Gipfelstürmer von Puppenprinzessin ================================================================================ Prolog: Damals. --------------- Es war bereits Ende November, einige Monate nach dem für diese Geschichte bedeutenden Ereignis, und in fast 1900 Metern über dem Meeresspiegel war nicht erst kürzlich der Winter angebrochen. In Südtirol war das Auftreten von Schneestürmen kein Wunder; doch die Art und Weise wie sie durchlebt wurden, war scheinbar verschieden. Wie sonst sollte man erklären, dass eine kleine Gruppe von Hütten unweit der Gipfelstation eines sehr bestimmten Berges um diese Zeit bewohnt war? Bewohnt mit zehn glückstrunkenen Halberwachsenen, die unter dem Alkohol- und Hormoneinfluss wohl kaum noch zu großartiger Ratio fähig waren. Allerdings reichte es nicht, ihren Aufenthalt damit zu begründen, dass sie Schneestürme einmal auf eine andere Weise durchleben wollen, als die herkömmliche tiroler Bevölkerung. Ihr Auftauchen auf diesem Gipfel hatte einen anderen Grund… „Auf unser gottverdammtes fucking Abitur!“ „Zum dreiundzwanzigsten Mal...“ Das Klirren von aufeinandertreffendem Glas hallte durch eine der fünf Hütten die die Clique angemietet hatte, gefolgt von fröhlichem und definitiv beschwipstem Lachen. „Dass du überhaupt noch zählen kannst, wundert mich ja ein wenig.“ „Mich nicht. Im Zählen ist er doch ganz große Klasse – besonders wenn es um Geld geht!“ Erneut war Gelächter zu hören, ein grobes Mischmasch aus den Stimmen der Leute, die die letzten Jahre ihres Lebens miteinander verbracht hatten. Sie waren zusammengewachsen auf die eine oder andere Art, hatten sich gegenseitig geholfen, wobei sie oft genug zusammen in der gleichen Krise gesteckt hatten. Es war ihr Abschied vom Leben wie sie es kannten. „Na komm schon, Konan, mach den Sack wieder auf!“ Anscheinend fand ihr kleines Spiel Anklang; auf die Worte des Schwarzhaarigen hin schmiss ihm die junge Frau das kleine Stoffbeutelchen zu. Itachi war normalerweise nicht in diesem Ausmaß gesprächig – aber der Alkohol und das übermäßig aufgekratzte Verhalten der ganzen Gruppe taten ihr Übriges um ihn in eine sehr umgängliche Stimmung zu befördern. Neun Augenpaare waren inzwischen sehr interessiert auf des Uchihas Hand gerichtet, deren schlanke Finger für einen Moment zwischen die Stofflagen fuhren und einen kleinen Zettel hervorzogen. Für den momentanen Alkoholpegel noch immer sehr geschickt entfaltete er das Papier und las die Worte vor. „Was sind deine Wünsche für die Zukunft?“ „Ein unbegrenzter Vorrat an Alkohol!“ Hidan, der Silberhaarige, der gegen einen der Innenpfeiler der Hütte gelehnt saß, hob wie zur Bestätigung seine Bierflasche und leerte sie bis zur Hälfte. Ein Schokodrop traf ihn an der Stirn. „Du Vollhorst, es ist Itachi der antworten soll, hm! Dass du nichts anderes im Kopf hast als Alkohol, wissen wir ja…“ „Stimmt nicht ganz, Deidara. Der Alkohol muss sich den Platz mit Kakuzu teilen.“ Die beiden Kunstbegeisterten saßen gegenüber von Hidan; Sasori war gegen den zweiten Pfeiler gelehnt und bot sich Deidara als Rückenlehne an. Letzterer hatte die Hand noch immer in einem Schälchen besagter Schokodrops vergraben – zumindest bis Kakuzu, welcher zwischen ihm und Hidan saß, sie ihm wegnahm. „Zumindest sind wir uns darüber klar. Ihr zieht ja immer noch eure Scharade ab. Man würde meinen nach den letzten Jahren würdet ihr mal mit der Sprache rausrücken. Die Turtelei ist ja nicht zu ertragen.“ Die Stimme des Gebräunten hatte einen Hauch von Heuchelei an sich haften, sein Blick war herausfordernd. Es war nicht sonderlich unerwartet, dass jenes Thema einmal mehr zur Sprache kam. „Fick dich, du Arsch! Ich hab ‘ne Freundin, hm. Außerdem wäre das wie Inzest.“ Und da Sasori und er tatsächlich zusammen groß geworden waren, glaubte er auch daran. Dass Konan besagtem Rotschopf einen neugierigen Blick auf sein Schweigen hin zu warf, bemerkte niemand. Allerdings schaltete sie sich schnell wieder ein, um das gemurmelte „Jaja“ von Hidan zu übertönen. „Wir könnten uns eigentlich alle mal Gedanken über die Zukunftsfrage machen, meint ihr nicht? Die Welt liegt vor uns…“ Erwartungsvoll sah sie in die Runde und stieß schließlich Kisame an, den Hünen der Gruppe, welcher sich zu einem leicht frustrierten Seufzen herabließ. „Ich bin nächstes Frühjahr weg hier.