Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 35: Eika ---------------- Orochimaru zog sich zurück. Ob Gaara ihn tödlich verwundet hatte oder nur leicht, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Im Kampf war der ältere Daimyô ihm haushoch überlegen gewesen. Der Rotschopf hatte nur dank seiner besonderen Fähigkeit, Sand nach seinem Willen zu steuern, eine Chance gegen ihn gehabt. Durch Kankurôs Unterstützung war ihm ein Treffer gelungen. Der Schwarzhaarige hatte anschließend so eilig zum Rückzug aufgerufen, dass Gaara keine Zeit geblieben war, ihm den Gnadenstoß zu geben. Dessen Untergebene scharrten sich um ihn wie ein lebender Schild. Orochimaru verschwand im Getümmel und war für sie nicht mehr sichtbar. Sie beobachteten den Rückzug des gegnerischen Heeres. Die Schlacht war gewonnen. Vorerst. Doch er musste noch dafür sorgen, dass der andere Daimyô so schnell wie möglich sein Land verließ samt seiner Krieger. Apropos Krieger. Jadefarbene Augen wanderten suchend umher und fanden schließlich einen Teil von Akatsuki. Dass er Zetsu nicht sehen konnte, wunderte ihn nicht. Dem Mann fiel es augenscheinlich sehr leicht, zu verschwinden und wieder aufzutauchen wie es ihm beliebte. Doch gewisse Unruhe breitete sich in ihm aus, weil er weder den auffälligen kleinen Rotschopf noch seinen blonden Schützling ausmachen konnte. Nach außen ließ er nichts von seinen Gedanken durchdringen. Seine Gedanken kreisten aber um Deidara. War etwas passiert? Auf dem Weg zum Lager erfuhr Gaara bereits von dem Angriff auf Sasori mit dem Vorderlader. Zetsu hatte Kabuto von weiteren gezielten Schüssen abhalten können, wären sonst vermutlich noch mehr von der Waffe beeinträchtigt worden. Deidara hatte seinen Meister vom Kampfplatz weg gebracht, um seine Verletzung behandeln zu lassen. Bei den offenen Zelten angelangt, musste Gaara sich allerdings zuerst mit seinem General Shikamaru beraten und die weitere Vorgehensweise festlegen, bevor er sich um privatere Angelegenheiten kümmern konnte. In einem freien Moment suchte er Akatsuki auf. Sein Weg führte an vielen Verletzten vorbei, die versorgt wurden. Einige würden die nächsten Tage nicht überleben. Viele weitere Tote lagen noch auf dem Schlachtfeld und mussten geholt werden, um sie zu ihren Familien zurück zu bringen, damit ihnen eine anständige Bestattung zuteil werden konnte. Am Rand des Lagers fand er die Rônin schließlich. Die Männer wirkten vermutlich auf die meisten Menschen erschreckend, blutbespritzt und mit diesen ernsten Mienen, die deutlich machten, dass diese Männer viele grausame Dinge erlebt hatten. Und Zetsu war immer noch verschwunden. Gaara würde es nicht überraschen, befände sich der Spion auf dem Weg zur Burg, um nach den Frauen zu sehen. Der Schatten, der sich in den Augen eingenistet hatte, versprach Unheil. Dem Rothaarigen wurde der Grund auch klar, als er nur noch wenige Schritte entfernt war und die beiden am Boden liegenden Körper erkannte. Unauffällig schluckte Gaara und trat neben Yahiko. Sein Blick war weiterhin auf Deidara und Sasori gerichtet. „Was ist passiert?