Bullum Solare von Shub_Niggurath ================================================================================ Kapitel 1: Ein Tag im Leben der Usagi Tsukino --------------------------------------------- Was mache ich eigentlich hier?, fragte sich Usagi Tsukino und starrte in Gedanken versunken auf die herzförmige Brosche, in welcher der Silberkristall, die Quelle ihrer Macht, schlummerte. Ich weiß nicht, was ich hier mache... klar, die äußeren Umstände sind mir natürlich bekannt. Ich darf nicht studieren und Mama wollte mich nicht den ganzen Tag faul zu Hause herumlungern sehen, deswegen hat sie mir diesen dummen Job im Lebensmittelladen ihrer Schwester besorgt. Damit ich zumindest die Arbeitswelt kennen lerne, wie sie sagt. Doch das verbannt nicht das Gefühl, das ich im Moment ganz woanders sein sollte, um etwas Nützliches zu tun, anstatt Essen über die Kasse zu ziehen und Wechselgeld auszugeben. So bekommen zwar viele Leute ihre tägliche Kost, trotzdem ist meine Rolle vollkommen austauschbar. Vor drei Jahren war noch alles anderes. Da war es meine Aufgabe immer wieder den Menschen das Leben zu retten! Und es gelang mir und meinen besten Freundinnen sogar! Wir waren Auserwählte, eine einzigartige Rolle zu tragen! Und wir machten unseren Job richtig gut! Da hat es mich nicht gestört, wenn Mama mich als faulen Nichtsnutz abtat, da ich es besser wusste. Ich wusste, was ich konnte und wer ich war... ich war Sailor Moon. Doch wie ich mich nicht daran erinnern kann, wie es war, bevor Luna mir die geheimnisvolle Brosche gegeben hat, kann ich mich nach drei Jahren nicht mehr daran erinnern, wie es ist, Sailor Moon zu sein. Ich kenne das Gefühl nicht mehr, mich zu verwandeln und eine andere Identität anzunehmen, ich kenne das Gefühl nicht mehr in Todesangst eine böse Kreatur vernichten zu müssen. Ich weiß ja nicht einmal mehr wie mein Kostüm genau aussah! Ich frage mich, ob es den anderen Mädchen auch so geht, doch ich traue mich nicht sie darauf anzusprechen. Schließlich habe ich so lange das Thema abgeblockt, und jetzt sind sie alle mit ihren Ausbildungen beschäftigt. Ami mit ihren zwei Studien und ihrem Job als Forschungsassistentin, Rei managet den Tempel ihres Großvaters, Makoto wird zur Star-Köchin ausgebildet und Minako spielt in einer Seifenoper mit. Mit Mamoru habe ich kurz darüber geredet, doch er vertröstet mich auf unsere sichere Zukunft als Königin Serenity und König Endymion. Doch kann meine Zukunft wirklich so strahlend werden, wenn meine Vergangenheit verblasst und ich keine Möglichkeit habe mich darauf vorzubereiten? Hätte ich die Aufnahmeprüfung auf die Uni bestanden, hätte ich mich zumindest politisch und philosophisch bilden lassen können. Doch das haben dämliche drei Punkte verhindert und nun hänge ich diesen sinnlosen Job fest, der mich daran hindert, für den nächsten Antritt zu lernen. Ein Job, den ich nicht mag, für den ich mich nicht anstrenge und bei dem ich trotz aller Einfachheit ständig Fehler mache... Ich wünschte, ich hätte einen Grund mich wieder in Sailor Moon zu verwandeln. So viel ich auch gelitten habe, ich wünschte, ein neuer Feind würde auftauchen, damit ich meine Fähigkeiten wieder unter Beweis stellen kann. Sodass ich zeigen kann, dass ich eine fähige Königin werde. Ich wünschte... „JUNGE FRAU!“, fauchte plötzlich eine Stimme. Usagi wurde aus ihren Gedanken gerissen und ließ vor Schreck die Brosche fallen. „Wären Sie so freundlich endlich zu kassieren! Die Tiefkühlware taut schon auf!“ Verängstigt starrte Usagi in das Gesicht der alten Frau. Ein so strenges Gesicht hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. „T...t...tut mir leid“, stammelte sie und griff hastig nach der Ware, die sie versuchte in Windeseile mit einem Taschenrechner zusammenzurechnen – wegen Tante Izumis Geiz hatte der kleine Laden keinen Barcodeleser. Doch in Usagis Hektik rollten drei Äpfel von der Theke. Die alte Frau hatte Mühe, die Früchte aufzusammeln, offensichtlich hatte sie Probleme mit dem Rücken. Das verfinsterte ihre Miene noch mehr. Als Usagi die Summe nannte, fauchte die Alte: „So teuer! Das sind nur zehn Produkte! Sie müssen sich verrechnet haben.“ Sie hätte der Alten geglaubt, wenn sie die Preise im Kopf zusammengerechnet hätte... Hatte sie eine Ware doppelt verrechnet? Oder sich vertippt? Usagi wurde panisch und die Feuer speienden Augen der Alten machten ihre Lage nicht besser. Vor Einschüchterung konnte sie sich kaum wehren: „I...ich d...denke, ich...“ „Was soll das heißen, Sie denken? Ich glaube, Sie können nicht denken! So etwas Inkompetentes! Ich werde mich bei der Eigentümerin beschweren!“ „Gibt es ein Problem?“ Wie gerufen tauchte Tante Izumi auf. Ihre Miene war das übliche strenge Gesicht einer Geschäftsfrau, wie immer war sie adrett gekleidet. Eine durch und durch vertrauenswürdige Frau, die nichts weniger leiden konnte als unhöfliche Kunden. „Ihre Kassiererin lässt mich ewig warten und kann dann auch nicht rechnen“, beschwerte die Alte. Izumis Auftreten hatte sie etwas beruhigt. „Das war der Taschenrechner!“, meldete sich Usagi dazwischen, doch Izumi warf ihr einen Blick zu, dass sie sich sofort auf die Lippen biss. Schon als Kind hatte Tante Izumi sie eingeschüchtert. Doch wenn sie mit unhöflichen Personen zu tun hatte, wie der alten Kundin, wünschte sie sich, genau so eine Wirkung auf Menschen wie ihre Tante zu haben. Usagi konnte ihre kindische Ader jedoch nicht ablegen und wirkte alles andere als autoritär. „Das wollen wir mal nachprüfen.“ Izumi kannte die Preise jeder Ware auswendig und kam nach Betrachtung der Produkte auf der Kasse zu dem Schluss: „Stimmt. Das sind ein paar Yen zu viel. Aber unsere junge Dame kann nichts dafür, da der Reis falsch etikettiert ist.“ Usagi grinste. Zwar hatte sie selbst schon genügend Fehler beim Etikettieren der Ware gemacht, doch dieses Mal war ihre Cousine Yuzuki dafür zuständig gewesen. Endlich hatte einmal diese eingebildete Göre einen Fehler gemacht! „Trotzdem hat sie mich warten lassen!“, erwiderte die Alte. „Und hat mein Obst fallen lassen.“ „Sie erhalten einen Gutschein dafür,“ meinte Izumi. Damit war die Alte tatsächlich zufrieden. Nach der Ausstellung des Gutscheins, wandte sich Izumi mit einem tiefen Seufzen an Usagi. „Was mach ich nur mit dir?“ Beschämt schaute Usagi auf ihre Hände und fühlte sich zurückversetzt in ihre Kindheit, als sie als aus der Naschwarenabteilung von Tante Izumis Laden Süßigkeiten geklaut hatte und ihre Familie sie zur Rede stellte. Mama Ikuko hatte gebrüllt, Vater Kenji getadelt, Izumi hatte sie nur verächtlich angesehen. Genau so wie sie es jetzt tat. Doch im Gegensatz zu damals verstand sie die Einstellung ihrer Tante. Sie kannte ihre Fehlerquote. „Das ist schon die dritte Kundin in vier Tagen die sich über deine geistige Abwesenheit beschwert. Und ich habe den Überblick verloren, die wievielte sie seit deinem Arbeitsantritt ist.“ Usagi lächelte beschämt: „Tut mir leid. Ich denke nur immer wieder an die Aufnahmeprüfung.“ Izumi nickte. Ihr Verständnis war nicht geheuchelt, denn sie hatte es selbst nicht auf die Universität geschafft. Das einzige Mal, als sie in ihrem Leben gescheitert war. „Weißt du was, nimm dir den Rest des Tages frei. Und den morgigen. Ruh deinen Kopf aus.“ Pause. „Doch wenn du danach weiterhin so verträumt an die Sache ran gehst, werde ich Ikuko sagen müssen, dass sie etwas anderes für dich suchen soll.“ „Okay, Tante Izumi. Das verstehe ich.“ Sie stand von ihrem Platz auf. Die Rolle der Kassiererin nahm für den Rest des Tages Yuzuki ein. Usagi klopfte unangekündigt an Mamorus Wohnungstür. Sie besaß zwar einen Schlüssel, doch ihr Verlobter hatte offensichtlich eine Abneigung dagegen, wenn sie ohne sein Beisein in sein Heim eindrang. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie schon öfters ein Chaos hinterlassen hatte, wenn er nicht da war. Usagi wurde allerdings das Gefühl nicht los, dass es sich um mehr handelte. Der Hauptgrund, dass sie sich im letzten Jahr irgendwie distanziert zu haben schienen, mag wohl Mamorus Diplomarbeit sein, derentwegen er auch den Kontakt zu alten Freunden auf ein Minimum reduzierte. Klar hatten Hochzeitsplanungen nun während des Stresses, eine gute Abschlussarbeit schreiben zu wollen, keinen Platz in seinem Leben. Doch er hatte schon gezögert ihr – wie versprochen – an ihrem achtzehnten Geburtstag einen Verlobungsring anzustecken; da hatte er die Arbeit noch nicht einmal begonnen. Und jetzt schien er nicht einmal mir ihr schlafen zu wollen – dafür war Stress und wenig Zeit eine sehr schlechte Ausrede. Es war ein zweischneidiges Schwert: einerseits verstand Usagi Mamorus Distanz, andererseits beunruhigte sie die Vorstellung, dass der angehende Arzt sich für seine Kassierin-Verlobte schämte. Mamoru öffnete die Tür. Er trug seine „Arbeitskleidung“ – ein ungewaschenes T-Shirt und eine Jogginghose. Doch auch in diesen hässlichen Klamotten sah der Mann einfach nur umwerfend gut aus. „Hey! Izumi hat mir frei gegeben“, sagte Usagi. „Soll ich dir was kochen?“ „Ich habe gerade gegessen“, antwortete Mamoru, nachdem er ihr einen schnellen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte. „Es ist noch ein wenig übrig geblieben. Willst du?“ Usagi nickte hastig. Zur besseren Bestätigung knurrte ihr Magen; ihr war noch gar nicht aufgefallen, welch einen Hunger sie hatte. Zwei Stück einer Tiefkühlpizza waren jedoch nicht sehr zufrieden stellend. „Wie geht es voran?“, fragte sie und schaute ihrem Verlobten über die Schulter auf den Computerbildschirm. „Besser als gestern, aber ich befinde mich noch immer in einem Tief.“ „Soll ich deine Muse sein?“ „Nur wenn du etwas von mesenchymalen Zellen verstehst.“ Usagi machte große Augen. Was war das gerade für ein Wort? Sie schaute sich etwas genauer den Text auf den Bildschirm an und erkannte, dass Mamorus Arbeit vor Begriffen, die sie noch nie in ihrem Leben gehört hatte, nur strotzte. Mal wieder fühlte sie sich richtig dumm, wenn sie mit seinem Medizinstudium konfrontiert war. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, schrieb Mamoru weiter. Usagi ließ sich auf die Couch fallen und schaltete den Fernseher ein. Ein amerikanischer Cartoon lief. Warum war er eigentlich so besessen davon, eine gute Arbeit zu schreiben? Kein Arzt wurde an der Qualität seiner Diplomarbeit gemessen. Wahrscheinlich lag es an Ami, die im zweiten Semester schon mehr erreicht hatte, als er jetzt, schließlich war vor zwei Wochen ein Artikel von ihr erschienen. Doch wollte er sich wirklich mit einer Hochbegabten messen? Er versuchte jedenfalls in Fachidiotendiskussionen mit ihr mitzuhalten – Usagi erinnerte sich mit Grauen an ein Gespräch zwischen den beiden, bei welchem sie nur stumm und dumm daneben gesessen hatte. Trotzdem lachte sie jetzt über die Katze im Fernseher, die gerade in die Luft flog. „Stellst du das bitte ab, ich kann mich nicht konzentrieren!“, fauchte Mamoru plötzlich. „Jaja, musst nicht gleich böse sein.“ Usagi drehte den Fernseher ab und starrte gelangweilt auf die Zimmerdecke. Sie hätte sich ein Buch von Mamoru leihen können, doch wahrscheinlich besitzt er nur welche, die ihr viel zu hoch waren. Mamorus Handy vibrierte plötzlich. „Verdammt“, fauchte er. „Was ist denn?“ „Meine Nachbarin hat einen Liegegips. Ich habe versprochen, ihre Einkäufe zu erledigen.“ Pause. „Dabei hatte ich gerade einen Geistesblitz.“ „Ich kann das ja machen!“, sagte Usagi euphorisch. „Dann kannst du weiter machen und die Dame kriegt trotzdem, was sie will.“ „Das wäre wirklich zuvorkommend von dir. Danke.“ Zuvorkommend... jetzt redete er schon mit ihr, wie er in seiner Arbeit schrieb. Sie hatte sich die Nachbarin ganz anders vorgestellt. Eine liebe, ältere Dame, die immer Kekse bereithielt, mit wuscheligen grauen Haaren, etwas untersetzt und Schwierigkeiten beim Gehen, weswegen sie sich beim Stufensteigen das Bein gebrochen hatte. Stattdessen handelte es sich um eine junge, attraktive Frau mit wunderschönem Gesicht, die sich das Bein beim Mountainbiken gebrochen hatte. Usagi kochte vor Wut, weil sie für dieses Weib so schwere Tüten hatte schleppen müssen. Eifersucht hatte sie schon oft gespürt, aber noch nie Wut. Dabei schien die junge Frau sehr freundlich zu sein. Sie hieß Nanami. „Ich wusste gar nicht, dass Herr Chiba eine Verlobte hat“, sagte sie. Welch ein Wunder, dachte Usagi und hoffte, dass man ihr ihre Wut nicht ansah. „Aber erzählt ja nicht viel von sich. Mein Portmonee ist in meiner Tasche. Nimm dir so viel, wie ich dir schulde. Puls Trinkgeld.“ Sie lächelte. Usagi fand in der Geldbörse nicht nur ausreichend Geld, sondern auch ein Foto von Nanami mit einem hübschen Typen, der sie umarmte. „Ist das dein Freund?“ „Ja“, sagte Nanami etwas verlegen. „Gerald. Er kommt aus Deutschland.“ Usagis Wut war von einer Sekunde auf die andere verflogen und an die Stelle trat Interesse: „Wieso erledigt er deine Einkäufe nicht?“ „Er ist bei seiner Familie. Sein Großvater ist gestorben und er hängt so lange im Ausland fest, bis die Erbschaft abgewickelt ist.“ Sie lächelte. „Er weiß noch gar nichts von meinem Beinbruch. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht. Er hat es noch nie gemacht, dass ich gerne gefährliche Sportarten betreibe.“ „Aber, was wird er denn sagen, wenn dich so vorfindet?“, fragte Usagi besorgt. „Ich weiß nicht. Ich habe auch noch keine Ahnung, wie ich mich rechtfertigen soll.“ „Dann ruf ihn jetzt an!“ Usagi schnappte sich Nanamis Handy aus ihrer Tasche und hielt es ihr unter die Nase. „Besser spät als nie.“ Nanami schob Usagis Hand mit einem Lächeln weg. „Danke, aber...“ „Ach, du musst keine Angst haben. Sobald er abgehoben hat, werden die Worte schon kommen.“ „Ich wollte sagen... Zeitzonen. Er schläft jetzt wahrscheinlich.“ „Ach...“ Das waren typische Dinge, an welche Usagi nie dachte. Spontan fiel ihr nicht einmal ein, wo Deutschland eigentlich lag. „Aber du versprichst mir, dass du ihn anrufst. Geheimnisse sind der Tod einer Beziehung.“ Nanami lächelte und nahm das Handy in die Hand. „Ich denk dran...“ Als ob diese Worte ein Codewort gewesen wären, wurde der Raum, obwohl Sonnenlicht durch die Fenster hätte dringen sollen, plötzlich dunkel. Ein Donnern ertönte. Und Usagi spürte, wie sie von einer Druckwelle weg von Nanami gepresst wurde. Ihre Füße verloren ihren Halt und sie wurde gegen einen Kleiderkasten geschleudert. Ihr Rücken tat weh und sie kniff die Augen vor Schmerz zusammen. Nanami schrie plötzlich, Usagi riss die Augen auf und es erstreckte sich vor ihr ein Anblick des Grauens, der sie vor drei Jahren nicht schockiert hätte. Auf Nanamis Brust saß eine hässliche Frau mit faltiger violetter Haut. Anstelle von Augen hatte sie nur zwei schwarze Löcher. Ihr Mund war weit aufgerissen und entblößte gelbe, spitze Zähne. Doch das hässlichste an ihr waren ihre Haare, die aus sich windenden, zischenden Schlangen bestanden. Viele von ihnen starrten Usagi an. Die hässliche Frau packte Nanami an den Haaren und zerrte sie aus ihrer halb liegenden Haltung in die Höhe. Mamorus Nachbarin schrie wie am Spieß. In die Kralle der Frau zog sich bemerkbar die Energie der jungen Frau, die ihre Haut ergrauen ließ. Das hässliche Gesicht des Monsterweibs wurde finster. „Niete!“ schrie sie, stand auf und zog Nanami mit sich. „SCHON WIEDER EINE NIETE!“ Das Monster schmiss Nanami in Usagis Richtung. So sehr sie sich bemühte, sie konnte die Frau mit dem Gips nicht auffangen. Nanamis Kopf schlug gegen eine Ecke des Kastens und fing an zu bluten. „DU UNGEHEUER!“, schrie Usagi. Erst das machte die Monsterfrau auf sie aufmerksam. Obwohl sie keine Augen hatte, starrte sie Usagi eindeutig an. „Noch eine...“ murmelte sie. Usagi zog die Brosche aus ihrer Hosentasche und ein Spur Euphorie erwärmte ihre Brust. So schlimm es auch war, was das Biest mit Nanami gemacht hatte, Usagi sah darin genug Positives: Sie konnte sich wieder verwandeln! Sie konnte wieder Sailor Moon sein! Sie konnte Mamorus Nachbarin retten! „Macht der Mondnebel, mach...“ Doch weiter kam sie nicht. Der Arm der Monsterfrau hatte sich ausgedehnt und die Kralle versiegelte ihren Mund. Sie spürte die langen Nägel ihre Haut zerkratzen... doch das war kein Schmerz verglichen mit dem, was ihrem Körper angetan wurde, als ein Sog von der Haut der Frau ausging. Es fühlte sich an, als ob das Weib ihre Organe aus dem Leib ziehen wollte. Doch Usagi konnte nicht schreien. Wer half ihr nun? Wo war Tuxedo Mask? Auf dem Gesicht der Monsterfrau zeigte sich etwas wie Freude. „DU BIST ES!“, schrie sie. „DU BIST DIE MONDPRINZESSIN!“ Woher wusste sie das plötzlich? Usagi hatte aber zu wenig Kraft sich die Frage selbst zu beantworten. „HAB ICH DICH ENDLICH! MITHRAS WIRD MICH DAFÜR LIEBEN!“ Die Frau lachte. Ihre Schlangenhaare wickelten sich um Usagis Arme und Beine und fesselten sie. Wieder spürte sie die Druckwelle, doch weil sie an das Monster gebunden war, blieb sie diesmal an der Stelle. Mitten im Zimmer entstand ein Riss, der sich langsam zu einem Tor in eine Fremde Dimension öffnete. Usagi zitterte vor Angst und sah immer verschwommener. Doch das Lachen der Frau hörte sie stetig deutlich. Bis es unterbrochen wurde. Ersetzt wurde er von einem Schrei. „Das glaubst du wohl wirklich nicht...“, murmelte eine unbekannte Stimme. Verschwommen sah Usagi, wie sich die Monsterfrau langsam in Luft auflöste. Der Druck der Fesseln löste sich, die Kralle entfernte sich von ihrem Mund. Gierig rang sie nach Luft. Und schließlich war auch der Schrei verklungen. Das Monster war weg, Usagi ging zu Boden. „Hirnlose Kuh,“ murmelte die Stimme wieder. „Diese gehirnaputierten Handlanger bilden sich immer mehr ein...“ Usagi öffnete die Augen. Sie wusste, dass sie gerettet worden war. Doch sie konnte sich keinen Reim darauf machen, um wen es sich handelte. Eine ihrer Freundinnen? Die Person hatte ihr die Rücken zugedreht und schritt zum Fenster, während es im Raum wieder hell wurde. Es handelte sich um eine Frau mit kurzen Haaren und knappem Kleid, doch mehr konnte Usagi nicht erkennen. Als die mysteriöse Gestalt sich leicht drehte, konnte sie auch keinen Blick auf ihr Gesicht haschen. „Wer bist du?“, röchelte sie. „Geht dich nix an“, ihre Stimme war rauchig, aber angenehm. „Und ich rate dir, dich aus der Sache rauszuhalten.“ „Aber...“ Doch dann war die mysteriöse Frau verschwunden. Usagi machte keinen Anstalt ihr zu folgen, dazu war sie zu schwach. Stattdessen taumelte sie zur Wohnung ihres Verlobten. „MAMORU!“, weinte sie und fiel ihrem Verlobten in die Arme. „Großer Gott, was ist denn mit dir passiert?“ Er streichelte ihren Kopf. Berührungen, die sie schon lange vermisst hatte. „Ich bin angegriffen worden! Von einem Monster mit Schlangenhaaren! Es hat Nanami verletzt. Wir brauchen einen Krankenwagen! Und es wusste, wer ich bin! Doch dann wurde ich gerettet! Von einer Unbekannten! Ich weiß nicht...“ „Beruhige dich.“ „NEIN! Nanami braucht einen Arzt!“ Noch lange, nachdem Mamorus Nachbarin vom Krankenwagen abgeholt wurde, konnte Usagi über das Erlebte nur stammeln. Zu viele Fragen quälten ihren Kopf... Woher kam das Monster? Wer war die mysteriöse Retterin? Warum hatte Tuxedo Mask sie nicht gerettet? Und warum hatte sie ihre Chance verpasst sich wieder in Sailor Moon zu verwandeln? Kapitel 2: Rückkehr zu alten Pflichten -------------------------------------- Kaiser Hyperion war einst ein strahlender Herrscher gewesen. Von dem Glanz seiner Herrlichkeit war jedoch nichts mehr übrig. Die Jahre nagten an seinem Körper – sein schwarzes Haar war zu einem ausdruckslosen Grau erbleicht, sein schönes Gesicht mit den markanten Zügen war von Falten überzogen. Früher hatten die scharfen Wangenknochen seine Aristokratie unterstrichen; nun ließen sie ihn wie einen atmenden Totenschädel wirken. Seine einst ausdruckstarken blauen Augen waren milchig, man merkte, dass er so gut wie blind war. Früher war er groß, muskelbepackt und stark gewesen; nun war er mager, gebrechlich, und seine bucklige Haltung ließ seine einst stattliche Größe nur mehr erahnen. Entsprechend seines Verfalls trug er keine Prunkkleidung mehr, sondern zerfetzte, graue Kittel. Seit geraumer Zeit fiel ihm das Gehen schwer, weswegen er die Tage im Bett verbrachte, angestrengt nach Luft röchelnd. Kaiser Hyperion war eine erbärmliche Gestalt. Mithras fragte sich, ob er auch einmal so enden würde in Anbetracht dessen, dass er seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war. Da Kaiser Hyperion nicht ansprechbar war, verließ Mithras das Schlafgemach seines Vaters. Im Thronsaal erwarteten schon zwei der Furien-Schwestern ihn. Er nahm auf dem Thron platz, wie er es pflegte, seitdem sein Vater nicht mehr den Anstand hatte, das Bett zu verlassen. „Megaira ist tot“, sagte die eine. „Ich weiß“, sagte Mithras gereizt. „Denkt ihr, ich merke es nicht, wenn meine Lakaien untergehen?“ „Tut uns leid.“ Während die eine demütig auf den Boden blickte, behielt die andere eine würdevolle, strenge Haltung. Weniger am Aussehen, als an dem unterschiedlichen Auftreten der Schwestern konnte er sagen, welche Schwester welche war. Die Namen fielen ihm dennoch nicht ein. Die Demütige war so dumm, weiter zusprechen: „Es war Sailor Sun.“ „WER DENN SONST!“, brüllte Mithras. „Wenn du schon so eine Klugscheißerin bist, kannst du dann auch Megras letzte Worte wiederholen?“ Die dumme Kuh schüttelte den Kopf. Ihre Schwester mit der aufrechten Haltung grinste. Mithras wiederholte: „Sie sagte: ‚Du bist die Mondprinzessin.’ Dieses dämliche Frauenzimmer hat tatsächlich die Mondprinzessin in ihren Händen gehabt, bis diese Sailor-Schlampe auftauchen musste.“ Er schlug vor Wut die Faust gegen die Lehne, sodass diese eine Delle bekam. „Wir sind nah dran. Tisigone!“ „Ja, Eure Hoheit! Und ich heiße Tisiphone.“ „DAS INTERESSIET MICH NICHT!“, schrie er. Es war die demütige, die reagierte, daher zuckte sie erschrocken zusammen, als er sie anbrüllte. Wahrscheinlich war sie auch die unfähigere. Er hatte gut geraten, denn die stärkste der drei wollte er als Ass im Ärmel behalten. „Wir müssen dieser Fährte folgen. Such dein Opfer in der Umgebung von der Menschenhure, die Megera angefallen hat.“ „Zu Befehl!“, sprach sie, machte einen Knicks und korrigierte den Namen diesmal nicht. „Und versau es nicht.“ „Nein! Sicherlich nicht, Eure Hoheit!“ Tisiphone verbeugte sich und fiel fast auf die Knie, ehe sie davon marschierte. Die andere Schwester verharrte Mithras anstarrend. „Was?“, raunte er. „Wir können die Mondprinzessin nicht vernichten, ehe wir nicht Sunna zurückhaben.“ „Glaubst du, ich weiß nicht, was ich tue!?“, brüllte er. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten! Oder verzieh dich in mein Schlafzimmer!“ So hässlich ihre Schlangenhaare auch waren, ihre Figur war nicht übel. Eigentlich hatte Tante Izumi ihr so viel Urlaub geben wollen, wie sie brauchte, nachdem Usagi ihrer Familie erzählt hatte, dass sie von einem Räuber überfallen wurde, den die Polizei nun vergebens suchte. Doch Usagi hatte abgelehnt, sie sagte, sie brauche Ablenkung. Da jedoch wie immer nur wenig Kunden sie in Anspruch nahmen, war die Ablenkung nicht sonderlich effektiv. Normalerweise hätte Usagi die Frage beschäftigt, wie ihre Tante überleben konnte, wenn täglich nicht mehr als zwanzig Personen in dem Laden einkauften. Heute starrte sie auf die Kontaktliste ihres Handys: Ami, Rei, Makoto, Minako waren die ersten Namen. Sie wusste, sie musste die Mädchen kontaktieren. Cousine Yuzuki summte, während sie Zuckerpackungen in das Regal neben der Kasse einräumte. Das Geräusch nervte Usagi. „Kannst du kurz übernehmen? Ich muss für kleine Mädchen“, sagte sie. „Klar“, antwortete Yuzuki und sprang regelrecht auf Usagis Platz an der Kasse, nachdem sie aufgestanden war. „Lass dir so viel Zeit, wie du willst.“ Usagi beschloss sich keinen Kopf über diese dumme Bemerkung zu machen und ging zur Toilette. Sie wusch sich lange das Gesicht mit kaltem Wasser und starrte in den Spiegel. „Ich muss wohl...“, murmelte sie zu sich selbst und schickte die vorgeschriebene SMS ab. „Wie kannst du es nur wagen!“, fauchte Minako der blonden Frau ins Gesicht und ihre Augen wurden feucht. „Nach all dem was ich für dich getan habe, während du im Koma gelegen bist! Ich habe deine Firma geführt! Ich habe mich um dein Kind gekümmert! Ich habe deinen Haushalt besorgt und deine Rechnungen bezahlt! Und du belohnst mich, indem du mit meinem Verlobten schläfst?!“ Auch die blonde Frau fing an zu weinen: „Ich wusste doch nicht, dass er mit dir liiert ist! Ich würde das doch meiner Schwester niemals antun!“ „Lüg nicht! Du hast es doch schon mal getan. Damals in der Highschool!“ „Aber da waren wir doch noch unreife Kinder!“ Minako wischte sich mit einer dramatischen Geste die Tränen aus dem rechten Auge. Sie griff in ihre Handtasche. „Du hast genau gewusst, wie sehr ich ihn liebe. Du kannst es mir einfach nicht vergönnen, dass ich die wahre Liebe gefunden habe, während du allein erziehende Mutter bist! Und erst recht konntest du nicht mit ansehen, dass ich deine Firma mit mehr Erfolg führte!“ Minako zog eine Pistole aus der Handtasche. Sie richtete den Lauf zwischen die Augen der blonden Frau, die sie angsterfüllt anstarrte. „SCHNITT!“, rief eine Männerstimme. Minako wischte sich die falschen Tränen aus den Augen und sie setzte ein breites Grinsen auf. „Kyoko! Du warst toll!“ „Du aber auch!“ Die beiden jungen Frauen fielen sich um die Arme. „Ich hatte wirklich schon Angst, du würdest abdrücken!“, lobte Kyoko Asakawa. „Ich könnte dir doch niemals wehtun.“ Minako wuschelte ihrem Gegenüber die Haare. Kyoko war nicht nur ihre Hauptspielpartnerin, sondern auch ihre beste Freundin am Set. Schon beim ersten Sehen wusste sie, dass sie sich mit der hübschen Blondine aus gutem Hause verstehen würde. Kaum zu glauben, dass sie auf der Leinwand Schwestern spielten, die gegeneinander integrierten, aber es nie zugaben. Zumindest bis Sakura – Minakos Rolle – die Pistole gezogen hatte. „So toll war es auch nicht!“, rief der Regisseure plötzlich. „Zehn Minuten Pause, dann spielen wir die Szene noch einmal. Kyoko, du kannst noch etwas mehr weinen. Minako, leg nicht so viel Gewicht in die Stimme, das wirkt zu künstlich.“ „Dämlicher Perfektionist“, fauchte Kyoko und ließ sich in einen Sessel fallen. Während Minako ein Sandwich auspackte, kam eine der Regieassistentinnen zu ihr. „Du hast eine SMS bekommen.“ „Danke!