Dying dreams von MorgainePendragon (ArMor/Feelings (5)) ================================================================================ Kapitel 1: Reminiscence ----------------------- Liebe ist es, die man nicht verneinen soll. Sie kann euch ungeahnte Freuden bringen. Aber wenn wir schwach sind, krank vor Eifersucht, oder wenn wir uns aus Angst verschließen, kann sie schweren Schaden in unseren Herzen und in unserer Seele anrichten. Doch wer niemals geliebt hat oder, ärger noch, wer geliebt hat und dann die Liebe gehen ließ, dieser Mensch hat nie gelebt. Oscar Wilde ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~Reminiscence~ He is everywhere I go everyone I see winter's gone, I still can't sleep Summer's on the way at least that's what they say but these clouds won't leave Walk away I'm barely breathing as I'm lying on the floor Take my heart as you're leaving I don't need it anymore Now spring has brought the rain but I still see your face and I cannot escape the past Creeping up inside reminding me that I can never bring you back This is the memory This is the curse of having too much time to think about it It's killing me This is the last time This is my forgiveness This is endless Someone help me 'cause the memory convinced itself to tear me apart and it's gonna succeed before long This is the memory This is the curse of having too much time to think about it It's killing me This is the last time This is my forgiveness This is endless This is endless He is everywhere I go everyone I see but these clouds won't leave… Träume. Sie kommen und gehen. Sie finden dich, auch wenn du sie nicht finden magst. Sie suchen dich heim, dein Herz, deine Seele. Sie können wunderschön sein. Doch sie können dich auch zerstören. Und das ist es, was meine Träume nunmehr noch tun. Sie zerreißen mich und alles, was mein unbedarftes Selbst ausgemacht hatte, sie zerstören es mit einem Lachen aus der Ferne, mit einem Sonnenstrahl in deinem Haar, in deinen Augen, mit herzzerreißend schönen Worten, mit unwirklichen, unerreichbaren Dingen. Erinnerungen. Sie sind das was bleibt. Man neigt dazu, sie zu verfälschen, sie in anderem Licht zu sehen, wenn nur genügend Zeit vergangen ist. Doch wenn du in der Dunkelheit auf etwas wartest, das niemals mehr eintreten wird, dann sind sie es, die dich retten, die dich, auch wenn sie dich quälen mögen, bleiben als etwas Solides, Festes, als ein Bestandteil deines Lebens. Sie sind nicht flüchtig, nicht unwirklich wie Träume. Unsere Erinnerungen sind Schätze, Teile all dessen, was wir einst waren. Und ich verfälsche nicht, ich sehe sie so, wie sie sind, so perfekt, so einzigartig. Das allein reicht aus, um mich schmerzlich lächeln zu lassen, jedoch auch um meine Schuldgefühle ins Unermessliche zu steigern. Und meine Wut. Auf mich selbst. Auf dich… Ich schaue zurück und weiß, dass ich nicht mehr die Frau bin, die ich einst war, nicht der Mensch, der einst in mir gesehen wurde, den ihr alle geschätzt, den ihr geliebt habt, und in diesem Wissen ist es mir auch klar, aus welchem Grund ihr euch alle von mir abgewandt habt – in Furcht, in Schmerz und in Verbitterung. Es ist ein endloser Kreis dem ich nicht mehr zu entrinnen vermag. Bitte glaube nicht, dass mir dies nicht klar ist, dass ich dies nicht weiß. Meine Wut und mein Hass, alles, was mir noch geblieben ist, sind es, die die Menschen verständnislos auf mich blicken lasen, die sie weiter von mir forttreiben. Doch in meiner Unfähigkeit das zu ändern stehe ich allein da, verlange nicht nach Hilfe, obwohl ich sie bitter nötig hätte. Ich bin einsam. Ich bin verbittert und sehr wütend. Ich kann es nicht ertragen mir vorzustellen, dass ich nicht mehr Teil deines Lebens sein soll, während sie es doch ist. Kleingeistig, zornig, unendlich traurig… Denn wenn ich die Hand ausstrecken würde, so wie du es dir wünschst, wenn ich sie dir in Freundschaft reichen würde, dann würde mich das zerstören. Ich weiß es. Mit derselben Einsicht mit der ich auch weiß, dass mich meine jetzige Einsamkeit eines Tages zerstören wird. Doch ich sehe keinen Ausweg. Ich sehe keine Lösung. Ich sehe nur Dunkelheit und Schmerz. Dein Lachen hallt aus der Erinnerung zu mir herüber und tötet mich, tötet etwas in mir, von dem ich geglaubt hatte es längst aufgegeben zu haben. Doch wie könnte ich das? Wie könnte ich dich jemals vollends aufgeben, der du mein ganzes Sein beherrschst? Du warst und bist alles für mich. Dies ist auch der Grund, warum es so weh tut, diese Unmöglichkeit unserer Liebe, diese Unmöglichkeit des Königreiches, das wir beide hätten führen können. Ich verstehe, warum es so sein musste, warum es niemals anders hatte kommen können. Doch trotzdem wünschte ich mir, dass wir gemeinsam aufbegehrt hätten gegen ein Schicksal, das die Etikette und das royale Erbe uns auferlegten. Oh, wie oft wünschte ich mir dies. Und das Reich wäre dem Untergang geweiht gewesen… Bitte verstehe, mein Liebster, dass ich all diese Dinge weiß, dass ich verstehe, warum du so und nicht anders hast entscheiden können. In dieser einen Hinsicht verstehe ich es – und kann doch nur an dieser Entscheidung zerbrechen. Denn wie könnte ich jemals ohne dich leben? Es tut so weh, so entsetzlich weh… Ich wollte dich halten und je fester ich zugriff, desto mehr hast du dich mir entzogen, desto mehr hat man mir entzogen, was ich mir am meisten auf der Welt wünschte. Ich sehe dich… Oh ja, ich sehe dich, an jedem einzelnen Tag meines Lebens, in jeder Stunde, Minute und Sekunde. Ich brauche nur die Augen zu schließen. Und manches Mal auch nicht einmal das. Denn du bist ein Teil von mir. So wie ich ein Teil von dir bin. Vergib mir… Oh, vergib meinen Zorn, hinter dem ich mich vergrabe, hinter dem ich Schutz suche, der mich trügerisch stark sein lässt, denn sonst ist mir nichts geblieben. Ich weiß, dass ich selbst schuld daran bin. Ich müsste stark sein und an das Land, das Volk denken, so wie du es stets getan hast. Doch ich bin wie ich bin. Ich fühle unendlich oder überhaupt nicht. Ich fühle alles, ich liebe vollkommen, ich liebe grenzenlos – oder überhaupt nicht. Meine Leidenschaft hat mich an den Rand des Wahnsinns und der Nacht getrieben. Stumm schaue ich den Wogen der Verzweiflung und des Hasses zu, wie sie über mir zusammenschlagen, wie ich allein in der Dunkelheit, im Sturm, zurückbleibe, deinen Namen auf meinen Lippen. Und jeder einzelne Tag bedeutet Qual und Schmerz, denn du bist nicht hier und ich kann nicht dort sein, wo du bist – es würde uns beide zerreißen. Oh gütige Mutter, warum, warum muss ich lieben? Warum nur? Wenn ich diese Liebe aus mir herausschneiden könnte, damit das Leid ein Ende hat, ich würde es tun. Ohne Liebe… wäre da auch kein Hass. Ohne Liebe… wäre da nur Gleichgültigkeit. Und ich glaube sowohl für mich als auch für dich wäre das um so Vieles besser als das, was uns nun zu Feinden gemacht hat. Ich liebe dich unendlich, verlange so sehr nach dir, dass ich des Nachts schreiend erwache, verzweifelt nach dir rufe, dass meine Hände in der Dunkelheit nach dir greifen und doch nur Leere und Kälte erfassen. Mit Tränen auf den Wangen, keuchend und am Ende meiner Kräfte vermisse ich dich derart heftig, dass ich mich krümme vor Leid und einem Schmerz, der mir Atemzug und Atemzug das Leben verleidet, es vergiftet. Er verzerrt dieses wunderbare Bild, das ich von dir habe und in meinem zerstörten Herzen trage. Es lässt dunkle Wolken aufziehen über meinen Erinnerungen. Ich bin so wütend…, vor allem anderen auf mich selbst... Oh, Arthur… mein Arthur… ICH bin es doch, auf die ich wütend bin. All mein Hass, all mein Zorn… all das entspringt dieser Verachtung gegenüber mir selbst und meiner Unfähigkeit stark zu sein. Ich BIN es, stark und auch mächtig, glaube mir, niemals werde ich besiegt sein, denn meine Magie ist unendlich. Doch was ist all diese Macht ohne meine Seele, ohne mein Herz, das du mit dir genommen hast? Ich hasse, oh ja, und wie sehr ich hasse. Doch entspringt dies einzig dieser Unfähigkeit, meine Liebe für dich in mir zu töten. Ich konnte einst so stark sein. Doch, ich konnte es. Aber wo war diese Stärke nun? Jetzt, wo ich sie am dringendsten brauchte? Arthur... Oh, Arthur… Während ich diese Zeilen schreibe weine ich, denn ich liebe dich und kann es nicht ändern. Ich hasse dich und kann auch das nicht ändern. Ich hasse uns beide, das, was wir nicht vermochten abzuwenden. Und ich blicke in Abscheu auf mich selbst, denn meine eigene Schuld wiegt um noch so vieles schwerer als die deine. Ich bin so erbärmlich, so klein, so menschlich … Dabei bin ich eine Königin, ich bin die letzte Hohepriesterin des alten Glaubens. Ich will nicht menschlich sein. Und doch ist alles in mir dabei zu sterben, wie es das nur bei Menschen der Fall ist. All diese Macht… für nichts, wenn du nicht bei mir bist. In all der Zeit hat sich das niemals geändert. Nur wenn du bei mir bist, mich anlächelst mit diesem Strahlen aus vergangenen Tagen, das allein mir vorbehalten war, nur dann ist alles gut. Wenn ich dich beschützen, für dich da sein kann. Wenn ich fühle, dass du auch für mich da sein kannst, da sein willst. Dann ist mein Herz geheilt und ich kann vergessen. Doch das wird niemals mehr geschehen. Uther hat es unmöglich gemacht. ICH habe es unmöglich gemacht. Und du wirst nun den letzten Schritt tun, um diese Hoffnungslosigkeit endgültig zu besiegeln. Ich bitte dich, in der dunkelsten Stunde, an meinem dunkelsten Tag, ich flehe dich an mir zu vergeben, vergib, dass ich fühle, dass ich liebe, dass ich hasse, weil es doch das einzige ist, was noch bei mir ist. Ich bitte dich, vergib mir, dass ich nicht teilen kann, dass ich dich einzig für mich allein will, wo du doch für alle, dein ganzes Volk, da sein musst. Vergib, dass ich den Mann begehre, der einst mein war, der mir geschworen hatte, immer mein zu sein und der sich nun einer anderen zuwendet. Vergib mir meine Eifersucht, kleinlich und schwach und menschlich, aber dennoch berechtigt, dennoch da und unüberwindlich. Vergib meine Verbitterung, die nur dazu führen wird, dass wir BEIDE leiden. Denn ich will und werde dich niemals teilen. Nicht mit dem Land, nicht mit der Krone, die genauso gut die meine hätte sein können, nicht mit dem Volk und auch nicht mit ihr. Schon gar nicht mit IHR... Die Magie… Ja, ob ihrer Aburteilung verabscheue ich dich, Arthur. Doch das war nie ausschlaggebend für mich. Auch in der Schwäche, die Magie anzuerkennen, erkenne ich den Mann, den ich zu lieben gelernt hatte. Auch du bist nicht makellos. Auch du hast Fehler gemacht. So wie ich. Umso mehr liebe ich dich, umso mehr weiß ich, dass ich dich um Vergebung bitten kann. Du bist der einzige, der sie mir jemals gewähren könnte. Denn du weißt. Du weißt… Wir sind uns so ähnlich, du und ich… Hier stehe ich und beweine, was verloren ging. Hier stehe ich, verdamme mein Schicksal, unser Schicksal, blicke zurück in die Nebel der Zeit und der Schrei meiner Seele bricht sich Bahn, entringt sich meiner Kehle, meinen Lippen, und während ich zusammenbreche, die Schreibfeder aus meinen kalten Fingern gleitet, liebe ich ihn doch nur umso verzweifelter. Gott… Große Mutter… Irgendjemand! Habt Erbarmen… Bitte… Ich kann diese Gefühle, all diese Gefühle nicht mehr ertragen. Ich zerreiße den Brief an ihn, werfe ihn fort, und ungelesen verbrennt er in den ersterbenden Flammen meines kleinen Herdfeuers… Doch die Flamme verglimmt, brennt nieder und erlischt. Und meine Raserei, mein Kummer mit ihr. Endgültigkeit. Ruhe. Einsamkeit. Sie sind wieder um mich. In mir. Sie sind meine Begleiter. Sie verlassen mich nicht. Sie ersticken den Wahnsinn und lassen die Erinnerungen verblassen. Nur manchmal. Manches Mal kommen sie wieder. Manchmal, wenn ich wehrlos im Traum liege, im Schlaf. Sie kommen wieder, die Träume, sie suchen mich heim, und ich weiß es nur zu gut, sind sie doch ein immerwährender Teil von mir. Sie kommen zurück und treiben mich erneut an den Rand des Wahnsinns. Denn manchmal, ja manches Mal sind Träume und Erinnerungen eins. Und niemals findet man Trost in ihnen. Denn was ist Schein und was ist wirklich gewesen? So wird es sein, bis ich dich erneut und wirklich in meinen Armen halte. Im Tod oder im Leben, bei der Großen Mutter schwöre ich, dass ich dich eines Tage wieder in meinen Armen halten werde. Und wenn ich es selbst herbeiführen muss. Und wenn ich uns beide würde töten müssen um das zu erreichen. Bei Gott, ich würde es tun. Ja ich sehe es. Ich sehe dein Lachen, das Sonnenlicht, das dein Haar erstrahlen lässt. Schon damals hast du eine Krone getragen. Ohne es zu wissen. Ohne um deren Bürde zu ahnen. Die feinen Grübchen in deinen Wangen zeichnen zarte Spuren in dein junges Gesicht, als du lachst, eine Reihe strahlend weißer Zähne preisgibst. Deine Augen leuchten, dem tiefblauen Ozean der cornischen Küste gleich, auf dessen Wellen sich das Licht bricht. Ich versinke in ihnen, dem einzigen, was wirklich ist in dieser Dunkelheit und dem Schmerz. Ich versinke und verliere mich. Erinnere mich. Ja, dies sind Erinnerungen, keine Trugbilder, kein Träume, die ungewollt kommen und mich narren. Und trotz des Schmerzes, den sie in sich tragen, heiße ich sie willkommen. Denn so…, so und nicht anders…, so waren wir. Und einmal mehr kehre ich zurück an jenen Ort, der tief in mir vergraben ist, an dem wir noch vereint sind. An jenen Ort, wo sich nichts geändert hat, wo die Zeit stehengeblieben ist. Wo alles begann… ~~~ Ich fühlte mich seltsam leicht. Unbeschwert. Zum ersten Mal seit langer Zeit. Ich spürte, wie mir eine Last von den Schultern genommen wurde, als ich seine Hand in der meinen fühlte, so als wäre es niemals anders gewesen, als hätte es so kommen müssen. Die Trauer… all der Schmerz um den Verlust meines geliebten Vaters rückte ein wenig in die Ferne, fort von mir, als ich dem kleinen Jungen vor mir folgte. Er ließ mir