Just be Friends von Chocoberry ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Das Frühstück war bombastisch. Ich konnte mich nicht erinnern, schon mal solch eine Auswahl gehabt zu haben. Der lange, hölzerne Esstisch war überladen gewesen mit einer Auswahl an Brötchen und Croissants, Käse, Marmelade und auch allerlei Dinge, die ich normalerweise nicht zu einer solchen Mahlzeit zu mir nehmen würde. Pfannkuchen und Würstchen waren noch das unspektakulärste gewesen. Doch zu meinem Bedauern hatte ich nur zwei meiner Gastbrüder kennen lernen können und auch mein Gastvater war schon sehr früh aufgebrochen. Zumindest war mir niemand böse, dass ich das Abendessen verschlafen hatte. Nun zeigten mir Finn (Finnlay) und Ben (Bennet) mit ihrer niedlichen Art das Haus. An jeder Hand einen der blonden Knirpse tippelte ich in kleinen Schritten eine der Treppen hinaus. „Da geht es zu Collin.“ sagte einer der beiden. Ich glaube es war Finn. „Euer Bruder. Schläft er immer lange?“ fragte ich die beiden. Cecille hatte mir beim Frühstück verraten, dass Collin meistens nur am Abendessen teilnahm und sonstige Zusammenkünfte mit seiner Familie mied. War er auch eher zurückgezogen wie ich oder war er einfach faul und verschlief den ganzen Tag? „Nein, er ist immer früh wach, aber wir dürfen ihn nie stören.“ meinte der andere der beiden Kleinen, also wahrscheinlich Ben. Ich wusste nicht recht was ich von Collin halten sollte. Aber ich hatte auch keine Zeit mir groß darüber Gedanken zu machen, denn die beiden zogen mich weiter in die andere Richtung, um mir ihr Spielzimmer zu zeigen. Für das Zimmer zweier Jungs war es überraschend ordentlich. Nirgends lag etwas auf dem Boden herum, alles war sauber und ordentlich in Schränken und Kisten verstaut. „Letta macht immer sauber.“ Die Stimme der beiden klang stolz. Letta hieß eigentlich Loretta, es war das Mädchen, dass ich heute morgen vor der Küche getroffen hatte. Zur Mittagszeit saß ich mit Finn und Ben wieder im Esszimmer. Diesmal war meine Gastmutter nicht da und auch Collin ließ sich nicht blicken. Dafür leisteten uns Loretta und die Köchin Gesellschaft. Die Zwillinge himmelten Loretta an und versuchten sie mit Nachtisch, einem unheimlich cremigen Schokoladenpudding, zu füttern. Mit einem grinsen auf den Lippen sah ich ihnen zu. „Möchtest du mir nachher helfen?“ fragte die Köchin, nachdem ich ihr geholfen hatte, das Geschirr in die Küche zu tragen. Loretta kümmerte sich grade darum, dass die Jungen sich zum schlafen hinlegten, ein schwieriges Unterfangen, wie ich mir vorstellen konnte. „Natürlich. Was kann ich tun?“ fragte ich. „Du könntest dem jungen Herrn seinen 2-Uhr Tee hochbringen.“ „Collin?“ fragte ich nach. Sie nickte. „Du hast ihn sicher noch nicht kennengelernt. Es würde ihm gar nicht schlecht bekommen, auch mal mit gleichaltrigen zu reden.“ Ich konnte die Stimmlage der Köchin nicht genau deuten. Sie klang so besorgt. Es schien, als würde sie Collin sehr gern haben. „Geht er den nicht in die Schule?“ fragte ich verwundert. „Nein, nicht mehr.“ Ein Schulabbrecher? Oder wurde er von der Schule geschmissen? Dass konnte ich mir nicht vorstellen. Wie lange gab es hier die Schulpflicht? Auch 10 Jahre wie in Deutschland? War er vielleicht einfach zu faul? Das Bild eines dicken Jungen, der die ganze Zeit bei zugezogenen Vorhängen vor dem Computer sitzt kam mir in den Sinn. Die Köchin schien meinen grübelnden Gesichtsausdruck bemerkt zu haben. „Er ist bereits fertig mit der Schule. Ein sehr intelligenter Junge. Aber nichts als dummes Zeug fängt er damit an. Eines Tages bekommt er noch mächtig ärger. Oder auch nicht. Er kann seinen Kopf sicher aus jeder Schlinge ziehen.