“ Auf dem Display stand der Absender: Usagi. Von der hatte sie schon lange nichts mehr gehört, was Minako schon ein wenig seltsam vorkommen war, schließlich war Usagi ihre beste Freundin, mit der sie über jeden Blödsinn reden konnte und der sie gerne von ihren Abenteuern in der Welt der Seifenopern erzählt hätte. Dass sie sich einen Monat lang nicht gemeldet hatte, hatte ihr Sorgen bereitet. Doch nun kamen die Sorgen, als sie den Inhalt der Nachricht las. Ein neuer Feind ist da. Eine Gemeinsamkeit des Medizinstudium und Informatikstudium war, dass die ersten Einheiten von Vorlesungen hauptsächlich für organisatorische Dinge wie Vorlesungsaufbau und Prüfungsmodalitäten bestimmt waren. Ami notierte alle Informationen akribisch. Da sie wahrscheinlich nicht jede Einheit besuchen können würde, da Dr. Yamamoto sie als flexible Arbeitskraft benötigte, war es ihr wichtig, den Überblick über den Stoff zu erhalten. Sobald sie diesen hatte, würde sie den Stoff problemlos aus Büchern ausarbeiten können. Das Erlangen einer Note war jedoch nicht durch eine Prüfung bedingt, wie der Professor soeben ankündigte. „Praxis ist eine unerlässliche Seite in jedem technischen Beruf, und so auch in der Informatik. Es ist mir ein großes Anliegen Bewusstsein für diese Tatsache zu wecken. Allein deswegen, weil diese Seite im Studiumscurriculum einen zu geringen Schwerpunkt aufweist.“ Er reichte einer Studentin in der ersten Reihe ein Handout. „Ihre Note werden Sie daher über ein Projekt erlangen, an welchem Sie dieses Semester in Zweierteams arbeiten. Auf der ersten Seite des Handouts werden Sie die Arbeitsanforderungen finden, auf der zweiten Seite Themenblöcke, zu welchem Sie eine selbst formulierte wissenschaftliche Frage stellen und erforschen.“ Ami erhielt soeben ihr Handout – die Themen waren abstrakt umschrieben. Die Anforderungen schienen nicht sonderlich hoch zu sein und überschritten kaum das Basiswissen der wissenschaftlichen Prinzipien; für viele Studenten schien das trotzdem eine Herausforderung zu sein, wie sie aus vielen Gesichtern herauslesen konnte. Ami hingegen bereitete wohl weniger der Inhalt Kopfzerbrechen, als die Tatsache, dass sie mit jemandem zusammenarbeiten musste. Schon in der Grundschule hatte das nicht funktioniert, wie sollte es nun bei einem komplexen Thema klappen? Der Professor setzte fort: „Kein Thema ist auf eine bestimmte Anzahl von Teams beschränkt – es sollte nur kein konkretes doppelt vorkommen, andernfalls wird eine Absprache angenommen und der Kurs negativ bewertet. Sie tragen die Titel Ihrer Arbeit daher spätestens in einem Monat in einem Aushang bei meiner Sekretärin ein. Die Grundregeln des guten wissenschaftlichen Arbeitens setze ich als bekannt voraus und sollen daher nicht genauer erörtert werden. Alle weiteren Informationen dazu finden Sie auf dem Handout. Falls es noch Fragen gibt, so stehe ich Ihnen zu Verfügung, nachdem ich die Teams bekannt gegeben habe.“ Ami war überrascht, dass eine freie Wahl des Partners untersagt war. Viele wirkten enttäuscht, wahrscheinlich nicht mit ihrem besten Freund, ihrer besten Freundin oder dem festen Partner zusammenarbeiten zu können. Oder man hatte einfach die Furcht mit einem unbekannten, eventuell unsympathischen Kommilitonen zusammengebracht zu werden. „Die Zusammensetzung der Teams orientiert sich an der Leistung Ihrer Aufnahmeprüfung. Die stärksten mit stärksten, die schwächsten mit schwächsten. Ich lese vor: Ryo Ishiwaka und Rai Shiro.“ Ami fing an, die Kappe ihres Kugelschreibers zu zerkauen. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, bis ihr Name aufgerufen wurde. „Ami Mizuno und Akane Tayo.“ „ICH PROTESTIERE!“, rief plötzlich eine Stimme. Ami fiel es nicht schwer, das Mädchen zu entlarven, weil diese aufgesprungen war. Irgendwie kam ihr das Grauen, mit dieser Person zusammenarbeiten zu müssen. Sie sah unheimlich aus. Nicht nur, weil auf ihrer Schulter ein Leguan ruhte. „Haben Sie ein Problem, Frau Tayo?“ „Ich hab null Bock mit ’nem Genie zam zu hakln!“ Ihr Osakaslang war nicht zu überhören. Der Professor rückte geduldig die Brille zurecht. „ Sie haben das zweitbeste Ergebnis der Kursteilnehmer nach Frau Mizuno, weswegen meine Entscheidung unwiderruflich ist.“ „Trotzdem bin ich nie so g’scheit wie die. Herr Prof, das is unverhältnismäßig!“ „Dann schmollen Sie.“ Akane Tayo fauchte wie ein Stier und nahm wieder Platz. „Dreck!“, war im ganzen Hörsaal zu hören. Ami Mizuno konnte längere Zeit den Blick von der ungehobelten Person nicht lassen. Der Professor ließ die Stimmung etwas beruhigen und las die restlichen Teams vor. Als er die Bitte nach Fragen aussprach, schossen gleich mehrere Hände in die Höhe. Während Ami die Antworten des Professors notierte, vibrierte ihr Handy. Es war eine Nachricht von Usagi! Schon lange hatte sie sie nicht mehr gesehen. Immer, wenn sie nach einem Treffen gefragt hatte, hatte Ami aufgrund ihrer Arbeit absagen müssen. Hoffentlich musste sie ihrer besten Freundin nicht wieder eine Absage geben. Sie las die SMS. Diesmal konnte sie nicht absagen: Ein neuer Feind ist da. Makoto kaute an ihren Fingernägeln. Ihr Magen krampfte sich vor Nervosität zusammen. Es beruhigte jedoch, dass ihre Chefin mindestens genau so angespannt und nervös zu sein schien, wie sie. Sie fand es toll, dass eine Frau über dreißig sich noch immer so benahm wie ein Mädchen, das noch nicht einmal zwanzig war. Zweiundzwanzig Leute saßen in dem Restaurant und probierten gerade das Gericht, welches Makoto vor einem Monat kreiert hatte. Alle Gäste waren darauf eingeladen worden – schmeckte es der Mehrzahl, so würde es in die Speisekarte des hochdekorierten Restaurants, welches sich auf europäische Küche spezialisiert hatte, aufgenommen werden. Makoto würde somit eine einzigartige Ehre erteilt werden: Ohne abgeschlossener Ausbildung zur Köchin würde man ihr Rezept in einem angesehenen Restaurant verwenden. Angeblich war dies in Tokio noch nie geschehen. Die Kellner servierten bei den ersten Gästen ab – das Paar lächelte. Dummerweise konnte man von Makotos und Kimokos – ihre Chefin – Standort nicht hören, was die beiden sagten. Als der Kellner vorbeikam, hielt er einen Daumen in die Höhe. Makoto und Kimiko sahen sich strahlend an. Die restlichen Teller wurde weggetragen – niemand hatte das Gericht abgelehnt und nur kleine Reste waren pro Teller übrig geblieben. Die Kellner fassten das Feedback der Gäste zusammen – nur ein Mann hatte sich über zu viel Pfeffer beschwert. Alle anderen waren hellauf begeistert. Makoto und Kimiko fielen sich in die Arme. „Ich gratuliere dir! Dein Gericht wird nächste Woche auf unserer Wochenkarte auftauchen! Und dann werden wir es in unsere Standardkarte aufnehmen!“, jubelte die Chefin. „Ich werde gleich die Presse anrufen. Ein neuer Stern am kulinarischen Himmel ist aufgegangen. Neunzehn Jahre und schon so ein Talent!“ Sie tänzelte in ihr Büro. Makotos restliche Kollegen schüttelnden ihr gratulierend die Hand, einige mit Neid, viele aber mit ehrlicher Bewunderung. Makoto hatte es vor Freude die Sprache verschlagen und nahm die Gratulationen kaum war. Wie sollte sie Kimiko nur danken? Ohne diese Frau, die von Anfang an an ihr Talent geglaubt hatte, würde sie wohl noch immer die Anfängerarbeiten wie Kartoffelschälen erledigen. Doch bevor sie sich überlegen konnte, mit welchen Geschenken sie Kimiko ihren Dank erweisen konnte, musste sie ihren engsten Freundinnen bescheid geben. Heute musste gefeiert werden! Sowie sie ihr Handy aus der Tasche zog, sah sie die SMS, welche Usagi versandt hatte. Sie freute sich – jetzt konnte sie ihrer besten Freundin als erster die wunderbare Neuigkeit berichten. Schließlich hatte sich niemand so enthusiastisch wie Usagi für Makotos Gerichte begeistern können. Doch nach dem Lesen der Nachricht, verflüchtigte sich ihre gute Laute: Ein neuer Feind ist da. Das Feuer sprach zu ihr – Rei konnte allerdings nicht erläutern, was es sagte. Die Aussagen waren stets nur abstrakte Bilder, die mit dem Schrei einer Stimme, die weder männlich noch weiblich war, verschwanden. Rei sah die Vision das erste Mal bei einer unschuldigen Seance mit den zwei neuen Mikos des Hikawatempels. Auch wenn sie es vor den beiden Mädchen geheim halten konnte, versetzen sie die Bilder in eine Panik, wie sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Seither versuchte sie wie eine Besessene die Nachricht zu verstehen. Täglich saß sie vor dem Tempelfeuer und wartete auf eine Antwort – bisher vergebens. Doch inzwischen verfolgten die Bilder Rei bis in den Schlaf, aus dem sie heute sogar mit Tränen in den Augen aufgewacht war, obwohl sie aus dem Gesehenen nicht schlau wurde. Rei konnte nicht leugnen, dass ihr die abstrakten Visionen Angst bereiteten. Wie auch immer die Botschaft lautete, sie wusste, dass es Hinweise auf etwas Schreckliches waren. Sie ahnte, dass die Entschlüsselung der Visionen schrecklicher war, als die abstrakten Bilder selbst. Doch wie sollte sie sich auf einen kommenden Schrecken vorbereiten, wenn sie nicht all ihr Können daran setzte, ihn zu sehen? Und wie seit einiger Zeit täglich, saß sie nun wieder in Gebetshaltung und mit geschlossenen Augen vor dem Tempelfeuer, konzentriert auf die Flammen, und versuchte, die Botschaft zu entschlüsseln. Das Feuer sprach – doch wieder sah sie nur ein Meer an Farben und Formen, die vor ihren Augen tanzten und keinen Sinn ergaben. Sie schwitzte und ihre Hände zitterten. Bitte! Ich will es sehen!, dachte sie. Der asexuelle Schrei ertönte, diesmal so laut, dass Rei selbst einen Laut des Erschreckens von sich gab. Sie riss die Augen auf, ihre Kleidung war vom Körperschweiß durchnässt. Die Flammen tobten. Rei zitterte am ganzen Körper, doch ein Lächeln zierte ihr Gesicht, denn das Feuer hatte ihr mehr gesagt, als üblich. In der letzten Sekunde vor dem schrecklichen Schrei hatte sie die Konturen einer Person mit einer Peitsche in der Hand erkannt. Kein großer Hinweis, aber immerhin etwas. Sie stand auf und trocknete das Gesicht mit einem Taschentuch ab. Nach diesem Erfolg würde das Feuer sicher nicht mehr zu ihr sagen. Nachdem sie die schweißnasse Kleidung gegen ein frisches, modisches Kleid getauscht hatte, beschloss Rei einen Spaziergang zu machen. Einfach dorthin zu gehen, wohin sie die Füße trugen. Vielleicht würde der Weg sie zu Usagi führen. Denn so viel hatte sie aus der heutigen Botschaft verstanden – es war früher oder später wieder an der Zeit, die Tätigkeit als Sailorkriegerinnen wieder aufzunehmen. So sehr Rei Usagis Einstellung bis in die Verachtung nicht leiden konnte, so unterschiedlich sie waren, und so viel sie auch stritten, so hatten sie seit geraumer Zeit eine Gemeinsamkeit: Den Wunsch, wieder als Sailorkriegerin aktiv zu werden. Usagi hatte dieses Verlangen zwar nie ausgesprochen, doch man sah diese Sehnsucht ihren Augen an. Bei Usagis momentaner Lage konnte Rei diesen Wunsch sehr gut nachvollziehen; Rei selbst war mir ihrem Leben unzufrieden. Das Theologiestudium war mühsam und sie übernahm banale Verwaltungsaufgaben im Tempel, welche ihr Großvater wegen seiner Krankheit nicht mehr erledigen konnte. Und noch dazu hatte sie zwei naive Mikos zu instruieren. Trotzdem hatte sie Hemmungen, Usagi von ihren beunruhigenden Visionen zu erzählen. Wahrscheinlich würde sich das Sensibelchen zu sehr in Probleme hineinsteigern, die noch gar nicht gegeben waren. „Frau Hino!“, rief Sakura, eine der beiden Mikos, als Rei den Tempel gerade verlassen wollte. „Was habt ihr jetzt schon wieder für Probleme?“ In Anbetracht dessen, dass die beiden Mädchen zu blöd waren, einen Besen zu benutzen, konnte sie nur genervt reagieren. „Midori hat schon wieder einen Eimer mit dreckigem Wasser umgeworfen!“ Rei rieb sich die Augen. In Momenten wie diesen merkte man einfach, dass die beiden Gören aus einem sehr verwöhnten Haushalt stammten. „Dann wischt es einfach auf!“, fauchte sie. „Geht klar!“ Trotz der harschen Worte, grinste das Mädchen. Ihre hellblauen Augen, die einen scharfen Kontrast zu ihren schwarzen Haaren darstellten, strahlten. Sie schien irgendwie Bewunderung für Rei zu hegen. Abgesehen davon erinnerte sie die fünfzehnjährige an Usagi: stets unbekümmert und unbeholfen, nicht an Konsequenzen denkend, ziemlich nah an Wasser gebaut, tollpatschig und frech. Wenn sie mal nicht beinahe anfing zu heulen, grinste sie breit. Sie tat zwar ihr Bestes, würde aber wegen ihrer Unkonzentriertheit es wohl nie weit schaffen. Nachdem Rei zehn Minuten gegangen war, spürte sie ihr Handy in der Tasche vibrieren. Es war Usagi. Die Nachricht erschreckte sie einerseits, andererseits musste sie lächeln. Hatte sie die fragmentarische Botschaft also in die richtige Richtung gedeutet; und die Hemmung, Usagi darüber zu benachrichtigen, kamen ihr nun dämlich und feige vor: Ein neuer Feind ist da. Sie rief Usagi sofort zurück. Die fünf Mädchen und der junge Mann saßen auf dem Boden in Mamorus Wohnung und schwiegen, nachdem Usagi von dem Überfall des Monsters und der mysteriösen Frau berichtet hatte. Rei brach schließlich das Schweigen: „Das könnte die Person sein, die ich in meinen Visionen gesehen habe!“ Die restlichen Mädchen sahen sie überrascht an. Da ihr einfiel, dass ihre Freundinnen noch gar nichts von ihren Vorahnungen wussten, berichtete Rei. „Und damit rückst du erst jetzt raus?“, tadelte Minako. „Ich wollte mir erst sicher sein.“ Pause. „Außerdem seid ihr alle momentan so beschäftigt, dass ich dachte, es interessiert euch nicht.“ Damit hatte Rei etwas ausgesprochen, was Usagi schon lange durch den Kopf gegangen war. Alle wussten, was sie meinte, und wieder fiel die Gruppe in ein betroffenes Schweigen. Tatsächlich hatten sie in letzter Zeit alle ein wenig vergessen gehabt, dass sie bis vor kurzem noch wie Pech und Schwefel zusammengehangen waren. „Ich denke, das ist kein Zeitpunkt, sich irgendwelche Schuld zuzuweisen.“ Diesmal hatte Minako das Schweigen gebrochen. „Wir sollten lieber überlegen, wie wir vorgehen werden.“ „Abwarten und Tee trinken.“ Mamorus Reaktion überraschte alle. „Wir wissen weder, mit wem wir es zu tun haben, noch deren Ziele, sodass wir kaum ahnen können, wo die Feinde das nächste Mal zuschlagen werden. Wir können uns außerdem nicht immer darauf verlassen zu jeder Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Minako schnaufte: „Machst du dir keine Sorgen um Usagi? Schließlich hat dieses Wesen sie nach einer Berührung erkannt.“ „Natürlich sorge ich mich um sie!“ Usagi ergriff Partei: „Ich schlafe seither jeden Tag bei ihm. Er beschützt mich schon.“ Sie grinste, doch Mamorus neu begründete Aufmerksamkeit war weniger Grund für die Freude, als die Tatsache, dass sie sich in alte Zeiten zurückversetzt fühlte. Wie vor drei Jahren das letzte Mal diskutierten sie über ihre geheimen Aktivitäten. Usagi fand es aufregend. Und die Spannung, sich wieder in Sailor Moon verwandeln zu können, raubte ihr jeden Nerv. Luna saß zusammen mit Artemis auf der Couch. Sie wollte das Thema zu dem weniger unangenehmen zurückwechseln: „Im Mondpalast gab es einst ein Bild dreier Frauen mit Schlangenhaaren. Doch abgesehen von ihrer Haarpracht wirkten sie nicht wie Monster.“ „Hat die Königin euch einmal erklärt, wer die Damen waren?“, fragte Minako. „Nein“, sagte Artemis. „Aber wir haben auch nie danach gefragt.“ Keiner konnte deuten, ob diese Information hilfreich war oder in eine Sackgasse führte. Mamorus Türklingel läutete. Nachdem geantwortet hatte, wandte er sich an Makoto: „Ein Kimiko Ishikawa holt dich ab.“ Makoto blickte beschämt auf den Boden: „Das ist meine Chefin. Ich muss gehen.“ „Warum!?“, rief Usagi sofort. „Ich habe heute eine unglaubliche Karrieremöglichkeit erhalten. Kimiko hat mich kaum für eine Stunde gehen lassen. Sie sagte, damit ich nicht vergesse, holt sie mich ab.“ Usagis Lippen bebten vor Wut. Da besprachen sie seit langem wieder etwas wirklich Wichtiges, und Makoto interessierte sich nur für ihre privaten Probleme. Wollte sie ihre Chance der Menschheit zu helfen nicht wahrnehmen? So egoistisch kannte sie Sailor Jupiter gar nicht. Doch Usagi hätte ihren Ärger nie in Worte gefasst. Makoto packte ihre Sachen zusammen. „Wir halten dich am Laufenden,“ sagte Ami. „Danke!“ Makoto öffnete die Wohnungstür, vor der schon Kimiko stand. Doch ihre Chefin war nicht allein. An ihren Haaren packte eine Frau mit grüner Haut und Schlangenhaaren sie. Makoto schrie und schlug im Affekt die Tür zu. Die Mädchen kamen zu ihr gerannt. „Was hast du?“ Die Frage kam wie aus einem Moment. „Da draußen ist etwas!“ In diesem Moment schlug etwas heftig gegen die Tür. „Ein Monster!“ Usagi konnte sich das grinsen nicht verkneifen. Die ganze Zeit hatte sie die Brosche in ihrer Rocktasche festgehalten. Nun war es an der Zeit sich wieder zu verwandeln. Sie hielt das zauberhafte Schmuckstück in die Höhe. „Seid ihr bereit? MACHT DES MONDLICHTS, MACH AUF!“ Usagi spürte das prickeln auf der Haut. Ihren Herzschlag spürte sie bis zum Hals. Ein schier unglaubliches Gefühl erfüllte ihren ganzen Körper, sie spürte die Kraft, welche sich ihren ganzen Leib ausdehnte. War das schon immer so gewesen? Sie glaubte sich zu erinnern, dass bei ihrer ersten Verwandlung ähnliches gespürt hatte. Und nach zahlreichen Verwandlungen hatte sie wohl vergessen, dieses Machtgefühl schätzen zu können und als einzigartig zu empfinden. Da stand nun Sailor Moon – zu gerne hätte sie sich im Spiegel gesehen, doch es befand sich keiner in ihrer Nähe. „Seid ihr bereit?“, fragte sie wieder und wandte sich zu den Mädchen um. Die Freude verschwand und Usagi riss entsetzt den Mund auf. „Warum seid ihr nicht verwandelt?“ Die einzige, die in ihrer Uniform dastand, war Rei. Ihr Gesichtsausdruck war ähnlich entsetzt wie der von Usagi. „Wir... wir haben unsere Stäbe nicht mit,“ stotterte Minako. „WAS?“ „Woher sollten wir wissen, dass wir uns heute schon verwandeln sollen?“, rechtfertigte sie sich. „Aber...“ Usagi konnte den Satz nicht einmal anfangen, als die Tür aufgesprungen wurde und einen beachtlichen Teil der Mauer wegriss. Da stand das Monsterweib nun... sie sah dem Schlangnhaarwesen, welches Usagi vor zwei Tagen angegriffen hatte, sehr ähnlich. Bloß ihre Haut war grün statt violett und ihr Gesicht war nicht das einer alten Vettel, sondern einer Frau um die vierzig. Sie grinste und zeigte gelbliche Reißzähne. Und sie sie hatte Augen, war also nicht blind. „Da erwisch ich eine Niete und hab jetzt die Mondprinzessin vor Augen. Und die Marskriegerin.“ Sie leckte sich die Lippen. „Haut ab!“, rief Usagi Makoto, Minako und Ami zu. Da keine andere Richtung möglich war, liefen sie in die Küche, der abgeschiedenste Raum der Wohnung. Luna und Artemis folgten. Mamoru war schon länger in irgendeinen anderen Raum verschwunden. „Macht des Mars, sieg!“, rief Sailor Mars die Beschwörungsformel. Ein Feuerpfeil raste auf die Monsterfrau zu, deren Grinsen nicht verschwinden wollte. Mit einer Geste, als ob sie eine Fliege vertreiben würde, erlosch der Pfeil. Sailor Mars riss die Augen auf. Die Schlangenhaarefrau kicherte: „Lächerlich...“ Das Monster streckte seine Hand aus und der Arm verlängerte sich. Ihre krallenhaften Finger umschlangen Mars’ Brustkorb. Sie schrie, ihre Haut verfärbte sich grau. „REI!“, rief Sailor Moon und wollte ihre Beschwörungsformel sprechen... doch sie hatte leider keine Ahnung mehr, wie diese lautete. In ihrer Panik rannte sie auf die Monsterfrau zu, stürzte sich auf sie und warf sie nieder. „Lass meine Freundin in Ruhe!“, fauchte Sailor Moon auf der Brust der Monsterfrau sitzend. Diese grinste noch immer und hatte Mars noch immer in ihrer Gewalt. „Schwach... wie Kaiser Hyperion euch nur so fürchten kann.“ Ein Name! Sie hatten einen Namen des Feindes! Doch Sailor Moon konnte sich nur wenig über die Information freuen, denn erneut wanden sich die Schlangenhaare um ihren Körper. Und wieder spürte sie den lähmenden Energieschwund und sackte zusammen, während sie von den Schlangen gehalten wurde. Auch kam eine Druckwelle wieder – ein Riss in der Luft schien entstand. Das Monster richtete sich auf, hielt die ebenfalls vollkommen erschöpfte Sailor Mars in ihrer Klaue in die Höhe und Sailor Moon vor ihr Gesicht. Minako, Makoto und Ami standen zitternd in der Küche. Bis in die Knochen spürten sie das Bereuen, ihre Stäbe vergessen zu haben. Sollten sie in zivil zu Hilfe eilen? „Ich werde...“ Das Monster sprach nicht weiter... eine Rose erschreckte es. Tuxedo Mask... , dachte Usagi. Ihr Retter war zwar das letzte Mal nicht gekommen, doch nun stand er da, strahlend wie immer und wahrscheinlich irgendwelche schönen Worte sprechend, die sie nicht hören konnte, lähmte der Energieentzug doch ihre Sinne. Das Monster fing an zu lachen. „Das meint ihr jetzt aba net ernst“, schien es zu sagen. „Ich mein, da schmeißt das Weib den Feuerpfeil von der Marstrulla weg und du glaubst echt, so ’ne Rose würd die umbringen? Hirn zu lang gebadet?“ Usagi glaubte es zwar, doch es war nicht das Monster, das gesprochen hatte. Tuxedo Mask starrte verwirrt auf eine hoch gewachsene Frau in einem schwarzen Lederrock und einem roten, eng anliegenden Shirt mit rotem Matrosenkragen und einer dünnen, gelben Schleife am Dekolleté. Sie trug schwarze Springerstiefen und schwarze Handschuhe. In ihrer Hand hielt sie eine Peitsche. Zu gerne hätte Tuxedo Mask ihr Gesicht gesehen, doch es wurde von einer Skimaske verdeckt. Die Frau hatte sich hinter das Monster gestellt, das sich langsam umdrehte. „Sailor Sun?“, sprach es und ließ sofort Mars und Moon fallen. Tuxedo Mask lief zu seiner Verlobten. Minako, Makoto und Ami hatten sich näher an das Szenario gewagt und wollten Mars zu Hilfe eilen, doch die mysteriöse Frau mit der Skimaske rief: „Bleibt, wo ihr seid!“ Tatsächlich blieben die Mädchen stehen. Die Monsterfrau hatte das Interesse an den restlichen Personen verloren und stürzte auf die mysteriöse Frau zu, die den Angriff mit der Peitsche abwehrte. Als die Geißel gegen sein Gesicht schlug, schrie das Unheuer auf. Sie konnte dennoch der zweiten Attacke ausweichen. Sie lief zu dem Riss in der Luft. Die mysteriöse Frau holte wieder mit der Peitsche aus, doch die Attacke ging ins Leere. Die Monsterfrau verschwand. Und stattdessen erschien wie aus dem Nichts, sobald sich der Riss geschlossen hatte, eine noch ekelhaftere Kreatur, eine Art Mischung aus Vogel und Kröte mit Schwingen, Hängebauch, Froschaugen und Schnabel. Es hatte sowohl Federn als auch Schuppen. „Dreck“, murmelte die Frau mit der Skimaske. Die Kreatur schien verwirrt... es waren ihm wohl zu viele Personen im Raum, um zu wissen, wen sie am besten attackieren sollte. Es entschied sich für Sailor Moon und Tuxedo Mask. „NEIN!“, schrien Makoto, Minako und Ami wie aus einem Mund. Tuxedo Mask warf eine Rose gegen das Ungetüm, die jedoch abpralle. Die Berührung schien es nicht einmal zu irritieren. „Lichtpeitsche!“, rief die mysteriöse Frau. Die Geißel traf das Monster am Rücken. Mit einem Gebrüll löste es sich in schwarzen Nebel auf. Usagi öffnete langsam die Augen. Sie sah die Konturen der mysteriösen Frau und erkannte sie wieder. Erneut war sie von dieser Unbekannten gerettet worden. „Wer bist du?“, riefen die Mädchen, die sich nun endlich um Sailor Mars kümmern konnten. Diese war noch immer bewusstlos. „Sailor Sun... ist das dein Name?“, setzte Tuxedo Mask fort. „Täusch ich mich, oder bist du auf unserer Seite?“ Die mysteriöse Frau gab einen Ton von sich, das sich wie ein Lachen anhörte. „Ich würd an eurer Stelle die Marsdame in ein Krankenhaus bringen.“ Sie deutete zum Loch, wo einmal eine Tür gewesen war. „Und die Trulla da draußen auch.“ „Kimiko...“, murmelte Makoto. Und dann an die Unbekannte: „Warte!“ Das Wort hinterließ keinen Eindruck. Die mysteriöse Frau drehte sich um und ging, noch Abschiedsworte sprechend: „Ansonsten, haltet euch da raus...“ Sailor Moon versuchte sich aufzurichten. Sie legte den Arm um Tuxedo Masks Hals, der stützend ihren Rücken hielt. Sie starrte der mysteriösen Frau im Gehen nach, obwohl ihr Blickfeld noch immer vor Schwäche getrübt war. Sailor Sun..., dachte sie. Eine neue. Sie lächelte, was keiner bemerkte – Tuxedo Mask überprüfte, ob ihr Körper sichtbare Wunden hatten, während die anderen versuchten Rei aufzuwecken.. Sorry. Aber niemals werde ich mich da raushalten... Ich bin Sailor Moon und ein Versagen lässt mich nicht aufgeben. Kapitel 3: Ein Tag im Leben der Akane Tayo ------------------------------------------ Die Nacht war schon längst hereingebrochen, als in einer einsamen Gasse Tokios eine junge Frau laut schrie und zur gleichen Zeit eine andere junge Frau von einem hysterischen Signal aus dem Schlaf gerissen wurde. Es lief immer nach demselben Schema ab: Ein Opfer wurde attackiert, ihr Amulett machte eigenwillige Piepsgeräusche, sie verwandelte sich, wurde teleportiert, inzwischen wurde dem Opfer die halbe Lebensenergie geraubt, sie tauchte auf, kämpfte entweder mit dem Angreifer selber oder einem Monster, Züchtungen genannt, das so hässlich war, dass man sich übergeben möchte, sie brachte es um und zuletzt betete sie, dass das Opfer überlebt hatte. Neuerdings war nur anders, dass sie eine Skimaske mitnahm, damit, falls wie schon zweimal passiert, die Sailorkriegerinnen auftauchen würden, man ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sailor Sun kam am Tatort an – wieder bei dem Gebäude, in welchem Mamoru Chiba wohnte – , als die grünhäutige Frau mit den Schlangenhaaren ein Mädchen, das nicht älter als die Kriegerin war, an den Haaren zerrte. Das Mädchen schrie und an der Verfärbung der Haut ins Graue erkannte man, wie ihr jede Sekunde mehr und mehr ihrer Lebensenergie über die Haarwurzeln ausgesaugt wurde. Ihre Falten kamen allerdings wohl daher, dass sie eine Drogensüchtige war. „Lichtpeitsche, sieg!“, rief Sailor Sun und Geißel schlug gegen die Hand der Frau mit den Schlangenhaaren. Sie ließ die Haare des Mädchens los, die hart zu Boden fiel. Vor einigen Jahren hätte Sailor Sun noch versucht dem Opfer einen weichen Fall zu ermöglichen, nun gab sie sich lieber Mühe, die hässliche Frau zu erwischen. Die Geißel schwang sich um deren Handgelenk, Sailor Sun zog fest daran, die Frau mit den Schlangenhaaren fiel nieder. Sailor Sun gefiel das Ergebnis nicht, eigentlich hatte sie auf den Hals der Schlangenhaarefrau gezielt. Auch nach Jahren Praxis war nicht jeder Wurf ein Treffer. Sie hasste das. „Duuu...“, knurrte die Frau, als ob sie sich schon lange kennen würde, dabei war das erst die zweite Auseinandersetzung. Sailor Sun kannte noch nicht mal ihren Namen, aber wohl würde sie nichts falsch machen, sie „Medusa“ zu nennen, obwohl sie das schon bei der letzten Lakeiin gemacht hatte. Wohl ihre Schwester. Oder Mutter. Oder Tochter. Jedenfalls war die alte Medusa dümmer gewesen, als die momentane Gegnerin. „Licht...“ Doch sie konnte den Zauberspruch (oder wie auch immer sie das nennen sollte) nicht zu Ende sprechen, Medusa war schneller. Sailor Sun spürte zahlreiche Volt durch ihren Körper strömen, doch mehr vor Schreck als vor Schmerz ließ sie die Peitsche los – obwohl das Kostüm, das sie trug, viel knapper war, als das, was sie privat trug, machte es ihren Körper robuster. Jedoch konnte es nicht den Schock mindern, als irgendetwas, was sich wie ein kräftiger Windstoß anfühlte, aber wohl keiner war, sie nach hinten schleuderte. Sailor Sun wurde von einer Straßenlampe gebremst, an der sie sich den Kopf anschlug. Wider Erwarten war Medusa nicht auf eine weitere kämpferische Auseinandersetzung aus. „Wir sehen uns wieder!