ihm in die Tiefe stürzen würde oder mich seine Stäbe zerquetschten, ich wusste nur eines: Ich wollte nicht sterben. Ich wusste: Ich hatte es verdient, hier zu verweilen. Ich wusste: Ich hatte die Rettung nicht verdient, die ich bedurfte. Dann spürte ich dich. Du hattest kein Gesicht und mehr als eine Stimme, doch ich wusste es felsenfest, weil ich dich kannte. Du warst jedoch nicht mein Retter. Du warst mein Wächter. Freya geht auf, was von Rinn und Drajin gehört wird – diese erstarren und gehen in Position, um über einen Eintretenden herzufallen. Allerdings wittert auch Freya den Braten: Sie wägt ab, entscheidet sich dann und schleicht zurück ins Off. Akt 5, Szene 6 – Freyas Zimmer / Wehrgasthof Sancide sitzt immer noch im Zimmer, immer noch mit dem Buch auf dem Schoß, und erzählt weiter. Derweil erreicht Gunda einen Wehrgasthof irgendwo im Nichts, bindet ihr Pferd an und wird dann von Cedime, einer jungen Magd, abgefangen. Sancide: Keikin, ich weiß noch, dass wir miteinander sprachen. Es gab etwas, das du wolltest, und etwas, das du nicht wolltest, doch mich interessierte es nicht, was du zu sagen hattest. Ich war einfach nur froh, dass du da warst. Irgendwo in der Tiefe erschienen Menschen, mich zu retten. Sie wurden niedergemacht. Keikin antwortet aus dem Off. Keikin: "Das ist traurig." Cedime: Frau Herrin! Frau Herrin! Ich tränke Euer Pferd, ich bürste es, ich pflege es, wie Ihr wollt. Es ist ein gutes Pferd, sehr erschöpft. Es braucht Pflege. Gunda: Verschwinde, Mädchen. Cedime: Ich habe Hafer. Ich habe Erbsen. Ich mache es wieder stark! Gunda: Geh! Cedime: Ich brauche das Geld! Gunda: Hier, nimm das – und jetzt bringe dich in Sicherheit. Ein Schuss fällt und Cedime geht zu Boden. Keikin geht mit einer Balestrina in der Hand auf – oder mit einer rauchenden Vorderladerpistole, wie man mag. Keikin sieht sichtbar geschockt aus. Keikin: Das wollte ich nicht. Wie konnte das passieren? Jetzt ist sie kaputt. Warum hast du mich das tun lassen? Gunda: Du Monster! Keikin: Bilde dir nicht ein, dass ich dir nichts tun werde, weil du nett zu mir warst. Immer, wenn die anderen über mich gelacht haben, wenn sie mich vertreiben wollten, hast du dich besser gefühlt. Die liebe Gunda, der ich beibrachte, Spuren zu lesen und zu verwischen, wollte die erste Jägerin des Heerbanns werden. Dein Neid war schlimmer als all der Spott. Gunda: Das ist nicht wahr und das weißt du. Keikin wirft Gunda die Balestrina zu Füßen und greift nach einer zweiten. Keikin: Die Götter sollen entscheiden. Keikin und Gunda stellen sich zum Showdown gegenüber, starren einander eine Zeitlang an und ziehen dann ihre Waffen. Gunda ist schneller: Sie schießt und Keikin geht zu Boden. Einen Moment lang herrscht Stille, doch gerade als sie sich abwenden möchte, steht Keikin wieder auf – getroffen, aber völlig unverletzt. Gunda: Das glaube ich nicht. Keikin zieht ihre Waffe und erschießt Gunda. Dann tritt sie auf die Leiche zu, zieht währenddessen ihren Dolch und die Bühne wird dunkel. Akt 5, Szene 7 – Freyas Zimmer / Zigeunerlager Sancide kehrt mit einem Tablett mit einem Teeservice bestehend aus Teekanne, zwei Tassen und einem Kännchen Sahne zu ihrem aufgeschlagenen Buch zurück. Turike erscheint im Vordergrund im Gewand einer Bardin, während eine reisende Gauklergruppe im Hintergrund rastet. Gorn, ein Zwerg, folgt ihr. Gorn: Meine Blume, wohin verweht es dich? Komm doch zum Lager zurück und spiele weiter Fünfass mit uns. Turike: Mir war, als hätte ich jemanden durch das Gesträuch schleichen sehen. Keikin geht am Bühnenrand auf. Sancide: Keikin, da verstand ich eines: Nicht du hieltest mich in dem Käfig, ich selbst war es. Wenn ich die Türe öffnen wollte, dann brauchte ich keine Rettung, sondern Mut. Ich musste sie nur berühren und überwinden, was uns trennt. Da wusste ich auch, dass ich von diesem Ort nicht mehr fortwollte, im Gegenteil: Ich wollte tiefer hinein. Keikin wendet sich ab und blickt zu Sancide hinüber. Turike kehrt derweil mit Gorn ins Lager zurück. Keikin: Träumtest du das tatsächlich? Sancide: Nein. Komme doch trotzdem vorbei. Es gibt Tee. Sancide steht auf, um das Buch zurück ins Regal zu schieben, während Keikin langsam zu ihr herübertritt – sichtbar blutverschmiert und eben solche Abdrücke hinterlassend. Während Sancide sich setzt und Tee einschenkt, wandert Keikin im Zimmer umher. Sie entdeckt das abgedeckte Bild, blickt hinter das Tuch, schaudert und deckt es dann wieder ab. Keikin: Es tut mir leid. Ich wollte es nicht. Sancide: Ich weiß. Es ist dir verziehen. (Pause) Wen hast du dir ausgewählt? Gunda? Keikin: Ja. Sancide: Armes Mädchen. Ich mochte sie. Du doch auch, nicht? Keikin: Ja. Sancide: Trinken wir auf sie. Auf Gunda. Beide stoßen an und nippen an ihrem Tee. Black. Akt 5, Szene 8 – Steineichenwald, Stadt Neu-Freiheit Die Siedlung besteht aus Baumhäusern, Strickleitern und einer zentralen Lichtung, auf der das Alltagsleben eines Räubers stattfindet. Ein Trupp geht gerade auf: Buchner an der Spitze, eine gefesselte und dank eines Tuchs blinde Freya hinter sich herziehend, und einige Räuber hintendran. Sie treffen dort Cassius, eine Halbelfe im (mitgenommenen) Ornat einer Peraine-Priesterin und Anführerin der Schar. Buchner: Schau, was wir im Wald gefangen haben. Hübsches Weib. Sagte, sie wollte reden. Freya: Ich bitte um eine Audienz. Buchner: Ich würde sagen, die ist ein hübsches Lösegeld wert. Cassius: Trottel! Erkennst du sie nicht? Mach sie los! Zauberin Freya, unsere Freundin. Verzeih die Umstände, doch wir sind kein Königshof mehr. Freya wird währenddessen befreit. Cassius: Ich darf euch vorstellen: Freya, Hofmagierin unseres ehrenwerten Kasparbalds und Heldin im Sappenstielkrieg. Sei uns willkommen in der Stadt Neu-Freiheit und unter denjenigen von uns, die sich nicht dem Despoten unterwarfen. Ich bin Isdira Cassius und leite führe unsere Gruppe durch diese dunkle Zeit. Freya: Danke. Ich muss euch jedoch warnen: Mir sind zwei gefährliche Söldner auf den Fersen. Cassius: Wir geben auf dich acht. Möchtest du bei uns bleiben? Freya: Ich bin auf der Suche nach Mineda. Wisst ihr, wo sie sich befindet? Cassius: Du verpasst sie um einen Mond. Sie sucht im Norden Andergasts nach einem Ort, den sie ‚Mugolsfall auf alten Mauern’ nannte. Ich kann dir leider nicht sagen, warum. Freya: Das liegt nicht auf meinem Weg. Wenn sie zurückkehrt, schicke sie bitte ins albernische Dela zur Hütte einer Freundin. Sie wird sich erinnern. Cassius: Gerne. Nun speise doch mit mir. Buchner wird derweil nach passender Kleidung für dich suchen, denn ich denke, die brauchst du dringend. Freya und Cassius gehen gemeinsam ab. Akt 5, Szene 9 – Zigeunerlager / Freyas Zimmer Die Szene ist wieder parallel aufgebaut: Auf der einen Seite sitzt Sancide noch beim Tee (allein, doch in gleicher Aufstellung), auf der anderen sitzt Turike auf dem Boden – ein Schnitt durch die Kehle führte ihren Tod herbei. Dann geht Gorn in ihrem Rücken auf. Gorn: Mein reizendes Fräulein, jetzt ziere dich nicht so. Ich weiß es ja auch. Ich habe meine Lektion gelernt. Ich hätte nicht gleichzeitig trinken und spielen sollen. Das ‚Voll dabei’ war dann wirklich die dümmste Idee… hätte ich denn ahnen können, dass du fünf Asse auf der Hand hast? Nun lass es damit gut sein und gib mir meine Hose wieder. Wir können sonst nicht aufbrechen. Ja, ignoriere mich nur, du dumme Schnalle. Die Götter werden dich noch für deinen Hochmut strafen! Dieser Teil wird dunkel. Sancide: Keikin! Keikin! Keikin! Keikin tritt auf und setzt sich wieder an ihren Platz. Sancide: Du stinkst nach Blut! Wer war es diesmal? Keikin: Turike. Sancide: Armes Mädchen. Keikin: In der Tat. Sancide: Erinnerst du dich daran, wie unsere Reise begann? Da standen wir beide gegen den gesamten Orden der Grauen Stäbe. Sie sperrten uns den Weg nach Greifenfurt, also täuschten wir einen Marsch auf Enqui an, tauchten in Andergast auf und stießen Nerva von seinem Thron. Keikin: Das war schön. Sie waren wie Kinder in den Netzen einer Riesenspinne. Sancide: Als du meinen Formlosen Bund in den Heerbann des Wahren Kaisers verwandeln wolltest, kam ich dir entgegen, und ich führte mit dir gegen Atim-Suraq Krieg. Ich stand dir bei, als die Stimmen gegen dich laut wurden, und nun bitte ich dich: Höre auf damit. Vernichte nicht unser Werk. Keikin: Es tut mir leid. Ich wünschte, ich müsste es nicht tun, und ich sterbe bei jedem Mord ein wenig selbst mir. Atim-Suraq wünscht, dass du in seine Dienste trittst. Solange dies nicht geschieht, kann ich nicht aufhören. Black. Akt 5, Szene 