“ Die letzten Sätze waren nur noch gemurmelt, ich war mir nicht sicher ob ich sie richtig verstanden hatte. Um kurz vor zwei Uhr machte ich mich auf den Weg zu Collins Zimmer. Auch hier sahen die Wände wieder etwas anders aus. Sie waren leerer. Es fehlten Bilder. Während im ganzen Haus an den Wänden immer irgendwelche Gemälde oder Fotografien hingen, waren die Wände im Flur zu Collins Zimmer leer. Sagte das wieder etwas über seinen Charakter aus? Wahrscheinlich sollte ich mir darüber keine Gedanken machen, ich würde ihn ja gleich kennenlernen. Von dem Flur, der übrigens nicht gerade kurz war, gingen zwei Türen ab. Beide waren verschlossen. Irgendwie fühlte ich mich langsam, als ob ich einen Raum in einem Hotel suchen würde, die hatten auch immer so lange Flure und waren verwinkelt. Da ich nicht wusste, welche Tür die richtige war, wählte ich willkürlich eine aus. In der einen Hand das Tablett mit der Teetasse, der vollen Kanne und einem Teller mit Gebäck stand ich vor dem Zimmer, die andere Hand zum klopfen erhoben. Irgendwie traute ich mich nicht. Ich hatte wirklich Angst vor Collin. Meine eigene Dummheit ließ mich schmunzeln. Wie sollte ich den hier neue Leute kennenlernen und offener werden, wenn ich mich nicht einmal traute mich meinem Gastbruder vorzustellen? Tief Luft holen und anklopfen, befahl ich mir in Gedanken. Ich klopfte und fast augenblicklich erklang ein „Herein.“ Ich war von der Stimme überrascht. Sie klang für einen Jungen der den Stimmbruch schon hinter sich haben musste noch relativ hoch. Nicht quietschend hoch, sondern angenehm hoch, eher wie eine Mädchenstimme. Gleichzeitig war sie aber auch fest und irgendwie streng. Und ich hatte die richtige Tür erwischt, wie ich mit einem erleichterten seufzen feststellte. Zunächst konnte ich in dem dunklen Zimmer kaum etwas von Collin erkennen. Nur dick war er auf keinen Fall, aber auch nicht sportlich, so viel konnte ich seiner Silhouette ablesen. „Nun komm schon näher, oder willst du in der Tür genau so lange stehen bleiben, wie vor der Tür?“ fragte er, ohne seinen Blick von einem der zahlreichen Computerbildschirme zu nehmen. Ich wurde rot. Woher wusste er das? Als hätte er erraten, was ich gedacht hatte, sagte er: „Überall im Haus habe ich Kameras installiert.“ er sagte dies ohne jegliche Betonung, als ob es etwas ganz normales wäre. Endlich drehte er sich zu mir um. Viel konnte ich von ihm dennoch nicht erkennen. „Keine Sorge, in deinem Zimmer ist keine. Und willst du nicht endlich das Tablett abstellen?“ fragte er in einem leicht genervten Tonfall. Schnell stellte ich das Tablett neben ihm ab. „Du bist also Collin?“ fragte ich ihn schüchtern. „Ach du kannst reden?“ fragte abfällig. „ Aber ja ich bin Collin. Und du bist Emma und ich weiß eine Menge über dich.“ Es wäre übertrieben es grinsen zu nennen, aber er hob die Mundwinkel, wie zu einem überheblichen Grinsen. „Was?“ fragte ich überrascht. Woher sollte er den so viel über mich wissen? Cecille hatte ich kaum etwas über mich in den Mails erzählt und Facebook hatte ich nicht. „Zum Beispiel kenne ich deine Noten. Es ist nicht besonders schwierig sich in eure Schuldatenbank einzuloggen.“ „Aber das darf man doch nicht!“ platze ich heraus. Im selben Moment merkte ich, wie dumm und naiv das ganze formuliert war. „Ach wirklich? Das darf man also nicht.“ Seine Ironie war nicht zu überhören. „Jaja, ich bin nicht so intelligent, wie du es anscheinend bist.“ Wütend drehte ich mich um. Da kam mir eine Idee. Ich gebe zu sie war kindlich, aber meine Güte. „Man sagt nicht jaja.“ verbesserte er mich. Er hatte seinen Blick schon wieder auf den Bildschirm gerichtet und achtete nicht auf mich. Mit einem Schwung riss ich die langen, dunklen Vorhänge auf, sodass das Zimmer plötzlich von Licht durchflutet wurde. Ärgerlich blinzelte Collin mich an. Und endlich konnte ich auch sehen, wie er aussah. Sein dunkles Haar war ordentlich, keine Strähne stand ab und seine Klamotten sahen teuer aus. „Warum trägst du eigentlich einen Anzug, wenn du nur im dunklen am Computer sitzt?“ fragte ich ihn. „Ich trage immer Anzüge.“ „Immer? Warum?“ fragte ich ihn, während ich wieder auf ihn zuging. „Es ist nun mal das, was Geschäftsleute für gewöhnlich tragen.“ „Du bist also ein Geschäftsmann?