keine Wahl. Ungestüm hatte er mich bei der Hand ergriffen und zog mich im Laufschritt hinter sich her, quer über den Burghof von Camelot, das ich seit einigen Tagen mein Heim nannte. Sonnenlicht, das sich golden und warm in seinem Haar fing. Die leichten, federnden Schritte des Kindes, das er zu jenem Zeitpunkt noch war, und mein eigener, schneller Herzschlag, mein leises Keuchen, als ich versuchte mit ihm Schritt zu halten. Meine eigene kindliche Hand in der seinen. Hinaus aus dem Burgtor führte er mich zu den Ställen. Dort stürmte er, mich noch immer nicht loslassend, mit unvermindertem Ungestüm, in das große, alte Holzgebäude hinein, hinein in den Duft von frischem Heu und Sommergras, in die warme Geborgenheit von gutmütigen, prachtvollen Tieren, die nur darauf warteten in die Sonne hinausgelassen zu werden. Und Arthur öffnete das Gatter nach draußen, beobachtete, wie die Herde sich über die Weide ergoss, wie sie ebenso ungestüm wie er es getan hatte, loslief und übermütig die Freiheit genoss. Schließlich führte er mich zu einer etwas abseits gelegenen Box. Dort stand ein prachtvolles schwarzes Pferd, nicht mehr ein Jährling, doch auch noch nicht volljährig. Seine Flanken glänzten wie schwarze Seide. Seine Nüstern blähten sich, als wir näher kamen und es begrüßte den Jungen mit einem Schnauben, kam an den Rand der Box, um sich von ihm auf der Stirn kraulen zu lassen. Ich verharrte schweigend neben den beiden. Staunte und schaute. Arthur sprach leise Worte zu dem Tier. Dann, endlich, drehte er erstmals, seit er mich aus meiner Kammer entführt und einfach mitgezogen hatte, den Kopf und sah mich an. Und wie jedes Mal wenn er es tat, war es wie ein leichter Schlag in die Magengrube für mich. Wie ein kleiner Schock, der durch alle meine Sinne fuhr. Er strahlte mich an, so sehr Kind und doch so sehr der Thronerbe, der er nun einmal auch war, dass ich mich fragte, wie es ein so junger Mensch fertigbringen konnte, diese beiden so gegensätzlichen Dinge so perfekt in sich zu vereinen. Ehrfurcht ergriff mich. Das Licht, das durch Ritzen und Spalten goldene Speere in die diffuse Dunkelheit des Stallraumes schickte, zeichnete Muster in sein goldenes Haar, ließ es aufleuchten. Es spiegelte sich auch in seinen großen, blauen Augen wieder, die mich voller Vertrauen anblickten. Mit hochroten Wangen lächelte er mich an und ich konnte nicht anders als ihn anzustarren, den Atem anzuhalten, und zu lauschen, was er wohl als nächstes sagen würde. Ich kannte mich so nicht. Niemals hatte es ein menschliches Wesen vermocht, sich so allumfassend und kompromisslos in mein Herz zu schleichen. Außer vielleicht mein Vater, Gorlois. Doch jeden Tag, den ich nun auf Camelot verbrachte, diesem Ort, an den ich eigentlich gar nicht hatte gehen wollen und schon gar nicht, um dort zu leben, jeden Tag war ich ein wenig lieber hier, mochte mich nirgendwo anders mehr hin sehnen. Denn hier… bei ihm… wollte ich sein. Mein Leben lang. Arthur… Oh, Arthur… „Das ist er.“, strahlte mich der zehnjährige Arthur stolz an. „Dun. Ist er nicht wunderschön, Morgana? Mein Vater hat ihn mir zu meinem Geburtstag geschenkt. Bald ist er soweit, dass ich ihn reiten kann.“ Er wandte den Blick wieder seinem Tier zu und rieb seine Wange an dessen Fell. Dun schnaubte erneut leise und stieß ihn sanft mit dem Maul an. „Ja, ich weiß. Ich hatte es dir versprochen.“, sagte Arthur nun gutmütig. Er griff in seine Hosentasche und förderte einen Apfel zu Tage. „Hier, mein Schöner.“ Dun nahm den Apfel beinahe behutsam von Arthurs flach ausgestreckter Hand auf. Dann verschwand das Obst krachend und malmend zwischen den großen Kiefern des Pferdes. „Und? Was sagst du? Gefällt er dir? Wenn er alt genug ist, damit ich ihn reiten kann, darfst du ihn auch mal reiten, wenn du magst. Wann du willst.“ Er blickte mich wieder an. Perfektion. Schon damals. In jeder Hinsicht. Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. Doch ich spürte, wie ich nicht anders konnte, als das Lächeln zu erwidern. Tage lang hatte ich mich in meine neue Kammer zurückgezogen, wollte niemanden sehen, freute mich jedoch insgeheim auf die Mahlzeiten, die König Uther und sein Sohn immer mit mir gemeinsam einnahmen, konnte ich doch so den Prinzen wiedersehen. Doch ansonsten war ich bockig. Ich wollte auf keinen Fall tun, was Uther mir sagte. Er war nicht mein Vater. Und das ließ ich ihn spüren, wann immer sich die Gelegenheit bot. Doch Arthur… Ich konnte Arthur schon damals nicht widerstehen, ihm niemals etwas abschlagen. Genauso wenig wie er mir, wie sich schon bald zeigen sollte. Und so, weil er der Grund war, aus dem ich weiteratmete, jeden Tag, trotz meines Verlustes, weil er derjenige war, der mich wieder zum Leben erweckt hatte, erwiderte ich sein Lächeln. „Ja, Arthur, dein Dun ist ein wunderschönes Pferd. Ich würde ihn sehr gern auch einmal reiten.“ Er grinste. So sehr, dass die Grübchen über seinen Mundwinkeln schmale, markante Schatten in sein Gesicht zeichneten und erahnen ließen, wie später das Gesicht des Mannes aussehen würde, zu dem er heranwuchs. Und ich fühlte ein seltsames Ziehen in der Brust, das mir beinahe die Luft abschnürte. Einen merkwürdigen, vagen Schmerz, der wie ein Echo zu mir herüber glitt. Ja… Ich fühlte mich leicht und unbeschwert. Doch unser Lächeln barg den Keim eines Schattens in sich. Und das spürte ich schon damals. Ich hatte Angst davor. Angst davor, dieses Lächeln irgendwann nicht mehr sehen zu können, es teilen zu müssen, obwohl es doch nur mir bestimmt war. Doch ich verdrängte den Gedanken. Was zählte war nur, dass ich hier war. Bei ihm. Dieses Lächeln sehen durfte. Niemals wollte ich dieses Lächeln missen müssen… Dann ein Zeitsprung. Ich sah Arthur noch immer vor mir, doch er war nun ein junger Mann. Hochgewachsen und noch etwas zu schlaksig, um wirklich männlich und erwachsen zu wirken, thronte er auf dem Rücken Duns und gab dem Tier die Sporen, jagte dicht über den Hals des Pferdes nach vorn gebeugt mit ihm über die lichtdurchfluteten Graslande Camelots, einen wilden Jubelschrei auf den Lippen. Ich saß auf der weißen Schimmelstute, die ich mir selbst ausgesucht hatte, als Uther auch mir ein Reittier schenken wollte. Sie war nun schon seit mehreren Jahren in meinem Besitz und kannte mich gut genug, sodass es gar nicht nötig war, sie anzuspornen, als wir Arthur und Dun hinterherjagten. Sie flog über die Weiden, die Downs hinauf und wieder hinunter, bis hinein in das wilde Dickicht eines kleinen Wäldchens. Ich achtete nicht darauf, dass ich mir Kratzer auf der Haut und Risse in der Kleidung zufügte, als uns kleine Äste und Zweige aufzuhalten versuchten. Mein Haar flog lang und dunkel hinter mir her und ich spürte die starken Muskeln der Stute unter mir arbeiten, als sie weiter voranstürmte. Arthur war vor mir bereits wieder aus dem Wald heraus und lenkte Dun hinunter zum Fluss Cam, der ein weites, üppiges Grasland und Marschen durchschnitt. Wie ein glitzerndes Band spiegelte der Cam das Sonnenlicht und schien mir zuzublinzeln, als ich Faye, meine Stute, den Hügel hinab zu Arthur traben ließ. Arthur hatte am Flussufer Halt gemacht. Er atmete beinahe ebenso rasch wie Dun, dessen Flanken vor Anstrengung bebten. Er warf mir einen Blick über die Schulter zu und grinste. „Ha! Und wer ist nun der Erste?“ Ich schmunzelte leicht, als ich meine Stute neben Dun lenkte. „Ist ja gut, schon gut.“, meinte ich leichthin. „Dieses Mal hast eben du gewonnen, Arthur. Doch wie oft habe ich es nochmal getan?“ Ich überlegte und legte mir scheinbar grübelnd den Finger ans Kinn. Arthur schnaubte. „Du hast die anderen Male nur gewonnen, weil wir nicht ausgeruht genug gewesen sind, Dun und ich. Vater nimmt uns in letzter Zeit sehr oft auf Feldzüge oder Staatsbesuche in anderen Grafschaften mit. Ich komme zu gar nichts mehr.“, maulte der junge Mann. Er ließ die Zügel fallen und reckte sich gen Himmel, streckte seine müden Glieder. „Was hältst du davon, wenn wir hier eine Weile rasten, das Wetter ist großartig.“ Er blickte mich nicht an, als er das fragte, und es klang beiläufig, wie immer. Doch seit er mir vor einigen Wochen meinen ersten Kuss gestohlen hatte, an jenem Tag, als er mit seinem Freund Caius einmal mehr den Schwertkampf trainiert hatte, war da eine leichte Spannung zwischen uns zu spüren, ungleich deutlicher noch als je zuvor, war sie doch schon immer ein Teil von mir gewesen, so wie mir schien. Wir beide, junge Heranwachsende, die wir nun einmal waren, wussten so überhaupt nicht, wie man mit solch einer Situation umging. Und plötzlich ging mir auch auf, dass wir zum ersten Mal seit diesem Vorfall allein miteinander waren. Sonst war Cai eigentlich immer mit von der Partie, wenn wir ausritten. Mein Herz schlug schneller. Aus irgendeinem Grund war ich mit einem Mal aufgeregt. Faye spürte meine Erregung und wurde unruhig. Sie scharrte mit einem Huf im Uferschlamm des Flusses. Ohne Arthur eine Antwort zu geben machte ich mich daran abzusteigen. Doch er war schneller. Mit einem eleganten Schwung seines Beins war er von Duns breitem Rücken gesprungen und mit zwei, drei raschen Schritten an meiner Seite, streckte die Arme nach oben. Ganz eindeutig wollte er mir aus dem Sattel helfen. Und ich gab meinem ersten Impuls nach und lachte verächtlich. „Arthur… Wie lange reiten wir nun schon? Ich kann sehr wohl selbst absteigen.“ Ich sah die Enttäuschung in seinem Blick aufflackern. Etwas wie ein leichter Schatten glitt über seine fein geschnittenen Gesichtszüge. Er ließ die Arme sinken. „Ganz wie du meinst.“, sagte er. Und etwas wie Trotz schwang in seiner Stimme mit. Doch plötzlich griff er hinauf, ich war bereits dabei, abzusteigen, und half meinem Schwung mit einer kräftigen Bewegung seines Armes nach, zog mich von Faye herunter, sodass ich mich schneller und effizienter am Boden wiederfand, als ich es für möglich gehalten hätte. Das weiche, hohe Gras dämpfte meinen Aufprall. Natürlich hatte er dies gewusst. Sonst hätte er es nie gewagt so etwas mit mir zu machen. Arthur tat niemals etwas, das mich verletzte. Ich starrte ihn böse von unten herauf an, während er feixend und mit verschränkten Armen auf mich herabblickte. „Ich glaube, das mit dem Absteigen musst du doch noch ein wenig üben.“, sagte er schadenfroh. „Wie ladylike du doch bist, Morgana. Sieh dich an! Man kann dein Untergewand sehen.“ Er lachte. Und dieses Lachen durchdrang mich wie ein Pfeil und ich spürte, wie ich über und über rot wurde. Hastig glättete ich meine Gewänder und blickte trotzig zur Seite, versuchte mich aufzusetzen. Doch dann schwieg Arthur plötzlich. Er kam zu mir und bot mir seine Hand. Misstrauisch beäugte ich diese Hand. Er trug einen Ring am Daumen. Ich hatte noch niemals so intensiv darauf geachtet. Er war breit, nichts desto trotz jedoch schön gearbeitet, ein Meisterstück der Goldschmiedekunst. Wahrscheinlich ein Erbstück, vermutete ich. Und sehr kostbar. Doch noch kostbarer war für mich in diesem Moment der Blick, der mich aus Arthurs Augen traf. So gar nicht mehr schadenfroh oder amüsiert, sondern ernst und… ja… da war noch etwas… etwas anderes, das ich nicht genau benennen konnte, hatte ich diesen Ausdruck bei ihm noch nicht so häufig gesehen. Erst in den letzten Wochen. Seit wir… Mein Herz flatterte, als ich meine Finger zaghaft in seine schob. Und er überraschte mich schon wieder, indem er mich mit einem Ruck wieder auf die Beine zog. Ich taumelte leicht und fand mich an seiner Brust wieder, atmete unvermittelt seinen Duft ein. Er roch nach Sommergras, ganz leicht nach Schweiß und nach Pferd. Doch es störte mich nicht. Es zog mich sogar an. Unbedarft wie ich zu der Zeit war verharrte ich in dieser Stellung eine ganze Weile, genoss die Nähe, die wir teilten. Ich dachte an das andere Mal zurück, als wir so eng, Arm in Arm, gewesen waren. Damals waren Arthur und ich noch Kinder gewesen. Er hatte sich im Hochmoor verirrt und ich war mitten in der Nacht zu seiner Rettung geeilt. Niemals würde ich diese Nacht vergessen, ebenso wenig wie er, wie mir schien. Wir hatten einander festgehalten und er hatte in meinen Armen geweint. Wie groß… wie unglaublich groß Arthur geworden war. Auch wenn er noch nicht ganz den Körperbau eines erwachsenen Mannes besaß, so hatte er doch bereits seine volle Größe erreicht, wie die meisten Jungen seines Alters, was ihm etwas Schlaksiges verlieh. Und ich staunte, wie straff seine schmalen Muskeln bereits jetzt unter meinen Händen waren, als sie auf seiner Brust zum Ruhen kamen. Ich staunte noch mehr über seinen dahin jagenden Herzschlag, der mich an meinen eigenen erinnerte, als wir uns nun so nah waren, wie seit damals nicht mehr. Doch nicht nur rein körperlich hatten wir uns verändert. Was damals eine Geste des Trostes und der Nähe gewesen war, war heute noch so viel mehr. In meiner Unwissenheit konnte ich es nicht beim Namen nennen, doch heute weiß ich sehr wohl, was uns beide in jenem Moment der Nähe bewegte: Verlangen. Das Flüstern und Raunen des River Cam war mir noch ebenso deutlich im Ohr, wie das Singen der Sommervögel, das leise Schnauben unserer Pferde und das Lied des Windes, der durch das lange, üppige Gras fuhr, es wie Wellen peitschte. Und während all diese Dinge um uns herum mir sagten, wie vollkommen, wie wunderbar diese Welt doch war, was ich niemals gedacht hätte, dass sie es nochmal werden könnte für mich nach Vaters Tod, während all diese Wunder um uns herum existierten, so gab es für mich doch nur ein einziges, das noch viel wunderbarer, viel wichtiger war als alle anderen. Arthur. Mein Arthur… Seine damals schon starken Arme zogen mich noch näher an ihn heran. Etwas in mir flatterte wie ein kleiner Vogel, bereit freigelassen zu werden, und ich erkannte mit Erstaunen, dass es mein Herzschlag war, der sich nun beinahe überschlug. „Morgana…“, sagte er leise, so, wie er es noch nie zuvor