10 – Honingen, Rahja-Tempel Freya und Telisa, eine alte Freundin von ihr, sitzen in den klassisch roten, dünnen Seidenroben auf einer Liege des frisch eingeweihten Honinger Rahjatempels und trinken Wein, während im Hintergrund ein Spielmann der Göttin seine Kunst präsentiert. Freya: Nun gib mir schon endlich die Absage. Telisa: Die Gräfin wies mich an, etwas von einer Seuche zu erzählen, doch du kennst die Wahrheit: Wir möchten keinen Krieg mit Atim-Suraq. Allerdings bekommst du ein Pferd und frische Vorräte, während wir deine Verfolger bei jedem Tor und Zollposten sehr genau kontrollieren. Freya: Danke dir dafür. Das ist mehr, als ich zu hoffen wagte. Telisa: Ich fühle mich trotzdem schlecht. Wenn ich daran denke… vierzehn Jahre ist es her? Freya: Ja. Verrückt, nicht wahr? Telisa: Wenn ich nur daran denke. Hätte dein Vater nicht verboten, dass mein Meister dich bei sich aufnimmt… Ich war ganz schön einsam ohne dich, weißt du? Freya: Ich wäre gerne bei dir geblieben. Ich mag es hier. Was hast du eigentlich getan? Telisa: Ich habe mir in Nostria mein Siegel geholt, war vier Jahre lang bei den Mephaliten und bin jetzt seit vier Jahren am Hofe der Gräfin Franka. Außerdem bin ich verheiratet… leider. Freya: Ich bin eine reisende Heldin und mein Verlobter ist tot. Nostriotin... Telisa: Andergarstige. (beide lachen) Denkst du auch manchmal zurück? Freya: Mein Leben ist gerade ein Alptraum. Ich möchte nur noch erwachen. Black. Akt 5, Szene 11 – Freyas Kammer / Praiosplatz, Ferdok Die Szene ist wieder doppelt: Sancide sitzt weiterhin beim Tee, während Lorana wartet. Keikin tritt ihr entgegen. Lorana: Du wagst es wirklich! Das hätte ich nicht gedacht. Keikin zieht eine Haarsträhne Turikes aus dem Gewand und lässt sie im Wind verstreuen. Lorana: Das wirst du büßen. Frauen! Männer! Ferdoks Lanzenreiter! Panthergarde! Gischtreiter-Ottajasko! Zwergenkrieger der Ingrakuppen! Der Feind ist da! Ein gigantisches Aufgebot aus Ritterinnen, Gardekriegern, Thorwaler Axtkriegern und Zwergen marschiert auf und greift geschlossen Keikin an. Dann wird diese Seite dunkel. Sancide: Keikin! Keikin! Keikin! Keikin tritt zu Sancide hinüber. Keikin: Lorana schlug ihre letzte Schlacht. Sie war ebenso tapfer wie dumm. Sancide gießt sich Tee ein und leidet spürbar darunter, sagt aber nichts. Keikin: Ich weiß nicht, ob ich sie mochte. Ich fühle nichts mehr. Sancide: Lasse es nicht so enden. Keikin: Du hast die Wahl… nein, verzeih, du hast sie nicht. Nur Atim-Suraq wünscht sich dein Weiterleben – und wen kümmert noch Atim-Suraq? Sancide: Wer ist die nächste? Keikin: Als wüsstest du es nicht. Sancide lässt die Tasse fallen und rennt aus dem Zimmer. Akt 5, Szene 12 – Andergast, Königsburg, Latrine Sancide zieht sich zurück: Es kann sich dabei entweder um ein (Männer-)WC oder ganz direkt um ein einziges, enges Latrinenhäuschen handeln. Keikin geht auf. Sancides Auftreten veränderte sich vollkommen, sie ist deutlich selbstbewusster. Sancide: Ach, Keikin, Keikin, Keikin. Lass uns nicht Linas Kammer entweihen, wenn wir ein anderes Ende finden. Keikin: Ich bin unbesiegbar. Sancide: Ich möchte dich gar nicht besiegen. Verstehst du, worauf ich hinaus möchte? Keikin: Nein. Sancide: Keikin! Ich weiß schon lange, wer und was du bist. Ich weiß von Asfaloth, deiner Herrin. Ich weiß auch, was mir versprochen wurde: Der erste Pfeil würde mich warnen, der zweite in den Rücken treffen und so weiter. Da dachte ich mir: Löse ich es doch auf, indem ich nicht verraten werde. Biete ich dir an, was du willst, und reiche ich dir meine Hand statt meiner Faust. Keikin: Ich habe meine Befehle. Sancide: Keikin! Hast du nicht die reinen Seelen derer gespürt, die du umbrachtest – und die dir entgingen, weil sie als Heldinnen starben? Wir haben ein ganzes Feld davon gepflanzt – eine ganze Ernte, über deren Seelen ich verfüge. Möchtest du sie nicht haben? Würde das deine Herrin nicht zufrieden stellen? Keikin: Die Möwe fliegt. Sancide: Keikin! Ich verlange nicht viel: Bringe mich zu deiner Herrin, löst euer Bündnis mit Atim-Suraq und zuletzt: Ziehe mit mir in den Kampf. Lass uns unsere Reise zu Ende bringen und den falschen Gott zerquetschen! Keikin ergreift Sancides Hand. Gemeinsam treten sie den Niederhöllen entgegen. Keikin: Ich war stolz auf mich. Sancide: Das darfst du auch sein. Du warst eine fantastische Verführerin. Allerdings bin ich kein braves Mädchen – das war ich nie. Black. Akt 5, Szene 13 – Dela, Takeas verfallenes Hexenhäuschen Freya geht auf, während Drajin mit aufgeschlitzter Kehle, doch der Armbrust noch in der Hand, auf dem Boden liegt. Sie sieht sich um. Freya: Corsaia! Takea! Wunderschöne Elfe und strahlender Held? Nach einer Weile tritt Rinn aus dem Schatten. Rinn: Ich bin es bloß. Freya: Wo sind sie? Sie sind doch längst hier. Rinn: Sieh dich doch um. Wen erwartest du, hier zu finden? (sie sieht Freyas Blick zur Leiche) Mache dir keine Hoffnungen. Ich habe ihn getötet. Ich kannte seine Befehle nicht. Freya: Warum tust du mir das an? Rinn: Was habe ich dir denn angetan? Ich war nicht die Zauberkönigin, die du dir erträumtest, das stimmt. Ich konnte es nicht sein. Zu gerne hätte ich mich von dir weiter massieren lassen, doch die Zeit gibt es nicht her. Freya: Sei still! Rinn: Ich möchte mit dir reden. Der Geist in deinem Stab sagt mir, dass ich deine Hilfe brauche, und tatsächlich, die brauche ich. Ich muss in meine Heimat zurück, damit ich mit einer Armee zurückkehren kann. Du musst hier nach den Resten meiner Armee suchen – und du musst dich zu mir bekennen. Aus irgendeinem Grund ist das sehr wichtig. Freya: Ich will nur noch, dass es vorbei ist. Rinn: Ich mache alles wieder gut, das verspreche ich. Ich gebe dir deinen Panzer und deinen Stab zurück. Du wirst wieder die Heldin Freya sein, vor der deine Feinde zittern, strahlend und unbesiegbar. Klingt das nicht gut? Dann halte ich mein Wort. Rinn dreht sich um, um den Panzer auszuziehen. In dem Moment fällt ihr Blick auf Drajins Armbrust: Sie greift sie sich, schießt sie ab und reißt Rinn damit zu Boden. Rinn: Was tust du da? Du machst alles zunichte. Freya: Friss Sand! (sie wirft die Armbrust davon und zeigt immer wieder auf Rinn) Ignifaxius! Ignifaxius! Ignifaxius! Ignifaxius! Nichts geschieht. Freya greift Rinn an den Gürtel und zieht Tarris Klinge. Dann sticht sie auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührt. Black. Kapitel 6: Freya in: (26) 777 (Karte: Weltfülle, umgekehrt) ----------------------------------------------------------- Akt 6, Bild 4 – Die Hochzeit des Wahren Kaisers Dieses Bild zeigt eine riesige Menge, anwesend, um zu feiern, und sieht man von Freya, Sancide, Mineda und Marja ab, kann wirklich jeder darunter sein, den die Geschichte nicht für tot erklärte. Jannis tritt vor und klärt das Publikum auf. Jannis: Menschen des ganzen Derenrunds, hört mir zu, denn ich habe Großartiges zu verkünden: Der Zwist der Götter ist beigelegt. Die Ewigen Zwölf sind unteilbar und ewig und werden es wieder sein, da sich Atim-Suraq als Geringster aller Minderen Götter, kaum mehr als ein Heiliger, in Praios’ Gefolge einreiht. Die Provinz Alveran ist damit befriedet. Der Wahre Kaiser der Menschen, denen in neuer Zeit die Götter dienen, hält eine Hochzeit und feiert seine Vermählung mit einer Tochter der Allweisen Hesinde zur Bekräftigung der Eide. Das größte je erdachte Fest wird würdig die neue Zeit einläuten. Rufus trat währenddessen auf, unter seinem etwas zu engen Frack leidend. Sein Verhalten ist durchgehend ruhig und freundlich. Rufus: Erzählst du bitte noch, dass alles gut endete und keinerlei vorgebliche Heldinnen meine Pläne störten? Jannis: Natürlich. (zum Publikum) Damit war die Geschichte erzählt und er lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende aller Zeit. Rufus: Danke sehr. Keikin! Keikin geht, eine Maschinenpistole führend, auf und erschießt Jannis. Rufus: Das waren doch schöne Abschlussworte. Danke dir. Rhian geht in einem Brautkleid in Hesindes Farben (Gelb- und Grüntöne) auf. Sie ist irgendwas zwischen acht und achtzehn, ganz wie der Regisseur es wünscht. Rufus: Aufgeregt? (sie antwortet nicht) Ganz ehrlich, deine Base wäre mir lieber gewesen, aber ich bin sicher, ich werde ihn heute Nacht irgendwie in dich reinbekommen. Rhian: Töte mich. Rufus: Es ist ganz natürlich, Veränderungen zu fürchten. Sind sie jedoch geschehen, merkt man, dass das Leben weitergeht. Vertraue auf uns, dann können wir ein glückliches und gesundes Paar werden. Zwölf Vertreter der Götter treten in ihrem Rücken auf. Sie