Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 53: Das unvollendete Spiel ---------------------------------- Gaara schickte nach dem Abendessen einen Diener, Deidara Bescheid zu geben. Er sollte ihn zu dem Raum führen, in dem sie sich immer trafen, um Go oder Shôgi zu spielen. Ein paar Tage waren vergangen seit seinem Hinweis, dass ihm etwas an dem Blonden lag. Eine gewisse Neugier kroch durch seine Adern. Wie würde Deidara sich ihm gegenüber heute benehmen? Einfältig war er nun wirklich nicht. Zumindest etwas ahnen musste er doch. Aus dem Wandschrank holte Gaara den Goban[52] und platzierte ihn in der Mitte des Raumes. Zwei Sitzkissen folgten. Der Rotschopf ließ sich auf einem der Kissen nieder und stellte die Behälter mit den Gosteinen neben den Goban. In diesem Moment kündigte der Diener an, dass Deidara nun da sei. „Tretet ein“, rief er halblaut. Der Diener schob die Tür auf und hinter dem Blonden wieder zu. Bei diesen Spielen wollte der Daimyô ungestört sein. Es diente zur Entspannung und er konnte sich nicht entspannen, wenn unauffällig Augenpaare auf ihn gerichtet waren, um auf einen Wink hin seine Wünsche zu erfüllen. „N’abend, Gaara-sama.“ Deidara grinste, während er sich im Schneidersitz auf das zweite Kissen ihm gegenüber setzte. In letzter Zeit sah er ihn wieder öfter grinsen. Natürlich freute ihn das, bedeutete dies schließlich, dass der Blonde wohl allmählich mit dem Tod seines Meisters umzugehen lernte. Und an den fehlenden Verhaltensformen störte er sich nicht. Ihm waren selbige allerdings inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen, das die Anwendung für ihn natürlich war. „Guten Abend.“ Eine angedeutete seitens Deidara Verbeugung folgte, die bereits Teil des Spiels war, um seinem Gegner Respekt zu erweisen. Gaara erwiderte die Respektsbekundung mit einem Kopfneigen, während der Blonde bereits in seinen Behälter griff. Die geschlossene Faust hielt er über den Goban. Der Daimyô legte einen schwarzen Stein auf das Brett. Nun erst entließ Deidara die Steine in seiner Hand auf das Spielfeld und zählte sie kurz durch. „Gerade. Ich bekomme schwarz, hm“, kommentierte er. Sie tauschten die Behälter und nahmen alle Steine wieder vom Brett. Deidara hatte also den ersten Satz. „Habt Ihr Euch schon etwas an Eure Aufgaben gewöhnt?“, fragte Gaara schließlich, nachdem bereits ein paar Steine auf dem Goban lagen und der Kampf somit eröffnet war. Deidara zuckte mit den Schultern. „Einigermaßen. Sind halt normale Aufgaben, hm“, erklärte der Blonde. Bisher schien er sich nicht anders zu benehmen als sonst. Dass die übertragenen Aufgaben nicht sonderlich aufregend waren, konnte Gaara sich denken. Vor allem, wenn er bedachte, wie das azurfarbene Auge geleuchtet hatte, als sie gegeneinander gekämpft hatten. Deidara mochte offensichtlich die besondere Herausforderung. Anders konnte er auch nicht erklären, wieso er wahnsinnig genug gewesen war, eine ganze Burg in die Luft sprengen zu wollen… und diesen Plan auch noch erfolgreich in die Tat umgesetzt hatte. Oder warum er ausgerechnet mit ihm kämpfen wollte. Verstehend nickte Gaara also und setzte einen weißen Stein auf den Goban, attackierte Deidaras Formation an. „Sagt, wisst Ihr zufällig, welchen Preis dieser Mann für ein Glasauge verlangt, von dem ihr gesprochen habt, hm?“, fragte Deidara nach weiteren Minuten der Stille. „Nein, aber das kann man in Erfahrung bringen.“ Deidara machte sich anscheinend ernsthaft Gedanken darüber. Bisher schien ihm sein Körper relativ egal gewesen zu sein. Woher kam also das neue Interesse an seinem eigenen Befinden? Die Frage jedoch zu stellen, wagte der Rotschopf noch nicht, wäre dies eine sehr private Frage und könnte als aufdringlich empfunden werden. Solange er keinen Anhaltspunkt hatte, wie Deidara über seine Worte vom Abend vor einigen Tagen dachte, wollte er sich noch nicht zu weit vorwagen. „Könnt Ihr einen Boten losschicken, hm?