Kyo Kara Maou Novel: Reise zum Beginn - Abenteuer in Dark Makoku von KamuiMegumi ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- KAPITEL 7 Logbucheintrag 1. Zeit: Früher Mittag. Ort: Hafen, am unteren Teil der Gangway zur HGK Roter Seestern. Verabschiedung. So lauteten meine ersten Sätze in meinem soeben angefangenem Tagebuch. Ich wollte schon immer so etwas schreiben. Zudem dachte ich mir, dass dies eine willkommene Abwechslung auf der bevorstehenden, doch sehr langen Reise sein würde. Der Hochgeschwindigkeitskreuzer Roter Seestern lag prachtvoll vor Anker. Für mich war er immer wieder ein atemberaubender Anblick. Er war in seiner ganzen Form eher wie ein überdimensionales Motorboot, jedoch mit Segeln versehen. Zudem hatte es eine magische Schiffsschraube, die dieses Schiff bei gutem Wind so tatkräftig unterstützte, dass es in atemberaubender Geschwindigkeit nur so über das Wasser dahin schoss! Dies war eine der wenigen Erfindungen, welche Anissina ohne Zweifel gelungen waren. Dies und 'Lass-mich-den-Ruf-deines-Herzen-hören-kun' ,ein Ohrstöpsel, welcher die Dämonensprache in Erdensprache übersetzte und umgekehrt. Ohne diesen hätte Mutter hier zweifelsohne große Probleme. Es war wirklich alles bereit um in See zu stechen. Es fehlte nur noch die vollständige Besatzung. Wir waren vom Schloss aus gemeinsam zum Hafen aufgebrochen, um dort von allen Abschied zu nehmen. Mir war nicht mehr viel Zeit geblieben, um irgendetwas zu packen. Günter jedoch sagte, man habe an alles gedacht. Selbst Morgif war aus der königlichen Schatzkammer geholt worden und hing nun mit seltsamen Lauten gurrend an meinem Gürtel. Ich hatte mich an diese Geräusche im Hintergrund schon lange gewöhnt. Nur Mutter fand es zunächst etwas....befremdlich, versuchte sich aber während der Kutschfahrt zum Hafen tatsächlich an einem Gespräch mit ihm. Ich hatte Heathkleif noch schnell eine Taube entsendet mit der Information, dass Greta ihren Aufenthalt bei ihm noch um einige Wochen verlängern solle, da ich mich auf Reisen befand. Ich hatte mich eigentlich sehr auf ein Wiedersehen gefreut, zumal sie so schnell erwachsen wurde. Mittlerweile war sie 13 und in wenigen Jahren würde sie in ihr Geburtsland zurückkehren und dort zur Kaiserin gekrönt werden. Mir blutete das Herz wenn ich daran dachte. Die eigenen Kinder ziehen zu lassen ist wirklich schwer für einen Vater! Daher konnte ich meine Mutter gerade verstehen. Tief bedrückt stand sie neben mir an der Gangway und sah zum Bug des Schiffes hinauf: „Jetzt bleibst du gar nicht hier!“, seufzte sie enttäuscht. „Mutter, ich habe eine Bitte an dich“, versuchte ich sie aufzumuntern, „Shori hat nun eine schwere Bürde zu tragen und er wird dich brauchen. Ich lege dir daher Shoris Wohl und das meines Königreiches vertrauensvoll in die Hände!“ „Ach, Yu-chan, das hast du aber schön gesagt! So erwachsen!“, sie klatschte in die Hände. „Macht euch keine Sorgen, euer Majestät! Ich bin auch noch da und sehe nach dem Rechten!