“, verabschiedete sich. Eine Druckwelle zwang Sailor Sun in die Knie und Medusa verschwand durch eine Art Riss in der Dimension, wie die Feinde immer zu nutzen pflegten. An ihrer Stelle erschien eine Kreatur mit den Körper eines Menschen, der Behaarung einer Ratte und Spritzen an allen möglichen Stellen des Körpers. Hässlich, aber Sailor Sun hatte schon schlimmeres geschehen. Die Kreaturen waren leicht zu besiegen und dienten wohl nur, dass Feinde vom Kaliber des Weibes mit den Schlangehaaren verschwinden konnten. Warum einige regelmäßig verschwanden, hatte Sailor Sun noch nie wirklich durchschaut. Entweder waren sie als Schergen für ihre Auftraggeber zu wichtig oder wussten, dass sie Sailor Sun unterlegen waren. Beides schien ihr plausibel. Die Spritzen-Kreatur stieß einen Schrei aus. In diesem Moment fiel Sailor Sun ein, dass die Kreaturen nur leicht zu besiegen waren, wenn sie ihre Waffe hatte – das Monster stand auf der Peitsche. Wohl weglocken. Sailor Sun rannte los und wurde von einer Art Energiestrahl, dessen Nähe schon auf der Haut brannte. Leider musste sie feststellen, dass das Monster sich nicht vom Fleck bewegte, sondern seinen Kopf und Oberkörper in alle beliebigen Richtungen drehen konnte. Das machte die Beschaffung der Peitsche ein wenig schwieriger. Nicht nachdenken, nur handeln. Sailor Sun rannte im Zickzack auf das Monster zu – worauf man sich verlassen konnte war, dass die Monster nie sonderlich intelligent waren. Die Kreatur konnte kaum kalkulieren, wohin Sailor Sun laufen würde. Bloß einmal kam sie dem Energiestrahl gefährlich nah, sodass eine kleine Brandwunde auf ihrem Oberarm bleiben würde. Sailor Sun schlüpfte durch die gespreizten Beine der Kreatur und ergriff die Geißel. Aufheben konnte sie die Waffe jedoch nicht – die Kreatur hatte noch immer ihren Fuß darauf gestellt und war zu schwer um nur von zwei Mädchenarmen umgestoßen werden zu können. Leider ahnte sie das nicht. Sailor Sun trat gegen den Rücken der Kreatur, die noch gar nicht gemerkt hatte, wohin sie verschwunden war, doch nun auf die Kriegerin aufmerksam wurde. Sailor Sun starrte plötzlich in das aufgerissene Maul der des Ungeheuers, das gleich einen Energiestrahl speien würde. „Lichtpeitsche, sieg!“, sprach sie hastig. Ihre Waffe war schneller als das Wesen, und dass die Kreatur auf der Geißel stand, hatte seine Vorteile. Sofort begann es zu brennen und schrie, während des sich in eine Häufchen Asche verwandelte. Sailor Sun keuchte. So robust ihr Körper in dem Kostüm auch war, so konnte es nicht verhindern, dass ihr Herz raste. Auch nach Jahre langer Tätigkeit konnte sie eine gewisse Angst nicht abschalten, die sich in Keuchen, Schwitzen und heftigem Herzklopfen äußerte. Summa summarum musste man aber sagen, dass der Job recht einfach gewesen war. „Und dafür bin ich wieder einmal aus dem Bett gejagt worden...“ knurrte sie. Sailor Sun trat zu dem Mädchen. Sie war bewusstlos, atmete jedoch noch. Ihr Puls war schwach, doch das konnte auch von den Drogen gekommen sein, deren Konsum eine frische Einstichnadel am Handgelenk verriet. Sailor Sun freute sich immer über solche Opfer – da musste man sich keine Gedanken machen über die Verwunderung, warum jemand auf dem Straßenrand ohnmächtig war. Trotz ihrer Drogensucht hatte sich das Mädchen eine schicke Armbanduhr leisten können. Sailor Sun überlegte sich, diese als Gegenleistung an sich zu nehmen – das machte sie nämlich viel zu selten. Doch dann fiel ihr Blick auf das Ziffernblatt. Die Armbanduhr verriet eine Uhrzeit von 2:53. „Dreck...“ fauchte sie und beschloss die Dame mit ihrem Koma alleine zu lassen. Wenn sie noch etwas Schlaf bis zum Weckerklingeln um 6:30 haben wollte, sollte sie sich beeilen, nach Hause aufzubrechen. Als der Weckruf sie brutal aus einem abstrakten Traum riss, hatte Akane kaum drei Stunden geschlafen. Diese fühlten sich jedoch wie nur fünf Minuten an. Ihr Körper schien eine Tonne zu wiegen, das Aufrichten war ihr schon lange nicht mehr so schwer gefallen. Sie überlegte, ihre Vorlesung zu schwänzen, entschied sich aber dagegen, da sie direkt danach mit dieser Ami Mizuno zur Projektbesprechung verabredet war. Eineinhalb Stunden mehr oder weniger Schlaf machten für sie keinen großen Unterschied. Und falls sie es gar nicht mehr ertragen sollte, konnte sie noch immer während der Vorlesung ein kurzes Nickerchen machen... oder während der Projektbesprechung. Sowie sie Mizuno einschätze, würde die Hochbegabte das ganze Projekt eh an sich reißen. Akane schleppte sich ins Badezimmer. In ihrem Schädel hämmerten Schmerzen, wobei sie nicht unterscheiden konnte, ob diese aufgrund des Schlafmangels oder dem Schlag auf den Kopf von heute Nacht hervorgerufen wurden. Im Prinzip war dies auch egal, solange es keine Gehirnerschütterung war. Im Bad erschrak Akane vor ihrem eigenen Spiegelbild. Seit vier Tagen nicht mehr gewaschene, verfettete Haare, Augenringe, Falten auf der Stirn, viele kleine Unreinheiten auf der Haut, ihr Nasenpiercing war leicht entzündet. Sie hatte sich damit abgefunden keine Schönheit zu sein, doch wie eine alte Schabracke zu wirken, war sogar ihr zu viel. Ausnahmsweise trug sie ein wenig Make-Up und Maskara auf. Wenn man sich allerdings nicht schminken kann, bringen solche Hilfsmittel auch nichts. Sie seufzte. Anblicke wie dieser zwangen sie dazu einen inneren Monolog durchzuspielen: Mein Name ist Akane Tayo. Ich bin zwanzig Jahre alt und studiere im zweiten Semester an der Todai-Uni Informatik. Mein Aufnahmeprüfungsergebnis gehört zu den besten 70, was allerdings weniger an meiner Intelligenz liegt, als an Konsequenz und Fleiß. Dass ich ein gewissenhaftes Arbeitstier bin, traut man mir allerdings aufgrund mehrerer Piercings an Nase, Augenbrauen und Ohr, sowie eines Komodowaran-Tattoos am Unterarm nicht zu. Geboren bin ich in Osaka, mein Vater ist Pianist in Russland, meine Mutter eine tote Biochemikerin, die mit einem Patent für einen Enegerydrink ohne Taurin Millionen verdient hat. Ich habe mehrere reptilische Haustiere, die alle keinen Namen haben, und stehe auf Science Fiction. Meine Lieblingsband ist AC/DC. Seit drei Jahren wohne ich zusammen mit meiner elf Jahre älteren Schwester Rika in Tokio. Rika hält sich für eine Künstlerin, unterrichtet an einer Kunsthochschule und ist Eigentümerin einer Galerie, in der ich oft unbezahlt Wachhund spiele. Das ganze wäre halbwegs erträglich, wäre ich nicht vor acht Jahren in einen intergalaktischen Rachefeldzug des Ex-Kaisers eines zerstörten Imperiums auf der Sonne hineingezogen worden. Der Gute hat im Sinn, die so genannten Sailorkriegerinnen, Nachkommen von irgendwelchen adeligen Weibern, wegen denen er aus dubiosen Gründen angepisst ist, umzubringen. Meine Aufgabe ist es – idiotischerweise – selbst als Sailorkriegerin namens Sailor Sun diesen Freak und seine Mannschaft aufzuhalten, die wahllos irgendwelche Frauen angreifen, um die Gesuchten zu finden. Mein Name „Sun“ kommt daher, dass ich offensichtlich meine Superkräfte aus derselben Quelle wie mein Gegner beziehe – diese Quelle wollen sie neben der Vernichtung der Sailorweiber ebenso zurück, sogar noch inbrünstiger, wie es mir manchmal vorkommt. Von meiner zweiten Identität darf niemand wissen, sicherheitshalber entblöße ich mich auch vor den Hauptangriffzielen des angefressenen Ex-Kaisers nicht; sind nämlich ziemlich dämliche Puten, auch wenn sie mir langsam auf die Schliche zu kommen scheinen. Verdanken habe ich den ganzen Dreck einem fetten Leguan. Jeden Morgen ging sie den inneren Monolog durch, um sich ihrer skurrilen Identität bewusst zu werden, würde sich aber dennoch noch immer gerne in die Irrenanstalt sperren lassen. Zahlreiche Narben, ein eigenartiges Amulett und der fette Leguan in ihrem Zimmer, der so intelligent war wie ein Mensch, aber nicht sprechen konnte, ließen Akane noch immer nicht ganz glauben, eine Art Superheldin zu sein, wie sie aus zahlreichen Mangas und amerikanischen Comics kannte. Sie erwartete jeden Moment aufzuwachen, wieder zwölf Jahre alt, lebend in Osaka und mit vielen engen Freunden – letzteres hatte sie seit ihrem Umzug nicht mehr gehabt, was die Schuld ihres Superhelden-Jobs war. Nach dem Zähneputzen und Anziehen setzte sich Akane auf ihr Bett. Die Uhr verriet, dass sie trödelte. Wenn sie sich nicht bald überwand und in die Uni aufbrach, hätte sie gleich liegen bleiben und schwänzen können. Warum müssen diese Dreckskerle in letzter Zeit immer nachtaktiv sein?, fragte sie sich und Akane massierte ihre Schläfen. Der fette Leguan schlief noch in seinem Terrarium. Sollte sie das wirklich auf sich sitzen lassen? „Du kommst mit!“, fauchte sie, packte das Tier am Hals und zog es aus dem Terrarium. Der fette Leguan zappelte und schnalzte hysterisch mit der Zunge. „Jetzt hör auf mich zu beschimpfen. Von einem, der den ganzen Tag pennt, kann ich mal ’n bissl Solidarität erwarten.“ Der fette Leguan protestierte weiter. Akane ignorierte dies und legte ihn über die Schulter. „Immerhin gibt’s jetzt gutes Fressi, Fetti. Ich hab noch Pancakes von gestern übrig.“ Das beruhigte den Leguan ein wenig. Akanes Zimmer befand sich im zweiten Stock des Einfamilienhauses, auf dem drei Hypotheken lagen. Als sie die Treppen hinunter in die Küche ging, hörte sie die Geräusche aneinander schlagender Töpfe und Teller, sowie fluchendes Gemurmel. Es war Rika, die gerade mit dem Gasherd kämpfte. Akane glaubte zu träumen – seit wann kochte ihre Schwester? Beziehungsweise, seit wann versuchte sie nachzudenken? Beides war im Moment jedenfalls sichtlich zum Scheitern verurteilt. „Das wird nix, wenn du den Topf auf die falsche Herdplatte stellst.“ Rika warf Akane einen wütenden Blick über die Schultern zu. „Halt’s Maul, Klugscheißerin.“ Akane überhörte die Beleidigung. „Seit wann bist’n du vor elf auf?“ Rika drehte den Gasherd ab und überhörte Akane. „Was macht das Ding da unten?“ Gemeint war der fette Leguan. „Ich hab dir gesagt, ich will die Viecher nicht außerhalb deines Zimmers sehen.“ „Ich schlepp ihn in die Uni mit. Meine Studienkollegen glauben mir nicht, wie fett er is.“ Wo sie es nun aussprach, kam ihr das Reptil tatsächlich sehr schwer auf der Schulter vor, was wiederum Auswirkungen auf den Druck in ihrem Kopf ausübte. Sieben Kilo wog er, dabei war ein etwas klein geratenes Exemplar. „Schaff ihn aber bald raus.“ „Nach dem Frühstück.“ Akane holte die Pancakes aus dem Kühlschrank und wärmte sie in der Mirkowelle. „Warum bist’n schon auf?“ „Ayano Yukino kommt heut zum Mittagessen vorbei. Wenn ich was Tolles zaubere, schenkt sie mir eines ihrer Bilder für die Galerie.“ Akane war so amüsiert, sodass sie für ein paar Minuten ihre erdrückende Müdigkeit vergaß. Auch nur der Gedanke, ihre Schwester, die manchmal vergisst, wie man die Mikrowelle bedient, könne etwas Anständiges kochen, wäre einen Sketch in einer Comedy-Show wert. „Tu dir nicht weh“, kicherte sie und holte die Pancakes aus der Mirkowelle. Um rechtzeitig bei der Vorlesung anzukommen, würde sie das Frühstück wohl unterwegs essen müssen. „Bye, Rika!“ „Warte kurz, Aki-chan!“ Akane zuckte zusammen – wenn Rika sie so nannte, war das nie ein gutes Zeichen. „Würdest du bitte erst nach sechzehn Uhr nach Hause kommen? Du weißt, wie peinlich du mir bist.“ Akane hatte schon lange akzeptiert, dass diese Aussage keine Beleidigung, kein Urteil, kein Witz, sondern eine schlichte Tatsache war. Sie hörte es trotzdem noch immer nicht gerne, vor allem, wenn dadurch die Hoffnung schwand bald wieder ins Bett zu kommen. „Wie immer. Schon klar.“ Akane warf die Tür hinter sich zu. Ami Mizuno war eine der Sailorkriegerinnen und nannte sich Sailor Merkur. Akane hatte die Identitäten der Objekte der Begierde des rachelustigen Ex-Sonnenkaisers erfahren, als eine gewisse Galaxia ihr Unwesen trieb. Sie waren auf dieselbe Schule gegangen – Akane war den Damen zwar nie aufgefallen, allerdings verhielten sich die Kriegerinnen alles andere als unauffällig. Ein gewisses Gespür für Übernatürliches und man entdeckte sie beim „Macht-der-Was-Auch-Immer-Nebel“-Schreien. Auf Anraten des fetten Leguans hatte sie sich aus dem Kampf herausgehalten und war ganz zufrieden damit. Dummerweise hatte das Treiben der intergalaktischen Gegnerin die Fährte der Sonnenkaiserschergen weg von Osaka nach Tokio gelockt... Mizuno war wohl die, die Akane immer am angenehmsten der Kriegerinnen vorkam. Kontakt wollte sie dennoch keinen haben und erhielt ihn nur unfreiwillig, als der Uni-Professor sie für ein Forschungsprojekt als Partnerinnen bestimmte – Proteste hatten nichts geholfen. „Was machst du da?“ Mit dieser Frage kommentierte Ami Mizuno Akanes auf dem Tisch des Lesesaals liegenden Kopf. „Schlafen...“ Weil sie ihre Augen auf die Tischplatte gerichtet hatte, konnte sie Mizunos verdutzen Gesichtsausdruck nicht sehen. Wahrscheinlich hätte sie sich amüsiert. „Falls du müde bis, wir können gerne auf morgen verschieben.“ Was heißt falls... Akane war müde. Und ihre Kopfschmerzen waren noch immer nicht verschwunden. „Nee, du mach mal. Ich kann eh erst um 16:00 heim. Kakerlakenholokaust.“ Die Freunde und Geschäftspartner ihrer Schwester als Schädlinge zu bezeichnen gefiel ihr. Mizuno schwieg eine Zeit lang, die Akane nicht einschätzen konnte, weil sie tatsächlich in einen Sekundenschlaf gefallen war. Unterbrochen wurde dieser von Mizunos zitternder Stimme: „Also, ich habe gestern ein paar Themenvorschläge herausgearbeitet. Magst du sie sehen?“ Akane hob den Kopf. Mizuno sah aus irgendeinem Grund verängstigt aus. Obwohl sie lieber ihren Kopf auf der Tischplatte gelassen hätte, übernahm sie von ihrer Projektpartnerin die Notizen. Die Frau hatte eine saubre Druckschrift, aber mit den Themenvorschlägen konnte Akane so gut wie gar nichts anfangen. Sie verstand sie auch kaum, Akane gab der Müdigkeit und den Kopfschmerzen Schuld. Jedoch war sie überrascht, dass entgegen ihrer Erwartungen die Hochbegabte das Projekt nicht an sich riss. Wohl gehörte sie dann zu den Exemplaren, die alle zunächst als gleichberechtigt behandelte, aber später die Oberhand gewann, frei nach dem Motto, sie wolle dem dummen Partner nur belehren. „Such dir dein Lieblingsthema aus“, befahl Akane. „Wirklich? Du hast nicht gerade zufrieden mit meinen Vorschlägen gewirkt.“ Mizuno redete mit ihr, als wäre Akane erst drei und sie eine Mutter. Wie gerne sie hier weg wollte... „Das wird wahrscheinlich daran liegen, dass ich kaum drei Stunden geschlafen hab.“ Mizuno zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. „Ich schlafe in letzter Zeit auch schlecht.“ „Ich hakle in der Nacht.“ „Oh. Was machst du denn?“ „Bin Stripteasetänzerin.“ Mizunos Mimik zu Folge, glaubte sie Akane sogar. Akane beschloss ihre Projektpartnerin in diesem Glauben zu lassen, sonst hakte sie noch so lange nach, bis ihr rausrutsche, dass sie die komische Kriegerin mit der Skimaske war, die zweimal den Sailorkriegerinnen den Hintern gerettet hatte. Außerdem schien ein solcher Job in Männerbars nicht gerade die Sympathien zu fördern. Mizuno räumte die Zettel weg. „Verschieben wirs’s auf morgen.“ Pause. „Du bist aus Osaka, nicht wahr?“ Ach, da hatte die Gute erkannt, dass Arbeiten heute keinen Sinn machte, wenn sie nicht alles selbst übernahm, und nun wollte sie Smalltalk führen. „Hört man’s?“, fragte Akane. „Ein wenig.“ Akane war der Meinung, noch immer im sehr tiefen Dialekt ihrer Mutterstadt zu sprechen. Zahlreiche Stimmen hatten allerdings schon gesagt, ihre Herkunft höre man nur mehr bedingt. Da auch Rika schon die tokioter Aussprache übernommen hatte, musste das wohl auch für sie gelten. Schade, sie war immer stolz auf ihren Osaka-Slang, dessentwegen sie man zu Anfangstagen in Tokio kaum verstand. „Seit wann lebst du denn in...“ „Hör mal, ich hab null Bock mit dir über mein Leben zu reden und erst recht interessier ich mich nicht für deins. Wir sind dieses Semester Projektpartnerinnen, mehr nicht. Und ich hab keine Lust mit dir auch nur in irgendeiner Form zu arbeiten, deswegen würd ich vorschlagen, wir einigen uns heut auf eines deiner dummen Themen, machen uns ’ne Arbeitsteilung aus und hoffen auf die Bestnote. Oder du machst das ganze Projekt alleine, was mir sogar am liebsten wäre.“ Mizuno war regelrecht schockiert über die harsche Art, mit welcher Akane ihre Meinung kundtat. Oder über die Meinung selber. Die junge Frau sah jedenfalls aus, als würde sie anfangen zu schluchzen. Zu widersprechen traute sie sich allerdings nicht. „Okay...“, murmelte sie. „Da du deinen Leguan mit hast, wie wäre es mit einem Grafikprogramm zum Generieren von Reptilienschuppen?“ Interessant, dass Mizuno trotz der verbalen Attacke noch immer auf Akanes Interessen Rücksicht nehmen wollte. „Wenn das genug Inhalt liefert... “ „Ich denke schon.“ Im weiteren Verlauf des Vormittags versprach Mizuno die Aufgabe zu übernehmen die wissenschaftliche Literatur zu durchwälzen und zusammenzufassen, während Akane Zahlen in den Computer eintippen würde. Und sobald die Aufgabenteilung erledigt wir, fing Mizuno wieder mit dem Smalltalk an. „Das ist ein grüner Leguan, nicht war.“ „Jep.“ „Ziemlich klein geraten. Und ich wusste gar nicht, dass es die außerhalb des Terrariums so lange aushalten.“ Akane knurrte. Ein Exemplar, welches nur bedingt von dieser Welt stammte, musste sich nicht an biologischen Prinzipien halten, da war das Herumtragen durch halb Tokio noch das Harmloseste. Normale Leguane essen keine Pancakes oder können einen Tag lang in einen Eiskasten gesperrt werden. „Hör mal, ich bin die Reptilienhalterin von uns, hör auf mich zu belehren.“ Mizuno zuckte zusammen. Offensichtlich hatte sie mit son einem bissigem Tonfall noch immer nicht gerecht, obwohl sie schon über eine Stunde diesen über sich ergehen hatten müssen. Akane beschloss noch einen draufzusetzen: „Wir sind fertig. Jetzt verzieh dich. Ich würd hier gerne noch ’ne Stunde pennen.“ Mizuno schien den Tränen nahe und packte wortlos ihre Sachen. Erst im Gehen wagte sie wieder zu sprechen: „Tschüss Akane.“ „Tayo.“ „Bitte?“ „Für dich noch immer Tayo.“ Weil im Lesesaal zu viel los war und sie sich gestört fühlte, ging Akane in die Galerie „RikArt“, um sich dort auszuruhen. Wenn ihre Schwester das herausfand, würde es zwar ein Geschrei geben, da Akane die Galerie nur mit Rikas Erlaubnis betreten durften, aber da der einzige Zeuge ein Leguan war, der nicht sprechen konnte, würde sie es nur schwer herausfinden. Der Boden war unangenehm, die herumhängenden Bilder hässlich, doch der Schlaf erfüllte seinen Zweck. Schon beim Hinlegen merkte sie, wie ihre Kopfschmerzen vergingen... es handelte sich also wirklich nur ein Symptom der Müdigkeit und nicht einer Gehirnerschütterung. Akane schlief sofort ein, auch wenn der fette Leguan auf ihrem Bauch und ihrem Brustkorb herumzappelte. Einen Wecker stellte sie sich nicht, sie würde so lange schlafen wie nötig. Geweckt wurde sie schlussendlich von einem Schrei. „Eine Obdachlose!“ Akane richtete sich erschrocken auf, und spürte einen Pappbecher gegen ihre Stirn knallen. „Was zum Teufel machst du hier?“, schrie Rika. Die erste Frau, die entsetzt reagiert hatte, war eine fast weißhaarige, kleine Frau mit strengen Augen. „Ich hab mich hier hingelegt“, rechtfertigte sich Akane. „Harte Nacht...“ „Mir sind deine schlechten Begründungen egal! Hast du daran gedacht, dass deine Blödheit Rückwirkung auf mich haben kann! Du blamierst mich schon wieder vor meinen so wichtigen Gästen! Ich hab dir gesagt, dass du die Galerie nicht betreten sollst, wenn ich nicht mein Einverständnis gebe! Hier liegen Sachen im Wert von was weiß ich wie viel Yen rum!“ Rikas Blick fiel auf den fetten Leguan. „Und das Ding hast du auch noch mitgenommen!“ Rika redete so schnell, dass Akane sie nicht unterbrechen konnte. Inzwischen hörte sie nicht mehr zu, sondern musterte die weißhaarige Frau, bei der es sich vermutlich um Ayano Yuki handelte, und zwei komplett schwarz gekleideten Herren. Irgendwann ersetzte Rika das Schreien durch Luftholen. „Bist fertig?“ „JA!“, schrie Rika hysterisch. „Leihst du mir die Autoschlüssel, damit ich rascher nach Hause komm?“ „VERGISS ES! BEWEG DEINEN HINTERN HIER RAUS!“ Akane verdrehte die Augen und gehorchte. Den Leguan trug sie wie ein Kind in den Armen. Als sie nach Hause kam, beschloss sie noch eine Runde zu schlafen und betete, dass diese Nacht nicht ihr Amulett, mit welchem sie sich verwandelte, bloß keinen Alarm schlug, dass der angepisste Sonnenkaiser irgendjemanden attackierte. Kapitel 4: Im Einkaufszentrum ----------------------------- „Die Sonne war zur Zeit des Silberjahrtausend tot“, sagte Artemis. „Die Landschaft war ohne Leben und galt als unbewohnbar. Auf ihre lebensfeindliche Art, welche nur das Böse gebären zu schien, war sie unergründlich und unberührbar. Daher mieden wir die Sonne. Wir wussten nur, dass unter der Oberfläche eine Macht schlummerte, aus der solche Kreaturen wie Metallia geboren werden konnten. Ich bin mir sicher, dass es vor dem Silberjahrtausend so war, jetzt noch so ist und in der Zukunft sein wird.“ „Daher ist es so seltsam, dass es nun eine Sailorkriegerin der Sonne geben soll“, beendete Luna seine Ansprache. Jeder grübelte. Ernst drei Tage nach dem Angriff der Schlangenhaarefrau hatten sich die Usagi, Ami, Rei, Makoto, Minako, Mamoru und die beiden sprechenden Katzen zusammengefunden. Nach der Verwüstung seiner Wohnung war Mamoru vorübergehend bei Usagi einzogen. Die Kriegerinnen tagten nun in der Tskuino-Residenz. Rei hatte schon das letzte Mal vehement ein Treffen im Hikawa-Tempel abgelehnt und tat es noch immer; als Begründung nannte sie die nervigen Mikos, die ihre Nase in jede Angelegenheit stecken mussten. „Und Kaiser Hyperion? Sagt euch dieser Name etwas?“, fragte Minako. „Nein“, sagte Artemis, während Luna angestrengt nachdachte, woher sie diesen Namen kannte. Irgendwo im Mondpalast hatte sie von diesem Mann gehört, doch sie konnte sich bei bestem Willen nicht mehr daran erinnern, wo. „Mir macht diese Sailor Sun Sorgen“, sagte Rei, die von dem Schock über dem Angriff wieder genesen schien. „Es ging nicht gerade die angenehmste Aura von ihr aus. Außerdem habe ich die starke Befürchtung, dass sie die Person aus meiner unheimlichen Vision ist...“ Minako setzte die Argumentation fort: „Und es ist nicht gerade sympathisch, dass sie sich diese hässliche Skimaske über den Kopf zieht. Sie sah aus, wie eine Einbrecherin.“ „Oder einfach wie jemand, der viel zu verbergen hat“, schwächte Ami Minakos Aussage ab. „Das heißt wohl, wir sollten ihr eher skeptisch gegenüber treten“, schlussfolgerte Makoto. „Von wegen!“ Es war das erste Mal, dass Usagi bei dem Treffen gesprochen hatte. „Sailorkriegerin bleibt Sailorkriegerin, egal ob wir sie nun identifizieren können oder nicht. Sie gehört zu uns. Schließlich hat sie mir schon zweimal das Leben gerettet.“ Die restlichen sieben Anwesenden sahen sie an. So einfach ihre Argumentation war, so logisch war sie auch. Zufrieden waren jedoch nicht alle Anwesenden damit. „Allerdings hat sie auch gesagt: ‚Haltet euch da raus’“, sagte Mamoru. „Ich wäre dafür, diesen Rat zu befolgen.“ „Wieso das denn?“ Usagi stand auf und stieg auf ihr Bett. So wollte sie unterstreichen, dass sie eine inspirierende Rede halten wollte. „Egal, wer die mysteriöse Kriegerin nun ist, Tatsache bleibt, dass unschuldige Menschen von brutalen Monstern angegriffen werden. Das haben wir noch nie zugelassen und haben es auch nicht vor. Wir müssen den Fakten ins Auge blicken – es ist an der höchsten Zeit wieder aktiv zu werden.“ Mamoru und ihre Freundinnen sahen sie lächelnd an; bei nicht allen entflammte jedoch derselbe Enthusiasmus. Dennoch blieb ihnen keine andere Wahl, als Usagi zuzustimmen... ihr Alltagsleben war wohl kein ausreichendes Argument, ihre übernatürlichen Pflichten außer Acht zu lassen. Usagi ordnete an: „Also, vergesst nie wieder eure Stäbe!“ Rei raunte: „Wenn du nie wieder deine Beschwörungsformel vergisst.“ Usagi knurrte wie ein wütender Hund: „Ja ja. Ich hab sie eh wieder gelernt...“ Mithras trommelte gereizt mit den Fingern auf die Armlehne seines Vaters Thron. Lisiphon, oder wie sie hieß, hatte sich vor ihm auf die Knie geworfen und schluchzte. Erbärmlich, wie sie sich gebar. Hatte sie wirklich einmal zur Garde der dritten Plutokönigin gehört? Am liebsten hätte er ihr auf der Stelle den Kopf abgeschnitten und die Leiche in den Weltraum geworfen, doch die schrumpfende Zahl seiner Lakaien hielt ihn ab. Er brauchte sie wohl oder übel. „Du hast also die Fährte der Mondprinzessin verloren?“, sprach er. „Ja“, schluchzte sie. „Du sagst, seit der Begegnung mit ihr, der Marsschlampe und dem Maskenheini bist du nur mehr Sailor Sun über den Weg gelaufen?“ „Ja.“ Er klopfte so heftig gegen die Armlehne, dass ihm die Fingerkuppen wehtaten, und kniff sich vor Zorn in die Wange. Wenn er sich Schmerzen zufügte, konnte er seinen Zorn im Zaum halten. Dabei würde er dieser dumme Schlampe so gerne das Licht ausschalten. So nah waren sie ihrem Ziel gewesen und diese Kuh machte alles zunichte. Er fragte sich, ob vielleicht Erfolg beschert gewesen wäre, wenn er ihre Schwester oder einen anderen Lakaien losgeschickt hätte... wahrscheinlich. Er gab sich eine geringe Teilschuld an dem Verlust der Spur zur Mondprinzessin. „Dann lass dieses Gebäude einfach aus den Augen und such deine Opfer an anderer Stelle“, sagte er gezwungen ruhig. „Verrate mir nur, warum du einfach abhaust, wenn die Peitschenschlampe auftaucht?“ Sie stotterte, ohne ihm in die Augen zu schauen: „Ich... ich... ich denke nicht, dass ich eine Chance gegen sie hätte.“ „FEIGE SAU!“, brüllte er, da er nach dieser Aussage auch die Autoaggression seine Wut nicht zügeln konnte. „Woher willst du das wissen, wenn du es nicht einmal probierst, sondern lieber unsere Züchtungen verschwendest? Denkst du, diese Schwächlinge hätten eine Chance, wenn du die Schlampe nicht mal selbst besiegen kannst?“ Mit jedem seiner Worte wurde die Furie kleiner. Als Mithras Luft holte, unterbrach sie ihn: „Wie soll ich meinen Job machen, wenn ich mich wie Megaira von ihr töten lasse?“ „DEIN JOB IST ES, DIE GRABSCHÄNDERIN ZU KRIEGEN! Damit wir an Sunnas Starseed herankommen! Hast du zu selten die Predigten des Kaisers gehört?“ „Doch... nein... aber... Sie sagten, ich soll die Mondprinzessin fangen.“ Mithras holte tief Luft: „WENN SICH DIE MÖGLICHKEIT ERGIBT! Doch wie Kaiser Hyperion immer verlangte, ist es unsere primäre Aufgabe, Sunna wiederzuerwecken! Dachtest du ernsthaft, ich müsste das erwähnen? Kannst du auch selbst denken?