Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- KAPITEL 8 „Majestääät!“, Günters Schluchzen fand seit Stunden kein Ende. Krampfhaft umschloss er mit hervorstechenden Knöcheln die Reling neben dem herausgebrochenem Stück, wo wenige Stunden zuvor der Sinn seines Lebens freiwillig über Bord gesprungen war. „Euer Heldenmut im Angesicht des Sturms zur Rettung eures Liebsten wird in allen Geschichtsbüchern niedergeschrieben werden!“, er wischte sich mit seinem Ärmel über das Gesicht. Die Taschentücher waren ihm schon ausgegangen, „Doch wie konntet ihr es nur wagen, ohne mich zu springen? Ich wäre euch sofort gefolgt!“ Die Mannschaft um ihn herum schenkte ihm kaum mehr Beachtung. Lord Günter von Kleists grenzenlose Liebe zu seiner Majestät war allgemein hin bekannt. Es gab für die einzelnen Soldaten gerade an Bord nichts Wichtigeres, als den Roten Seestern wieder flott zu bekommen. Die Schäden waren beträchtlich. „Meine Güte, er hat es wieder getan!“, Lord Gwendal von Voltaire beugte sich mit mehr als nur einer Falte auf seiner Stirn über die Seekarte in der Kapitänskajüte. Diese konnte ihn aber nicht wirklich weiterhelfen. Sie waren in unbekannten Gewässern. Mit einem beschädigtem Schiff. Mit einem vermissten König sowie dessen Verlobten, der zudem noch sein jüngster Bruder war. Mit einem hysterisch aufgelöstem königlichen Berater, der an der Reling hing und einem zweiten Bruder, den er von Iossac und Adalbert gewaltsam hatte unter Arrest nehmen müssen, weil er seiner Majestät auch noch hinter her gesprungen wäre. Die Situation, in der sie sich gerade befanden, war daher äußerst angespannt. Seine Eminenz schien neben ihm der Einzige bei klarem Verstand zu sein, trotz der Sorgen, die auch er sich um die Beiden machte. Doch das ruhige Verhalten Muratas verwunderte jedoch selbst Gwendal. War dieser Murata nicht ein enger Freund von Yuuri? Sorgte er sich nicht? Doch die Wiedergeburt des Großen Weisen lehnte mit dem Rücken zur Wand und schien in Gedanken versunken. Schließlich löste er sich und schritt auf die Karte zu: „In diese Richtung!“, zeigte auf einen Punkt und betrachtete Gwendal bestimmend. „Befindet sich dort seine Majestät Yuuri?“, Gwendal hob eine Braue. „Nein!“, war Muratas Antwort, „Also um ehrlich zu sein, kann es sein, das er dort ist. Ich bin nicht hellsichtig. Ich kann nur sagen, dass Yuuri sowie auch ihr Bruder am Leben sind. Shinou spürt deutlich die Präsenz des Maous. Nur den ganzen Ozean nach ihnen absuchen würde uns nicht helfen! Wir sollten unsere Reise gezielt fortsetzen. Shibuya wird dies auch tun sobald er wieder Boden unter den Füssen hat. Das ist das was Shinou dazu sagt.“ Seine Eminenz beendete seinen Satz und wandte sich dann zum Gehen: „Wir sollten Herrn Weller nicht so lange im Arrest schmoren lassen. Er ist sich seiner Unüberlegtheit seines geplanten Handels inzwischen mehr als bewusst.“ „Das sehe ich auch so. Er hat aus Affekt dem jungen Herrn hinterher springen wollen“, Iossac legte seine Beine auf einem nebenstehenden Tisch hoch und lehnte sich zurück, „Zudem können wir jede Hand bei den Reparaturen gebrauchen! Der Fockmast ist hinüber. Aber die anderen Segel können alle wieder in Stand gesetzt werden. Dann schaffen wir es für die anderen Reparaturen noch in einen Hafen!“ „In welchen Hafen denn? Es ist fast zwei Wochen her, dass wir Land gesehen haben. Nun ist unser Schiff beschädigt und wir werden mehr als das Doppelte zurück brauchen!“, wandte Adalbert ein. „Wir sollten wie von Shinou geplant weiterreisen. Nur so haben wir auch eine Möglichkeit, Yuuri zu finden!