Roots von Lady_Blacklily ================================================================================ 005. Kapitel – Deprimierende Erkenntnisse ----------------------------------------- Es war lange nach Mitternacht, als Robin mit einem Teleskop unter dem Arm die Treppen herunter trottete und im Garten Aufstellung bezog. Die Sterne übten eine starke Faszination auf ihn aus und viele selbstgezeichnete Karten zeugten von dem Wissen über dieses Thema. Diese Nacht sollte wieder viel zu sehen sein können. Bevor Robin sich diesem aber widmen konnte, hörte er ein lautes Rumpeln an der Haustür, eilte dorthin. Es war Sully, der gut gelaunt die Türe aufschloss und Robin dann ertappt ansah, als die Tür vor seiner Nase aufgerissen wurde. „Äh, hi“, murmelte er entschuldigend grinsend. „Wolltest du nicht feiern gehen?“ „War ich doch…“ Er zog seine Schuhe aus und stellte sie ordentlich und betont langsam zu den anderen. Robins linke Augenbraue wanderte in die Höhe. „Das war vor sieben Tagen, mate.“ Nun zog der ältere eine Schnute. „Tut mir leid. Ich war so verdammt glücklich, ihn wieder zu sehen, dass ich erst mal bei ihm gepennt habe. Wir hatten uns so viel zu erzählen“, entschuldigte er sich und bekam immer mehr ein schlechtes Gewissen. Seit er und Robin klein waren, waren sie nie so lange getrennt voneinander gewesen. „Du hättest dich ja mal melden können.“ Brummend ließ Robin ihn stehen und trottete wieder in den Garten zum Teleskop. „Jetzt sei nicht wütend, bitte“, bat er inständig. „Hat es sich gelohnt?“ Sully stockte, wunderte sich über diese Frage. „Es war geil. Wir waren zu viert unterwegs, zwei seiner Kumpel waren noch dabei. Einer davon ist ein Cop. Wir haben uns viel von damals erzählt, vom Klettertraining mit unseren Vätern, den Ausflügen.“ „Welche Väter meinst du?“, hakte Robin nach, sah ihn aber nicht an. „Na, deinen und meinen. Die haben uns doch Klettern beigebracht.“ „Dir und Jakko?“ Nun stockte Sully. „Das weißt du doch?“ „Ich erinnere mich nicht, dass Jakko je dabei gewesen war, wenn wir klettern waren. Und ich erinnere mich nicht daran, dass du so oft ohne mich losgezogen warst.“ Fragend starrte er den rotbraunen Schopf vor sich an. Dann schluckte er. Er wusste, was das bedeutete. „Und unsere gemeinsamen Ausflüge mit ihm?“ Nun sah Robin ihn doch wieder an. „Ich bin Jakko nie begegnet, das weißt du doch. Ihr habt immer ohne mich etwas unternommen. Aber ihr wart nicht klettern, das hätte ich mitbekommen. Denn dann wäre ich auf jeden Fall mitgekommen.“ Betroffen verzog Sully den Mund. Er hatte nicht angenommen, dass der Unfall noch nach so langer Zeit Folgen zeigte. Zumindest der Name war wohl hängen geblieben. „Bist du sauer?“ „Nein. Hatte es mir schon gedacht.“ Da es nicht so wirkte, als würde Robin noch Lust haben, dieses Gespräch weiter zu führen, trottete Sully in die Küche. Im Kühlschrank fand er einige in Folie eingewickelte Teller. Robin hatte jeden Tag für ihn mit gekocht und sein Essen zurück gestellt. Schuldbewusst räumte er auf. Das Spiel dauerte nur noch einige Minuten. Alle waren angespannt: das eine Team wartete nur noch auf den Abpfiff, das Andere versuchte, noch ein letztes Tor zu schießen. Doch Mario und seine Verteidigung ließen kein weiteres Tor zu. Marion stand am Spielfeldrand, zusammen mit Piedro und Cesario, die diesmal nicht mitspielten. Sie feuerten ihr Team an und jubelten dann lautstark, als abgepfiffen wurde. Die Leonino hatten 2:0 verloren. Mario und Ricardo gaben sich die Hand, die anderen folgten ihrem Beispiel. Die Veveri ließen sich von Marion mit Wasserflaschen versorgen. „Ihr habt toll gespielt, Jungs“, lobte sie diese. „Hey da ist Robin“, rief Cesario und winkte ihm dann zu. Robin stand zusammen mit Sully in der Nähe der Tribüne und unterhielt sich mit ihm. Als er Cesario hörte, hob er die Hand und winkte kurz. Etwas später kamen die Beiden herüber zu den Veveri. „Hi Robin. Wie geht’s dir?