“ Inzwischen war Mithras vom Thron aufgesprungen. Die Luft im Saal wurde schwerer und drückte die auf den Knien befindliche Furie auf den Boden, bis sie ihn mit der Stirn berührte. Nur Mithras stand kerzengerade da. Nur eine geringe Demonstration seiner Macht. Tisiphone spürte eine Erleichterung, als Mithras sich beruhigte und der Druck nachließ. Er ließ sich auf den Thron fallen und bohrte seine Fingernägel in die Wange. „Hast du’s jetzt verstanden?“ „Ja.“ „Also, finde Sailor Sun und bei Gelegenheit – aber nur bei Gelegenheit – auch die Mondprinzessin. Und verschwinde auf keinen Fall vom Tatort und drück dich nicht, der Kriegerin gegenüberzutreten. Sonst...“ Er beendete den Satz mit einer Geste: Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle, wo sich seit einiger Zeit eine Narbe befand. Die Furie schluckte: „Verstanden, Eure Hoheit.“ „Ich finde es toll, dass wir uns zusammengefunden haben!“, platze Usagi heraus, als Makoto als letzte der fünf Freundinnen in das kleine Café im Einkaufszentrum eingetroffen war. „Wann war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben?“ „Gestern in deinem Zimmer“, erinnerte Rei sarkastisch. „Ja, ja... aber da ging’s doch nur um berufliche Dinge.“ Die Mädchen waren über Usagis Wortwahl verdutzt – mit „beruflich“ assoziierten sie eigentlich andere Dinge. „Wann haben wir uns das letzte Mal als Freundinnen getroffen?“ Das klang fast wie ein Vorwurf. Die Mädchen dachten nach und wurden umso betroffener, je mehr Zeit verging. Klar hatten sie sich alle immer wieder zu zweit verabredet, doch die ganze Gruppe hatte wohl vor einer halben Ewigkeit das letzte Mal zusammengefunden. Makoto antwortete schließlich: „An meinem Geburtstag.“ Ihre Stimme war sehr leise. „Na, das ist aber wirklich schon viel zu lange her!“, kommentierte Usagi. „Also erzählt, was tut sich bei euch!“ Minako war die erste, die zu berichten begann. Während die Blondine einen Redeschwall losließ und von ihrer Arbeit am Set einer zweitklassigen Seifenoper berichtete, beobachtete Rei Usagi. Sie schien ganz verändert... während Usagi nämlich bei der Besprechung in ihrem Heim – für ihre Verhältnisse – todernst gewesen war und kein anderes Thema als die neuen Feinde kannte, schien sie nun das Problem vergessen zu haben. Baff hing sie an Minakos Lippen und traute ihren Ohren kaum, als Minako von dem ach so tollen Shota Kikuchi berichtete, der ihren Geliebten spielte. Da wurde auch Rei hellhörig... Shota Kikuchi war verdammt attraktiv. Makoto berichtete von ihrem Erfolg im Restaurant, Rei lästerte über die neuen Mikos und Ami fachsimpelte über ihren Assistenzjob in einem Gentechnikinstitut und berichtete von skurrilen Erlebnissen an der Uni. Und je mehr sie über ihren Alltag sprachen, umso mehr vergaßen alle, warum sich die Gruppe eigentlich wieder zusammengefunden hatte. „Ich trag so etwas nicht...“, motzte Akane, jedes Silbe hervorhebend, als ihre Schwester ein rosa Kleid mit Puffärmeln in die Höhe hielt. Rikas Plan war, Akane ein schönes Kleidungsstück zu kaufen, jedoch nicht aus Selbstlosigkeit, sondern weil Ayano Yuki ein zweites Mal zum Essen kommen wollte und diesmal auch die seltsame kleine Schwester kennen lernen wollte. Möglichst in einer besseren Situation als auf dem Boden der Galerie schlafend. Deswegen meinte Rika, Akane brauche ein schönes Kleid. Es war der dritte Laden, den sie bereits durchforsteten. Akane war bisher mit allen Stücken unzufrieden gewesen, die Rika vorgeschlagen hatte. Und umgekehrt. „Kann ich nicht einfach das schwarze Kleid anziehen?“, fragte Akane, als Rika ihr wieder einen hässlichen Fetzen unter die Nase hielt. „Das Ding ist sechs Jahre alt. Das nicht mehr modisch.“ „Es ist ein schlichtes, schwarzes Kleid.“ Rika fauchte: „Führ dich nicht wie die letzte Zicke auf, sondern lass dich auch mal einladen. Wie wär’s damit?“ „Hässlich.“ „Das ist ein schlichtes, schwarzes Kleid, wie du’s in deinem Schrank hängen hast.“ „Hässlich.“ Beharrte Akane und log. Tatsächlich gefiel ihr das Kleid gut, doch sie wusste, dass Rikas Konto einen solchen Kauf nicht erlaubte. Zwar verdiente ihre Schwester als Professorin an der Kunsthochschule ziemlich gut, doch die Galerie „RikArt“ fraß mehr Geld, als sie ausspukte. „Du bist so eine schwierige Patientin, stöhnte Rika. „Und dein Leguan schaut aus der Tasche.“ Weil der fette Leguan wieder einmal geschlafen hatte, als Akane beim gestrigen Einsatz als Sailor Sun unterwegs gewesen war (bei dem Sailor Moon und Co. glücklicherweise wieder NICHT erschienen waren), hatte sie ihn mit in die Shoppinghölle genommen. Sie versteckte ihn in einer Sporttasche, Rika hatte erst bei der Ankunft bemerkt, dass das ihr verhasste Tier sie begleitete. Auf keinen Fall, so ihre Richtlinie, durfte es gesehen werden, es würde ein schlechtes Bild auf sie werfen, wenn sie mit einer Person gesehen wird, die eine hässliche Echse mitschleppte... Wie kann eine Frau aus der Kunstszene nur so sensibel gegenüber Exzentrik sein, fragte sich Akane. Sie stupste den Kopf des Leguans zurück in die Tasche und schloss den Reißverschluss. „Warum schleppst du das Vieh überall mit?“ „Er soll leiden“, antwortete Akane. Rika verdrehte die Augen. Sie packte ihre jüngere Schwester am Handgelenk. „Komm, wir gehen in einen anderen Laden.“ Der Kaffee war zu Ende getrunken... Minako hatte spontan vorgeschlagen einen Einkaufbummel zu machen. Sie brauchte noch schicke Schuhe, weil sie zu einer Preisverleihung eingeladen war. Die Mädchen sollten ihr bei der Entscheidung helfen. Inzwischen probierten alle in dem Schuhgeschäft Produkte, die sie sich niemals leisten konnten, doch es machte Spaß die Schuhe einfach anzuziehen und die Verkäuferinnen ein wenig zu nerven. „Ach, ich brauch noch einen Rock!“, fiel Makoto anschließend ein. In einem der dreißig Bekleidungsgeschäfte, die das Einkaufszentrum bot, konnten die Mädchen ihre Geldbörsen jedoch nicht in der Tasche lassen. Ami gab sich mit einer Bluse zufrieden. Als sie schon gezahlt hatte, fiel Minako ein, dass sie ein bestimmtes Kleidungsstück doch nicht wollte, und rannte aus der Kassenschlange. Usagi folgte ihr. Makoto und Rei blieben bei Kassenschlangen stehen und stöhnten. „Unverändert“, sagte Makoto. Rei nickte bestätigend. Während die beiden in ein Gespräch über die beiden Blondinen fielen, schaute Ami, für die Lästern noch nie eine große Sache war, sich die übrigen Kunden an. An einem Ständer für Kleider entdeckte sie ein bekanntes Gesicht. „Akane!“, rief sie. Die Person reagierte nicht. „Wartet kurz hier!“, wies sie Makoto und Rei an und ging schnellen Schrittes zu ihrer Studiumskollegin hin. Das letzte Treffen war aufgrund der Übermudung der Projektpartnerin mehr als schlecht verlaufen, Ami erhoffte nun Schadensbegrenzung. „Hallo Akane“, begrüßte sie. Akane sah sie an, als ob man sie gerade vergiftet hätte. Wahrscheinlich war es keine gute Idee, die seltsame junge Frau, die Smalltalk offensichtlich nicht mochte, einfach anzuquatschen. Aber jetzt gab es kein zurück mehr. „Wie geht es dir?“ „Schau ich glücklich aus?“, fauchte sie. „Und nenn mich Tayo.“ Ami blickte auf den Boden. Das hatte Akane ihr das letzte Mal schon angewiesen. „Tut mir leid.“ Nach einigen Sekunden des Schweigens, da Ami nicht wusste, was man mit einer Person am besten sprach, die Smalltalk vermied, seufzte Akane: „Was willst du?“ „Bist du... das sieht nicht gerade wie ein Laden aus, in dem du einkaufen würdest...“ Akane seufzte: „Ich bin auch nicht zum einkaufen hier. Ich beobachte, wie sich ein Leguan tut, wenn man ihn in ein überfülltes Einkaufszentrum mitnimmt und ihn in die ganze Zeit in eine Tasche einsperrt.“ Ami machte große Augen: „Ernsthaft?“ „Ja.“ Akane öffnete ihre Sporttasche und erlaubte Ami einen Blick auf das übergewichtige Exemplar, das traurig herausblickte „D... das ist...“ „Tierquälerei. Ich weiß.“ Sie grinste bei diesen Worten. Ami war so entsetzt über das Vorgehen Akanes, dass sie sprachlos auf das arme Tier in der Sporttasche starrte. Als Akane die Tasche wieder schloss, hörte Ami Usagis Stimme: „Wir wollen weiter!“ „Ja. Ich komme. Ciao!“ Sie war irgendwie froh, sich von Akane zu entfernen, doch Usagi, Minako, Rei und Makoto kamen auf die beiden zu. Deren Blick fiel sofort auf ihre hochgewachsene – sie war sogar größer als Makoto – Projektpartnerin. „Stell uns vor“, sagte Usagi mit einem breiten Grinsen. „Ja. Akane Tayo, meine Projektpartnerin.“ Sie sah nicht sehr glücklich aus, dass Ami ihrer Freundin ihren Namen verraten hatte. „Freut mich! “ Usagi hielt ihr unbekümmert die Hand hin. „Ich bin Usagi Tsukino.“ Akane schaute auf die ausgestreckte Hand, als ob sie so etwas noch nie gesehen hätte. „Mich freut’s nicht.“ Usagi guckte verdutzt. Akane drehte sich um. „Mizuno, wir hörn uns.“ Und dann war sie in dem Getümmel an Menschen und Kleidung verschwunden. „Was ist das für eine?“, sagte Makoto empört. Selten war ihr ein so unhöfliches Verhalten untergekommen... nur übertroffen von den Gästen, die mit den Kellnern sprachen, als wären sie Sklaven. „Komische Gestalt. Und wie sie redet.“ Ami lächelte: „Das ist nur der Osakadialekt. Aber sie ist wirklich etwas komisch...“ Usagi hatte bis jetzt geschwiegen und in der Haltung mit ausgestreckter Hand verharrt. Nun holte sie tief Luft. Die vier Mädchen erwarteten eine Beschimpfung über das unhöfliche Verhalten von Amis Studiumskollegin. Doch sie sagte: „Osakadialekt!? Deswegen hab ich sie nicht verstanden!“ Tisiphone saß auf dem Dach eines Einkaufzentrums, starrte die auf die ein- und ausgehende Menge und hasste Mithras. Sie hatte schon ihren Dienst unter Kaiser Hyperion geleistet: Er war ein wunderbarer Anführer. Seine Instruktionen waren klar, sodass man das Hirn nicht anstrengen musste, um die Befehle auszuführen. Stets hatte sie das richtige getan, woher auch ihr Prestige rührte. Doch Prinz Mithras war das komplette Gegenteil zu seinem Vater: So sehr sie sich auch optisch ähnelten, so unterschiedlich waren ihre Charaktere. Trotz all seinem Hass war Kaiser Hyperion nämlich immer gelassen gewesen– Mithras war ein Choleriker. Kaiser Hyperion gab klare Anweisungen – Mithras schien selbst nicht ganz zu wissen, was er wollte. Erst Sailor Sun jagen, dann die Mondprinzessin und jetzt wieder Sailor Sun... ihr warf er vor, die Ziele nicht zu kennen, doch kannte er sie selbst? Wieso hatte Kaiser Hyperion ausgerechnet seinem wahnsinnigen Sohn die Befehlsgewalt überlassen? Hätte die Armee nicht zu viel Angst, hätte sie schon längst gegen Mithras rebelliert. Sie war so wütend, dass sie kaum fähig war, ein Opfer zu wählen. Da das Einkaufszentrum jedoch gut besucht war, beschloss sie, blind in die Masse zu greifen... gleich mehrmals. „Hör auf, dich so zu benehmen!“, schrie Rika und auf die Person, der das Ansehen bei anderen Leuten so wichtig war, wurde von den restlichen Kunden angestarrt. „Wir rennen seit drei Stunden in diesem verdammten Einkaufszentrum herum, und du spielst sture Zicke! Mir reicht’s! Tritt von mir aus nackt vor Frau Yuki!“ Rika schmiss die beiden Kleider in ihrer Hand auf den Boden und stampfte aus dem Geschäft, gefolgt von einigen Blicken. Akane hatte kaum eines der Worte ihrer Schwester mitbekommen. Das Amulett um ihren Hals piepste – von den meisten wurde es für ein Handy gehalten. Komisch war jedoch, dass sie nicht weg teleportiert wurde, weswegen sie umsonst in die Umkleidekabine gerannt war, was der Grund war, warum Rika ihren Wutausbruch bekommen hatte. Dabei schien endlich Einigkeit gekommen zu sein. Drei Sekunden später ertönte ein Schrei. Akane verschwand nicht, weil der Tatort schlicht und einfach hier war. Und Sailor Moon und Co. waren auch da... „Dreck...“ Während Rei Minako über Shota Kikuchi ausfragte, Ami lächelnd daneben stand und einen Kleiderständer durchforstete, Makoto versuchte Aufmerksamkeit zu bekommen, da sie soeben mit einem teuren Kleid aus der Umkleidekabine erschienen war, und Usagi mit einem breiten Grinsen das Szenario beobachtete, das sie so schön an alte Tage erinnerte, ertönte plötzlich ein Schrei. Draußen vor dem Geschäft liefen plötzlich die Menschen hysterisch durch die große Halle. In der Mitte befand sich ein Brunnen – auf der Zierskulptur saß eine Gestalt, deren lange Haare wild durch die Gegend schlugen. Die Frau mit den Schlangenhaaren. So ganz entsprach das nicht Usagis Interessen. Ein entspannender gemeinsamer Tag für Klatsch und Shoppen war dafür gedacht, die Gruppe wieder zusammenzubringen... an die alten und neuen Zeiten als Sailorkriegerinnen sollte nicht gedacht werden, Ziel war, die Mädchen daran zu erinnern, wie gut sie sich einst verstanden hatten und wie enge Freundinnen sie einmal gewesen waren. Es sollte das Bereuen geweckt werden, dass keiner wirklich bemüht war, die Gruppe zusammenzuhalten, und der Enthusiasmus erregt werden, wieder mehr zusammen die Freizeit zu verbringen. Und nun tauchte diese Kreatur auf, die alle daran erinnerte, dass sie Kämpferinnen gegen das Böse waren. Die Sorglosigkeit wurde verdrängt. Ob sich die Mädchen schon auf die alte Freundschaft rückbesinnt hatten? Usagi vermutete es nicht, trotz der schönen Situationen, die sich ergeben hatten... aber immerhin konnten sie nun ihr Teamwork als Kriegerinnen wieder üben. „Habt ihr eure Stäbe mit?“ Rei, Ami, Minako und Makoto nickten und hielten die Artefakte als Bestätigung hoch. Usagi war die erste, die die Beschwörungsformel rief: „Macht des Mondlichts, mach auf!“ Die Menge rannte vor Tisiphone weg – was aber nicht hieß, dass sie keine Opfer fand. Sie streckte zum dritten Mal die Arme aus, erwischte mit der linken eine Frau und mit der rechten einen Man, obwohl Ziel grundsätzlich Frauen waren, wie Mithras angeordnet hatte. Unter König Hyperion hatten sie noch männliche Opfer gesucht. Seit Mithras die Macht übernommen hatte, war allerdings klar, dass Sunna in einer Frau mit dem Decknamen Sailor Sun Platz gefunden hatte – doch Tisiphone meinter weiter, trotzdem konnten sich andere Starseeds auf in Männern befinden. Beide entpuppten sich als Nieten. Sie schmiss die Frau und den Mann gegen die Wände und griff nach weiteren Opfern. Ehe sie jedoch jemanden ergreifen konnte, spürte Tisiphne einen Tritt in den Rücken und fiel von der Skulptur ins Wasser. Sailor Sun stand vor ihr – wieder mit dieser komischen Maske, obwohl sie ihr Gesicht bereits gesehen hatte. „Wie findest du uns immer?“, keuchte Tisiphone. „Glück. Timing. Keine Ahnung.“ Sie Kriegerin schnalzte mit der Peitsche. „Diesmal haust du mir nicht ab.“ „Keine Angst.“ Tisiphone formte ihre Hände zu einem Dreieck, in welchem Blitze zuckten. Sailor Sun hielt die Geißel in die Höhe: „Licht...“ „HALT!“ Beide wurden bei ihrem Angriff unterbrochen. Tisiphone und Sailor Sun starrten auf fünf Gestalten, die aus dem Schatten traten. „Du wagst es, unschuldige Menschen an einem entspannenden Nachmittag zu attackieren und ihr Leben zu gefährden. Wir sind die Sailorkriegerinnen.“ Die andere viel Gestalten schlossen sich der Rede an: „Merkur.“ „Mars.“ „Jupiter.“ „Venus.“ „Und ich bin Sailor Moon. Und im Namen des Mondes werden wir dich bestrafen.“ Sailor Sun schlug sich auf die Stirn und murmelte: „Peinlich...“ Tisiphone nutze ihre Empörung aus, packte ihren Unterschenkel und ließ so viel Volt durch ihren Körper rasen, wie möglich. Das hatte die Kriegerin zwar schon ein Mal nicht aufgehalten, aber immerhin geschwächt. Nach einigen Sekunden schmiss sie Sailor Sun wie eine Puppe gegen die Wand. Ihre Aufmerksamkeit musste nun den neu aufgetauchten Kriegerinnen gelten. Die fünf Mädchen blickten entsetzt. Tisiphone rannte auf sie zu, wieder bereit ihre Blitze losfahren zu lassen. Sailor Jupiter hatte jedoch entsprechend des von ihr benutzen Elements reagiert: „Macht des Donners, sieg!“, rief sie. Ihre Attacke konnte Tisiphones Blitze abwehren. Sie war erstaunt, war der Feuerpfeil der Marskriegerin doch so leicht abzuwehen gewesen. Ein Kinderspiel war die Wasserattacke von Sailor Merkur; ein Wink und sie konnte sie aufhalten. Dafür spürte sie die Herzattacke von Sailor Venus am Körper. Vor Überraschung verlor sie kurzfristig die Konzentration. „Haut ab! Ich hatte das unter Kontrolle!“, rief Sailor Sun. „Ihr könnt es nicht besiegen.“ Keiner hörte auf sie. Sailor rief die Beschwörungsformel: „LICHT DES SILBERMONDS, SCHEINE UND HEILE!“ Tisiphone spürte, wie sich ihre Adern verdickten und ihr Herz schneller schlug. Stärker als die letzte Attacke, doch der Effekt war nur kurzfristig. Die fünf Kriegerinnen starrten entsetzt, als die Frau mit den Schlangenhaaren unbeschadet vor ihnen stand. „War das alles?“ Angst zeichnete sich in den Gesichtern der fünf Mädchen ab. Tisiphone formte die Finger zu einem Dreieck. Doch wieder wurde ihre Ladung unterbrochen, als eine Rose vor ihren Füßen landete. Man konnte wohl nicht seine Überlegenheit ausdrücken, ohne von irgendeinem banalen Angriff gestört zu werden. Mehr der Überraschung wegen, wandte sie ihre Augen auf den (zugegebener Maßen recht attraktiven) Mann im Smoking. „Tuxedo Mask!“, rief Sailor Moon. „Eine Rose steht für...,“ Er hatte den Satz kaum angefangen, schon wurde er von einem Schrei der Frau mit den Schlangenhaaren unterbrochen. Und irgendwie ärgerte das ihn. Tisiphe spürte den Geißelschlag Sailor Suns an ihrem Rücken, der einen Schmerz an ganzem Körper verursachte. Das Gute an der Attacke jedoch war, dass man die Waffe leicht packen konnte. Sie ergriff die Rute und riss daran. Sailor Sun fiel hin. „Lichtpeitsche.“ Da Tisiphone rechtzeitig losgelassen hatte, ging der Angriff ins Leere. Obwohl es Mithras verboten hatte, öffnete sie den Spalt zur Dimension – der Druck legte sogar Sailor Sun kurz lahm – und ließ eine der Züchtung in die Welt der Menschen. Die Kreatur – ein humanoider Adler – gehörte zu den Stärksten der Monster, welche Tisiphone zur Verfügung hatte. Sie befahl ihm, Sailor Sun anzugreifen. Als Ablenkung. Sie wollte sich den Sailorkriegerinnen widmen, schlicht und einfach, weil sie die leichtere Beute waren. Und laut Mithras, sollte sie die Mondprinzessin bei Gelegenheit fangen, oder? Die Kriegerinnen schienen demotiviert – sie zeigten keine Wehr, als ihre Schlangen den fünf Mädchen in die Schenkel bissen. Bloß der Mann mit der Maske, wagte es, sich zu wehren. Doch nach wenigen Sekunden hatte sie auch ihn erwischt. Es war die Energie von Starseeds, die in ihren Körper strömte. Wenn sie doch nur wüsste, wie man diese Kraftquellen extrahierte. Musste sie die Opfer eben Mithras ausliefern, der hoffentlich dann endlich Ansehen für sie entwickeln würde. Das Tor zur fremden Dimension öffnete sich und die Geißeln hielten dem Druck nicht stand, den sie nicht einmal spürte. Der Riss in der Mauer war halb offen, als sie schon wieder den schmerzhaften Geißelschlag, diesmal auf der Schulter spürte. Die Zähne der Schlangen lösten sich von den Körpern der Geiseln. Sailor Sun hatte die Züchtung schneller besiegt als erwartet. Nun würde sie sich der Furie widmen. Wütend wie ein Stier schnaufend näherte sie sich Tisiphone. „Diesmal haust du mir nicht ab.“ Ja. Das hatte Mithras Tisiphone verboten. Aber blieb ihr eine andere Wahl? Nach dem dritten Peitschenschlag wusste sie, dass sie so niemals Sailor Sun besiegen konnte. Mit Angst um ihr Leben und Furcht vor Mithras sprang sie durch den Riss in der Luft. „Nein!“ fauchte Sailor Sun. „Nein. Nein. Das gibt es doch nicht!“ Sie stampfte mit dem Fuß – dabei merkte sie gar nicht, dass sie dem Leguan auf den Schwanz trat. Sailor Moon richtete sich auf. Ihr ganzer Körper schmerzte. Und da war sie wieder, diese mysteriöse Kriegerin mit der Skimaske, der das so leicht viel, was für sie und die Kriegerinnen und ihren Verlobten so eine Hürde war. Es war ein Moment der Desillusionierung. Wieso war sie nach dem Versagen vom letzten Mal auf die Idee gekommen, dass sie die Frau mit den Schlangenhaaren besiegen konnte? In ihrem Kopf herrschte Chaos. Deswegen wunderte sie sich lieber über den Leguan, der um Sailor Suns Bein schlenderte. „Du bist verletzt“, sagte Tuxedo Mask. Er, Mars, Merkur, Venus und Jupiter schienen erholt, fühlten sich aber wohl genau so erschöpft wie Sailor Moon. Ihr Verlobter hatte jedoch nicht die Bisswunden von den Schlangen gemeint, sondern eine große, tiefe Schnittwunde an Sailor Suns Oberschenkel. Sie tat jedoch so, als wäre das nichts. „Ihr könnt echt nicht auf mich hören, was?“, sagte die maskierte Kriegerin und hob den Leguan auf. „Ich kann euch nicht ständig den Hintern retten. Haltet euch da raus.“ Sie setzte den Leguan auf ihre Schultern und wandte sich ab. Sailor Merkur hörte angestrengt der Stimme Sailor Suns zu. Sie kannte diese Art zu Sprechen und diese Stimmlage, doch sie konnte nicht sofort einen Namen oder ein Gesicht zuordnen. Erst nachdem Sailor Sun sich den Leguan auf die Schultern gesetzt hatte, fiel es ihr Schuppen von den Augen. „Halt!“, rief Merkur. Die maskierte Kriegerin blieb nicht stehen, deswegen setzte noch einen drauf: „Tayo?“ Sailor Sun versuchte zwar sich nichts anmerken zu lassen, doch sie zuckte zusammen; ein klares Indiz. Merkur sprach weiter: „Der Osakadialekt ist nicht zu überhören. Und du hast einen Leguan auf der Schulter. Ich wette, auf deinem rechten Unterarm befindet sich eine Tätowierung.“ „Spar dir das Sherlock-Holmes-Geute, ich hab den Namen noch nie gehört.“ Sailor Sun konnte sagen, was sie wollte, sie verriet sich selbst, da ihre Stimme zitterte und ihre Hände zu Fäusten geballt waren. Jupiter war inzwischen unbemerkt an die maskierte Frau herangetreten, packte sie am rechten Arm und zog den Handschuh herunter. „Was soll das, du Perverse!?“ Ein Tritt gegen Jupiters Schienbein, konnte die Komodowaran-Tätowierung aber nicht verbergen. „Akane?“, sagte Merkur wieder ihren Namen. „VERDAMMTER DRECK!“, knurrte Sailor Sun und riss sich die Skimaske vom Kopf. Zu Erscheinung kamen das bekannte Gesicht, schön und hässlich zugleich, und die rotbraunen, kurzen, dichten Haaren, die vollkommen verschnitten ware. Sie war mehrfach gepierct und ihre braunen Augen starrten die Mädchen streng und unheimlich an. Die Mädchen erkannten die unhöfliche Person aus dem Bekleidungsgeschäft wieder. „Mizuno, Hino, Kino, Aino, Tsukino, Chiba...“ Sie genoss es sichtlich, als sie einen zivilen Nachnamen nach dem anderen sagte. „Scheißegal ob ihr meine Identität kennt oder nicht, ich rat euch verdammt noch mal eins: haltet euch raus! Das ist nicht euer Krieg! Lichtpeitsche!“ Es war kein Angriff, das gleißende Licht sollte nur dienen, die Sailorkriegerinnen und Tuxedo Mask zu verwirren. Nachdem sich deren Sichtfeld wieder gelichtet hatte, war Sailor Sun alias Akane Tayo zusammen mit dem Leguan verschwunden. Tisiphone hatte sich nur zehn Minuten in ihrer Heimatwelt zu verweilen getraut. Danach war sie in die Dimension der Menschen zurückkehrt. Wenn Mithras sie zu Hause entdeckte, würde er sie zu Rede stellen und fragen, warum sie genau das gemacht, was er untersagt hatte und dabei schon wieder versagt hatte. Und was dann kommen würde, wollte sie sich nicht ausmalen. Sie schlief in einer verlassenen Straße Tokios. Kapitel 5: Ein Tag im Leben der Ami Mizuno ------------------------------------------ 13:00. Amis Konzentration beschränkte sich auf ein Minimum, obwohl ein Fehler beim folgenden Sezierschnitt fatal wäre. Es war der letzte menschliche Oberarm, den man dem Forschungsinstitut zur Verfügung gestellt hatte – entfernte sie nicht das richtige Gewebe, so würden die Forschungen einige Zeit brach liegen, bis die Pathologie ein neues geeignetes Forschungsobjekt fand. Es lag an Dr. Kintaro Yamamoto. Er war 33 und konnte auf eine glänzende Karriere zurückblicken. Mit 22 hatte er seinen Doktortitel in Medizin und Biochemie erlangt und war ein Genie mit einem Intelligenzquotienten von 150. Verfrühter Schulabschluss, verfrühter Studienabschluss, direkt danach hatte er erfolgreich als Kardiologe gearbeitet, gelebt, gelernt und gelehrt in den USA, England, Russland und Frankreich – die entsprechenden Sprachen hatte er sich selbst angeeignet und sprach sie fließend. Vor drei Jahren hatte er sein Interessensgebiet geändert und sich der Genetik zugewandt. Mit Stiftungsgeldern hatte er ein kleines, erfolgversprechendes Forschungsinstitut finanziert, in welchem nur er mit drei Forschungsassistenten und einer Sekretärin wirkte. Ami war eine der Forschungsassistenten, die jüngste und die einzige ohne Studienabschluss. Neben der Institutsleitung hielt Dr. Yamamoto auch Vorlesungen an der Universität. Ami hatte ihn auf diesem Weg kennen gelernt – nach einem Kurs stellte ihm Ami eine vertiefende Frage und sie waren ins Gespräch gekommen. Nach nur einer Stunde Unterhaltung bot er ihr den Job in seinem Forschungsinstitut an, zumal eine seiner Assistentinnen schwanger war und er sowieso nach einer neuen Kraft suchte. Sie hatte ohne Zögern angenommen. Aufgrund ihres Alters und ihrer geringen Erfahrung (ein Aufsatz war für seine Ansprüche noch zu wenig) war Ami noch nicht tief in seine Forschungen eingedrungen, erledigte Routineaufgaben und nutzte die Stelle, um Erfahrungen zu sammeln und zu lernen. Die Gewebeentfernung gehörte zu diesen Routineaufgaben. Und jetzt lag ihre Konzentration auf dem Boden. Es lag an Dr. Yamamoto. Er saß neben ihr und beobachtete etwas durch ein Mikroskop. Sie arbeitete eigentlich nicht viel mit ihm zusammen, sondern bekam die Aufgaben hauptsächlich von den beiden weiteren, um vieles erfahrenen Assistenten zugewiesen. Doch diese Aufgabe stammte von ihm. Und wegen seiner Anwesenheit würde er erst recht mitbekommen, wenn sie Mist baute. Noch nie hatte sie so große Angst verspürt, einen Fehler zu machen. Wie enttäuscht würde er sein, wenn er sah, eine zu junge Versagerin eingestellt zu haben? Und wie sehr wollte sie ihn mit ihren Leistungen beeindrucken? Wenn sie schon keine Tätigkeiten aufgetragen bekam, bei denen sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte, wollte sie zumindest die kleinen Arbeiten perfekt erledigen. Wenn sie noch länger auf das Forschungsobjekt starrte und keinen Finger rührte, würde er misstrauisch werden. Und was sollte sie dann sagen, außer einem peinlichen Gestotter? Ami holte tief Luft und schnitt das Gewebe heraus. Kein Fehler. Sie lächelte. „Dr. Yamamoto.“ Er reagierte ohne vom Mikroskop aufzusehen. „Ich bin fertig.“ „Sehr gut.“ Ami errötete leicht. „Verwahren Sie nun das Gewebe sicher und wenden Sie sich danach bitte an Frau Dr. Sakuroka. Wenn sie keine neuen Aufträge hat, dürfen Sie gehen. Und erscheinen Sie morgen bitte gegen neun Uhr.“ „Natürlich. Schönen Nachmittag, Dr. Yamamoto.