“ Diese Stimme ließ alle Beteiligten zur Tür herumfahren. Conrad blickte in viele verwunderte Gesichter. Iossac sprang lachend auf: „Hauptmann, ich hätte wissen müssen, dass euch meine Fesseln nicht aufhalten!“, dann klopfte er seinem jahrelangen Freund anerkennend auf die Schulter. Doch in Conrads Gesicht regte sich nichts. Weder Freude, noch Trauer. Optimismus noch Glaube. In seinen Augen spiegelte sich nur der eiserne Willen. Der Willen, seine Majestät Yuuri so schnell wie möglich wiederzufinden und ihn zurück nach Shin Makoku zu schaffen. Und er würde alles dafür geben. Ich weiß nicht, wie lange wir da so umhertrieben. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte auf meinen Kopf, als ich zum ersten Mal zu mir kam. Meine Kleidung war starr vom getrockneten Salz des Meerwassers. Ich konnte nur verschwommen sehen, doch spürte ich unterhalb meines Gesichts, dass Wolframs Atem weiterhin regelmäßig ging. Ich strich halb blind mit meiner Hand über sein Gesicht, ehe mich der Schlaf wieder übermannte. Ich träumte sehr viel zusammenhanglosen Schwachsinn. Ich wünschte mir sehnlichst einen Delfin herbei, der uns wie Flipper rettete. Und dabei kann ich Delfine gar nicht leiden! Dann fiel mir ein, dass Haie hier Pflanzenfresser waren. Hieß das, dass Delfine dann hier die Raubfische waren? Schnell und verzweifelt wünschte ich mir den Delfin wieder weg. Doch der Delfin dachte gar nicht daran. Plötzlich sah ich mich gefesselt an einem Marterpfahl und viele kleine Delphine hüpften um mich herum. Was für ein Geräusch machen eigentlich Delfine? Diese grunzten wie Schweine. Aber wenn Delfine grunzten, was machten dann hier die Schweine? Standen Schweine eigentlich auch auf der Liste der 666 bedrohten Arten von Shin Makoku? Wenn ja, dann würde ich dadurch auch auf der Liste stehen. Ich war schon ein echtes Schwein Wolfram gegenüber. Auch wenn er es nie offen gesagt oder zugegeben hatte, so wusste ich doch um seine Gefühle für mich. Und ich hatte nichts besseres zu tun als ihm ständig eins rein zu drücken! Von solchen Jungs wie mir riet man Mädchen in meiner Welt immer ab. Nun trugen die Delfine allesamt Brautkleider. Was ist das nur für ein Unsinn in meinem Kopf? Grillt mir die Sonne vielleicht gerade mein Hirn weg? Und dann dieses nervtötende unregelmäßige Rauschen die ganze Zeit. Wie von einem Radio mit verstelltem Sender! Könnte das mal bitte jemand ausmachen? Ich öffnete blinzelnd meine Augen. Ich starrte genau in die Sonne. Das brannte! Doch plötzlich legte sich ein Schatten über mein Gesicht. Ich konnte absolut nichts erkennen. Nur ganz verschwommen einen menschlichen Umriss. Ein Mensch? „Wolfram!“, stöhnte ich heiser auf. Das viele Salzwasser, was ich geschluckt hatte, hatte meinen Hals rau gemacht. „Nein, Erika!“, flüsterte der Umriss. „Hä?“ „Ihr seit Dämonen, nicht wahr? Ihr braucht nicht zu versuchen, es abzustreiten. Bei den Menschen gibt es niemanden mit schwarzem Haar und....“, ich merkte wie der Schatten näher an mein Gesicht heran kam, „Oh, tatsächlich! Und schwarzen Augen!“ „Ach wirklich?“, knurrte ich. Ich hatte nicht vor, diesem weiblichen Schatten jetzt bis ins Detail meine genaue Herkunft zu erklären. Doch dieser plapperte einfach munter weiter: „Wisst ihr, wenn ihr Menschen wärt, dann hätte ich euch töten müssen.“ Oh, da haben wir aber mal ausnahmsweise Glück gehabt, dachte ich schon mehr ironisch. „Nun“, der Schatten entfernte sich wieder von mir, „Wer seid ihr und von woher kommt ihr?“ „Stellt man sich üblicherweise nicht erst einmal selber vor?“, ich rappelte mich auf und hielt mir den Arm über die Augen. Ich mochte es nicht, jemanden nicht zu sehen, mit dem man die ganze Zeit sprach. Sie lachte hell auf: „Ist recht! Ich bin Lady Erika von Hundshaupten! Ihr seit hier an meinen Privatstrand gespült worden!