“ Hinter mir ertönte die liebliche Stimme von Cecilie von Spitzweg. Nachdem Shori bei Gwendal um ihre beratende Unterstützung gebeten hatte, hatten wir das ganze Schloss auf der Suche nach ihr auf den Kopf gestellt. Doria, eines unserer Dienstmädchen, teilte uns schließlich mit, dass sie sich bereits in Begleitung von Anissina zum Hafen begeben hätte. Angeblich, um die Beladung des Schiffes zu beaufsichtigen. Doch als ich mich hier so umsah, konnte ich den wohl wahren Grund schnell herauskristallisieren: alle Hafenarbeiter waren ausgesprochen gut aussehend und auch sehr gut gebaut. Mit nackten Oberkörpern stemmten sie die schweren Proviantkisten auf ihre Schultern und trugen sie schweißgebadet die Gangway hinauf. Cecilie und Anissina hingegen hatten es sich mit kühlen Getränken auf einer Kiste mit der Aufschrift 'von Kleist' bequem gemacht und beobachteten mit Funkeln in den Augen diese Männer bei der schweren Arbeit in der aufkommenden Mittagshitze. Nach Dorias Mitteilung über den Verbleib seiner Mutter hatte es Gwendal noch eiliger zum Hafen zu kommen. Es war wahrlich nicht leicht mit Cherie zur Mutter! Nun warteten wir nur noch auf die Kutsche aus dem Tempel. Murata hatte uns mitteilen lassen, dass er sich nur minimal verspäten würde. Warum dem so war, war mir nicht bekannt. Eigentlich war Murata, was Pünktlichkeit anbelangt, stets zuverlässig gewesen. Es musste daher wohl mit Shinou zusammenhängen. Cecilie war nun an uns herangetreten und betrachtete neugierig meine Mutter. Oh je. Ich vergaß. Die beiden Damen waren sich bisher noch nicht vorgestellt worden! Noch ehe ich irgendetwas sagen konnte drückte die größere Blondine meine doch recht kleine Mutter an ihre überdimensionale Brust: „Hach, und sie sind bestimmt die stolze Mama unserer Majestät!“ Meine Mutter versuchte zu nicken. „Ich bin Cecilie von Spitzweg und die Mama von Wolfram. Ihr könnt mich Cherie nennen! Und da unsere Majestät meinem Wolfie gegenüber leidenschaftliche Gefühle hegt, sind wir beiden ja eigentlich schon verwandt!“ Bitte was???!!! „Mutter!“ „Ja, Wolfram? Ist das nicht schön? Endlich die ganze Familie vereint!“, Cherie war ganz in ihrem Element. „Endlich lerne ich euch kennen, Cherie! Ihr dürft mich gerne Jennifer nennen! Ihr übertrefft all meine Erwartungen! Sie sind eine erfolgreiche, selbstbewusste Frau und alleinerziehende Mutter von drei so wundervollen Söhnen und...“ Ich hörte nicht mehr hin. Das war schon ein bisschen zu viel des Guten. Eine allein war schon schwer zu ertragen wenn sie in Fahrt war, aber da sich nun auch noch Anissina dazu gesellte, waren sie eine absolut gefährliche Kombi! Wolf schien das ebenso zu sehen, denn auch er wich vor diesem Grüppchen respektvoll zurück als würde es sich um eine gezündete Ladung TNT handeln! „...wirklich?....Ihr Yuuri auch?....Anissina!... Planen....Hochzeit!“ Schlagartig wurde ich wieder zurückgeholt. „Hochzeit?“ An Wolframs peinlich verlegener Röte konnte ich mir schon vorstellen, was die drei Damen gerade besprochen hatten! „Mutter! Es wird jetzt nicht geheiratet! Ich...ähm...ich...“ „Du gehst jetzt erst einmal auf große Fahrt, Yu-chan! Überlasse alles deiner Mama, Cherie und Anissina!“, und sie schob mich tatsächlich Richtung Gangway! Ich freute mich zwar wirklich für sie, dass sie ihre Traurigkeit über meine Abreise so schnell verwunden hatte, aber nun wusste ich, dass ich mir die ganze Reise über Gedanken machen würde, was mich bei meiner Heimkehr wohl erwartete! Eine Kutsche kam direkt neben uns zum Stillstand und Murata stieg aus: „Shibuya! Es kann los gehen!