Beim Leben meines Feindes von HlMURO ================================================================================ Prolog: Liar ------------ Obwohl das Geräusch der Schlusssirene schon lange verhallt war, kam es ihm so vor, als dröhnte es immer noch in seinen Ohren. Hatte sich das Ende eines Spiels immer schon so schmerzvoll niederschmetternd angefühlt? War Verlieren wirklich schon immer so frustrierend für ihn gewesen? Wann hatte es angefangen, dass es sein Ego verletzte, besiegt zu werden, nachdem er auf so eine traurige, sinnlose Art versucht hatte, seine Feinde zu brechen? Er verstand die Welt nicht mehr. Das Jubeln von Seirin, das Johlen des begeisterten Publikums, sein eigener rascher Atem, der heftige Schlag seines Herzens, der ihm bis zu den Schläfen pochte, das Gefühl von Blut, das durch den Körper gepumpt wurde, sein diffuses Gedankenrasen – Alles vermischte sich und wurde zu einer zähflüssigen, bitteren Masse, die sich in seiner Kehle festsetzte und ihn langsam von innen erstickte. Makoto war das erste Mal seit langer, langer Zeit den Tränen nahe. Es brannte in seinen Augen. Aber er ließ nicht zu, dass es ihn übermannte, sondern fletschte wie ein wildes Tier die Zähne. Sein Kiefer tat weh, als er mit aller Gewalt die Zähne zusammenbiss. Doch er lockerte es nicht. Nicht auch nur einen Deut. Nein. Er würde weder Seirin, noch der Brillenschlange und schon gar nicht ihm die Genugtuung geben, zu sehen, wie in ihm etwas tobte, dem er nicht Herr werden konnte. Mit langsamen, zittrigen Schritten, da sich sein gesamter Körper steif und zum Zerreißen angespannt anfühlte, ging er auf die zwei Menschen zu, die ihn erst in diese Sinnenkrise gestürzt hatten. Hyuuga und er. Er ballte die Faust. Die Fingernägel bohrten sich hart in seine eigene Handfläche, während er den Blick noch gesenkt hatte. Er wusste, was er tun musste, um seinen Stolz bewahren. Um wenigstens den kümmerlichen Rest an Ehre zu retten, den er noch nicht zusammen mit dem Sieg eingebüßt hatte. Selbst jemand wie er, der schon längst jenseits von Gut und Böse war, kannte so etwas wie Sportlerstolz. Nichts war für eine Mannschaft schlimmer, als am Ende einer Niederlage als schlechte Verlierer dazustehen. „Ich habe verloren, Seirin.“ Klang er aufrichtig zerknirscht genug? Ja? Reichte das an Heuchelei? War das genug an Einsehen, damit er seine Pflicht als Teamkapitän erfüllt hatte? „Und Kiyoshi...“ Seine Stimme senkte sich minimal, während er mit den Augen hasserfüllt Teppeis Knie fixierte, das noch getaped war. Man sah, dass er sein linkes Bein nicht so stark belastete wie das Andere. Er hätte sein Meisterwerk vom letzten Jahr wiederholen sollen. Nur diesmal ohne die Aussicht, dass dieser Mistkerl jemals wieder gehen würde. Ihm war zum Kotzen zumute, als er den nächsten Satz aus sich rauspresste. „Mir tut alles leid.“ Natürlich meinte er das nicht ernst. Er hoffte, dass Kiyoshi die verborgene Verachtung, den Hohn darin hören würde und sich innerlich vor Wut wand. Weil es eine Sache war, die man nicht mit einer Entschuldigung aus der Welt schaffen konnte. Es gab Dinge, für die gab es keine noch so mächtigen Worte, um sie wieder reinzuwaschen. Schon gar nicht, dass er den Countdown von Kiyoshis Zeit als Basketballer grausam verkürzt hatte, in dem er ihm irreparablen Schaden zugefügt hatte. Kein Mann bei gesunden Verstand war fähig so eine Tat einfach zu vergessen. Nicht mal, wenn man so ein ekelhaft widerlicher Gutmensch war, wie Kiyoshi. Makoto löste sich nur für einen Moment von seinem