Nur ein Traum von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Ende und Anfang -------------------------- Obwohl er wusste, dass sie an diesem Abend auch da sein würde, traf ihr Anblick ihn doch vollkommen unerwartet. Eben noch plauderte er ausgelassen mit Ginny und Angelina Johnson und – wam – auf einmal trat Luna in sein Blickfeld. Sie betrat zusammen mit Harry – der sie vermutlich hereingelassen hatte – das Wohnzimmer, in welchem sich bereits zahlreiche Gäste eingefunden hatten, um zusammen mit den frisch vermählten Potters deren Einzug in ihre ersten eigenen vier Wände zu feiern. Sie und Harry wechselten ein paar Worte, Luna tätschelte ihm vertraulich den Arm und Harry lachte über etwas, was sie gesagt hatte, dann deutete er wage in die Menge und nach einem Nicken Lunas mischte er sich wieder unter die Gäste. Luna sah sich währenddessen suchend im Raum. Da sie Neville noch nicht bemerkt zu haben schien, hatte dieser Zeit, seine Ex-Freundin eingehend zu mustern. Sie hatte sich in den zwei Monaten, in denen sie sich nicht gesehen hatten, kaum verändert. Nur ihre blonden Haare waren ein wenig kürzer und das modische, azurblaue Kleid, welches sie trug, ließ sie um einiges eleganter und damenhafter wirken, als es sonst der Fall war. Obwohl seit ihrer Trennung einige Zeit vergangen war, waren sie sich seitdem nicht mehr über den Weg gelaufen – was zum Teil wohl daran lag, dass Neville seither jegliche öffentliche Plätze mied, an denen er Luna möglicherweise begegnen könnte. Fieberhaft überlegte Neville, wie er nun mit ihr umgehen sollte. Sie ignorieren? So tun, als wäre nie etwas gewesen? Einfach freundlich und herzlich auf sie zu gehen und sie begrüßen? Er entschied sich für die letzte Variante. Neville atmete mehrere Male tief durch, dann verzog er das Gesicht zu einem Lächeln und schaute zu der Lovegood, in der Erwartung, dass ihre Blicke sich jeden Moment treffen würden. Sein unsicheres Lächeln erstarb jedoch augenblicklich, als hinter Luna ein dunkelhaariger, hochgewachsener Mann den Raum betrat. Wie selbstverständlich griff der Neuankömmling nach Lunas Hand und sah sich dann interessiert um. Er sagte etwas, was Neville aufgrund der Entfernung und der Geräuschkulisse um ihn herum nicht verstehen konnte. Luna lächelte ihren Begleiter liebevoll an, gab ihm eine Antwort und stellte sich dann auf die Zehenspitzen, um ihm einen flüchtigen Kuss zu geben. Neville fühlte sich, als hätte man ihn eben mit voller Wucht in den Magen geboxt. Ginny, die eben noch über eine Geschichte von Angelina gelacht hatte, bemerkte nun Nevilles starren Blick und runzelte besorgt die Stirn. „Neville? Alles in Ordnung?“ Noch bevor dieser antworten konnte, folgte die Potter seinem Blick und entdeckte die Neuankömmlinge nun ebenfalls. Einen Moment lang schien sie nicht zu wissen, was sie sagen sollte. Unschlüssig sah sie zwischen dem Longbottom und dem anscheinend frisch verliebten Paar hin und her. Dann räusperte sie sich. „Oh. Ich…ich wusste nicht, dass sie…Sie hat zwar gefragt, ob sie jemanden mitbringen darf, aber ich dachte nicht…ich wusste nicht...“ Ihr entschuldigendes Gestotterte wurde von einem freudigen Rufen unterbrochen. „Ginny!“ Luna hatte sie entdeckt und ihre Miene hellte sich augenblicklich auf. Im nächsten Moment bahnte sie sich auch schon mit ihrem Anhängsel an der Hand einen Weg zu ihnen. Nevilles erster Reflex war es, sich einfach umzudrehen und zu flüchten. Doch noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, hatte Luna sie bereits erreicht und sich jetzt noch davon zu machen, wäre doch arg auffällig. So begnügte er sich damit, unverbindlich die Neuankömmlinge anzulächeln und Lunas Blick dabei gezielt auszuweichen. Glücklicherweise rettete ihn Ginny davor, etwas sagen zu müssen, denn diese drängelte sich flugs an Neville vorbei und fiel der Lovegood überschwänglich um den Hals. „Luna! Wie schön, dass du da bist!