Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 112: Mizuki ------------------- Gaara blickte mit der üblich stoischen Miene auf das kleine Bündel, welches ihm eine Dienerin in die Arme gelegt hatte. Das Neugeborene war bereits gewaschen worden. Eine weiße Decke hüllte es ein. Aufmerksam wanderte der Blick des jungen Daimyô über das runde Gesicht. Zarter, heller Flaum bedeckte seinen Kopf. „Es ist ein Mädchen“, verkündete die Bedienstete mit einem Lächeln. Für Gaara sahen alle Babys gleich aus. Temaris Kinder hatten auch eine kleine Stupsnase gehabt, geschlossene Augen und winzige Fingerchen, die unkoordiniert in die Decke griffen. An den ersten feinen Härchen auf dem Kopf konnte er jedoch erkennen, dass das Kind Sakuras Haare geerbt hatte. Ob die Iris der Kleinen wohl auch smaragdgrün gefärbt war? Sie würde erst in ein paar Tagen die Augen öffnen und dieses Geheimnis lüften. Die Götter waren seiner Frau gewogen. Gaara konnte Temaris Sohn adoptieren und das Bündel in seinen Armen würde zu einer Priesterin erzogen werden. Priesterinnen heirateten nicht. Niemand konnte sein Urteil anzweifeln. Schwermut ergriff ihn. Der Weg des Kindes war aufgrund eines Fehlers seiner Mutter vorbestimmt. Es hatte keinerlei Wahl. Vielleicht wurde das Mädchen glücklich mit ihrem Leben, vielleicht auch nicht. Aber ihr war die Bürde von Sakuras Vergehen auferlegt. Gaara legte das Kind zurück in die Arme der Dienerin. Die junge Frau verließ den Raum, brachte das Neugeborene zu seiner Mutter zurück. Sakura sollte sich ausruhen. Später wollte er mit ihr über den Namen des Mädchens entscheiden. Gaara erhob sich und verließ das Vorzimmer von Sakuras Gemächern. Er winkte eine Dienerin zu sich. „Benachrichtigt meine Geschwister und General Nara. Ich möchte sie in meinem Arbeitszimmer sprechen.“ Es wurde Zeit, sie über die Wahrheit aufzuklären. Die bereits ergraute Frau verneigte sich tief vor ihm und machte sich auf den Weg, seinen Befehl auszuführen. Gemessenen Schrittes folgte er den Fluren zu seinem Arbeitszimmer. Die Türen schloss er hinter sich und ließ sich auf dem Sitzkissen nieder. Alles war, wie er es vor ein paar Minuten verlassen hatte. Die flache Dose mit der Tinte war verschlossen. Daneben lag in seiner Halterung der Schreibpinsel. Das Papier rollte er nun ordentlich zusammen und verschloss die Rolle mit einem Band. Darum konnte er sich später kümmern. Unruhe breitete sich in ihm aus. Wie seine Geschwister auf diese Nachricht wohl reagierten? Es war schwer, selbst nahe Verwandte bei solch schwerwiegenden Themen einzuschätzen. Gaara sah auch keine Option darin, ihnen beim Abendbrot von der Wahrheit zu berichten. Eine Nachricht wie diese verdiente volle Aufmerksamkeit und sollte nicht während einer anderen Tätigkeit besprochen werden. „Das Kind ist nicht von mir“, verkündete Gaara in einem ruhigen Tonfall. Er gab sich größte Mühe, eine besonnene Erscheinung zu präsentieren. Doch in seinem Inneren rumorte die Angst vor den Reaktionen seiner Familie. Der Blick aus den jadefarbenen Augen glitt über die Gesichter der ihm gegenüber Sitzenden. Gaara erkannte Unglauben und Entsetzen. Kankurô wirkte regelrecht sprachlos. Wie ein Fisch an Land schnappte er nach Luft. Shikamaru fasste sich schnell wieder, während Temari ihn mit diesem Blick musterte, den er nur zu gut kannte. Sie würde ihn auspressen mit Fragen wie eine weiche Pflaume. „Seit wann weißt du es?“, fragte sie bohrend. Hatte sie bereits etwas gemerkt? Seine Schwester hatte ein besonderes Gespür für Gemütszustände. Möglicherweise hatte er sich irgendwie verraten? Oder Sakura? „Seit Sakuras Schwangerschaft bekannt wurde.“ Wut spiegelte sich in ihrem Gesichtsausdruck wieder. „Was?“ Einen Augenblick war sie fassungslos, dass Gaara ihnen ein so wichtiges Detail monatelang verschwiegen hatte. „Und wieso erzählst du uns das erst jetzt?“, herrschte sie ihren jüngsten Bruder mit mühsam beherrschter Stimme an. Gaara senkte den Blick. „Ich hielt die Geburt des Kindes für den besten Zeitpunkt.“ In einer Schwangerschaft konnte es Komplikationen geben. Eine Fehlgeburt wäre möglich gewesen. Wäre das Kind tot auf die Welt gekommen, war der Vater nicht länger relevant. „Wer ist der Vater?