“ „Konntest du nicht früher herkommen? Jetzt hat sich schon eine grauenvolle Vorstellung in mein Hirn gebrannt!“, meine Augen wiesen Murata den Blick auf das TNT. Er schmunzelte: „Aber, Shibuya, es hätte schlimmer kommen können! Stell dir vor, sie würden sich nicht verstehen!“ Nein, dass wollte ich auch nicht. „Was hat denn so lange gedauert?“, versuchte ich vom Thema und auch mich selbst abzulenken, während wir nebeneinander her die Gangway hoch liefen. „Die Zeremonie für Shinou zog sich länger hin als erwartet“, seufzte er knapp. „Stimmt ja! Shinou! Wollte er nicht mit?“ Ich blickte mich suchend um. Aus der Kutsche war niemand weiteres ausgestiegen. Nur der Kutscher kämpfte noch mit Muratas Wäschetruhe. Ich bin schon da! hörte ich seine Stimme. „Hä?“, wieder blickte ich mich um. Doch da stand nur Murata neben mir und am Ende der Gangway Wolfram und Conrad. Gwendal und Günter diskutierten irgendetwas neben der großen Kiste, auf der zuvor Cherie und Anissina gesessen hatten und die nur mit 'von Kleist' beschriftet worden war und Iossac und Adalbert standen bereits auf Deck und besprachen sich mit dem Kapitän. Murata öffnete die Jacke seiner Schuluniform: „Nicht nur du trägst etwas an deinem Herzen, was dir wichtig ist, Shibuya!“ Er spielte vermutlich auf das Foto in meiner Brusttasche an. Ich ignorierte diese Bemerkung und betrachtete den Gegenstand, den er hervorzog. An einer feingliedrigen, silbernen Kette baumelte ein kleiner Flakon, der mich ein wenig an die Miniatur-Parfümfläschchen in der Sammelvitrine meiner Mutter erinnerte. In diesem Flakon war aber keine Flüssigkeit, sondern eine hellleuchtende, wunderschöne, schneeweiße Perle. „Was ist das?“, ich beugte mich herunter und betrachtete ihre Schönheit noch genauer. Von ihr ging ein warmes und weiches Strahlen aus. „Schön, nicht wahr?“, flüsterte Murata, „Und vor allen Dingen hab ich ihn so immer im Blick und er kann nichts anstellen!“ Das ist wirklich nicht sehr nett! Habe ich denn jemals etwas Unvernünftiges angestellt? Schon wieder hörte ich Shinous Stimme. „Ich möchte jetzt nicht alles aufzählen müssen!“, Murata verschloss den Flakon behutsam unter seiner Jacke. „Das ist Shinou?“, ungläubig schaute ich nun auf den versteckten Flakon auf Muratas Brust. Er nickte: „Seine Seele. Stell es dir vor wie bei einem Computerprogramm. Auf das Minimalste komprimiert! Aber wehe, man macht den Flakon auf!“ Er legte ein schelmisches Grinsen auf. Das wäre nicht ratsam. Du weißt, dass ich dir vertraue? fragte Shinou. „Habe ich dich jemals enttäuscht?“ Nein. Nie. Ich hatte das Gefühl, ein persönliches Gespräch zu belauschen und ging ein wenig auf Abstand. Shinou würde uns tatsächlich begleiten. Es war bestimmt nicht einfach für ihn, in einem Flakon herumgetragen zu werden. Ich beschloss daher aus Respekt ihm Gegenüber mich während der Reise niemals über die Enge auf diesem Schiff zu beschweren! Logbuch, 2. Tag: Die Stimmung an Bord ist gut. Viel Raum ist wirklich nicht. Teile mir meine Doppelbettkabine mit Murata und Shinou sowie Conrad und Wolfram. Wolfram beachtet mich immer noch nicht. Seine Sturheit ist wirklich beachtenswert. Es ist nicht einfach, jemandem so konsequent aus dem Weg zu gehen, wie er es bei mir tut, auf so engem Raum. Ich muss dringend mit ihm sprechen. Alleine. Doch das scheint hier