“, begrüßte sie die Blonde. „Es tut mir Leid, dass wir so spät sind.“. entschuldigte sich diese sogleich, während sie die Umarmung erwiderte. Ihr Blick huschte kurz zu Neville, doch dieser tat so, als würde er dies nicht bemerken und musterte stattdessen ihren Begleiter. Jetzt, wo er weniger als zwei Meter von ihm entfernt stand, konnte Neville seinen Nachfolger genauer betrachten. Er war ein gutes Stück größer als er selbst, und Neville würde sich nicht gerade als klein bezeichnen. Der Unbekannte hatte dunkelbraunes, fast schon schwarzes Haar, welches ihm bis über die Ohren reichte und sich an den Spitzen leicht kringelte. Der markanteste Punkt in seinem Gesicht war die auffällige Adlernase, auf welcher eine randlose Brille mit schmalen Gläsern saß, hinter welcher dunkelbraune Augen schalkhaft aufblitzten. „Und…wen hast du uns denn da mitgebracht?“, fragte Ginny schließlich und beäugte neugierig den jungen Mann neben Luna. „Was? Oh, das hätte ich ja beinahe vergessen, wie unhöflich von mir.“ „Ginny, Angelina, Neville: das ist Rolf Scamander.“ Rolf – was für ein bescheuerter Name. Höflich streckte Rolf erst Ginny und dann Angelina die Hand hin, welche sie ein wenig zögernd nacheinander ergriff. „Freut mich sehr. Ich wollte Luna erst nicht glauben, dass wir tatsächlich auf die Einweihungsparty von der Ginny Potter gehen. Sie müssen wissen, ich bin seit jeher ein Fan von den »Holyhead Harpies« und Sie sind wirklich eine wahre Bereicherung für das Team. Schade nur, dass Sie eine Pause einlegen und so nicht am diesjährigen Endspiel teilnehmen können.“, sagte er an Ginny gewandt und lächelte sie breit an. Ginny wirkte etwas verblüfft. Auch Neville war überrascht – er hatte angenommen, so jemand wie Rolf würde seine gesamte Freizeit Bücher lesend an seinem Schreibtisch verbringen und nichts mit irgendwelchen Aktivitäten, bei denen man sich auch nur ansatzweise körperlich betätigen musste, anfangen können. Doch anscheinend hatte er sich da getäuscht. „Oh, vielen Dank.“, erwiderte Ginny und sie strahlte von einem Ohr zum Anderen. Auch, wenn es ihr vorrangig um das Quidditch spielen ging, so freute sie sich doch stets über ein ehrliches Lob von einem Fan. Neville konnte sich ein leises, abfälliges Schnauben nicht verkneifen. Der Typ legte sich aber ordentlich ins Zeug, um bei Lunas Freunden gut anzukommen. Selbst, wenn das Kompliment ehrlich gemeint war, so wirkte es in Nevilles Augen viel zu einstudiert und übertrieben. Glaubte dieser Scamander wirklich, sich so beliebt machen zu können?! Doch anscheinend hatte sein Versuch tatsächlich Früchte getragen, denn Ginny wirkte nun nicht mehr misstrauisch und zögerlich, sondern antwortete Rolf mit Begeisterung auf alle seine Fragen. „Ja, um ehrlich zu sein, hätte ich das Endspiel auch gerne noch mitgenommen, aber Harry war strikt dagegen.“ Die Potter rollte mit den Augen. Auch, wenn sonst sie es war, die in ihrer Ehe die Hosen anhatte, so hatte Harry sich in diesem Punkt doch durchsetzen können. „Er meinte, dass sei viel zu gefährlich für mich und das Baby.“ „Da hat er auch vollkommen Recht!“, unterstütze Angelina ihren ehemaligen Mannschaftskameraden, „Quidditch kann nach wie vor ein sehr gefährlicher Sport sein. Werdende Mütter haben nichts auf dem Spielfeld zu suchen.“ Seufzend strich Ginny sich über ihren leicht rundlichen Bauch, der sich leicht unter ihrem Kleid abzeichnete. „Ich sehe schon, ich kämpfe auf verlorenem Posten.“ Neugierig fragte Luna daraufhin, wann es denn nun planmäßig so weit sei und schon waren die drei Frauen in ein angeregtes Gespräch über Geburtsvorbereitungskurse, Ultraschalltermine und Babyeinkäufe verstrickt. Bisher war es Neville gelungen, weitgehend unscheinbar zu wirken und er überließ Ginny und Angelina die gesamte Konversation, doch als Rolf Neville ein fragendes Lächeln schenkte, schien Luna auf ihn aufmerksam zu werden und ihr schien einzufallen, dass sie ihn noch gar nicht richtig vorgestellt hatte. „Oh, wir waren ja noch gar nicht fertig mit der Vorstellungsrunde...das ist Neville, mein…“ Sie zögerte. „Ein alter Schulfreund.