Knie, um ihm unmerklich ins Gesicht zu sehen. Er wollte es sehen. Er wollte die Wut, den Zorn, den Schock, ja, den Hass sehen, den er in ihm geschürt hatte. Er wollte sehen, wie Kiyoshis Gesicht aussah, wenn man ihm die Maske herunterriss, hinter der er seine hässlichen Gefühle versteckte, die seit einem Jahr in ihm brannten. Doch das, was Makoto stattdessen erkennen konnte, brachte ihn beinahe dazu, hysterisch aufzulachen. Das war nicht sein ernst. Das konnte nicht sein ernst sein. Das war ein dreckiger Trick, eine Meisterleistung an Schwindel, eine Falle, eine Farce. Das war alles, nur nicht das, nach was er aussah. Anders wollte es sein Verstand nicht akzeptieren. War dieser Idiot gerade dabei, ihm zu vergeben? Konnte es wirklich sein, dass Kiyoshi Teppei, der bei ihrem letzten Spiel noch vor Schmerz aufschreiend am Boden gelegen hatte und Makoto einen Schauer über den Rücken vor Genuss und Erregung über dieses wunderschön unfaire Spektakel gejagt hatte, im Begriff war ihm alle Missetaten, die er ihm und den Rest von Seirin angetan hatte, zu verzeihen? Vermutlich reichte er ihm im Anschluss noch die Hand. Genau, und danach würden sie alle die besten Freunde sein und zusammen im Sonnenschein Basketball spielen, während im Hintergrund ein Regenbogen den Himmel durchzog. Haha. Er grinste kurz verzerrt. Und dann brach es aus ihm heraus, bevor jemand noch etwas sagen konnte. „Als ob ich das jemals sagen würde, ihr beschissenen Idioten!“ Grausam. Es war einfach nur grausam. Statt sich selbst die Blöße zu geben, hatte Kiyoshi ihn mit seiner Art dazu gebracht, seine eigene Maske abzunehmen und seinen hässlichsten Ausdruck zu präsentieren, der nichts, aber auch gar nichts mehr mit Manipulation und Schauspiel zu tun hatte. Das, was er Seirin und insbesondere Kiyoshi gerade ins Gesicht spuckte, waren seine wahren, ehrlichen Gefühle. Gefühle, die hässlich, erbärmlich und schwach aus ihm raus quollen, wie bei einem trotzigen Kleinkind. Er fühlte sich betrogen. Es hatte keinen Spaß gemacht, Kiyoshi zu verletzen, ihn leiden zu lassen, bluten. Das war ihm alles heute genommen worden. Und dann wagte es dieses Arschloch noch, ihn so mitleidig freundlich anzusehen? Verrecke, du elender Mistkerl! Winde dich vor Schmerzen und Qual am Boden und verkriech dich in ein Loch, um dort weiter zu leiden und zu weinen, bis du verreckst! Verreckte, verrecke, verrecke! „Hanamiya... “ Makoto rang noch nach Atem nach seinem Ausbruch und starrte Kiyoshi einfach nur außer sich an, der ihn nun angesprochen hatte. Gerade war er so voller unendlicher Wut, dass er bereit sich hier und jetzt auf dem Spielfeld, vor den Augen aller, vor Seirin, des Schiedsrichters, des Publikums, ja, sogar vor den Augen seiner eigenen Mannschaft, die ihn bereits alarmiert ansahen, zu prügeln, bis irgendeiner von ihnen zu tot zu Boden ging. „Der letzte Wurf, den du gemacht hast...Ich fand ihn unglaublich.“ Innerlich wusste er, dass er dabei war weitaus mehr als nur sein Gesicht zu verlieren. Wenn er ihm noch weiter zuhörte, ihn noch weiter ansah, würde er sich davon nicht mehr erholen. Nicht sein Ego, nicht sein Stolz, nicht seine Ehre, nicht mal seine Seele würde das unbeschadet überleben. Er spürte es. Er spürte es und doch konnte er nichts dagegen machen, als einfach stehen zu bleiben und Kiyoshi weiterhin anzusehen, der ihm, ausgerechnet ihm, ein ehrliches, helles Lächeln schenkte. „Lass uns mal wieder zusammen spielen.“ Es fühlte sich an, als würde Makoto in diesem Moment von einem gleißenden Lichtstrahl berührt werden, eher er elendig daran verbrannte. 