unmöglich! Hatte mir das anders vorgestellt. Mist. Obwohl kaum Wellengang herrscht steht er meist an der Reling. Sobald ich mich ihm nähere ergreift er die Flucht. Ich habe ihm die Tabletten meiner Mutter gegen Reiseübelkeit daher auf sein Nachtlager gelegt. Ich hoffe, er nimmt sie zu sich. Logbuch, 12. Tag: Conrad und ich haben beschlossen, an unserem morgendlichem Lauftraining festzuhalten. Heute war der Seegang allerdings etwas rauer, was unseren Lauf erheblich erschwerte. Günter, welcher mit Gwendal in einer Einmannkabine untergebracht ist, drängt mich seit Anbeginn der Reise, die Zeit für meine Studien zu nutzen. Dies erklärte mir auch den Inhalt der ominösen 'von Kleist'-Kiste. Sie war voll mit Büchern und Anschauungsmaterial aus unserer Bibliothek. Ich muss mir etwas einfallen lassen, wie ich dieser Folter aus dem Weg gehe. Wolfram scheint die Tabletten tatsächlich genommen zu haben. Er ist weniger an der Reling zu sehen, sondern schläft seitdem sehr viel. Ich mache mir Gedanken, ob diese Tabletten wohl die gleiche Wirkung auf Dämonen haben wie auch auf Menschen. Murata ist viel beim Kapitän. Sie berechnen täglich die Route aufs Neue. Anscheinend ist es auch für Shinou nicht ganz einfach, sich an Dinge zu erinnern, die über 4000 Jahre her sind. Iossac und Adalbert sitzen meist schweigend an Deck oder trainieren gemeinsam oder auch mit Conrad, Gwendal und Wolfram. Natürlich nur, wenn dieser gerade nicht schläft. Daher kann ich sagen, dass die Stimmung an Bord noch normal scheint. Morgen umschiffen wir laut Gwendal dann das östliche Ende von Groß Simaron. Danach erwartet uns eine unbestimmte Zeit lang nur die offene See und das absolut Unbekannte. Logbuch, 23. Tag: Ich sehe Wellen, Wasser und Wolken. Wolken, Wellen und Wasser. Wasser und Wellen und Wolken und Wasser und Wasser.... argh! Mir ist langweilig! Aber ich habe eine Lösung für mein Günter-Problem gefunden. Im Lager stehen die ersten Proviantkisten leer. Jedes mal, wenn ich meine Ruhe brauche, verstecke ich mich in einer von ihnen. Murata nennt es kindisch. Ich nenne es 'bei Verstand bleiben'! Natürlich nimmt mir das Günter extrem übel, dass ich mich so sehr vor seinen Lehrstunden drücke. Wenn wir uns abends beim Essen treffen führt er sich auf, als wäre ich wochenlang verschollen gewesen. Wolfram sah heute beim Essen sehr blass aus. Anscheinend gehen die Tabletten zu Neige. Ich habe die letzten Tage verstärkt versucht, mich ihm anzunähern. Bei Gesprächen in der Gruppe, ich treffe ihn ja nur noch in Gruppen an, spreche ich explizit ihn an. Bisher mit wenig Erfolg. Heute beim Abendessen bat ich ihn mir doch die Schüssel Bohnenmus herüber zu reichen. Das Resultat muss ich noch vor dem Zubettgehen aus meiner Uniform schrubben. Conrad versucht mich in meinem Vorhaben zu bestärken und rät mir, am Ball zu bleiben. Langsam ist es wirklich zum Verzweifeln. Er fehlt mir. Er fehlt mir wirklich! Ich vermisse unsere Gespräche. Ich vermisse selbst seine Neckereien. Das er in meinen Augen extreme Rundungen hat, habe ich schon mit Erfolg gelernt auszublenden, indem ich mich nur auf sein Gesicht konzentriere. Auch wenn mich die Dauer der Reise auf diesem kleinen Schiff wurmt, so halte ich dennoch an meinem Vorhaben fest, diesen Streit mit ihm aus der Welt zu schaffen solange wir