“ „Privatstrand?“ „Ja. Meine Familie lebt hier seit Anbeginn der Zeit. Zu unseren Aufgaben gehört es, den Strand sauber zu halten!“ „Habt ihr etwa auch Probleme mit Umweltverschmutzern?“ „Was soll das sein? Ähm, nein. Ich meine Piraten und so. Eindringlinge von außen. Eindringlinge, die in unser göttliches Reich eindringen möchten!“ „Welches Reich denn überhaupt?“, langsam hatte ich mich an das Licht gewöhnt und sah mich um. Wir waren tatsächlich an einen Strand gespült worden. Und dieser Strand sah aus wie die Karibikbilder im Reisekatalog. Schneeweißer Sand, meterhohe Palmen, kristallklares, azurblaues Wasser. Ich hob meinen Blick um endlich einmal meinen Gesprächspartner genauer anzusehen und stockte... Sie hätte mir nicht antworten müssen. Ich ahnte bereits, wo wir waren. Erika von Hundshaupten hatte ihre langen schwarzen Haare zu zwei seitlichen Zöpfen geflochten und trug ziemlich freizügig das, was man gewöhnlich im Urlaub so trägt. Einen knappen schwarzen Bikini. Dazu leger ein graues Tuch um die Hüften geknotet. Sie hatte, wie das Meer, dessen Wellen sanft an ihrem Strand brachen, azurblaue Augen und sie war... perfekt! Sie war ein Dämon! Und da ich in Shin Makoku weder Karibikstrand noch einer Familie von Hundshaupten die Aufgabe erteilt hatte, angespülte Menschen abzuschlachten, blieb mir nur eine Schlussfolgerung: „Ihr seit in Dark Makoku, dem Reich der Schöpfer!“ Ich muss wohl ziemlich überrascht ausgesehen haben, denn sie lachte erneut: „Und wer seid ihr nun?“ „Also, mein Name ist Yuuri Shibuya und das...“, ich wurde von einem Stöhnen neben mir unterbrochen und fuhr herum. Wolfram hatte mit dem Gesicht nach unten neben mir gelegen und versuchte sich nun aufzurichten. Ich merkte, wie sich ein freudiges Strahlen auf mein Gesicht legte. Wolfram ging es gut! „Yuuri...? Was...?“, er hielt sich den Kopf, während er diesen zu mir drehte. „Nana!“, rief plötzlich diese Erika aus und sprang von uns weg. Diesen Schrei kurz nach dem Aufstehen ließ auch Wolf schreckhaft zusammenfahren: „Was denn?“ Erika fiel plötzlich auf die Knie, senkte ihr Haupt tief herunter, so dass sie bald mit der Nasenspitze den Sand ihres Strandes berührte und sprach nun sehr laut und förmlich: „Oh, heiliger Nana! Ich habe euch nicht beizeiten erkannt. Ich, eure euch ergebene treue Hausherrin der Familie Hundshaupten, bitte untertänigst um Vergebung und hoffe, ihr könnt mir und meiner Familie dieses Missgeschick jemals vergeben!“ Wolfram, immer noch nicht ganz klar bei Sinnen, schaffte es von ihr zu mir zu blicken und ein „Was?“ heraus zu hüsteln. Anscheinend hatte er auch diesen Salzgeschmack im Mund, der im Rachen kratzte. „Nana, darf ich meinen Blick erheben?“ „Sag mal, Yuuri, meint die mich?“ Ich zuckte mit den Schultern: „Anscheinend schon. Ich bin hier nur herkömmlich!“, und wies dabei auf meine schwarzen Haare. Erst in diesem Moment fiel Wolfram auf, dass er es hier mit einer schwarzen „Einfaltigkeit“ zu tun hatte. Dadurch war seine Irritation noch größer. „Wo sind wir?“ „Dark Makoku!“ „Wirklich?“ „Ja!“ „Und wie kommen wir hier her?“ „Du bist über Bord gegangen!“ Er hatte es nun geschafft, sich aufrecht neben mich zu setzen. Mehrfach strich er sich durch das sandverklebte Haar: „Hm. Das erklärt, warum ich hier bin. Aber nicht warum du hier bist!“ „Ich bin dir hinter her gesprungen!“ „Du bist...WAS?“, Wolfram stockte der Atem, „Wozu rette ich dich Waschlappen überhaupt, wenn dir dein Leben anscheinend eh nichts wert ist?“ Sein Blick wurde zornig. Na, weil mein Leben ohne dich auch nichts wert wäre!, lag mir auf der Zunge, doch ich wich dieser Frage aus: „Ist das jetzt noch wichtig? Wir sind hier und haben die Anderen verloren. Was nun?