“ Er reagierte nur mit einem Murmeln. Nach der Gewebeverwahrung beschloss Ami sich noch einen Kaffee zu gönnen, ehe sie sich an Dr. Sakuroka wandte. Stress war hier ein Fremdwort – Dr. Yamamoto bestand nur auf Pünktlichkeit, Genauigkeit und Verlässlichkeit. Doch das allein bereitete Ami schon genug Sorgen; sie wollte auf keinen Fall einem der drei Ansprüche zuwiderhandeln, was mit zwei laufenden Studien allerdings schwer war. Als sie den Kaffee trank, grübelte sie: Dr. Yamamoto hatte ihre Arbeit nicht überprüft – wie immer bei den seltenen Malen, wenn er ihr eine Aufgabe zuwies, während seine Assistenten, Dr. Megumi Sakuroka und Dr. Michael Kinney, jeden Schritt von ihr begutachteten. Dr. Yamamoto hatte zwar Zweifel, ihr zu heikle Aufgaben zu überlassen, doch er vertraute so sehr in das, was Ami tat, dass er sie oder ihre Ergebnisse nie kontrollierte. Dafür hatte er heute aber nicht den Anstand gehabt, vom Mikroskop aufzusehen, um sich zu verabschieden, obwohl Ami gerne seine schönen grünen Augen gesehen hätte. Überhaupt schien er nur selten daran interessiert zu sein, sie freundlich zu begrüßen oder zu verabschieden. Er hatte auch relativ geringes Interesse an ihren sonstigen Tätigkeiten oder ihrem Privatleben. Trotzdem hatte er ihr durch seine freundliche Art nie das Gefühl vermittelt, nicht willkommen, unerwünscht oder lästig zu sein. Tatsächlich konnte man ihn auch mit dummen Anfängerfragen quälen, es würde immer freundlich bleiben. Er schien bloß kein Interesse an ihrer Personen zu haben. Das deprimierte sie irgendwie. Dr. Megumi Sakuroka betrat die Küche und schenkte sich ebenso Kaffee ein. „Frau Dr. Sakuroka, Haben Sie etwas für mich zu tun?“, sprach Ami sie an. Dr. Sakuroka beäugte Ami streng. Sie war eine Studiumskollegin von Dr. Yamamoto gewesen und arbeitete in dem Institut seit dessen Gründung, was aber nicht hieß, dass sie auf ähnliche Erfolge wie Dr. Kintaro Yamamoto zurückblicken konnte. Sie war nie mehr als durchschnittlich gewesen und hätte wahrscheinlich keinen Fuß in die Forschung gesetzt, wenn ihr Freund sie nicht eingestellt hätte. Sie wusste das, deswegen erarbeitete sie sich Autorität durch ihr rabiates Auftreten. Aufgrund dessen konnte Ami allerdings nicht urteilen, ob Dr. Sakuroka sie mochte, oder nicht. Wenn sie überdachte, wie Frau Dr. Sakuroka und sie an ihren Job gekommen waren, hatte sie das Gefühl, Dr. Yamamoto verstand sich als Förderer der Unterforderten und Gescheiterten. Dr. Michael Kinney, den er in London kennen gelernt hatte, hatte schließlich auch hier angefangen, nachdem er aus Ami unbekannten Gründen an seiner alten Uni gekündigt worden ist. Und die schwangere Kollegin, die Ami vertrat, hatte ebenso keine Erfahrungen mit der Forschung gemacht, ehe sie in dem Institut eine Stelle bekam, obwohl sie sehr viel Talent hatte und sehr klug erschien – wohl eine ungeförderte. Die Helfertendenz machte Dr. Yamamoto sehr sympathisch. Dr. Sakuroka hatte mit zwei Schlucken ihren Kaffee geleert und sagte: „Nein. Heute nicht mehr.“ Sie verließ die Küche. „Bis morgen, Dr. Sakoruka!“, rief Ami ihr nach. Die Frau hob zum Abschied nur kurz die Hand. 14:10. Sie kam zehn Minuten zu spät in die Vorlesung und der Professor warf ihr einen strengen Blick zu, unterließ jedoch ein Tadeln. Obwohl sie sich so gehetzt wie möglich beeilt hatte, hatte es Ami nicht geschafft, pünktlich zu erscheinen – die Universität war doch über dreißig Minuten von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Sie hasste die Blicke einiger Studenten, die sich wohl fragten, warum die Professorin keine strengen Worte gegen sie richtete, obwohl sie unpünktliches Erscheinen hasste. Ami sah sich im Hörsaal um. Die letzte Mal hatte sie Akane Tayo in der Vorlesung entdeckt. Diesmal war sie nicht erschienen, so wie sie vor zwei Tagen nicht zu der Vorlesung aufgetaucht war, zu deren positiven Abschluss sie an einem gemeinsamen Projekt arbeiteten. Nach der Vorlesung würde sie sich mit zur Projektbesprechung treffen. Akane Tayo hatte ihr gestern einen Algorithmus geschickt – und er war genial. Es war das erste Mal, dass Ami sich gegenüber der Arbeit eines Studienkollegin minderweertig fühlte.. Akane Tayo. Sailor Sun. Eine neue. Sie wollte wahrscheinlich nicht, dass Ami sie auf dieses Thema ansprach. Ami fragte sich jedoch, ob sie es unangesprochen lassen konnte. Nachdem sie sich bei ihrem Sitznachbarn erkundigt hatte, was die Professorin bisher angesprochen hatte, schrieb Ami akribisch, schnell, aber in schöner Handschrift nieder, was vorgetragen wurde. 15:30. Sie konnte es nicht unangesprochen lassen. „Das ist kein normaler Leguan, habe ich recht?“, sagte Ami und starrte auf das Reptil, welches es sich auf Akane Tayos Schulter bequem gemacht hatte. Bei diesen Worten glotze es Ami verblüfft an, während Tayo Augenkontakt vermied. „Nein“, gestand sie. „Und keine Angst, ich halte meine anderen Reptilien vollkommen artgerecht. Fett ist ne Ausnahme.“ Ami fragte sich, warum Akane inzwischen zum dritten Mal heute den Leguan als „fett“ bezeichnete – er sah für seine Rasse normalgewichtig aus. Schwer musste er trotzdem sein, wenn man Tayos ungesunder Haltung glaubte. „Seit wann machst du das schon?“ „Fetti quälen? Seit ich ihn hab.“ Ami zweifelte nicht, dass Tayo eben versuchte, dem leidigen Thema auszuweichen. Es irritierte sie jedoch, dass ihr Gegenüber jede noch so lachhafte Aussage auf eine Art vermittelte, dass man ihr gern glaubte. Ami hatte Tayo schließlich kurzfristig ernst genommen, dass sie Stripteasetänzerin war. Und die Behandlung des Leguans machte ihr immer noch Sorgen. „Nein. Du weißt schon...“ Sie flüsterte – es gab schließlich immer Leute in Kaffeehäusern, die gerne fremde Gespräche belauschten. „Seit wann bist du Sailor Sun?“ Tayo schnaubte: „Hätt’ mir denken können, dass du’s nicht bei der Tatsache belassen kannst, dich aus der Sache rauszuhalten.“ „Ich halte mich doch raus. Aber du musst verstehen, dass mich deine zweite Identität interessiert. Ich befinde mich schließlich in der gleichen Lage.“ Tayo stöhnte. Ami konnte nicht einschätzen, ob es an ihrer Argumentation lag, oder Sympathie oder an etwas anderem, jedenfalls streckte Tayo als Antwort sechs Finger in die Höhe. „Seit fünf Monaten schon? Und du oder der Feind, ihr seid uns so lange nicht aufgefallen?“ „Jahren.“ Ami riss die Augen auf. „Glotz nicht so dumm, sondern nimm’s hin.“ „Ja, aber... so lange bin ich selbst aktiv. Wie konntest du so lange unentdeckt bleiben?“ Ehe Tayo antworten konnte, fiel Ami noch eine Frage ein: „Oder woher kennst du unseren zivilen Identitäten?“ Ami lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ehe sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, wieder als Sailor Merkur aufzutreten, sprach sie so, als handle es sich dabei um ihre Hauptidentität und Ami Mizuno existiere gar nicht. Tayo grinste: „Tarnung gehört nicht zu euren Stärken. Dass es Sailorkriegerinnen in Tokio gibt, wusste ich – ihr ward ja auch im Fernsehen.“ Ami guckte erstaunt. Davon wusste sie gar nichts. „In Tokio hab ich euch beobachtet, hab Verdacht geschöpft, bin euch hinterher und hab euch beim Verwandeln erwischt.“ Tayo kicherte, wohl weil Amis Lippen vor Entsetzen bebten. Waren sie immer so unvorsichtig gewesen, dass sie diese Erklärung akzeptieren konnte? „Hingegen ist Tarnung eine meiner Stärken.“ Pause. Tayos Grinsen verschwand. „Außerdem habe ich lange in Osaka gekämpft. Eure einzige Gegnerin, die ich mitbekommen habe, war Galaxia. Die war nicht mein Bier, da hab ich mich rausgehalten.“ Erneut war Ami über eine Information der Kriegerin entsetzt. „Du wusstest von Galaxia und kamst uns nicht zu Hilfe, obwohl wir jede Hand gebraucht hätten?“ Tayo zuckte mit den Schultern. „Es war euer Krieg. Genau so wie Medusa und ihre Chefs nur mein Krieg sind.“ Sie trank den Kaffee aus. „Nehmt meine Warnung ernst und haltet euch aus der Sache raus. Allein aus Selbstschutz. Ihr habt mitbekommen, dass ihr keine Chance hab. Begebt euch nicht in Gefahr und lebt euer Leben.“ Ami schaute in ihren Kaffee, ihr vierter heute. Sie erinnerte sich, wie die Frau mit den Schlangenhaaren ihre Wasserattacke abgewehrt hatte, als wäre es ein schwacher Windstoß. Selbst Usagi hatte versagt; die Unterlegenheit war offensichtlich und hatte Ami darüber nachdenken lassen, ob die Herausforderung dieser Gegner wirklich so eine gute Idee war, wie Usagi tat. Allerdings schien keines der Mädchen Demotivation erlebt zu haben, selbst der skeptische Mamoru wollte nach der Begebenheit im Einkaufszentrum sich nicht mehr drücken. Sie schien die einzige mit Zweifeln zu sein – deswegen hatte sie die Zweifel nicht zu erkennen gegeben. „Gerade du.“ „Bitte?“ „Abgedriftet? Egal. Ich meine, gerade du solltest eigentlich mehr daran interessiert sein, dich deinem Leben zu widmen, als irgendwelche kosmischen Kreaturen zu bekämpfen. Gell, zwei-Studien-ein-Job-Genie?“ Hatte sie ihre Gedanken gelesen? Jetzt war es für Ami an der Zeit, ein ihr unangenehmes Thema zu umgehen. „Woher weißt du das schon wieder? Spionierst du uns nach?“ Tayo lachte: „Ich bitte dich, es macht sofort die Runde, wenn ein Genie im Hörsaal sitzt. Es weiß jeder, der Inf oder Med studiert, glaub mir.“ Bis zu einem gewissen Grad war Ami ihre Intelligenz immer peinlich gewesen. Schon zu Schulzeiten waren ihr die neidischen Blicke unangenehm, wenn sie die höchste Punktezahl bei Tests erreicht hatte. Sie gab der mangelnden Anonymität die Schuld und hatte gehofft, auf der Uni würde sich das ändern. Dass nicht jeder von ihrem hohen IQ wusste und deswegen unvoreingenommen ihr gegenübertrat. Es war desillusionierend von Tayo zu hören, dass wohl über Klatsch ihre Erfolge die Runde gemacht hatten. „Fertig mit Fragen?“, fragte Tayo, Ami nickte. „Können wir dann endlich mit dem beginnen, weswegen wir hergekommen sind? Meine Zeit ist kostbar.“ Nein, konnten sie nicht. Noch während Tayo sprach, läutete Amis Telefon. Es war Dr. Sakuroka. Sie bedaure es, zu stören, doch Ami müsse unbedingt ins Institut kommen, weil sie eine helfende Hand brauchte, und Dr. Yamamoto und Dr. Kinney das. Gebäude schon verlassen hatten und nicht erreichbar waren. „Ja, kein Problem. Ich komme. Bis gleich“ Sie legte auf und schaute Tayo mit traurigen Augen an. „Ich bin untröstlich, aber ich muss in die Arbeit. Tut mir leid, dass ich deine Zeit verschwendet habe.“ Tayo zuckte mit den Achseln. „Das ganze Projekt ist Zeitverschwendung.“ Ami hielt eine Zustimmung für unangebracht. Sie fragte lieber: „Magst du mitkommen?“ „Wir kennen uns aus Inf, nicht als Med.“ „Genetik ist ein allgemein wichtiges Thema.“ „Trotzdem nicht mein Interessensgebiet. Und ich bin ganz froh über den freien Nachmittag. Solang er noch frei ist. Wer weiß, wahrscheinlich schlägt Medusa heute wieder zu. Dann is aus mit Muße.“ Pause. „Und falls du was mitbekommen solltest, misch dich nicht ein.“ Ami lächelte. „Keine Angst. Ich hab’s verstanden. Ich bin nicht dumm.“ „Du hast trotzdem den Laborkittel aus deiner Arbeit noch an.“ Auf diesen Hinweis errötete Ami. Obwohl sie sich heute schon in einigen Toilettenspiegeln begutachtete hatte, war ihr das noch gar nicht aufgefallen. 16:30. „Es tut mir leid, Dr. Sakuroka. Ich konnte nicht früher kommen.“ Die Frau setzte sich ihre Brille auf die Nase und lächelte. Es war das erste Mal, dass Ami Dr. Sakuroka lächeln sah. „Hauptsache du bist aufgetaucht.“ Dr. Sakuroka gab ihr die nötigen Instruktionen. Es war die mit Abstand anspruchvollste Arbeit, die man ihr seit Arbeitsantritt gegeben hatte. Dr. Sakuroka meinte zwar, dass sie Ami genauestens kontrollieren werde, doch wenn sie ihren Job gut erledige, würde sie Kintaro und Michael (natürlich nannte sie beide beim Vornamen) davon berichten, sodass ihr in Zukunft auch anspruchsvollere Arbeiten zugeteilt werden würden. Ami musste einfach breit grinsen. Und da hatte sie sich Sorgen gemacht, dass Dr. Sakuroka sie eventuell nicht leiden konnte. Und nun würde es einen Beweis dafür geben, dass Dr. Yamamoto sie nicht für Dummenarbeiten eingestellt hatte. Ob er begeistert sein wird? Euphorisch begab sie sich an die Arbeit. 17.30 Nach einer Stunde gönnten sie sich eine Kaffeepause. „Du machst dich gut“, sagte Dr. Sakoruka. „Ich verstehe schon langsam, warum Kintaro dich eingestellt hat. Intelligenz hin und her, du bist ein Küken.“ Pause. „Aber erstaunlich, was du im Nebenbei schon aufgeschnappt hast.“ Ami lächelte verlegen. „Danke, Dr. Sakuroka.“ „Nenn mich Megumi.“ Ami nickte – bat ihr die Person, die immer so distanziert gewesen war, gerade so etwas wie Gleichberichtung an? Offensichtlich. Dr. Sakuroka bzw. Megumi setzte fort zu reden: „Du bist von Kintaro beeindruckt, nicht wahr?“ Ami errötete – mit so einer Frage hatte sie nicht gerchnet. „Ja. Er ist so jung und hat schon so eine glanzvolle Karriere. Jeder, der was erreichen will, kann ihn nur bewundern und sollte ihn sich zum Vorbild nehmen.“ „Hör auf zu reden, als wärst du sechzig.“ Megumi lächelte dabei freundlich. „Er gefällt dir. Sonst wärst du gerade nicht errötet.“ Amis Schädel wurde heiß. „Die Phase hat jede Frau mal, das geht vorbei.“ „Ich habe sie nicht.“ Megumi konnte noch so freundlich Lächeln – ihre indiskrete Direktheit regte Ami auf. „Dann wird sie noch kommen.“ 17.45. Sie hatten sich eben wieder ins Labor begeben, als Ami plötzlich von Kopfschmerzen befallen wurde, die so stark waren, dass sie in Knie ging. Sie hielt sich die Schläfen. Es war ein kaum auszuhaltender Druck – und vor ihr fiel Dr. Megumi Sakuroka in Ohnmacht. Nein, dachte sie. Es war derselbe Druck, den sie in Mamorus Wohnung und im Einkaufzentrum wahrgenommen hatte, ehe die Frau mit den Schlangenhaaren, „Medusa“, aufgetaucht war. Die Kreatur war noch nicht erschienen – reflexartig versteckte sich Ami unter dem nächsten Tisch, dessen Vorderseite von einem Holzbrett abgeschirmt war. Dann hörte sie die Stimme. Nicht nur das Aussehen, sondern auch die Laute der Frau mit den Schlangenhaaren ließen einem das Blut in den Adern gefrieren. Darauf erfolgte Megumis Schrei. Ami wollte einen Blick auf das Geschehen werfen, doch sie hatte zu viel Angst, dass die Kreatur sie entdecken konnte. Sie hielt ihren Stab umklammert – sollte sie sich verwandeln, obwohl sie wusste, dass sie keine Chance gegen dieses Monster haben würde? Sie dachte an Akane Tayo. Sailor Sun war bisher immer aufgetaucht, wenn der Gegner aktiv war. Jetzt würde sie sicher auch erscheinen. Oder? Woher sollte Tayo wissen, wo die Ungeheuer gerade zuschlugen? „NIETE!“, schrie die Frau mit den Schlangenhaaren. Etwas schlug über ihr auf den Schreibtisch. Es konnte nur Dr. Megumi Sakuroka gewesen sein. Man hörte Glas zersplittern und einige Scherben fielen vor Ami nieder. Wie mochte es ihr nur gehen? Der Aufprall klang hart, hoffentlich war sie nicht zu schwer verletzt. Hoffentlich war ihr Hals nicht gebrochen... Ob nun tot oder nur verletzt, es war Amis Schuld, denn sie hatte Skrupel sich zu verwandeln. Und sie verspürte die Angst dem Wesen als Sailor Merkur gegenüberzutreten. Ami keuchte lauter aus als sie wollte, denn sie wusste, jedes Geräusch konnte „Medusa“ auf sie aufmerksam machen. Und tatsächlich – ihr Versteck wurde in die Höhe gehoben. Über die Schultern starrte sie in die glühend roten Augen der Frau, die weder Iris noch Pupillen hatten. Bei den ersten Begegnungen war ihr das gar nicht aufgefallen. „Noch eine,“ lachte die Frau. Sie warf den Schreibtisch weg, als ob er kein Gewicht hätte. Ami rannte los, noch immer den Stab umklammernd. Jetzt war es zu spät, jetzt konnte sie sich nicht mehr verwandeln, ohne sich zu entlarven, was ein Tabu war. Hatte sie einen Fehler gemacht? Sie hätte Dr. Sakuroka beschützen können, wenn sie sich verwandelt hätte, und nun war auch ihr eigenes Leben durch das Zögern bedroht. Wenn Sailor Merkur schon nichts anrichten konnte, was konnte Ami Mizuno tun? Selbst Flucht schien sinnlos. Sie stolperte über einen Drehsessel – doch warum packte sie Medusa nicht? Ami wagte einen Blick über die Schultern und sah die Frau mit den Schlangenhaaren zu Boden gehen. „Mizuno! Hau ab, solange du noch kannst!“ Es war Sailor Sun. Ami nickte ihr zu – die nächste Tür befand sich nur zehn Meter entfernt. Wieder spürte sie den Druck, doch diesmal ließ sie sich nicht auf den Boden zwingen. Mit langsamen Schritten lief sie weiter. Spürte plötzlich den Amten der Frau mit den Schlangenhaaren im Nacken. Doch die Kreatur erwischte sie nicht, sondern stieß einen lauten Schrei aus. Ami erreichte die Tür. Während sie sie hinter sich zuschlug, fiel ihr Blick auf das unheimliche Gesicht der Angreiferin und drei weiterer Monster, deren auftauchen sie nicht bemerkt hatte. Sailor Sun hielt die Peitsche in die Höhe. Die Klaue der Frau durchbohrte das Metall, Ami konnte nur knapp ausweichen. Die Tür selbst durchbrach sie jedoch nicht. Außer Atem stand Ami da und starrte durch das Loch, erhoffte einen Blick auf das Geschehen, doch ihr Sichtfeld war wegen Tränen in ihren Augen verschwommen. Sie hielt mit beiden Händen den Stab umklammert. Sie schafft das doch, dachte sie. Sie schafft das doch allein? Wieder ertönte ein Schrei und es war diesmal Sailor Suns Stimme. Medusa sprach: „Diesmal krieg ich dich! Diesmal hol ich mir deinen Starseed!“ Meinte sie Sailor Suns? Hieß es nicht, die Gegner waren hinter der Mondprinzessin her? Und jetzt schien Sailor Sun das Ziel zu sein? Ami wischte sich die Tränen aus den Augen und sah endlich unverschleiert auf das Geschehen hinter der Tür. Eine der Schlangen hatte sich um Sailor Suns Hand gewickelt und langsam schien sich der unmögliche Riss in der Luft zu bilden, der Körper Medusas war von zuckenden Blitzen umgeben. Nein, jetzt konnte sie nicht mehr untätig bleiben. „Macht der Merkurnebel, mach auf!“ Ob es sich bei den anderen Mädchen auch so seltsam angefühlt hatte, sich wieder zu verwandeln. So, als ob man plötzlich nicht mehr man selbst wäre, einen ganz anderen Körper hätte? Doch es war nicht an der Zeit zu philosophieren. Mit einem tritt öffnete Sailor Merkur die Tür. „Macht des Wassers, sieg!“ Und diesmal zeigte die Attacke Wirkung. Die Blitze, die von Medusa ausgingen, schlugen auf ihren eigenen Körper zurück. Tatsächlich ging sie zu Boden und ließ Sailor Sun los. Ami lächelte. Während sie und ihre Freundinnen von den Berührungen mit der Schlange so geschwächt waren, dass sie sich kaum bewegen konnten, stand Sailor Sun sofort auf. Sie ergriff ihre Peitsche. Holte aus, sprach die Beschwörungsformel und traf Medusa auf den Kopf. Vernichtet war sie jedoch noch nicht – es zeigte sich sichtliche Verwunderung in Sailor Suns Gesicht. Und ehe so noch einmal ihre Attacke anwenden konnte, stieß das Monster sie um und sprang durch den Schlitz, der in Sekundenschnelle verschwand. Sailor Sun knurrte. 18:15. Sie saßen noch immer in ihren Kostümen in dem Labor und starrten auf die Verwüstung. Ami suchte jetzt schon nach einer Ausrede, wie sie Dr. Yamamoto das Chaos erklären sollte, doch sie hatte keine plausiblen Ideen. Immerhin ging es Dr. Sakuroka verhältnismäßig gut, obwohl sie noch immer bewusstlos war. Außer ein paar Schrammen hatte sie keine Verletzungen erlitten. Akane Tayo meinte, sie müsse nicht einmal ins Krankenhaus und würde von selbst aus der Ohnmacht erwachen. Als ob sie Amis Gedanken lesen konnte, meinte sie, sie solle einfach abhauen, behaupten, sie sei geflohen und Dr. Sakuroka die Erklärungen überlassen – es würde ihr niemand Vorwürfe machen. Ami fand die Idee nicht schlecht, doch wollte sie vor Dr. Yamamoto nicht wie ein unkollegialer Feigling dastehen. „Ihre Schwester, Tochter, was auch immer, also die, die zum ersten mal Usagi angegriffen hat, war um vieles leichter zu besiegen“, erklärte Tayo ungefragt. Sie imitierte einen Geißelhieb: „Einmal und weg. Für die braucht man wohl etwas mehr. Aber wahrscheinlich, hätt ich sie schon längst alle gemacht, wenn sie nicht ständig abhauen würde.“ Sie strich sich durch die verschwitzen Haare. Ami starrte auf das Symbol an ihrem Diadem – eine schwarze Sonne. Sie fragte sich sowieso, warum die Kriegerin in einer so dunklen Uniform auftrat. Würden zur Sonne nicht eher freundliche Farben passen, wie gelb und weiß, anstelle von rot und schwarz? „Aber im Ernst – danke. War wirklich eng.“ Ami zuckte mit den Schultern. „Man hilft sich nun mal. Auch wenn man nicht darum gebeten wird.“ Tayo lächelte. „Aber gezögert hast du. Meine Worte sind dir wohl zu Herzen gegangen.“ Ami konnte bei diesen Worten nur beschämt auf die Lippen beißen. Sie war ja gar nicht weggelaufen aus Rücksicht vor Sailor Suns Wünschen, sondern schlicht und einfach aus Feigheit. Tayo ging glücklicherweise nicht auf ihre ersichtliche Verlegenheit ein. „Nimmst du es wirklich schon seit fünf Jahren mit diesen Monstern allein auf?“, fragte Ami um abzulenken. „Ich hab meinen Leguan.“ „Ja, aber, hast du kein Team oder ähnliches?“ Tayo schüttelte den Kopf. „Keinen Retter wie Tuxedo Mask?“ Darauf schnaufte Tayo spöttisch, Ami ließ sich nicht irritieren. „Was wenn du allein in dieser Lage gewesen wärst?“ Tayo zuckte mit den Schultern. „Dann hätt ich mir was einfallen lassen müssen. Glaub mir, ich war schon in brenzligeren Situationen.“ War es dann überhaupt etwas wert gewesen, dass Sailor Merkur ihr zu Hilfe gekommen war? Tayo bemerkte ihre Bedrückung: „Das heißt nicht, dass ich dir nicht dankbar bin. Hat mir ’ne Menge Ärger erspart.“ Ami glaubte ihrer letzten Aussage nur bedingt. „Wie hältst du das aus, allein?“ Tayo zuckte wieder mit den Schultern: „Darüber darf ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Ich muss.“ „Nein.“ Amis Stimme wurde plötzlich lauter. „Du hast uns doch gefunden. Wir können dir helfen.“ „Ich hab’s dir doch heute schon erklärt. Ihr habt keine Chance. Und es ist MEIN Krieg.“ Ihre Stimme hatte jegliche Gelassenheit verloren. Tayo starrte Ami mit strengen Augen an. Es dauerte, bis Ami wieder wagte etwas zu sagen: „Aber wenn du in solchen Situationen bist – denkst du nicht, du solltest deinen Stolz überwinden und einfach um Hilfe bitten.“ „NEIN!“ Die Antwort kam, ehe Ami ausgesprochen hatte. Die Reaktion war so harsch, dass sie zusammenzuckte. „Es gibt Dinge, die macht man allein oder gar nicht. Denn jemanden, der mit der Sache nichts zu tun hat und für den sie zu gefährlich ist, hineinzuziehen, wäre verantwortungslos, auch wenn es der andere möchte.“ Ami wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Es klang, als ob Tayo etwas ansprechen würde, was sie noch nie über die Lippen gebracht hatte. Doch sie musste auch unfreiwillig an Usagi denken. War sie gefragt worden, als man Sailor Merkur in ihr erweckt hat, weil sie die Reinkarnation einer Kriegerin ist, war sie gefragt worden, als ihre Zukunft als Leibwächterin bestimmt wurde, war sie gefragt worden, als sie ihre Karriere anderen Pflichten unterordnen musste, denen sie sich nicht gewachsen fühlte?.... sie fasste es nicht, solche Gedanken zu hegen. Sie musste vom Thema ablenken: „Warum bist du immer zur rechten Zeit am rechten Ort.“ „Teleportation.“ Tayo hielt das Amulett in die Höhe, dass bei jedem ihrer Auftritte um den Hals baumelte. Wohl das Artefakt, mit dem sie sich verwandelte. Ein untypischer Gegenstand, ihrer Erfahrung nach. „Das kann ich aber euch auch fragen. Ihr habt so was nicht, oder? Kommt immer der Fall zum Detektiv.“ Ami nickte. Es folgte nun die Frage, die schon lange auf der Zunge lag: „Wer sind diese Feinde?“ „Beep... das war leider falsch. Die Kandidatin wird hiermit aus dem Spiel geschmissen.“ Akane stand auf. „Man sieht sich wohl morgen bei der Projektbesprechung.“ „Lieber in zwei Tagen.“ „Ist mir auch recht. Ciao!“ „Ciao.“ Ami winkte ihr nach. So plötzlich wie das Gespräch begonnen hatte, so schnell war es auch wieder vorbei. Ami entschied sich, Akanes Rat, Dr. Sakuroka allein und sie alles erklären zu lassen, zu befolgen. 20:00. Sie saß mit ihrer Mutter am Esstisch und stocherte in der Speise herum. Sie hatte keinen Hunger, sondern sehnte sich nach Schlaf. Doch sie wollte den Tisch nicht verlassen, ehe ihre Mutter fertig gegessen hatte, da sie nicht das Gefühl geben wollte, sie wolle weg von ihr. „Was hast du heute in der Arbeit gemacht?“, fragte ihre Mutter. Eine Standardfrage. Ami berichtete von der Gewebeentfernung, der Beschreibung eines genetischen Mosaiks und der Reinigung von Reagenzgläsern, wobei sie den Monsterüberfall unerwähnt ließ. Den Punkt „Reagenzgläserreinigung“ hätte sie im Nachhinein lieber übersrpungen, denn so wirkte ihre Arbeit nicht sehr eindrucksvoll und ihre Mutter hatte eine Angriffsfläche. „Und davon wirkst du so müde?“ Ami rechtfertigte sich: „Ich war dazwischen noch in einer Vorlesung und habe mich mit meiner Projektpartnerin getroffen.“ „Aha.“ Ihre Mutter nahm einen Bissen und sprach weiter: „Hat Dr. Yamamoto dich inzwischen in seine Forschungen intensiver einbezogen?“ Ami schüttelte den Kopf. „Wirklich schade. Seit sieben Monaten arbeitest du nun dort, und durftest noch immer nicht diesem großartigen Mann zusammenarbeiten.“ „Ich bin hauptsächlich Dr. Sakuroka zugeteilt. Das weißt du doch.“ Ihre Mutter ignorierte ihren Einschub: „Du sollest die Gelegenheit besser nutzen von diesem großen Mann zu lernen. Ich durfte einmal einen seiner Vorträge hören und war begeistert von seiner Weitsicht und seinen unkonventionellen Methoden. Manchmal glaube ich, du weißt dein Glück gar nicht zu schätzen, eine der wenigen Auserwählten zu sein, die in sein Institut berufen wurden.“ Sie nahm einen Bissen. „Und ich würde die Gelegenheit bald nutzen. Geschäftssinns gehört nicht zu seinen Stärken. Das Institut wird wohl demnächst pleite gehen.