“, fragte er sachlich. Als Daimyô konnte er sich keine Schwäche erlauben. Aufmerksam betrachtete er die beiden Rônin. Sasori musste tot sein. Er war einfach zu bleich und das viele Blut an seinen Lippen, am Kinn und Hals deutete auf eine schwere Verletzung hin. Deidara dagegen war zwar auch mit Blut beschmiert, allerdings erkannte er an der Art der Flecken, dass es sich kaum um sein eigenes handeln konnte. Dessen Haut trug auch nicht die Blässe eines Toten. Er war also zumindest noch am Leben. „Sasori wurde von Kabutos Kugel getroffen. Der Arzt sagt, seine Lunge war verletzt. Er hätte in keinem Fall überlebt. Deidara mussten sie anschließend ruhig stellen. Er wollte die Leiche einfach nicht loslassen und hat auch niemanden mehr an Sasori heran gelassen…“ Yahiko seufzte schwer. Gaara begann zu ahnen, wie wichtig der Rothaarige für Deidara gewesen sein musste. Die Zeit, die Akatsuki in seinen Mauern verbracht hatte, war ihm aufgefallen, dass der Blonde fast immer mit seinem Meister unterwegs gewesen war. Nur einmal hatte er ihn alleine gesehen und mit ihm kurz gesprochen. Gaara fragte sich, wie eng diese Beziehung wirklich gewesen war. Das Recht zu fragen, nahm er sich jedoch nicht heraus. Akatsuki war geschäftlich bei ihm. Sie standen sich nicht nahe genug für solch intime Themen. Selbst wenn er wollte, es wäre nur seltsam, würde er Deidara jetzt auf irgendeine Weise näherkommen wollen und sei es nur, um ihm Beistand anzubieten. Das einzige, was er für Deidara und Akatsuki tun konnte, war eine ordentliche buddhistische Bestattung auszurichten. Eine Ehre, die sich normalerweise kein Rônin erhoffen durfte. „Sasori wird eine anständige Bestattung erhalten und ein Grab, welches einem Samurai würdig ist“, erklärte er ruhig. „Ihr habt meinem Land einen großen Dienst erwiesen und musstet dafür einen beträchtlichen Verlust hinnehmen. Es ist das Mindeste, was ich tun kann.“ Wenn einer der Rônin überrascht war, so zeigte es niemand. Außer Hidan. Der Mann war der einzige, der seine Gefühle anscheinend überhaupt nicht unter Kontrolle hatte. Doch bevor er irgendetwas sagen konnte, stieß Kakuzu ihn grob an. „Halt einfach die Fresse, Hidan“, knurrte der Ältere. Angesprochener brummte zwar, schwieg aber tatsächlich. Yahiko deutete ein Nicken an. „Habt Dank.“ Gaaras Heer war nach Matsuyama zurückgekehrt. Die unversehrten Krieger hielt er allerdings noch in Bereitschaft, falls Orochimaru sich doch zu einem hinterhältigen Angriff nach seiner Niederlage entschloss. Der junge Daimyô beauftragte einen Diener, Akatsuki im Auge zu behalten. Den Grund behielt für sich. Vermutlich dachte der Mann, dass er die Rônin einfach nur beobachten wollte, weil sie nicht vertrauenswürdig waren. Tatsächlich wollte er aber auf diesem Weg herausfinden, wie Deidara sich nun benahm, sobald er wieder aufwachte. Wie erwartet war Zetsu zu den Frauen gegangen. Bei ihnen hatte man Tobi tot aufgefunden. Offensichtlich hatte dieser den Auftrag erhalten, Konan und Temari als Geiseln zu nehmen. Dabei war er in eine von Sasoris zahlreichen Fallen getappt und an dem Gift gestorben. Akatsuki begrüßte diesen Umstand. Tobi war ihnen seit Jahren ein Dorn im Auge gewesen. Allerdings war wohl für jeden die Anspannung der Rônin spürbar, der in ihre Nähe kam. Sie hatten einen langjährigen Kameraden verloren. Deidaras Verlust war ungleich größer, da war Gaara sicher. Sein Diener trug ihm zu, dass der Blonde seit seinem Erwachen kein Wort sprach und über Nacht die Totenwache bei seinem verstorbenen Meister gehalten hatte, wie es normalerweise die Familie tat. Gaara hatte bei ihrer Heimkehr in die Burg angeordnet, Sasoris Körper von den Spuren des Kampfes zu reinigen und in das weiße Totengewand zu hüllen. Im Empfangssaal wurde er mit dem Kopf Richtung Norden aufgebahrt. Diese kleinen Riten gehörten bereits zur buddhistischen Bestattung. Gaara hatte Akatsuki eine ordentliche Beisetzung versprochen und er hielt sich an seine Worte. Ein Priester war ebenfalls verständigt worden, der am nächsten Morgen die Sutren lesen und die zeremonielle Verbrennung überwachen würde. Gaara war