“, beendete sie schließlich den Satz. Neville musste sich tunlichst zusammen reißen, um seine Empörung und seine Enttäuschung zu unterdrücken. Ein alter Schulfreund?! Das war alles, was sie über ihn nach knapp vier Jahren Beziehung zu sagen hatte?! „Neville…Longbottom, nicht wahr?“ Mr. Oberschlau lächelte und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich habe schon viel von dir gehört.“ Während Neville auf einen mahnenden Blick Ginnys hin träge die Hand von Rolf ergriff, sie schüttelte und ein widerwilliges ‚,Angenehm.“ murmelte, überlegte er, wo er den Namen ‚Scamander‘ schon einmal gehört hatte. „Ohh Ginny, ihr habt euch hier wirklich ein schönes Nest eingerichtet.“, schwärmte Luna und blickte sich verzückt in dem hübsch eingerichteten Wohnzimmer um. Während Ginny begann, Luna ausführlich die verschiedensten Holzarten zu erläutern, die im Wohnzimmer verbaut waren, fragte Angelina den Scamander über sein Berufsleben aus. Wie sich heraus stellte, befasste sich Rolf ebenfalls mit magischen Tierwesen und hatte dadurch wohl auch Luna kennen gelernt. Anders als sie war er jedoch auf die Wesen im asiatischen Raum spezialisiert. Als er von seinem Großvater Newt Scamander erzählte und ihn als einen der Gründe nannte, warum ihn die magische Tierwelt so fasziniere, fiel Neville auch wieder ein, wo er den Namen »Scamander« schon einmal gehört oder vielmehr gelesen hatte. Beinahe seine gesamte Schulzeit lang hatte ihn dieser Name auf seinem Buch »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind« begleitet. Bei dieser Erkenntnis sank Nevilles Laune noch ein wenig mehr. Rolf war nicht nur intelligent, auf eine gewisse Weise attraktiv und ein gewandter Redner, nein, er war auch noch mit einem berühmten Tierforscher verwand. Kein Wunder, dass er in so kurzer Zeit Lunas Herz gewonnen hatte. Aus den Augenwinkeln warf er der Lovegood einen Blick zu. Sie erzählte Ginny gerade von ihrer Expedition nach Peru, welche sie im nächsten Monat mit Rolf antreten würde. Während sie sprach, suchte ihre Hand wieder die von dem Scamander und als sie in ihrem Redefluss kurz pausierte, tauschten die Beiden einen innigen Blick aus. Neville wurde schlecht. Das war mehr, als er ertragen konnte, ertragen wollte. Er musste hier weg, und zwar schnell. „Entschuldigt mich ich muss kurz…“ Er machte eine wage Handbewegung in Richtung Terrassentür und ohne seinen Satz zu beenden, verließ er die plaudernde und scherzende Runde und steuerte auf den rettenden Ausgang zu. Auf dem Weg dorthin schüttelte er noch rasch einen leicht angeheiterten Ron und einen gut gelaunten Dean Thomas ab, welche mit ihm zusammen unbedingt einen Feuerwiskey trinken wollten. Er vertröstete die Beiden auf später und öffnete mit einem Ruck die Schiebetür, welche nach draußen auf die Veranda führte. Rasch trat er nach draußen ins Freie. Mit einem erleichterten Seufzen schob er die Tür hinter sich zu und augenblicklich verstummte die Geräuschkulisse von innen und das Einzige, was er jetzt noch hörte, war der Wind, der die Blätter der Bäume leicht rascheln ließ und das melodische Zirpen der Grillen. Nachdenklich lehnte Neville sich mit den Armen auf die Brüstung der Veranda und ließ seinen Blick umherschweifen. Er atmete die kühle, klare Nachtluft ein und langsam beruhigte sich sein schmerzhaft klopfendes Herz wieder ein wenig. Der Longbottom wusste selbst nicht, warum ihn der Anblick von Luna mit Rolf so sehr zu gesetzt hatte. Es war völlig abstrus. Sie hatten sich einvernehmlich getrennt, waren als Freunde auseinander gegangen. So hatte er zumindest gedacht. Doch nun musste Neville sich eingestehen, dass dies vielleicht nicht ganz stimmte. Bis zu dem Augenblick, in dem er Luna mit Rolf gesehen hatte, war er der festen Überzeugung gewesen, dass er die Situation im Griff hatte. Nun, er war noch