“, fragte Schikamaru ernst. Die Luft im Raum schien sich zu verdichten, machte ihm das Atmen schwerer. „Uchiha Sasuke.“ Leise kam ihm der Name ihres Feindes über die Lippen. Nun war selbst Temari fassungslos. Seine Schwester öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Kein Ton gelangte über ihre Lippen. Kankurô fand als erster seine Sprache wieder. „Wie konnte Sakura sich mit Sasuke treffen? Und …wie konnte sie das überhaupt tun?“ Seine Erschütterung hörte Gaara deutlich heraus. Der Rotschopf ließ sich zu einem Seufzen hinreißen. „Ich weiß es nicht“, gestand er. Ungestüm sprang seine ältere Schwester von dem Sitzkissen hoch. Wie ein eingesperrtes Raubtier tigerte sie von einer Seite des Raumes zur anderen. „Das ist Verrat! Wie kann sie einfach für einen anderen Mann die Beine breit machen! Und dann ausgerechnet der Uchiha…“ Abrupt brach sie ab und sah Gaara durchdringend an. „Warum bist du dir überhaupt so sicher, dass es nicht dein Kind ist?“ Der junge Daimyô fühlte sich ertappt. Immerhin klebte der Makel an ihm, seinen ehelichen Pflichten nicht nachgekommen zu sein. Doch er würde diese Schwäche nicht vor seiner Familie gestehen. Mit der halben Wahrheit ersparte er sich ein Detail, das niemanden in diesem Raum etwas anging. „Ich habe zu der Zeit, in der Sakura das Kind empfangen haben muss, nicht das Lager mit ihr geteilt.“ Und alle Anwesenden konnten sich auch den Grund denken. Ihre Reise nach Sakai und die Verhandlungen dort hatten seine gesamte Aufmerksamkeit gefordert. Als Temari ein weiteres Mal umdrehte, griff ihr Mann nach ihrer Hand und hielt sie auf, bevor sie ein weiteres Mal ihn und Kankurô passieren konnte. „Setz dich“, bat er ruhig. Die Blonde schnaufte unwillig. Nachdem der General ihre Hand losgelassen hatte, ließ sie sich wieder zwischen den Männern nieder. Gaara sah ihr an, dass sie sich um die nötige Gelassenheit bemühte. Aber es war einfach nicht ihre Stärke. Shikamaru ergriff nun das Wort. „Ich gehe davon aus, dass du einen Plan verfolgst, indem du Sakura das Kind gelassen hast.“ Der Blick aus den dunklen Augen grub sich in Gaara und wollte die Antworten am liebsten selbst ergründen. Bestätigend neigte er den Kopf. „Ich wollte Sakura eine Abtreibung ersparen. Außerdem kann das Kind zu gegebener Zeit als Geisel eingesetzt werden, sollte Uchiha Sasuke uns wirklich angreifen wollen.“ Seine Halbgeschwister gaben verstehende Laute von sich. Nur Shikamaru blieb stumm, seine Augen musternd auf ihn gerichtet. Der Schwarzhaarige war der einzige, der sich den wahren Grund denken konnte. Nach außen eine perfekte Familie vorführend, achtete niemand auf mögliche andere Beziehungen, die Gaara pflegte. Nicht einmal Temari und Kankurô wussten, wie nahe Deidara ihrem Daimyô wirklich stand. Aber der General durfte auf Befehl mit niemandem darüber sprechen, nicht einmal mit seiner Ehefrau. Gaara war sich sicher, dass Shikamaru sich daran hielt. So wie er seine Schwester kannte, hätte Temari nun nachgebohrt oder ihr Wissen gleich preisgegeben. „Was wird aus dem Kind?“, fragte sie. Gaara war verschiedene Optionen durchgegangen. Das kleine Mädchen könnte wie jede andere Tochter eines Daimyô aufwachsen und heiraten. Oder sie wurde Priesterin. Sollte sie aber herausfinden, wer ihr leiblicher Vater war, bestand die Gefahr, dass Sasuke sie in die Finger bekam. Orochimaru durfte nicht in Vergessenheit geraten. Der alte Daimyô steuerte den Uchihasprössling aus dem Hintergrund. Sie sollten alle Parteien möglichst lange im Unwissen lassen, um den größten Vorteil zu erzielen. „Ich habe entschieden, dass sie zur Priesterin erzogen wird.“ In den Gesichtern las er Zufriedenheit. Selbst der General hatte keinen besseren Vorschlag für das Kind. „Weiterhin verfüge ich, dass Sakura keinerlei Bestrafung erhält. Sie bleibt meine Ehefrau und wird nicht anders behandelt.“ An den zusammengekniffenen Mundwinkeln Temaris erkannte er, wie groß ihre Abneigung gegen dieses Gebot war. Aber sie würde sich nicht widersetzen. Sicherlich fiel allen der Umgang mit der neuen Situation leichter, wenn sie sich an die neue Situation gewöhnt hatten. „Das Kind wird offiziell als meines anerkannt, Ich werde es jedoch nicht als meinen Erben einsetzen. Mein Erbe soll stattdessen euer Sohn Taki werden, Temari, Shikamaru.