kaum überrascht zu hören, dass Akatsuki Deidara die Totenwache allein überließ. Obwohl Konan wohl am Eingang der Empfangshalle gestanden und über den Blonden gewacht hatte. Als einzige Frau hielt sie die Männer vermutlich wie eine Familie zusammen. Am nächsten Morgen erschienen alle Rônin, um bei der Lesung der Sutren anwesend zu sein. Gaara hielt sich mit Temari im Hintergrund. Er wollte gern anwesend sein, aber da sie Sasori nicht gekannt hatten, fühlte er sich nicht im Recht, Akatsuki zu stören. Der schwere Duft von Räucherstäbchen waberte durch die Halle und unterstrich die bedeutungsvollen Worte des Priesters. Der Rothaarige ließ seinen Blick über die Rônin schweifen. Keiner von ihnen wirkte wie einer dieser ungewaschenen Krieger, die verwahrlost umherstreiften. Ihre Kleidung mochte ausgewaschen sein und an manchen Stellen geflickt, aber sie achteten dennoch auf ein würdevolles Auftreten wie die Samurai, die sie einmal gewesen waren. Ihren Stolz hatten sie nicht verloren. Die Jadeaugen blieben schließlich bei Deidara haften. Die Miene des Blonden war versteinert. Kein Muskel regte sich. Starr hing sein Blick an dem Toten. Dieser Deidara schien ein völlig anderer zu sein als der, den er kennen gelernt hatte. Ein dreistes Grinsen auf den Lippen, mit einer Vorliebe für Gefahr und immer in der Nähe seines Meisters. Gaara verspürte Bedauern für den jungen Krieger. Sasori musste seine Bezugsperson gewesen sein und jetzt war er fort. Der Rothaarige konnte sich nur schwer vorstellen, wie es war, eine nahestehende Person zu verlieren. Seine Mutter war im Kindbett kurz nach seiner Geburt gestorben. Von seinem Vater gehasst und von seinen Geschwistern aus Angst gemieden, weil er anders war, hatte er Liebe nie richtig kennen gelernt. Lange war er allein gewesen, von Hass auf die Welt zerfressen, bis ein blonder Junge alles umgekrempelt hatte, als ein befreundeter Daimyô mit seinen Kriegern ein paar Tage in der Burg zu Gast gewesen war. Inzwischen konnte er tatsächlich so etwas wie eine Beziehung zu seinen Geschwistern vorweisen. Über den Tod seines Vaters getrauert hatte er allerdings nicht. Der Mann hatte ihm nie etwas bedeutet. Gaara war nur zum Daimyô ernannt worden, weil er der Sohn seiner Hauptfrau gewesen war, während Temari und Kankurô von einer Geliebten geboren wurden. Und vermutlich auch, weil der Rat seines Vaters Angst vor einem Rückfall in sein früheres Verhaltensmuster hatte, sollten sie ihm seinen rechtmäßigen Titel verwehren. Gaara betrachtete den Toten. Ohne Blut und in dem weißen Totengewand machte Sasori zum ersten Mal einen friedlichen Eindruck auf ihn. Seine Gesichtszüge und auch sein Körper wirkten erschreckend jung, fast wie bei einem Jugendlichen, der noch nicht seine volle Reife erlangt hatte. Wie alt Sasori wohl gewesen war? Er schätzte ihn auf mindestens dreißig Jahre, da schon seit seiner Kindheit Nachrichten über Akasuna no Sasori durch Japan züngelten wie Nebel, der durch die Wälder und über Wiesen kroch und alles wie einen Mythos einhüllte. In seiner Vorstellung war dieser Krieger größer gewesen, mit einem furchteinflößenden Blick und einem von zahlreichen Kämpfen hart gewordenem Gesicht. Dieser Mann auf dem Totenbett hingehen war das genaue Gegenteil. Man erkannte seine Stärke erst, wenn er bei der Planung oder im Kampfgeschehen aktiv wurde. Bewegung kam in die Gruppe. Sasori wurde aus dem Gebäude hinaus getragen. Im Hof war um ein Gerüst herum Holz aufgestapelt, auf welchem der Tote nun abgelegt wurde. Zwei Mönche traten hinzu. Einer trug eine Fackel, um später das Feuer zu entzünden. Der andere