an Bord sind! Himmel! Es muss doch eine Möglichkeit geben, mit ihm zu reden! Heute ist der 24. Tag unserer langen Reise. Es ist Abend. Ich stehe an der Reling und beobachte, wie die Sonne mit ihren letzten Strahlen am Horizont verschwindet. Aus der Kapitänskajüte höre ich Iossac fröhlich auflachen. Es ist irgendwie zum Ritual geworden, dass die Männer sich abends auf ein paar Gläser Schnaps beim Kapitän zusammensetzen und sich dazu alte Geschichten erzählen. Das hebt laut Conrad die Moral. Ich lächle in mich hinein. Ich könnte mich natürlich dazu setzen, aber ich weigerte mich weiterhin, Alkohol zu mir zu nehmen. Ich war immer noch nicht ganz ausgewachsen. Zudem war ich auch der Meinung, dass einer bei Verstand bleiben sollte, obwohl ich wusste, dass gerade Conrad und Iossac sich soweit unter Kontrolle hatten, nicht zu viel ins Glas zu schauen. Adalbert hingegen hatte in den letzten Nächten schon einiges...ähm...sagen wir vertragen. Er war ein richtig unterhaltsamer Mensch, wenn er nicht ganz bei Sinnen war. Ich würde mich daher im Laufe des Abends doch dazugesellen. Alleine, um seine Geschichten aus vergangenen Zeiten zu hören, die so viel unterhaltsamer geschildert wurden als von Günter. Ich hörte ein plötzliches Würgen und anschließendem Fluchen an der Reling auf dem unteren Teil des Decks. Würg „Und ...alles...ist...die Schuld...von diesem ...Waschlappen!“ Würg Ha! Wolfram! Ich blickte hinunter. Tatsache! Und er war alleine! Und er hatte Waschlappen gesagt! Ach, wie hatte ich das vermisst! Moment, spinne ich jetzt total? Leise schlich ich mich die Treppe zum unteren Deck herunter, um... „Du kannst auch normal heruntergehen, Yuuri. Nicht das du Waschlappen noch über deine eigenen Füße stolperst und uns von Bord gehst!“, murmelte er weiterhin mit dem Rücken zu mir gewandt und immer noch über die Reling gebeugt. Verdammt! Sein Gehör war wirklich ausgezeichnet. Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf. „Und nun hör auf dich am Kopf zu kratzen und sag was du seit Tagen sagen willst. Ich bin nicht in der Verfassung dir gerade aus dem Weg zu gehen, also nutze diese einmalige Chance!“ Verdammt! Woher wusste er, dass ich mich kratzte? „Wolfram,...ähm...wie geht es dir?“ Sein Kopf neigte sich zu mir mit funkelnden Augen: „Na, wie schaut es denn für dich aus wie es mir gerade so geht?“ „Sind die Tabletten schon...“, versuchte ich es weiter. „Nein, es sind noch welche da. Ich hebe sie mir für die Tage mit schwerem Seegang auf!“, erklärte er und wandte sich wieder ab, „Danke dafür. War es das jetzt?“ „Nein!“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Eine frische Brise wehte über das Deck. Wolfram trug nur seine Uniformhose und sein weißes, weites Hemd locker darüber. Ich konnte ihn mir endlich seit langem wieder vom Ganzen betrachten, da von den von mir gefürchteten und mich noch mehr nervös machenden Rundungen dadurch nichts zu sehen war. Ich zog meine Jacke aus und legte sie ihm behutsam über die Schulter: „Es ist kalt.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen: „Wäre es dann nicht besser du behältst sie an, Waschlappen?“, und er deutete auf das Kleidungsstück. Ich blickte betreten auf meine Füße: „Wolfram?“ „Hm?“ „Du fehlst mir.