Mondgeflüster von Lilithen ================================================================================ Kapitel 7: Kollision -------------------- Schwerfällig hob und senkte sich der Brustkorb des Grauhaarigen und versorgte seinen Organismus mit Sauerstoff. Es war eine Handlung, die jeder Mensch vollzog, ohne sie groß wahrzunehmen. Geräuschlos, ebenmäßig und überlebenswichtig. Wenn er jedoch recht darüber nachdachte, war er ernsthaft versucht diese Tat einzustellen. Jede einzelne seiner Gliedmaßen schmerzte und sein Kopf fühlte sich ungewohnt benebelt an, aber obwohl er sich schrecklich fühlte, war es für den Polizisten ein leichter Trost. Er wusste jetzt, dass Katsumi ihn nicht so tiefgehend getroffen hatte, wie zunächst angenommen. Denn das Einzige, was ihn vor drei Tagen wirklich erwischt hatte, war das ansteigende Fieber gewesen. Immer wieder redete Kakashi sich das ein, so lange, bis er selber keinen Widerspruch mehr in dieser Theorie sah. Erleichtert atmete er aus und bereute es sofort, als der Luftstrom sich in ein raues, schmerzhaftes Husten verwandelte. Unangenehm, aber dennoch tröstend. Der Hatake hatte sie gefunden, seine unumstößliche Erklärung. Die schützende Nische, die ihm versicherte, dass alles nach Vorschrift lief. Dass er nach Vorschrift lief. Nur zu gern gab er sich seinem nun beruhigten Gewissen hin und genoss die angenehme Stille. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit hatte der Hatake nicht mehr in seinem Bett gelegen. Immer häufiger hatte er in den letzten Monaten die weiche Matratze, gegen die rustikale Couchgarnitur seines Wohnzimmers eingetauscht. Gerade deswegen war jetzt die ideale Voraussetzung für ihn, um zur Ruhe zu kommen und einen kleinen Augenblick Schlaf zu ergattern. Aber es gelang ihm einfach nicht. Egal wie sehr sich der Grauhaarige der Lautlosigkeit auch hin gab, es fehlte etwas. Eine Kleinigkeit, die er selbst nicht benennen konnte. Unruhig drehte sich Kakashi auf die Seite und vergrub seinen Kopf tiefer in dem weichen Kissen. Ja, es fehlte eindeutig etwas. Fieberhaft überlegte er, was dieses kleine Detail sein könnte, bis er sich schlussendlich doch geschlagen gab. Und gerade als er sich dem wohltuenden Nichts im seinem Kopf wieder hingeben wollte, hörte er es. Es war kein Poltern, kein Klirren oder dergleichen, nur ein Flüstern. Leise und beruhigend berieselte es ihn, bewirkte das genaue Gegenteil von dem, was sein gesunder Menschenverstand von ihm verlangte. Mit jedem Moment, in dem sich seine Muskulatur entspannte, mit jedem Wort, das in seinen Ohren widerhallte, verlor sein Triumph an Perfektion. „Das ist ja das Interessante.“ Mit rauer Stimme wiederholte er den Wortlaut, welcher sich hartnäckig in sein Ohr gesetzt hatte. Immer und immer wieder, bis zu dem Punkt, an dem die Worte anfingen seine Erinnerungen wachzurufen. Es machte ihn wahnsinnig, dass er dem Resümee augenscheinlich schutzlos ausgeliefert war. Die Bilder prasselten auf ihn ein und das Gespräch hallte laut in seinen Ohren wieder, legte ihm so beinahe schon auf grausame Art offen, wie töricht er sich verhalten hatte. Unprofessionell dem Jungen gegenüber, der vor Dankbarkeit gar nicht wahrzunehmen schien, was genau er da eigentlich tat. Gereizt drehte der Grauhaarige sich wieder auf den Rücken und legte seinen Arm verzweifelt über seine Augen, denn er musste feststellen, dass seine Situation tatsächlich noch etwas schlechter wurde. „Du siehst aus, wie ich mich fühle.“ „Das ist Hausfriedensbruch.“ Rau traf die Anschuldigung den jungen Polizist. „Du klingst sogar, wie ich mich fühle“, war die einzige, amüsierte Erwiderung, die er erhielt. „Itachi“, deutlich genervt formulierte Kakashi seinen Satz zu Ende, „geh weg.“ Aber es half nichts. Mürrisch registrierte er, wie sich der Langhaarige neben ihn setzte und die Hand auf seine Stirn legte. „Erwähnte ich schon, dass du miserabel aussiehst?“ Es war dem Uchiha deutlich anzuhören, dass ihn die momentane Lage erheiterte. Langsam ließ der Grauhaarige seinen Arm zurück auf die Matratze sinken und sah seinem Nebenmann genervt ins Gesicht. Erfolglos, denn Itachi verkniff sich eindeutig ein Grinsen. „Wenn du darauf bestehst“, mit Mühe zwang der Hatake sich zu einem Lächeln und berührte die Hand auf seiner Stirn, „Warum fühlst du dich denn miserabel? Möchtest du darüber reden?“ Kurz herrschte Stille zwischen den beiden Freunden, bevor der Braunhaarige wieder das Wort erhob und seine Hand langsam von der Stirn des Älteren löste. „Pain schickt mich. Das wird dir nicht gefallen.“ Fragend hob er seine Augenbraue, als der anfängliche Schalk aus den Augen des Langhaarigen einem deutlich ernsteren Ausdruck wich. „Erinnerst du dich an was Guy dran war?“ „Das Odoroki, der Besitzer wollte mit uns kooperieren.“ „Der Besitzer ist tot.“ Ruckartig setzte der Hatake sich auf, verdrängte den aufkommenden Schwindel und sah in das filigrane Gesicht seines Teampartners, der nahtlos seine Erläuterung weiter fortführte. „Er wurde zusammen mit seinem Bordell verbrannt.