sprechen in Vierergruppen. Vertreter von Praios, Rondra, Efferd, Travia: Freut euch! Ihr Gesegneten! Vertreter von Boron, Hesinde, Firun, Tsa: Das ist Liebe! Das ist Glück! Vertreter von Phex, Peraine, Ingerimm, Rahja: Wir wünschen euch Reichtum! Wir wünschen schöne Kinder! Rufus nimmt von Rahjas Vertreter eine Rose entgegen, taucht sie in Jannis’ Blut und übergibt sie Rhian. Alle Vertreter: Wie herrlich! Wie romantisch! Rufus: Ihr seid süß. Kämpft gegeneinander bis in den Tod! Derjenige von euch, der zuletzt noch lebt, hat seinen Gott als meinen Trauzeugen bestimmt. Die Vertreter beginnen zögerlich, dann jedoch immer entschlossener, gegeneinander zu kämpfen. Rufus interessiert es nicht. Er empfängt die nächsten Gäste. Vier Kaiser gehen auf. Sie beherrschen das Land, den Menschen, das Gesetz und die Hoffnung – ihnen sollten offizielle NSCs zugeordnet werden, doch die genaue Zuordnung kann sehr willkürlich geschehen. Erster Kaiser: Mein ist das Land des Derenrunds. Bitte belehne mich damit. Zweiter Kaiser: In meinen Händen liegt das Wohl der Menschen. Bitte belehne mich damit. Dritter Kaiser: Meine Stimme gebietet über Anstand und Sitte. Bitte belehne mich damit. Vierter Kaiser: Alles, was ich tue, ist, in der dunkelsten Stunde noch an die Erlösung zu glauben. Bitte belehne mich damit. Rufus: Die Welt dient nur einem Herrn, so seid ihr nun bloße Könige. Auch brauche ich euch nicht alle. Keikin! Erschieße zwei von ihnen – irgendwelche. Der Rest ist belehnt. Ein riesiger Kinderchor geht auf. Er wird von Elgarath und Lilim geführt. Diese sprechen im Chor. Elgarath und Lilim: Dies ist ein Fest. Wir möchten singen. Rufus: (zu Rhian) Magst du Gesang? Rhian: Töte mich. Rufus: Mir ist’s auch ziemlich gleich. Keikin, die hier wollen auch weg! Keikin erschießt den Chor. Nun treten vier Edelleute vor, die reiche Geschenke bringen. Allerdings wird diese Zeremonie durch Marinna (Amazonen-Herrin des Heerbanns und deshalb in typischer Gewandung; sie wird von Rinn gespielt) und der unendlich erscheinenden Streitmacht des Heerbanns des Wahren Kaisers unterbrochen. Rufus: Schön, euch zu sehen. So muss ich diesen Herren nicht erklären, dass alle Schätze schon von Rechts wegen Eigentum des Kaisers sind. Ich schätzte trotzdem deren Mut. Marinna, nicht wahr? Ich bin froh, dich zu treffen. Magst du nicht den Feldzug gegen das Elfenland anführen? Marinna: Für Sancide! Anlegen! Zielen! Schießen! Rufus: Ich bin unsterblich und unbesiegbar, wisst ihr das nicht? Wenn du es aber so willst: Keikin, töte sie alle! Im nächsten Moment sind Marinna und ihre Armee vom Erdboden verschwunden. Keikin tötet mit schnellen Schüssen die gesamte Gesellschaft. Rufus: Warte! Nein! Keikin entleert ihre Waffe in die Reihen des Publikums. Rufus: Du missverstehst mich. Keikin erschießt Rhian. Rufus: Wenn du denn so willst. Rufus zieht selbst eine Waffe und steht Keikin zum Showdown gegenüber. Von den Gästen ist niemand mehr am Leben. Black. Akt 6, Bild 4 – Kryptopolis Das Bild zeigt eine pulsierende Großstadt – Automobile und Schienenfahrzeuge quälen sich durch die engen Schluchten, die ihnen Giganten aus Beton und Glas übrig gelassen haben. In einer nahen Fußgängerzone drängen sich Menschen von einem schimmernden Warenhauseingang zum anderen. Dieses Gedränge wird vom Autor der Geschichte allerdings bloß am Rande wahrgenommen: Mit einem Bratwurstbrötchen in einer Hand und einer Zigarette im Mund steht er am Rand und erleichtert sich an einem Bauzaun. Schließlich dreht er sich um und zeigt dem Publikum eindrucksvoll, wie schwierig es doch ist, mit einer Hand den Hosenlatz zu schließen und dabei Senfflecken vom Inhalt der anderen Hand zu vermeiden. Freya geht auf, absolut fehl am Platz. Ghaldak: Na, Kleine? Bist du neu hier? Ich kann dir die Stadt zeigen. Freya: Ich komme aus Kuslik. Ghaldak: Dann… Moment… müssen wir das noch einmal aufziehen. Gehe noch einmal auf, während ich an den Zaun zurückkehre. Dann: Zur Säule. Dann: Blick zu mir. Schaue mich an… mit einem Ausdruck zwischen Ekel und Lust, den Selbstekel zu überwinden. Ich drehe mich währenddessen um, schließe meinen Hosenstall und frage dich dann: ‚Möchtest du mal mein Würstchen kosten?’ Freya: Wenn’s sein muss. Sie geht noch einmal ein Stück weg, kommt dann wieder auf und steht dem Autor gegenüber. Ghaldak: Mann! Wie gerne wäre ich jetzt ein richtig geiler Bishi! Freya: Warum? Ghaldak: Dann würdest du mich wollen und wir könnten richtig Spaß miteinander haben. So willst du nicht und ich könnte dich zwar zwingen, doch das wäre nicht dasselbe. Verstehst du, was ich meine? Freya: Ich will es nicht verstehen. Ghaldak: Auch gut. Gehen wir einen Kaffee trinken? Dann kann ich dir ein paar Fragen beantworten. Freya: Das kannst du auch so. Wo bin ich hier? Ghaldak: Frankfurt? Yol-Ghurmak. Der Ort, an dem alles einen Preis, aber nichts einen Wert hat. Freya: Wie komme ich hierher? Ghaldak: Die Antwort musst du selber finden. Ich möchte dir lieber etwas zeigen. (zu zwei Passantinnen) Hallo, ihr beiden. Marie und Tamara gingen vorbei, jeweils mit passenden Einkaufstüten behangen. Tamara: Fick dich! Marie: Moment, ist das nicht…? Ghaldak: Ja, sie hat ein Shooting in der Stadt. Marie: Ich habe alle Ihre CDs. Tamara: Ich kenne alle Ihre Filme. Marie: Sprechen Sie überhaupt deutsch? Bienvenue à Francfort. Je suis très heureux. Je suis Marie. Je vous adore tellement. Tamara: Geben Sie mir ein Autogramm? Auf… (sie blickt schnell durch ihre Sachen)… auf meine Brüste? Daraus mache ich mir dann ein Tattoo. Ghaldak: Ehe das jetzt in eine Orgie ausartet – nicht, dass ich da etwas dagegen hätte –, sagt mir bitte: Wen habt ihr vor euch? Marie: Je n'ai presque pas vous reconnaître. C'est un rêve. Allons prendre un café? Tamara: Ist das wirklich...? Marie: Genau. Es ist… ach, der Name liegt mir auf der Zunge. Verflucht, das ist irgendwie… Verzeihen Sie mir. Ghaldak: (zu Freya) Sage ihnen bitte, sie sollen dich allein lassen. Freya: (unsicher) Danke, ihr beiden. Es war schön, euch kennen zu lernen. Marie und Tamara gehen kreischend ab. Freya: Was war das? Ghaldak: Eine reine Idee trifft auf eine ziemlich geistlose Welt. Ihr Instinkt sagt ihnen, dass du eine Göttin sein musst. Freya: Das hast du doch arrangiert. Ghaldak: Nun überlege dir: Was würde wohl passieren, wenn At… ähm, Asq diese Welt erreicht. Sie würde ihm zu Füßen liegen, wenn bloß sein Name fällt. Mit einem Mal ist es Nacht. Ghaldak: Du musst dich erneut auf die Reise begeben. Ich werde dir einen Führer zur Seite stellen, den du bereits kennst. Ich hoffe, ihr vertragt euch… … und gibst du mir einen Kuss? Freya gibt dem Autor ein schnelles Bussi auf die Wange. Ghaldak: Danke, Lina. Ich hätte es sonst wirklich bereut… und nun geh. Freya: Wohin? Ghaldak: Einfach aus dem Bild, das passt schon. .. oder möchtest du lieber einen Spiegel? Schaufenster könnten sich dafür eignen. Freya: Eines deiner rauchbaren Stückchen hätte ich gerne. Ghaldak: Hier, bitte. Feuer musst du dir aber selbst geben, sonst bricht mir dein Kerl die Hände. Freya steckt sich mit einem Feuerzeug unbeholfen eine Zigarette an und tritt durch ein Schaufenster in eine andere Welt. Der Autor sieht ihr dabei nach. Ghaldak: Nur rauchende Frauen sind echte Vorbilder. Im Ernst: Ich habe noch nie eine Nichtraucherin getroffen, die so etwas wie Persönlichkeit hatte. … und trotzdem schäme ich mich für den Kuss. Das hätte ich wirklich nicht tun sollen. Es wird zappenduster. Akt 6, Bild 4 – The White Knight: Corsy vs. Tamara Das Bild zeigt Freya und Corsaia, die gemeinsam aufgehen. Die folgende Szene sollte geteilt gespielt werden und wäre sehr gut auch als Let’s Play umzusetzen. Corsaia: Wie geht es dir? Freya: Ich fühle mich, als wäre ich gerade aus einem Alptraum erwacht. Es ist sonderbar. Corsaia: Dann ist ja gut, dass ich da bin. Bereit? Freya lässt sich auf einen Sitzsack fallen und greift nach einem Controller. Freya: Bereit. Wie geht es dir denn? Ging das mit dem Meister der Macht gut aus? Corsaia: Das war doch Teil 1, wir sind hier in Teil 4. Du kommst zurecht? Freya: Hoffentlich. Corsaia: Springen mit W, Attacke mit N, Parade mit S. O für Magie brauchst du nicht, denn in dem Stand, den ich vorschlage, habe ich mein Stirnband verloren. Freya: Klingt nicht zu kompliziert. Sie testet einmal die Tasten an, was Corsaia zu den genannten Bewegungen veranlasst. Corsaia: Wir könnten nun neu anfangen, oder aber (mit breitem Grinsen) wir nehmen den Spielstand, der uns vorbereitet wurde. Du hast doch nichts dagegen, Albi zu heißen? Freya: Nicht wirklich. Corsaia: Dann geht es gerade bergab. Wir müssen den Hang herunterrennen und uns gegen diese Pinguine zur Wehr setzen. W und S zusammen lassen mich ausweichen, weißt du? Freya: Nein, aber… Corsaia: Du machst das großartig. Ich mache das großartig. Wir sind einfach toll. Freya: Ja, ja… Worum geht es eigentlich? Corsaia: Nicht so wichtig. Die Handlung wird immer dümmer. Dem Geldkoffer ausweichen, hörst du! Freya: Würde sie trotzdem gerne wissen. Corsaia: Es gibt Supermenschen-Klon-Soldaten, die von Dämonen besessen werden. Der sind erledigt, der vierte herrscht über eine Dunkelelfen-Stadt unter der Eiskappe. Freya: Wie passen die untoten Hunde da rein? Corsaia: Gar nicht. Die sind noch aus Teil 3 übrig. Siehst du den Rauch da? Dort müssen wir hin. Freya: Kann ich eigentlich auch Takea treffen? Corsaia: Klar, kann flachgelegt werden. Freya: Ich möchte nur mit ihr reden. Corsaia: Dafür gibt es keine Mehrheit. Die Jungs wollen mich ficken sehen: Eine Blonde, das ist mein Liebling, eine Dunkelelfe in knappen Leder, eine Prinzessin auf dem Weg und Takea für die, die Mitleid haben. Braucht man aber nicht. Jetzt sieht sie geil aus. Zeit vergeht. Freya gibt Befehle, Corsaia führt die Bewegungen aus. Corsaia: Denke ans Töten. Freya: Warum sollte ich? Corsaia: Wen du nicht tötest, den kannst du nicht looten. Freya: Ich mag die. Scheint eine nette fünfköpfige Familie zu sein. Corsaia: Das sind Spielfiguren. Die kannst du töten, tut niemandem weh. Freya: Kann ich auch eine Frau spielen? Corsaia: Du kannst mit mir spielen! Hier und in deinen Träumen! Und jetzt pass auf, die Soldaten kommen. Wir müssen diese Meermänner mit Silberklingen für sie vermöbeln und von unserem Alkohol abhalten. Freya: Warum? Corsaia: Damit in der Zeit die Cops das Rauschgift in das Flugzeug schmuggeln können. Was wäre die hart arbeitende bürgerliche obere Mittelschicht ohne ihre Privilegien? Wir müssen ihnen entgegenkommen, immerhin bezahlen sie mit ihren Steuern unsere Angriffskriege. Freya: Langsam reicht es. Corsaia: Wollen wir nicht noch diese Höhle erkunden? Da gibt es eine tolle Zwischensequenz, in der wir eine nackte Nixe sehen. Brüste und Mondschein, das ist doch toll. Freya: Weißt du was? Mache doch alleine weiter! Das ist nicht mein Weg. Corsaia: Gehe nur. Du kommst wieder. Jetzt geht es mit dem Fallschirm herunter ins Meer. Bist du bereit, durch den Stahl zu brechen? Freya geht ab. Corsaia: Gut, dann mache ich es allein. N, S, S, S, W, W, S und… O! Durch! Er bleibt stehen und verschnauft für einen Augenblick. Dann geht eine kampfbereite Tamara auf. Tamara: Du suchst an der falschen Stelle. Möchtest du zum Rande der Welt? Hier findest du ihn nicht, denn zu deinem Schrecken sind wir weiterhin voll im Canon. Beide ziehen ihre Waffen und gehen aufeinander los. Es wird schwarz. Akt 6, Bild 4 – ASQs Reich Das Bild zeigt einen ramponierten Bahnwagen, der mit irrsinniger Geschwindigkeit durch die Nacht fährt. Nerva sitzt ziemlich einsam darin und Atim-Suraq, nur noch ein Schatten seiner Selbst, steht mit dem Gesicht zum Fenster und reagiert nicht. Fahrtgeräusche überlagern die Gespräche. Nerva: Hallo, Carro und Mineda von der Hand Borons! Hallo, Dejarra, aranische Zauberin. Warum seid ihr nicht hier zu diesem Treffen des Bunds der Goldenen Schlange? Der große General Atim-Suraq ruft schließlich seine Getreuen… und was für welche es sich. Ihr alle alten Recken. Ihr alle Vertreter einer neuen Generation… Bist du tot, Carro? Du Glücklicher. Bist du tot, Dejarra? Du Glückliche. Was ist mit dir, Mineda? Fielst du vom Glauben ab. Das taten wir doch alle. Niemand, der Atim-Suraq liebt, liebt Atim-Suraq. Er hat uns in diesen Dreck hineingezogen und ist zu erschlagen, tothauen sollte man ihn. Er sagte, er will uns nicht weiter hineinziehen. Das sagte er zu mir, genau. Wo bin ich jetzt? Warum bin ich hier? Wo ist mein versprochenes Königreich? Ich will sterben! Bitte, bringt mich jemand um! Gibt mir jemand die Hand! Lässt sich jemand Liebe fühlen, Hoffnung, Leben! Alles soll anders sein! Ich halte es nicht mehr aus! Er greift in seine Tasche und holt ein Klappmesser heraus. Dann beginnt er damit, die Sitzpolster aufzuschlitzen. Atim-Suraq dreht sich schließlich um und spricht ins Nichts. Atim-Suraq: Bürger dieser herrlichen Stadt, hört mich an! Senatoren, Grundherren, Bürger und Priester, ich mag ein Fremder sein, ein General des Reiches, doch ich bin einer von euch. In der Tat, nichts ist gerade so furchtbar, wie ein Elf zu sein. Furchtbare Menschen rauben uns im Süden unser Land, die Orks des Nordens sind wieder erwacht, im Osten finden die Verfluchten in den Sümpfen ein Heim und der Reichsfürst Rion im Westen ist schwach. Es ist wahr, die Hauptstadt musste aufgegeben werden und seine Linie musste in die Wälder fliehen. Noch besitzt er jedoch eine Armee, geführt von einem General, und als Solcher bin ich hier. Reicht mir die Hand, ihr Cithoren. Stehe Sethoy dem Tevoren, stehe Elf dem Elfen bei. Lasst mich euer Heim zu meiner Hauptstadt machen und eure Kräfte zu meiner Armee. Dann sehe ich goldene Tage auf euch zukommen. Rufus geht auf, gekleidet wie eine Mischung aus Kaiser und Schaffner. Rufus: Narren seid, ihr nichts als Narren, wenn ihr ihm folgt. Die Menschen von Neu-Gottesburg sind die Macht in dieser Zeit, denn ihnen gehört die Zukunft und euch bloß die Vergangenheit. Macht sie euch nicht zu Feinden, oder euch wird Gleiches widerfahren wie den alten Herren dieses Landes und Elf soll nur neben Elf verrotten. Gibt es keinen Kaiser, so mag ein General zum Kaiser werden, doch herrscht einer prunkvoll und mächtig, so tragen seine Amtleute nicht einmal Namen. Richtet Euch hier nicht ein, Vernal! Richtet hin. Der Cithorengeist muss gebrochen werden, einfach weil er da ist und ich keine Wahrheiten außer meiner dulde. Schluss mit dieser Jammervorstellung! Ich will nichts mehr von dir hören außer Erfolge in meinem Namen. Und du: Gehe töten oder sterben. Gib mir einen Grund, dich wahrzunehmen, oder tritt mir aus der Welt. Rufus geht ab. Es wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Pornoszene Das Bild zeigt einen Porno: Freya und Corsaia, nun nicht von Rinn gespielt, sind auf einem Schreibtisch bei der Sache: Sexy Sekretärin mit Corsage unter dem Blazer trifft auf ihren erstaunlich gut gebauten Boss im Anzug. Dann ruft sie: „Halt!“ und das Bild wechselt zur Produktion: Kameramann, Tonassistent und Beleuchter werden sichtbar, gehen aber sofort anderem Kram nach und auch Corsaia wendet sich, sich eine Zigarette ansteckend, ab. Zu Freya treten dafür zwei andere Personen, nämlich eine Maskenbildnerin (von Rinn dargestellt), die Freya wieder herrichtet, und die wenig begeisterte Regisseurin, die sich zu ihr setzt. Freya: Bitte, ich kann das nicht. Regisseurin: Mädchen, was ist dein Problem? Freya: Mein Poloch tut immer noch so weh. Regisseurin: Dafür kann ich doch nichts. Das war der Rufus, der uns vorher nicht Bescheid gegeben hat. Freya: Dagegen sage ich ja nichts. Es geht nur einfach nicht mehr. Können wir nicht küssen, kuscheln und zusammen einschlafen? Regisseurin: Ach, Mädchen… wie heißt du doch gleich? Freya: Freya. Also eigentlich Lina. Regisseurin: Ach, Lina. Niemand möchte das machen, was wir tun, aber trotzdem muss es getan werden. Ich habe ein Konzept für Schillers „Jungfrau von Orléans“ in der Schublade liegen und ein paar gute Ideen für den „Guten Menschen von Sezuan“. Es sind Geschichten von starken Frauen, doch leider möchte das niemand sehen. Deshalb drehe ich Pornos. Zigarette? Freya: Ich rauche nicht. Die Regisseurin lässt sich von Corsaia Glimmstängel und Feuer geben. Regisseurin: Aber es stört dich auch nicht, oder? So ist halt das Theater, will niemand sehen. Die Crux ist bloß die Illusion der Regisseurin: Die nämlich denkt sich, sie hätte es geschafft und dürfte endlich Geschichten erzählen. Damit liegt sie leider falsch. Höre zu, die Menschen sagen zwar, dass sie gefordert werden möchten, aber alles, was sie wollen, ist Lob. Sie wollen sich klüger fühlen als du – und wehe, du kommst dem nicht nach. Dann wird geschrieen. Deshalb drehe ich Pornos. Da fragen sich die Leute nicht, ob sie deiner Moral zustimmen können oder du etwas falsch gemacht hast. Da greifen sie in die Hose und holen sich einen runter. Ach, sage mir, dass du verstehst, was das für dich bedeutet. Freya: Ich weiß es nicht. Regisseurin: Es wäre so schön gewesen. Lina, es geht alles um Sympathiesteuerung. Gleich ob es um dich geht oder die Rolle, die du spielst, - und die Übergänge sind, wie du weißt, fließend –, du musst die Leute an deiner Seite haben. Du musst erreichen, dass sie sich deinen Erfolg wünschen, und das passiert, indem du ihnen etwas bietest. Die Szene mit Rufus war schön, aber er ist zu jung, also können wir sie nicht verwenden. Dann bleibt nur noch diese Lesben-Szene, ebenfalls wunderbar. Du magst es mit Frauen, oder? Freya: Ja. Regisseurin: Das spürt man. Mir gefällt das. Leider ist das in Summe noch zu wenig. Du musst mehr bieten – und dazu muss dieser Schwanz in deinen Arsch. Das finden die Kerle da draußen nämlich richtig geil. Tust du mir den Gefallen? Freya: In Ordnung. Regisseurin: Danke, Mädchen. Du bist so schön lieb. Mache weiter so und du bist auch für meinen fünften Teil gebucht… und jetzt lutsche ihm seinen Schwanz wieder steif, dann kommen wir zeitig nach Hause. Freya: Danke sehr. Regisseurin: (in die Runde) Los, in Position! Wir machen weiter! Wieder tritt hektische Betriebsamkeit am Set ein und all jene, die ihren Posten verließen, kehren dorthin zurück. Das Bild wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Provinz Alveran Das Bild zeigt ein Tor: Rinn steht davor, stolz ihre beiden identischen Kurzschwerter schwingend, und wacht. Rinn: Wenn mir das Ende einer Geschichte nicht gefällt, dann nehme ich es nicht hin. Dann höre ich auf, zu lesen, und blättere nur noch durch, ob es denn Bilder gibt. Bilder sind schön, denn selbst in eine brennende Stadt kann man sich Heldenmut und Hoffnung hereinträumen, und selbst Reiche kehren zu neuer Pracht zurück, wenn man einfach nur die Reihenfolge ändert. Blicke ich nun auf dieses Tor, sehe ich dahinter Götter, die angestrengt beraten, wie man das Volk der Menschen dem Wahren Kaiser wieder entreißen kann. Sie werden ihren Admiral vorgeladen haben und ihre Flotte mit Goldenen Segeln an die Küste befohlen. Im Hafen von Teleam Isaru werden Flüchtlinge entladen und Truppen aufgenommen. Bald schon wird alles wieder gut werden. Keikin geht auf, ein Maschinengewehr mit sich führend, doch unfähig, zu sprechen. Rinn: Trauriges Geschöpf! Versuchst du es? Du kannst an mir nicht vorbei. … aber was warne ich dich? Lasse ich dich lieber meine Flügel spüren. Werde Zeuge meiner ganzen Macht! Rinn stürmt auf Keikin zu, die wiederum ihr Gewehr in Stellung bringt. Der Blick verschiebt sich durch die Tür und damit in eine Sauna, in der Praios und Hesinde (dargestellt durch wenig beeindruckende Teenager) in Endlosschleife ein Stück proben. Atim-Suraq sitzt nur mit einem Handtuch bekleidet daneben, während Sancide ebenfalls in einem Handtuch aufgeht. Das Stück (in Endlosschleife und von Bewegungen und Laufwegen begleitet) sieht so aus: Praios: Das ist… Hesinde: Schändlich. Praios: Scheußlich. Hesinde: Ein Skandal. Praios: Die armen Narren, die denken, der Fürst der Götter hätte dem namenlosen König zu dienen… Hesinde: Sie ahnen nicht, wie schlimm es wirklich ist. Praios: Ein geheimes Unterwasserechsenkönigreich im Golf von Grangor, ein magisches Astralgift und geheime Technologie aus dem Borbaradkrieg. Hesinde: Tut das nicht weh? Praios: Manchen Menschen nicht. Hesinde: Uns schon. Praios: Frevel. Hesinde: Unverschämtheit. Praios: Nur leider unabänderlich. Wir sind zu schwach. Wir müssen uns fügen. Hesinde: Mir blutet das Hirn, wenn ich nur davon höre. Muss ich es wirklich sehen? Gibt es keinen Ausweg? Da die Antwort darauf fehlt, fangen sie daraufhin immer wieder von Anfang an und nehmen auch die beiden anderen nicht wahr. Sancide: Ehrwürdige! Atim-Suraq: Praios und Hesinde zum Gruße, Sancide! Sancide: Du! Atim-Suraq: Ja. Du trägst mein Handtuch. Sancide: Das kann nicht sein. Atim-Suraq: Und ich deines. Schau her: Goldgelber Stern auf Schwarz bei mir und goldgelbe Schlange im Dreieck bei dir. (Pause) Sollen wir tauschen? Sancide: Alles, nur das nicht. (zu den Göttern) Höchstwürdige, bitte! Atim-Suraq: Setze dich doch neben mich. Sancide: Die Lage ist ernst unter den Menschen. Wir brauchen Euch – oder alles ist verloren. Atim-Suraq: Was denkst du, wie lange ich das schon versuche? Wir könnten Kinder zeugen, bevor sie uns bemerken. Wir könnten diese Kinder sogar aufziehen. Sancide: Wir beide? Nein! Atim-Suraq: Du kannst dich immer noch zu mir setzen. Sancide blickt die Götter noch eine Weile an und gibt dann vorerst auf. Sie setzt sich neben ihn. Atim-Suraq: Ich weiß, was du denkst. Du fragst dich: ‚Dafür habe ich mich durch die Niederhöllen gekämpft?’ Ich kann es dir nicht verübeln. Sancide: Ich werde nicht an dich glauben! Atim-Suraq: Das ist schade. Ich hätte dich gerne in meinen Reihen begrüßt, die schöne Freya… Leute halt. Ich habe gehasst, was ich bekam. Sancide: Erwarte dafür kein Mitleid von mir! Atim-Suraq: Vergib mir den Tod deines Bruders. Sancide: Geschenkt. Atim-Suraq: Ist es jetzt vorbei? Sancide: Für dich schon! Keikin! Keikin! Keikin! Das Tor bricht auf und Keikin tritt herein. Mit einem Lasergewehr zielt sie auf Atim-Suraq, der panisch von der Bühne rennt. Ein Schuss folgt ihm, ehe ihm auch Keikin hinterher geht. Während die Götter ungestört ihrem Skript folgen, hebt Sancide das heruntergefallene Schwarzgilden-Handtuch vom Boden auf. Es wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Tempel der gefallenen Götter Das Bild zeigt zwei abgebrochene alte Säulen und einen Brunnen in der Mitte, den eine Inschrift ziert: Stein und Staub, dem Sinn beraubt, Staub und Stein, kann nichts sein. Freya geht – im Elfengewand der zweiten und dritten Staffel gekleidet und den Zauberstab mit sich führend – auf. Sie nimmt einen Schluck vom Wasser des Brunnens, würgt es wieder aus und bemerkt Jandora, die aus dem Schatten tritt. Diese wird vor ihr niederknien. Jandora: Herrin! Verzeiht mir! Ich irrte in allem! Die Zauberkönigin fuhr in die Niederhöllen herab, ihre Armee ist geschlagen und es gibt keinen Funken Hoffnung mehr weit und breit. Ich wollte Euch, ohne es zu wissen, in Euer Verderben führen. Freya: Verzeih du mir, Geist. Ich ließ dich nie die Wertschätzung spüren, die ich für dich empfinde. Jandora: Ich verdiene sie nicht. Eine schlechte Dienerin ist nichts wert, weniger als ein toter Hund. Freya setzt sich vor den Brunnen. Freya: Wir alle scheitern. Wichtig ist allein, wieder aufzustehen. Komm, setze dich zu mir. Isst du? Trinkst du? Brauchst du Liebe? Jandora: Euch du dienen ist mein größtes Glück. Jandora setzt sich zu ihr. Zeit vergeht. Freya: Verstehst du eigentlich irgendwas von dem, was gerade um uns herum passiert? Jandora: Nicht nur ein Leben wurde ausgelöscht, sondern ein Schicksal. Es ist gut, dass Ihr Euch davon löstet. Euer Leben ist wieder frei. Freya: Das ist schön. Jandora: Ihr könnt in die Welt zurückkehren. Auch unter dem Wahren Kaiser wird das Leben weitergehen. Für Euch… ganz gut sogar. Ich sehe zwei erstrebenswerte Möglichkeiten. Wollt Ihr sie hören? Freya: Bitte. Die Beleuchtung wandelt sich. Jandora: Ich sehe Euch in Andergast, wo Ihr von König Efferdan mit offenen Armen empfangen werdet. Während Ihr von der Stadt als Retterin und Heldin gefeiert werdet, wird er Euch als Reckin Ifirns in den Rat der Helden aufnehmen. Ich sehe auch in der Liebe eine glückliche Zukunft für Euch: Der Priester Wilbrecht wird Euch vor den Altar führen und zusammen werdet Ihr einen wunderbaren Sohn haben, Mataro. Eure Tochter Jandora hingegen wird nicht länger als neun Tage leben. Als die Rote Keuche Andergast erreichen wird, werdet Ihr mit heiligen Kräutern und der Weisheit der Druiden um jede Seele kämpfen und viele Leben retten, doch zu einem der letzten Opfer der Krankheit werden. Im Alter von 32 Götterläufen werdet Ihr mit Eurem ungeborenen dritten Kind bei der Asche Eures Vaters beigesetzt und von der ganzen Stadt betrauert. Wilbrecht geht auf und lehnt sich gegen die eine Säule. Jandora: Die andere Zukunft führt Euch in die neue Hauptstadt, wo Ihr als Freundin und Vertraute unseres neuen Kaisers an der Macht teilhabt, jedoch werdet Ihr sehr oft auf Reisen sein, gilt es doch das Monster zu bekämpfen, dass im Schatten der Ereignisse an Macht gewann. Letztendlich werdet Ihr euch zusammen mit Rufus und einem dritten Mann in die Niederhöllen aufmachen – und auch wenn Ihr dort sterben werdet, wird Euer Opfer die Seele einer Göttin mit neuem Licht füllen und sich alles, wirklich alles auf dem Derenrund, zum Guten wenden. Menschen werden Euch als Heilige verehren, nachdem Ihr gestorben seid – nach vier Jahren. Rufus geht auf und lehnt sich gegen die andere Säule. Freya blickt von einem zum anderen und zurück. Freya: Was denkst du? Jandora: Es sind sehr schöne Enden, eines für Euch als