Sturm und Stille von Orpheliae (Thorki, Thor x Loki) ================================================================================ Kapitel 10: Chapter 10 ---------------------- Er hatte die Augen geschlossen und schwieg, allein mit dem Gefühl der Freiheit und Ruhe, das in ihm weilte. Es machte ihm fast schon Angst in dieser Zelle, die am besten bewacht wurde in allen neun Welten dieses Gefühl zu verspüren, frei zu sein. Um ihn herum gab es nichts außer den vier undurchdringbaren Wänden und seinem Bruder, der am anderen Ende der Zelle im Schneidersitz gegen die Wand gelehnt saß. Thor atmete tief ein, sog den Geruch des anderen Mannes tief in sich, der in dieser Zelle haftet, als wäre sie ein Teil von ihm. Er saß einfach nur da und genoss. Die Nähe zu dem Gott der Lügen tat ihm so gut, dass er sich sein Leben nicht mehr ohne ihn vorstellen konnte, es sich nicht mehr vorstellen wollte. Nie wieder wollte er den anderen Gott fern von seiner Seite wissen. Er saß da und hörte der hellen Stimme seines Bruders zu, der ihm aus einem Buch vorlas. Er wusste nicht mehr wann er das das letzte Mal getan hatte, wusste nicht einmal mehr wie alt die beiden dabei gewesen waren. Als sie noch sehr jung waren hatte er es geliebt, wenn der Jüngere ihm vorlas, gespannt hatte er dagesessen und gelauscht, hatte gedrängelt und nicht nur einmal den anderen gezwungen weiter zu lesen. Loki musste ihm alle Bücher vorlesen, die den jungen Gott damals interessierten, er las von Helden und Göttern, von Schlachten und Kriegen, von Festen und Feiern und von Geschichten alter Völker. Thor war dabei stets auf die Geschichten fixiert gewesen, hatte die Figuren bewundert und vor sich hin geträumt. Das war nun anders, es interessierte ihn nicht, was Loki las, es interessierte ihn das Loki las. Es war ihm egal, in welcher Sprache er las, ob es Geschichten waren oder Sachtexte, er wollte einfach nur die Stimme des jungen Gottes in seinen Ohren hallen hören. Er bestach Loki in letzter Zeit nur zu oft, damit er ihm vorlas. Er erwischte sich dabei immer wieder wie er ihn anstarrte. Er brachte ihm neue Gewänder, neue Bücher, wann immer er eines fand, dessen er sich sicher war Loki würde es nicht nicht kennen und vor allem brachte er ihm regelmäßig Süßigkeiten. Wenn es etwas gab womit man den Gott der Lügen locken konnte, so war es Süßkram. Mit einem süßen Kuchen, kandierten Früchten, oder kleinen bunten Bonbons konnte man Lokis Augen zum leuchten bringen und Thor liebte diesen Anblick. Nur zu oft ließ er ihn fragen und bitten, bis er ihm etwas davon gab was er mit sich brachte. Der Jotun liebte alles, was nach Zucker schmeckte, doch nur sein Bruder wusste davon. - Zum Glück. Er legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch. Der Donnergott saß einfach nur da und lauschte, ehe er die Augen öffnete und den Anderen ansah. Die langen, weichen, schwarzen Locken fielen sanft über die knochigen Schultern und der Blick war auf das Buch in seinem Schoß gesenkt, dass er mit beiden Händen hielt. Das Gewand aus grünem Samt, dass Thor ihm zuletzt geschenkt hatte lag eng an seinem Körper an und ließ diesen noch schmäler wirken, als er es ohnehin schon war. Thor mochte es, dass Loki so schmal war im Gegensatz zu ihm, er mochte es, dass die beiden sich so unterschieden. Gerade das war es, so fand er, was die beiden so gut zusammen schweißte. Sie ergänzten sich perfekt, sie passten perfekt zusammen wie das helle Funkeln der Sterne in dem dunklen Schwarz der unendlichen Leere. Die Lieder des Schwarzhaarigen waren gesenkt und der Donnergott konnte kaum das grün zwischen ihnen erkennen, das er so liebte. Die rötlichen Lippen bewegten sich mit jedem Wort, das er sprach und jedem Ton, den er von sich gab. Der Ältere starrte den Jüngeren so lange einfach nur schweigend an, bis dieser sich, während er die Seite umblätterte über die vom Reden trockenen Lippen leckte. Ein heißer Schauer fuhr über den Rücken des jungen Mannes und er wandte den Blick schnell ab und räusperte sich erschrocken, um das ungewollt gute Gefühl aus seinem Körper zu vertreiben. „Ja?“, fragte der Jüngere und Thor sah ihn wieder an. Er hatte den Blick gehoben und blickte ihn fragend an, die Lippen noch immer leicht geöffnet. Thor schluckte und verhaspelte sich dabei ihm etwas zu antworten: „Ehm- Wann soll ich eigentlich das letzte Artefakt holen gehen?