zu mir gesagt hatte, dunkel, warm und leicht vibrierend. Seine Finger glitten sanft durch mein langes Haar. Als ich aufsah, endlich in diese blauen Augen blickte, die ich so sehr lieb gewonnen hatte, wie nichts anderes auf der Welt, da erwartete er mich bereits und senkte seinen Kopf meinem entgegen. Unsere Lippen fanden sich. Und was wir vor einigen Wochen geteilt und gekostet hatten, fand nun seine Vollendung darin, dass wir einander den Hunger spüren ließen, den wir seitdem verleugnet und unterdrückt hatten. Ich fühlte mein Blut heiß und schnell durch meine Adern fließen. Meine schlanken Finger krallten sich in Arthurs Hemd und ich stellte mich leicht auf die Zehenspitzen, um ihm noch näher sein zu können, um ihm noch mehr entgegenzukommen bei diesem unendlich schönen, kostbaren Moment, den wir teilten. Erstaunt hörte ich mein eigenes, leises Stöhnen an seinen Lippen, als er mich nun tiefer zu küssen begann. Seine vollen, weichen Lippen legten sich wieder und wieder auf meine und teilten sie nun, seine Zunge bat und schmeichelte um Einlass. Und ich gewährte ihn ihr. Und jetzt bekam ich meinen ersten richtigen Kuss. Wir versanken ineinander, vergaßen alles um uns herum, die Zeit, die Tatsache, dass wir Stiefgeschwister waren, Uther, ja sogar wer wir selbst waren. Wir versanken ineinander und in unserem Begehren, einander einfach nur noch näher sein zu wollen als je zuvor, näher und noch viel näher. Ich schlang die Arme um seinen Hals, presste mich auf ganzer Länge an ihn, und musste hin und wieder absetzen um Luft zu holen. In jenen kurzen Momenten konnte ich nicht umhin, immer wieder seinen Namen zu flüstern, während unsere Lippen sacht übereinander strichen. Diesen Namen… der mir so unendlich viel bedeutete. Doch dann hörten wir Hufschlag, dumpf auf dem weichen Grasboden hier am Fluss. Er kam näher. Unwillig lösten wir uns voneinander. Sein Blick verschmolz mit meinem, als er erneut und voller Inbrunst meinen Namen aussprach, ihn so aussprach, wie nur er es konnte. „Morgana…“ Ich schüttelte stumm den Kopf und legte einen Finger auf seine perfekt geschwungenen Lippen. „Nein… Niemand darf es erfahren, das weißt du.“ Er nickte, ganz leicht, ein gequälter Ausdruck trat in seinen Blick. Ich zwang mich zu lächeln, obwohl mein Herz noch immer pochte wie verrückt, ich meinen Atem kaum unter Kontrolle hatte. Allein ein Blick auf seine Lippen ließ meine Beine bereits wieder seltsam schwach werden. Ich zwang mich dazu, mich von ihm zu lösen und wieder allein zu stehen. Der Hufschlag war heran. Und jetzt, noch immer mit ineinander verflochtenen Blicken dastehend, hörten wir auch eine Stimme. Cais Stimme. „Arthur? Arthur! Gut, dass ich dich endlich gefunden habe. Du sollst umgehend zu deinem Vater kommen.“ Caius ließ seinen Braunen austraben und hielt schließlich vor uns an. Er blickte kurz ein wenig forschend auf unsere Hände hinab, die sich nur widerstrebend losließen. „Ich komme.“, sagte Arthur nun und seine schöne Stimme klang seltsam flach. „Reite voraus, sag ihm Bescheid.“ Caius blickte seinen Freund lange an. Er sagte nichts, doch seine Augen sprachen Bände. „Wie du meinst.“, antwortete er nur, neigte kurz den Kopf in meine Richtung und sagte: „Mylady Morgana.“ Dann wandte er sein Pferd herum und trabte wieder davon, in Richtung Schloss. Falls er etwas gesehen hatte: Er würde nichts sagen. Wenn ich eines über Caius wusste, diesen gutmütigen, rothaarigen Riesen, dann, dass seine Loyalität zu Arthur, ausschließlich zu Arthur, keine Grenzen kannte. Niemals würde er seinen Freund verraten. Der Prinz machte sich bereits wieder daran Dun zu besteigen. Als wir im Sattel saßen und aufbrechen wollten, drängte er seinen Hengst dicht an meine Seite und griff nach den Zügeln meines Tieres, um mich aufzuhalten. Der Blick, den er nun mit mir tauschte, war zu ernst, zu intensiv und zu erwachsen, um einem jungen Heranwachsenden zu gehören. „Morgana… Wir… müssen das hier vergessen. Es war… wunderschön. Doch…“ „Ich weiß.“, flüsterte ich leise und schmerzvoll. „Uther würde es niemals erlauben.“ Wir blickten einander gequält an. Aber nur für einige Sekunden länger. Denn was der Jugend zu Eigen und absolut von Vorteil war gegenüber einem Erwachsenen: Nichts konnte ihre Lebensfreude, ihren Enthusiasmus auf Dauer trüben. Die Jugend… war ein Meister der Verdrängung. Und wir zelebrierten dies die folgenden Monate und Jahre mit Bravour. Denn wir hatten keine Wahl. Und so schenkte er mir wieder sein leicht schräges Lächeln, als er meine Zügel schließlich losließ. „Wollen doch mal sehen, ob du mich zumindest auf dem Rückweg schlagen kannst, Mistress Morgana.“ Und er schnalzte mit der Zunge. Dun machte einen Satz vorwärts und war binnen Sekunden schon etliche Meter davon geprescht, als ich noch damit beschäftigt war Faye die Zügel zu geben. Und ich flog auf dem Rücken meiner Stute erneut hinter ihm her, permanent in Gedanken, permanent darüber nachdenkend, was passiert wäre, wenn Caius nicht aufgetaucht wäre… Wieder ein Zeitsprung. Wieder einige Jahre später. Dieses Mal eine sehr intensive, sehr deutlich Erinnerung. Und dieses Mal… war sie mit sehr viel mehr Schmerz und Leid verbunden, als alle anderen davor, auch wenn das, was wir teilten, das schönste war, was ich jemals empfunden oder erlebt hatte. Sein warmer, starker, männlicher Leib an meinem, zwischen meinen Schenkeln, die ich weit für ihn geöffnet hatte. Seine rhythmischen, kreisenden, drängenden Bewegungen in mir, dieses Brennen und heiße Verlangen, die Feuchte und Süße des Verbotenen. Meine Fingernägel, die Linien auf seinen breiten Rücken zeichneten. Sein unterdrücktes Stöhnen an meinem Ohr, seine Stimme, rau und tief, wieder und wieder meinen Namen flüsternd. Seine salzigen Tränen auf meiner Haut. Der Geschmack seiner Lippen, seines Leids und seiner Leidenschaft für mich. Sein warmer Atem, der mit meinem eins wurde. Die Muskeln in seinen Armen spannten sich, als er sich rechts und links von mir abstützte um mich nicht zu belasten. Ich sah sein wunderschönes Gesicht über mich geneigt, sah wie es sich langsam auf und ab bewegte, jedes Mal, wenn er sich tief in mich hineinschob und wieder hinaus glitt. Ich beobachtete jede Linie darin, liebkoste sie mit Blicken, zeichnete sie in Gedanken nach. Er war so unglaublich schön. Die Augen mit den erstaunlich langen Wimpern hatte er geschlossen, die Stirn leicht gerunzelt, so sehr konzentrierte er sich auf seine Leidenschaft für mich. Und ich folgte dem Schwung der geraden Nase hinab bis zu seinen vollen, leicht geöffneten Lippen, über welche mein Name glitt wie ein Gebet. Perfektion. So sehr, dass sich alles in mir zusammenzog vor Sehnsucht, obwohl wir uns doch so nah waren. Umrahmt wurde alles von klaren, scharf geschnittenen Gesichtszügen. Seine Kinnlinie, wie von einem Messer geformt, die Wangenknochen hoch und fein ausgeprägt. Wann war das Kind, das an meiner Hand gelaufen war, zu diesem Mann geworden, der nun hier bei mir war, mich so schwach werden ließ in seiner starken Umarmung? Wann war dies geschehen? Ich wusste es nicht. Ich hatte den Moment verpasst, als der kleine Junge von damals ein Mann geworden war, und das bedauerte ich unendlich. Und ja, ein Mann, das war er wahrhaftig. Ich spürte und fühlte es, und ja, ich genoss es mit jeder Faser in mir, die die Frau ausmachte, zu der auch ich herangewachsen war. Ich wollte so sehr die Frau dieses faszinierenden jungen Mannes sein, zu dem mein Arthur geworden war. Stoß um Stoß verbanden wir uns, wurden wir zu einer einzigen Existenz. Ich hatte vergessen wo er begann und wo ich aufhörte. Ich hatte vergessen, was Zeit war, vergessen, was ich eigentlich hier gewollt hatte, hier bei ihm im Zimmer. Der Trost, den ich ihm zu geben gesucht hatte, war zu etwas anderem geworden, etwas, das wir beide brauchten und das so viel intensiver war. Nähe. Die absolute Nähe. Sodass nicht ein Raum, und sei er noch so winzig, noch zwischen uns frei war. Ich bewegte mich mit ihm, öffnete ihm nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Seele, mein ganzes Sein. Für diesen Moment hatte ich gelebt. Für diesen Moment würde ich auf jedes weitere Glück in meinem Leben verzichten, wenn dies der Preis sein sollte. Und wie bitter war dieser Gedanke, umso mehr, da ich heute weiß, wie unendlich schmerzhaft solch ein Preis wirklich ist. Ich biss mir auf die Lippe, schmeckte warmes Blut. Es war eine süße Qual, der wir uns beide unterzogen, der wir uns hingaben. Und wir trieben diese Qual bis auf die Spitze, bewegten uns schließlich in harten, schnellen Stößen, umschlangen einander und versanken in völliger Ekstase, stöhnten, schwitzten und hielten uns aneinander fest, als gäbe es kein Morgen mehr. Sein Name war es, den ich schrie, als ich den Höhepunkt verspürte, jenen Höhepunkt von dem ich bislang nur (heimlich) gelesen hatte. Doch er musste es sein. Denn es gab nichts Vergleichbares auf der Welt. Und mit niemandem sonst hätte ich es erleben wollen, außer mit ihm. Nur mit ihm. Arthur… Mein Arthur… Ich blickte in seine blauen, von der Leidenschaft verschleierten Augen. Sie schauten mich voll Zuneigung und Wärme an. Und ich wusste, ich hatte es spüren können wie eine lautlose Explosion, auch er hatte in mir seine Vollendung, seinen Höhepunkt gefunden. Er küsste mich so tief, so liebevoll, dass ich mir wünschte, dieser Moment würde niemals vergehen. Innerlich immer noch ganz die Kinder, die wir einst waren, wollten wir diesen Moment festhalten, uns aneinanderklammern und der Zeit Einhalt gebieten, sollte sie nur vergehen. Wir… wir würden eins bleiben. Über alle Zeit hinaus. Ich liebe dich… Someone help me 'cause the memory convinced itself to tear me apart and it's gonna succeed before long… ~~~oOo~~~ Songtext: "The memory" by Mayday Parade Kapitel 2: Flesh of my soul --------------------------- ~Flesh of my soul~ Guileless son, I'll shape your belief and you'll always know that your father's a thief And you won't understand the cause of your grief but you'll always follow the voices beneath Guileless son, your spirit will hate her, the flower who married my brother, the traitor And you will expose his puppet behavior for you were the proof of how he betrayed her Hush, child, darkness will rise from the deep and carry you down into sleep Child, the darkness will rise from the deep and carry you down into sleep The child of my body, the flesh of my soul died in returning the birthright he stole... Denn eines Tages... werde ich es ihm sagen... Schweißgebadet und mit jagendem Herzen erwachte ich, setzte mich mit einem Ruck auf. Ich verspürte reißende, heftige Schmerzen. Dunkelheit umgab mich wie schwarze Schwingen, als ich schweratmend die Augen aufriss. Dräuende, unnahbare Dunkelheit. Das absolute Gegenteil von dem, was ich in meinen Träumen gesehen hatte. Ich starrte in die Schatten der kleinen, irdenen Waldhütte, in die ich nach meiner Flucht zurückgekehrt war, und verspürte eine Enge im Hals und in der Brust jenseits von allem Erträglichen. Heftig presste ich eine Hand auf meinen schmerzenden Unterleib. Dies passierte nicht zum ersten Mal. Und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Doch es war das erste Mal seit Jahren, dass diese Pein den Schleier des gnädigen Vergessens komplett zerriss und mich allein und vollkommen unvorbereitet direkt im Angesicht einer noch viel schlimmeren, schmerzhafteren Erinnerung zurückließ, als es all die anderen jemals für mich sein konnten. Einer Erinnerung, die ich jahrelang und mit Hilfe eines Bannspruches erfolgreich und komplett in mir eingeschlossen hatte, nicht völlig vergessen, aber vollkommen verdrängt und durch den willkommenen Hass auf meinen Vater und Arthur überlagert. Der Zauber, den ich mir damals auferlegen ließ, um diese eine, schmerzvollste Erinnerung zu verdrängen, damit ich überhaupt lebensfähig blieb, versagte in dem Moment, in dem ich mich der Liebesnacht mit Arthur Pendragon erinnerte, so intensiv, als sei es erst gestern gewesen, so deutlich, als könne ich noch immer seine Wärme auf meiner Haut spüren und seine Stimme in meinem Ohr hören, die sanft meinen Namen flüsterte... Jener Schmerz, der meinem Leib nun schon so lange innewohnte, beinahe ein ebensolch starker und beharrlicher Gefährte, wie meine enttäuschten, verletzten und verbitterten Gefühle, jener Schmerz war so konkret, so entsetzlich dieses Mal, dass er diese schrecklichste, verloren geglaubte Erinnerung mit einem Schlag wieder zurückbrachte, jetzt, hier und derart heftig, dass ich für einen Moment Angst hatte, es wäre wieder damals, es wäre wieder jene sturmdurchpeitschte Nacht in einer Waldhütte, in der ich mich dazu entschlossen hatte, das erste Mal in meinem Leben zu töten, ein Leben zu nehmen. Ein Leben, das meinem Schutz ausgeliefert war. Ein Leben... das wir... Arthur und ich... NEIN! Nicht daran denken! Verdränge es, du kannst es! Du hast es Jahre lang getan! Niemand darf es je erfahren. Du darfst dem nicht nachgeben, Morgana! Tust du es, bist du verloren. Und mit einer gewaltigen, seelenzerreißenden Anstrengung gelang es mir, diese quälende Wahrheit einmal mehr und für den Moment in die Schatten meiner inneren Dunkelheit zurückzudrängen. Ganz, ganz langsam, während ich zitternd ein und ausatmete. Doch ich spürte, dass sie, einmal zugelassen, nun zurückkommen, mich wieder heimsuchen würde, und dass meine Schuld mich zwangsläufig eines Tages einholen musste. Und dieses Mal endgültig. Ich schloss die Augen, während sich unter meinen Lidern heiße, lange zurückgehaltene Tränen sammelten. Doch sie fielen nicht. Auch jetzt nicht. Ja… Es waren nur Träume gewesen, in denen ich in meiner Ohnmacht geweilt hatte. Erinnerungen, die mich immer und immer wieder in dieser Form heimsuchten, als würden sie mir ins Gesicht lachen. Es war so viel geschehen. So unendlich viel. Und an Vielem davon trug ich selbst