“ Verwirrte Stille. „Ich hab einen Praktikumsplatz. Australien. Das große Los. Vielleicht lassen sie mich mein Biologiestudium dort anfangen.“ Er zuckte einmal mit den Schultern und nippte dann an seinem Bier als noch immer niemand etwas sagte. Konan riss sich als erste wieder zusammen. „Ich hoffe, du kommst zurück?“ Ein kleines, fast nervöses Lachen war zu hören. Langsam ging allen auf, dass sie sich wirklich trennen würden. Kisame nickte, sah aber nach einem Blick in die Runde auf seine andere Seite. „Tobi? Wie sieht‘s mit deiner Zukunft aus?“ Der Kleinere strahlte, angesprochen worden zu sein. Für gewöhnlich verbot man ihm eher den Mund. „Tobi will Lehrer werden und genauso tolle Kinder unterrichten wie uns!“ Seine Worte wurden mit einem winzigen Lächeln auf Itachis Lippen quittiert. „Wir sind keine Kinder mehr, Tobi. Immerhin verabschieden wir uns gerade von unserem alten Leben.“ Er erntete zustimmendes Nicken, aber bis auf Hidan, der bereits wie gewöhnlich mit diversen Kraftausdrücken um sich zu werfen drohte, würde sich wohl niemand wirklich zu der Sache äußern. Tobi allerdings ließ die Schultern hängen. „Was wollt ihr denn alle machen?“ Dass er geknickt war, hörte man ihm an. Der Uchiha gab ein nonchalantes Schulterzucken von sich. „Es ging um Zukunftswünsche. Ich will eigentlich nur, dass es meiner Familie gut geht.“ Überraschend waren seine Worte nicht, immerhin wussten alle, wie groß Itachis Familie war und wie sehr ihre Mitglieder miteinander zusammenhingen. Dass er vermutlich bald in den Familienbetrieb einsteigen würde, war allen ebenso klar, daher bedurfte es keiner weiteren Fragen. „Zetsu?“ Angesprochener stützte soeben sein Kinn in seine Hand. „Wir wollen etwas mit Pflanzen machen“, ließ er verlauten. Über den Plural wunderten sich die Anwesenden ebenso wenig wie über Hidans inflationären Gebrauch von Schimpfwörtern. „Eigentlich ist es schon fast egal… solang es mit botanischem Leben zu tun hat macht es uns glücklich.“ „Wenn wir also jemals an Drogen kommen wollen, fragen wir dich, hm.“ Zwischen dem einen oder anderen Kichern und über Zetsus entrüstetes Gesicht hinweg war Sasoris Seufzen zu hören. „Könntest du das Künstlerklischee einmal nicht bedienen, Deidara? Wir müssen nicht alle high sein um mit unseren Werken klar kommen zu können!“ Der Rotschopf ruckelte einmal mit seinem Oberschenkel, sodass der Jüngere zur Strafe halb auf den Boden rutschte. „Das was du betreibst kann man ja auch keine Kunst nennen, Püppi, hm.“ Sobald die Worte über Deidaras Lippen waren ging ein einstimmiges genervtes Seufzen durch die Runde. Wenn sie einmal anfingen zu streiten, konnte sich das hinziehen. „Ihr studiert beide Kunst?“ warf Konan ein, der wohl an diesem Gesprächsthema noch am meisten lag. Sasori nickte bestätigend. „Allerdings bin ich für bildende Kunst bereits angenommen, während unser Blondchen hier noch auf der Warteliste der freien Kunst steht.“ Für den kleinen Seitenhieb fing er sich zwei Schokodrops ein; Deidara hatte die Schale von Kakuzu zurückerobert. Jener lehnte sich nun ein Stück zurück und hielt seinen Oberkörper mit aufgestützten Händen aufrecht. Sehr wohl schien ihm nicht zu sein. „Ich hab einen Termin für ein Vorstellungsgespräch.“ – Und damit hatte er die absolute Aufmerksamkeit der Gruppe. „Relativ großer Konzern, hat mit Markforschung zu tun. Sehr gut bezahlt.“ „Wie stehen deine Chancen?“ hakte nun Yahiko nach – besser bekannt als Pain in dieser Runde. Er saß zwischen Konan und Hidan und fungierte an ihrer Seite als Klebstoff der Gruppe. Kakuzu kannte sich allerdings auch gut aus im Milieu des Schulterzuckens. „Ganz gut bis jetzt. Kann aber sein, dass ich wegziehen muss, wenn sie mich nehmen.“ „Aha. Und wann hattest du vor, das verfickt nochmal zu erwähnen?“ „Sobald etwas feststeht. Ich seh nicht ein, Wirbel um die Sache zu machen, bevor ich genaues weiß. Jetzt führ dich nicht auf wie eine Dreijährige die den Lolli nicht kriegt.