'Dein letzter Wurf war unglaublich' ? 'Lass uns mal wieder zusammen spielen' ? Und das alles mit einem verdammten Lächeln, das von Herzen kam? „Sei nicht lächerlich“, zischte Makoto nur unterdrückt, den Blick abgewandt. Er wollte weglaufen. Er wollte heulen. Er wollte ihm die Kehle durchschneiden. Er wollte sterben. Er wollte alles, nur nicht so angesprochen, so angesehen, so angelächelt werden. Nicht von ihm. Nicht von dem Kerl, der ihn eigentlich hassen sollte. Doch nicht mal das wurde ihm gewährt. Stattdessen erkannte man seine Fähigkeiten als Spieler an und bot ihm an, irgendwann wieder gegeneinander anzutreten. Unverzeihlich. Das war unverzeihlich. Kiyoshi hatte ihn zusammen mit Seirin in ein tiefes Loch gestürzt, doch anstatt in vollkommener Dunkelheit auf dem Boden aufzuschlagen, entdeckte er in einiger Entfernung eine einzelne Lichtquelle, die dazu verführte, sich auf sie zuzubewegen. Wie eine Motte, die wie hypnotisiert zum Feuer flog, eher die Flammen sie zu Asche zerfallen ließen, weil sie zu nah gekommen war. Kiyoshi war dieses Feuer, um das sich die Menschen versammelten und zu dem sie selbst in der schwärzesten Finsternis fanden. Er war ihr Hoffnungsschimmer. Er spendete Wärme und Sicherheit an jeden, der zu ihm kam. Und am hellsten strahlte sein Schein, wenn man dachte, nie wieder Licht sehen zu können. Auch Makoto spürte es. Den Zug Richtung Licht. Das Bedürfnis, sich dem hellen Schein anzunähern, in der Hoffnung aus diesem schwarzen Abgrund rauszufinden, in den er schon lange vor seiner Niederlage gegen Seirin gefallen war. Es brauchte nicht viel. Nicht mal drei Schritte trennten ihn und Kiyoshi voneinander. Die Spinne war in ihr eigenes Netz geraten, in dem sie ihre Beute fing. Doch anstatt sie elendig krepieren zu lassen, empfing man sie mit der Aussicht, ein neues Leben als was Besseres zu beginnen, als wollte man ihn verspotten. Unter den Blicken seines Teams verlor er komplett die Fassung, bis man ihn wie einen Verrückten aus der Halle entfernen musste. Er schrie. Er schlug um sich. Wütete in der Umkleide, trat eine Delle in einen der Spinds in seiner Raserei. Nichts und niemand blieb verschont. Auch nicht er selbst. Makoto tobte so lange, bis er sich heiser und ausgelaugt vorkam. Seine Knie gaben nach und er rutschte zu Boden. Mit letzter Kraft schlug er gegen die Wand vor sich. Seine Fingerknöchel waren blutig aufgescheuert. Es war ihm egal. Alles hatte seine Bedeutung verloren. An diesem Tag schwor er sich, alles daran zu setzen Kiyoshi zu zerschlagen. Selbst wenn es ihn umbrachte, bei den nächsten Qualifizierungsspielen würde er ihn und das ganze verdammte Seirin-Team zermalmen, bis nicht mal mehr bleiche Knochen von ihnen übrig waren. Dafür nahm er es sogar in Kauf, einen Ehrenplatz in der Hölle zu bekommen. Er wollte sie leiden sehen. Er wollte Blut fließen lassen. Und er wollte, dass Kiyoshi jedes einzelne seiner Worte bis ans Ende seines Lebens und darüber hinaus bereute. Erst viel später erfuhr er, dass der Wintercup Kiyoshis letztes Turnier sein würde. Es würde keine Chance geben, sich nochmal zu begegnen. Viel hatte er bei dieser Neuigkeit nicht empfunden. Keine Schadenfreude, keine Befriedigung. Nicht mal Ärger über die Tatsache, dass ihm die Gelegenheit genommen wurde sein Ziel zu verwirklichen. Nur stumpfe Leere, die nach Nichts schmeckte.  Nur ein einziges, leises Wort verließ unbeachtet seine Lippen. „Lügner.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)