“ Die Züge des anderen erschlafften und er schloss das Buch, während er seinen Blick wieder auf dieses senkte. Er schwieg. Thor hatte die Abstände zwischen seinen Reisen zum Sammeln der Zutaten und Artefakte immer länger werden lassen, er hatte sich eingeredet es wäre gewesen, damit Loki eine Chance hatte sich von den Folterungen Odins zu erholen, die er zu ertragen hatte wann immer sein älterer Bruder nicht in der Nähe war um ihn davor zu bewahren. Inzwischen war es allerdings nicht mehr nur deswegen, dass wusste der Donnergott, wollte es sich aber nicht eingestehen. Es war weil er bei Loki sein wollte, weil er ihn sehen wollte, seine Anwesenheit spüren, seinen Geruch wahrnehmen und seine Stimme hören wollte. Jedes mal wenn er fort war sehnte er sich nach seinem jüngeren Bruder, so sehr, dass es wehtat. Die Zeit mit Loki verging so schnell, dass sie an ihm vorbeizufliegen schien. Es bereitete ihm Sorge und brachte ihn in einen Zwiespalt, denn dort war noch eine andere Person, die auf ihn wartete und nach der er sich sehnte. „Was-...ist es überhaupt, das noch fehlt?“, hakte Thor nach und wartet vermeindlichen auf eine Antwort. „Loki?...“, sagte er, eine Augenbraue in die Höhe ziehend, um seinen Bruder auf seine Frage aufmerksam zu machen, während dieser ihn noch immer nicht ansah. „Mein Buch.“, murmelte er leise und starrte weiter in seinen Schoß. Thor musste nicht fragen, er wusste welches Buch gemeint war. Und er wusste womit dies verbunden war. „Es ist in Midgard. Ich habe es dorthin mit mir genommen.“, sprach er offen heraus und seufzte danach leise. Es brachte nichts es zu verschweigen, dass es unerreichbar für ihn war solange er nicht den Weg nach Midgard kannte, den Loki ihm zeigen sollte. „Ich werde dir den Weg verraten.“, sagte Loki resignierend und rührte sich noch immer nicht. Der Donnergott wusste, dass er den Gott der Lügen nicht mit nach Midgard nehmen konnte solange sie den Pakt nicht geschlossen hatten, dass dies zu gefährlich wäre und dass er ihn stattdessen hier in dieser Zelle lassen musste. Er wusste aber genauso gut was es für Loki hieß ihm den Weg zu verraten und ihn ziehen zu lassen. Er hatte keine Garantie, dass Thor sich daran hielt, was die beiden ausgemacht hatten, er hatte keine Garantie, dass er jemals zurückkehren würde, dass er ihn aus der Zelle befreien würde. Genau wie Thor, musste Loki wissen, dass es etwas, dass es jemanden in Midgard gab, nach dem der junge Gott sich sehnte und der ihn auf der Erde würde halten wollen und halten würde. Thor wusste nicht, woher das Vertrauen kam, dass der Andere ihm auf einmal entgegenbrachte, ihm den Weg zu verraten und ihn nach Midgard gehen zu lassen. Wortlos stand er auf und schritt zu dem anderen hinüber. Er sah auf ihn herab, hinein in die smaragdgrünen Augen und sah ihn mit einem ernsten und festen Blick an, während er sprach: „Ich werde wiederkehren.“ Lokis Augen funkelten auf und seine Lippen formten sich zu einem leichten Grinsen. „Ich weiß.“, hauchte er ihm entgegen, bevor Thor ihn auf die Beine und in seine Arme zog. Er wusste es würde länger dauern, er wusste Loki würde mit der Zeit wieder mehr zerbrechen, er wusste der Göttervater würde ihn wieder foltern und quälen, aber er freute sich darauf Jane wieder zu sehen. Er konnte es nicht ertragen, dass sich inzwischen elf Monate auf ihn wartete. Die Gefühle in ihm vermischten sich, heiß und kalt, Freude und Angst und er wusste nicht welches Gefühl stärker war, welches dominierte. Er hatte Angst Odin würde Loki töten, sobald er wusste, dass sein Sohn Asgard wieder verlassen hatte, dass er einen Weg nach Midgard gefunden hatte, dass nur Loki ihm diesen Weg verraten würde haben können. Die Wut des Göttervaters würde den Gott der Lügen wenn nicht das Leben, dann den Verstand kosten, das wusste Thor. Er strich durch sein schwarzes Haar und nahm sich einige Zeit um sich von ihm zu lösen, ließ sich den Weg verraten, ließ Loki schweigen und hielt ihn einfach nur fest. Als er die Zelle verließ und zurück sah wäre er fast umgekehrt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)