“ Fest ballte Kakashi seine Hand zur Faust und holte rasselnd Luft. Noch genau konnte er sich an das breite Grinsen des Mannes mit den buschigen Augenbrauen erinnern, als dieser ihm von seinem Triumph erzählt hatte. Der Schwarzhaarige hatte ihn mit erhobenen Daumen darauf aufmerksam gemacht, dass er es geschafft hatte, dass er Kakashi mithilfe der Jugend einen großen Schritt voraus war. „Wann ist das passiert?“ „In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, gegen halb drei Uhr morgens. Hast du was mitbekommen?“ Fest biss der Grauhaarige seine Zähne zusammen und verzog seinen Mund zu einer dünnen Linie. Das Bordell, über das sie sprachen, befand sich nur wenige Straßen vom Himitsu entfernt und das beunruhigte ihn. „Nein“, eröffnete der Ältere, nachdem sich seine Kiefermuskulatur wieder entspannt hatte, „Ich bin kurz nach zwei in die letzte S-Bahn gestiegen und nach Hause gefahren.“ Kaum merklich nickte der Uchiha. „Wir pausieren.“ „Was?“ Zu ruckartig hatte er seine Verwunderung zum Ausdruck gebracht, er musste ein Husten unterdrücken. „Mit sofortiger Wirkung. Man hat uns bemerkt, es wäre zu gefährlich weiter zu ermitteln.“ „Vielleicht war es nur ein Kabelbrand.“ „Es hat drei Stunden gedauert, bis der Löschtrupp das Feuer unter Kontrolle hatte, nicht gelöscht, sondern unter Kontrolle. Zeig mir ein Kabel, das so etwas hinbekommt.“ Unaufhaltsam nahm der Druck in seinem Kopf zu. Das durfte nicht wahr sein. Natürlich verstand er den Ernst der Situation, aber er wollte nicht. Kakashi wollte nicht pausieren. Mit einer fließenden Bewegung schlug er die Decke beiseite und stand auf. „Das wirst du nicht tun, Kakashi.“ Die Stimme des Langhaarigen war selbst für seine Verhältnisse ungewohnt streng, aber das hinderte den Hatake nicht daran seine Handlung fortzuführen. „Hey!“ Itachi war nun deutlich lauter, als er sich den ersten Schuh überstreifte, „Mit sofortiger Wirkung. Das ist Befehlsverweigerung.“ „Nicht, wenn du es mir noch nicht sagen konntest.“ Fest fixierte er die braune Iris Itachis. Er wusste, dass sein bester Freund recht hatte. Es fiel unter Befehlsverweigerung, wenn er jetzt ging, aber er konnte nicht anders. Ihm lag wirklich etwas an diesem Fall. „Ich soll Pain anlügen?“ „Nur einen Tag.“ „Hast du getrunken?“ Der Ärger stand dem Jüngeren deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ich werde bestimmt nicht meinen Job für dich riskieren, nur da-“ „Bitte.“ Verstört hielt der Langhaarige inne, zu irritiert, als dass er noch wütend sein konnte. Es lag nicht daran, dass der Grauhaarige ihn unterbrochen hatte. Es lag daran, wie er das getan hatte. Natürlich hatte der Grauhaarige schon des Öfteren um etwas gebeten, allerdings noch nie auf diese Weise. Itachi kannte Kakashi, seine Macken, seine Denkweise, aber das war neu. Er hatte Kakashi in all den Jahren noch nie das Wort „Bitte“ sagen hören. Auch wenn der Ältere sich nicht vollkommen sicher sein konnte, dass es an diesem kleinen Wort lag, so war er dennoch davon überzeugt, dass es dazu beitrug, Itachi den Blick abwenden und resigniert stöhnen zu lassen. „Du hast genau zwanzig Sekunden, bevor ich es mir anders überlege.“ Aber so lange brauchte er nicht, denn noch bevor der Satz des Brünetten ganz verklungen war, rastete die Wohnungstür ein. Die kalte Luft zerrte unangenehm an seinem Gesicht, denn auch wenn die weiße Schneedecke von den Straßen verschwunden war, hatte diese keineswegs die kalten Temperaturen mit sich genommen. Doch das war ihm egal. Wenn er die nächste Bahn nach Shinjuku nicht verpassen wollte, musste er den aufkommenden Schwindel verdrängen und das fiel ihm bei Weitem nicht leicht. Der Polizist wusste selbst, dass es nicht gerade von gesundem Menschenverstand zeugte, mit einer Erkältung zu rennen. Erst recht nicht, wenn jeder Atemzug sich anfühlte, als würde er die Lunge zerreißen. Jedoch hatte seine Aktion den gewünschten Effekt. Mit rasselndem Atem ließ er sich auf den schmalen Sitz der S-Bahn fallen und beobachtete, wie sich die Türen langsam schlossen. Die Luft in dem Abteil war stickig und roch unangenehm sauer. Nichts Ungewöhnliches. Die meisten Schulen lagen auf dem Weg dieser Linie und es konnte noch nicht lange her sein, dass hier ein Schüler an den anderen gepresst stand. Er wusste das und für gewöhnlich machte es dem Grauhaarigen auch nichts aus, aber heute reagierte er ungewohnt empfindlich auf diese Komponente. Langsam schloss er seine Augen, atmete durch den Mund und konzentrierte sich auf das Rütteln, welches während der Fahrt durch seinen Körper ging. Es war zwar nicht die ideale Lösung, aber es machte die Fahrt von knapp vierzig Minuten erträglicher. Erst als die betont freundliche Durchsage ertönte, dass die nächste Haltestelle sein Ziel war, öffnete er seine Augen wieder. Zielstrebig begab sich der Polizist