“ Wolframs Blick richtete sich gegen den Horizont. Die Sonne war nun ganz verschwunden, die ersten Sterne leuchteten am Firmament und auch der Halbmond spendete ein kühles, klar weißes Licht. Er wusste, dass es mir schwer gefallen war, zuzugeben, dass er mir fehlte. Ohne den Blick vom Himmel abzuwenden flüsterte er leise, doch dennoch sehr verständlich: „Du mir auch, Yuuri!“ Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Ich merkte, wie sich meine Körperhaltung entspannte. „Sag mal, Yuuri... was soll diese Versteckerei in der Proviantkiste?“ Ich zuckte erschrocken zusammen: „Du weißt davon?“ Mit schräg gehaltenem Kopf und frechem Grinsen antwortete er mir in seiner typischen Stimmlage: „Natürlich! Es ist die Aufgabe eines Verlobten alles über seinen Verlobten zu wissen, selbst wenn dieser damit überhaupt nicht rechnet. Ich habe dich die ganze Zeit im Auge behalten! Und dieses Streching mit Conrad...das gefällt mir immer noch nicht!“ Ich musste leise lachen. Ja, dass war mein Wolfram! Auf sein Gesicht legte sich ein dunkler Schatten. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben. „Yuuri“, er zögerte, und obwohl ich ihn aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse nur schemenhaft erkennen konnte, sah ich das sein Blick beschämt war, „Wir haben seit dieser Sache noch nicht darüber geredet.“ „Dieser Sache?“, ich kam nicht mehr ganz mit. Wir hatten schon so lange nicht mehr ein normales Gespräch geführt. „Der... der Kuss!“ „Oh! Die Sache! Hähähä! Ja, also, weißt du, Wolf, das...“ „Sag mir jetzt nicht, dass war nur wegen dem Versuch den Fluch zu brechen!“ „Eigentlich schon!“ „Rede keinen Unsinn, Yuuri! Das war doch mehr!“ „Was soll denn da mehr gewesen sein?“ Oh nein! Es fing schon wieder an! Wieso können wir nicht mal mehr fünf Minuten normal reden ohne uns wieder zu streiten? „Der Kuss war lang...und intensiv... und schön.“ Sein Blick ging zu Boden. Seine Stimme war entgegen meiner Vorahnung leiser geworden. „Ja, das war er.“ Argh!!!! Was rede ich denn da???? „Für dich auch?“, Wolframs Augen leuchteten auf. Sie sahen mich direkt an. Mit so großer Freude, aber auch mit Erwartung. Hilfe! Wie komm ich da nur wieder raus? „Weißt du, Yuuri, ich will dir da schon seit sehr langem etwas sagen. Ich...ich...“ „Sag es nicht!“, unterbrach ich ihn, „Du verstehst da was falsch! Ich habe dich nur so geküsst weil ich mir da eingeredet habe, du wärst wirklich eine Frau! Das war nicht ehrlich! Und um ehrlich zu sein...“ Och nein! Ich Idiot! Ich wollte gerade diesen Satz richtig stellen, da läutete die Schiffsglocke laut und schrill und wir beide erschraken. „STURMFRONT BACKBORD!“ schrie jemand von der Takelage herunter. Was? Wo? Ich beugte mich über die Reling, auch Wolfram neben mir tat es mir gleich. Und tatsächlich! Der Horizont zeigte eine von Blitzen durchzuckte, bedrohliche Schwärze! Wolfram zog sich meine Jacke aus und warf sie mir entgegen: „Falls du denkst, wir sind hier fertig, dann hast du dich geschnitten!