schuld. Seit Arthurs und meinem Zusammentreffen nach mehreren langen Monaten waren erst einige Tage vergangen und das war wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum mir sein Gesicht wieder so präsent war und all diese qualvollen Erinnerungen in mir wieder an die Oberfläche traten, die ich so erfolgreich verdrängt hatte. "Was ist mit dir geschehen, Morgana? Ich dachte, wir seien Freunde..." Freunde... Wenn er wüsste... Und wieder durchbohrte mich der Schmerz wie eine glühende Klinge. Ich krümmte mich. Doch ich zwang mich an etwas anderes zu denken, zwang meinen Geist, die selbstzerstörerischste Erinnerung in mir zu ignorieren. Zumindest für den Augenblick. Nur einen kleinen, gnädigen Augenblick länger... Ja, ich hatte mir mein Exil damals selbst gewählt. Der Weg, den ich beschritten hatte, war allein meine Wahl gewesen. Alles was geschehen war, war meine eigene Schuld. Und ich kehrte fast erleichtert zurück zu jenem Gedanken, der mich beinahe ebenso quälte, wie die Erinnerung an meine Tat in jener lange zurückliegenden, einsamen und schmerzvollen Gewitternacht, in der ich zum ersten Mal getötet hatte...: Arthur. Arthur. Wie sehr ich diesen Namen doch hasste. Und zugleich auch liebte. Meine Verbitterung war grenzenlos. Und ich verlor mich in ihr - nur allzu gern, wie mir nun erneut schmerzhaft bewusst wurde. Einer der Gründe dafür, dass ich so heftig an jenem Zwist mit den Pendragons festhielt war jener, dass ich auf diese Weise nicht viel über mich selbst nachzudenken brauchte, dass er mich ablenkte. Die meiste Zeit war mir das nicht einmal bewusst. Einfach, weil ich mich weigerte intensiver über meine eigene Vergangenheit nachzudenken. Aber dies war nur einer der Gründe. Denn Arthur selbst lieferte den viel wichtigeren: Er liebte mich nicht mehr, wie er es einst geschworen hatte. Auch damals schon nicht mehr. So war ich Morgause gefolgt, fort von Camelot und allem, was mir etwas bedeutete, weil ich Arthur nichts mehr bedeutet hatte: Nicht mehr als Frau und nicht mehr als Geliebte... Von Morgause… war ich geliebt worden. Zumindest bildete ich mir dies ein. Sie hatte mich benutzt, ja, doch sie hatte mich auch geachtet, als Schwester und als Freundin. Sie achtete meine Magie, mehr noch, sie akzeptierte sie. Und wer in Camelot hätte dies je getan? Heute blicke ich zurück und frage mich, ob alles anders gekommen wäre, wenn ich mich nicht zu Morgause, meiner Schwester, hingezogen gefühlt hätte, wenn ich nicht auf sie gehört hätte. Doch ich war seinerzeit einfach nicht in der Verfassung gewesen, jemandes Zuneigung zurückzuweisen, ganz gleich aus welchen Gründen sie mir offeriert wurde. Ich verachtete mich derart selbst, war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich jedwede Zuwendung, die mir entgegengebracht wurde, nicht beurteilen konnte. Ich fühlte mich allein und ungeliebt. Dies völlig unabhängig davon, dass ich es gewesen war, die mit dir gebrochen hatte, Arthur. Es war dennoch so. Ich sah meine Liebe unerfüllt und mich selbst immer weiter hinter dir, meinem Stiefbruder, zurückbleiben, der auf seinem Weg zum Königtum große Fortschritte machte. Fortschritte, die ich mit gemischten Gefühlen betrachtete. Ich liebte dich. Oh, Arthur, ich habe dich so unendlich geliebt. Doch zugleich vermisste ich dich so sehr, dass ich begann, deine Nähe zu verfluchen. Das, was mir Trost und Halt gegeben hatte in den Jahren nach unserer Trennung, begann mich nun auszuhöhlen und zu zermürben - vor allem je mehr mir deine Zuneigung zu Guinevere bewusst wurde... Was nutzte mir die Nähe zu dir, wenn ich dich doch nur von mir fortdriften sah? Wenn es dich vor lauter Einsamkeit, die auch du verspüren musstest, in die Arme einer anderen Frau trieb? Im Gegensatz zu mir warst du immer schwach gewesen, was solche Dinge anging. Du konntest nie lange allein sein. Was ich nicht bedacht hatte und vollkommen ignorierte, zu dieser Zeit: Ich ebenso wenig. Ich dachte ich sei stärker als du. Schon allein, weil ich den Schritt getan hatte, zu dem du nicht fähig gewesen warst: Mich von dir zu lösen zum Wohle deiner Zukunft. Ich hatte mich für stark gehalten, als ich die Folgen unserer gemeinsamen Nacht dir zuliebe schweigend allein getragen hatte, die Entscheidung, dich damit nicht zu behelligen, selbst getroffen hatte. Wie naiv ich doch gewesen war. Das, wozu die unerfüllbare Liebe zu dir mich getrieben hatte, wurde zur schmerzhaftesten Erfahrung, die ich jemals hatte machen müssen. Der Bruch mit dir, Arthur, trieb mich dazu, auch mit dem Leben zu brechen und das zu zerstören, was wir beide... Und hier unterbrach ich meinen Gedankenfluss erneut rigoros. Täte ich es nicht, würde ich wahrscheinlich den Verstand verlieren. Denn dies war tatsächlich der Dreh- und Angelpunkt all meinen Leidens, all meiner Qual. Dies und natürlich und allem voran auch Arthur selbst, aber auch das, was ich getan hatte, wozu er mich getrieben hatte. Wozu er mich erst fähig gemacht hatte. Ohne meinen Willen kehrten meine Gedanken doch wieder zurück zu jenem wundesten Punkt in mir. Es war, als würde ich nun, wo der Bann gebrochen und die Tür zur Vergangenheit einmal aufgestoßen war, und je heftiger ich versuchte mich von der Erinnerung zu lösen, nur um so stärker von ihr angezogen. Ich verlor den Kampf. Wahrscheinlich auch auf lange Sicht. Zu lange hatte ich es verdrängt. Zu lange komplett vor mir selbst verleugnet. Ich konnte nicht fliehen. Ich konnte es nicht ungeschehen machen, so gern ich es auch täte. Denn ich selbst war in den folgenden Monaten nach Arthurs und meiner gemeinsamen Nacht damals zur Verräterin an unserer Liebe geworden. Ich selbst war zur Mörderin geworden... Und das konnte ich einfach nicht ertragen. Was ich getan hatte, war unentschuldbar, es veränderte mein Leben völlig. Und alles was danach kam rührte wahrscheinlich einzig daher, dass ich vernichtete, was Arthur und ich erschaffen hatten - um sämtliche Verbindungen zu dem jungen Thronerben, seien sie nun gefühlsmäßig oder konkret körperlicher Natur, zu trennen. Ich würde ihm niemals verzeihen. Und ich konnte mir selbst nicht vergeben. Niemals wieder. Ich schreckte vor mir selbst zurück, vor dem, was ich im Begriff war zu werden, und vor dem, was ich aus Verbitterung und Verzweiflung heraus getan hatte. Doch ich hatte auch nicht mehr die Kraft, den Lauf der Dinge noch aufzuhalten. Ich konnte nicht atmen, nicht denken, wenn meine Erinnerungen an jenem dunkelsten Punkt meiner Vergangenheit anlangten. Alles war wieder da. All die Empfindungen von damals: Die nackte Panik, als ich seinerzeit feststellte, dass ein Kind in mir heranwuchs. Ein Kind der Liebe, das dennoch nicht sein durfte. Ein armes, kleines, hilfloses Wesen, das nichts dafür konnte, wie und warum es erschaffen worden war... Die völlig übereilte und kurzentschlossene Entscheidung, diesem Leben in mir ein Ende zu bereiten, ganz gleich was es kostete, ganz gleich auf welche Art und Weise, denn es erinnerte mich Tag um Tag an etwas, das ich niemals haben durfte, an einen Schmerz und einen Verlust, der bis dato alles übertraf, was ich jemals empfunden hatte... Jene einsame, stürmische Nacht, in der ich das Kind aus mir herausschneiden ließ, es zuließ, das eine alte Druidin mit Hilfe dunkelster, verbotener Magie das Leben in mir zum Erlöschen brachte, noch bevor es überhaupt die Gelegenheit haben konnte das Licht der Welt zu erblicken... Und die tiefe Depression, die in den Wochen danach mehr und mehr von mir Besitz ergriff als ich merkte, als mir bewusst, wirklich bewusst wurde, was ich da getan hatte... Verzweifelt zog ich die schwarze Decke des Vergessens über meine unendlich große Schuld, verbarg mein hässliches Selbst darunter. Noch unerfahren in der Magie, hilflos und vollkommen am Ende meiner Kräfte wandte ich mich erneut an jene alte Eremitin und bat um einen Zauber, der mir partiell die Erinnerungen nehmen sollte, weil ich mit einer derartigen Schuld einfach nicht mehr weiterleben konnte. Die Druidin half mir auch hier. Allerdings sagte sie damals, dass ihr Wirken einen Preis fordern würde, wenn die Zeit gekommen sei. Ihre kryptischen Worte machten mir Angst. Aber in meiner Verzweiflung ignorierte ich die warnende Stimme in mir und ließ zu, dass sie den Zauber bei mir anwandte. Es funktionierte. Wenn ich auch niemals vollkommen vergaß, so war es mir doch möglich, die Erinnerung an meine Tat erfolgreich in mir zu unterdrücken. Ich kehrte meinen offensichtlichen Zorn gegen die Pendragons und deren Verbannung der Magie hervor, trug ihn wie einen Schutzschild vor mir her, und schob sämtliche Schuld Uther und auch Arthur zu. Ich musste es tun. Ich wäre an der eigenen Schuld zerbrochen, wenn ich sie nicht zusätzlich, und teilweise tatsächlich auch zurecht, bei anderen gesucht hätte. Denn ich wäre niemals der Mensch geworden, der ich nun war, wären sie nicht gewesen: Uther, der mich niemals anerkannt hätte, weder als Magierin, noch als Arthurs Frau. Arthur, der um mich hatte kämpfen wollen. Der mich niemals hatte aufgeben wollen, wie er sagte. Und der es dennoch getan hatte... Ich legte beide Hände auf meinen Unterleib und weinte stumme, hilflose und trockene Tränen. Diese Trauer saß längst zu tief, um Tränen wirklich noch zulassen zu können. Mein Körper war in dieser Beziehung starr und stumm geworden. Genau so, wie er auch niemals wieder Leben würde hervorbringen können. Dies war der Preis, den ich zu zahlen hatte... Mein armer, kleiner Schatz. Mein Leben. Mein Sohn... Was habe ich nur getan? Was hat ER getan? Er verdient es zu leiden. So wie ich, so wie auch wir gelitten haben. Still, mein Kind, weine nicht. Ich bin bei dir. Schon bald werden wir bei dir sein... Mich fror. Da ich mich noch immer auf dem kalten Steinboden in meiner kleinen Waldhütte befand, dort, wo ich vorhin neben dem Tisch zusammengebrochen war, war dies auch kein Wunder. Doch ich ignorierte die Kälte. In der Stille wiegte ich mich langsam vor und zurück, summte leise und beinahe unbewusst eine alte, keltische Weise, die mein wahrer Vater, Gorlois, mich noch gelehrt hatte, und gewann nun unendlich langsam, ganz langsam meinen klaren Verstand zurück, drängte die Raserei und den Wahnsinn, die unweigerlich mit dem Gedanken an mein totes, ungeborenes Kind einhergingen, in jene dunkelsten Ecken meiner Seele zurück. Es dauerte lange. Es würde jedes Mal ein wenig länger dauern, das wusste ich einfach. Und einen Moment lang glaubte ich, es wäre besser gewesen loszulassen, mich in den Gedanken an das, was hätte sein können, zu verlieren und loszulassen. Doch die aufkommende Kälte holte mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Auch sie konnte nicht ändern, dass diese schmerzhafteste aller Erinnerungen nun offen und blutend erneut in mir brach lag, um wahrscheinlich für immer zu bleiben. Doch sie erdete mich, jetzt und hier, und leitete meine Gedanken in andere Bahnen. Ich hob langsam den Kopf. In der Dunkelheit traf ich die Entscheidung, den Gedanken an mein Kind zumindest oberflächlich loszulassen, mich auf die Wut zu konzentrieren, die mich noch leben und vorangehen ließ. Ich verschloss meine Schuld und das, was Arthur und ich geschaffen hatten, das einzige, was jemals gut und richtig gewesen war in meinem Leben, vor meinem bewussten Denken und atmete tief durch. Ein Grund mehr, nach vorn zu sehen. Ein Grund mehr Arthurs Tod zu fordern. Denn eines Tages, Arthur, eines Tages wirst du von mir erfahren, was hätte sein können - und es wird wie eine Waffe in meiner Hand sein, die dir den Todesstoß versetzt. Du wirst nicht mehr lange genug leben, um auch nur eine Träne weinen zu können. Dies werde ich niemals zulassen. Du hast kein Recht um ein Kind zu trauern, dass du niemals als das deine anerkannt hättest, das du niemals gewollt hast. So wie du und dein Vater auch mich niemals gewollt habt. Oh, Arthur... Könnte ich dich dafür doch nur hassen, einfach nur hassen. Warum... muss ich dich noch immer und wider jede Vernunft so sehr lieben, das es mich nur zerstören kann, das, was noch von mir übrig ist... Und jetzt... verhöhnst du meine Gefühle auch noch... Freunde... Du dachtest, wir seien FREUNDE... Du hast keine Ahnung... Zitternd stieß ich die Luft, die ich unbewusst angehalten hatte, durch meine bebenden Lippen aus und straffte die Schultern. Ja... Die Jahre nach meinem Bruch mit Arthur. Morgause... Meine Gedanken kehrten zurück zu jener Zeit damals. Es mochte auf Arthur seinerzeit wie Stärke gewirkt haben, dass ich ihn gehen ließ. Doch in Wahrheit wurde ich immer verbitterter. Einsamer. Ich liebte verzweifelt, hoffte in irgendeiner Geste von seiner Seite zu erkennen, zu sehen, dass dies auch bei ihm noch der Fall war, ganz gleich was kommen mochte, ganz gleich welche Frau in Zukunft an seiner Seite sein würde. Doch entweder ließ er derlei Gefühle einfach nicht mehr an sich heran, um dem damit verbundenen Schmerz zu entgehen, ignorierte es einfach - oder aber er fühlte bereits nichts mehr für mich. Nichts anderes, als diese... Freundschaft... Der letzte Gedanke tat so weh, so entsetzlich weh, dass ich mich damals nur noch weiter in mich selbst zurückzog. Und hier war es Morgause gewesen, die mich auffing. Meine Schwester kam an den Hof unmittelbar nachdem ich mich von der unkonventionellen und sehr schmerzhaften Abtreibung meines Kindes zumindest körperlich erholt hatte. Sie war da, nahm und akzeptierte mich so, wie ich nun einmal war. Hinzu kam, dass ich mir damals meiner eigenen magischen Fähigkeiten mehr und mehr bewusst wurde und niemanden hatte, dem ich mich mitteilen konnte. Niemanden - in einer Welt, in der ein König regierte, der die Magie und alles was damit verbunden war hasste und verurteilte. Arthur... war da der letzte Mensch, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich konnte ihn nicht diesem Gewissenskonflikt gegenüber Uther aussetzen, mein