“ Wolfram erhob sich, verzog aber dabei sein Gesicht und hielt sich am rechten Oberschenkel fest. Stimmt. Dort hatte ihn der Mast erwischt, als er Wolfram von Bord fegte. Es wunderte mich, dass nichts gebrochen war. „Ähm?“, diese Erika hatte immer noch ihr Gesicht zum Sandboden gewandt und schielte fragend auf. „Oh, also wenn ihr mich meint, dann erhebt euch bitte!“, bei Wolf hörte sich dies so beiläufig an. Manchmal schien das verwöhnte Bürschchen doch noch durch, obwohl er sich in den letzten Jahren gemacht hatte. Erika stand nun wirklich auf, jedoch weiterhin mit gesenktem Blick: „Es ist mir eine Ehre, sie im Territorium der Familie Hundshaupten willkommen zu heißen, ehrwürdiger Nana!“ „Was meint ihr eigentlich immer mit diesem Nana?“, ich erhob mich nun ebenfalls. Auch mir schmerzten die Glieder und es entwich mir ein leichtes Stöhnen. Wolfram sah mich sofort besorgt an, daher zwang ich mich zu einem Lächeln: „Es ist alles in Ordnung. Ich bin lange nicht mehr so viel geschwommen. Das war nur ungewohnt!“ Er hob eine Augenbraue, entgegnete aber nichts. Ich hatte fest mit einem 'Waschlappen' gerechnet. „Nana ist seine Heiligkeit, siebter Sohn von Gaaru und Nanimo, den Schöpfergöttern!“, erklärte sie und wies nun auf Wolfram, „und ihre Begleitung!“ „Was?“, ich starrte Wolfram an. Auch er war nicht minder überrascht. „Ich bin sicherlich keine Heiligkeit! Mein Name ist Lord Wolfram von Bielefeld und...“ Erika zuckte bei seinem Namen zusammen und unterbrach ihn, wobei sie auch erschrocken wirkte darüber, dass sie es wohl gewagt hatte, ihn zu unterbrechen: „Von Bielefeld? Aber warum nehmen eure Heiligkeit ausgerechnet den Namen einer herkömmlichen Mätresse als Pseudonym auf Reisen?“ Tiefer konnten Kinnladen nicht fallen. Ganz langsam wandte sich mein Blick an Wolfram. Ich konnte ein breites Grinsen kaum unterdrücken: „So, so. Du hast also eine Mätresse! Ist ja interessant!“ Wolfram lief schlagartig dunkelrot an: „Hab...hab ich nicht! Yuuri! Wie kannst du so etwas nur denken? Du weißt, dass du der Einzige für mich bist!“ „Ach ja? Was war denn damals mit dieser Prinzessin Elisabeth, deiner Verlobten?“, eigentlich wollte ich ihn nur aufziehen. Schließlich war er es immer, der jeden meiner Schritte mit Argusaugen beobachtete und eifersüchtig kommentierte. Diese neue Rollenverteilung fand ich daher recht amüsant. Seine Röte blieb erhalten, beschämt drehte er den Kopf weg: „Kommst du jetzt auch noch mit den alten Geschichten?“ „Oh, Nana, ich verstehe!“, rief diese Erika plötzlich strahlend auf, „Dies ist ihr neuer Partner!“ „WAS?“ (Ich) „Richtig! Mein Verlobter!“, hörte ich da Stolz in seiner Stimme? Konnte man wirklich stolz darauf sein, mit mir, einem Waschlappen und einwandfrei lizenziertem Schwein made by Yuuri, verlobt zu sein? Wolfram erkannte mein verwundertes Gesicht und nun war er es, der lächelte. So schnell konnte sich das Blatt wenden. „Aber ich bin wirklich nicht Nana!“, hörte ich Wolfram nun erläuternd. Erika schüttelte vehement den Kopf: „Ihr seit bestimmt Opfer eines schlimmen Schiffsunglücks und eure Sinne sind umnachtet, eure Heiligkeit! Daher bitte ich euch: Seit Gast in meinem Hause und erholt euch, bis es euch besser geht. Ich stelle euch dann auch gerne alles für euer Fortkommen nach Kumo zur Verfügung!“ „Kumo?“, fragte ich. „Die Hauptstadt, in dem sich der Wolkenpalast seiner Heiligkeit befindet!“, Erika drehte sich auf dem Absatz herum, „Und nun folgt mir in unseren bescheidenen Familiensitz!