“ Ami riss die Augen auf – in Anbetracht der heutigen Zerstörung war er hoffentlich gut versichert. Sie kaute auf den Lippen. Ihre Mutter hatte wohl Recht, unabhängig von den Gerüchten. Langsam sollte sie wirklich versuchen, näher an Dr. Yamamoto heranzukommen. Sobald ihre Mutter fertig gegessen hatte, verließ Ami den Tisch, lief in ihr Zimmer und ließ sich ins Bett fallen. Dabei fiel ihr Stab aus der Rocktasche. Sie nahm ihn und starrte Verwirrt auf das Symbol ihres Schutzplaneten. Wieso jetzt? Ich will das jetzt nicht. Wieso müssen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt neue Feinde erscheinen, an welchem ich mit meiner Ausbildung und meiner Karriere widmen möchte? Wie Mama sagt, ich habe eine Chance erhalten, die keinem so schnell und leicht zu teil wird. Ich sollte sie nutzen. Doch ich kann nicht. Weil mir wieder diese Bürde aufgelastet wurde. Früher habe ich alles unter einen Hut bekommen. Ich konnte immer die Bestpunktezahl erreichen und trotzdem mich mit ganzem Herzen der Bekämpfung der Feinde widmen. Doch die Schule ist nicht mit der Universität vergleichbar, mein Job nicht mit der Uni. Eigentlich sind beiden Studien schon ein Störfaktor für meinen Beruf. Wie soll ich parallel dann das Böse bekämpfen? Noch dazu Gegner, die wir nicht besiegen können... Eingestellt wurde ich wegen meiner Intelligenz und wegen meines Talents. Immer wieder erinnere mich daran, wie Dr. Yamamoto mir lächelnd das Angebot machte, mit den Worten, ein Kopf wie meiner dürfe sich mit der Standardausbildung nicht zufrieden geben, sondern müsse gefördert werden. Dann sei nicht auszumalen, was ich erreichen kann. ... Ich weiß, was ich erreichen werde – ich werde in einigen Jahren zur Garde einer Königin gehören. Doch heißt das, dass ich mich im Jetzt mit dem Einfachsten zufrieden geben soll und nicht auf eine erfolgreiche Zeit vor dem Herrschaftsanritts von Neo-Königin Serenity hinarbeiten soll? Nein, ich will mich nicht mit dem Minimum zufrieden geben. Ich will Leistungen erbringen. Ich will für Dr. Yamamoto einen Erfolg verbuchen. Aktiv konnte ich im Institut zugegebenermaßen bisher selten werden, was verständlich ist, berücksichtig man, dass ich ein Küken ohne Studienabschluss bin, doch ich konnte Wissen sammeln – das wurde auch von Megumi gelobt. Und heute hatte ich die Gelegenheit tiefer in die Materie einzudringen und mir Achtung bei den Assistenten und Dr. Yamamoto zu verschaffen, bis mir eine hässliche Kreatur die Chance verderben musste... Es wird immer wieder so sein. Immer wieder werde ich gestört werden, ich werde nie Zeit haben, etwas Erfolgreichen zu tun und es wird nie zu einer direkten Zusammenarbeit von mir und Dr. Yamamoto kommen. Ich werde nie einen Erfolg haben. Ich werde ihn nie beeindrucken. Nur weil ich Kreaturen bekämpfen muss, die ich nicht besiegen kann. Was ist, wenn ich dabei sterbe? Was ist, wenn ich sterbe, ohne etwas für mich geleistet zu haben? Ich will das nicht. Ich will das ganz und gar nicht... Sie legte den Stab auf den Nachtkasten und schlief ein. Kapitel 6: Die Einzelkämpferin ------------------------------ Mithras starrte auf den mehr toten als lebendigen, nackten Körper der Furie. Er hatte sie an Füßen und Händen mit Nägeln am Boden befestigt. Mit vor Wut zitternden Händen umklammerte er einen Speer, welchen er der Furie jedes Mal in einen Körperteil stach, sobald sie eine falsche Antwort gab. Und sie hatte bisher nur falsch geantwortet. Er fragte sich, was ihn eigentlich davon abhielt, ihr den Todesstoß zu versetzen. Sie rang nach Luft, weinte und schrie jedes Mal, wenn er den Speer an ihr ansetze. Erbärmlich – warum hatte sein Vater nur so viel von den drei Furienschwestern gehalten? Eine tot nach einem Schlag, die andere wimmerte nur. Zwar wusste er um Allegras, oder wie sie hieß, Fähigkeiten bescheid, doch dann hätte sein Vater, fair wie er war, nur sie in die Höhe gehoben und nicht das komplette Schwesterntrio. Sie flehte um Gnade. So eine dumme Kreatur hatte dies nicht einmal verdient, wenn er so etwas wie Gnade gekannt hätte. Ihre Schwester stand gelassen daneben und grinste. „Nenn mir einen Grund“, sprach Mithras, „warum ich dich nicht töten soll.“ Wegen einer Verletzung am Hals hatte die Furie Schwierigkeiten zu antworten. „Ich... ich...“, röchelte sie. Mithras hob den Speer. „Ich hab einen Plan.“ „Aha. Nicht sehr überzeugend.“ Er tat so, als würde er zustechen, die Furie zuckte zusammen. „Wie lautet er?“ Er fragte hauptsächlich, um sich ein letztes Mal über ihre Dummheit amüsieren zu können. Die Furie hustete: „Sie hat Freunde.“ „Und?“ „Ich habe eine gesehen.“ Mithras wurde tatsächlich hellhörig. Er senkte den Speer und die erbärmliche Gestalt sprach nun etwas gelassener, wohl beruhigte sie Mithras Geste. „Sie heißt Ami. Blaue Haare, klein, unscheinbar.“ Hätte er die besagte Dame gesehen, wäre die Beschreibung genauer gewesen. Mithras konnte nicht nachvollziehen, wie die Furie sie mit diesen wenigen gemerkten Details wieder finden konnte, doch er hatte mittlerweile eingesehen, dass Leute aus allen Sphären und Ecken des Weltalls andere Leute wieder erkannten, obwohl sie nur so wenig vom Aussehen wiedergeben konnten. „Schöner Ansatz. Und weiter?“ „Geisel.“ Sie holte Luft. „Wenn die Geisel in Lebensgefahr ist, wird sie mich nicht angreifen.“ Mithras kaute auf den Lippen. Der Plan war nicht einfallsreich und ging nicht mehr über einen Grundriss hinaus, allerdings handelte es sich um eine Idee, die tatsächlich noch nicht ausprobiert worden war. Er schaute zu Elektro (oder so). Als Schwester konnte sie wohl eher beurteilen, ob die Furie fähig war, so einen Plan fruchtbar in die Tat umzusetzen. Sie nickte. Mithras warf den Speer auf den Boden, und die Nägel aus Füßen und Händen der Furie drehten sich langsam und qualvoll heraus. Nachdem sie frei war, setzte sie sich sofort auf, und bedeckte ihre Blöße, als ob sie nie verletzt worden wäre. „Eine letzte Chance“, sagte Mithras. „Andernfalls kenne ich kein Mitleid mehr.“ Nebel umhüllte ihn. Er verschwand. Allekto legte ihrer Schwester Tisiphone ihren Mantel um die Schultern. Es war die freundlichste Geste seit langem und stand im krassen Gegensatz zu ihren folgenden Worten: „Das schaffst du nicht.“ Tisiphones Weinen wurde zu einem Schnaufen. „Ich schaff das. Ich werde es diesem wahnsinnigen Bastard zeigen. Er wird endlich sehen, welche Fähigkeiten in mir stecken.“ „Und dann?“ „Er wird heulen, weil er mich derartig unterschätzt hat. Und mir das Lob zukommen lassen, das mir zusteht.“ Allekto gab es zynisches Kichern von sich. Man konnte auf Kaiser Hyperions Nachfolger auf drei Arten reagieren – Hass, Gleichgültigkeit oder Unterwerfung. Alle drei führten ins Verderben, jedoch unterschied die Reaktion, wie angenehm der Sturz war. Megaira hatte bewiesen, dass Gleichgültigkeit ein schnelles Ende bedeutete, jedoch ein grausames Leben – durch den Druck, den Mithras ihr gemacht hatte, hatte sie sich zu leicht von Sailor Sun besiegen lassen. Allekto hatte sich für Unterwerfung entschieden; ihr Leben war zwar angenehm, doch ahnte sie, dass sie eines grausamen Todes sterben würde. Tisiphone zeigte, dass Hass zur einer qualvollen Existenz und einem grausamen Tod führt. Einerseits quälte sie sich selbst, indem sie Mithras ein peinliches Schauspiel übertriebener Demütigkeit darbot, andererseits quälte er sie mit Verachtung und Drohung. Sie würde bald sterben. Selbst wenn ihr Plan aufgehen sollte. Normalerweise war Akanes erste ungewusste Handlung, nachdem der Wecker geläutet hatte, der Griff zu einem Glas Wasser. Heute handelte es sich um das panische Suchen nach einem Taschentuch. Sie schnäuzte sich, hustete und fasste an ihre Stirn, die sich zu heiß anfühlte. Sie hatte schon gestern bei dem Treffen mit Mizuno gefühlt, dass eine Grippe sich anbahnte. Akane hatte das entsprechende Unwohlsein ignorieren können und nutzte es als Ausrede dafür, Sailor Merkur mehr erzählt zu haben, als ihr lieb war, und von Medusa arg bedrängt worden zu sein, sodass sie dem Genie ihren Sieg verdanken konnte – an letzterem mochte viel wahr sein, bei ersterem spielte wohl eine Sympathie eine maßgelbliche Rolle, die sie sich nur schwer eingestehen konnte. Heute konnte sie die Krankheit allerdings nicht mehr ignorieren – ihre Glieder schmerzten, sie schwitzte und jedes Geräusch, das von der Straße kam, schien wie ein Schlag auf den Schädel. Der fette Leguan brachte ihr im Maul einen Fiebermesser. Das Quecksilber zeigte 38 Grad. „Dreck“, murmelte sie. Das Amulett in Form einer orientalischen Sonne hing um ihren Hals, wo es sich ständig befand. Selbst beim Duschen nahm sie es nicht ab, doch nun entschied sie sich, es ablegen. Sie plazierte es auf den Nachtkasten – trug sie es nicht am Körper, würde es zwar Alarm schlagen, aber sie nicht zum Tatort teleportieren. Akane fühlte sich nackt. Dr. Yamamoto hatte Ami um sechs Uhr in der Früh angerufen und erklärt, sie müsse nicht zur Arbeit kommen, weil das Labor verwüstet war und Dr. Sakuroka im Krankenhaus lag. Sie hatte zwar keine physischen Schäden, doch halluzinierte von Monstern mit Schlangenhaaren. Und es würde dauern, alles wieder herzurichten und neue Geräte und Proben zu beschaffen. Ami stellte sich dumm, sie habe den Überfall zwar mitbekommen, aber keine Gesichter gesehen – bei dieser Lüge bekam sie Magenschmerzen vor Schuldgefühl. Zum Glück gab es keine Überwachungskameras. Sie nutzte den freien Tag, um sich mit den Mädchen zu treffen und um ihnen von dem Gespräch mit Akane zu erzählen. Sie saßen wieder in Usagis Zuhause. Mamoru war nicht anwesend, er hatte ein Treffen mit seinem Diplomarbeitsbetreuer. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte Rei, die sich sicher war, dass es sich bei Sailor Sun um die Gestalt aus ihrer Vision handelte. „Nicht viel“, schloss Artemis an. „Ihre Informationen waren sehr vage. Das einzige, das wir sicher wissen, ist, seit wann sie aktiv ist und in Osaka erweckt wurde. Wer sie erweckt hat und wer diese Feinde eigentlich sind, ist noch immer offen. Sailor Sun weiß hingegen, wer wir sind, doch gibt viel daran, dass wir im Dunklen tappen. Als ob sie etwas zu verheimlichen hätte. Ich traue ihr nicht.“ Luna nickte zustimmend. „Zumal Artemis und ich der Meinung sind, dass es eine Kriegerin der Sonne nicht geben dürfte.“ Sie wandte sich an Ami. „Ist dir nichts Besonderes aufgefallen?“ Ami überlegte kurz: „Sie verwandelt sich mit einem Amulett und ich vermute, dass bei ihrer Erweckung der Leguan, den sie immer mit sich trägt, eine Rolle gespielt hat.“ Die Katzen sahen sich an. Dies waren keine wertvollen Informationen. „Diese Akane wirkt jedenfalls ziemlich ungehobelt“, erinnerte Makoto. Ami lächelte. „Das habe ich anfangs auch gedacht, wurde aber eines Besseren belehrt. Sie hat zwar einen gewöhnungsbedürftigen Charakter, ist aber, wenn man sie näher kennen lernt, sehr nett.“ „Und vielleicht hat ihr Verhalten damit zu tun, dass sie so lange alleine kämpfen musste.“ Alle richteten ihre Augen auf Minako. „Ich finde es unfair, sie zu verurteilen, ehe wir wissen, was sie schon alles durchgemacht hat. Ich will nicht wissen, wie ich mich verändert hätte, wenn ich als Sailor V noch immer alleine gegen das Böse kämpfen müsste. Das eine Jahr hat mir eigentlich schon gereicht.“ Es herrschte Stille – tatsächlich hatte sich noch keines der Mädchen Gedanken darüber gemacht, wie es für sie wäre, alleine eine solche Bürde zu tragen. Bloß Minako konnte ähnliches nachvollziehen. Und Usagi. Die vier Mädchen und die beiden Katzen schauten auf die Blondine, die überraschend still gewesen war. Erst jetzt fiel ihnen auf, dass sie die Anführerin eigentlich gar nicht zu Wort hatten kommen lassen, nachdem sie sich aufgrund einer SMS von Mamoru kurzfristig nur auf ihr Mobiltelefon konzentriert hatte. Ihr Gesicht war rot und sie knirschte mit den Zähnen. „Ich fasse es nicht, wie ihr redet!“, rief sie. „Minako hat vollkommen Recht! Jeder würde zur Kratzbürste werden, wenn man die ganze Zeit auf sich gestellt gegen das Böse kämpfen muss!“ „Es geht nur bedingt um ihren Charakter“, fiel Luna ins Wort. „Es geht darum, dass wir nicht wissen, woher sie kommt.“ „Das ist doch egal! Solange sie gegen das Böse kämpft, ist sie eine von uns.“ „Und es geht darum, dass sie auch nicht will, dass wir mit ihr oder den Feinden etwas zu tun haben“, warf Artemis ein. „Weil sie so lange alleine war. Sie weiß nicht, wie es ist, sich mit jemandem diese Sorgen zu teilen.“ Minako nickte. „Außerdem kann sie das nicht verlangen. Ich bin die zukünftige Königin des Silberreichs und wenn das Böse es bedroht, dann sehe ich es als meine Pflicht, es zu verteidigen, egal, was eine einsame Kriegerin sagt. Sie WIRD nicht mehr alleine kämpfen und wir werden ihr zeigen, dass das eine Erleichterung ist. Punkt. Wer will ein Eis?!“ Usagi stolzierte zur Tür hinaus – die Diskussion war beendet. Alle verwunderte es, mit welcher Inbrunst Usagi ihren Standpunkt verteidigte, mit der sie die Mädchen schon einmal hatte überzeugen können. So ernst war sie noch nie mit ihren Pflichten umgegangen; es war auch das erste Mal, dass Usagi mit ihrer Zukunft argumentierte. Ihr Auftreten schien auch diesmal zu funktionieren; die Mädchen folgten Usagi in die Küche, wo Makoto mit Eiskugeln Figuren zauberte. Luna und Artemis blieben skeptisch im Zimmer zurück. Rei und Ami verließen zusammen die Gruppe als erste. Auf der kurzen gemeinsamen Strecke sprachen sie kaum miteinander. Keine von beiden wusste, ob es an mangelnden Gesprächthemen lag, oder an der Stimmung, mit welcher sie Usagis Heim verlassen hatten. Nachdem sie sich getrennt hatten, ärgerte es Ami, unterdrückt zu haben, dass Akane als Grund für ihr Einzelkämpfertum auch etwas genannt hatte, was alle schon gemerkt hatten, aber ignorierten – sie waren den neuen Gegnern unterlegen. Akane konnte nicht schlafen und ließ sich vom schlechten Fernsehprogramm des Nachmittags berieseln. Sie hatte Appetit auf einen Eistee, wollte allerdings nicht aufstehen. Der dicke Leguan brachte ihr die ganze Zeit nur Wasser, da er nicht wusste, ob Rika anwesend war und sein Erscheinen in der Küche nicht zu einem hysterischen Geschrei führen würde. Akane fand die Argumentation lächerlich, akzeptierte sie aber. Wenn der Appetit zu quälend wurde, würde sie selbst sich das gute Getränk besorgen. Ihr Blick fiel immer wieder vom Fernseher auf das Amulett auf dem Nachkasten. Sie musste einfach Kontrollblicke darauf werfen, ob es noch da war – aber wer sollte es schon klauen? Medusa, die gerade die Fensterscheibe zerbrach. Akane zog sich schützend die Decke über den Kopf, Glassplitter flogen durch den ganzen Raum. Die Frau mit den Schlangenhaaren lachte. Akane rief die Beschwörungsformel, doch dann fiel ihr ein, dass sie das Amulett gar nicht am Körper trug und sich deswegen nicht verwandeln konnte. Sie griff hektisch danach, doch fasste ins Leere. Medusa hatte sich das Amulett geschnappt. Ihr stockte der Atem. Medusa steckte die Klaue aus und als sie Akane am Hals packte, riss sie die Augen auf. Akane schwitze, nicht nur aufgrund der Grippe. Ihr Herz raste und sie bekam vor Angst kaum Luft. Sie sah sich panisch in ihrem Zimmer um, doch keine Spur war von dem Ungeheuer zu entdecken – das Amulett war jedoch noch da. Scheiß Albtraum, dachte sie. Der Leguan glotzte sie an, Akane schaute auf das Amulett, das sie sich wieder um den Hals hängen wollte. „Verdammt...“ Sie unterdrückte den Wunsch und verkroch sich wieder unter der Bettdecke. Während Amis Chefin nur mit physischen Schäden im Krankenhaus lag, befand sich Kimiko Sakadami wenige Stockwerke unterhalb in einem viel schlechteren Zustand. Trotz gutem Zustand bei der Einlieferung, befand sie sich kurz nach dem Angriff der Frau mit den Schlangenhaaren im Koma. Makoto versuchte so oft wie möglich, sie zu besuchen. Kimiko hatte keine große Familie – unverheiratet, kinderlos, mit den Geschwistern zerstritten, ihr Vater war verstorben, ihre Mutter demenzkrank. Bloß einige Freunde und Arbeitskollegen sahen bei ihr vorbei, doch nach nur drei Tagen hatten sich deren Besuche reduziert, was Makoto schrecklich fand. Hieß es nicht, dass Komapatienten eher erwachen, wenn man viel mit ihnen spricht? „Kenji hat deinen Posten übernommen und er macht das gut“, erzählte Makoto von den Neuigkeiten im Restaurant. „Die Besucherzahlen sind dieselben geblieben. Wir versuchen zwar den Gästen zu verheimlichen, dass du im Krankenhaus liegst, aber viele wissen es aus der Zeitung. Sie kommen zwar weiterhin, freuen sich aber schon auf deine Rückkehr.“ Pause. „Mein Gericht steht diese Woche auf der Karte. Es wird schon ziemlich oft verlangt und ich hab eine Menge zu tun. Es war echt schwierig heute meinen freien Tag einzuhalten.“ Makoto empfand das Reden zu einer Person, die nicht reagierte, furchtbar. Sie starrte auf die bewegungslose Frau, die am Tropf hing und aus deren Mund und Nase Schläuche führten. Ihre Augen waren nicht ganz geschlossen, ihre Haut war blass. Außerdem schien sie schon lange Zeit nicht mehr ordentlich gewaschen worden zu sein. Makoto ballte die Fäuste und rief sich das Bild der Frau mit den Schlangenhaaren in den Kopf. „Wer auch immer dieser Angreifer war, es wird büßen.“ Akane konnte nicht schlafen. Die Sorge um das Amulett verbat es ihr. Der Albtraum um Medusa hatte ihre Sicherheit nicht gerade gestärkt. Zudem kam die Erwartung, dass der Feind sofort zuschlagen konnte. Das Fieber war konstant geblieben – was sollte sie in so einem Zustand allerdings ausrichten? Doch konnte sie einfach untätig bleiben und irgendeinen Menschen, den sie nicht kannte und der ihr nie danken würde, dem Tod ausliefern? Es war wohl das Beste, wenn sie bedachte, dass ein Kampf bei Krankheit zu ihrem eigenen Ende führen konnte. Wenn da nicht so etwas wie Gewissen im Weg stehen würde. Sie brauchte irgendetwas Fiebersenkendes. Die Apotheke befand ich in Rikas Badezimmer im Erdgeschoß. Sie hoffe, dass ihre Schwester nicht da war, damit sie ihren Zustand nicht bemerkte, sich anfing um sie zu kümmern und sich darüber zu beklagen. Doch das Risiko musste sie eingehen. Akane torkelte nach unten. Rika war zwar nicht zu Hause, doch herrschte in ihrem Badezimmer so ein Chaos, dass sie scheinbar ewig brauchte, ein geeignetes Medikament zu finden. Es war siebzehn Uhr und Usagi saß vor dem Fernseher und verputzte das restliche Eis. Es lief die Seifenoper, in welcher Minako eine Rolle übernommen hatte. Ihre Serienschwester hatte den Schuss, den Minakos Rolle abgefeuert hatte, überlebt und war nun auf Rache aus. Luna sprang auf ihren Bauch und Usagi ließ vor Schreck das Eis fallen. „Hey!“, klagte sie. „Was ist los mit dir?“, fragte Luna. „Ich verstehe dein Drängen, Sailor Sun zu vertrauen, doch dein neues Interesse an den Feinden ist neu.“ „Ich bin eben erwachsen geworden“, sagte Usagi dem Eis nachschluchzend, was ihre Aussage nicht gerade glaubwürdig machte. Luna bohrte weiter: „Liegt es an Mamoru?“ „Wieso Mamoru? Zwischen mir und Mamoru ist alles gut. Er ist grad wegen des Unistress ein bisschen übellaunig, aber ich fühle mich bei ihm geborgen wie eh und je!“ Sie lachte so, dass Luna leicht erahnte, dass sie sich gerade die Situation schönredete. Die Katze beschloss nicht weiter nachzuhaken. „Ich mache mir nur Sorgen um dich. Wir wissen nichts über Sailor Sun und der neue Feind scheint mit anderen Wassern gewaschen zu sein, als wir es gewohnt sind. Ich habe Angst, dass du etwas Dummes oder Gefährliches tust.“ „Ach Luna, du bist so lieb.“ Usagi kraulte der Katze liebevoll den Kopf. „Danke für deine Sorge. Aber hab ich mich je getäuscht, wenn es um das Gute im Menschen geht? Wir können ihr vertrauen.“ Sie grinste und Luna musste ihr Recht geben – so naiv sie war, Usagi verfügte über ein gutes Gespür für Menschen. „Und ich weiß, dass der Gegner stark ist. Aber es bleibt trotzdem unsere Pflicht ihn aufzuhalten.“ Pause. „Und ich habe auch Angst. Aber gerade du hast mich gelehrt, die Ängste zu überwinden und so über mich hinauszuwachsen.“ Luna nickte und kuschelte sich auf Usagis Brust. Wahrscheinlich war doch viel Wahres an der Aussage dran, wenn Usagi meinte, sie sei erwachsen geworden. Allerdings konnte Luna nicht Gedanken lesen. Usagi konnte es vor Freude immer noch nicht fassen, dass sie nach drei Jahren Wartezeit als Sailor Moon wieder aktiv sein konnte. Diese Freude hatten auch die Niederlagen nicht hemmen können – jedoch war neben die Freude eine regelrechte Todesangst getreten. Sie waren den neuen Gegnern unterlegen, das hatte Usagi schmerzhaft einsehen müssen. Die Lebensgefahr war echt. Sie fürchtete sich vor ihnen und diese Angst riet immer wieder, Sailor Suns Rat zu befolgen und sich aus der Sache herauszuhalten. Doch eine innere Stimme widersprach – diese klang jedoch nicht wie ihr Pflichtgefühl, sondern wie die Freude, wieder etwas Nützliches tun zu können. Sie wollte das Glücksgefühl um keinen Preis aufgeben. Doch um weiterzumachen und zu überleben zu können, musste sie sich an die Kriegerin klammern, die den Feinden gewachsen war: Sailor Sun. Da konnte die Kriegerin noch so sehr protestieren, sie würde sich ihr anschließen. Auch wenn Sailor Sun Usagi Angst einflößte. Makoto hatte geklagt, dass Akane Tayo so frech auftrat, was Usagi aber weniger störte – was sie aufregte, war der Osakaslang, dessentwegen man sie schwer verstand. Doch ihr rabiates Auftreten fand Usagi sogar sympathisch – da musste mehr Selbstbewusstsein dahinter stecken, als sie wohl je haben würde. Doch von Sailor Sun ging eine zerstörerische Aura aus – kein Wunder, dass Rei sie mit der unheimlichen Gestalt aus der Vision identifizierte. Es versteckte sich ein düsteres Geheimnis hinter der Kriegerin, dass ihr, ohne es zu kennen, große Angst einjagte. Sailor Sun war gefährlich. Doch damit sie nicht die Waffen nicht niederlegen musste, musste Usagi das Risiko eingehen und sich mit einer gefährlichen Person verbünden. „Wo zum Teufel bleibst du!?“ Rika hatte sie zwar nicht geweckt, doch tat jedes Wort in Akanes Kopf weh. Ihr Fieber hatte sich zwar gesenkt, die Beschwerden waren jedoch geblieben. „Ayano Yuki wartet auf dich.“ Oh Gott, war das Essen mit dieser schlechten Künstlerin, die Akane unbedingt kennenlernen wollte, etwa heute? Es lag nicht nur an der Grippe, dass sie vollkommen darauf vergessen hatte, wohl eher hatte Desinteresse Schuld. „Wieso bist du noch nicht angezogen?“ „Ich bin krank.“ Daraufhin war Rika still. Sie näherte sich Akane und fühlte ihre Stirn, was Beweis genug war. Sie seufzte: „Musste das ausgerechnet heute passieren?“ Wieso hatte sich Akane gerade tröstende Worte erhofft? „Ich werde sagen, du hast ’ne Klausur. Komm ja nicht runter.“ Als Antwort streckte Akane ihr den Mittelfinger entgegen. Als ob sie in diesem Zustand etwas mit diesen Möchtegernintellektuellen zu haben wollte. Rika schlug beim Gehen die Tür hinter sich fest zu, was Akanes Kopf nicht gut tat. Wohl eine Art Rache. Akane blickte wieder auf das Amulett. Die Pflicht gegenüber Rika hatte sie ohne schlechtes Gewissen vernachlässigen können, woran auch die kindische Wut ihrer Schwester nichts ändern konnte. Das Amulett hier liegen zu sehen, bereitete ihr jedoch Sorgen. Eigentlich war ihr die Tätigkeit als Sailor Sun genau so lästig, wie eine Plauderei mit Rikas dämlichen Freunden. Zweitem hatte sie ihrem Zustand sei Dank schon entkommen können, ersterem konnte sie noch entkommen. Rika war zwar wütend, aber keiner würde ihr Vorwürfe machen, wenn heute eine Person verletzt werden würde, wenn sie sich schonte. Der fette Leguan hatte die Erlaubnis schon erteilt. Was Rika enttäuschte, bereitete ihr keine Gewissensbisse, was ihr erlaubt war, jedoch schon. Der relevante Unterschied zwischen der Wut ihrer Schwester und dem möglichen Tod einer Person war nämlich... nun ja, der mögliche Tod einer Person. Konnte sie das wirklich verantworten? War eine Krankheit wirklich eine so gute Ausrede? Medusa war ihrer Erfahrung nach schwach und dumm... wahrscheinlich würde sie sie auch geschwächt in die Flucht schlagen können, wenn sie eine unangenehme Situation in Kauf nahm. Man würde sich schon nicht die Quelle ihrer Macht schnappen, auf die ihre Gegner so heiß waren. Wahrscheinlicher war, dass Sailor Moon und Co. auftauchen würden und der angepisste Sonnenkaiser sich die Mondprinzessin holt. Sie bekam zusätzliche Magenschmerzen. Eine Grippe war keine Ausrede, die den Tod eines Menschen rechtfertigen würde. Oder die Gefangennahme der Mondprinzessin. Akane atmete tief durch und hängte das Amulett um. Ami packte hektisch ihre Unterlagen zusammen und eilte mit gut zweihundert weiteren Medizinstudenten aus dem Hörsaal. Während der Vorlesung hatte ihr Handy vibriert, doch da sie ihre Konzentration auf den Inhalt der Vorlesung gerichtet hatte, hatte sie nicht reagiert. Erst jetzt sah sie den verpassten Anruf von Minako und die darauf folgende SMS – typisch für Usagi mit zahlreichen Tippfehlern unterlegt: Habe gaaaanz tole Neuigkeitn! Träffen heute um 20:00 im Cefé Kaffee? Die andern Mädeles haben schn zugesahgt. Ami überlegte kurz und bejahte. Als sie ihr Handy zurück in die Tasche legte, bemerkte sie, dass ihre Geldbörse verschwunden war. Ami stieß einen entsetzten Schrei aus und rannte in den Hörsaal zurück, wo schon Studenten Platz genommen hatten, die auf die nächste Vorlesung warteten. An ihrem Platz war jedoch nichts zu finden, auch auf den umliegenden Sitzplätzen nicht. „Verdammt!“, fluchte sie. Während sie irritiert in der Eingangshalle auf und ab ging, tippte ihr jemand auf die Schultern. Der junge Mann in ihrem Alter hatte blonde, längere Haare und war von stattlicher Größe. Seine Augen waren dunkelblau und schienen unter seiner Brille zu leuchten. Er war gut gekleidet: ein sandfarbenes Sakko, blaue Jeans und ein hellblaues Hemd. Ami fand ihn ziemlich gut aussehend. Auf eine eigenartige Weise erinnerte er sie an Dr. Yamamoto. „Bist du Ami Mizuno?“, fragte er. Sie nickte. Daraufhin reichte er ihr ihre Geldbörse. „Dein Ausweis hat Auskunft über den Besitzer gegeben.“ Mit roten Wangen nahm Ami die Geldbörse entgegen. „Vielen Dank.“ „Kein Problem.“ Und damit war der hübsche Herr verschwunden. Dankbar für ihr Glück machte sie sich auf den Weg nach Hause. Jedoch war es schon dunkel – Ami hasste es um diese Uhrzeit nach Hause zu gehen. Sie hatte einige düstere, einsame Gassen zu durchqueren und wurde jedes Mal von einem mulmigen Gefühl übermannt, wenn sie diese entlang ging. Heute war es besonders heftig, doch sie schob es nicht auf die neuen, obszönen Graffitis, sondern auf das Gespräch mit Usagi. Sie verstand ihre Sturheit – Usagi wurde getragen von der Sorge um ihr zukünftiges Königreich und dem Wunsch, dieses heute schon zu beschützen. Erkenntlich daran, dass sie zum ersten Mal mit ihrer Zukunft argumentiert hatte, schien sie sich ihrer kommenden Verantwortung bewusst zu werden. Doch hatte sie sich schon einmal Gedanken gemacht, welcher Gefahr sie sich und ihre Freundinnen aussetzte? Dachte Usagi bei nur an die Zukunft oder auch an das Hier und Jetzt? Wohl nicht, sonst hätte sie die Unterlegenheit eingesehen. Ami fröstelte, als sie hinter einer im Schatten stehenden Mülltonne etwas rascheln hörte. Sie blieb stehen. „Hallo?“, rief sie. Es folgte keine Reaktion. Wie gebannt starrte sie auf den Fleck. Nichts schien da zu sein, doch sie spürte eine unangenehme Präsenz. Ami griff in ihre Tasche und umklammerte ihren Verwandlungsstab. Unmittelbar darauf sprang das Monster mit den Schlangenhaaren hervor. Das Amulett schlug Alarm. Akane war inzwischen eingeschlafen – wohl hatte die gewohnte Nähe zu ihrem Verwandlungsartefakt sie in den Schlaf gewogen. Und jetzt war sie ironischerweise davon geweckt worden. „Dreck...