reichte dem Priester nun einen Zeremoniendolch. Traditionell erhielt der Verstorbene bei seiner Bestattungszeremonie eine symbolische Mönchsweihe. Um diese Weihe anzudeuten, schnitt der Priester eine der roten Strähnen von Sasoris Haupt und verkündete anschließend den buddhistischen Namen, den man bei einer solchen Weihe erhielt. Eika. Immerwährende Flamme. Der Name hätte nicht passender sein können, fand Gaara. Sasoris Name würde in Jahrhunderten noch bekannt sein, umschlungen von Geschichten, die mit jeder Erzählung abenteuerlicher ausgeschmückt wurden. Bevor der Priester allerdings das Holz entzünden konnte, nahm ihm Deidara einfach die Fackel aus der Hand. Jeden Protest des Buddhisten ignorierend trat er zu seinem toten Meister. Einige Herzschläge stand der Blonde einfach da, betrachtete Sasori. Dann beugte er sich langsam zu ihm und küsste die bleichen Lippen. Nun wusste Gaara, welche Art von Beziehung die beiden Rônin geteilt hatten. Normalerweise hielt man sich in der Öffentlichkeit mit derlei Gefühlsbekundungen zurück. Selbst eine Ehefrau hätte das niemals öffentlich getan. Spätestens jetzt bemerkte Gaara, dass der Blonde Gebote, Riten und Zeremonien nicht sonderlich ernst nahm, wenn sie mit seinem Inneren in Kollision gerieten. Er musste den Rothaarigen sehr lieben, wenn er genau dies jetzt mit dem Kuss zeigte. In wenigen Stunden wusste die gesamte Burg davon, wurde hinter vorgehaltener Hand natürlich fleißig Informationsaustausch betrieben. Deidaras Hand mit der Fackel senkte sich und entzündete das Stroh, welches zwischen die Holzscheite gestopft worden war. Die trockenen Halme knisterten, sobald die Flammen daran leckten. Zügig fraß sich das Feuer an dem Stroh entlang und sprang schließlich auf die größeren Holzscheite über. Das Feuer wuchs und hüllte den Toten allmählich ein, griff nach dessen Kleidung und Körper, um ihn ganz langsam zu einem Häufchen Asche zu verbrennen. Der Priester übergab Deidara das Ihai[36], in welches Sasoris buddhistischer Name eingraviert war. Der Blonde behielt es in beiden Händen bis das Feuer langsam heruntergebrannt war. Er schien sich überhaupt nicht mehr zu rühren während der Zeit. Nur die ein oder andere Windböe brachte das lange Haar durcheinander. Schließlich verstaute er das Ihai in seinem Gi. Die Asche des Toten wurde in eine Urne getan. Nun folgte der weniger zeremonielle Akt. Die Beisetzung. Sasori erhielt sein Grab neben anderen gefallen Samurai, die innerhalb dieser Mauern bestattet worden waren. Anschließend musste Gaara jedoch wieder seinen Verpflichtungen nachkommen. Von Temari erfuhr er am Abend, dass Deidara noch lange bei dem frischen Grab gesessen und mit seinem Dolch auf die Rückseite des Ihai etwas geritzt hatte. Ein Diener hatte ihn beobachtet. Gaara wollte gern mit dem Blonden reden. Aber er wusste nicht, was man einem Trauernden sagte. Vielleicht ergab sich in den folgenden 49 Tagen eine Gelegenheit. Denn für die Trauerzeit gewährte er Akatsuki noch den Aufenthalt in seiner Burg. Er hielt seine Versprechen. Seine Chance auf ein Gespräch mit Deidara wurde ihm aber verwehrt, denn am nächsten Morgen erhielt er die Nachricht von seinem Diener, dass der Blonde noch vor Sonnenaufgang seine Sachen gepackt und die Burg zu Pferd verlassen hatte. Einzig sein Katana und das Wakizashi lagen noch in seinem Zimmer. Dafür fehlten Sasoris Schwerter. ____________________________________________________________ [36] Ihai: Täfelchen, wo der buddhistische Name drauf geschrieben wird. Es erhält später einen Platz im Hausalter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)