“ Er lief zum Mast, wo seine Jacke lag, und streifte sich diese über. Ich war ihm gefolgt. Ich wusste absolut nicht, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten sollte. Und damit meinte ich beide Situationen: die mit Wolfram und die mit dem aufkommendem Sturm. Eine plötzliche Welle packte das Schiff am Rumpf und ließ es kräftig aufschaukeln. Ich verlor die Balance und kippte nach hinten, konnte mich aber noch so gerade an der Reling fangen. Wolfram wurde auch überrascht und rutschte an mir vorbei. Blitzschnell ließ meine linke Hand die Reling los und erwischte Wolfram. Beinahe hätte es ihn von Deck gefegt. Erleichtert sah er zu mir auf und wir zogen uns gegenseitig in den sicheren Stand zurück. „Wir müssen auf das Oberdeck, zu den Anderen!“, Wolfram hielt meine Hand weiterhin und zog mich die Stufen der Treppen hoch. Eine erneute Riesenwelle traf das Schiff, doch durch die erste Welle bereits wissend was kommen könnte war unser Griff am Geländer fest und der Stand sicher. Plötzlich setzte schwerer Regen ein und durchnässte uns bis auf die Knochen. Innerhalb weniger Augenblicke waren wir mitten in diesen Sturm geraten! Alle Soldaten und die Schiffsbesatzung war auf den Beinen und versuchte, die Segel einzuholen. Oben lief uns schon Conrad entgegen: „Majestät! Ein Glück! Geht mit Wolfram sofort unter Deck! Dort seit ihr sicher! Das Schiff kann nicht sinken!“ Ich wollte ihn in dieser Situation nicht an meinen Namen erinnern: „Nicht sinken? Das hat man von der Titanic auch behauptet!“ Wolfram nickte stattdessen und zog mich an Conrad vorbei Richtung Unterkünfte. Der Wind hatte nun um einiges an Stärke zugenommen und jeder Schritt gegen diesen und in den nassen Kleidern war mühsam. Ein erneutes Aufbäumen des Schiffes zwang uns in die Knie. Nur noch wenige Meter trennten uns von der Treppe zum Unterdeck. Ein ohrenbetäubender Knall ließ mich zusammenfahren und nach oben blicken. Ein Blitz war in den Fockmast gefahren und hatte einen Teil der Taue gelöst. Diese hielten die Segel zum Bramsaling, das ist eine Querstange zum Mast, welche nun herunterhingen. Durch die Schwere der Nässe und dem starken Wind gab die Bramsaling nach und krachte nun mit dem ganzen Gewicht auf uns herunter! „Yuuri!“, hörte ich Wolfram noch schreien und spürte einen festen Schlag gegen meinen Brustkorb, der mich nach hinten katapultierte und mich mit voller Wucht mit dem Rücken gegen die Tür zur Unterdecktreppe schleuderte. Mit benebelten Sinnen blickte ich auf zu Wolfram. Er hatte mich mit aller Kraft weggestoßen und somit vor dem Erschlagen werden gerettet! Er lächelte mich noch erleichtert und schwer außer Atem an, als das losgerissene Segel, welches nur noch von wenigen Tauen an des herunter gestürzten Bramsaling hing, vom Sturm erfasst wurde und sich aufblähte. Dadurch schoss das schwere Holzstück des ehemaligen Fockmastes über das Schiffsdeck, riss Wolfram im Vorbeiflug die Beine unter dem Körper weg und zog ihn mit sich über Bord! „WOLFRAAAAAM!“ Mein Schrei war durch den Sturm hörbar und schenkte meinem nachfolgendem Handeln die Aufmerksamkeit aller an Bord. Ich lief. Ich lief so schnell ich konnte und ohne auch nur über alles Weitere nachzudenken, der Spur der Verwüstung, die der zerbrochene Mast angerichtet hatte, nach bis zur zerfetzten Reling und sprang. „MAJESTÄÄÄÄÄT!“ „YUURI!“ „MAJESTÄÄÄÄT!“ „SHIBUYA!“ Stille. Es stach wie tausend Nadeln. Das Wasser war eisig. Ich konnte nichts sehen. Ich hörte die Schreie oberhalb von Deck. „Yuuri! Halte durch!