zur Tür und betrachtete flüchtig sein Gesicht in dem schmalen Glasabschnitt. Es war leicht erschreckend für den Hatake zu sehen, wie blass er war. Zwar war er nie jemand gewesen, der sonnengebräunt wirkte, aber er musste kein Arzt sein um zu erkennen, dass diese Farbe eindeutig ungesund war. Noch bevor er sich weiter Gedanken darüber machen konnte, öffneten sich die Türen und entließen den Grauhaarigen in die Menschenmenge des Bahnhofs. Kakashi musste für einen kurzen Moment innehalten, als er den Ausgang der Station erreichte. Tief holte er Luft, in dem Versuch das hartnäckige Bouquet von Schweiß und verschiedenen Parfüms aus seiner Nase zu bekommen. Als der Geruch nach einer gefühlten Ewigkeit endlich nachließ, beruhigte sich auch sein Magen wieder und er konnte weitergehen. Gemächlich schritt Kakashi über die breite Hauptstraße des Vergnügungsviertels, stetig darauf bedacht, das ungewöhnliche Flackern seiner Umgebung auf ein Minimum zu beschränken. Aber es nützte nichts. Holprig stolperte er in eine kleine Seitenstraße und lehnte sich schwer atmend an das kalte Mauerwerk. Mittlerweile sehnte sich der Grauhaarige schon beinahe nach seinem morgendlichen Zustand, denn da war es für ihn um einiges erträglicher gewesen. Ein pulsierender Schmerz zog durch seinen Kopf, verteilte sich mit jedem Atemzug bis in die hintersten Winkel seines Körpers. Aber das war nicht das Schlimmste. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Die Dinge, die er sah, waren – kaum, dass sie aus seinem Blickfeld verschwanden - wie ausgelöscht für ihn. Das Stimmengewirr dröhnte unerbittlich in seinen Ohren und er musste sich wirklich zusammenreißen, um dem aufsteigenden Brennen in seiner Speiseröhre Einhalt zu gebieten. Und unter all diesen Faktoren schlich sich das Geräusch seiner viel zu schnellen Atmung. Langsam glitt der Grauhaarige an der Wand entlang nach unten und saß kurze Zeit später auf dem rauen Asphalt. Er hatte komplett die Orientierung verloren und die anfängliche Schwärze am Rand seiner Sicht, breitete sich immer weiter aus. „Scheiße.“ Kraftlos bettete er seine Stirn auf seine angewinkelten Knie. Es wäre eine Untertreibung, wenn er behaupten würde, dass er sich schlecht fühlte. Unaufhaltsam ebbte seine Wahrnehmung ab. Die Unterhaltungen der Hauptstraße schlossen sich zu einem einzigen Teppich zusammen, der es ihm unmöglich machte einzelne Gesprächssequenzen herauszufiltern. Krampfhaft versuchte er seine Augen offen zu halten, sich auf irgendetwas zu konzentrieren, aber er schaffte es nicht. Es war alles nur noch eine einzige, zähe und alles überlappende Masse für ihn. Wie lange er in dieser schmalen Seitengasse hockte, konnte Kakashi nicht sagen, aber das wollte er auch gar nicht, denn er fühlte sich einfach nur ausgelaugt. „Was machst du hier?“ Irritiert hob er für einen kurzen Moment den Kopf. Der Angesprochene kannte die Stimme, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte weder die Gestalt vor sich klar erkennen, noch konnte er die Stimme genauer zuordnen. Was er jedoch gewiss feststellte, war die plötzliche Kühle an seiner Stirn. Sie war angenehm, verbannte das unangenehme Pochen und ebenso das hämmernde Rauschen in seinen Ohren. Er war weg. Der beißende Schmerz in seinem Kopf hatte endlich nachgelassen. „Hey.“ Während der erste Ausruf eindeutig Verwunderung widergespiegelt hatte, klang dieser um ein vielfaches besorgter. „Was machst du hier?“ Egal wie sehr sich der Polizist auch bemühte, er konnte nicht antworten. Die Kälte auf seiner Stirn verlagerte sich, fuhr sanft über seine Schläfe und verweilte nun auf seiner Wange. Ein unverkennbares Zeichen dafür, dass sich sein Gegenüber zu ihm gekniet haben musste. „Du bist ein Dummkopf“, behutsam wurde ihm über die Wange gestrichen, „Man geht mit Fieber nicht aus dem Haus.“ Kaum merklich drückte der Grauhaarige sein Gesicht gegen die kühle Hand. „Na komm.“ Mit einem verstimmten Laut quittierte der Angesprochene, das Verschwinden der angenehmen Finger an seiner Haut und das kurz darauf folgende Ziehen an seinem Oberarm. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass er wieder auf den Beinen stand. Was ihn aber wirklich wunderte, war die Tatsache, dass er nicht wieder zusammensackte. Er fühlte sich noch immer nicht besser, zwar hatte sich seine Wahrnehmung wieder etwas gefangen, aber das war nichts, was seine Beine betraf. Geschweige denn den Rest seines Körpers. Dem Hatake war nicht wohl dabei, dass jemand, den er noch immer nicht direkt zuordnen konnte, ihn augenscheinlich so einfach mit sich zog. Es klang vielleicht abstrus, aber egal wie benebelt er auch noch war, es war unverkennbar, dass sein unbekannter Gegenpart das Laufen übernahm. Ebenso unumstößlich wie die Tatsache, dass sie sich kurz darauf nicht mehr in der kleinen Seitenstraße - oder generell draußen - befanden. Sie waren in einem Gebäude, denn der Lichtpegel war gefallen und die Luft wirkte zwar nicht stickig, aber schien auch nicht mehr zu zirkulieren. Sie liefen noch ein Stück, ehe sie kurz stoppten und sein Arm über die Schultern seines Nebenmannes gelegt wurde. „Wir gehen jetzt ein paar Treppen. Du bist nicht gerade leicht, es wäre also nett, wenn du etwas mithelfen könntest.