Heldin, das andere für Euch als Frau. Viele wären glücklich, mit Euch zu tauschen. Freya: Und… wie ist Wilbrecht so? Jandora: Wunderbar! Sehr verständnisvoll, sehr unterstützend, mutig, weise und – wie sage ich das am Besten? – jemand, mit dem Ihr Euch oft und gerne in den Laken wälzt. Freya: Ich möchte wirklich keine Heldin mehr sein. Freya steht auf und tritt langsam auf Wilbrecht zu, der sich sichtbar freut, ehe sie innehält. Freya: Was ist mit San? Jandora: Sorgt Euch nicht. Den unaufhaltsamen Fall, der Eure Tutorin erteilt, hat sie redlich verdient. Freya dreht sich um. Freya: (zu sich) Ich möchte sie retten. (lauter) Ich möchte sie retten! Gib ihr das Beste, was sie bekommen kann. Das hat sie sich nämlich verdient. Jandora: Dann ist ihr Schicksal nicht entschieden, doch ich kann nicht versprechen, dass es gut wird. Es kann sehr schnell enden – für Euch beide. Mögt Ihr nicht doch lieber einen der Herren? Freya: Es ist mein Wille. Sage mir nur: Kannst du ihn gutheißen? Jandora: Voll und ganz, Herrin. Voll und ganz. Die Herren gehen in unterschiedliche Richtungen ab, während es dunkel wird. Akt 6, Bild 4 – Stahlweide am Ende der Welt Auf diesem Bild wurde die Schlacht bereits geschlagen. Eine riesige Armee wurde besiegt – dabei ist völlig gleichgültig, ob es sich um die Reste des Heerbann des Wahren Kaisers, der bunt gemischten Truppe der Goldenen Schlange, den Unbesiegbaren Legionen mit ihren Panzern, Raumschiffen und Todessternen oder dem gesammelten Heer der Toten handelt – und Keikin ist nun dabei, von einem mit einem Sack über dem Kopf vermummten Gefangenen zum nächsten zu gehen und diesen mit einem Kopfschuss hinzurichten. Freya und Sancide hocken im Zentrum der Bühne, die Arme und Beine zusammengebunden und ebenfalls mit einem Sack über dem Kopf. Freya: Ich bereue es nicht. Sancide: Du bist ja auch dumm. Freya: Ich wusste, worauf ich mich einließ. Nach allem, was du für mich tatest und ich für dich, fühlt es sich nur so richtig an. Sancide: Wir haben nichts erreicht, das weißt du schon? Freya: Darauf kommt es nicht an. Betest du mit mir? Sancide: Mach dich nicht lächerlich… oder doch, mache es ruhig, aber lasse mich da raus! Freya: Wir werden bald frei sein. Schließe deine Augen und akzeptiere es für dich. Freya beginnt murmelnd in den Sack hinein zu beten, Sancide schweigt. Schließlich endete sie. Freya: Jetzt sprich es bitte aus. Keikin steht inzwischen hinter Freya. Sie legt an und erschießt sie. Die Bühne wird auf einen Schlag dunkel. Sancide: Ja, Lina, es war schön, dass du bei mir warst. Ich bin wirklich stolz auf dich. Keikin: Lass dir das noch einmal durch den Kopf gehen. Keikin legt auch bei Sancide an und erschießt sie. Kapitel 6, Bild 4 – Das Becken (2/2) In den Niederhöllen gibt es keine Bilder, denn die Existenz zwischen Sein und Nichtsein ist selbst aller Möglichkeiten beraubt. Überall sonst willst du sein, doch nicht in diesem Becken gefüllt mit warmem Schlamm oder ungewordenem Fleisch, dass dich umgibt und es dir unmöglich macht, zu sagen, wo dein Körper oder dein Panzer endet, denn alles scheint in diesem Moment zu verschwimmen. Bilder treten immer wieder in deinen Kopf und du kannst dich nicht wehren, so sehr du dich verkrampfst und schreist. Manchmal zeigen sie dir die Elfe auf den Klippen, manchmal einen Wesen namens Keikin, aber nichts erschreckt dich so wie Bilder von dir selbst. Du hattest einmal eine Gegenwart, eine Vergangenheit und eine Zukunft? Das kommt dir irgendwie unwahr vor. Das Becken frisst dich auf und absorbiert dich – und auch die Zweite Haut kann diesen Vorgang bloß verlangsamen. Stiefel sind das erste, was du bewusst wahrnimmst, dann eine feine schwarze Robe, von der silberne Knöpfe glänzen, und schließlich ist da diese Frau mit den braunen Haaren in einem erschreckend akkuraten Schnitt. Sie lächelt nicht, doch es verwundert dich nicht – in den Niederhöllen wäre das unangebracht. „Du bist Rinn“, sagt sie knapp, „Hast du Zeit, mich anzuhören?“ Du nickst. „Ich kann versuchen, dich zu retten. Ich erwarte dafür jedoch eine Gegenleistung – und diese ist nicht verhandelbar.“ Du hast nichts mehr. Natürlich, denn du bist nichts mehr. „Was?“, fragst du nur. „Ich muss zur Zauberkönigin werden. Das ist wichtig für meinen Weg.“ Da war doch etwas. Du erinnerst dich – das war dein Leben. „Ist nicht übertragbar.“ Sie schnaubt. Sie verliert nur ungern Zeit. „Sage mir nur, ob du dazu bereit bist.“ „Ja“, sagst du nur, denn du weißt, dass es sonst nicht weitergeht. Deine Besucherin setzt sich an den Rand deines Beckens und zieht eine schwarze Maske aus ihrer Robe hervor. Du kannst hingegen nicht den Blick von ihren Stiefeln lösen. Dieser Ort macht auch vor ihrem Sohlenleder nicht Halt. „Ihr Name ist Wezyradima Rinn – und das ist ihre Geschichte. Ihr Schicksal als Zauberkönigin führte sie durch das Regengebirge und nach Mugolsfall und ihre Sünden reißen sie in die Niederhöllen herab, doch um zu werden, was sie sein sollte, musste sie zuvor sterben. Erst in ihrem Becken liegend konnte sie zu der Fremden sagen: ‚Du bist die wahre Zauberkönigin. Solange ich lebte, war es mir eine Last, doch bin ich ihr entbunden, kann ich sie weitergeben.’ In diesem Augenblick erfüllte sich ihre Existenz, denn alles, was sie tat, geschah allein zu dem Zweck, damit sie zur rechten Zeit am rechten Ort sein konnte. So wurde sie zu einer reinen Seele und konnte ohne zu zaudern aus dem Becken steigen und ihren Weg in ein Paradies antreten.“ Nun gestattete sich die Fremde ein Lächeln, während sie dir eine Hand reicht und dich aus dem Becken zieht. Du verstehst es nicht, doch es ist dir gleich. Du bist errettet. Deine Retterin lässt dich los und nimmt ihre Maske ab. „Danke“, sagst du und fühlst dich schlecht, „doch muss ich gestehen: Das war ein schlechtes Geschäft für dich. Der Titel ist wertlos.“ Zum ersten Mal in diesem Gespräch erreicht ihr Lächeln ihre Augen: „Ich kam mit Zielen an diesen Ort und wurde enttäuscht. Nun habe ich nach einer Hand gegriffen und einen neuen Weg gefunden. Das ist nicht wertlos.“ Dann schweigt sie. Gemeinsam geht ihr durchs Nichts. „Es ist furchtbar, wie sie schreien“, platzt es aus ihr heraus, „Hörst du sie nicht?“ Du kannst jedoch nichts vernehmen. Akt 6, Bild 4 – Das Becken (1/2) Das Bild zeigt ein einfaches Herbergszimmer. Marja sitzt in einer Wanne und wird von Mineda gewaschen. Diese sieht gerade eine Phiole aus ihrem schwarzen, an Ordenstracht erinnernden Gewand und wird deren Inhalt mit in die Wanne gießen. Mineda: Dies hier ist Wasser aus der Neer. Es mag abgestanden sein, doch ich hoffe, dass du die Heimat fühlst. Marja: Ich muss mit dir reden. Mineda: Wie du möchtest. Verrate deine Freunde, wimmere, drohe, wonach dir ist. Marja: Ich wäre sonst nicht hier – und du wärst es auch nicht mehr. Mineda: Ach… Marja: Es geht um San. Du musst wissen, dass sie die Maske stahl. Mineda: Klug von ihr. Marja: Und, ja, das sollst du wissen. Mineda: Gut. Marja: Sie hofft auf dich, verstehst du das? Ich glaube, in all den Jahren, die ihr gegeneinander kämpftet, wollte sie dich nicht vernichten, sondern formen, um dir irg… Der Rest des Satzes geht in einem Quieken unter, als Mineda Marjas Kopf unter Wasser drückt. Tatsächlich wäscht sie ihr bloß die Haare. Marja: Warne mich gefälligst vor! Mineda: Verzeih. Marja: Hast du mich denn gehört? Mineda: Ja. Und? Marja: Schließt du Freundschaft mit mir? Bitte tue es. Ich hielt dich schon immer für eine nette Frau und fand es furchtbar, gegen dich zu kämpfen. Mineda: Dein Heerbann sieht das anders. Marja: Aber ich doch nicht! Ich habe vor einigen Tagen Rinn bei einer Jagd unterstützt, ich kann auch dir helfen. Du brauchst eine Magierin? Ich bin eine ganz großartige. Mineda: Ich brauche keine Magierin. Ich brauche eine Jungfrau… Marja: Da bist du bei mir ganz falsch. Mineda: Das macht doch nichts. Atim-Suraq gefällst du so, wie du bist. Atim-Suraq: (aus dem Off) „Kommt zu mir, meine Getreuen. Ich brauche euch!“ Mineda: Das macht dir nichts leichter. Marja: Das war ich nicht! Atim-Suraq: „Nerva! Carro! Dejarra! Mineda! Folgt meinem Ruf!“ Mineda: So leicht lasse ich mich nicht täuschen! Wütend stapft sie davon und holt ihr Messer. In Marja steigt spürbar die Panik auf. Atim-Suraq: „Seid bei mir in Gedanken! Ich brauche eure Seelen!