“ Verblüffung schlug ihm entgegen. Seine Geschwister sprachen nun durcheinander. Aufgebrachte Fetzen drangen an sein Ohr. „Überstürze nichts…“ „…weitere Kinder zeugen…“ „…wirst Vater eines Jungen…“ „…du kannst dich scheiden lassen… neu heiraten.“ Sie waren derselben Meinung. Gaara schüttelte bestimmt den Kopf. „Ließe ich mich scheiden, wären die guten Beziehungen zu den Môri nachhaltig geschädigt und Shikoku angreifbarer für unsere Feinde. Ich erspare Sakura diese Schmach, aber ich werde nicht mehr mit ihr das Lager teilen. Sie hat mich betrogen.“ Diese Entscheidung mussten sie dulden. Gaara fand seine Handlung gerechtfertigt. Er war Sakura für ihren Fehltritt wirklich dankbar. Sie hatte ihm einen Grund gegeben, sich keine Sorgen mehr über die Nichterfüllung seiner ehelichen Pflicht machen zu müssen. Weiterhin musste sie seine Ehe zu Deidara stillschweigend ertragen. Plauderte sie ihr Wissen aus, drohte ihr die Scheidung und sie verlöre ihre Ehre. Sakura war eine stolze Frau. Vermutlich wählte sie eher den Freitod als ein Leben in Schande zu führen. Die Leidtragende wäre das unschuldige Kind. Da keine weiteren Einwände an seine Ohren getragen wurden, wandte er sich direkt an das Ehepaar. „Seid ihr mit meiner Entscheidung einverstanden? Die Erziehung eures Sohnes liegt ganz bei euch. Sobald er alt genug ist, werde ich beginnen, ihn alles zu lehren, was er als Daimyô wissen muss.“ Taktisch war es klüger, Temari und Shikamaru die Illusion zu geben, sie hätten die Wahl getroffen. Für ihre gesamte Familie war dieser Weg der beste. Der Titel des Daimyô blieb direkt an ihre Blutslinie geknüpft. Der General tauschte einen intensiven Blick mit seiner Frau aus. Gaara meinte ein minimales Kopfneigen seitens Temari zu erkennen, aber er konnte sich auch täuschen. Dieses Mal antwortete Shikamaru im Sinne seiner Familie. „Wir sind einverstanden. Zu gegebener Zeit kannst du Taki adoptieren. Aber wir sollten diese Thematik noch einmal in Ruhe diskutieren.“ Eine weitere Sorge fiel von den Schultern des jungen Daimyô ab. Ein wohlwollender Ausdruck zeigte sich in seinen Zügen. „Selbstverständlich“, stimmte er Shikamarus Bitte zu. Gaara saß neben seiner Ehefrau. Die Rosahaarige sah noch immer erschöpft aus. Ihre Dienerin hatte Sakura einige dicke Kissen in den Rücken geschoben, damit sie sitzen konnte, ohne ihrem Körper zu viel zuzumuten so kurz nach der Geburt. Am Leib trug sie nur einen leichten Yukata und über ihren Beinen lag die Decke des Futons. In ihren Armen hielt sie das kleine Mädchen. Sakura strich dem Kind zärtlich über den Kopf. Sie lächelte glücklich. Gaara hielt seine Entscheidung für richtig. Sakuras Wunsch nach einer richtigen Familie war zumindest nach außen hin unantastbar, vorerst. Und sie hatte ein Kind. Wie es wohl war, eine Mutter zu haben, die einen liebte? Gaara hatte sich immer gewünscht, seine Mutter würde noch leben. Die Mutter seiner Halbgeschwister hatte nie seine eigene Mutter ersetzen können. Sie hatte ihn immer spüren lassen, dass sie Temari und Kankurô liebte und er das Kind einer anderen war. Jetzt war es umgekehrt. Das kleine Mädchen war die Tochter eines anderen. Würde er mehr für sie empfinden, wäre sie sein leibliches Kind? Wie sollte er mit ihr umgehen? Gaara hatte am eigenen Leib erfahren, wie sich eine zerrüttete Familie anfühlte. Ob er wohl ein guter Vater für das kleine Mädchen sein konnte? Sie konnte doch nichts für die Umstände, in die sie hineingeboren worden war. „Ich möchte sie gern Mizuki nennen.“ Leise sprach Sakura ihren Wunsch aus, mit einem sanften Unterton. Gaara tauchte aus seinen melancholischen Gedanken auf. Der Name war schön. Also warum sollte das Mädchen nicht so heißen dürfen. „Dann heißt sie Mizuki.“ Sakura hob ihren Kopf und blickte ihn mit ihren smaragdgrünen Augen an. Sie strahlte vor Glück. „Ich danke dir“, hauchte sie. _____________________________________ Mizuki bedeutet „schöner Mond“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)