“ Noch einmal überlegte der Hatake woher er die Stimme kannte, sie war ihm eindeutig nicht fremd und auch wenn es ihm nicht einfiel, bemühte er sich doch die genannte Hürde ein Stück weit mit zu meistern. Das schwere Atmen zu seiner Linken ließ allerdings darauf schließen, dass ihm das nicht ganz so gelang wie erhofft. Jetzt, wo sich seine Sinne zum größten Teil wieder beruhigt hatten, fiel es ihm leichter sich zu konzentrieren. Es waren nicht viele Stufen, die sie nach oben gingen, aber auf eine skurrile Art fühlte sich der Weg bekannt an. Das Licht, der Geruch und die Person neben ihm, das alles ließ ihn nicht unruhig werden. Es wäre leicht zu sagen, dass es daran lag, dass seine Wahrnehmung und damit sein Urteilsvermögen getrübt waren, aber das war es nicht. Er hatte ein Déjà-vu. Nicht in Bezug auf die Situation, sondern was die Richtung anging. Ein dumpfes Poltern riss ihn zurück in den Teil des Geschehens, den er wahrnahmen konnte. Sie hatten kurz angehalten, wahrscheinlich um eine Tür zu öffnen, denn noch bevor der Lärm richtig verklungen war, gingen sie weiter, nur um wenige Schritte später erneut stehenzubleiben. „Also“, langsam wurde sein Gewicht verlagert und kurz darauf fand er sich auf einem weichen Untergrund wieder, “Ich müsste noch was gegen Erkältungen hier haben.“ Vereinzelt wurden Schubladen geöffnet und wieder geschlossen. Es dauerte eine Weile, bis die Aufeinanderfolge der Töne gänzlich abbrach und sich Schritte dem Polizisten näherten. Noch einmal holte der Grauhaarige tief Luft, bevor er seine geschlossenen Augen wieder öffnete. Zwar konnte der Hatake nicht behaupten, dass er wirklich zur Ruhe gekommen war, aber die Zeit hatte ausgereicht, um sich zu sammeln. Er sah seine Umgebung nun um einiges klarer, besonders Anko, die vor ihm kniete und ihm ein Glas Wasser und eine Packung mit Tabletten unter die Nase hielt. „Jetzt guck nicht so, das ist gegen dein Fieber.“ Er rührte sich nicht, sondern starrte einfach weiter missbilligend in das Gesicht der Lilahaarigen. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich den ganzen Weg hierher geschleppt habe, um dir jetzt eins auszuwischen?“ „Ich nehme keine Tabletten“, war seine schlichte Erwiderung. „Und du bist ein Dickkopf, der gerne alleine ist, schon klar. Aber du nimmst sie jetzt entweder freiwillig oder ich werde nachhelfen.“ Der letzte Satz verließ den Mund der Mitarashi mit so viel Nachdruck, dass er der Aufforderung automatisch nachkam. „Geht doch, spätestens in zwanzig Minuten geht es dir besser.“ Damit erhob sie sich wieder aus der Hocke und setzte sich neben ihn. Es war eine vertraute Situation. Bevor er den unteren Teil des Bordells betreten hatte, hatten sie meist so beieinander gesessen und über das weitere Vorgehen und den aktuellen Stand seiner Fortschritte geredet. Zu Beginn hatte es Kakashi gestört, dass die junge Frau ihm so nahe gekommen war, aber im Laufe der Zeit war es ihm egal geworden. Dieses Mal redete die Prostituierte nicht, sondern saß einfach nur da. Und das rechnete der Grauhaarige ihr dankend an. Er wollte im Moment einfach nur seine Ruhe, zumindest solange, bis das unangenehme Ziehen in seinem Kopf aufhörte. Und das tat es auch. Es waren gerade einmal zehn Minuten vergangen und die Tablette schlug an. Auch wenn er nicht behaupten würde vor Gesundheit zu strotzen, so ging es ihm doch besser. Seine Sicht war klar und das beklemmende Gefühl hatte von seinen Sinnen abgelassen. Erleichtert atmete er aus und fixierte kurz die Frau neben sich. „Danke.“ Widerwillig verzog er seine Mundwinkel. „Gerne geschehen“, lächelte die Prostituierte ihm entgegen und verstaute die restlichen Tabletten, mit einem Zwinkern, in seiner Jackentasche. „Ich hätte nicht gedacht, dass du von allein darauf kommst.“ Damit stand sie auf und bedeutete dem Grauhaarigen ihr zu folgen. Kurz stutze der Polizist, er verstand nicht, was Anko damit andeuten wollte. Es war unmöglich, dass seine Intention des Besuches, mit ihren Vorstellungen übereinstimmte. Langsam stand Kakashi auf und folgte ihr durch die Tür, zurück in den Flur und hinunter ins Erdgeschoss. Er verstand es zwar nicht, aber seine Neugierde war geweckt. Vorbei an dem schweren Wandteppich, von dem er zu genau wusste, welches Geheimnis er verbarg. Weiter zu dem Raum, in dem er seine Mitgliedskarte erhalten hatte. Das gesamte Bordell wirkte wie ausgestorben. Das Licht war nicht mehr einladend, sondern schien nun mehr die Funktion einer Notbeleuchtung zu erfüllen. Es störte ihn nicht groß. Kakashi war in den letzten Monaten oft genug hier gewesen. Er kannte diesen Ort und die Flure, schließlich