“ Die Frage war dreist. Allerdings passte sie zu Deidaras sonstigem Verhalten, was ihm ein kleines Schmunzeln entlockte. „Das war mein Plan“, bestätigte der Daimyô und sah wieder auf den Goban, als Deidara ein paar seiner Steine schlug und vom Spielfeld nahm. Da hatte er wohl nicht gut genug aufgepasst. Gaara ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Es ging ihm nicht um das Gewinnen oder Verlieren, sondern lediglich um das Spiel an sich. Er konnte bei einem guten Spiel entspannen und eine lockere Konversation währenddessen war daher recht willkommen. „Warum macht Ihr Euch diese Mühe, hm?“, fragte der Blonde unerwartet. Seine Miene war nun völlig ernst. „Eigentlich müsste ich einen Boten bezahlen, damit er mir diese Information bringt“, fügte er an. Abwartend lag Deidaras Blick auf ihm. Das Gefühl wuchs, dass der Krieger ihn nicht gehen lassen wollte, wenn er ihm keine Antwort darauf gab. Vielleicht erwuchs dieser Eindruck auch nur aus diesem leicht hypnotisch wirkenden Blick, den der Blonde manchmal zeigte. „Meine Boten sind zuverlässig und ich kann Euch diesen Dienst vom Gehalt abziehen, wenn Euch das so wichtig ist.“ Ein leichtes Lächeln zierte seine Lippen. Natürlich war Deidara im Recht. Ein Daimyô würde einem Samurai normalerweise nicht zusagen, einen seiner Boten für eher private Belange abzustellen. Gaara wollte aber gern, dass Deidara ein Glasauge bekam. Selbst wenn es kein echtes Auge war, so konnte es eine Illusion erschaffen. Dann sah der Blonde auch wieder weniger wie ein Strauchdieb aus, wenn er den schwarzen Stoff nicht mehr brauchte, um die Augenhöhle zu verbergen. Die Vorstellung, nur in eine dunkle Höhle zu sehen, wo zuvor ein Auge gewesen war, behagte dem Rothaarigen nicht. „Das beantwortet meine Frage nicht, hm.“ Beharrlich starrte Deidara ihn an. Leise seufzte Gaara. Wenn er seine Frage wahrheitsgemäß beantworten sollte, müsste er seine Gefühle offen legen, dass ihm etwas an dem Blonden lag. Das würde der Daimyô aber noch nicht tun. Oder war das eine Anspielung? War das die Veränderung, die er mit seinen Worten heraufbeschworen hatte? Vielleicht wollte Deidara Gewissheit haben. Aber wie konnte er ihm diese geben, wenn er im Gegenzug keinen Hinweis erhielt, wie der Krieger dazu stand? Bevor Gaara sich zu einer Reaktion entschieden hatte, schob Deidara den Goban einfach zur Seite. Steine verrutschten und ein paar fielen mit einem dumpfen Laut auf die Tatami. Deidara war auf die Knie gegangen und beugte sich vor. Mit der linken Hand stützte er sich vom Boden ab, die rechte griff bestimmt in Gaaras Nacken und zog ihn näher. Jadeaugen weiteten sich erschrocken. Im nächsten Moment drückten sich weiche Lippen gegen seine. Was geschah hier? Gaara fühlte sich überrumpelt. Seine Finger, die eher unbewusst nach Halt gesucht hatten, weil Deidara ihn mit dieser Aktion aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, gruben sich nun in dessen Gi am Arm, der ihm ein Zurückweichen untersagte. Ihre Blicke trafen sich und prompt durchfuhr ihn ein heißes Kribbeln. Deidara war sich völlig bewusst, was er hier tat. Dieser Kuss galt ihm. Nicht Sasori. Lange währte dieser Augenblick nicht, da löste Deidara die Verbindung ihrer Lippen. Seinen warmen Atem konnte er aber noch deutlich spüren. Erst jetzt merkte er, wie schnell sein Herz in seiner Brust schlug. Seine Wangen prickelten. Hoffentlich war er nicht auch noch rot geworden. Jede Unsicherheit möglichst verdrängend erwiderte Gaara den noch immer intensiven Blick des Blonden. „Das war damals kein Traum gewesen, nicht?“, fragte Deidara leise. „Ich habe dich geküsst… als ich in deine Eskorte gelaufen bin, hm.“ Gaara blinzelte. Einen Moment musste er nachdenken, um das ganze Ausmaß zu fassen. Deidara hatte ihn geküsst, um herauszufinden, ob er ihm damals wirklich seine Lippen aufgedrückt hatte und nicht Sasori im Traum. „Hat dir das jemand erzählt?“ Gaara übernahm nun die vertrautere Anrede, passte sie besser zu der momentanen Stimmung, die den Raum erfüllte. Sie waren sich noch immer so nah. Die Hand des Blonden lag nach wie vor in seinem Nacken und die Wärme, die sie abstrahlte, fühlte sich angenehm an. Er hieß es gut, dass Deidara abgrenzen wollte zwischen seinem toten Meister und ihm. Jedoch wollte er sich noch nicht festlegen, was er von dieser Situation genau halten sollte. „Nein.