“, murmelte sie, als sie sich an die Stirn fasste. Das Fieber war wieder gestiegen. Sie wollte lieber im Bett bleiben. Doch als sie das Amulett wieder umgehängt und damit das getan hatte, womit sie ihr Gewissen befriedigte, hatte sie sich zum Einsatz bereit erklärt, unabhängig von einer Verschlechterung ihres Zustand. Es gab keine Ausreden mehr. Ein Menschenleben war in Gefahr. Sie musste es mit den Gegnern aufnehmen. Sie musste. „Macht der Sonnennebel, mach auf“, murmelte sie. Der fette Leguan starrte sie besorgt an, während sie langsam verschwand. Langsam öffnete Ami die Augen. Ihr Kopf schmerzte und Ami wollte sich an die Schläfen fassen, doch sie konnte keine ihrer Hände bewegen. Erst jetzt realisierte sie, dass ihre Arme und Beine gefesselt waren. Das Material waren die Haare des Monsters – zwei der Schlangen starrten sie an und züngelten. Sie wollte den Mund aufmachen, wollte etwas sagen, ohne zu wissen, was, doch auch hatte sich eine der Haare um ihre Lippen gewickelt. Medusa kicherte. „Angst?“ Jetzt wo das Monster es sagte, wollte sie nicken, konnte aber nicht. „Brauchst du nicht haben. Wenn du Glück hast, wirst du überleben“, kicherte sie. Was machte sie hier? Es dauerte lange, bis Ami einen klaren Gedanken fassen konnte. Es musste etwas damit zu tun haben, dass Medusa beim letzten Mal ihr Gesicht gesehen hatte. Hatte sie auch mitbekommen, dass sie eine Sailorkriegerin war? Ami versuchte logisch zu denken; sie kam zu dem Schluss, dass es nicht so war. Die Angreiferin labte sich jedes Mal an der Energie der Sailorkriegerinnen. Bei aller Angst und der Schmerzen, welche die Schlangenfesseln auf sie ausübten, spürte sie jedoch nicht die Schwäche, die für die Energieabsaugung typisch war. Offensichtlich hatte die Kreatur nicht einmal versucht, ihr die Kraft zu nehmen. Kein Interesse an Sailor Merkur also; und sie war nicht das Ziel. Warum war sie dann hier in dem dunklen Raum gefangen, geknebelt, bewegungsunfähig? Ami konnte sich die Frage selbst nicht beantworten, weil ihr ganzer Körper plötzlich von einem nicht definierbaren Schmerz erfüllt wurde, der ihr kurzfristig alle Sinneswahrnehmungen raubte. Sailor Sun kam offensichtlich in einem alten, verlassenen Fabrikraum ohne Beleuchtung an, der nur vom schwachen Abendlicht erfüllt wurde. Als ihre Füße den Boden berührten, unterdrückte sie den Wunsch sich zu übergeben – eine Folge der Grippe. Sie erblickte Medusa. Die Kreatur hatte ihr den Rücken zugekehrt und schien ihre Ankunft nicht bemerkt zu haben, obwohl Sailor Sun nicht gerade leise gewesen war. Egal, das Weib war dämlich. „Lichtpeitsche!“ Mit einem lauten Geräusch schlug die Geißel gegen Medusas Rücken – das Monster schrie. Doch Sailor Sun spürte den Angriff ebenso an ihrem Körper. Sie verspürte immer eine Art Rückstoß beim Angriff, der durch das Fieber so unerträglich war, wie in Anfangstagen. Es folgte ein Schweißausbruch. Doch sie musste wieder die Attacke einsetzen, ehe Medusa sich wehren konnte. „Lichtpeitsche!“ Medusa schrie wieder und ging in die Knie. Suns Extremitäten schmerzen, doch sie musste wieder angreifen. „Lichtpeitsche!“ Medusa lag auf dem Boden. Ein vierter Hieb noch und sie war wohl erledigt. Doch der dritte Angriff war zu viel des Guten für Suns kranken Körper, sie brauchte eine Pause. Sie musste nach Luft schnappen und einen Schwindel abwenden. Sie ließ Medusa viel Zeit sich zu erholen – die Schlangenhaarefrau nutzte diese Zeit aber nicht für einen Gegenangriff. Da stimmt was nicht, dachte Sailor Sun. Sie bekam Hemmungen, dem Weib einen weiteren Schlag zu versetzen. „Hey, Medusa!“, rief sie. „Wehr dich.“ „Ich heiße Tisiphone.“ „Scheiß auf Namen!“ Sie ließ die Peitsche schnalzen. „Wehr dich.“ „Gerne. Aber bist du dir sicher, dass du einen Kampf riskieren möchtest?“, kicherte das Weib. Sun fragte sich, worüber sie sich amüsieren konnte, wo ihr die drei Attacken schon sichtlich zugesetzt hatten. Dann wurde ihr klar, was nicht stimmte. Ihre Augen folgten dem Schlangenhaar – kaum auf den ersten Blick zu sehen, weil im Schatten versteckt, aber bei genauerem Hinsehen zu erkennen, hielt Medusa Ami Mizuno mit ihren Haaren gefangen. Sailor Sun wurde schlecht. „Die drei Hiebe haben nicht nur mich verletzt. Leiten sich zu der Hübschen weiter. Ich überleb wahrscheinlich noch eine Attacke, aber ich glaube nicht, dass das Mädchen noch mehr aushält.“ Sun zitterte am ganzen Körper. Im Prinzip war Mizuno leicht zu befreien – sie musste Medusa nur die Haare abtrennen. Doch dafür musste sie all ihre Kraft in den Angriff verlegen. Sie konnte nicht einschätzen, ob sie das nicht selbst zu sehr schädigen würde. Aber blieb ihr etwas anderes übrig? Wohl nicht – sie hatte sich geschworen, das bedrohte Menschenleben zu retten, egal wie beschaffen ihr Zustand war. Erst recht, wenn es sich um das Leben einer Sailorkriegerin handelte. Sailor Sun sprang in die Höhe. „Lichtpeitsche!“ Medusa riss die Augen auf, konnte wohl nicht fassen, dass Sun trotz ihrer Warnung angriff. Doch es überraschte sie noch mehr, als sie spürte, auf welchen Körperteil die Attacke gerichtet war. Ein Hieb und die Haare waren ab. Die Schlangen starben augenblicklich und die Fesseln lösten sich von Mizunos Armen, Beinen, Hüfte und Mund. Bewusstlos fiel sie zu Boden. Sailor Sun hätte gerne ihren Puls gefühlt. Stattdessen übergab sie sich auf die Schlangenleichen. „Du...“ Der Angriff hatte Tisiphone nicht sehr geschadet. Dafür war ihr komplettes Haar tot. Und ihr Plan war zunichte gemacht. Keine Geisel mehr, kein Druckmittel mehr, sie war in derselben Situation wie sonst. Sie war in Gefahr. Doch wenn sie nicht floh, würde Mithras ihrem Leben in Ende bereiten. „Du...!“ Was nun passierte, verstand sie nicht so ganz. Obwohl sie sich des Untergangs sicher war, bündelte sie alle Kraft und ließ einen gewaltigen Blitz auf Sailor Sun einschlagen. Die Kriegerin schrie und fiel auf die Knie. Ein erneuter Blitz schlug auf sie ein und sie fiel flach auf den Boden. Zwar war sie nicht bewusstlos, doch bewegungsunfähig. Tisiphone dachte nicht darüber nach, warum sie sich heute von dieser Attacke schlagen ließ. Sie rannte auf sie zu trat sie in den Bauch, sodass Sailor Sun auf den Rücken rollte. Sie hielt sich den Bauch und keuchte. Tisiphone grinste. Sie hatte sie! Unglaublich, aber sie hatte sie. Ihr Plan war aufgegangen. Anders als erwartet, doch sie hatte sie! Doch sie würde sie nicht gleich Mithras ausliefern. Das Miststück hatte noch dafür zu büßen, dass ihr guter Ruf einen Schaden erlitten hatte. Sie nahm Sailor Sun die Geißel weg. Trotz Ami die Schmerzen diverser Angriffe noch immer gewohnt. Daher erlangte sie schnell wieder das Bewusstsein. Sie fühlte sich schwach, doch öffnete die Augen, geweckt von Akanes Schrei. Medusa hatte Ami vergessen. So hastig sie konnte, rannte sie aus der Sichtweite. Die Gewissensbisse befielen wieder ihren Magen; da rettete ihr Sailor Sun das Leben und sie ergriff die Flucht. Doch was sollte sie schon ausrichten? Ami bemerkte an ihrem Körper ihre Tasche, welche ihr das Monster nicht abgenommen hatte. Nur ihre Kleidung hatte Schaden erlitten. Der Verwandlungsstab war noch da. Doch was sollte sie alleine schon ausrichten? Sie brauchte Hilfe. Ami kramte das Handy hervor und wählte die erstbeste Nummer – Makoto, die es unpassend lange läuten ließ. „Kommt schnell her!“, weinte Ami. Scheißgrippe, Scheißgrippe, Scheißgrippe, echote Sailor Suns innere Stimme. Dreck, Dreck, Dreck! Weniger Medusas Blitze hatten sie zu Boden gestreckt, sondern ihr Kopf, ihr Magen und ihr kompletter restlicher Körper. Ihr eigener Angriff hatte die Schwächung verstärkt und nun konnte sie kaum den Kopf heben, ohne dass ihr schwarz vor Augen wurde. Mizuno sah sie aus den Augenwinkeln heraus fliehen. Feige Sau, dachte sie. Keuchend umklammerte Sailor Sun ihre Waffe, doch es war dem Monster ein Kinderspiel, ihr diese wegzunehmen. Immerhin konnte sie dem hässlichen Weib ins Gesicht spuken... weit spuken hatte sie schon immer gut können und immerhin nahm ihr die Krankheit nicht auch noch dieses Talent. Als Rache stieg ihr Medusa auf die Schulter und bohrte ihr die spitzen Schuhabsätze in ihre Haut. Nimm mir nicht das Amulett ab, dachte sie. Nimm mir nicht das Amulett ab. Offensichtlich wurden ihre Gebete erhört – Medusa zeigte kein Interesse an dem Objekt, welches ihre Chefs so begehrten. Stattdessen bewegte sie die Peitsche und ein gleißendes Licht erhellte den Raum. „Vergessen? Du beziehst deine Kräfte aus derselben Quelle der Macht wie wir.“ Pause. „Wir alle wurden von Kaiser Hyperion geschult, mit Sunnas Waffen umzugehen, lange bevor du dir ihren Starseed unrechtmäßig angeeignet hast.“ Sailor Sun quälte sich ein Grinsen aufs Gesicht. „Was?“ Und die Peitsche schlug gegen ihren Brustkorb. Ohne Macht des Lichts. „Antworte!“ „Du nennst einen entmachteten Herrscher noch immer ‚Kaiser’. Dabei ist er nicht mehr als ein alter Tattergreis.“ „LÄSTERE NICHT KAISER HYPERION!“ Und wieder peitsche Medusa auf Suns Körper, vergaß aber wieder die Macht des Lichts anzuwenden. Anschließend rollte sie die Kriegerin auf den Bauch und bohrte den Stöckelschuhabsatz in ihre Wirbelsäule. „Aus dem Mund einer niederen Existenz wie deiner, sind solche Worte reine Blasphemie.“ Wieder ein Peitschenhieb. Immerhin lenkten die punktuellen Schmerzen von Fieberleid ab. Sun fragte sich nur, wann die dumme Kuh endlich die Macht des Lichts einsetzt... oder sich das Amulett krallt. „Blasphemisch ist eher, wie und warum ihr Sunnas Starseed einsetzen möchtet.“ „SCHWEIG!“ Und jetzt vergaß sie nicht die Macht den Lichts. Der Angriff war nur kurz, doch zeigte eine längere Nachwirkung. Ihre Haut fühlte sich verbrannt an und auch ihre Organe schienen in Flammen zu stehen. Kurzfristig bekam sie keine Luft. „Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt! Mach dich bereit für dein Ende!“ Sailor Sun kniff die Augen zusammen. Dreck. Erst jetzt realisierte sie, wie greifend nahe der Tod war. Bis vor zehn Sekunden hatte sie noch an einen Deus Ex Machina geglaubt. Mit Medusas Worten war die Hoffnung jedoch verflogen. Dreck. Sie hatte schon schlimmere Gegner gehabt. Sie hatte sich sogar mit dem übermächtigen Bastard, das sich Hyperions Sohn schimpfte, persönlich anglegt. Und jetzt war sie aufgrund einer verdammten GRIPPE dieser dämlichen Kuh vollkommen ausgeliefert. Dreck. So sollte es wohl enden. Ein verdammt unwürdiges Ende. Bloß wegen ein paar unnötiger Gewissensbisse, die sie vor ein paar Jahren noch hätte unterdrücken können. Dreck. Wegen einer dummen menschlichen Schwäche war nun alles verloren. Der angepisste Kaiser erhielt Sunnas Starseed wieder, würde bald darauf die Mondprinzessin schnappen, dann war die Welt dem Untergang geweiht. Dreck. Sie hatte versagt. Und sie konnte sich nicht einmal entschuldigen. „DRECK!“, schrie sie. Interessant, wie viele Gedanken einem durch den Kopf gehen, ehe der Tod einen holt. Oder bis der Deus Ex Machina kommt. Ehe sie zuschlagen konnte, wurde Medusa von einem lauten „Halt“ abgelenkt. Aufgrund ihres körperlichen Zustands konnte Sailor Sun nicht verstehen, was gesagt wurde, doch sie erkannte die Stimme. Wohl war Mizuno nur weggelaufen, um ihre Freundinnen zu Hilfe zu holen. Sailor Sun grinste. Da waren diese Weiber, die sich aus der Sache eigentlich raushalten sollten, doch zu etwas gut. Und der Kampf begann, den Sailor Sun nur akustisch wahrnahm, selbst als sie sich auf den Rücken drehte und leicht aufsetzte. Den Kriegerinnen schien der Kampf diesmal tatsächlich etwas leichter zu fallen, wohl weil Medusa keine Haare zum Angreifen mehr hatte. „Alles in Ordnung?“, fragte Sailor Merkur, worauf Sailor Sun ein wenig erschrak. „Du glühst ja.“ Wie viele sarkastische Antworten hatte sie auf der Zunge gehabt, sie aber nicht herausbrachte? Der Schock verschwand langsam. Geschwächt war sie noch, doch von Medusas Angriffen regenerierte sie sich. Wie gewohnt. Warum zum Teufel konnte das Kostüm sie vor allen noch so schwerer Angriffe schützen, aber sie von keiner Grippe heilen? Sie musste das Fieber wohl aus eigener Kraft ignorieren. Sailor Sun hievte sich langsam auf die Beine. „Nicht“, sagte Sailor Merkur, doch anstelle sie abzuhalten, stützte sie sie. Sailor Moon und Co. hielten sich gut. Zwar hatte Medusa mit der Peitsche noch ein Mittel mit dem sie sich verteidigen konnte, aber dass sie wusste, wie das Ding funktionierte, hieß noch lange nicht, dass sie damit umgehen konnte. Sie traf sich einige Male selbst. Und irgendwann war sie umzingelt. Der Druck des Dimesionentors entstand. Greift an, dachte Sailor Sun. Ihr dürft sie nicht entkommen lassen. Sie hat noch meine Waffe. Doch diese Gören ließen sich von dem Druck irritieren. Das Monster, das IHRE Waffe hatte, war dabei abzuhauen. Das Monster, das sie gefoltert hatte. Das Monster, das sie fast getötet hätte. Und Sailor Moon und Co. blieben untätig. Es lag wieder an ihr. „DU VERZIEHST DICH NICHT SCHON WIEDER!“, schrie Sailor Sun. Sie riss sich von Merkur los, stieß Sailor Venus bei Seite und ehe Medusa durch den Riss fliehen konnte, erwischte Sun die Geißel und zog so heftig daran, dass Medusa das Gleichgewicht verlor und hinfiel. Sailor Sun schlang die Geißel um ihren Hals und schnitt Medusa die Luft ab. „DU GLAUBST DOCH NICHT, DASS ICH DICH ENTKOMMEN LASSE, DU ERBÄRMLICHE KREATUR!“, schrie sie. „LICHTPEITSCHE!“ Medusa schrie noch einmal. Und was von ihr übrig blieb, war nicht mehr als ein Haufen Asche. Sailor Moon hatte sich beim Kampf mehrmals gefragt, wo Tuxedo Mask geblieben war. Doch die Überlegung verschwand, als sie die Kriegerin der Sonne schwitzend und keuchend auf dem Boden kniend sah, die mit hasserfüllten Augen auf die Asche starrte. So hatte sie einen Feind noch nie enden gesehen. Und so hatte sie noch nie eine Kriegerin gesehen, die auf die Asche spukte und mit hastigen Bewegungen den Dreck auf dem Boden verbreitete. Sie stand auf, trampelte darauf herum und gab wütende Geräusche von sich. Irgendwann ging sie wieder in die Knie. „Starr nicht so deppert“, fauchte sie Sailor Moon an. „Die Schlampe hat das verdient! Sie hat mich fast umgebracht.“ Sailor Sun fasste sich an die Schläfen und fing plötzlich an zu weinen. „Wegen einer Scheißgrippe hab ich mich fast umbringen lassen.“ Pause. „Ich hätte bleiben können, wo ich war. Doch dieses verdammte Gewissen hat mich hierher getrieben. Nur wegen meines verdammten Gewissens habe ich mich fast umbringen lassen. Das war ein verdammter Selbstmordversuch!“ Merkur warf einen Blick auf Sailor Moon und Venus, Mars und Jupiter taten es ihr nach. Irgendwie schien es unpassend, die Kriegerin der Sonne nun zu beobachten, die immer hysterischer wurde. „Es wär fast alles verloren gewesen. Wegen einer verdammten Grippe. Wegen verdammter Gewissensbisse.“ Sie schlug mit der Faust auf den Boden. „Deswegen sind wir ja da.“ Sailor Moon wagte es nun sich Sailor Sun zu nähern. Sie kniete sich zu ihr herunter, und berührte freundschaftlich ihre Schulter. „Deswegen trägt man diese Bürde auch nicht alleine.“ Pause. „Wir wollen dir helfen.“ Sailor Sun sah sie mit einer Mischung aus Zustimmung und Hass an. Mithras blickte auf das wie immer perfekte, von ihm gezeichnete Phantombild des Opfers, mit welchem Tisiphone ihre Chance verwirkt hatte und sich von Sailor Sun hatte töten lassen. Schade, gerne hätte er der Furie das Licht ausgeblasen. Selbst wenn der Plan geglückt wäre. Doch das Scheitern war zu erahnen gewesen. Deswegen hatte er das Opfer, auf welches sich die Furie sehr auffällig konzentriert hatte, abpassen und identifizieren können. Er schrieb ihren Namen auf das Bild – Ami Mizuno. Und die Adresse, die er bei einem Blick in ihren Ausweis erhascht hatte. In nächster Zeit würde man sie in Ruhe lassen – der letzten Furienschwester hatte er schon untersagt, sie erneut zu attackieren, um die Sailorschlampe anzulocken. Genau so wie er Leute im Umfeld von ihr ausmachen konnte, konnte sie erahnen, dass er Verdacht über ihren Bekanntenkreis schöpfte und alles daran setzen ihn auf die falsche Fährte zu locken. Das war schon passiert. Deswegen musste er warten. Er durfte keinen Verdacht erwecken. Er notierte unter dem Bild Sichere Verbindung. Kapitel 7: Ein Tag im Leben der Rei Hino ---------------------------------------- Es hatte sich als leichter herausgestellt, mit Akane Tayo ein aufklärendes Treffen zu verabreden, als erwartet. Tatsächlich war sie an die Sailorkriegerinnen herangetreten, nachdem sie (überraschend schnell nach drei Tagen) von ihrer Grippe genesen war, und nicht wie erwartet umgekehrt. Luna bestand darauf, das Treffen im Hikawa-Tempel stattfinden zu lassen, da dieser stets ein Ort der Zuflucht und des Schutzes für die Mädchen dargestellt hatte. Rei hatte zunächst abgeblockt. Sakura und Midori erschienen täglich und hatten die ganze Zeit nichts Besseres zu tun, als ihr auf die Nerven zu gehen, unabhängig davon, ob sie selbst beschäftigt war. Als sie sich vor einigen Tagen mit einem Studienkollegen zum Lernen verabredet hatte, kamen die beiden Gören alle 15 Minuten hereingeplatzt, meist zankend, weil eine der beiden einen Fehler gemacht hatte, der bloß im Bereich Haushaltsführung lag, hin und wieder, weil sie Rei bewundernd über die Schultern zu schauen wollten, weil ja grundsätzlich interessant war, was diese erwachsene, hübsche Frau alles trieb. Lernen war da ein Ding der Unmöglichkeit und erst recht Flirten mit dem hübschen Studienkollegen. Und nun sollte eine streng geheime Sache besprochen werden, obwohl die Mikos jederzeit mit neugierigen Ohren dazukommen konnten! Jedoch war Lunas Argument nur schwer etwas entgegenzusetzen, beachtete man die unheimliche Aura der Frau, die vor wenigen Tagen im Fieberwahn sich wie ein Berserker aufgeführt hatte. Rei kontaktierte die Eltern der Mikus und bat, die beiden erst zwei Stunden später als gewohnt bei ihr abzusetzen. Mürrisch hatte man zugestimmt. Und nun hockten die fünf Mädchen und die beiden Katzen auf den Treppen gegenüber Akane Tayo, die stolz ein äußerst hässliches Reptil in die Höhe hielt. Die acht starrten auf das nicht gerade glücklich wirkende Tier. „Er ist ein Grüner Leguan“, erklärte sie. „Nicht besonderes, aber er hat sich aber als sehr pflegeleicht entpuppt und auch als ziemlich robust.“ Mit diesen Worten ließ Akane den Leguan fallen. Er landete zwar sicher auf den Füßen, guckte jedoch noch unglücklicher als zuvor. „Mag vielleicht daran liegen, dass er großteils nicht von dieser Welt stammt.“ Sie deutete auf den Anhänger. „Von ihm habe ich das Amulett bekommen.“ Die sieben wandten ihren Blick weg von dem Reptil zu dem Artefakt – Rei ekelte sich sowieso vor dem Tier. Nur Luna wahrte noch Interesse an dem Leguan – vorsichtig tastete sie sich an ihn heran und wollte mit der Pfote seine Schnauze berühren. Der Leguan züngelte. Lunas Haare stellten sich auf und die Katze versteckte sich hinter Usagis Beinen. „Hat er auch einen Namen?“, fragte Minako. Akane zuckte mit den Achseln. „Weiß nicht, er kann nicht sprechen. Ich nenn ihn Fetti. Er isst nämlich ziemlich gern.“ „Und wie kommuniziert ihr dann?“ , warf Makoto ein. „Er weiß, wie man einen Computer bedient.“ Akane kniete sich zu dem Leguan herunter und klopfte ihm auf die Schädeldecke. „Er hat genau so viel im Hirn wie im Bauch.“ Sie nahm seine Vorderpfoten hoch und wackelte damit. „Das tippen fällt ihm mit diesen Dingern nur leider etwas schwer.“ Sie grinste breit. Die Gruppe starrte verdutzt auf das Tier. Akane schnaufte: „Jetzt tut nicht so, als wär Fetti ungewöhnlicher als zwei sprechende Katzen.“ „Komm zum Wesentlichen!“, fauchte Artemis, dessen Erröten man unter dem Fell nicht sah. „Wer sind die Feinde? Und wie bist du ins Spiel gekommen?“ Akanes freundliche Miene verschwand. „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich euch allzu viel erklären kann. Ich kenne auch nur Bruchstücke, ich meine Quelle ist ein stummer Leguan.“ Sie stand auf. „Die Feinde werden angeführt von einem Greis namens Hyperion, dem ehemaligen Kaiser über das Sonnenkönigreich, der sein Reich nach einem Krieg verlor. Darauf zog er Jahrhunderte durchs Weltall auf der Suche nach Verbündeten und neuen Kraftquellen, um seine alte Macht wiederzuerlangen. Als ich vierzehn war, ist Fetti in meinem Zimmer aufgetaucht und hat mir das Amulett gegeben mit der Nachricht, er sei Opfer Hyperions gewesen, habe aber den Starseed von Hyperions verstorbener Frau gestohlen. Nun nähere er sich der Erde. Ich sei ein geeigneter Wirt für den Starseed und solle Hyperion aufhalten, damit er die Erde nicht zerstört.“ Rei stockte in diesem Moment der Atem – hieß dass, dass diese Kriegerin ihre Kraft aus derselben Quelle bezog wie die Feinde? Kam daher Sailor Suns unheimliche Aura, die der der Person aus ihrer Vision so glich? Sie musterte die Gesichter der anderen, die aufgrund dieser Bemerkung offensichtlich keinen Verdacht schöpften... konnten alle so schlecht Schlussfolgerungen ziehen, oder war sie die einzige die zuhörte? Akane redete weiter: „Die Gattin hieß Sunna. Natürlich ist Kaiser Hyperion hinter ihrem Starseed her. Doch wohl hat er es auch auf den Silberkristall als Kraftschub abgesehen und daher will er auch euch in die Finger kriegen.“ Bei diesen Worten schaute sie Usagi an, deren Miene von Besorgnis überschattet wurde. „Mehr weiß ich nicht.“ Sie überlegte kurz. „Ach, doch, die beiden Weiber mit den Schlangenhaaren sind Teil eines Schwesterntrios namens Furien. Eine fehlt noch. Laut Fetti nimmt sie andere in Besitz.“ Pause. „Mann, fühlt ihr euch auch so bescheuert, wenn ihr so daherredet?“ Keine Antwort, man grübelte über Akanes Erzählung. Tatsächlich hatte sie trotz ihrer Ankündigung mehr verraten, als die Kriegerinnen erhofft hatten. Auch Makoto blickte nicht mehr allzu kritisch auf die neue Kriegerin. Bloß Rei beruhigten ihre Worte nicht. „Und warum weißt du von uns?“, fragte sie. „Das hab ich Mizuno schon erklärt. Fetti wusste es von irgendwoher und ihr seid nicht gerade vorsichtig mit euren zweiten Identitäten umgegangen.“ Akane kratze sich am Kopf. „Wo sind eigentlich die Lesben, die Alte und das Kind?“ Usagi, Minako, Ami, Rei und Makoto sahen sich an. Erst jetzt wurden sie daran erinnert, dass sie seit drei Jahren keinen Kontakt mehr zu Haruka, Michiru, Setsuna und Hotaru hatten. Sollten sie nun welchen, da eine neue Gefahr drohte, wiederaufnehmen? Akane sah auf ihre Armbanduhr. „Noch Fragen? Ich hab heut noch was zu erledigen.“ „Warum hast du uns solange gemieden?“ Die Frage kam von Usagi. Sie sprach mit leicht bekümmertem Gesichtsausdruck und ruhiger Stimme, in welcher eine Mischung aus Mitleid und Sorge lag. Was Akane sichtlich störte. „Es war mir lieber, die Sache alleine zu regeln“, antwortete sie. „Doch der Hauptgrund war, dass ihr nicht in Gefahr kommen solltet. Ihr habt inzwischen selbst gemerkt, dass der Gegner eine Nummer zu groß für euch ist.“ Sie trat den Leguan. „Das war übrigens schon in Osaka Fettis Theorie. Und er hatte Recht. Zwar habt ihr euch als große Hilfe erwiesen und ich bin dankbar dafür, aber das tue ich als einmalige Sache ab. Nur weil ich mich euch anvertraut habe, heißt das noch lange nicht, dass sich meine Meinung geändert hat. Es ist mein Krieg.“ Es herrschte Stille. Akane blickte noch einmal auf die Armbanduhr und hob den Leguan auf. „Das Gespräch sollte nur dazu dienen diverse Unsicherheiten eurerseits zu eliminieren. Ich will mich euch nicht anschließen, ich will eigentlich nichts mit euch zu tun haben und ich will nicht, dass ihr euch in Gefahr begebt. Und ich muss jetzt los. Falls ihr noch ein Anliegen habt, sagt es Mizuno, die soll es bei der nächsten Projektarbeit weiterleiten!“ Diese Worte waren für Usagi eine herbe Enttäuschung. Sie hatte gehofft, dass das letzte Ereignis Akane zur Besinnung gebracht habe – hatte sie sich nicht während des hysterischen Anfalls erst aufgrund Usagis Zuspruchs beruhigt? Wie konnte sie nach der letzten großen Gefahr nicht einsehen, dass Teamarbeit in diesem Geschäft mehr wert war als alles andere? Sie hätte niemals so eine Sturheit erwartet. Doch ehe sie Akane darauf ansprechen konnte, war sie schon nicht mehr in Sichtweite. Die Gruppe blieb noch im Hikawa-Tempel. Rei servierte Tee und Kuchen und starrte nervös auf die Uhr, denn jeder Zeit konnte die Ankunft der Mikos erfolgen. Und ihre Freundinnen hatten keine bessere Idee als über Sailor Sun und die neuen Feinde zu sprechen, obwohl Rei immer wieder vor den Eindringlingen warnte. Nachdem der Name der Angreiferinnen mit den Schlangenhaaren enthüllt worden war, erinnerte sich Luna, dass diese einst als Gefolge der Prinzessin vom Pluto protokolliert waren und aufgrund heroischer Leistungen mit einem Portrait im Mondpalast geehrt wurden, jedoch aus unbekannten Gründen verschwanden, lange bevor Serenity I. an die Macht kam. Ein wütender Mann, der von überall her Rekruten suchte, mochte eine plausible Erklärung für deren Verschwinden sein und spendete auch Akane Tayos Erzählung Glaubwürdigkeit. Wer dieser Kaiser Hyperion jedoch war und wo dieser Name gefallen war, konnte die Katze jedoch noch immer nicht ins Gedächtnis rufen. Auch eine Sunna kannte sie nicht. Makoto wechselte das Thema auf Akane und stimmte nun Ami zu, dass sie wohl einen guten Kern hatte, den man aber sehr geduldig suchen musste. Ami korrigierte sie, dass sie nicht „Akane“ sondern mit Nachnamen angesprochen werden wollte. Minako machte sich darüber lustig, sie verhalte sich wie eine Diva. Und Usagi begann mit dem Mund voll Kuchen über ihre Sturheit zu klagen. Rei hörte den Ausführungen nur halbherzig zu, während sie zunehmend in Gedanken hineindriftete: Sie reden und reden. Doch zugehört scheinen sie Frau Tayo nicht zu haben... soll ich ihnen von meinen Zweifeln erzählen? Es wäre wohl angebracht, zu viel Sympathie zu dieser Frau scheint gefährlich. Vor allem Usagi ist mir zu unvorsichtig. Irgendwie untypisch für sie... sollte ein Feigling wie sie von übermächtigen Gegnern und einer unheimlichen Kriegerin nicht eher abgeschreckt als angezogen werden? Ich glaube kaum, dass die Pflichten, von denen sie ständig redet, ihre charakteristische Angst überholt haben. Es muss etwas Größeres dahinter stecken, als dieser zu erwachsene Gedanke. Ob sie es leugnen wird, wenn ich sie darauf anspreche? Soll ich? Und danach Ablenken zu der Tatsache, dass Sailor Sun ihre Macht aus derselben Quelle bezieht, wie unsere neuen Gegner? Allen sagen, dass man sich vor dieser Frau hüten soll? Ich kenne Usagis Sturheit aber mittlerweile ganz gut... ziemlich frech, dass sie ausgerechnet diese Eigenschaft einer anderen Person vorwirft. Mit ihrer genau so dummen wie einfachen Argumentation wird sie meinen Vorwurf erst abstreiten, immer wieder mit der Pflicht argumentieren und schließlich wird sie sagen, dass es egal ist, woher die Neue ihre Kraft bezieht, solange sie gegen das Böse kämpft, ist sie auch nicht böse. Aber wer weiß schon, was dieses Amulett in Zukunft mit Sailor Sun anstellen wird, beziehungsweise, was sich eigentlich jetzt schon in ihrem Kopf abspielt? Aber zu diesem Gegenargument werde ich wahrscheinlich gar nicht kommen. Auch wenn ich ihre Worte genau erahnen kann, haben Usagis Aussagen aus ihrem Mund eine andere Wirkung, als wenn ich sie nur in Gedanken durchgehe. Ihre naive Argumentation wirkt auf die Mädchen erstaunlich überzeugend, einschließlich auf mich. Ich bin in den letzten Tagen schon ein paar Mal Opfer ihrer simplen Argumente geworden. Es hat mich immer gewundert, dass Usagi dazu auserkoren ist, einer der besten Königinnen zu werden, die das Universum je gesehen hat. Ungeschickt, faul, nicht allzu intelligent. Nur ihre Menschenkenntnis hat sie aus der Masse hervorgehoben, was aber noch lange nicht zu einer guten Herrscherin macht. Doch wenn ich beobachte, welch eine Kraft in ihren noch so einfachen Worten liegt, so verschwinden meine Zweifel. Wer weiß, zu was sie fähig sein wird, wenn ihr erst einmal der Knoten aufgegangen sein wird. Auf naiven Weg wird sie Welt ins Elysium führen. Aber ist diese Naivität in dieser Situation nicht zu gefährlich, wo Usagi noch nicht „reif“ ist? Ich könnte mir die Mädchen einzeln zur Brust nehmen. Aber Usagi hintergehen, erst alle auf meine Seite ziehen, ehe sie zu Wort kommen kann? Ich krieg bei dem Gedanken schon Kopfschmerzen. Auch scheinen meine Freundinnen nicht gerade offen... keine hat bisher etwas Konstruktives beigetragen. Minako ist nur auf sich selbst fixiert, Makoto auf das Restaurant und Ami auf die 1000 Sachen, die sie gerade macht. Sie sind desinteressiert...Vielleicht sehen sie die Gefahr, die von Sailor Sun ausgeht, deswegen nicht... Usagi ist die einzige, die sich ernsthafte Gedanken macht und auch ausspricht. Während ich nur schweige... Was ist der Grund für ihre Courage? Was ist der Grund, dass sie regelrecht euphorisch für die neuen Probleme ist? Die neuen Probleme! Verdammt, habe ich nicht selbst oft geahnt, dass Usagi unzufrieden mit ihrem Leben ohne Sailor Moon war? Und verdammt, habe ich selbst Sailor Mars nicht allzu oft vermisst? Und verdammt, macht es mir nicht gerade Spaß herumzugrübeln? Soll ich Usagi Sailor Moon wirklich verderben, indem ich Zweifel säe? Das Desinteresse der anderen Mädchen entlarve? Der Zeitpunkt scheint nicht gut... Das Risiko muss eingegangen werden... „Rei, hörst du das Hupkonzert nicht?