war er sie oft genug entlang gelaufen. Aber kurz bevor sie den Eingangsbereich erreichten, schlug Anko einen Weg in unbekanntes Terrain ein. Es war eine der Umkleidekabinen. Es fiel ihm schwer in dem fahlen Licht die genaue Nummer an der Tür zu erkennen, aber wenn er es richtig sah, handelte es sich um die Eins. Lautlos öffnete die Langhaarige die Holztür und zog den Grauhaarigen in das Innere. Kurz musste er die Augen zusammenkneifen, als Anko das Licht einschaltete und die helle Flut der Deckenbeleuchtung auf seine Netzhaut traf. Als sich seine Augen an das neue Lichtverhältnis gewöhnt hatten, erkannte er, dass es sich hier nicht wirklich um eine Umkleidekabine handelte, sondern um ein Büro. Es war angenehm eingerichtet, nicht so kahl und lieblos, wie er es von verschiedenen Behörden kannte, aber es wunderte ihn auch nicht. Der Hatake wäre sogar eher erstaunt darüber gewesen, wenn es in diesem Gebäude auch nur einen Raum geben würde, der nicht von Exklusivität zeugte. „Willkommen in der Zentrale.“ Verständnislos streifte er den Blick seiner Begleitung, gerade lang genug, um ihr triumphierendes Lächeln wahrzunehmen. Das sollte es also sein? Der Ort, den er nach Ansichten der Mitarashi gesucht hatte? Aber seine Verwirrung hielt nur kurz. „Das ist Madaras Büro, es hat mich einiges gekostet das zu finden.“ „Vor lauter Bäumen, sieht man den Wald nicht mehr“, sprach er seinen Gedanken aus. Er hatte selbst immer wieder nach diesem Ort Ausschau gehalten, versucht an der Mimik und Gestik von Karin abzulesen, wo sich dieser befinden könnte, aber das hier erklärte seinen Misserfolg. Das Büro befand sich nicht, seiner jüngsten Vermutung entsprechend, im inoffiziellen Bereich. Und so wenig extravagant sein Standort war, genauso unauffällig war seine Fassade. Kakashi musste zugeben, dass das hier einer der letzten Plätze war, dem er seine Aufmerksamkeit geschenkt hätte. „Warum sollte uns das weiterhelfen? Ich denke nicht, dass die Kundenkartei hier einfach so rumliegt.“ Ein süffisantes Grinsen schlich sich auf die Lippen der Frau. „Bis vor zwei Jahren hat sie das auch nicht, aber jemand von der Polizei hat sich in das System geschlichen. Seitdem scheint hier einiges anders zu laufen. Außerdem suchen wir auch keine Kundenkartei.“ Kurz stockte er. Anko hatte recht. Zetsu hatte damals den Auftrag gehabt, sich in den Computer des Bordells zu hacken und Pain eine Liste der Kunden zu beschaffen. Der Erfolg war allerdings mäßig gewesen, denn als der schizophren wirkende Polizist es nach Stunden endlich geschafft hatte, war er in weniger als fünf Minuten in eine Flut aus Flüchen ausgebrochen. Kakashi kannte sich mit der Materie dieser Technik nicht aus, aber wenn er es richtig verstanden hatte, hatte sich zeitgleich jemand bei seinem Kollegen eingeschlichen und durch dessen Rechner den Polizei Server zerlegt. Es war ein herber Rückschlag für die Abteilung gewesen, da ihnen, durch diesen Angriff, die Aufzeichnungen der letzten drei Monate verloren gegangen waren. Allerdings war diese Information nie nach außen gelangt. Woher also hatte die Mitarashi dieses Fragment? Immerhin schien sie niemand zu sein, der hier eine höhere Position besetzte. Auch wenn es den Grauhaarigen interessierte, ließ er es auf sich beruhen. Anko hatte keine Ahnung wer er war, ganz zu schweigen davon, dass sie nicht wusste, dass er unmittelbar involviert war. Zumindest ließ ihr selbstgefälliges Grinsen darauf schließen. Wahrscheinlich dachte sie, dass Kakashi verwundert über die Information an sich war und nicht über die Quelle. „Und wonach suchen wir dann?“, lenkte er vom Thema und seinen aktuellen Gedanken ab. Ruckartig öffnete die Angesprochene einen der Aktenschränke und begann darin zu wühlen. „Nach Bauplänen.“ „Aha.“ Ihm war deutlich anzuhören, dass er nicht sehr überzeugt von ihrem Vorhaben war. Der Hatake verstand nicht, was es bringen sollte, wenn sie diese fanden. Ein Blick in sein Gesicht ließ die junge Frau resigniert aufseufzen. „Wenn du willst, dass etwas lange brennt, musst du einen idealen Ort finden, um den Brand zu legen“, half sie ihm auf die Sprünge, aber er verstand es immer noch nicht so recht. „Ein Bauplan zeigt dir die idealen Plätze. Gasleitungen und so. Das Odoroki ließ sich nicht löschen, weil immer wieder kleinere Gasleitungen explodiert sind. Gott, interessierst du dich gar nicht für die Nachrichten?