Geheimnis mit mir gemeinsam zu tragen. Und sonst konnte ich es auch niemandem erzählen. Denn niemandem sonst vertraute ich so sehr wie Arthur. Gwen vielleicht noch, ja. Aber das ließ mehr und mehr nach - in dem Maße, in dem sie sich Arthur annäherte. Es war mir nicht möglich ihre Nähe noch länger zu ertragen. Beißende, hässliche Eifersucht fand schon damals Einzug in mich, keimte und begann zu erblühen, wie ein Unkraut, dessen man nicht Herr werden konnte. Ich habe keinerlei Entschuldigung für mein Handeln. Ich entschied mich instinktiv für Morgause. Diese wunderbare, machtvolle Frau, die mir völlig neue Wege in der Magie und im Leben an sich eröffnete, als ich mich schon in einer emotionalen Sackgasse festsitzen sah. Und als ich von Merlin vergiftet wurde, als ich merkte, dass ich der Katalysator für Morgauses Magie und Machenschaften in ihrem Feldzug gegen Uther und dich, Arthur, war, da war es bereits viel zu spät um noch umzukehren, viel zu spät noch einen Rückzug anzutreten. Und dass Merlin mich vergiftet hatte gab den Ausschlag. Ich dachte, wir seien Freunde gewesen. Und doch nahm er meinen Tod willentlich in Kauf, um den Zauber von Morgause zu bannen. Ich hasste ihn nicht. Obwohl ich das damals zunächst dachte. Aber ich war so abgrundtief verzweifelt, wie nie zuvor in meinem Leben - fand ich doch heraus, dass mich alle getäuscht hatten, dass mich niemand um meiner selbst willen mochte oder liebte, und dass ich wahrhaftig allein da stand. Merlin hatte mich verraten. Gwen hatte ich an dich verloren und konnte mich ihr niemals mehr öffnen. Uther würde niemals akzeptieren, was und wer ich wirklich war. Und du, Arthur.... Du hattest verleugnet, was wir teilten, hattest begonnen eine andere zu begehren und mich zu vergessen. Ein Schauer überlief meinen klammen Leib. Eisige Kälte ließ die Taubheit in meinen Gliedern zunehmen und begann mich von innen heraus zu lähmen. Ich griff, noch immer am Boden kauernd, hinauf zur Tischkante und zog mich langsam, mühevoll, wieder auf die Beine. Ich schwankte leicht, blieb kurz mit geschlossenen Augen stehen. Es kam nun immer häufiger vor, dass mich diese Schwäche heimsuchte. Im selben Maße, in dem ich die Magie mehr und mehr anwandte. Ich wollte es nicht wirklich wahrhaben, aber es schien tatsächlich so zu sein, dass die Magie ihren Tribut forderte. Vor allem jene Magie, der ich mich verschrieben hatte. Doch es war ganz gleich. Alles war gleich. Ich musste lediglich dafür sorgen, dass ich noch so lange lebte, bis ich Arthur ein letztes Mal konfrontieren konnte. Alles andere… war nicht wichtig. Langsam drehte ich mich herum und ging schließlich zu meiner Schlafstatt hinüber, einer einfachen Liege mit Fellen und Decken, ließ mich schwer darauf nieder. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. Auf dem kleinen Schemel neben meinem Bett befand sich eine Kerze, doch ich machte mir nicht die Mühe sie anzuzünden. Das Licht, so wusste ich, würde mich ohnehin nur in den Augen schmerzen. Und so blieb ich still und regungslos in der Dunkelheit sitzen, bis sich schließlich nun doch ein tiefes, hartes Schluchzen meiner Kehle entrang. Ich sank nach vorn, krümmte mich, schlang die Arme um meinen Leib und bewegte mich langsam vor und zurück. Die Welle der Verzweiflung spülte erneut über mich hinweg, bis ich kraftlos auf die Liege sank. Und mit weit aufgerissenen Augen starrte ich in die diffuse Dunkelheit, nahm nichts mehr wahr, außer meinen Gedanken, diesen immerwährenden, niemals ruhenden, erbarmungslos dahin jagenden Gedanken. Morgause benutzte mich. Ich wusste dies schon damals. Doch ich nahm es in Kauf. Ich dachte, wir könnten gemeinsam etwas erreichen. Ich wollte nicht sehen, dass auch sie willentlich mein Opfer in Kauf genommen hätte. Heute weiß ich, dass es töricht war in ihr etwas zu sehen, das es nicht gab. Auch sie war nur auf Rache aus gewesen. Auch sie hatte nicht mich, sondern das Mündel Uthers in mir gesehen, einen Menschen, über den sie an den verhassten Feind herankommen konnte. Und ich, in meiner Verbitterung und Einsamkeit, zurückgewiesen, verletzt, vergiftet und allein gelassen, nahm dies in Kauf. Es war mir gleich. Illusion oder nicht: Morgause kümmerte sich um mich, bemühte sich um mich, gab mir eine Richtung, ein Ziel. Und ich folgte bereitwillig aus meinem Schmerz heraus zu meiner Befreiung. Wie außerordentlich ironisch, dass diese „Befreiung“ nur in Einsamkeit mündete. Doch ich... war im Grunde selbst schuld an meiner Einsamkeit. Hätte ich dir gegenüber nachgegeben, Arthur... Hätte ich dich in jenem einen, zeitlosen Moment nach jener Nacht nicht zurückgewiesen, deinen Antrag angenommen immer an deiner Seite zu bleiben, als deine Frau, als deine Geliebte, dann wäre ich vielleicht niemals in die Lage gekommen, jemandem wie Morgause Vertrauen zu schenken - oder gar zur Mörderin an unserem Kind zu werden. Doch es war nicht möglich gewesen. Denn damals... ja damals hatte ich Stärke bewiesen. Ich war ja so unendlich und bewundernswert stark und über diese Tatsache sogar auch noch stolz gewesen. Denn ich hatte dich freigegeben. Es war besser für den König, der du sein würdest. Ganz zu schweigen von Uthers Zorn, den wir auf uns gezogen hätten. Ja, damals war ich stark gewesen, stark genug, mich selbst ins sichere Verderben zu stoßen, mich ganz bewusst zur Einsamkeit zu verdammen. Denn ich wusste genau: Ich würde niemals in meinem Leben jemand anderen lieben können, so wie ich dich liebte. Während du... Es war unumgänglich, was späterhin geschah: Die Beziehung zu Guinevere, sie an deiner Seite, jetzt und auch in Zukunft... Und ich in den Schatten. Zu dem Zeitpunkt wusste niemand mehr um mein Opfer, niemand mehr um meine Qual. Ja, es ist deine Pflicht als König, zu lieben, Arthur: Dein Volk, dein Land, deine Ritter, deine zukünftige Königin. Nur nicht mich. Nicht mehr mich... Der Schritt von Liebe zu Hass war so leicht, so schnell und lautlos vonstattengegangen, dass ich mir dessen nicht einmal wirklich bewusst gewesen war, bis zu jenem Tag, an dem meine Schwester starb, an dem ich sie auf ihren Wunsch hin geopfert hatte. Bis zu jenem Tag, wo ich endgültig allein war auf der Welt. Nicht einmal den Tod unseres Kindes hatte ich Arthur bis zu jenem Zeitpunkt wirklich bewusst vorgeworfen. Die Schuld lag allein bei mir - und damals war ich noch stark genug, das tief in mir auch so zu sehen und nicht anders. Damals, als ich noch Morgause an meiner Seite hatte - die im Übrigen niemals etwas von meiner Schwangerschaft erfuhr. (Niemand hatte bei Hofe auch nur geahnt, dass meine ständigen Schlaf- und Ess-Störungen, unter denen ich ja bereits litt, seit ich Uthers Mündel geworden war, mit einer Schwangerschaft zusammenhängen könnten...) Doch nachdem meine Schwester mich verlassen hatte... änderte sich mein Leben abermals unwiderruflich. Dort, in der Einsamkeit, wuchsen mein Zorn, meine Enttäuschung und all mein Hass wie ein Geschwür heran. Etwas, von dem ich sehr wohl wusste, dass es nicht gut sein konnte, nicht gut für die Frau, die ich einmal gewesen war, dem ich mich jedoch auch nicht entziehen konnte, war es doch mein einziger Halt, mein Schutz, um nicht endgültig zusammenzubrechen unter der Last, unter all dem Schmerz des Verlustes. Arthur… Ich erinnerte mich plötzlich wieder. Heute… war sein Hochzeitstag. Ich starrte in die Dunkelheit, zählte im Stillen die Schläge meines Herzens, bemühte mich ganz bewusst, ruhig weiter zu atmen. Die Erde, die Luft, Elemente, denen ich hier, tief im Herzen des Waldes, so nah wie niemals zuvor sein konnte, gaben mir Kraft. Und so besiegte ich auch diese Welle der Verzweiflung, kämpfte sie rücksichtslos in mir zurück. Es tat weh. Und es würde nicht die letzte Welle sein. Doch meine Gedanken drifteten weiter. Ein Drache… ein Drache war es, der mir das Leben gerettet hatte. Vielmehr der Atem des Drachen. So viel hatte ich noch mitbekommen, als ich vor einigen Tagen verwundet, blutend und innerlich vollkommen zerschlagen auf dem Waldboden lag, nach meiner Flucht vor Arthur. Aithusa… Der Name war wie ein Widerhall in meinem Geist aufgetaucht, sobald ich des fantastischen Wesens ansichtig geworden war. Ich wunderte mich nicht. In einer Welt der Magie war auch ein solches Wesen und die Hilfe eines solchen denkbar. Doch warum ich? Warum jetzt? Wäre ich doch gestorben. Ich sah kaum einen Sinn in meinem weiteren Leben. Doch es war so, als wäre diese kleine, so wichtige Geste, die mir der junge Drache erwiesen hatte, wie ein Aufruf nicht aufzugeben. Und ich hatte Pläne. Ich würde Arthur Pendragon töten. Jenes Kind, dessen Hand ich in meiner gespürt hatte. Jenen jungen Heißsporn, der mir meine ersten Küsse geraubt hatte. Jenen Mann, der eins mit mir gewesen war, der mit mir gemeinsam ein Leben erschaffen und es zur Verdammnis verurteilt hatte, und der der Erinnerung an uns ins Gesicht spuckte, indem er sich heute eine andere als Braut nahm. Es war nicht wichtig, dass er keine Wahl gehabt hatte als König. Es war auch nicht wichtig, dass ich ihm damals, nach jener einen, schicksalhaften Nacht, in der wir uns für ein ganzes Leben geliebt hatten, sagte, dass ich ihn gehen lassen müsse, damit er der König werden konnte, der ihm bestimmt war zu sein. Ich war so naiv gewesen zu glauben, dass ich damit leben könnte. Ich konnte es nicht. Ich hatte es niemals gekonnt. Das Band, was wir in jener Nacht geknüpft hatten war zu stark, zu fest, um es noch lösen zu können. All meine Kraft… dahin. Ich hatte mir selbst etwas vorgemacht. Meine Gedanken rotierten. Ich vermochte es nicht sie aufzuhalten. Wieder und wieder kreisten sie um jene Dinge, die mich am meisten schmerzten. Ich wimmerte vor Pein. Jahre lang hatten Arthur und ich nach jener einen, schicksalhaften Liebesnacht unter eingeübten Masken nebeneinander hingelebt - er sogar völlig ahnungslos, dass ich in den folgenden Wochen noch so viel mehr durchmachte als er. Und irgendwann hatte ich bemerkt, wie sehr es ihm gefiel in Guineveres Nähe zu sein… Die unkomplizierte, alles bejahende Guinevere… Dieses… kleine, unbedarfte Mädchen… Jene Frau, die einmal meine Freundin, meine Dienerin gewesen war. Und SIE sollte nun Königin werden? Die Mutter seiner Kinder?! Ein Recht, das mir verwehrt blieb – mit oder ohne Arthur an meiner Seite. Ich hatte genauso ein Anrecht auf den Thron wie er, das ließ sich nicht von der Hand weisen. Doch diese… kleine… Tochter eines Schmieds… hatte überhaupt kein Recht Königin zu sein. Sie hatte kein Recht seine Liebe zu empfangen. Diese Liebe, von der er mir geschworen hatte, dass sie nur mir vorbehalten sei. Wie hatte es nur so weit kommen können? Wie hatte sich Arthur in sie verlieben können? Er hatte damals gesagt er würde nur mich lieben, ganz gleich was die Zukunft bringen würde. Konnte ich ihm dies denn glauben? Ich hatte gesehen, wie er sie ansah. Und noch im Nachhinein versetzte es mir einen Stich. Ich hatte es heruntergespielt. Vor allen anderen und vor allem vor mir selbst hatte ich es heruntergespielt, ja beinahe genossen, sie beide in unangenehme Situationen zu bringen und sie sogar vor Uther bloßzustellen. Was war nur aus mir geworden, fragte ich mich damals, als ich Uther unter einem Vorwand dazu gebracht hatte, seinen Sohn mit Gwen im Wald bei einem Stelldichein zu überraschen, das auch noch ich in die Wege geleitet hatte? Eine rachsüchtige, eifersüchtige Frau. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Und der innere Zorn, der in mir wütete, wurde mit jedem Tag größer, die Wut auf Arthurs Unfähigkeit, mir zu vermitteln, dass er mich noch immer so sehr liebte, wie er es versprochen hatte, obwohl er einer anderen den Hof machte, quälte mich, ließ mich verbitterter werden und mich in mich selbst zurückziehen. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich längst die Weichen für meine Zukunft gestellt. Zu jenem Zeitpunkt, war ich bereits auf dem Weg in die Dunkelheit und zur Macht einer Hohepriesterin des alten Glaubens, geebnet durch den einen Schritt, der mich zu einer Mörderin gemacht hatte. Alles andere... wog nicht annähernd so schwer, konnte mich nicht annähernd so berühren, wie es diese eine, schreckliche Nacht des Todes getan hatte. Und doch konzentrierte ich mich mehr und mehr auf den Hass, der in mir aufkam, wenn ich Arthur auch nur in der Nähe Guineveres sah. Dieser Schmerz war offensichtlicher und leichter zu ertragen, als jener, den ich meiner eigenen und Arthurs Schuld zuschrieb - und er löste befreiende, weißglühende Wut in mir aus. Wie konnten sie nur... Wie konnten sie so glücklich sein, wie konnte er es sein, während ich Höllenqualen litt? Ja, er hatte versprochen niemals jemanden so sehr zu lieben, wie er mich geliebt hatte. Doch ich sah und fühlte es nicht mehr, während ich mit jedem Herzschlag meine unerfüllte, unerreichbare Liebe für ihn blutete und sie in grenzenlosem, alles verschleierndem Hass ertränkte. Der Schrei in meiner Seele wurde lauter, verbitterter, meine Stärke... schwand. Ich glaubte in der Magie einen Ersatz dafür zu finden, dass die aus ihr resultierende Macht genügen würde, um die Einsamkeit zu lindern, um zu vergessen. Doch das Gegenteil war der Fall. Denn die Magie trieb mich nur noch weiter von allem fort. Innerlich weinte ich. Oder ich tobte vor Wut. Eines von beidem war immer der Fall seinerzeit. Und so ließ ich es zu, dass Morgause mich führte und leitete, dass sie mich fortdrängte von Arthur, von Camelot, von allem was mir lieb war und das mich doch so quälte. Der Schritt war nicht mehr allzu groß gewesen. Morgause gab mir die Kraft, aus meiner verzweifelten, unerfüllten Liebe wirklichen Hass werden zu lassen, nicht mehr nur einen Vorwand um zu vergessen, sondern einen Hass, der mich am Leben erhielt, der mich stärker machte und stützte und der mir Halt gab in der Zeit nachdem sie gestorben war. Und während Arthurs Gefühle zu Gwen immer