“ Marja: Bitte! Für dich! Für mich! Mineda: Keine Worte mehr! Dieses Zeitalter sei dein, Atim-Suraq! Mit diesen Worten schneidet sie Marjas Kehle durch. Es wird still im Raum – und nichts Weiteres passiert. Mineda blickt eine Weile lang ins Nichts, dann wird es dunkel. Akt 6, Bild 4 – Thalami Sora Das Bild ist für eine ganze Weile dunkel. Dann klingelt ein Telefon. Rufus: Du bist es? Rahjalein, was soll der Mist? Es ist mitten in der Nacht! Ich muss schlafen, morgen ist’s wichtig. Ja, ich stelle mir ja vor, wie du nackt vor mir liegst. Du hast wirklich fantastische Rundungen – und über die würde ich auch gerne mit der Hand drüberfahren… ach, verdammt, gibt es denn kein Licht in diesem Puff? Es wird gerumpelt, dann erhellt sich die Bühne. Rufus telefoniert. Rufus: Ja, Rahjalein, lutsch mir mein Zepter. Ja! Jaaaa! Das fühlt sich total toll an. Er legt das Handy zur Seite und wendet sich an das Publikum. Rufus: Ich verstehe wirklich nicht, was ihr an mir findet. Ich helfe euch nicht bei der Ernte, ich halte keine Krankheiten von euch ab, ich gebe euch weder Rat noch Hilfe und ich mache auch ganz sicher nichts besser. Ich mag euch nicht einmal – und glaubt mir, wenn dieses dumme Weib hier bei mir wäre, dann würde ich sie ganz sicher einem Gefolgsmann weiterschenken, denn sie nervt. Ich liebe sie nicht, kein kleines bisschen. Ich liebe niemanden. Wo sollte ich diese Liebe auch hernehmen? Ihr kleinen Menschen seid so erschreckend. Ihr reibt euch an mich und glaubt, etwas goldener Glanz würde auf euch herabrieseln, doch das ist nicht so. Ich habe keine Politik. Ich habe kein Konzept. Nichts wird besser, nur weil mein Name an der Spitze steht. Ich bin weder wert, dass man an mich denkt, noch, dass man mich liebt. Trotzdem errichtet ihr mir Statuen, schreibt Bücher über mich und schließt mich in eure Gebete ein. Dann schicke ich wieder Tausende in einen Krieg, lasse Zehntausende umbringen und bezahle das mit dem Geld von Hunderttausenden. Warum wollt ihr das? Warum sehnt ihr euch danach, dass ich ein Monster bin? Er greift nach dem Handy. Rufus: Ja, Rahjalein, ich spritze so total ab, du bist so geil. Backst du mir jetzt einen Kuchen? Er legt das Handy wieder zur Seite. Rufus: Wisst ihr eigentlich, was mich mit Atim-Suraq verbindet? Ich sage es euch: Nichts. Mich reizte einfach nur die Aufgabe. Er nimmt das Handy wieder. Rufus: Ja, Rahjalein, Mehl, Eier, Zucker und Fett hat mein Chefkoch im Keller. Was braucht man denn alles für diese… Cupcakes? Es wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Tamaras Zimmer Das Bild zeigt einen Tisch voll mit Charakterbogenblättern, Rollenspielbüchern, Würfeln, Getränken und Snacks in einem Zimmer mit Bett, Schrank, Bücherregal und Pferdeposter an der Wand – und tatsächlich kann es Freyas Burgkammer erschreckend ähnlich sein. Joachim und Marie sitzen am Tisch. Joachim: Der Wahre Kaiser lässt sich erstaunlich leicht abführen. Ihr tauscht Blicke aus und du fühlst deutlich, wie müde und hilflos er ist. Dem braun gelockten der beiden Schläger vom Adlerorden gefällt das allerdings nicht: „Zügeln Sie ihre Neugier, Fräulein Galahan!“, faucht er dich an. „Hier endet unsere Zusammenarbeit.“ Marie: Wichser! Joachim: Sancide scheint das genauso zu sehen, sie stattet den Schläger mit einem bösen Blick aus und kommt dann zu dir rüber. „Danke für deine Hilfe“, sagt sie und legt dir die Hand auf die Schulter. Marie: Freya kämpft mit den Tränen. Joachim: Sancide umarmt dich. „Er wird leben“, flüstert sie dir zu. „Er wird seinen Kerker nie wieder verlassen dürfen, doch es wird ihm nichts geschehen.“ Lächelnd fügt sie an: „Das weißt du aber nicht von mir.“ Marie: Er tut mir trotzdem leid. Joachim: Sie versteht deinen Blick: „Er hat sein Schicksal selbst gewählt, im Bösen wie im Guten. Respektieren wir es.“ Marie: Das muss ich wohl. Joachim: „Ich habe hier noch einiges um die Ohren, das kannst du dir sicher vorstellen.“ Marie: „Sehen wir uns in Perricum?“ Joachim: „Ich komme dich besuchen.“ Dann wendet sie sich ab. Du siehst sie nach, wie sie zu ihrem Pferd herübergeht, während die Schläger mit Rufus bereits vorausritten, doch da scheut ihr Pferd… In diesem Augenblick reißt Tamara die Tür auf. Tamara: Danke, dass du mich vom Klavier abholtest! Ich sehe, ihr hattet euren Spaß. Tamara begrüßt Joachim mit einem Kuss. Joachim: Tut mir leid, habe ich verschwitzt. Tamara: Macht nichts, Marcel hat mich mitgenommen. Kannst mir gleich mal deine Meinung zu meiner neuen Bluse geben – und ob ich die nachher anziehen kann. Auf Kommando zieht sie sich um und stört sich nicht daran, dass ihr Freund und ihre kleine Schwester noch im Zimmer weilen. Marie: Wir sind auch irgendwie hier fertig, oder? Joachim: Was noch fehlt, passt in eine halbe Stunde. Morgen zur dritten im SV-Raum? Marie: Klar. Abenteuerpunkte? Joachim: Überlege ich mir. Tamara: Kann ich mal sehen? Marie händigt Tamara Freyas Charakterbogen aus, den diese jedoch nur in mehrere Schnipsel zerreist. Tamara: Lege dir endlich mal ein Leben zu! Dann lernst du auch andere Kerle kennen als meinen! Marie: Nein! Marie kämpft mit den Tränen. Joachim: Das war jetzt wirklich gemein. Tamara: Sei du bloß vorsichtig und sage lieber was Nettes zu meiner Bluse. Joachim: Ganz nett. Tamara: Jetzt geh’ duschen. So nehme ich dich nicht mit. Joachim: Sind die Handwerker denn raus? Marcel geht auf. Marcel: Schon lange. Ich war gerade kacken. Hier, riech mal! Tamara: Geil! Ich freue mich schon total auf den Massenselbstmord heute Abend. Marcel: Und ich erst. Ich habe sogar noch den Wagen laufen. Tamara: Das Wichtigste ist eines: Sei nicht besser angezogen als der Priester! (zu Joachim) Kann dir nicht passieren. Gehe duschen. Joachim: Bis gleich. Marcel: Ich schaue mal, ob Marie die passende Musik hat. Beide gehen sie ab. Tamara und Marie bleiben allein zurück. Tamara: Tut mir leid, okay. Ich bin doch nur sauer auf ihn. (Pause) Ich meine es doch nur gut mit dir. Mein Leben wurde viel schöner, seitdem ich einen Freund habe. Weißt du was: Ich leihe dir meinen Vibrator. Du brauchst dringend etwas Entspannung. Wische ihn aber ab, ehe du ihn mir wiedergibst. Marie reagiert nicht darauf. Es herrscht drückende Stille. Tamara: Ich muss mal… dringend… aus diesem Zimmer raus. Wir sehen uns gleich. Marie durchwühlt die Schnipsel des Charakterbogens nach jenem oder jenen mit dem Charakterportrait darauf. Diese setzt sie sich zusammen, blickt sie an und weint. Es wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Tempel der gefallenen Götter (Reprise) Das Bild bleibt das Gleiche. Freya geht in ihrem fleckigen Schweineborstenwappenrock auf, legt ihr Gepäck am Brunnen ab, holt eine Querflöte daraus hervor und beginnt, ein trauriges Lied zu spielen. Jandora taucht aus dem Schatten auf und folgt ihrem Vortrag gebannt. Schließlich endet sie und packt die Flöte fort. Freya: Du bist da. Komm bitte zu mir und knie nieder. Ich möchte dir etwas schenken. Sie nimmt ihren Stab und gibt ihn Jandora, die daraufhin aufsteht. Jandora: Ihr wisst, was Ihr tut, Herrin? Freya: Du bist Teil dieses Stabs, also schenke ich dir meine Freiheit. Meine Kraft ruht in diesem Stab, also schenke ich dir meine Zauberei. Hier oben, siehst du, steht mein Name. Auch diesen schenke ich dir. Freya kniet sich vor Jandora hin. Jandora: Stehe auf. Bitte. (Freya kommt dem nach) Wisset, ich habe bereits einen Namen. Ich heiße Jandora. Freya: Ich bin Firlina, Lina für meine Freunde. Beide umarmen sich lange. Jandora: Ich liebte Euch und verehrte Euch, als Ihr noch meine Herrin wart, doch nun liebe und verehre ich Euch umso mehr. Freya: Ich liebe und verehre dich auch, Jandora. Schließlich lösen sie sich voneinander. Freya: Siehst du diese Holzkugel hier oben im Stab? Die war bisher nur als Platzhalter für etwas Beeindruckendes gedacht, buntes Glas oder – bei viel Glück – ein Edelstein. Ich kam damals nicht dazu und… ach, die Entscheidung liegt bei dir. Leb wohl. Jandora: Lebt wohl. Freya springt in den Brunnen hinein. Es wird dunkel. Akt 6, Bild 4 – Phönix Das Bild zeigt das Innere eines kleinen Raumschiffs auf seinem Flug durch das All. Sancide sitzt am Steuer und geht ihrer Arbeit nach, während am anderen Ende sich eine Stasiseinheit mit Geräusch und Nebel öffnet und Freya in zerrissenem Kostüm heraustapst. Sancide wendet sich nicht um. Sancide: Ich liebe diesen Mann. Ich weiß es. Manchmal erschrecke ich selbst davor, was ich alles tue, um ihm zu schaden, doch… es ist meine Pflicht. Wie gerne würde ich ihm die Hand reichen, ihn küssen, seinen wunderbaren Körper erkunden, mit ihm an den Rand der Wirklichkeit fliehen und das Universum untergehen lassen… und doch weiß ich: Genau das wird dann geschehen. Das Menschenvolk wird keine Zukunft haben, wenn ich beginne, zu lieben. Ich habe mir die Rolle nicht