Rauschen von SamAzo ================================================================================ Kapitel 19: Stadtfest II ------------------------ Während sich das Riesenrad drehte, klaute Seth Jamie immer mal wieder etwas Zuckerwatte, die er sich dann genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. Wie lange war es her, das er auf so einem Fest gewesen war? Vermutlich war er da so alt gewesen, wie Jamie jetzt. Maximal ein Jahr älter. Danach war alles irgendwie den Bach runter gegangen. Vermutlich war vieles seine eigene Schuld, aber gänzlich unschuldig waren seine Eltern an dem, was passiert war, nicht. Auch wenn sie es sehr lange behaupteten. Egal... Er sollte sich kein Beispiel an seinen eigenen Erziehungsberechtigten nehmen. Die hatten eindeutig versagt. Seth hingegen wollte besser sein. Etwas in seinem Leben richtig machen. Noch musste er ein wenig in die Rolle hineinwachsen, aber bislang hatte er sich dafür schon recht gut gehalten, wie ihm Leslie bereits gesagt hatte. Leslie war ein weiterer Grund wieder positiv zu denken und es machte ihn schon neugierig, weswegen sie nicht mehr zu sehen war. Er hatte versucht sie unter den Menschen zu erkennen, die durch den Park gingen, doch sie war nicht mehr zu sehen. Als die Fahrt zu ende war, stiegen sie gemeinsam aus und Jamie nahm Seth' Hand, um ihn durch den Park zu führen. Er hatte etwas gesehen, was er am liebsten haben würde, doch das musste durch schießen erst einmal gewonnen werden. Seth stand also kurze Zeit später an einer Schießbude und versuchte ein Aquarium zu gewinnen, in dem ein kleiner Fisch schwamm. Jamie feuerte ihn an. Doch es war nicht einfach, sich zu konzentrieren. Zum einen Jamies anfeuern, dann die Musik der verschiedenen Buden und der Bühne, die zu ihrem Rücken stand. Da machten sich auch wieder die Jahre bemerkbar, die er seinen Kopf dergleichen nicht gegönnt hatte. Darum traf er auch bei den ersten Versuchen nichts. Aber er wollte nicht so schnell aufgeben und versuchte es darum erneut und er wurde tatsächlich besser. Allerdings nur solange, bis er Leslies Stimme hörte. Jedoch kam sie nicht aus der gleichen Richtung wie Jamies, sondern aus den Lautsprechern, die neben neben der Bühne waren. Seth realisierte das nicht sofort, aber er fragte sich schon, wo Leslie stand, das er sie so laut hören konnte, wo er doch alleine da stand. Nur Jamie war neben ihm, der jetzt jedoch nicht mehr mit anfeuern beschäftigt war, sondern damit, zur Bühne zu schauen. Als Seth das mitbekam hörte er auf und drehte sich ebenfalls, um zu sehen, wohin der Kleine schaute. Leslie stand auf der Bühne, zusammen mit einer Gruppe, die schon einmal auf der Bühne gestanden hatte, als sie daran vorbei gegangen waren. Sie winkte ihm oder Jamie, so genau wusste er das nicht, aber sie beide winkten ihr zurück. „Was... macht sie da?“, wollte Seth wissen. „Sie wird singen. Sie ist im Kirchenchor und das ist die Band, die ab und an die musikalische Begleitung macht.“ Darum spielten sie auch hier auf dem Stadtfest. Die Lieder, die er mitbekommen hatte, waren gar nicht so schlecht gewesen. Nicht sein Fall, weil sie einfach, für seinen Geschmack, viel zu ruhig waren, aber ansonsten ganz gut. Jetzt, wo er Leslie dort oben stehen sah, war er bereits fasziniert von – was auch immer sie singen würde. Er rechnete ja schon mit einem schmalzigen Liebeslied oder halt etwas mit einem kirchlichen Touch, aber als die Band spielte und Leslie anfing ihre angenehme Gesangsstimme durch das Mikro erklingen zu lassen, kam Seth das Lied bekannt vor. Er wusste zuerst nicht woher, bis eine Textzeile ihm eine Antwort gab. Es war sein Lied! Eines der vielen, die er in das Notizbuch geschrieben hatte, das beinahe immer auf dem Küchentisch lag. Leslie hatte... Sie... Seth wusste nicht, was er davon halten sollte, aber Leslie machte es gut, auch wenn er sich das Lied komplett anders vorgestellt hatte. Vermutlich hatte er darum so lange gebraucht, um zu begreifen, das es seines war. „Wie gefällt es dir?“,, fragte Jamie, als er Seth wieder ansah. „Ich... weiß nicht.