“ Scheinbar sah Hidan das anders; er erhob sich schwankend und taumelte in Richtung Bad davon. „Ich bin Pissen, ihr Pisser. Scheinbar zählt ja eh nicht, was ich zu der beschissenen Sache zu sagen hab!“ Das Knallgeräusch der ins Schloss geschleuderten Tür gab ausreichend Auskunft darüber, dass Hidan nicht sonderlich begeistert über den Entschluss seines Freundes war. Jener sah allerdings nur über dessen nun leeren Platz hinweg und Pain an. „Da es um Wünsche ging… ich würde gern an der Seite der Frau bleiben die ich liebe.“ Allgemeine entrüstete „Oooooh“s klangen durch den Raum und mehrere Schokodrops und anderer Knabberkram flogen, während Konan noch versuchte, ihrem Freund zwischen all dem Chaos lachend einen Kuss auf die Wange zu drücken. „Das hast du schön gesagt, aber ich denke, ich werde dir den Alkohol entziehen~“ Zwar neckte ihn die Blauhaarige zurück, da ihr aber ein ähnlicher Wunsch durch den Kopf gegangen war, war sie recht zufrieden mit Yahikos Antwort. Dieser setzte sich nun ein wenig aufrechter hin und schien nachzudenken. „Allerdings wäre da noch zu wünschen, dass wir uns mal wiedersehen, meint ihr nicht? Unter den Umständen…“ Er sah erst du Kisame, dann zu Kakuzu und warf noch einen Blick in die Runde. „Naja, wenn wir uns zerstreuen sehen wir uns so schnell nicht mehr wieder.“ Es kehrte Ruhe ein, die nur durch den Silberhaarigen unterbrochen wurde, der nun von der Toilette zurückkam. „Grabesstimmung oder was?“ „Uns fiel gerade auf, dass wir uns bald nicht mehr gegenseitig mit uns herumschlagen müssen“, antwortete Sasori leicht ätzend. Ob ihm Hidan fehlen würde? Wohl eher nicht. „Kommt mir ganz recht, ihr Flachpfeifen.“ Nur an der Tatsache, dass ein wenig Genervtheit aus seiner Stimme verschwunden war, konnte man Hidan anmerken, dass er vielleicht doch ein klein wenig Wehmut verspürte. „Also? Was tun wir dagegen?“ Konan hatte die Klage über das Problem übersprungen und war zur Lösungsfindung übergegangen, was nicht unüblich war. Itachis Mundwinkel hob sich. „Du hast noch einen Zukunftswunsch frei.“ Bernsteinfarbene Augen fixierten ihn, bevor sich die Blauhaarige an alle wandte. „Na gut, dann… dann wünsche ich mir, dass wir uns wiedersehen. Hier. In, sagen wir… fünf Jahren?“ „Bis dahin ist bestimmt schon einer von uns draufgegangen“, wandte Hidan ein, zeigte aber ansonsten keinen weiteren Widerspruch. „Bis dahin kann Kuzu die Sache sicher schon allein finanzieren!“ Der Spruch kam von Kisame und erntete freudiges Lachen – ebenso wie einen bösen Blick von jenem Erwähnten. „Eher bleib ich in unserem Kaff, als dass ich die Party hier bezahle!“ Erneutes Lachen folgte und die Blauhaarige machte sich langsam daran, neun Pinnchen zu füllen. „Ich finde die Idee gar nicht so übel. Wer weiß, wo wir in fünf Jahren stehen…“ Sasori würde nicht auch noch einwenden, dass ein wenig Besinnung vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre – aber genau das dachte er, als er eines der kleinen Gläser entgegennahm. Zetsu schien seine Worte allerdings unheimlich unterhaltsam zu finden. „Du bist also derjenige von euch beiden der steht?“ Das suggestive Grinsen ließ des Rotschopfes Mimik einfrieren, bevor erneut Schokodrops durch die Luft schossen und Gelächter erklang. Die Künstler hatten zur Ausnahme mal dieselbe Idee gehabt. Yahiko mischte sich mit einem Räuspern ein. „Also, fünf Jahre? Hier?“ – Zustimmendes Nicken. Es war klar, dass entweder er oder Konan sich um die entsprechende Organisation würde kümmern müssen. „Na dann – auf ‘in fünf Jahren‘!“ „Und auf unser gottverdammtes fucking Abitur!“ „Zum vierundzwanzigsten Mal…“ Wieder wurde das Klirren von Gläsern – und einer Flasche – mit lautem Lachen begleitet. Sie feierten bis in den Morgen, bis der Schneesturm sich endlich legte und die Hälfte von ihnen es nicht einmal bis zurück in ihre Hütten schafften. Es war ein Versprechen, das an diesem Abend gegeben worden war, ein Schwur, der sie alle verband. Hosted by Animexx e.V. 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