“ Damit wandte sie sich wieder von ihm ab und widmete sich einer neuen Schublade. Dieses Mal half er ihr. Kakashi machte sich daran, den gegenüberliegenden Schrank zu durchsuchen. Anko hatte nicht ganz unrecht. Jeder konnte einen Brand legen, aber wenn man wollte, dass es richtig brannte, brauchte man Hintergrundwissen bezüglich des Gebäudes. Wenn sie den Bauplan hier wirklich finden sollten, wäre das ein Beweis. Zwar keiner, der vor Gericht unumstößlich wäre, aber vor Pain. Wenn er schon seine Befehle missachtete, wollte er wenigstens nicht mit leeren Händen dastehen. Sie suchten lange, aber das Einzige, was sie fanden, waren Bilanzen. Beachtliche Bilanzen, um genau zu sein. Es war ein offenes Geheimnis, dass das Himitsu einen guten Umsatz machte, aber die genaue Summe hatte ihn doch einen kurzen Moment aus der Bahn geworfen. Jedoch nur kurz, denn ein Blick auf die Kopfzeile, hatte ihm einen neuen Namen eingebracht, Aman Kakuzu. Er war derjenige, der sich um die Finanzen des Etablissements zu kümmern schien. Kakashi bezweifelte, dass ein Suchlauf im Einwohnermelderegister, zu einem Treffer führen würde und damit zu einem kleinen Erfolg. Mit einem metallischen Widerhall, schloss Anko die letzte Schublade ihres mittlerweile dritten Schrankes. „Ich kann nicht mehr“, rief sie resigniert aus. Etwas unbeholfen stand sie vom Boden auf und ihr Rücken knackte unangenehm, als sie sich streckte. Der Grauhaarige konnte sie verstehen, es ging ihm ähnlich. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es schon achtzehn Uhr war. Sie waren seit geschlagenen sechs Stunden auf der Suche. „Vielleicht steckt Madara da nicht mit drin“, äußerste der Polizist seine Vermutung und erntete prompt einen Schlag auf den Hinterkopf. „Doch“, war die einsilbige Erwiderung darauf. „Und was mach dich da so sicher?“ Fragend sah er der Mitarashi ins Gesicht, registrierte wie diese sich kurz auf die Unterlippe biss und sich durch ihr langes Haar fuhr. „Es ist einfach so ein Gefühl.“ Geräuschvoll atmete der Polizist aus und stand auf. Er wusste was sie meinte, denn er hatte dieselbe Empfindung. Jedoch wäre es irrsinnig, nur aufgrund von einer Vermutung weiter drauf zu beharren. Tief vergrub Kakashi die Hände in den Taschen seiner Jacke, befühlte kurz den Blister mit den Tabletten, welchem Anko ihn zugesteckt hatte. Er war noch immer nicht begeistert davon, seinen Körper mit Medikamenten vollgestopft zu haben, aber er musste auch offen zugeben, dass diese unscheinbaren, kleinen Pastillen ihren Dienst wirklich gut machten. Auf Ermahnen der Prostituierten hin, hatte er im Laufe der Suche noch eine genommen und sein Gemütszustand war wirklich konstant geblieben. Er hatte sich konzentrieren können und so ein weiteres Fragment gefunden, welches er und sein Dezernat untersuchen konnten. Egal von welchem Blickwinkel er es betrachtete, der Hatake hatte mehr erreicht, als ursprünglich gedacht. Und das reichte ihm, er wollte sein Karma nicht weiter strapazieren. „Wir sollten uns vergewissern, dass alles so aussieht wie vorher und dann verschwinden.“ Ungläubig lachte die Lilahaarige auf. „Weißt du wie selten es ist, dass das Himitsu geschlossen hat?“, wütend zog sie ihre Augenbrauen zusammen, „Das ist das erste Mal, in den vier Jahren, die ich hier arbeite.“ Energisch tippte sie ihm mit ihren Zeigefinger gegen die Schulter. „Egal welcher Wochentag, egal welcher Feiertag, egal welche Naturkatastrophe, es ist geöffnet. Aber kaum brennt ein Bordell hier in der Nähe, wird geschlossen? Es ist mir egal, was du denkst, aber hier stimmt was nicht. Außerdem habe ich eine Menge riskiert, um an den Zweitschlüssel zu kommen.“ Missbilligend verzog er seine Lippen. Das war in der Tat seltsam. Langsam ging Kakashi den Raum entlang und ließ seinen Blick über jeden noch so kleinen Winkel schweifen. Wenn hier wirklich so etwas wie Baupläne waren, hatte Madara sie sorgfältig verstaut und zwar da, wo er sich sicher war, dass niemand suchen würde. Der Grauhaarige ignorierte das Rascheln, welches Anko verursachte, als sie sich erneut daran machte die Schränke zu durchsuchen. Sie waren nicht in den Schränken, vorausgesetzt natürlich da war etwas, das nicht in den Schränken sein sollte. Genau inspizierte er die Gegenstände. Wenn er eines wusste, dann, dass sich in diesem Haus besonders viel Mühe gemacht wurde, um Dinge zu verstecken. In diesem Büro war aber weder ein Teppich, noch ein Bild und die Pläne in der Nähe der Schränke zu platzieren, wäre nicht sehr klug gewesen, für den Fall, dass jemand explizit nach ihnen suchen würde. Nachdem er den kompletten Raum mit seinen Augen abgesucht hatte, wiederholte diesen Vorgang. Vorbei an den hohen, dunklen Schranklandschaften, vorbei an der einladenden Couchecke mit dem niedrigen Tisch, bis zu dem breiten Schreibtisch am anderen Ende des Raumes. Und da blieb er hängen. Langsam näherte sich Kakashi dem schwarz glänzenden Möbelstück, glitt mit seinen Fingern über die glatte Oberfläche, bevor er vereinzelt mit seinen Fingerknöcheln darauf schlug und den gedeckten Ton aufnahm. Sorgsam arbeitete er sich von einer Ecke zur nächsten, schlug weiter und hörte immer wieder denselben Ton. Bis dieser sich schlussendlich veränderte und von einem satten, zu einem hohlen Ton wechselte. Noch einmal klopfte er auf die graue Verkleidung, oberhalb des Tischbeines und registrierte wohlwollend, dass der Laut sich nicht änderte. Fest umfasste der Hatake den schmalen Rand des Kreises und zog. Als sich nichts zu bewegen schien, versuchte er es erneut, aber auch dieses Mal blieb die Abdeckung fest. Also drehte er sie und sie ließ sich drehen. Eine halbe Drehung um genau zu sein, dann war sie ab, verbarg nicht mehr den langen Bogen Papier, der sich im Inneren des Tischbeines befand. Filigran packte er das feste Papier, mit seinem Zeige- und Mittelfinger und zog dieses heraus. Es raschelte leise, als die Ecken beim Ausrollen aneinander rieben. „Wenn man es weiß, weiß man es einfach.