“ Eins hatte ich bereits gelernt in den letzten drei Jahren. Dämonen hatten einen sehr seltsamen Geschmack. Und Dämonen untertreiben gerne. Egal in welchem der nun beiden Länder! Denn ich sah nicht gut aus und bescheiden ist was anderes. Dieser bescheidene Familiensitz konnte alleine im Innenhof mein ganzes Schloss des Blutigen Eides unterbringen! Es war ein Palast der Superlative. Überall huschte eifrig sehr viel Personal herum. Diese Familie von Hundshaupten musste sehr angesehen sein in Dark Makoku. Lange führte man uns durch zahllose Gänge. Wenn wir unterwegs ein Dienstmädchen oder einen Wachposten trafen zuckten diese oftmals ehrfürchtig zusammen bei Wolframs Anblick. Vielleicht war diese Verwechslung gar nicht so schlecht. Dadurch könnte unser Fortkommen und die Suche nach den Anderen schneller vorangehen. Wir betraten nun einen großen, hellen Raum von der Größe eines Baseballfeldes. In diesem Raum stand nichts. Nur die Wände waren voll von großen und sehr großen Gemälden. Erika trat an eines heran: „Das ist seine göttliche Heiligkeit Gaaru!“ Ich trat heran. Ein sehr gut aussehender Mann mit leicht welligem hellgrauem Haar und tiefblauen Augen. Wolfram und Erika schritten bereits zum nächsten Bild: „Und das ist seine göttliche Heiligkeit Nanimo!“ Noch ein sehr gut aussehender Mann mit längerem, blondem Haar und tiefschwarzen Augen. „Ich zeige euch eure Familienportraits, verehrter Nana, in der Hoffnung, sie mögen euch bei der Genesung von dieser Umnachtung helfen“, erläuterte Erika ihren Rundgang und blieb vor dem nächsten Bild stehen, auf dem ein Mann mit langen aschblondem Haar und violetten Augen abgebildet war, „Dies ist Hitotsu, euer ältester Bruder und Erstgeborener von Gaaru und Nanimo!“ „Hä?“, ich schluckte, „Aber das sind doch beides Männer! Wie soll das denn gehen?“ Erika und Wolfram sahen mich beide sehr irritiert an. „Ihr Verlobter scheint mir auch dieses Unglück nicht ganz unbeschadet überstanden zu haben“, hörte ich Erika in Wolframs Richtung flüstern. Dieser jedoch nickte nur: „Keine Sorge. Dem geht’s gut. Der ist immer so begriffsstutzig!“ Sie schritten weiter durch diese Galerie und ich blieb verwundert zurück. Es gab wirklich noch sehr, sehr, sehr viele Dinge, die ich ganz dringend lernen sollte! Vielleicht waren Günters Lehrstunden doch nicht so schlecht! Aber wer, bitte schön, rechnet damit, dass männliche Dämonen auch Kinder kriegen konnten? Wolfram hatte mir gegenüber so was nie erwähnt! Nur, dass er nach der Hochzeit viele Kinder haben wolle weil er gerne eine große Familie hätte. Ich hatte gedacht, er meinte Adoption oder so. Wie soll das überhaupt gehen? Wo kommen die Kinder dann überhaupt raus? Mir wurde übel bei dem Gedanken. Nein, ich wollte das gar nicht denken! Moment! Heißt das, Wolfram und ich müssen verhüten? Argh! Nochmal Moment! WAS DENK ICH DA???? Ich schüttelte diese Gedanken ab und bemerkte schon einen gewissen Abstand zu Erika und Wolfram. Ich lief schnell hinterher, an einem Bild mit einem rothaarigen Schönling darauf und dem Untertitel 'Futatsu' und an einem Gemälde mit dem Untertitel 'Mittsu', auf dem ein eisgrauer Schönling mit grünen Augen kühl lächelte. Am darauffolgenden Bild hatte ich sie wieder eingeholt. „Dies ist eure Schwester, die bezaubernde Yonno! Sie besucht uns häufig um sich von den Strapazen der Regentschaft zu erholen!“ HA! Genau! Ich werde Günter auch sagen, dass ich mich häufiger von Strapazen erholen muss! Bevorzugt an solch einem Ort wie diesen hier! Diese Schwester sah fast genauso aus wie Lady Cecilie von Spitzweg! Hilfe! „Hier sind die ehrwürdigen Zwillingsbrüder Itsutsu und Muttsuno!“ Meine Komplexe wurden größer. Nur schöne Menschen...ähm...Dämonen in dieser Familie. Der eine Bruder hatte schwarzes Haar und braune Augen, der andere Bruder braune Haare und schwarze Augen. „Und hier drüben hängt das Gemälde eurer lieblichen jüngeren Schwester Hachino!