“, wollte Marion wissen. „Ach, geht so. Tut schon nicht mehr weh.“ „He’s lying“, widersprach Sully und knuffte ihm leicht in die Seite, woraufhin Robin zusammen zuckte und das Gesicht verzog. „For sure, he wants to be a tough boy. “ Sully prustete los, als er Marions Worte hörte, krümmte sich vor Lachen zusammen und schien sich nicht mehr einzukriegen. „Shut up!“, zischte Robin. Der ältere richtete sich wieder auf und versuchte ernst drein zu schauen. „Ja, sorry. Konnt’s mir nicht verkneifen.“ „Hat euch das Spiel gefallen?“ „Yeah, war cool. Ihr habt Talente in eurem Team.“ Ein paar Schritte hinter den Australiern war ein lautes Lachen zu hören. „Talente? Die? Das sind die Veveri perditori. Die können gar nichts.“ Sie drehten sich um. „Hör auf damit Nico, euer Team ist auch nicht besser!“, erwiderte Mario und verschränkte wütend die Arme. „Na, wir haben wenigstens noch nie 30:0 verloren!“ Er und seine drei Freunde lachten lauthals über Nicos Witz und gingen dann weiter. „Das ist der Hauptgrund, warum wir keine neuen Mitglieder bekommen“, brummte der Torwart der Veveri und sah zu seiner Schwester. „Siehst du? Das wissen leider noch zu viele. Wir müssten schon mal 30:0 gewinnen, damit man anders denkt. Ein 1:0-Sieg macht da nicht viel her.“ Robin legte den Kopf schief. „Na, wie wär’s denn, wenn wir dann gegen sein Team 30:0 gewinnen?“, schlug er vor und sah Mario herausfordernd an. „Das dürfte…“, er hielt inne als ihm der genaue Wortlaut klar wurde. „Wir?“ „Vorausgesetzt, ich darf bei euch mitmachen.“ „Willst du dir das wirklich antun? Wir sind nicht die gleiche Liga wie du.“ „Dann, Mario, ist es vielleicht an mir, euch in diese Liga zu bringen.“ Er zwinkerte. Es klang sehr überheblich was er sagte, doch er hatte Recht damit. Er könnte sie trainieren, ihnen all das beibringen, was er schon konnte. „Ich würde mich freuen!“ „Good, Guy“, lobte Sully und klopfte seinem Cousin auf die Schulter. Dieser sackte fast zusammen und unterdrückte einen Schmerzenslaut. „Oh, sorry“, entschuldigte er sich gleich, schmunzelte dabei jedoch. „Gut, aber erst mal solltest du dich aufs Trainieren beschränken und nicht mitspielen.“ „Aye, Boss.“ Robin hielt sich nicht lange daran. Schon zwei Tage später machte er beim Training mit. Man sah ihm an, dass einige Bewegungen noch schmerzten, aber er sagte nichts sondern machte tapfer weiter. Hin und wieder kam auch Sully zum Training und sah ihnen zu. Meistens trug er dann ein Baseballtrikot. Robin nahm sich deutlich zurück wenn sein Cousin dabei war, so als dürfte dieser nicht wissen dass Robin mittrainierte. Marion sprach Robin einmal darauf an. „Hältst du das vor Sully geheim, dass du mitspielst?“, fragte sie direkt. Robin nickte. „Yeah. Sonst würd’ ich mächtig Ärger bekommen. Ich weiß ja dass er sich nur Sorgen macht, aber ich halte Einiges aus. Das Training und die Spiele in Sydney waren teilweise ziemlich ruppig. Außerdem habe ich mich oft genug geprügelt. Ich bin nicht aus Porzellan.“ Marion lächelte. „Hm, ich versteh euch beide wohl. Und solange du dich wirklich nicht übernimmst, werde ich mich da auch nicht einmischen.“ „Soll das eine Drohung sein?“, fragte Robin schmunzelnd. „Nein, eher ein gut gemeinter Rat.“ Sie schlugen ein. „Welche Mannschaft war das denn, die sich neulich über euch lustig gemacht hat? Von diesem Nico?“, wollte er dann wissen. „Das Team nennt sich Sciacallo. Aber frag mal lieber Henry. Soweit ich weiß, war er mal dabei.“ Das tat Robin dann auch. Henry seufzte. „Ja, ich war mal bei den Sciacallo. Genauer gesagt habe ich die Mannschaft gegründet. Weißt du, ich war nicht immer so ein guter Teamplayer. Vor nicht mal zwei Jahren habe ich alles im Alleingang lösen wollen und den ganzen Ruhm für mich beansprucht. Eigentlich haben die Veveri mich verändert. Ich war ein halbes Jahr lang am anderen Ende der Stadt. Und nun spiele ich wieder bei den Veveri und bin froh, dass sie mich wieder aufgenommen haben.