“ Beinahe wäre er zusammengezuckt. Er hatte nicht mitbekommen, dass Anko sich neben ihn gestellt hatte. „Wenn ich vorstellen darf“, mit einer grazilen Bewegung breitete sie ihre Arme aus und deutete anpreisend auf die aufgeschlagene Rolle, „Das Odoroki.“ Das amüsierte Lachen der jungen Frau erfüllte das Büro. Ob sie recht hatte, konnte er nicht sagen, er war nie in diesem Bordell gewesen und das hieß, dass er sich erst mit Guy kurzschließen musste. Aber auch, wenn der Schwarzhaarige verneinen würde, war es komisch. Diese Umrisse waren keinesfalls vom Himitsu. Warum also hatte Madara sie? Es war sehr unwahrscheinlich, dass der Bordellbetreiber ein zweites Etablissement eröffnen wollte, besonders nach diesem Entwurf. Das Papier schien schon älter zu sein. Das Weiß war von gelblichen Flächen durchzogen und auch die einzelnen Linien waren schon etwas verblasst. Kakashi hätte wahrscheinlich noch länger über die mögliche Verwendung des Plans nachgedacht, aber das Geräusch einer zuschlagenden Tür holte ihn zurück in das momentane Szenario. Auch die Mitarashi schien es gehört zu haben, denn ihr Lachen riss abrupt ab und ihre Augen weiteten sich erschrocken. „Habt ihr nicht geschlossen?“, flüsterte der Grauhaarige die Frage, während er fahrig den Bogen Papier faltete. „Scheiße, scheiße, scheiße“, zischte sie leise und schraubte die Verkleidung wieder an Ort und Stelle, „Haben wir auch.“ Die silberne Kappe rutschte von der Schraubvorrichtung und die Lilahaarige musste neu ansetzen. „Ich dachte, du hast den Zweitschlüssel?“ Es klang mehr wie eine Anschuldigung ihr gegenüber. „Richtig, den Zweitschlüssel.“ Nun war es an ihm hektisch zu werden. Unkoordiniert platzierte er den klein gefalteten Plan in seiner Hosentasche. Er wusste nicht, von wem Anko den Schlüssel hatte, aber er wusste, dass die einzige Person, die ein weiteres Exemplar davon hatte, der Inhaber war. Und wenn er seinen Ohren trauen konnte, machte sich Madara gerade auf den Weg in sein Büro. „Zieh deine Jacke und deinen Pullover aus“, forderte ihn die Langhaarige auf, während sie sich selbst ihre Bluse öffnete und ihm einen Blick auf ihren BH gewährte. „Was?“ Er wusste, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um Fragen zu stellen, aber er konnte nicht anders. „Wir sind in einem Bordell, wenn wir uns rausreden müssen, dann zumindest mit etwas Plausiblem.“ Ohne weiter abzuwarten, zerrte sie ihm die Jacke von den Schultern. Achtlos wurde sie auf den Boden geworfen und gleich darauf galt ihr Interesse seiner Gürtelschnalle. Fest umfasste Anko den schmalen Silberrahmen und zog ihn daran quer durch den Raum. Er hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn die Schritte kamen immer näher. Mit einer fließenden Bewegung zog er sich sein Oberteil über den Kopf, gerade noch rechtzeitig, bevor die Mitarashi mit ihm in dem weichen Polster der Couch versank. Sie saß rittlings auf ihn, als sie mit geübten Griff anfing seinen Gürtel zu öffnen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Knopf und schließlich auch der Reißverschluss folgten. Deutlich konnte er ihren schnellen Atem hören, der sich mit dem dumpfen Gespräch auf dem Flur vermischte. Wer auch immer da war, er war nicht allein. Nur am Rande registrierte er, wie Anko sich nach unten beugte und ihren Unterarm neben seinem Gesicht bettete. Ein leichtes Ziehen an seinem Haaransatz verriet ihm, dass sie ihre andere Hand in seiner grauen Mähne vergrub. Und während er seine an ihrer Hüfte drapierte, horchten sie den leisen Tönen, die vom Flur hereindrangen. Es waren eindeutig mehrere Personen, denn der dumpfe Singsang wurde von einem kurzen, helleren Lachen unterbrochen. Je kürzer ihre Distanz zum Büro wurde, desto deutlicher konnte der Polizist das Gespräch mitverfolgen. „Ich hole die Karten.“ Aus dem Augenwinkel konnte Kakashi erkennen, wie die Mitarashi mit jedem Schritt, der sich dem Büro näherte, blasser wurde. Er konnte es ihr nicht verübeln, denn er konnte selbst seinen Puls in den Ohren hören. Immer weiter spannte sich seine Muskulatur an, bis zu dem Punkt, an dem die Schritte wieder abebbten. Wer auch immer die Karten holte, er war vorbeigelaufen. Erleichtert stieß er die Luft aus seinen Lungen und auch der Oberen war anzumerken, dass sie sich entspannte. Mit Schwung stand sie von dem Grauhaarigen auf und deutete auf seinen Pullover, den er achtlos hinter einen der Schränke geworfen hatte. „Ich dachte wirklich, dass es das war“, flüsterte die Langhaarige und beförderte mit einem gezielten Tritt, die dunkle Jacke zurück zu seinem Besitzer. „Der Stimme nach zu urteilen, war es ohne jeden Zwei-“ Schlagartig hielt sie inne, was auch den Hatake dazu brachte seine aktuelle Tätigkeit zu stoppen. Sie war blass, noch blasser, als sie es auf dem Sofa gewesen war und ihr Blick war starr zu Tür gerichtet. „Ich“, fing sie an, „Ich kann das erklären.