mehr wuchsen, sein Königreich nach Uthers Tod zu blühen begann, begann meine Seele immer mehr zu verkümmern, und jene Sommertage von damals, jenes unbeschwerte Lachen von ihm, das ich niemals hatte missen wollen, waren mir so fern wie nie zuvor. Und je mehr ich mich in diesen Gedanken und Gefühlen, in mir selbst verlor, desto mehr verabscheute ich, was ich einst so liebte. Das was mich getröstet hatte begann ich zu verdammen. Denn es tat nur noch weh. Die Erinnerung seiner kleinen Hand in meiner. Die Erinnerung an seine Worte und Berührungen. Die Erinnerung an das, was wir geteilt hatten. Ein einziges Mal. Ich wusste um diese Dinge. Mir war völlig klar, warum ich mich nun in dieser Lage befand, woher meine Gefühle kamen. Doch für mich... gab es keinen Weg mehr zurück. Den hatte es schon damals und von jenem Moment an nicht mehr gegeben, als Arthur und ich uns liebten. Nein, es gab kein Zurück. Er hatte es mir angeboten. Vor einigen Tagen, als wir uns gegenüberstanden, hatte er es mir angeboten. Ich hätte mit ihm kommen, um Vergebung bitten können. Doch ich war einfach nicht stark genug, eine andere Frau an seiner Seite Königin werden zu sehen. Eine Frau, die sein Kind würde austragen dürfen - ohne Angst vor der Zukunft. Und dann auch noch diese Frau. Die ich einst so gut kannte. Der ich vertraut hatte. Vielleicht war es auch das, was mich unter anderem so quälte. Ich liebte Guinevere. Ich hatte sie wirklich geliebt. Sie war einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben gewesen. Doch jetzt… Jetzt… schmerzte es nur umso mehr sie an Arthurs Seite zu sehen, gerade weil sie mir so viel bedeutet hatte. Sie, die jetzt all das mit Arthur teilen würde, was ich… Ich spürte nun wirklich lautlose Tränen meine Wangen hinab rinnen. Die Zeit der Verdrängung, des Zurückhaltens, war tatsächlich und endgültig vorbei. Das Licht, das durch die schmalen Spalten in der Holztür in die Hütte drang, zeigte mir, dass der Tag nun bereits heraufdämmerte, jener Tag, an dem Arthur und Guinevere heiraten würden. Herolde hatten es im ganzen Land verbreitet: Der König würde endlich heiraten. Und mein Herz zog sich zusammen. Ich war an einem Punkt angelangt, wo ich sehr wohl wusste, dass all meine Handlungen der letzen Monate nur noch mehr dafür gesorgt hatten, dass genau dieser Tag kommen würde. Natürlich hatte es so kommen müssen. Und doch… schmerzte es unglaublich. Ich hatte gedacht richtig zu handeln. Zumindest so zu handeln, dass es richtig war für mich, dass es den Schmerz in mir endlich zum Verstummen bringen würde, wenn ich Arthur und den Seinen Leid zufügte, so wie auch mir Leid zugefügt worden war. Doch das Gegenteil war der Fall. Alles was ich Arthur antat, tat ich auch mir selbst an. Und sein Schmerz war der meine. Das war niemals anders gewesen. Wie hatte ich so blind sein können anzunehmen, dass sich das geändert hätte? Und ich trieb ihn obendrein nur noch weiter von mir fort, mit meinen ach so gerechtfertigten Übergriffen und Handlungen. Ja, ich hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Ich hatte es ihm selbst gesagt. Er sollte der König, werden, der zu sein ihm bestimmt war. Und dies bedeutete, er würde nicht nur König von Albion sein, sondern sich auch eine Königin wählen müssen, um sein Erbe zu sichern. Ich hatte den Schmerz in seinen Augen gesehen, bei unserem letzten Zusammentreffen. Ich hatte sehr wohl verstanden, so wie ich ihn immer verstanden hatte, auch ohne Worte, dass er mich noch immer liebte. Auf diese quälende…, freundschaftliche Art… Und auch wieder nicht. Manchmal auch auf diese verlangende, verzweifelte und dennoch leidenschaftliche Weise, wie er es immer getan hatte. Diese Augenblicke hatte es auch gegeben, in jenem zeitlosen Moment unseres Zusammentreffens. Doch zugleich wusste ich, dass er auch sie liebte. Gwen. Sie besaß einen Teil von Arthur, den ich niemals haben würde. Seine Seele. Ich hatte ihn verloren. Wenn auch nicht komplett, so hatte ich zumindest seine Seele verloren. Ich dachte, Arthur würde mir ganz gehören. Nur mir allein. Doch das war ein Irrtum gewesen. Und ich… ich selbst hatte dafür gesorgt, ich allein hatte es zu verantworten, dass dem so war. Ich hätte um ihn kämpfen können, bleiben sollen in Camelot, und wider jegliches Gesetz versuchen sollen, Arthur zu halten. Hier hatte ich vollkommen wider meine Kämpfernatur gehandelt. Das einzige Mal. Das folgenschwerste Mal… Doch was hätte es genützt um ihn zu kämpfen… Der Tag, an dem ich zufällig auf meinem Krankenlager erfuhr, dass Arthur und ich Halbgeschwister, nicht nur Stiefgeschwister waren bedeutete beinahe Erleichterung für mich, konnte ich mich doch so nun komplett darauf konzentrieren, was rechtmäßig auch mein war zu erlangen: Die Krone von Camelot. Dankbar und beinahe fanatisch verfolgte ich, unterstützt von Morgause, den Plan, sämtliche Pendragons, die mir ihre Liebe verweigerten oder verschmähen würden, was ich in Wahrheit war, in den Ruin zu treiben und zu zerstören. Oh ja, ich wollte Rache, ich wollte Genugtuung. Vor allem auch gegenüber meinem verhassten Vater, der mich niemals anerkannt hätte, hätte er gewusst, dass ich in Wahrheit eine Magierin war. Ich stürzte mich geradezu in diesen alles zerstörenden Hass, ließ mich von der Woge des Zorns vorantreiben, versuchte meinen Schmerz gegenüber Arthur und dessen endgültigem Verlust, dem Verlust dessen, was wir hätten haben können, zu betäuben, zu ignorieren. Im Grunde meiner Seele schrie und weinte ich, zerbrach doch auch noch die letzte, winzige Hoffnung in mir, dass Arthur mich noch lieben könnte – es noch durfte. Es war mehr denn je unmöglich geworden. Und so schlug ich um mich, errang mir die Krone mit Gewalt und trieb Uther in den Wahnsinn in der Hoffnung, dies würde meiner Seelenpein Linderung verschaffen. Doch ich irrte mich. Als Uther Pendragon schließlich starb fühlte ich… nichts. Gar nichts. Von Arthur und seinen Rittern schließlich gedemütigt und zurückgetrieben zog ich mich in die Wälder zurück, um mir später ein zweites Mal, gestärkt durch eine eigene Armee, den Thron zurückzuholen. Und erneut war er, Arthur, gekommen. Nicht, um mich zu töten. Nein. Um mich zurückzugewinnen in Freundschaft. In Freundschaft… Ja, wir waren Halbgeschwister. Er hätte niemals die Ehe mit mir eingehen können ohne vor seinen Untergebenen und Verbündeten das Gesicht zu verlieren. Doch es änderte rein gar nichts an meinen Gefühlen für ihn. Meine Liebe ließ sich nicht töten, sie ließ sich nicht ignorieren. Sie war und blieb immer da, unerfüllbar und doch unendlich, und trieb mich zu immer schlimmeren Handlungen, die meine eigene Qual lindern sollten und es doch niemals konnten. Nein, er hätte sich niemals für mich entschieden – für mich entscheiden können. Und ich…, hätte ich dies akzeptiert und wäre niemals fortgegangen damals, wäre noch immer dort in Camelot, würde noch immer meine Masken tragen, vielleicht wäre ich Gwens Brautjungfer geworden am heutigen Tag. Aber ich wäre noch immer die perfekte Morgana, die sie alle in mir gesehen hatten, jene Morgana, die ja so unendlich stark war, die verzichten konnte und trotzdem lächelte – und die innerlich jeden verdammten Tag einen weiteren Tod starb, wann immer sie Arthur, so nah und doch so unerreichbar, vor sich sah. Diese Ehe zu sehen hätte mich zerbrochen. Das wusste ich. Und so… hatte ich nicht anders handeln können als zu gehen. Ich musste gehen, als würde ich ahnen, dass das, was vor mir lag, nur noch mehr Qual für mich bedeutet hätte. Also verlegte ich mich darauf, den Menschen, den ich auf der ganzen Welt am meisten liebte zu hassen. Denn nur das half mir über diesen quälenden Verlust hinweg, den ich im Grunde selbst zu verantworten hatte, und den ich doch nicht verhindern konnte, hätte doch jeder weitere Tag in seiner Nähe unweigerlich noch viel mehr Schmerz für mich bedeutet. Vielleicht auch für ihn. Ja… Er liebte mich noch. Ich hatte es gespürt. Mal freundschaftlich… mal leidenschaftlich… Doch er liebte Gwen mehr. So sehr, dass er sie heiraten würde. Heute. Jetzt. Ich krümmte mich auf meiner Liegestatt zusammen, machte mich ganz klein gegen den Schmerz, der wieder und wieder über mich hinweg rollte. Ich ließ den Gedanken gar nicht erst an mich heran, dass auch er gelitten hatte bei unserem Auseinandergehen vor ein paar Tagen, dass allein ich es war, die Leid und Leidenschaft in seinem Leben verkörperte. Gwen… war Sicherheit… Ruhe und Zuversicht für ihn. Ich wusste dies sehr genau. Niemand kannte ihn so wie ich es tat. Er floh sich in Guineveres Arme, genoss die Liebe, die sie ihm entgegenbrachte und begann sie zu erwidern, was mich unweigerlich gebrochen hätte, hätte ich auch nur eine Sekunde länger darüber nachgedacht. Und so verstand ich überhaupt nicht, was mich dazu trieb langsam aufzustehen, meinen Mantel zu ergreifen und die Hütte zu verlassen. Ich verstand nicht, warum ich den Weg in Richtung Schloss einschlug. Schwach, da ich seit Tagen nichts gegessen hatte, allein und dennoch von dem unbändigen Willen ihn noch einmal zu sehen vorangetrieben, machte ich mich auf meinen Weg nach Camelot, zu dem Ort, den ich einst mein Heim nannte - und der es im Grunde doch niemals gewesen war. Vielleicht… würde ich es schaffen. Vielleicht, wenn ich ihn sah, mit Gwen…, diese Hochzeit... Vielleicht würde ich dann die Kraft finden mich endgültig zu lösen. Vielleicht würde ich ihm dann endlich den Rücken zukehren können. Ihn leben lassen können. Ich wollte noch immer seinen Tod. Doch nur zum Preis von meinem eigenen, wenn es irgend möglich wäre. Aber auf der anderen Seite… krümmte sich meine Seele vor Pein bei dem Gedanken daran, diesen strahlenden Jungen, der mich immer so vertrauensvoll angesehen hatte, jenen Sommerkönig, der er immer für mich gewesen war, für immer zum Schweigen zu bringen. Doch wenn ich ihn nicht haben konnte… sollte ihn niemand haben. Es würde hart werden. Es würde sehr schlimm werden für mich. Doch ich musste einfach gehen. Denn da war etwas in mir, das ihn Trotz allem immer noch liebte, das ihn einfach nur sehen wollte, wieder und wieder, und wenn es mich an den Rand des Wahnsinns treiben sollte, ihn mit einer anderen zu sehen. Aber ich würde ihn sehen können. Und vielleicht… würde der Schock heilsam sein. Ja… Vielleicht… Doch im Grunde wusste ich es nicht, gar nichts wusste ich. All dies waren Hoffnungen und Wünsche. Ich wusste weder, wie ich mich entscheiden würde, wenn ich weiterging, um mir das anzusehen, was mich auf der ganzen Welt am meisten schmerzen würde, noch ahnte ich genau, warum ich dies überhaupt tat, wo ich doch wusste, es würde mich zerstören. Aber unweigerlich… wie von einem magischen Band gezogen, das mich noch immer, nach all den Jahren, an Arthur knüpfte, wurde ich zu ihm hingezogen. Zu ihm und meinem Verderben. Doch wie auch meiner hilflosen Eifersucht gegenüber, so konnte ich auch dem kaum etwas entgegensetzen. Meine Welt… Sie würde heute entweder enden… oder in weiterem Schmerz untergehen. Einem Schmerz, den ich sie alle spüren lassen würde, wenn es so weit war. Doch nicht heute. Nicht jetzt… Ich war so müde… Ich war es alles so müde… I heard that you're settled down, that you found a girl and you're married now I heard that your dreams came true Guess she gave you things I didn't give to you You know how the time flies, only yesterday was the time of our lives We were born and raised in a summer haze, bound by the surprise of our glory days I hate to turn up out of the blue uninvited, but I couldn't stay away, I couldn't fight it, I had hoped you'd see my face, and that you'd be reminded that for me it isn't over Don't forget me, I beg, I remember you said, "Sometimes it lasts in love, But sometimes it hurts instead." Nothing compares, No worries or cares, Regrets and mistakes, they're memories made, Who would have known how bittersweet this would taste? Don't forget me, I beg, I remember you said, "Sometimes it lasts in love, But sometimes it hurts instead." Sometimes it lasts in love, But sometimes it hurts instead… ~~~oOo~~~ Songtexte: "Mordred's Lullaby" by Heather Dale and "Someone like you" by Adele Kapitel 3: Shattered hope ------------------------- Hallo, meine Lieben! Auf zum letzten Kapitel dieser Fanfiction. Dieses einen Teils meiner Artus-Saga aus der Sicht von "ArMor". ;) Nun kommen wir zum Höhepunkt der Geschichte, der Hochzeit von Gwen und Arthur aus Morganas Sicht. Gosh, ich hab so mit ihr mitgelitten... Ich wünsche hoffentlich gute Unterhaltung und mache mich hiernach nun endlich, endlich an das, was ich schon die ganze Zeit im Hinterkopf habe: Die Schlacht von Badon. Na, ich hoffe das klappt so wie ich mir das denke... So, und nun fühlt, leidet und weint mit, denn bei mir ist Arthurs und Guineveres Hochzeit zwar für das Volk ein schönes, für Morgana jedoch ein sehr trauriges Unterfangen... Bis denn! Freu mich immer über ehrliche Meinungen und Kommentare. Bin ja immer noch am Experimentieren. ;) Eure Morgaine ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ~Shattered hope~ Oh, you can hear me cry see my dreams all die from where you're standing on your own It's so quiet here and I feel so cold This house no longer feels like home Oh, when you told me you'd leave I felt like I couldn't breathe my aching body fell to the floor Then I called you at home you said that you weren't alone I should've known better now it hurts much more You caused my heart to bleed and you still owe me a reason I can't figure out why... Why I'm alone and freezing while you're in the bed that she's in I'm just left alone to cry… Die Sonne stand bereits tief über den Downs, als meine Schritte schließlich immer langsamer wurden. Ich war den ganzen, weiten Weg nach Camelot gelaufen. Warum ich das getan hatte? Ich wusste es selbst nicht so genau. Meine Füße schmerzten. Es grenzte an Selbstkasteiung. Doch ich fügte mich ohne Protest in das Joch, das dieser Tag für mich bereithielt. Der Schmerz meiner Füße wirkte klein und schwach im Vergleich zu der Last in mir, die immer größer wurde, je näher ich der Burg kam. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Endlich traten die dichtbelaubten, alten Bäume des Waldes zurück und gaben den Blick frei auf das Dorf und das Schloss. In goldenes, warmes Abendlicht getaucht ragte die Burg, meine ehemalige Heimat, in den wolkenlosen Himmel. Die weißen Mauern strahlten. Glockengeläut schallte zu mir herüber. Und das Lachen und Singen vieler Menschen. Mein Herz wurde schwer. Der Schmerz, die Last in meiner Brust wurde für einen Augenblick beinahe übermächtig. Ich keuchte, als hätte ich eine Flucht hinter mir, nicht eine Wanderung. Aber in diesem Moment wog die seelische Anstrengung mehr als die körperliche. Sehr viel mehr. Doch um vor mir selbst zu bestehen musste ich dies nun hinter mich bringen. Ich musste es tun. Ich hoffte, dem Ganzen die Unwirklichkeit, das Unantastbare zu nehmen, indem ich mir das ansah, indem ich mir klar machte, dass auch sie nur Menschen waren, Menschen wie ich. Und indem ich mir vor Augen führte, dass etwas das von Menschen aufgebaut, entschieden wurde, auch genauso wieder vergehen konnte. Nichts auf dieser Welt hält ewig. Wenn mir eines in den letzten Jahren umso deutlicher klar geworden war, dann dies. Und voll Verbitterung blickte ich hinab auf das feiernde, lärmende Volk von Camelot, auf den Ort, an dem ich nun eigentlich sein sollte - nicht sie. Sie hatte kein Recht... Ich schloss die Augen, weil der Schmerz wie ein dumpfes Pochen in meinem Leib wütete. Nein. Ich gehörte nicht hierher. Nicht mehr und niemals wieder. Jedes einzelne dieser Gelächter zeigte es mir deutlich, denn ich selbst würde niemals wieder lachen können, mich niemals wieder unter all Jene mischen können, die von der Sonne geliebt, von den Mitmenschen geachtet und von der Nacht gemieden wurden. Warum? Warum tat ich mir das nur an? Warum war ich hier, wo ich doch sehr genau wusste, dass nichts auf der Welt mir mehr Schmerz zufügen würde wie das Wissen, ihn für immer verloren zu haben? Es gab und würde immer nur eine Antwort geben. Arthur... Arthur... Ich muss dich sehen... Ich war näher herangetreten. Als würde mich ein unsichtbares Band unerbittlich zu ihm hinziehen, zu diesem Licht, dieser Sonne meiner Vergangenheit. Es gab kein Entrinnen. Nicht für mich. Ich musste mich dem stellen. Diesem Bild von ihm und ihr. Dem Mann, der meine Liebe besaß und der Frau, die diese nun für sich beanspruchte. Wenn man alles andere außer Acht ließ, dann war mir durchaus klar, dass es bei unserem Zwist weder um das Erbe der Pendragons, noch essentiell um die Tatsache ging, dass auch Arthur der Magie noch ablehnend gegenüberstand, auch wenn mich dies selbstverständlich ärgerte. Nein, im Wesentlichen ging es hier nur um Eines: Um Eifersucht. Um unerfüllte Sehnsucht. Um verletzte Gefühle und Einsamkeit. Um Schmerz und Verlust. Es war erbärmlich und geradezu kleinlich wenn man bedachte, dass es so viel tiefgreifendere Qualen in meinem Leben gegeben hatte, doch ich konnte nicht aus meiner Haut, konnte nicht verhindern, wie ich fühlte, dass ich nach wie vor verzweifelt liebte. Und ich wollte es auch gar nicht mehr. Später, in der Geschichtsschreibung, mochte lediglich zu lesen sein, dass der Hass der Geschwister das Reich erschütterte, dass der Streit einzig aus der Tatsache entstand, dass ich diesen verdammten Thron für mich wollte, der mir sehr wohl auch zustand, und dass ich um Freiheit für die Magie kämpfte. Sollten sie. Sollten sie es so niederschreiben, sollten die Oberflächlichen es so glauben. Sie hatten keine Ahnung, niemand wusste, wie es wirklich in mir aussah, wie allein ich war. Doch es gab keinen Weg mehr zurück. Zu Vieles war bereits geschehen. Und jetzt, heute, wurde mir das einmal mehr deutlich vor Augen geführt. Arthurs Hochzeit mochte der letzte Nagel sein, der in meinen Sarg getrieben wurde, in den Sarg meiner Hoffnung. Ich hatte ihn endgültig und unwiderruflich verloren. Dieses Kind, das mir so vertraut hatte, für das ich immer stark sein konnte, und diesen Mann, dem ich einst gehörte und den ich niemals aufhören würde zu lieben. Er mochte noch etwas für mich empfinden, ja, ich hatte es gesehen. In seinen Augen war so viel Gefühl für mich gewesen, so viel verzweifelte Zuneigung und Hoffnung. Und ich hatte sie mit Füßen getreten. Es war mir nicht möglich gewesen, diese Gefühle zu erwidern, meine eigenen zu erkennen zu geben, auch wenn mir klar war, dass ich vor ihm nichts verbergen konnte. Das hatte ich noch nie gekonnt. Doch ebenso musste auch er wissen, was er mir mit diesem letzten Schritt, meine ehemalige Dienerin zu heiraten, antat. Wie konnte er? Wie konnte er nur? Das Land brauchte eine Königin. Es brauchte einen Thronerben. Er brauchte einen Erben. Der Schmerz, der mit dieser Erkenntnis einherging war unglaublich, brachte er doch erneut und unabwendbar jene Qual mit sich, welche der Verlust unseres ungeborenen Sohnes - denn ich wusste einfach, dass es ein Sohn gewesen war - hervorrief. Ich stöhnte vor Pein. Ich hätte Arthur diesen Erben schenken können... Schmerzvoll schloss ich die müden Augen. Es hatte keinen Sinn mehr darüber nachzudenken. Und doch tat ich es. Wieder und wieder drehten sich meine Gedanken im Kreis. Und ich kam sogar hierher, an diesen Ort, um mir das anzutun, um dabei zu sein, wenn er mit einer anderen Frau den Bund für's Leben schloss und damit unmissverständlich klar machte, wen er als Mutter seiner zukünftigen Kinder ausersehen hatte. Es tat so unendlich weh... Ich hatte den Stadtrand erreicht. Dort, auf einem nahen Hügel, umgeben von Hochkreuzen, welche die Gräber meiner, unserer, Ahnen bewachten, stand ich im Schatten eines uralten Baumes. Die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht gezogen hatte ich freien Blick hinunter durch eine Gasse bis zum Marktplatz. Lärmend lief eine Gruppe Kinder vorbei. Sie zogen bunte Papierdrachen in den Farben des Pendragon hinter sich her. Arthur und Guinevere würde ihren Festzug durch den Ort mit Sicherheit bald antreten. Die Anwohner versammelten sich bereits am Rande der Hauptstraße. Bunte Wimpel wehten im Wind. Feierliche Erwartung lag in der Luft. Und ich spürte einmal mehr, dass dies nicht mehr meine Welt war, dass ich mich bereits zu weit in den Schatten befand, um noch dieses Licht genießen zu können. Ich war eine Ausgestoßene. Und ich war selbst Schuld daran. Ich war nicht mehr fähig bei ihm zu sein ohne ihn haben zu können. Die Zeiten, in denen ich dies geschafft hatte, waren vorbei und vergangen. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich war es Leid mich verstellen zu müssen. Ich wollte ihn ganz oder gar nicht. Und wenn ich ihn nicht haben konnte, dann würde ich ihn eben bekämpfen. Ich würde ihn ihr nehmen. Ich würde ihn mit mir nehmen in jenes Land, den einzigen Ort, wo wir beisammen sein konnten. Eines Tages... Meine Liebe war selbstzerstörerisch, vernichtend. Meine Liebe war allumfassend und groß. Meine Liebe war mein Verderben. Doch so wie ich atmete konnte ich auch sie nicht verlieren - ich durfte nicht, denn sie war alles was mir in der Dunkelheit geblieben war: Jenes geliebte Bild eines Prinzen, eines Königs, der mein hätte sein können. Ich war schuld. Doch er... er... war es genau so. Und er wusste darum. Ich hatte auch das gesehen in jenem zeitlosen Augenblick unseres Zusammentreffens. Er machte sich Vorwürfe. Er war nach wie vor entschlossen, mich zu bekehren. Wie heroisch, wie selbstlos von ihm. Doch ebenso war er sich der Tatsache meiner Gefühle bewusst. Diese verhinderten jegliche Annäherung. Denn er durfte und konnte dem, was er noch selbst fühlen mochte und doch verleugnete, nicht nachgeben. Das Reich, Camelot, stand bei ihm an erster Stelle und dies war mir der einzige, schwache Trost in jenem Moment, wo ich hier stand und diese Hochzeit beobachtete. Denn auch sie... auch sie würde teilen müssen. Auch sie würde verzichten müssen. Denn Camelot war wichtiger als wir alle zusammen. Manchmal, in all meinem Schmerz, vergaß ich dies. Aber ja, Camelot war für Arthur alles. Nicht Gwen. Und schon gar nicht ich. Tränen brannten in meinen Augen. Camelot... hatte auch mir einmal alles bedeutet. Doch Uther hatte diese Bedeutung, all meine Gefühle, in den Dreck gezogen, sie zunichte gemacht und umgekehrt, gegen mich selbst gekehrt. Ich hasste Uther dafür und verwünschte ihn noch bis ins Grab hinein. Ja. Uther hatte alles verdorben. Uther war an allem schuld. Und für eine winzige Sekunde verspürte ich beinahe Erleichterung dabei, all diese Last, all diese Gewissensbisse und Schuldgefühle auf diesen einen Mann zu projizieren, der ohnehin mein Leben zerstört hatte – oder es zumindest unmöglich gemacht hatte, denn ich konnte wesentliche Teile von mir niemals ausleben unter seiner Herrschaft: Die Liebe zu seinem Sohn und die Magie. Schließlich hatte er sogar nach seinem Tod noch einen so großen Schatten geworfen, dass Arthur weiterhin danach strebte, das Königreich seines Vaters aufrecht zu erhalten, die Magie zu ächten. Es war ein Trauerspiel. Würde sich der junge König jemals von seinem Vermächtnis trennen können und sein eigenes finden? Doch selbst wenn dies eines Tages der Fall sein sollte… Die Zukunft war für uns verloren. Und sie wurde am heutigen Tag, hier und jetzt, endgültig besiegelt. Meine Hand fasste suchend nach der beruhigenden Gegenwart des nächsten Baumes, berührte die borkige Rinde, fühlte das Reale, das Lebendige, das von ihr ausging, um mich daran zu erinnern, dass auch ich noch lebte, noch Teil dieser Welt war, die mir momentan ständig zu entgleiten schien. Meine Augen, groß, grün, beinahe ängstlich suchend, tasteten die Gassen und Wege Camelots ab, ihr Blick glitt hinauf über das Burgtor und zu den Zinnen der Zitadelle, die ich so gut kannte. Ich zuckte unmerklich zusammen, als Fanfarenbläser das Kommen des Königspaares ankündigten. Keine Zeit mehr, mich vorzubereiten, keine Zeit mehr, mich zu wappnen. Die Trauung war bereits vollzogen worden. Arthur und Guinevere würden nun wohl in feierlicher Prozession durch die Stadt gehen. Ich würde die Gelengenheit haben, ihn zu sehen. So wie ich es gewollt hatte. Vielleicht... zum letzten Mal. Der von den Burgmauern her aufbrandende Jubel des Volkes verriet mir, wo sich das Paar befinden musste. Auf dem Marktplatz traten Mädchen vor und warfen Blüten in die Luft, verwandelten den Boden, auf dem die frisch Vermählten liefen, in einen einzigen, duftenden, farbenfrohen Teppich. Und ich stand dort, auf jenem Hügel, wie erstarrt, versteinert und unfähig auch nur einen Muskel zu rühren. Denn wie immer fühlte ich seine Gegenwart lange bevor ich ihn sah. Und ebenso spürte ich sein Glück, seine Freude. Und es war, als würde eine glühende Klinge in meinem Herzen gedreht werden. Ich hätte nicht herkommen sollen. Nein, ich hätte nicht herkommen dürfen. Doch es war zu spät. Viel zu spät um noch umzukehren. Und was hatte ich denn erwartet? Natürlich tat es weh. Doch wenn ich geglaubt hatte, der Schmerz der vergangenen Monate und Jahre hätte mich abgehärtet, so sah ich mich nun eines Besseren belehrt. Meine Hand schloss sich so fest um die Rinde des Baumes, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, dass das raue Holz in mein Fleisch schnitt. Ich spürte es nicht. Alles was ich sah, war er. Alles was ich fühlte, war er. Es war niemals anders gewesen. Und es würde niemals anders sein. Once and future. Gewesen und zukünftig. Wie bitter. Welch eine Ironie. Wie unendlich traurig. Seine Rüstung glänzte in der Sonne. Mit hoch erhobenem Haupt schritt er über den Platz. Der dunkelrote Zeremonienmantel, der über seine breiten Schultern fiel, bauschte sich hinter ihm wie Flügel im aufkommenden Abendwind. Er strahlte. Alles an ihm strahlte: Seine blauen Augen, sein ganzes, wunderschönes Gesicht, das ich so gut kannte, sein Haar, das glänzend das späte, warme Sonnenlicht auffing, und natürlich die Krone, die Krone von Camelot, deren Gewicht er heute nicht zu spüren schien. Denn da war sie. An seiner Seite war sie, strahlend schön, zerbrechlich und doch erhaben. Guinevere… Ich hatte geglaubt, das Schlimmste in meinem Leben bereits hinter mir zu haben. Doch ich hatte mich getäuscht. Wie so oft. Dies hier war... Es war exakt derselbe, erbarmungslose Schmerz der mich zerriss, als ich unser Kind dem Tod überantwortete in jener lange zurückliegenden Nacht, in der ich kaum wusste was ich tat. Oder nein... Dies heute war... anders. Gänzlich anders. Aber dennoch derart unerbittlich und zerstörerisch und jetzt und hier noch so viel schlimmer, als es die Qualen seinerzeit waren, waren diese doch in den gnädigen Nebel des Vergessenszaubers gehüllt gewesen und lagen lange zurück... Heute... Heute war dies hier das Schlimmste, was ich in meinem ganzen bisherigen Leben erlebt hatte. Und der Schmerz war unbeschreiblich. Ganz, ganz langsam und unerbittlich glitt ich an der Seite des Baumes in die Knie. Ich konnte nicht atmen. Ich konnte nicht denken. Meine Welt hielt inne, stand still, und niemand wusste darum, niemanden kümmerte es. Mein Leib kapitulierte vor der Wucht der in mir tobenden Gefühle – und der dennoch allumfassenden, vakuumgleichen Stille, die meinen Kopf auszufüllen begann, die all meine Gedanken hinwegfegte, bis nur noch ein kleines, einsames, verängstigtes Mädchen in der Leere zurückblieb, das sich sämtlicher Hoffnung und Lebenskraft mit einem Schlag beraubt sah. Ich schrie, doch ich hatte keine Stimme. Ich weinte, doch ich hatte keine Tränen. Ich tobte, wütete, schlug um mich, doch ich hatte all meine Kraft verloren. Es war geschehen. Er hatte es tatsächlich getan. Vielleicht war ein Teil von mir auch deswegen hierhergekommen, um zu sehen, ob er