“ Robin nickte dazu. „Mich wundert es ehrlich gesagt, dass es die Sciacallo überhaupt noch gibt. Die Spieler waren alle ähnlich drauf wie ich. Viele haben nach unseren ersten Spielen das Team wieder verlassen. Es müssen wohl einige ein neues Team aufgebaut haben als ich fort war. Viel hat man jedenfalls von denen nicht gehört.“ „Dann, denke ich, dürfte das kein Problem sein. Wir werden sie 30:0 schlagen, und dann werden wir uns über sie lustig machen.“ Henry grinste. „Ich finde es mutig von dir dass du zu den Veveri gekommen bist, wo es nicht so viel Aussicht auf Siege gibt wie zum Beispiel bei den Diabolos oder den Balneo Nero. Du könntest es dort weit bringen.“ Robin sah auf den Boden, scharrte mit einem Fuß im Sand. „Ja, Henry. Das stimmt schon. Aber andererseits wäre ich da vielleicht auch in der Menge untergegangen. Ein gut eingespieltes Team hat in der Stamm-Mannschaft vielleicht fünfzehn gute Spieler, und in diesen festen Kreis kommt kein Neuer so leicht rein, sei er auch noch so gut. Bei den Veveri ist noch viel Platz im festen Kreis. Und zweitens… mich reizt die Herausforderung.“ Bei diesem letzten Satz sah er Henry wieder an. Er hatte ein seltsames Funkeln in den Augen, ehrgeizig und zuversichtlich. „Ich habe viel Potential in eurem Team bemerkt. Es muss nur gefördert werden. Ihr könntet richtig gut werden.“ „Meinst du wirklich?“ „Yeah. Ich hab ein Auge dafür, glaub mir.“ Mario gesellte sich zu den Beiden. „Robin, welche Nummer willst du eigentlich auf deinem Trikot haben. Ich werde es dann beflocken lassen.“ „Vierzehn. Die Nummer hatte ich schon immer, und die ist auch nicht so begehrt dass sich alle darum kloppen.“ Mit einem Nicken verschwand er wieder. „Was steht denn als nächstes an, wofür wir trainieren müssen?“ „Wir hatten jetzt die Qualifikation für die Regionalmeisterschaften. Soweit ich weiß, sind von unserer Stadt vier Teams dabei. Wir haben es nur mit Mühe geschafft so weit zu kommen. Außer uns sind noch die Diabolos, die Balneo Nero und eine relativ neue Mannschaft namens Hornets dabei. Von denen habe ich noch nicht viel gehört. Außerdem kommen aus den anderen Städten der Region noch zwölf andere Mannschaften dazu. Wir haben schon einige Infos zu denen gesammelt, die hat Mario. Er wird sie dir sicher geben wenn du fragst.“ „Okay, dann werde ich mich mal ein wenig mit ihnen beschäftigen. Kommst du mit?“ „Klar.“ Am nächsten Tag nach der Schule begaben sich die beiden Jungs zu dem Sportplatz der Hornets. Beide vermuteten einen Engländer oder Amerikaner unter den Gründern. Der Platz wirkte sehr groß und gepflegt, überall standen Spieler im Trikot der Mannschaft herum: eine schwarze Trikothose mit einer stilisierten Wespe an beiden Hosenbeinen. Die Shirts waren weiß mit gelben Ärmeln und derselben Wespe an Ärmeln und auf der Brust. „Wow, die haben viele Spieler“, merkte Henry an. Sie beschränkten sich darauf, erst einmal aus der Ferne zu beobachten. „Das sind mehrere Mannschaften. Ich sehe eine Gruppe Mädchen, eine Gruppe älterer Jungen und die in unserem Alter“, erklärte Robin. „Ja, das stimmt. Die trainieren wohl zusammen.“ Robin sah ihn von der Seite an. „Wundert dich das?“ „Hm, ich weiß nicht. Die älteren spielen anders, härter als die Jüngeren. Und Mädchen spielen doch auch auf einem ganz anderen Niveau als Jungen.“ „Ach, meinst du?!“ Verwundert über den gereizten Tonfall von Robin sah er ihn an. „Hab ich was Falsches gesagt?“ „Ich kenne Mädchen, die viel besser spielen als Jungs. Im Allgemeinen sind Mädels mehr auf Technik aus als auf Kraft. Sie machen viel mehr Pässe und Dribblings als Jungs. Hast du schon mal bei einer Mädchenmannschaft zugesehen?