ausgesucht, ich erfülle sie nicht und passe nicht hinein, doch ich fürchte… ich fürchte mich sehr. Wenn ich nicht bin, wird nichts mehr sein. Nun dreht sie ihren Sessel zu Freya um und blickt sie an. Sancide: Ich mag diese Rolle, du nicht? DaSorca wird fortfahren, sich einen Heerführer zu suchen, der seine geheimen Armeen befehligt, und ganz allein mit seinen Schätzen dem Auge des Sturms entgegentreten. Schau mal! Sie erhebt sich aus ihrem Sessel und schwingt die Hüften: Auf der einen Seite trägt die die Maske, auf der anderen ein dünnes Hochelfenschwert aus Illuminium, einem Material, das aus eigener Kraft wie die Sterne leuchtet. Sancide: Das hier ist ‚Sternträger’, Atim-Suraqs Schwert aus seiner Zeit als Reiterkommandant der Schwarzen Perle. Ich möchte nicht wissen, wie er daran kam, doch ihr verstehe, was ihn daran reizt. Es macht ihn zu etwas ganz Besonderem. Sie gurtet das Wolfsmesser ab und reicht es Freya. Sancide: Teste mal, ob du dich damit wohl fühlst. Ich gebe es gerne ab. Es ist zum Sitzen so furchtbar unbequem. Freya schwenkt die Klinge lustlos ein wenig umher. Freya: Warum tust du das? Sancide: Ich war einmal ein braves kleines Mädchen, bis das Dunkel in mein Leben drang. Der Dämon nahm mir meine Geschwister bis auf eines und ließ mich hilflos zurück. Alle sagten sie, dass das Leben weitergehen müsse, doch das wollte ich nicht akzeptieren. Ich erweckte meine Magie und ging nach Andergast, um zur Waffe gegen das Böse zu werden. Später verstand ich jedoch: Warum sollte ich bloß eine Waffe sein, wenn ich diese auch befehlen kann? Da hatte das Übel sich bereits selbst vernichtet. Du verstehst, dass das ganz schön lehrreich war? Freya: Allerdings. Sancide: Es war die Zeit, meine kindischen Rachepläne beiseite zu legen und erwachsen zu werden. Es lag eine Chance in dem, was ich geworden war und noch werden konnte, und die bestand darin, ein Zeichen zu setzen: Niemals mehr würde ein vorgeblich Großer sich an den Kleinen vergreifen, nachdem eine der kleinen aufstand und ihrem Peiniger den Kopf abschlug. Die Nachricht musste durch die Sphären gehen: Denkt vom Menschengeschlecht, was ihr wollt, doch vergesst niemals, es zu fürchten. Atim-Suraq! Ich hasse ihn keineswegs, ich bewundere ihn sogar für das, was er als Mensch tat, doch darauf kann ich keine Rücksicht mehr nehmen: Er ist da, er ist sichtbar, er muss weg. Freya: Du erschreckst mich. Sancide: Das ist ein Opfer, das ich bringen muss. Gibt es einen Fehler in meinem Gedankengang? Freya: Nein. Ich finde ihn trotzdem abscheulich. Sancide: Das tue ich auch, mehr als du ahnst. Wirst du mir beistehen? Freya: Ich werde zwischen dir und Mineda vermitteln, alles andere lehne ich ab. Sancide: Dann kannst du gehen. Freya: Du brauchst mich. Ich weiche nicht von deiner Seite. Sancide: Schön. Und nun? Freya: Lass uns eine Münze werfen: Wenn ich verliere, dann werde ich dir mit… wenig… Freuden, aber doch willig, die Palette halten, während du deine Nachricht kritzelst, doch wenn ich gewinne, dann hat es sich ausgekämpft. Dann kehrst du mit mir in die Realität zurück, nach Andergast! Sancide: (nach einer Weile) Einverstanden. Freya greift in die Tasche und holt eine Silbermünze hervor. Freya: Kopf oder Zahl? Sancide: Der Wahre Kaiser ist mein Feind! Zahl! Freya wirft, fängt und deckt nach einer Weile auf. Freya: Zahl. Du entscheidest. Sancide: Sowieso. Dann sage ich… wir beenden den Kampf und kehren nach Hause zurück. Freya: Ich wusste es. Schau mal. Sancide: Die Münze besitzt zweimal Zahl? Du wusstest, was ich wählen würde? Kluges Mädchen. Freya: Nein. Ich war mir sicher, ich konnte dir vertrauen. Atim-Suraq? Sancide: Atim-Suraq. Es wird dunkel. Epilog: (27) Das Weltgesetz (Das Weltgesetz) -------------------------------------------- Szene 1 Ein Studierzimmer, verstaubt und verlassen. Ein schwerer Schreibtisch steht im Raum, Regale mit Büchern an den Wänden. Ein Sessel steht darin, und in der Mitte liegt als Teppich ein Tigerfell, dass der alte Abenteurer von einer seinen weit führenden Reisen mitgebracht hatte. Manchmal, wenn der Abend länger wurde und das flüssige Gold aus Methumis oder Silas floss, erzählte er davon. Dann standen ihm Tränen in den Augen, wenn er sich wehmütig an die Zeit zurückerinnerte, in der er noch jung und frisch war, ehe Landgut und Familie in sein Leben traten, ehe er vernünftig geworden war. An Abenden wie diesen, an denen er sich in dieses verstaubte Zimmer zurückgezogen hatte, versuchte er sich einzureden, dass es ihm nun besser ging. Er musste nicht mehr im Stroh schlafen, musste keine Kaninchen oder Ratten jagen und keine schrecklich aussehenden Wurzeln mehr essen. Er kämpfte gegen keine stinkenden Orks und Wegelagerer mehr und lief auch nicht mehr Gefahr, in tiefe Felsspalten zu stürzen. Eigentlich ging es ihm doch nun viel besser. Wenn sein Herz nur schweigen würde… Jandora geht auf und grüßt Ordo scheu. Dann setzt sie sich zu Füßen Celinas und blickt diesen mit dem gleichen erwartungsvoll-gespannten Blick an. „Großvater? Erzählst du mir eine Geschichte von früher?“ Das kleine Mädchen, das sich gerade auf dem Sessel wand, um eine möglichst bequeme Sitzposition zu finden, sah den alten Mann halb bettelnd, halb erwartend an. Sie hatte lange, blonde Haare, war zierlich und klein und passte mit ihrem hellen Kleid so gar nicht in das dunkle, verstaubte Zimmer. Neun Jahre war sie jetzt alt, erinnerte sich Ordo, der einer solchen Bitte noch nie widerstehen konnte. Starr wie eine Statue stand er da und betrachtete seine Enkelin, während er sich überlegte, welche Geschichte er ihr erzählen sollte. Dann ging er schließlich, ohne zu antworten, um seinen Schreibtisch herum und ließ sich auf den Stuhl sinken. „Ich werde dir…“, sagte er schließlich ruhig, „Ich werde dir keine von meinen Abenteuern erzählen. Ich erzähle dir lieber eine Geschichte, die ich einstmals auf meiner Reise hörte. Die Geschichte eines Mädchens, noch nicht sehr viel älter als du, auf dem für kurze Zeit die Hoffnungen eines ganzen Königreichs ruhten, und ihres Wächters, eines Soldaten. Diese Geschichte… sie ist eine Legende. Die Legende von Atim und Suraq.“ Atim und Suraq gehen auf – eine Hofdame in zerrissenem Seidenkleid und ein viel zu junger verwundeter Soldat mit Gewehr und Weltkriegshelm. SOLDAT: Haltet durch, edles Fräulein. Es ist bald geschafft. General Nervas Armee ist nicht weit, sie kann nicht weit sein… HOFDAME: Ihr müsst rasten. Bitte! SOLDAT: Mein Leben ist nichts wert im Vergleich zu Euren. Ich gebe es gern. HOFDAME: Das möchte ich nicht. SOLDAT: Es geht voran oder zurück nach Elburum. Das wissen wir beide. HOFDAME: Ich weiß… SOLDAT: Mineda wird unseren Weg schirmen… HOFDAME: Wir haben kein Wasser mehr. SOLDAT: Trinkt mein Blut. Hört Ihr die Vögel? Sie singen so wundervoll. Sie künden von einem neuen Tag. Er bricht zusammen und stirbt. Die Hofdame kniet sich neben ihn und wartet, bis der Lärm sie erreicht. An dieser Stelle wird sich der Leser sicherlich schon seine eigenen Gedanken gemacht haben, wobei es sich bei dem Rascheln im Gesträuch gehandelt haben könnte. Die junge Celina hatte es ganz bestimmt, und sie war nicht höflich genug, um zu schweigen. "Das war wirklich traurig. Ich wünschte, es gäbe ein anderes Ende.“, sagte sie. "Mädchen", seufzte indes der alte Held, "so ist das Leben. Man bekommt nicht immer, will.“ - "Dann... Dann... Dann mag ich es nicht." Das Mädchen schien traurig zu sein. Jandora: Bitte erzählen Sie eine Geschichte von meiner Meisterin, der Zauberin Freya. Von ihr möchte ich hören. Ordo: Das vermag ich nicht. Unsere Wege haben sich zu weit getrennt. Auf diese Weise endet das Stück. Szene 4 Nachdem der Applaus eingefahren ist und die Zuschauer kurz vor Verlassen des Saals stehen, sollte diese Szene noch eingeworfen werden: Atim-Suraq ist da. Keikin tritt aus seinem Rücken an ihn heran. Atim-Suraq: Es ist vorbei. Keikin: Es gab da noch ein Missverständnis, das uns wirklich schmerzt und das ist bereinigt sehen möchte: Natürlich fiel meine Herrin niemals von Euch ab. Unsereins handelt nicht mit Menschen von gleich auf gleich. Das ist Euch hoffentlich bewusst. Atim-Suraq: Ich sehe immer klarer: Eine Doppelseele aus Elf und Mensch, Verbündeter von Götter und Dämonen und ausgestattet mit unvorstellbarer Macht… Es ging niemals um mich. Es wird still. Atim-Suraq: Unser Pakt ist erneuert. Handelt nach Eurer Natur und fahrt mit mir in die Hölle. Keikin bricht ihm mit einer schnellen Bewegung das Genick. Dann endet das Stück wirklich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)