“ ARGH! Da wurde meine Einbildung tatsächlich auf Leinwand gebannt! Das war Wolfram! Eindeutig. Nur wesentlich längere Haare! Aber da stimmte alles! Selbst diese Wahnsinnsaugen! „Und hier seit ihr!“, fuhr Erika fort und wir wandten uns alle um zu dem Bild an der gegenüberliegenden Wand. Und ich merkte, wie der Boden schwankte. Wolfram schien es ähnlich zu gehen. Das war doch nicht wahr! Erika schien unsere kalkweißen Gesichter nicht zu bemerken und schritt auf dieses riesige Gemälde zu: „Eure großartige Heiligkeit, Nanatsu. Vom Volke auch Nana genannt!“ „Dieser Mistkerl!“, entfuhr es Wolf zischend. „Na, so schlimm ist es doch auch nicht!“ beschwichtigte ich und blickte von ihm nochmals auf das Bild. Kein Zweifel. Er war es. Und er hatte nie irgendetwas erwähnt: Shinou. Aber fiel Erika wirklich nicht der kleine Unterschied auf? Okay, damals bei meiner Ankunft, war mir auch diese verblüffende Ähnlichkeit zwischen Wolfram und Shinou aufgefallen, aber Wolfs Augen hatten dieses berauschende Smaragdgrün, Shinous Augen waren von ausgeprägtem Saphirblau. „Als ihr vor 5000 Jahren mit euren Vätern und den zwei älteren Brüdern verschwunden seit war dies ein schwerer Schlag für unser Volk!“, Erikas Blick richtete sich traurig zu Boden. „Verschwunden?“, Wolfram spitzte die Ohren. „Ja, der Erzählung meines Großvaters nach seid ihr nach einem Streit mit einigen von sehr niedrigem Adel außer Landes gegangen. Euren Vätern, Hitotsu und Futatsu hingegen zerbrach dies das Herz und sie folgten euch, um euch zu suchen und zurück zu bringen. Seitdem seit ihr alle verschollen. Eure Geschwister werden hoch erfreut sein, dass ihr gesund wiedergekehrt seit. Das lässt auch auf die Rückkehr der anderen Hochwohlgeborenen hoffen!“, Erika seufzte erleichtert auf. Es war wirklich interessant. Das wir so schnell nach unserer Ankunft einen Teil aus Shinous rätselhafter Vergangenheit erfuhren, hätten wir niemals für möglich gehalten. Günter würde hyperventilieren wenn er das hier wüsste und sehen könnte! Ob Murata das wusste? Das sein Shinou ein 5000 Jahre alter Gott aus einer anderen Welt war? Es war schwierig das für mich zu sagen. Murata war in seiner Rolle als Eminenz und Großer Weiser oft sehr undurchsichtig für mich. Shinou und Murata. Die Beiden passten daher wirklich gut zueinander! „Moment!“, ich drehte mich zu Erika um, „Wie nannten sie Shinous...ähm...ich meine, Nanas Väter?“ „Ihr meint die Schöpfergötter Gaaru und Nanimo?“ Erika schien verwundert, dass ich das nicht wusste, doch nach der Antwort richtete ich mich an Wolfram: „Ich glaube, wir haben den gleichen Gedanken! Unsere Geschichte scheint da auf ein paar Lügen oder Halbwahrheiten aufzubauen. Wenn wir Shinou wiedersehen, erinnere mich daran, ihn ein paar Fragen zu stellen!“ Wolfram schien jedoch gedanklich anderweitig festzuhängen. Vermutlich, weil er soeben erfahren hatte, dass seine Familie aus niederem Adel aus Dark Makoku entsprang. So wie ich mir das Gesagte zusammenreimte, hatte sich vor 5000 Jahren Folgendes zusammengetragen: Shinou hatte aus irgendeinem Grund Ärger mit seinen Eltern, hier zwei Väter, und riss von Zuhause aus. Kam in den besten Familien vor. Nur überschritt er dabei die Landesgrenze. Da das so nicht geht sind die Väter und seine zwei ältesten Brüder hinterher. Shinou hat zudem noch seine besten Freunde mitgenommen. Also praktisch seine Gang. Sie zogen durch die Lande und gründeten mal eben Shin Makoku. Aber seine nachgereisten Familienangehörigen fanden das wohl nicht so prickelnd und das löste den Krieg gegen die Schöpfergötter oder auch Begründer genannt aus. Dieser