“ In Jamies Blick war bereits Zweifel zu erkennen, ob es eine so gute Idee gewesen war, aber Seth war noch immer zu fasziniert, um das zu sehen, da sein Blick auf Leslie gerichtet war. Sie legte viel mehr Gefühl in die Zeilen, als er es jemals getan hätte und das fühlte sich richtig an. Selbst auf die Weise, wie sie es wiedergaben. Seth drehte sich zu dem Schießstand- Mitarbeiter und gab ihm das Gewehr, mit dem Zusatz, das er gleich wiederkommen würde, um diesen Versuch zu beenden. Dann legte er seine Hand an Jamies Rücken und schob ihn vor sich her, um näher an die Bühne heran zu gehen. Sie drängelten sich durch die Leute, bis sie ganz vorne standen und sahen Leslie zu, wie sie auch noch die letzten Zeilen sang, bevor das Lied zu ende war. Leslie kam sofort zu ihnen, als sie sich von der Band verabschiedet hatte. Sie spielten weiter, während sie nun noch etwas zu tun hatte. Sie war immerhin neugierig genug, um zu erfahren, wie es Seth gefallen hatte. Nur leider sah er nicht sehr gut aus. Entsprechend langsam ging sie auf ihn zu und schaute zu Jamie, der nur mit den Schultern zuckte, während Seth noch der Band zuhörte und in Gedanken versank. „Hey...“, grüßte sie ihn leise und hoffte auf keine abfällige Reaktion. „Hey“, sagte er ebenfalls und konnte sich doch erst nach einigen, weiteren Tönen der Band von der Musik trennen, um zu Leslie zu sehen. Wie sie da stand... Vollkommen ratlos, ob sie das richtige getan hatte, oder nicht. Es kam wohl nicht oft vor, das sie etwas tat, deren Ergebnis sie nicht vorher sehen konnte. Aber noch immer war sich Seth nicht über seine sicher. Es war sein Lied, das sie einfach genommen hatte. Auch noch, ohne ihn zu fragen. Aber sie hatte es zum Leben erweckt. Ohne sie wäre es auf dem Papier geblieben und als Tinte auf Zellstoff vergessen worden. Sie hatte Gefühle in die Worte gelegt, sie mit einem Zauber belegt, der ihnen nie wieder genommen werden konnte – egal ob es so war, wie er es gemacht hätte, oder nicht. Sie hatte es gut gemacht! Auch wenn er noch ein wenig mit seinen Gefühlen dazu haderte. Genau das sah sie ihm auch an, weswegen sie alles erwartete. Für einen Wutausbruch hatte er jedoch bereits zu lange gezögert, das würde also sicher nicht mehr passieren. Dennoch könnte noch alles mögliche passieren und entsprechend zuckte sie zusammen, als er sich recht plötzlich auf sie zu bewegte. Hätte sie in dem Moment auf sein Gesicht geachtet, wäre ihr das sicher nicht passiert, aber sie war genau in dem Augenblick von Jamie abgelenkt gewesen. Der hatte eigentlich etwas sagen wollen, kam jedoch nicht dazu, als Seth seine Tante umarmte. Es war nicht besonders lange, aber es reichte, um beiden verhaltend lächelnd zurück zu lassen. „Dann... bist du mir nicht böse?“ Sie musste einfach noch einmal sicher gehen, auch wenn diese Reaktion ganz sicher keine war, die sie bekommen hätte, wenn er es ihr übel genommen hätte. „Es war toll! Du singst unglaublich schön.“ „Danke“ Das ihr ein Kompliment von ihm so nahe gehen würde, hätte sie auch nicht mit gerechnet. Sie fand sich nicht gut und sang daher meistens im Chor, wo eine einzelne Stimme schneller verloren gehen konnte. So alleine auf einer Bühne, mit Musikern im Rücken, war es was ganz neues gewesen und sie hatte furchtbare Angst gehabt es zu versauen. Daher taten seine Worte auch so gut. „Ich zittere noch vor Aufregung“, hauchte sie und schaute dabei auf ihre Finger, bis sie Seth' Hand wieder an ihrem Rücken spürte. Als sie zu ihm aufsah, war er jedoch schon wieder mit den Musikern beschäftigt, die einen Klassiker spielten. Sie konnte ihm ansehen, das er gerne dort oben stehen würde und doch war er ganz ruhig. „Wenn du magst, kann ich sie mal zu uns einladen. Es sind Freunde von mir. Mit den Meisten bin ich zur Schule gegangen.“ Seth nickte langsam, bevor er sie wieder ansah. „Zum Musik machen?“ „Zum Musik machen, zum Unterhalten... ganz wie du willst.“ Erneut nickte er und dieses Mal galt es wirklich der reinen Zustimmung. „Hey, Seth!“, mischte sich auch Jamie wieder ein, „Du musst noch meinen Fisch schießen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)