nie besonders gut darin, jemanden zu belügen. Am allerwenigsten sich selbst. Er hörte, wie hinter ihm die Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. In der Erwartung, Ginny sei ihm gefolgt, drehte er sich um, doch er blickte nicht in ein Paar haselnussbraune Augen, sondern in ein Paar Himmelblaue. Verwundert starrte er Luna einen Moment an, dann drehte er sich rasch wieder von ihr weg. Er hoffte, dass dies Zeichen genug war, doch wie so oft ignorierte Luna die offensichtliche abweisende Haltung ihres Gegenübers und gesellte sich wie selbstverständlich zu ihm an die Brüstung. „Ich kann verstehen, warum du hier draußen bist.“, begann Luna in ihrer sanften, leicht verträumten Tonlage, legte den Kopf leicht in den Nacken und blickte in den mit Sternen übersäten Nachthimmel. „Da drinnen ist es so laut, dass man nicht einmal seine eigenen Gedanken hören kann.“ „Du denkst wirklich, das ist der Grund, warum ich geflüchtet bin?“, fragte Neville und konnte dabei eine gewisse Gereiztheit nicht unterdrücken. „Nein.“, erwiderte Luna ruhig. „Du bist gegangen, weil du es aus irgendeinem Grund nicht mehr in meiner Nähe ausgehalten hast.“ Überrascht wandte Neville den Kopf und musterte die Lovegood von der Seite. Diese lächelte leicht. „Ich mag vielleicht seltsam sein, aber mit Sicherheit nicht dumm.“ Abwehrend schüttelte Neville den Kopf. „Nein, nein, das wollte ich damit nicht sagen. Ich dachte nur…naja…ich hätte nicht gedacht, dass es so eindeutig war.“ Er verstummte und für eine Weile standen sie einfach nur still nebeneinander, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Schließlich ergriff Luna das Wort. „Ich dachte nicht, dass dich das mit Rolf so sehr stören würde. Ich dachte, wir hätten beide mit uns abgeschlossen.“ Das brauchte sie ihm nicht sagen – er wusste das alles. Er wusste, warum sie sich zu diesem Schritt entschieden hatten. Das Ende war schleppend gekommen. Leise und unbemerkt. Auf einmal sprachen sie nicht mehr miteinander, lebten nebeneinander her anstatt miteinander. Sie stritten nicht, sie schrien sich nicht an. Um es nicht in einer Katastrophe enden zu lassen, hatten sie es vorzeitig beendet. Der Grund für das plötzliche Ende war beiden nicht so recht klar gewesen. Es war nicht so, dass sie sich nicht mehr geliebt hatten. Es war nur plötzlich alles anders. Es hatte sich einfach nicht mehr richtig angefühlt. Doch irgendwo in seinem Inneren, ganz versteckt in der hintersten Ecke seines Herzens, hatte Neville die Hoffnung gehabt, dass sie vielleicht eines Tages wieder zusammen finden würden. Dass sie lediglich eine Pause brauchten. Doch nun war diese Hoffnung mit einem Schlag zerstört worden. Da hatte der Fehler gelegen: für ihn war es eine Pause gewesen, für Luna das Ende. „Liebst du ihn?“ Es war reine Selbstgeißelung, doch er musste es aus ihrem Mund hören. „Ja, das tue ich.“ Neville nickte langsam. Mit so einer Antwort hatte er gerechnet. Luna war keine dieser Frauen, die Probleme damit hatten, allein zu sein und sich nur deshalb einen Partner zulegten. Trotzdem tat es weh. Nicht so sehr, wie er befürchtet hatte, aber doch genug, um ihm die Kehle zuzuschnüren. Er hatte Lunas unverblümte Ehrlichkeit immer geliebt, doch jetzt wünschte er, sie hätte gelogen. Nur dieses eine Mal. „Weißt du, es ist nicht so, dass ich nach Rolf gesucht hätte. Er war einfach da. Und anders als bei uns war da keine belastende Vergangenheit. Keine Dunkelheit, keine Angst, kein Schmerz.“ Sie suchte seinen Blick. „Es war so einfach.“, flüsterte sie und zu seiner Bestürzung glitzerten Tränen in ihren Augen. „So leicht.