“, Conrads Stimme klang überhaupt nicht mehr so ruhig wie sonst. Eine Welle packte mich und zog mich nach unten. Wo war Wolfram? Ich wurde durch die unruhige See wieder nach oben gedrückt und nutzte die Chance für einen tiefen Atemzug, ehe mich der Sog wieder unter Wasser zerrte. Wolfram? Erneut geriet ich in einen Strudel und dieser entfernte mich spürbar vom Schiff. Verdammt! Ich brauche Licht! Ich kann in dieser Dunkelheit nichts sehen! WOLFRAM! Der Talisman auf meiner Brust glühte auf. Doch ich hatte keine Zeit überrascht zu sein, denn erneut spuckten mich die Wellen kurzfristig aus und gaben mir Gelegenheit zum atmen. Ich lasse nicht zu, das du wegen mir stirbst! Dieser verdammte Ozean! Wo war Wolfram! DA! Da war was! Wieder schoss ich zum Atmen an die Oberfläche und konnte es genauer erkennen. Nur wenige Meter von mir entfernt trieb das zerborstene Maststück mit seinen Segeln und darauf liegend: Wolfram! Langsam rutschte er bewusstlos von seinem provisorischen Rettungsfloß herunter und verschwand in der Schwärze des Meeres. NEIN! Ich schwamm so schnell dies bei den Wellen möglich war, holte tief Luft und tauchte neben dem Floss hinab. Nur Dunkelheit. Ich musste tiefer tauchen. Das Meer wollte mir Wolfram nehmen! Ich konnte dies nicht zulassen. Ein Sog versuchte mich wieder nach oben zu zerren. Doch mit kaum noch Luft in den Lungen schwamm ich dagegen an. Meine Hand berührte etwas. Etwas weiches. Wolfram! Ich packte es einfach. Es fühlte sich an wie der gerüschte Kragen seines Hemdes. Ich war noch nie so glücklich über Wolframs seltsamen Geschmack! Mit allerletzter Kraft und absoluter Luftnot zog ich ihn an die Oberfläche. Dort krallte ich mich an dem Mast fest und versuchte Wolfram auf eben diesen zu drücken. Ohne festen Stand zu haben war so etwas fast ein Ding der Unmöglichkeit! „Ich lasse dich hier nicht einfach sterben!“, schrie ich, um mir aus diesem Schrei die benötigte Energie für diesen Kraftakt zu holen. Ich schaffte es tatsächlich, Wolfram einigermaßen sicher auf dieses Floß zu hieven. Ich nahm eines der vielen Seile, die an den Segelfetzen befestigt waren und wickelte es um Wolframs Taille. Das eine Ende des Seils knotete ich am Mast fest, das andere um meine Taille. Egal, wie sehr der Sturm jetzt noch an uns zerren würde, er würde uns nicht mehr trennen! Nun versuchte ich selbst auf das Floß zu kommen. Es dauerte eine Weile, doch schließlich gelang es mir. Ich versuchte nun, das Schiff zu erblicken. Die Wellen waren immer noch sehr hoch, der Sturm ließ jedoch von der Windstärke und vom Regen her deutlich nach. Der Himmel klarte etwas auf und ließ ein wenig Mondlicht zu. Nichts. Weit und breit nichts. Das Schiff war verschwunden! „CONRAD!“ „GWENDAL!“ Nichts. Der Sturm hatte es nicht geschafft, Wolfram und mich zu trennen. Aber er hatte es geschafft uns von den anderen zu trennen! In mir stieg Panik auf. Ich beruhigte mich erst, nachdem ich festgestellt hatte, dass Wolfram normal atmete und auch sonst keine schwerwiegenden Verletzungen hatte. Er war nur bewusstlos. Ich traute mich auch gar nicht, ihn näher zu untersuchen. Denn meine gestörte Optik hatte der Sturm auch da gelassen. Ich merkte, wie mir trotz mehrfacher Ermahnung die Sinne schwanden. Ich war einfach zu erschöpft, um noch länger wach zu bleiben. Mein Kopf wurde immer schwerer und schlussendlich sackte ich über Wolfram gebeugt zusammen und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)