“ Kakashi konnte nicht erkennen, wer in der Tür stand, denn in seiner momentanen Position, war das Einzige, was er sah, die junge Frau und die Seite des schwarzen Aktenschrankes. Ein Gerüst aus lackiertem Stahl, das es auch dem Neuankömmling unmöglich machen musste, ihn zu sehen. Laut hallte das missbilligende Schnauben in seinen Ohren wieder. „Keine Erklärung würde das rechtfertigen, schon gar nicht vor Madara.“ Fest umfasste er das Stück Stoff in seinen Händen. Er musste die Person nicht sehen, um zu wissen wer es war. Er würde diese Stimme überall erkennen. Noch einmal holte er tief Luft, lockerte den Griff um seinen Pullover ein wenig und stand auf, zog sofort die Aufmerksamkeit der beiden anderen auf sich. Er konnte sich vorstellen auf was sein zerzaustes Haar, seine geöffnete Hose und sein freier Oberkörper schließen ließen. Immerhin war das die gewünschte Intention dahinter. Und wenn er wirklich in seiner Rolle blieb und dem verletzten Blick, der von Unglauben fast vollkommen verdeckt wurde, noch etwas weiter standhielt, würde es sogar funktionieren. „Kakashi?“ „Katsumi“, erwiderte der Grauhaarige schlicht und darum bemüht, die unangenehme Enge in seinem Hals auszublenden. Kurz flog der Blick der grauen Iriden über seine Erscheinung, ehe er wieder, vorbei an der noch immer halb geöffneten Bluse, auf Ankos Gesicht verweilte. „Das“, freudlos lachte der Schwarzhaarige auf, „Das glaube ich jetzt nicht.“ „Was?“ Die tiefe Bassstimme kam von weiter hinten aus dem Flur. Es war genau die, welche das Gespräch der Beiden auf dem Flur am Laufen gehalten hatte. Madara. Noch einmal sah Katsumi zu dem halbnackten Polizisten, bevor er den Blick abwandte und mit einem letzten, ungläubigen Laut das Licht ausschaltete und die Tür ein Stück schloss. „Du hast schon wieder vergessen das Licht auszumachen.“ Ein tiefes Lachen drang durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen und Kakashi konnte im fahlen Licht der Flurbeleuchtung erkennen, wie sich eine breite Gestalt zu dem Jungen herunterbeugte und sein Gesicht in dessen Haar vergrub. „Vielleicht wollte ich dir darin ja noch etwas zeigen?“ Eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf Kakashis Armen aus. Der Grauhaarige musste nicht studiert haben, um diese Anspielung zu verstehen und er mochte sie nicht. Verschwunden war seine anfängliche Anspannung darüber, dass man ihn und Anko entdeckt hatte, sie wurde von einer anderen abgelöst, einer Anspannung, die bei weitem unangenehmer und um ein vielfaches einschneidender war. „Lass uns gehen, die Vorstellung fängt gleich an.“ Damit trat Katsumi einen Schritt zurück und umfasste die Hand des vermeintlichen Bordellbetreibers, um diesen langsam von der Tür wegzuziehen. „Warte, ich muss wirklich noc-“ Für einen kurzen Moment dachte der Hatake wirklich, dass seine Finger gleich brachen. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, vergrub er sie in dem dunkelblauen Stoff seines Oberteiles, als der Siebzehnjährige seine Lippen mit denen Madaras verschloss. „Morgen?“, flüsterte der Junge so leise, dass der Grauhaarige es beinahe nicht verstanden hätte. „Morgen ist gut.“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, wurde der eben noch Geküsste mitgezogen. Weg von der Tür und, wie der unsanfte Knall vermuten ließ, raus aus dem Bordell. Noch eine Weile standen er und Anko in dem dunklen Raum, unfähig sich zu bewegen. Nur ihre gleichmäßige Atmung, vergewisserte dem jeweils anderen, dass man noch da war. „Kakashi?“ „Hm?“ „Katsumi hat-“ „Ja.“ Er war wütend. „Er hat Madara-“ „Ja!“ Und die Lilahaarige machte es nicht besser. „Er hat dich in Schutz genommen.“ „Ich hab es gesehen, Anko.“ Etwas unbeholfen zog der Angesprochen sich wieder an, achtete dabei nicht weiter auf die junge Frau und verließ die bedrückende Atmosphäre des plötzlich klein wirkenden Büros. Ja, er hatte es gesehen. Er hatte gesehen, wie Katsumi Anko angesehen hatte und er hatte gesehen, wie er ihn angesehen hatte. Hatte den deutlichen Unterschied in den grauen Augen registriert. Er hatte gesehen, wie der Schwarzhaarige das Licht ausgemacht hatte und die Tür zuzog. Und er hatte gehört, wie Katsumi die Person anlog, vor der sich hier jeder zu fürchten schien. Also ja, er hatte hautnahe mitbekommen, wie der Junge für ihn Partei ergriffen hatte. Aber wenn er an das Odoroki dachte, wünschte er sich wirklich, dass Katsumi es nicht getan hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)