wird ja auch in der Hyme meines Königreiches erwähnt. Auch Wolfram erwähnt den Sieg über die Schöpfergötter in seiner Feuerbeschwörung. Ergo: Shinou war ein Eltern- und Brudermörder. Was mich störte: Ich hatte Shinou unwissentlich geholfen. Murata hatte mir damals auf meine Frage hin, wer der Begründer, der aus den Schöpfergöttern bestünde, denn überhaupt sei, nur fadenscheinig geantwortet, dass man das nicht so genau wüsste! Shinou wusste es auf jeden Fall sehr genau! Ob Murata beziehungsweise seine Seele näheres darüber wusste und er mich nur, wie er so schön zu sagen pflegte: zum Schutz, nicht genau darüber informierte, war mir nicht bekannt. Würde es aber ganz sicherlich beim nächsten Aufeinandertreffen werden! „Ich werde euch durch meine Dienstmädchen in für euch geeignete Gemächer führen lassen. Ihr möchtet euch bestimmt erst einmal frisch machen und euch ausruhen. Ich werde in der Zwischenzeit ein Essen herrichten lassen. Ich bitte euch schon jetzt, diese Mahlzeit zu entschuldigen. Wir haben hier nicht mit solch ehrwürdigem und hohem Besuch gerechnet!“, sie wies eine Wache, welche an der Tür positioniert war, an, eine Magd hereinzurufen, welche dann auch sogleich mit gesenktem Haupt erschien. „Wenn eure Heiligkeiten mir bitte folgen würden!“, fiepste sie schon fast nicht hörbar und wir nickten zustimmend. Ich brauchte dringend ein Bad, ein Bett und frische Kleidung! Das riesige Zimmer war geschmackvoll eingerichtet. Es ähnelte in der Aufteilung meinem Zimmer auf dem Schloss des Blutigen Eides. Das Dienstmädchen verwies auf frische Kleidung auf einem Stuhl und verließ nach einem tiefen Hofknicks das Zimmer. Auch hier führte eine Tür an ein angrenzendes Badezimmer. Ich warf einen kurzen Blick hinein. Dieses war bei weitem nicht so groß wie meines, aber es war alles da, was man brauchte. Ich ließ Wasser in die Wanne einlaufen und betrachtete die verschiedenen Flakons und Flaschen mit Badezusätzen. Ich entschied mich für das Fläschchen mit grünem Inhalt, roch kurz daran und gab etwas davon ins Wasser. „Wolfram? Magst du oder darf ich zuerst?“, rief ich während des Herausgehens und blieb bei dem mir gebotenen Anblick stehen, „Bist du verrückt?“ Mein Kopf leuchtete rot auf wie eine Ampel und mir rauschten die Sinne. Wolfram hatte sich in der Zwischenzeit seiner Hose entledigt und zog sich sein verschmutztes Hemd über den Kopf. Er stand nur noch im Shin Makoku Feinripp da! Also nackt. Und mein ignorieren der gefährlichen Zonen funktionierte nicht wenn er...oder sie...ach verdammt! Wolfram hat nicht nackt zu sein in meiner Gegenwart! Er sah mit Unschuldsblick zu mir herüber. Hatte er es vergessen? Mir wurde schwindelig, was an der mangelnden Blutzufuhr gelegen haben könnte. Mein Blut sammelte sich bei seinem Anblick an zwei Körperstellen. Er sah schon als Mann unverschämt gut aus. Und da konnte ich in den letzten drei Jahren froh sein, dass er das selbst von sich nicht wusste, denn sonst hätte er ganz leicht mit seinen Reizen spielen können und ich wäre bestimmt einmal schwach geworden...Moment mal...was denk ich denn jetzt schon wieder? Ich drehte hastig den Kopf zur Seite und suchte ein Taschentuch, da ich das Nasenbluten auf Dauer mit der Hand nicht würde stoppen können. Da lag eines. Dummerweise auf dem kleinen Schreibtisch direkt hinter ihm. Ich versuchte im großen Bogen, soweit dies in diesem mir plötzlich sehr klein vorkommendem Zimmer möglich war, um ihn herum zum Schreibtisch zu kommen. „Was ist? Gefallen dir Frauen nun auch nicht mehr?“, säuselte er plötzlich lieblich und lächelte mich verstohlen an. „Doch...ich meine...nein....ja, schon...aber nein....verdammt Wolfram! Zieh dir was über!