das wirklich tat. Ob er nicht kurz vorher einsah, was er uns, was er mir damit antat. Doch natürlich hatte er es nicht getan. Er konnte nicht. Er handelte so, wie es ein König tun musste. Und dennoch hasste ich ihn dafür. Und liebte ihn wie wahnsinnig. Und allein die profane Vorstellung davon, dass sie ihm gehören würde, ab dieser Nacht sein Bett teilen würde, ließ mich beinahe meinen Verstand verlieren. Ja, etwas änderte sich in mir in jenem Augenblick. Keine Frage. Etwas geschah mit mir. Aber ob es nun tatsächlich jene Loslösung von ihm war, die ich mir erhofft hatte, konnte ich hier und jetzt noch nicht beurteilen. Ich konnte rein gar nichts mehr klar beurteilen. Durch einen Schleier von Tränen sah ich den Boden auf mich zukommen, spürte das weiche Gras unter meinen Knien, als sie nachgaben, als ich auf die Erde sank, Auge in Auge mit meinen verstorbenen Ahnen, halb verborgen hinter den Hochkreuzen, die dräuend und mahnend über diesen Ort wachten und ihren Schatten über mich legten. Ja. Schatten. Dunkelheit. Komm und verbirg mich, verbirg das, was ich bin, was ich hasse an mir. Das, was er nicht mehr liebt. Ohne ihn… Und während Arthur und Guinevere, die strahlende neue Königin von Camelot, eine Empore mitten auf dem Marktplatz erklommen, die eigens dafür aufgestellt worden war, während dutzende von Kindern lachend einen bunten Reigen um das Paar herum tanzten und die feiernde Menge von warmen Sonnenstrahlen umhüllt wurde, während der König seine Königin in seine Arme zog, sich seine Lippen auf ihre senkten, da zerriss es mich, meine Seele, alles, was noch jene unbedarfte, hoffende Morgana in mir ausgemacht hatte bis zu diesem Zeitpunkt. Es zerriss mich, riss mir das Herz aus dem blutenden Leib, und mein Schrei bahnte sich endgültig seinen Weg. Ich fiel, fing mich mit einer Hand auf der Erde ab, die andere Hand auf die Brust gepresst, in den Stoff meines Kleides gekrallt, in der Hoffnung, ich möge nicht auseinanderfallen, ausgehend von diesem riesigen schwarzen Loch, das mich ausfüllte und immer größer wurde. Ich fiel nach vorn und schrie einen lautlosen, wahnsinnigen, verzweifelten Schrei. Doch in mir, tief in meiner schwarzen Seele, da war dieser Schrei ohrenbetäubend. Dort füllte er laut und schmerzvoll jene Leere und Stille aus, die ich zuvor empfunden hatte. Ich schrie und schrie und fand weder Trost noch Erleichterung darin. Es war einfach nur notwendig. Und unabwendbar. Denn ein Teil von mir starb in diesem Moment. Ein Teil von mir starb unwiderruflich. Arthur! ARTHUR! Warum? WARUM? Warum sie? Warum nicht ich? Verlass mich nicht! Bitte verlass mich nicht! Doch er hatte es schon getan. Ich fühlte es. Denn ich spürte die ruhige, zuversichtliche Erfüllung, die er in ihr fand. In ihr. Nicht in mir. Blut lief an meinem Handgelenk herunter, tropfte ins feuchte Gras, so fest hatte sich meine Hand, die zuvor an der Baumrinde hinabgerutscht war, um das spröde Holz geschlossen. Es war mir gleich. Arthur.. Oh Arthur… In diesem konkreten Augenblick hatte ich den Eindruck, dass mir niemals zuvor je etwas so weh getan hatte. Denn alles, alles war nur noch weißglühender, erbarmungsloser Schmerz. Minuten vergingen. Sie kamen mir vor wie Stunden. Und dem Wahnsinn folgte wieder Stille. So allumfassend und so endgültig, dass ich nicht einmal mehr die Geräusche um mich herum wahrnahm. Meine Stille umfasste die Welt. Stunden. Tage. Jahre. Ich hob langsam den Kopf. Es war keine bewusste Entscheidung. Ich tat es einfach. Auf dem Marktplatz wurde immer noch gefeiert. Die Königin hatte sich unter das Volk gemischt. Aber Arthur stand noch dort, auf jener mit Blumengirlanden geschmückten Empore. Und sein Blick traf so unvermittelt, so zweifellos den Meinen, dass es mich ein zweites Mal innerhalb von kurzer Zeit komplett erschütterte. Ich erstarrte. Wie… konnte… Sah er mich? Das war… doch unmöglich? Und doch war sein Blick, der Blick seiner ungläubig geweiteten, dunkelblauen Augen, so unmissverständlich auf mich gerichtet, dass es einfach kein Zufall sein konnte. Er sagte nichts. Er tat auch nichts. Kein Befehl, keine Anweisung, mir zu folgen, mich gefangenzusetzen. Nichts. Er stand nur da während die Sonne langsam schwand, während um ihn her bunte Lampions angezündet wurden, das Volk weiterhin feierte und tanzte. Er stand da, ignorierte Fragen, die ihm gestellt wurden, Aufforderungen zum Tanz, und schaute mich unverwandt an. Mich. Nicht sie. Ein Schluchzen entrang sich meiner Kehle. Natürlich. So wie ich mit ihm verbunden war und seine Freude an diesem Tag spüren konnte, so konnte er auch meine abgrundtiefe Trauer und Verzweiflung spüren. Es musste so sein. Das Band, das uns nach wie vor aneinander kettete, hatte ihn dazu gebracht mich zu finden, mich zu sehen, inmitten all dieses Trubels. Und ich konnte auf diese Entfernung den Blick seiner Augen zwar nur deuten, doch ich vermeinte etwas darin zu sehen, das mir, so widersinnig das auch klingt, wieder ein wenig Leben zurückgab. Er bat um Vegebung. Seine Lippen formten lautlos meinen Namen. So lautlos, einem Hauch gleich, wie sie es auch in jener einen Nacht dicht an meiner Haut, an meinem Ohr, getan hatten, als wir beieinander lagen, als er mich liebte. Und seine Augen, groß und traurig, baten mich um Vergebung. Eine Vegebung, die ich ihm niemals gewähren konnte. Niemals. Und er musste das wissen. Ganz langsam, schwankend, vorsichtig, erhob ich mich. Meine Glieder taten weh. Ebenso wie meine wunde Handfläche. Doch ich erhob mich. Ich stütze mich an dem Baum ab, erwiderte den Blick des Mannes, der unsere Liebe endgültig verdammt hatte. Und ich hob den Kopf, schob das Kinn vor. Mein Lippen bebten. Niemand hätte mir diese Gestik und Haltung der vorgetäuschten Stärke auch nur entfernt abgenommen, wenn er direkt vor mir gestanden hätte. Doch er, sie alle, waren weit weg von mir. Und so war meine Geste wohl unmissverständlich. Und ganz langsam schüttelte ich den Kopf. Ich verweigerte ihm meine Absolution. Wie konnte er sie auch nur verlangen? Wie konnte er es wagen? Die Wut kehrte zurück. Vertraut und verhasst wie ein geduldeter, alter Freund, der einen hin und wieder im Stich ließ – so wie er mich auch in der vergangenen Stunde im Stich gelassen hatte. Der Blick in Arthurs Augen wurde um noch eine Spur trauriger. Er presste die Lippen aufeinander. Mein Blick war so fixiert auf sein Gesicht, dass ich die Worte buchstäblich von seinem Mund ablesen konnte, als er nun lautlos zu mir sprach. „Vergib mir. Ich musste es tun. Aber ich werde dich nicht aufgeben. Niemals." Heuchler! Lügner! Hör auf so zu tun als würde ich dir noch etwas bedeuten, Arthur Pendragon! Denn du hast mit dem heutigen Tag ohne jeden Zweifel bewiesen, dass ich es nicht tue! Wage es nicht, niemals wieder, meine Handlungen in Frage zu stellen! Ich hasse dich! Ich hasse dich so sehr, Arthur! Ich ignorierte seinen gequälten Gesichtsausdruck und die Tatsache, dass allein ich dafür verantwortlich war, dass er an seinem Hochzeitstag so fühlte. Denn ich sah mich im Recht und ihn im Unrecht, war unfähig zu urteilen oder zurückzustecken. Ich hatte bereits so oft zurückgesteckt. Ich fuhr herum und floh. Ich floh hinein in die aufkommende Nacht und die Dunkelheit des Waldes. Ich floh vor ihm, vor all dem, was er mir einst bedeutet hatte, vor meiner Vergangenheit und vor mir selbst. Ich würde nicht immer fortlaufen können. Und ich würde es auch nicht immer wollen. Doch jetzt… war alles Schmerz, war alles Wut, war alles Schwärze und Leere. Nichts war mehr wichtig in diesem einen, zeitlosen Augenblick. Und nur ein Gedanke gab mir Trost in diesem Moment: Der Gedanke an einen silbernen Dolch in meiner Hand. Der Gedanke, diesen in sein Herz zu senken, eines Tages. Der Gedanke, ihn ihr ins Herz zu treiben. Und anschließend mir selbst. Ich würde die Pendragons zerstören. Ich hasse dich, oh Gott, wie sehr ich dich hasse, Arthur Pendragon! Und doch wusste ich, während ich lief, während jeder Atemzug wie ein Schrei meine bebenden Lippen verließ, während ich seinen Namen flüsterte, wieder, immer wieder, wie eine Wahnsinnige, keuchend, schmerzvoll, dass das nicht stimmte. Ich liebte ihn. Immer noch. Ich hatte mir etwas vorgemacht. Ich hatte mich nicht von ihm gelöst durch das, was ich heute gesehen hatte. Ich würde mich niemals von ihm lösen können. Denn er war ich. Und ich war er. Es war niemals anders gewesen. Es würde niemals anders sein. Ich liebte ihn. Verzweifelter, noch inniger, noch hoffnungsloser als je zuvor. Ich ließ die Feier, Camelot und die Liebe meines Lebens hinter mir zurück und wusste, dass nun die Weichen für die Zukunft gestellt worden waren, endültig und unwiderruflich. Ja. Ich werde dich töten, Arthur. Uns beide. Und möge die große Göttin mir vergeben, ich tue es, damit wir beide wieder vereint sein können. Ich muss es tun. Ich kann nicht atmen ohne die Hoffnung, dich eines Tages wieder mein nennen zu können. Denn du warst es einmal. Erinnere dich, du warst es! Und ich war dein... In jenem Stall vor so langer Zeit, als die Sonne Muster in dein Haar zeichnete. Auf jener Wiese am River Cam, wo du mich in deinen Armen gehalten hast, meinen Namen auf deinen Lippen. Ich war es, als du unter jenem Dornbusch im Moor mit mir geweint hast. Und ich war es in jener Nacht der Liebe, die alles veränderte, die alles bedeutet, die niemals, niemals enden wird in meinen Gedanken. Und ich war es auch dann noch, als ich das Leben, das das daraus entstanden war, dieses Kind, das einzig Gute, was wir beide jemals geschaffen hatten, dem Tod überantwortete... Deinetwegen... Deinetwegen... Heiße Tränen strömten mein Gesicht hinunter. Endlich. Endlich konnte ich wirklich weinen. Um ihn. Um mich. Um uns. Und mein Schluchzen zerriss die aufkommende Nacht, hallte klagend und weithin hörbar durch den Wald, ließ die Welt innehalten und den Himmel weinen. Die ersten, schweren Tropfen fielen aus den tiefhängenden Wolken und waren ein Echo meiner Seele, dessen, was ich fühlte in diesem Moment. Die Nacht legte ihre dunklen Schwingen um mich, verbarg mich, verschlang mich. Und Camelot feierte weiter. Im Licht. In Freude. In Hoffnung. Und niemandem schien aufzufallen, dass der König seltsam still war an diesem Abend. Niemanden schien es zu kümmern, dass er das Lachen verlernt zu haben schien. Indes, sein leichtes, von einem Hauch unmerklicher Trauer erfülltes Lächeln stimmte die Menschen froh. Er war ihr König. Jener eine, der sie niemals im Stich ieß, der für sein Volk alles tun würde. Und sein Lächeln bedeutete ihnen alles. Dass er nicht mehr lachen konnte ahnte niemand. Nicht einmal seine Frau, die umgeben und hofiert von den Rittern der Tafelrunde dastand und strahlte. Sie tat überhaupt nichts anderes mehr als das, an diesem, ihrem schönsten, Tag. An jenem Tag, der für jemand anderen der schlimmste war. You can hear me cry see my dreams all die from where you're standing on your own It's so quiet here and it feels so cold This house no longer feels like home… ~~~ Als Arthur Pendragon in dieser Nacht seine Frau liebte, da tat er es mit jener hingebungsvollen, zuversichtlichen Zuneigung, die seine Gefühle für Guinevere auch ausmachten. Er fand Erfüllung in ihr. Doch Schuldgefühle zerfraßen ihn. Denn alles woran er denken konnte war Morgana. Sie war die einzige, die erste Frau, mit der er jemals das geteilt hatte, was er nun mit Gwen teilte. Es lag nahe, dass der Akt die Erinnerungen wachrief, dass er schmerzende Wunden aufriss. Und während er seine Frau, seine wunderbare, schöne, geduldige Frau liebte, spürte er erstaunt, wie ihm Tränen über die Wangen liefen. Sie küsste sie fort, nahm seinen Kopf und bettete ihn auf ihrer Brust zur Ruhe. Sie tröstete ihn, ohne zu wissen warum er so weinte. Sie war da. Und es zerriss Arthur. Er wollte diese Gefühle in sich abstellen, sie herausreißen. Für sie, seine Gwen, und für sich selbst. Für sie beide. Doch es war ihm nicht möglich. Es würde ihm niemals möglich sein. Seine Liebe zu Morgana war stärker. Und darum weinte er. So weinten beide in jener Nacht. Morgana und auch Arthur. Diese Nacht läutete den Beginn des noch viele Jahrhunderte später weithin bekannten goldenen Zeitalters ein. Arthurs Regentschaft würde ihren Höhepunkt finden. Zugleich aber bedeutete jede einzelne jener in dieser Nacht geweinten Tränen den Beginn vom Ende. Denn so, wie die Nacht zum Tag wird, so wie der Sommer dem Winter weichen muss, so muss auch eine erfüllte Herrschaft einmal vergehen. Dunkle Wolken zogen herauf. Von Osten her kommend, über die Meerenge. Und sie warfen lange Schatten. Nichts und niemald würde sie aufhalten können. Doch in jener Nacht, als alle Tränen geweint waren, als aller Schmerz im Schlaf seine Ruhe fand, da träumten sie. Arthur und auch Morgana. Über die Grenzen ihrer Seelen und der Wirklichkeit hinaus suchten sie einander, so, wie sie sich immer gesucht hatten - rastlos, verlangend, sehnsuchtsvoll, nicht eher ruhend, bis der eine beim anderen war. Selbst wenn es ein Trugbild war, sie hießen es beide willkommen, ließen sich von ihm trösten. Sie träumten. Und in ihrer beider Traum schien die Sonne, ihr Licht wärmte sie, es heilte, und ihre Strahlen gaben Hoffnung. Er sah ihr Gesicht. Und sie sah das Seine. Lächelnd. Zuversichtlich. Ohne Schmerz, Zorn, Wut oder Verzweiflung. Sie sahen und erkannten einander. Sie fanden einander. Das würden sie immer tun. Und sie würden sich niemals verlieren. Denn sie waren füreinander bstimmt. Würden es immer sein. Und während sich ihre Hände fanden, sich ihre Finger miteinander verflochten, fielen Apfelblüten um sie herum nieder. Frieden. Es roch nach Sommergras. Und von Ferne drang das Murmeln eines Flusses an ihr Ohr. Das sanfte Schnauben von Pferden. Stille. Und Liebe. Pendragon und Faye. Immer... ~The end~ ~~~ Songtext: "So cold" by Ben Cocks Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)