Rauschen von SamAzo ================================================================================ Kapitel 11: Geheimnis --------------------- Seit dem Seth es erwähnt hatte, war Leslie auf das zweite Notizbuch neugierig. Sie hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handeln könnte, was vor allem daran lag, das Seth sagte, das es nichts mit dem gemein hatte, was sie bereits kannte. Das machte ihr schon ein wenig Sorgen. Gerade in Anbetracht der Anschuldigungen, die es derzeit gegen ihn gab. Wobei sie da Jamie glaubte und der sagte, das alles in Ordnung war. Auch bei dem was er bei der Polizei erzählt hatte, glaubte sie, das es der Wahrheit entsprach. Denn lügen tat er eigentlich nicht. Zumindest hatte sie dergleichen noch nie mitbekommen. Durch ihre Neugierde saß sie jedoch die weitere Zeit im Krankenzimmer, ein wenig auf heißen Kohlen. Das Jamie da anfing mit ihnen Karten spielen zu wollen, war nicht gerade hilfreich. Doch jetzt schon wieder zu gehen wäre ihrem Neffen gegenüber nicht fair und darum tat sie sich mit Seth zusammen, da der nicht wirklich die Karten halten konnte und, wie er sagte, auch gerade keine Lust auf verlieren hatte. Das tat er auch nicht. Zumindest für die Hälfte der Runden, die sie spielten. Viele waren es jedoch nicht, da Seth bereits nach der zweiten Runde immer wieder die Augen zufielen und nach zwei weiteren, war er ganz eingeschlafen. Sie blieben noch ein wenig, aber da langsam die Besuchszeit zu Ende ging, mussten sie so oder so bald gehen. Jamie steckte das Notizbuch wieder ein, da Seth hier nicht viel damit anfangen konnte und Jamie nicht wollte, das es wegkam. Leslie glaubte eher, das sich ihr Neffe nicht davon trennen wollte, aber das würde sie ihn später fragen. Im Hotel machte sie sich einen Kaffee, setzte sich anschließend auf das Bett und hatte Jamie neben sich, nachdem er ihr das zweite Notizbuch gegeben hatte. Es war größer und sah auch um einiges älter aus. „Das ist cool!“, erklärte ihr Jamie und lehnte den Kopf an seine Tante. „Findest du?“ Er nickte und schlug für Leslie die erste Seite auf, da sie das Buch zwar in der Hand hielt und auch so aussah, als wollte sie den Inhalt sehen, es aber dennoch nicht aufschlug. Als erstes bekam sie Kinderzeichnungen zu sehen. Mit Buntstiften gemalt und mit krakeliger Schrift benannt. „Igelnatter“, las sie vor. „Isst gerne Regenwürmer.“ Da waren noch mehr Kreaturen, die wohl alle der Fantasie des Jungen entstanden waren, der sie gemalt hatte. Doch dann kam ein Eintrag ohne Bilder, der sich auch eher wie ein Tagebucheintrag lesen ließ, der in der gleichen krakeligen Schrift geschrieben wurde, nur statt mit Buntstift, mit einem Kugelschreiber. Mum glaubt mir noch immer nicht. Sie sagt, ich soll aufhören sie anzulügen und vor allem niemand anderem davon erzählen. Die anderen in der Klasse machen sich bereits lustig über mich und laufen dauernd vor mir weg. Das ist doof. Ich will doch nur, das sie wissen, was noch so auf dem Schulhof rumläuft. Vor allem, wenn es aussieht, als wolle sie eines der Tiere beißen. Es hat noch keines gemacht, aber manchmal sehen sie so aus. Wieso können sie die alle nicht sehen? „Hast du alles gelesen, was hier steht?“ Leslie legte das Buch auf ihre Oberschenkel und nahm die Tasse von dem kleinen Schränkchen neben sich, um davon zu trinken. Jamie nickte und streckte sich auf dem Bett aus. „Seine Mutter hat ihn von der Schule genommen und ihm gedroht ihn nie wieder aus dem Haus zu lassen, wenn er weiter von den Tieren redet, die er sieht. Irgendwann hat er dann angefangen Drogen zu nehmen, in der Hoffnung … normal zu werden.“ „Das ist keine vernünftige Lösung!“ „Das hat er auch erkannt – ziemlich weit hinten.“ Wenigstens hatte Jamie, bei allem, was um ihn herum passierte, gelernt, das Drogen eine dumme Idee waren. Das war wichtig! Nicht das er auf den Gedanken kam, irgendwann damit anzufangen. Das war wohl ihre größte Angst. Darum kümmerte sie sich auch erst einmal nicht weiter um das Buch, sondern um ihren Neffen. Als Jamie schlief, machte sie sich eine weitere Tasse Kaffee und kuschelte sich in die Bettdecke, bevor sie sich daran machte wieder das Notizbuch in die Hand zu nehmen. Sie blätterte bis zu der Seite, wo sie aufgehört hatte und schaute dann noch einmal auf Jamie, bevor sie sich ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Seiten vor ihr richtete. Die Zeichnungen wurden erstaunlich gut und die Beschreibungen auch immer detaillierter. Wobei ganz genau zu sehen war, ab wann Seth angefangen hatte zu – wie es in dem Buch stand – rauchen. Leslie wollte gar nicht wissen, was für ein Kraut das gewesen sein musste. Die Bilder wurden jedenfalls gruseliger und Leslie fragte sich, ob Seth jemals Albträume gehabt hatte. Nach weiteren Seiten, in denen Schwarz die dominante Farbe war, fehlten ein paar Seiten. Sie waren raus gerissen, wie man an den groben Rissspuren sehen konnte. Leslie fuhr langsam mit dem Finger daran entlang und fragte sich, was dort wohl gewesen war, das es herausgerissen werden musste. Aber raus finden würde sie es wohl nicht. Das einzige, was noch einen Hinweis gab, waren die Kratzer in den folgenden Blättern. So sah Papier nur aus, wenn jemand sehr stark und oft über ein und die selbe Stelle geschrieben hatte – oder in diesem Fall wohl etwas durchgestrichen. Die angemackten Seiten waren größtenteils unbenutzt und erst nach drei weiteren Blättern ging es weiter. Ein wunderschönes Bild von einem Mädchen. Wer sie war, stand nicht dabei, aber Seth schien sie öfter gesehen zu haben, denn auch auf der Rückseite gab es jede menge Bilder von ihr. Alle gemalt und Leslie war schon erstaunt, das Seth so gute Bilder zustande brachte. Geschriebene Einträge blieben Mangelware. Es gab noch einen, der erwähnte, wie er von zuhause weggelaufen war, aber das seine Eltern ihn wohl auch nicht vermissen würden, da sie ihn für verrückt hielten und sich schämten ihn zum Sohn zu haben. Leslie fragte sich, warum nicht einfach mal jemand mit ihm bei einem Arzt war, aber inzwischen war Seth alt genug, um das selbst zu entscheiden. Dennoch fragte sie sich schon, warum er diese Wesen für echt hielt – sie überhaupt sah. Das musste doch einen Grund geben. Noch einmal erschien ihr Seth in einem anderen, neueren Licht, was ihn noch immer nicht so sympathisch machte, das sie ihn einfach bei sich einziehen lassen würde. Nur dazu musste er ja so oder so erst einmal einen Entzug machen. Wie lange dauerte so etwas? Umso länger hätte sie noch Zeit es sich zu überlegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)