“ Erst jetzt begriff er, dass er nicht der Einzige gewesen war, der nicht hatte vergessen können. Luna und er hatten selten über ihr letztes Schuljahr unter Snape und den Carrows gesprochen, auch die Schlacht hatten sie als Thema stets gemieden. Im Nachhinein wusste Neville, dass dies ein Fehler gewesen war. Er hatte damals angenommen, Luna sei zu stark, zu widerstandsfähig, um sich von so etwas beeinflussen zu lassen. Dass sie keine Aufarbeitung nötig hätte. Sie war ihm immer so ruhig und besonnen vorgekommen. Sie war in den Zeiten, in denen er Nacht für Nacht aus schrecklichen Albträumen erwacht war, sein Halt, seine Stütze gewesen. Nie hatte sie auch nur ansatzweise durchscheinen lassen, dass sie ebenso unter dem Geschehenen litt wie er. Aber natürlich hatte sie das. Auch sie hatte ihre Mitschüler sterben sehen, hatte schreckliche Verluste erlitten. Wie hatte er das alles nur übersehen können? Wie hatte er sie, ihre Liebe, ihr ganzes Sein nur jemals als selbstverständlich, als unverwüstlich ansehen können? Er hatte sie geliebt, liebte sie immer noch, mit jeder Faser seines Herzens, und doch war alles schief gegangen. Er hätte es bemerken müssen. Doch nun war es zu spät. Er hatte sie verloren. „Es tut mir leid.“ Es änderte nichts an seinen Fehlern, es würde sie nicht zu ihm zurück bringen, doch er wollte, dass sie es wusste. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Das muss es nicht. Manchmal ist Liebe eben einfach nicht genug. Dafür kannst weder du noch ich etwas.“ Ihre Worte taten weh, aber doch lag viel Wahrheit in ihnen. „Tanzt du mit mir?“, fragte er sie plötzlich unvermittelt, „Ein letztes Mal?“ Sie fragte nicht nach dem »Warum«, bemängelte nicht, dass überhaupt keine Musik spielte, zu der sie tanzen könnten, sie ergriff einfach seine linke Hand und legte die Ihre auf seiner Schulter ab. Vorsichtig legte er ihr den Arm um die Hüfte und zog sie etwas näher zu sich heran. Ihr vertrauter Duft stieg ihm in die Nase, eine einzigartige Mischung aus Veilchen, Harz und etwas, was er schlicht als »Luna« bezeichnen würde. Das erste Mal seit sie sich getrennten hatten, fühlte er jegliche Sorgen und Beklemmung von ihm abfallen. Es war, als wäre er die ganze Zeit nicht vollständig gewesen. Er schloss die Augen und sie wiegten sich langsam in einem unregelmäßigen Takt hin und her. Lunas Kopf ruhte an seiner Schulter und für einen Moment schien es, als wäre alles so wie früher. Als gäbe es keinen Rolf, der drinnen auf sie wartete, als würde sie immer noch zu ihm gehören. Viel zu früh lösten sie sich von einander. Luna strich bedächtig ihr Kleid glatt, während Neville intensiv seine Schuhspitzen musterte. Ihm graute vor dem, was nun kommen würde. „Ich…werde wieder rein gehen. Rolf fragt sich bestimmt schon, wo ich bleibe.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Er war also nicht der Einzige, bei dem der Tanz etwas ausgelöst hatte. Doch er bezweifelte, dass es ausreichte, um Luna zu halten. Der Longbottom nickte leicht. Kurz stand Luna noch unschlüssig da und es schien, als wolle sie noch etwas sagen, doch dann strich sie ihm flüchtig über den Arm und wandte sich zum Gehen. „Er ist in Ordnung. Scamander…ich meine Rolf. Er…er scheint ein netter Kerl zu sein.“ Neville wusste selbst nicht, warum er das sagte. Luna drehte sich zu ihm um. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Mal wieder schien sie ihn besser zu verstehen als er sich selbst. „Auch du wirst wieder jemanden finden. Jemanden, mit dem du glücklich werden kannst.“ Neville lachte bitter auf. „Meinst du wirklich?“ „Ich weiß es sogar. Die Schlickschlupfe haben es mir verraten.“ Sie zwinkerte ihm zu, dann öffnete sie schwungvoll die Terrassentür und verschwand im Inneren des Hauses. Während er ihr nachsah, wurde ihm bewusst, dass es nun endgültig vorbei war. Ein »Luna und Neville« würde es niemals wieder geben. Ab jetzt gab es ein »Luna und Rolf«. Und ein »Neville«. Punkt. So einfach war das. Er hatte verloren. Er sah wieder hinauf in den dunklen Abendhimmel. Sein Traum von einer Zukunft mit Luna würde vermutlich genau das bleiben. Ein Traum. »Loslassen ist die Kunst, Vergangenes zur Ruhe zu betten und der Zukunft freien Raum zur Gestaltung zu überlassen.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)