“ Ich muss zugeben, dass klang etwas ironisch. Aber ich konnte mir bei seinem Anblick nicht vorstellen, dass er wirklich arbeitete. „Nun, zumindest verdiene ich Geld. Und wahrscheinlich in einer Woche mehr, als deine Mutter in einem Monat.“ Er klang ein wenig beleidigt. Fehlte nur noch der Schmollmund. Bei dem Gedanken hätte ich fast laut losgelacht, nur mit Mühe und Not konnte ich mich zurückhalten. Collin schien es aufgegeben zu haben, eine Unterhaltung mit mir zu führen, stattdessen hatte er sich seiner Teetasse zugewandt. „Aber besonders viel Wert auf Gesellschaft legst du auch nicht, oder?“ fragte ich ihn. „Wozu brauche ich Gesellschaft? Das interagieren mit Menschen wird für gewöhnlich überschätzt. Vor allem wenn diese Menschen nicht einem gewissen Niveau entsprechen.“ Ah ja verstehe, ich war unter seinem Niveau. „Ich glaube nicht, dass du wirklich so denkst.“ meinte ich. Fragend sah er mich an, deswegen erklärte ich: „Wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich, dass du trotz hoher Intelligenz einfach nicht dazu in der Lage bist, lange mit Menschen auszukommen. Entweder vergraulst du sie oder sie wollten dich am liebsten schlagen.“ Ich grinste. „Und da das dein Ego nicht erträgst, ziehst du dich zurück.“ „Du hast auslachen und verprügeln vergessen“ fügte er grinsend hinzu. „Ja , ich gebe zu, ich bin nicht grade ein umgänglicher Mensch. Aber bist du besser. DU hast ja anscheinend Angst davor, mit Menschen zu reden, weil sie dich beißen könnten.“ „Ja, du hast mich durchschaut.“ ich grinste ihn an. Für einen Wimpernschlag sah es aus, als ob er zurück grinsen wollte, aber er schien sich eines besseren zu entsinnen. „Jedenfalls, da du anscheinend wenigstens ein Teetablett heil eine Treppe hoch tragen kannst, würde ich vorschlagen, dass du das ab sofort jeden Tag machst, zumindest an den Tagen, an denen du um 14 Uhr schon zu Hause bist. Zudem wirst du dich auch anders nützlich machen können. Du kannst die Angestellten fragen, wo du ihnen helfen kannst. Was weiß ich; abwaschen, putzen, mach dich einfach nützlich.“ herausfordernd sah er mich an. Er wollte mich herumkommandieren! Aber blieb mir etwas anderes übrig, als es mir gefallen zu lassen? „Keine Wiederworte? Sehr gute Einstellung, wenn du die Aufgaben nicht gut erledigst, werde ich mir Konsequenzen ausdenken.“ Irgendwie lief mir bei diesen Worten ein Schauer über den Rücken. „Du kannst jetzt gehen, aber denke daran, die Vorhänge zu schließen.“ Jetzt komplementierte er mich auch noch aus seinem Zimmer. Mit gesenktem Kopf ging ich aus dem Zimmer, höchst konzentriert, um nicht wie eine 5 jährige wütend auf dem Boden aufzustampfen. Die Vorhänge schloss ich nicht. Er konnte sich selbst bewegen, würde ihm gut tun. „Übrigens, ich weiß nicht, ob meine Mutter es dir bereits gesagt hat, aber meine Eltern sind oft Wochenweise nicht im Haus, und dann musst du sowieso tun, was ich sage, also gewöhne dich lieber jetzt schon mal daran.“ rief er mir noch hinterher, bevor ich die Tür zu dem Raum etwas zu laut schloss. Mit eiligen Schritten entfernte ich mich von dem Raum. Über meine vor Wut erhitzten Wangen liefen Tränen. Das fing ja sehr gut an, ich ließ mich gleich von meinem Gastbruder unterbuttern. Warum konnte ich ihm nicht die Stirn bieten, so wie es wahrscheinlich alle anderen Mädchen getan hätten? Das Abendessen ließ ich heute mit Absicht ausfallen, stattdessen lag ich auf dem großen Bett, den Kopf in den Kissen vergraben. Auch heute schlief ich sehr schnell ein. Ich träumte etwas merkwürdiges. Irgendetwas, oder irgendwer, ich war mir nicht sicher, streichelte mir den Kopf, unbeholfen und als wäre ich ein Hund. Mit einem seufzen wachte ich auf. Es war mitten in der Nacht. War da nicht eine Bewegung gewesen? Und tatsächlich, ich hörte, wie sich meine Zimmertür schloss. Irgendwer war in meinem Zimmer gewesen. Mit laut pochendem Herzen saß ich in meinem Bett. Es waren keine Geräusche zu hören. Ich kuschelte mich in meine vielen Kissen und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)