“ Henry schüttelte den Kopf. „Dann sollten wir das nachholen. Marion hat mir erzählt, dass die Veveri schon einmal gegen eine Mädchenmannschaft gespielt haben. Das könnten wir wiederholen. Und ich glaube, Marion hat auch einiges an Technik mehr drauf als ihr.“ Henry sah Robin herausfordernd an. „Dann spiel du doch mal gegen Marion. Ich möchte mal sehen was dabei rauskommt.“ „Meinetwegen.“ Nachdem sie sich ein Bild von der Mannschaft gemacht hatten, begaben sie sich zurück zu ihrer eigenen Mannschaft. Dort erzählten sie von ihren Beobachtungen und von Robins Meinung über Mädchenmannschaften. Danach gab Marion ihre Meinung darüber wieder. „Robin hat im Grunde Recht. Die meisten Mädchen sind nicht so kräftig wie Jungs, egal wie viel sie trainieren. Ihr Muskelaufbau ist einfach ein wenig anders. Klar sind da mehr Technik und Zusammenspiel nötig. Andererseits verlassen sich viele Jungs zu sehr auf ihre Kraft und vernachlässigen dann so etwas wie Doppelpässe oder Lupfer.“ Robin nickte dazu. „Dann zeig mal was du meinst, Robin“, forderte Henry ihn auf. Robin stand auf und ging mit Marion aufs Feld. „Das wird euch bei mir aber nicht viel bringen. Wir haben bei den Rangers sehr viel Wert auf Technik gelegt“, erklärte er noch, bevor sie los legten. Beide bekamen einen Ball und sollten ein paar Tricks zeigen. Marion hatte sehr viel drauf, sie zeigte Tricks die sie im Training noch nie gesehen hatten. Ihre Stärken waren eindeutig das Dribbling und die Schnelligkeit, mit der sie den Ball bewegen konnte. Robin war mehr auf andere Tricks versiert. Er konnte den Ball über nahezu jeden Körperteil rollen lassen ohne dass er verloren ging und konnte ihn auch lange in der Luft halten. Bei dem Sprint, den sie dann machen sollten, war Robin schneller. Beim Weitschießen war er ebenfalls besser. Aber beim Zweikampf dauerte es nicht lange, bis Marion ihm den Ball abgenommen hatte. Marion merkte jedoch, dass er sich zurück hielt. Es hätte seiner Argumentation auch nicht gerade geholfen, wenn Marion dann trotzdem bei allem schlechter abgeschnitten hätte. Mario stand die ganze Zeit mit gerunzelter Stirn dabei und beobachtete die beiden. „Henry, Robin, tauscht mal“, ordnete er an. Gesagt getan. Henry und Marion zogen das gleiche Programm durch, und diesmal waren die Unterschiede noch viel größer. Henry hatte mehr Kraft als Marion und viel weniger Feingefühl. Der Vergleich von Henry und Robin zeigte schließlich, dass Henry diesem eigentlich weit unterlegen war – und das als einer der besten Spieler der Veveri. Die Runzeln auf Marios Stirn waren tiefer und tiefer geworden, und so vor Augen geführt sah er deutlich, wie schlecht sein Team eigentlich war. „Marion, Robin, kommt bitte mit“, bat er die beiden mit ernster Miene, ihm ins Clubhaus zu folgen. Dort folgte ein ernstes Gespräch über Trainingsmethoden. „Ich bin echt entsetzt. Ich hab das noch nie so deutlich vorgeführt bekommen, wie schlecht wir sind. Das ist deprimierend.“ „Ach, komm, das kriegen wir schon hin“, versuchte Marion ihn aufzumuntern. „Du hast das schon länger gemerkt oder?“, fragte er sie. Ein wenig schuldbewusst nickte seine Schwester. „Ich wollte es euch nicht so direkt vor die Nase halten wie Robin das jetzt getan hat.“ „Es bringt aber nichts jemanden zu schonen wenn er sich verbessern will oder muss. Sonst merkt man es doch gar nicht“, warf Robin ein. „Ja“, murrte sie nur. „Könntet ihr mir vielleicht die Trainingsabläufe eurer alten Mannschaften aufschreiben? Vielleicht können wir daraus einen geeigneten Trainingsplan für uns erstellen. Ich wusste nicht, dass wir so viele Defizite haben…“ „Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Bis zum Turnier sollten wir Einiges aufarbeiten können“, erklärte Robin überzeugt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)