“ Nach einer kurzen Pause fuhr der Blonde fort. „Nach deinen letzten Worten, dass du mich wiedersehen wolltest, sind mir Zweifel gekommen. Solch einen ‚echten‘ Traum hatte ich noch nie. Daher kam mir der Gedanke, dass ich dich vielleicht verwechselt habe, hm.“ Langsam lockerte sich Deidaras Griff in seinem Nacken und er zog seine Hand zurück, setzte sich wieder auf sein Kissen. Gaara tat es ihm nach und sah auf den Goban. Das Spiel konnte er noch rekonstruieren. Aber wollte er das jetzt? Das Thema wühlte ihn zu sehr auf. Genug Konzentration für ein gutes Spiel könnte er nun nicht mehr aufbringen. „Tschuldigung.“ Irritiert sah Gaara wieder zu dem Blonden. „Wofür entschuldigst du dich?“ Denn das war nicht eindeutig. „Dass ich dich damals verwechselt hab, hm.“ Deidara entschuldigte sich also nicht für den jetzigen Kuss. Es war schon erstaunlich genug, dass er seine Handlung überhaupt wiederholt hatte und dieses Mal mit voller Absicht und im Bewusstsein, welche Konsequenzen dies haben könnte. Aber genau das gefiel Gaara an seinem Gegenüber, dass er sich nicht vor ihm erniedrigte, nur weil er einen Titel trug, sondern ihm auf gleicher Ebene begegnete. Und dass er sich Dinge traute, die kein anderer wagte. „Ich nehme deine Entschuldigung an. Jedoch ist es wohl nicht sonderlich überraschend, dass du mich mit Sasori verwechselt hast, so betrunken wie du warst.“ Das schiefe Grinsen, welches auf seine Worte folgte, ließ Deidara jünger wirken. Er kam ihm nun fast wie ein Lausbub vor, der etwas Verbotenes getan hatte und das auch genau wusste. „Wird hoffentlich nicht mehr vorkommen“, erklärte der Blonde und seine Gesichtszüge wechselten erstaunlich schnell wieder. Ernsthaftigkeit übernahm die Führung. „Wo wir gerade von Hoffnung reden… warum wolltest du mich wiedersehen? Du weißt, welche Art Beziehung ich zu Sasori hatte… ist es das, was du willst, hm?“ Die Haut seiner Wangen begann zu glühen. Manchmal war es ein Fluch, dass Deidara so gnadenlos direkt war. Aber wozu leugnen? Es war das, was er wollte. Und Deidara war ja von alleine darauf gekommen. Anlügen würde er ihn nicht. Der Rotschopf kratzte all seine Beherrschung zusammen, um möglichst ruhig zu klingen. „Ich kann noch nicht direkt sagen, ob es das ist, was ich will. Aber ich möchte dich besser kennen lernen und dir näher kommen. Vielleicht kann dann eine solche Beziehung daraus werden.“ Aufmerksam verfolgte Gaara, wie Deidara sich grübelnd über das Kinn rieb. Nach ein paar unruhigen Herzschlägen grinste er schließlich. „Du machst es dir aber auch nicht gerade leicht, hm.“ Das musste Deidara ihm nicht sagen. Sollte er zustimmen, mussten sie darauf achten, dass niemand etwas davon bemerkte. Aber Gaara war der Ansicht, dass dies im Bereich des Möglichen lag. Und seine Worte klangen nicht nach Ablehnung, was sein Herz aufgeregt stolpern ließ. Er schien in Erwägung zu ziehen, es mit ihm versuchen zu wollen. „Aber…“ Erneut folgte das Mienenspiel zu einem völlig ernsten Gesicht. „Erst will ich das Glasauge. Ich möchte sichergehen, dass Sasoris Seele keinen Grund hat, hier im Diesseits zu bleiben, weil ich mein Versprechen nicht richtig gehalten habe, hm.“ Gaara dachte darüber nach. „Aber du bist doch am Leben“, gab er zu Bedenken. Er sah keinen Grund, warum Sasoris Geist keine Ruhe finden sollte. „Ich sollte Sasori nicht versprechen, am Leben zu bleiben, sondern auf mich aufzupassen, was aber beinhaltet, dass ich am Leben bleibe. Der Schaden ist da, aber ich kann ihn reparieren, hm.“ Das war also der Grund für das Interesse am Glasauge. Nun hatte Gaara nicht einmal fragen müssen, um seine Antwort zu erhalten. Genau genommen hatte Deidara ihn auch nicht einmal direkt belogen, als er ihn gefragt hatte, was er Sasori hatte versprechen müssen. Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Man konnte den Schaden reparieren. Dieser Gedanke erleichterte Gaara sehr, bedeutete das schließlich, dass Deidara bereit war, sich wieder ganz auf das Leben einzulassen, welches noch vor ihm lag. __________________________________________ [52]Goban: Das „Spielbrett“ für Go, allerdings das, was einem kleinen Tisch nicht unähnlich sieht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)