60 Sekunden von Skeru_Seven ================================================================================ Kapitel 2: Jeremy ----------------- Als meine Eltern starben, dachte ich, es könnte nicht mehr schlimmer werden, der Schmerz und die Verzweiflung nicht mehr größer, aber manchmal wird man auf grausame Weise eines Besseren belehrt. Ich musste verflucht sein, warum sonst war nun auch Vicky tot und ich ganz allein in diesem Albtraum gefangen, aus dem mich keiner befreien konnte? Elenas Versuche, mich zu trösten, waren nicht ergiebig gewesen, was wohl auch daran lag, dass sie mir noch einmal diese verstörende Situation ins Gedächtnis gerufen hatte. Was half mir eine Rechtfertigung für Vickys Tod, wenn es mir sie nicht zurückbrachte. Ich weinte ungehemmt weiter, immer dieselben schrecklichen Bilder im Kopf und die Gewissheit im Nacken, dass es nicht lange dauern konnte, bis wieder jemand starb, der mir so nahe stand. Jemand trat in das Zimmer ein; aus reiner Gewohnheit hob ich den Kopf, aber eigentlich interessierte es mich nicht, in meinen Gedanken gab es nur ein unablässiges Thema, das sich immer nur selbst zu kopieren schien und dabei immer unerträglicher wurde. „Sie ist tot…“ Und ich wäre es auch gerne. Mein Blick irrte wieder zu Boden, ich war zu erschöpft für alles. Das Gegenüber trat näher an mich heran, wartete wohl auf eine Reaktion, die nicht erfolgte. „Sieh mich an.“ Die Worte klangen leer für mich; was sollte es mir nützen? Die Berührung, die daraufhin folgte, war unangenehm, aber mir fehlten die Kräfte, mich dagegen zur Wehr zu setzen, in dieser Welt voller Schmerz gab es keinen Platz für Wut oder Widerstand. Der fremde Blick war kalt, gefüllt mit einer unangenehmen Mischung aus Verachtung und Desintereresse, was nicht dazu passte, dass er sich mir aufdrängte. Ich wollte in Frieden gelassen werden, um Vicky trauen, wie es sich gehörte, um ein normales Leben trauern, das mir wohl nicht zugedacht war… „Vicky hat die Stadt verlassen. Sie wird nie wieder zurückkehren, aber das ist in Ordnung so. Du musst sie nicht suchen, dich nicht sorgen, denn es ist gut so, wie es ist. Vermiss sie und akzeptiere die Tatsachen.“ Was… nein, Vicky war tot… Vicky war vor meinen Augen gestorben… Vicky war weggegangen und ich litt… ich vermisste sie und würde es dabei belassen… ich hatte einen Grund, keinen Grund traurig zu sein. „Du hast keinen Grund mehr, dich hier in Verzweiflung zu verkriechen, denn dir geht es auch ohne Vicky gut. Du vermisst sie einfach.“ Das klang richtig… das war richtig. Vicky war weg, ich zwar allein, aber deshalb nicht unglücklich. Ich musste nicht mehr weinen. Wie in Trance nickte ich und sah zu, wie Damon den Raum verließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)