“, ich erreichte das Taschentuch und griff danach. Doch er hatte es geahnt und ergriff meine Hand. Langsam führte er sie zu seinem Mund und küsste jeden einzelnen Finger zwischen seiner Worte: „Du hast doch gesagt, dass du mich küssen konntest, weil ich eine Frau war. Und das dir das auch gefallen hat. Willst du es dann jetzt nicht noch einmal versuchen?“ Seine Augen hielten den Blickkontakt währenddessen die ganze Zeit aufrecht. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich konnte nicht mehr atmen. Es war nicht der Körper, der mich gerade so faszinierte, es waren diese Augen! Langsam versuchte ich meine Hand aus seinem Griff zu befreien, aber ich merkte selber, dass ich dies nicht mit der Intensität tat, die für eine wirkliche Befreiung nötig gewesen wäre. Er hingegen zog mich an meinem Arm näher zu sich heran. Ich sah ihm nicht auf den Körper, nur in seine Augen. Er zog sich schließlich an meiner Hand hoch auf die Zehenspitzen und sein Gesicht zog an meinem vorbei, bis seine Lippen mein Ohrläppchen berührten: „Woran denkst du?“, flüsterte er leise sinnlich in mein Ohr. „An dich!“ Tat ich ja auch! Wer würde bei dem Anblick an etwas anderes denken können? Er zog sein Gesicht langsam wieder zurück und seine Lippen blieben kurz vor meinen. Er lächelte: „Willst du mich küssen?“ „Ja!“ Klar, die Luft knisterte. Wer würde jetzt noch widerstehen können? Mein Herz raste und ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Oh ja, ich wollte ihn unbedingt küssen! Ich beugte mich langsam zu ihn herunter und meine Lippen näherten sich seinen Lippen an. „Gut!“, sagte er plötzlich in einem anderen Tonfall, ließ meine Hand los und drehte sich um, „Dann gehe einmal in dich und überlege dir gut, was du zu tun hast, damit ich dich wieder küsse während ich bade!“ Und er verschloss die Badezimmertür hinter sich. „Was?“, ich stand immer noch in meiner vorgebeugten Haltung wie der letzte Idiot da. Er hatte es tatsächlich geschafft! Er hatte mich heiß gemacht und dann fallen lassen! Und es war noch nicht mal sein Körper der ausschlaggebende Punkt gewesen, der mich scharf gemacht hatte, sondern er selbst. Wolfram. Ich war ihm voll auf den Leim gegangen! Und er wusste es nun. Er wusste, dass ich ihn nicht nur als Frau küssen würde. Klar, hatte mich meine Einbildung über seinen Frauenkörper erst in diese Stimmung gebracht, aber nun war es raus! Verdammt! Ich wollte doch nicht schwul sein! Ich muss mich setzen! Erika von Hundshaupten war eine sehr stolze Dämonin. Sie war dem Königshaus von Dark Makoku und dessen Göttern loyal verbunden. Sie war stets mit allen Gesetzen und Reformen, Neuerungen und Befehlen einverstanden. Nichts konnte ihren Glauben an das System, unter welchem sie geboren und aufgewachsen war, ihrer Ansicht nach erschüttern. Sie stand noch eine Weile vor dem Gemälde in ihrer Galerie und betrachtete das Bild des siebten Sohnes der Schöpfergötter. Ein teuflisches Grinsen umrahmte ihre von Natur aus brombeerfarbenden Lippen während sie leise zum Bild flüsterte : „Glaubten sie wirklich ich halte diesen kleinen Dämon für euch? Genoviene?“ Aus dem Dunkel des Raumes trat ein Mann hervor. Sein langes, dunkelgrünes Haar war streng nach hinten zu einem Zopf gebunden. Seine grünen Augen stachen deutlich aus dem blassen, kantigen Gesicht hervor. Er trug eine einheitliche graue Uniform, ohne jegliche Abzeichen oder Andeutungen auf einen erlangten Rang: „Ja, Mylady?“ „Sende eine Botschaft an ihre Göttlichkeit Yonno. Benachrichtige sie umgehend davon, dass wir Besuch haben. Ein unbedeutendes Mischblut und einen der Nachfahren dieses widerlichen Verräters!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)