“ Mit diesem Worten Makotos wurde Rei aus ihren Gedanken gerissen. Sie schaute auf die Uhr – die nervigen Mikos wurden gerade von Chauffeuren abgesetzt, die meistens zu fein waren, aus dem Auto zu steigen. „Leute, ihr müsst jetzt leider gehen. Ich muss babysitten.“ „Kein Problem.“ Zeitgleich mit Makotos Worten standen die Mädchen auf und Usagi stellte bei einem Blick auf die Uhr erschrocken fest, dass sie in die Arbeit musste. Man konnte Sakura und Midori schon vom weiten hören. Rei verabschiedete sich hastig von den Mädchen, nur Minako wagte sie noch aufzuhalten. „Du kommst doch nächste Woche?“ Rei guckte verdutzt. „Zur Party“, half Minako nach, was Rei aber auch nicht weiter auf die Sprünge half. „Wo warst du vorhin mit deinem Kopf? Ich hab dir ne Eintrittskarte zu einer Party von Lieben und Leiden lassen gegeben! Sehen wir uns dort?“ Minako guckte Rei böse an, die entsetzt war, wie sehr sie ihre vorherigen Überlegungen eingenommen hatten. Unabhängig von ihrem Zeitplan sagte Rei zu. Minako umarmte sie daraufhin zum Abschied. Die Schwestern Sakura und Midori Akemi lagen nur ein Jahr auseinander, wobei Sakura, die ältere, optisch ihrem Vater folgte, Midori ihrer Mutter, weswegen Rei für sich nur schwer akzeptieren konnte, dass die beiden Geschwister waren. Obwohl sie sich charakterlich sehr ähnlich waren. Wahrscheinlich stritten sie sich deswegen ständig. Die Eltern der beiden waren Jugendfreunde von Reis Vater und in der lokalen Politik tätig, weswegen die Familie auf ein beachtliches Vermögen blicken konnte. Den Mädchen waren die besten Schulen vergönnt, bekamen nur das Beste zu essen, trugen die schönste Kleidung, erhielten die freundlichsten Kindermädchen und die ordentlichsten Putzfrauen. Vor zwei Jahren waren Herr und Frau Akemi jedoch an Reis Großvater herangetreten, dass man die beiden doch bitte zu Mikos ausbilden würde, damit sie so etwas wie Disziplin lernten. Nicht, dass sie sich respektloser oder unkontrollierter verhielten als jede andere Pubertierende, aber leider haben die beiden ihre Kinder zu sehr verwöhnt, und sie weisen daher schon eine gewisse Tendenz zum Versagertum auf. Trotz intensiver Nachhilfe waren die beiden schlecht in der Schule, was die Mädchen aber nicht kümmerte. Im Haushalt zu helfen kam für sie nicht in Frage. Und mit den Eltern wollten sie keine Zeit verbringen. Herr und Frau Akemi hatten jedoch zu schwache Nerven, um den Mädchen Disziplin beizubringen, da sie sofort nachgaben, sobald sie zu weinen anfingen. Deswegen sollte das nun der Hikawa-Tempel übernehmen. Erst hatte Rei mit dem Mädchen nichts zu tun gehabt, ihr Großvater hatte sich um Sakura und Midori gekümmert, doch nachdem sein gesundheitlicher Zustand schlechter geworden war, blieb diese Aufgabe an Rei hängen. Und es nervte sie. Dabei waren die Mädchen gar nicht so verwöhnt und faul, wie die Eltern sie dargestellt hatten – sie machten, was man ihnen sagte, redeten nicht zurück, und wenn man sich von ihren Krokodilstränen nicht manipulieren ließ, waren sie auch nicht nachtragend, wenn man mit ihnen schimpfte. Das Problem war nur, dass sie vollkommen ahnungslos waren und daher jeden noch so dummen Fehler begingen, den man machen kann. Noch dazu stritten die Schwestern ja ständig. Und mit diesen beiden Zankhähnen saß Rei nun vor dem Feuer und versuchte sich die Vision wieder vor Augen zu führen. Das Gespräch mit Tayo führte vielleicht zu mehr Inspiration und mehr Klarheit bei dem Gesehenen. Doch wie sollte sie sich konzentrieren, wenn hinter ihr die beiden Mikos meditieren üben mussten und ständig abgelenkt waren? Erst fragte Sakura Midori, ob sie sie am Rücken kratzen konnte. Dann nieste Midori und Sakura antwortete: „Gesundheit.“ Als Sakura eine Mücke erschlagen wollte, hielt Rei es nicht mehr aus und wandte sich zu den beiden um: „WENN IHR NICHT SOFORT DIE KLAPPE HÄLT, SETZT’S WAS!“ Darauf folgten einige Minuten Ruhe, in denen Rei tatsächlich Konzentration sammeln konnte, bis Midori flüsterte: „Das ist deine Schuld.“ Und Sakura parierte: „Ist es nicht...“ „HALTET DIE FRESSE!“ Rei sprang auf. Ihr Gesichtsausdruck war so wütend, dass die Mädchen zu zittern begannen. Unisono stotterten sie eine Entschuldigung. Rei fasste sich an die Stirn. „Schon okay.“ Die beiden Mädchen waren unverbesserlich – sie anschreien brachte nichts. „Lassen wir das für heute.“ Draußen drückte Rei den Mädchen einen Eimer voll Wasser, Putzmittel und Lappen in die Hand. „Schafft ihr es, den Vogeldreck wegzumachen?“ Mit einem breiten Grinsen nickten Sakura und Midori. „Wie geht es dir heute?“, fragte Rei und stellte ihrem Großvater ein Glas Wasser auf den Tisch, daneben legte sie die Tabletten, welche er um diese Uhrzeit einnehmen musst. Er hasste die Tabletten – nur Rei konnte ihn dazu bewegen, sie einzunehmen, sofern sie persönlich ihm die richtige Dosis zur richtigen Uhrzeit gab. Er hatte seiner Enkelin schließlich noch nie etwas abschlagen können. „Gut, gut!“, sagte der kleine Mann grinsend. Seine Standardantwort. Er stand auf und schluckte die Tabletten, während Rei beobachtete, dass er sie nicht heimlich in den Ausschnitt seines Nachthemds fallen ließ. Das hatte er schon ein paar Mal versucht, Rei war ihm glücklicherweise immer auf die Schliche gekommen. Der Alte hatte noch immer nicht eingesehen, dass die Krankheit ihn töten würde, wenn er die Medikamente auch nur einmal vergaß. „Und dir?“ „Ich kann nicht klagen.“ Die Miene ihres Großvaters wurde gespielt wütend. „Lüg mich nicht an, junge Dame, ich kann es dir an der Nasenspitze ansehen!“ Er hob den Zeigefinger. „Du bist sauer. Und ich weiß, warum“ Rei schmollte und schwieg. Ihr Großvater klopfte ihr schließlich lachend auf die Schultern. „Wenn du Saku-chan und Mido-chan anbrüllst, hört man es bis hierher, egal wo du bist.“ Rei errötete. Hatte sie wirklich so eine laute Stimme? Egal, wenn sie schon einmal die Chance hatte sich laut auszuheulen, würde sie die Gelegenheit auch nutzen: „Ich halte die beiden nicht mehr aus! Die sind zu dumm zum atmen! Sie hier zu haben ist die reinste Zeitverschwendung! Die lernen’s nie! Wann sehen das ihre Eltern endlich ein!“ Der Alte lachte. „Es kann nun mal nicht jeder eine Musterschülerin wie du sein.“ „Das verstehe ich ja, aber wenn man ihnen sagt, sie sollen still sein, sind sie’s nicht. Und nicht einmal einen Besen können sie bedienen!“ Er kicherte noch immer: „Warum geniest du dann zumindest nicht, dass die beiden dich bewundern?“ „Sie stalken mich ja schon! Ich hab keine zehn Minuten meine Ruhe!“ Und als ob diese Worte ein Signal gewesen wären, ging die Tür auf. Die schwarzhaarige Sakura und die brünette Midori stürmten herein. „Frau Hino! Frau Hino!“, ging es abwechselnd und Rei unterdrückte den Drang sich die Ohren zuzuhalten. „Wir haben eine Schlange entdeckt! Was sollen wir tun.“ Rei unterdrückte einen Wutanfall. Sie biss sich auf die Lippen, ballte die Fäuste, und wippte mit einem Fuß auf und ab. Doch sie kam nicht dazu, die Stimme zu erheben. Ihr Großvater kam ihr zuvor – er lachte. „Ignorieren. Sie sind ungefährlich, sofern man sie in Ruhe lässt.“ Die Mädchen glotzen ihn an – Reis Großvater war immer ein Mysterium für sie gewesen. „Aber wenn ihr Angst habt, soll Rei sie kalt machen.“ Sie starrte ihren Großvater an – ernsthaft!? Er kannte ihre Angst vor Schlangen, „Und ihr zwei bleibt bei mir. Ich hab schlechte Augen – wollt ihr mir nicht die Zeitung vorlesen?“ Sakura und Midori nickten. Der Alte blinzelte Rei zu. Sie verstand den Wink und lächelte breit – er wollte nur, dass sie etwas Ruhe bekam. „Was machst du noch da!“, fauchte er Rei schließlich an. „Geh!“ Gerührt verließ Rei sein Zimmer. Sie meditierte wieder vor dem Feuer. Obwohl der verbleibende Groll zunächst ihrer Konzentration störte, gelang es ihr langsam ihren Kopf zu befreien und zu hören, was das Feuer sprach. Zunächst nur Knistern, doch dann erschienen die abstrakten Bilder vor ihren Augen. Ein Tanz der Farben Weiß, Blau, Rot, Grün und Gelb vor einem schwarzen Hintergrund, ohne beständiger Form – doch halt, diesmal nahmen die Farben eine entfernt humanoide Gestalt an. Rei hatte sich noch nie Gedanken über die Bedeutung der Farben gemacht – ein Fehler. Hätte sie es früher getan, hätte sie schon längst erkannt, dass sie und ihre Freundinnen vertreten waren. Der Tanz war ein Kampf – doch gegen wen traten sie an? Rei fing an zu zittern. Die humanoiden Formen verschwanden, drifteten ineinander und wurden selbst zum Hintergrund, während das schwarz in den Vordergrund trat. Und da war die Gestalt mit der Peitsche. Ein Gesicht. Ich will einen Beweis!, betete Rei mit angestrengt verzerrtem Gesicht. Ihr Wunsch wurde nicht erfüllt – doch das Feuer erlaubte ihr zu sehen, wie die Person mit der Geißel schlug. Die Peitsche kam auf sie zu und der asexuelle Schrei ertönte, der jedoch in Reis eigenem Aufschreien unterging. Sie riss die Augen auf. Wie jedes Mal war ihrer Kleidung von Schweiß durchnässt. Rei keuchte. Wieder keine Anhaltspunkte über die Identität der bedrohlichen Gestalt – es sollte weiter eine Vermutung bleiben, dass es sich um Sailor Sun handelte. Doch was hatte es mit den kämpfenden Farben auf sich, welche die Sailorkriegerinnen repräsentierten? Gegen wen kämpften sie? Gegen die Dunkelheit? Rei erahnte diese Antwort als zu einfach und musste zu der Vermutung kommen, dass die stellvertretenden Farben gegeneinander gekämpft hatten... Wofür stand diese Symbolik? Auf das nicht mehr ganz so gutes Verhältnis zwischen den Freundinnen? Oder deutete das Schauspiel auf ein reales, in der Zukunft liegendes Ereignis hin? Rei beschloss nicht mehr darüber nachzudenken, es was zu frustrierend. Außerdem wollte sie unbedingt die Kleidung wechseln. Als sie aus dem Gebetssaal trat, stand Sakura direkt vor ihr. Rei erschrak. „Was soll das?“ Sakura antwortete nicht. Das schwarzhaarige Mädchen mit den Rossschwänzen blickte sie mit ihren naiven Glubschaugen an. „Warum haben Sie geschrieen?“, fragte sie. „Ich hab nicht geschrieen.“ „So dumm bin ich auch nicht.“ Rei seufzte: „Gut. Ich hab nach der Meditation eine Spinne im Haar gefunden. Ich habe Angst vor Spinnen.“ Eine schwache Ausrede, aber das Mädchen glaubte ihr. „Wie lange stehst du eigentlich schon da?“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Fünf bis zehn Minuten. Hino-sama hat mich zu Ihnen geschickt. Er wollte, dass wir Ihnen einen Tee aufsetzen, weil Sie in letzter Zeit so gestresst sind. Er ist angerichtet.“ Rei seufzte wieder. Da befreite der Großvater sie von den Mädchen und dann hetzte er sie ihr wieder auf den Hals. Typisch. „Warum hassen Sie uns?“ Rei zuckte zusammen. „Was soll ich?“ „Uns hassen. Midori und mich. Warum hassen Sie uns?“ „I... ich...“ Rei wusste nicht, was sie sagen sollte und Sakuras Gesicht wurde sichtlich bekümmert. Auf einmal wurde sie von einem schlechten Gewissen übermannt. Wahrscheinlich war sie vor allem in letzter Zeit zu harsch mit den Mädchen umgegangen – dabei wussten die beiden verwöhnten Damen es doch nicht besser. Sie gaben ihr bestes und Rei hatte ihre Geduld einfach vergessen. Rei legte ihre Hand auf Sakuras Schulter: „Ich hasse euch doch nicht. Es nur so... na ja, ihr könnt ganz schön nerven.“ Sakura verzog das Gesicht: „Das sagen alle.“ Rei lächelte beschämt. „Außerdem... ich habe momentan sehr viel um die Ohren und ich wünschte oft, dass ihr mich manchmal wegen Kleinigkeiten in Ruhe lässt.“ Wieso konnte sie sich nicht netter ausdrücken? Doch Sakura schien ihr die Ehrlichkeit nicht übel zu nehmen. „Wegen solcher Aussagen haben Papa und Mama uns in den Hikawa-Tempel gesteckt. Aber irgendwie scheinen wir uns nicht bessern zu können. Wir sind hoffnungslose Fälle.“ Sakura schien ihre eigene Aussage nicht zu bekümmern, während sie Rei wie ein Schlag traf. Wie konnte man einem Kind nur so eine Einstellung vermitteln? Liebevoll streichelte sie dem Mädchen über den Rücken und sagte: „Ab morgen macht ihr es einfach besser. Und jetzt gönnen wir uns eine gute Tasse Tee.“ Wenn sich Probleme doch nur mit Tee lösen ließen. „SCHLANGE!“, kreischte Midori in der Küche, was schon von weitem zu hören war. Reis Miene verfinsterte sich: „Nicht gut, wenn die Tiere in die Küche kommen.“ Sakura zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat sie sich die Schlange nur eingebildet. Midori hat Angst vor denen.“ Dann kam wieder der Schrei: „SCHLANGE! GEH WEG! GEH WEG! GEH WEG!“ Sakura grinste: „Wohl nicht. Soll ich sie verjagen? Ich hab keine Angst.“ „Ja, ehrlich gesagt, mag ich Schlangen auch nicht“, gestand Rei leicht errötet. Sakura nickte stolz und euphorisch. Und schließlich ertönte ein Schrei Midoris, der über bloßen Schreck und Ekel vor einem ungeliebten Tier hinausging. Rei blieb der Atem stehen – sie hatte diese Art von Schrei schon oft wahrgenommen. Menschen schrieen immer so, wenn sie von etwas unbekannten bedroht wurden. Und eventuell in Lebensgefahr waren. Sakura konnte jedoch den Schrei nicht als solchen entlarven. „Mann, Midori übertreibt... aua!“ Rei hatte das Mädchen fest an der Schulter gepackt. „Verschwinde.“ „Wieso?“ „Frag nicht. Geh rauf zu Großvater.“ Sakura wollte den Mund aufmachen. „Stell keine Fragen!“ Eingeschüchtert nickte das Mädchen und spazierte weg. Und Rei rannte los. Ihren Verwandlungsstab hielt sie schon in der Hand – doch bevor sie den letzten Schritt wagte, wollte sie noch prüfen, ob ihr Verdacht richtig war. Sie trat die Tür auf. „Midori?“ Sie erwartete, das Mädchen von einem Monster gefangen zu sehen. Eines mit Schlangenhaaren. Weswegen sollte Midori sonst „Schlange“ gerufen haben. Ihr grauste bei dem Gedanken, alleine einem Monster mit Schlangenkörperteilen gegenüber zu stehen. Die Kämpfe waren immer eine große Überwindung für sie gewesen. Doch sie irrte sich. Das blonde Mädchen stand in der Mitte der Küche, unbeschadet, aber verwirrt. Wohl die Angst. Rei seufzte erleichtert. „Ich dachte schon, dir wäre etwas passiert.“ Keine Antwort. „Alles okay? Wo ist die fiese Schlange?“ Keine Antwort. Midori starrte mit leeren Augen auf Rei, sodass ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Midori?“ Als Antwort kam ein Schrei. Keine Art, die Rei bekannt war. Laut und so schrill, dass die Gläser zerbarsten. Rei hielt sich die Hände auf die Ohren, doch nahm nicht die Augen von dem Mädchen. Aus ihrem Mund züngelte eine gespaltene Zunge. Sie verstummte. Midori sprang in die Höhe und blieb an der Decke hängen. Rei fühlte sich wie in einen Horrorfilm. Zugleich fiel ihr Tayos Bemerkung ein – die dritte Furie nahm ihre Opfer in Besitz. „Macht der Marsnebel, mach auf!“, rief Rei, als wäre es ein Reflex. Und sie betete, dass Midori sich nicht an das Gesehene erinnern würde. Nun blieb sie unbeeindruckt – sie schoss von oben an Sailor Mars vorbei durch die Tür, landete auf den Füßen und rannte. „Stehenbleiben!“, rief Mars und lief hinterher. Wo wollte sie hin? Kaum konnte sie die besessene Midori einholen. Sie musste sie aufhalten. „Macht des Mars, sieg!“, rief sie und ließ den Feuerpfeil los. Eigentlich hatte sie auf Midoris Kopf gezielt. In letzter Sekunde änderte sie jedoch das Ziel – sie konnte dem Mädchen doch nicht wehtun! Besessenheit hin oder her. Der Pfeil streifte Midoris Schulter. Sie blieb stehen und wandte sich zu Sailor Mars. Ihr Gesicht war noch unheimlicher geworden. Ihre Augen glühten im Blau ihrer Iris und ihre Lippen zierte ein Grinsen, das jedoch gequält wirkte. Die besessene Midori stürmte auf Mars zu. Der Feuerpfeil war zu gefährlich – und gegen eine Besessene würde ein Bannzettel sowieso besser wirken. „Ichi – ni – san – shi...“ Doch weiter kam sie nicht. Eine klebrige, aber feste Masse wickelte sich um ihren Mund, schließlich um ihre Füße, Beine, Arme, Hüften. Mars verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken. Und da lag sie plötzlich, gefesselt auf den Rücken und konnte nur aus den Augenwinkeln sehen, wie Midori auf sie zuschritt. Das besessene Mädchen beugte sich über sie. Das unheimliche Grinsen war verschwunden, stattdessen trat eine absolute Ausdruckslosigkeit in ihr Gesicht. Bloß die Augen waren aufgerissen. Mars hörte sie heiser atmen und wollte schreien, doch die Masse auf ihren Mund verbat es. Sie versuchte sich aus den Fesseln zu befreien, doch war zum Scheitern verurteilt. Das Röcheln Midoris waren Worte, die Mars erst mit der Zeit verstand: „Marsverbrecherin...“ Midori packte Mars am Kragen und zerrte sie hoch. Es musste es Effekt der Besessenheit sein, dass die dünnen Arme dies vermochten. Mars versuchte weiter sich aus den Fesseln zu winden, weiterhin erfolglos. Schließlich konnte sie sich nicht mehr bewegen, als der bekannte Druck des geöffneten Dimensionentors erschien. Ehe Mars jedoch verstand, dass das besessene Mädchen sie durch das Tor schleppen wollte, erfüllte ein gleißendes Licht den Raum und Midori schrie. Sie ließ Mars los. Die Fesseln lösten sich. Sailor Sun packte die besessene Midori an den Haaren und schmiss sie gegen die Wand. Das Mädchen gab seltsame, tierische Laute von sich, stand jedoch sofort wieder auf. „Lichtpeitsche!“, rief Sun und traf Midori am Bauch, woraufhin sie wieder in die Knie ging. Diesmal blieb ihr keine Kraft mehr aufzustehen. Sie keuchte unmenschlich, auf ihrem jungen Gesicht hatten sich Falten gebildet und ihre Haut war ergraut. Sailor Sun grinste und spannte den Lederriemen ihrer Peitsche. „HALT!“, rief Mars. Von ihrem Schock inzwischen genesen, starrte sie mit teils entsetzen, teil wütenden Augen auf Sailor Sun, die sich zu ihr wandte und desinteressiert wirkte. „DAS IST EIN VIERZEHNJÄHRIGES MÄDCHEN!“ Sailor Sun knurrte und würdigte Mars zunächst keiner Antwort, da sie Midori mit einem Bein auf den Rücken stieg und zu Boden drückte. „Eine besessene vierzehnjährige, die dich nicht gerade nett behandelt hat.“ Als der Körper zuckte, schlug sie mit der Geißel leicht gegen ihren Rücken. Mars konnte ihre eigene Wut nicht fassen. „Sie kann nichts dafür. Midori ist unschuldig! Sie darf nicht derartig behandelt werden.“ „Die spürt nix.“ Pause. „Bei dem Job muss man in Kauf nehmen, dass unschuldige verletzt werden. Wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich würde die Sache gerne zu Ende bringen.“ Ehe Sailor Sun jedoch die besessene Midori wieder attackieren konnte, wurde sie von Sailor Mars hart zu Boden gestoßen. Wegen der Plötzlichkeit des Angriffs verlor sie kurzfristig die Orientierung. Mars nutzte die Gelegenheit und hielt einen ihrer Bannzettel vor Augen: „Ichi, ni, san, shi, go, roku, shichi, hachi, kyu, ju, weiche böser Geist!" Der Bannzettel blieb an Midoris Stirn haften... und es half. Ihre Haut nahm wieder eine gesunde Farbe an und die Falten verschwanden. Das Glühen der Augen verschwand. Midori quälte sich auf alle Viere. Sie keuchte noch immer. Ihre Stimme klang zwar inzwischen menschlich, dennoch beunruhigend. Schließlich übergab sie sich. Aus ihrem Mund drückte Midori eine Schlange heraus, die es eilig hatte, aus dem menschlichen Körper zu gelangen. Am Boden wand sie sich sterbend. „Siehst du! Es geht auch anders“, schrie Mars Sailor Sun an, die gelangweilt das Szenario beobachtete. „Du brauchst nicht zu tun, als ob wir vollkommen hilflos wären. In diesen Fällen, sind unsere Methoden besser als deine! Was bildest du dir eigentlich ein, derartig brutal...“ Ihre Worte verliefen in einem Schrei. Sailor Mars wurde hart gegen den Rücken geschlagen und zu Boden geschleudert. Entsetzt erhaschte sie einen Blick auf den Angreifer... die Schlange aus Midoris Körper war auf die zwanzigfache Größe gewachsen. Sie zitterte vor Ekel. „Macht des Feuers!“ Rei ließ den Pfeil los. Die Spitze prallte an der Haut des Monsters ab und zog zurück zu Mars. Nur knapp verfehlte ihre eigene Attacke ihre Brust. „Marsverbrecherin...“ zischte das Monster und packte sie mit den Schwanz an den Füßen. Mars schrie, als es sie durch den Raum warf. Unsanft schlug sie gegen eine Wand. „MARSVERBRECHERIN!“ In seinem Mund sammelte sich ein Ball an Energie. Seine letzte Attacke konnte das Monster jedoch nicht vollenden. Sailor Sun traf es mit der Peitsche am Kopf, spaltete den Schädel. Es verpuffte in Rauch, war verschwunden und Mars gerettet. Sailor Sun wartete bis Mars wieder Herrin ihrer Sinne war und kicherte spöttisch. „Nicht vollkommen hilflos, gell?“ Mars blickte verächtlich auf Sun, doch dann fiel ihr Midori ein. Sie eilte zu dem Mädchen. Midori war zwar bewusstlos, doch sie atmete ruhig. Ihr Kimono war jedoch am Rücken zerrissen und es zeigten sich Spuren der Peitschenhiebe. Mars warf Sun wütende Blicke zu: „Du...!“ „Ja.“ „Du wolltest sie umbringen!“ Sun schüttelte den Kopf. „Nö. Ich wollt auf sie einschlagen, bis das Monster rauskommt.“ Mars bebte vor Wut. Hätte sie Midori nicht in den Arm genommen, hätte sie Sailor Sun eine Ohrfeige verpasst. „Du bist hier um sie zu retten, nicht um die Opfer zu verletzten.“ „Wenn es nötig ist, sie zu gefährden, um sie zu retten, bleibt keine andere Wahl.“ Sailor Sun hatte alle Freundlichkeit und allen Spott aus ihrem Gesicht vertrieben. Es erschreckte Mars, wie schnell diese Frau ihre Miene glaubwürdig ändern konnte. „Besser sie werden durch mich verletzt, als von Hyperions Schergen ermordet.“ „DAS IST FALSCH!“, schrie Mars, woraufhin sich Midori in Armen rührte, aber nicht erwachte. „Menschen können an diesen Verletzungen auch sterben!“ Sun reagierte nicht darauf, sondern redete weiter, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. „Und manchmal geht es eben schlecht aus.“ Das waren Sailor Suns Abschiedsworte. Mars schrie ihr hinterher, sie solle stehen bleiben, wollte ihr gar nachlaufen, doch sie brachte es nicht übers Herz, Midori aus den Armen zu legen. Sailor Sun entkam ihr. „Guten Abend, junge Frau. Ich muss Sie leider enttäuschen, wir haben schon geschlossen“, sagte Usagis Cousine Yuzuki mit freundlichem Gesicht und hielt die Tür auf. „Ich will nichts kaufen“, sagte Mars. „Ich bin eine Freundin von Usagi. Ich muss dringend mit ihr sprechen.“ „Ja, sie macht gerade die Abrechnung.“ Yuzuki zeigte auf die Blondine, die vollkommen überfordert mit Zetteln, Kugelschreibern, einem Taschenrechner und Geld hantierte. Rei konnte sie erst nach dem dritten Ansprechen aus ihrer Beschäftigung reißen. „Oh, hallo Rei! Wir haben schon geschlossen.“ „Ich weiß. Ich muss dir aber dringend was sagen.“ „Du hättest mich auch anrufen können.“ „Wenn du von deinem Handy abheben würdest.“ Usagi knurrte: „Was gibt es denn so Wichtiges?“ „Vertrau Tayo nicht.“ Usagi glotzte verdutzt. „Es geht keine positive Aura von ihr aus und ich bin mir inzwischen sicher, dass sie die Person aus meiner Vision ist. Und vor knapp einer Stunde wäre sie bereit gewesen, meine Miko zu töten, die von einem Dämon besessen war.“ Usagi schaute besorgt: „Geht es ihr gut?“ „Ja, nur verängstigt. Ihre Schwester kümmert sich um sie. Usagi, hast du mir gerade zugehört? Die Frau ist gefährlich.“ Und dann sagte sie etwas, was sie eigentlich zurückhalten wollte: „Sie bezieht ihre Macht aus derselben Quelle, wie die Feinde.“ Daraufhin verfinsterte sich Usagis Miene. Rei freute sich über den Erfolg, in Usagi Zweifel gesät zu haben, doch konnte nicht mehr weiterreden. Hinter ihr war Usagis Tante aufgetaucht. Sie hatte die Frau noch nie gesehen – Usagi log nicht, wenn sie Izumi als beängstigende Autorität beschrieb. „Würden Sie bitte meine Nichte nicht mehr stören. Was auch immer ihr zu besprechen habt, macht das in eurer Freizeit.“ Hinter ihr stand Yuzuki mit stolzem Grinsen, weil sie gepetzt hatte. Rei ging mit demütiger Haltung aus dem Markt. Von Usagi hörte sie den Rest des Tages nichts mehr. Kapitel 8: Artefakte -------------------- Den Starseed abgezogen hatte sich der Leguan sechs Artefakte Sunnas angeeignet, die zu den ältesten Gegenständen des Universums zählten und wegen ihrer Macht ein Gefühl des Unwohlsein erweckten, war man ihre Präsenz nicht gewohnt... das Amulett, mit welchem Akane sich verwandelte. Ihre Waffe, die Geißel und einen Schild, der bis seit kurzem verschollen ist. Einen Armreif, der ihr einen zusätzlichen Energieschub geben würde, jedoch schwer zu beherrschen war, sowie einen Ring mit selber Funktion. Und einen Degen, der jedoch zu heilig war, als dass Akane ihn jemals führen durfte. In Anbetracht der Unkontrollierbarkeit der Macht des Armreifs, dessen Gefährlichkeit der Leguan ihr lang und breit erklärt hatte, hielt Akane den Vorschlag für einen Wahnsinn, den der Leguan ihr unterbreitete. „Kommt nicht in Frage!“, knurrte sie, als sie die Nachricht auf ihrem Computer las. Sie lautete: Deine Sturheit führt zur Verblendung. Du schleuderst sogar mit denselben Phrasen um dich, welche auch dir gesagt wurden. Es sei unverantwortlich, jemanden in etwas, das größer ist als man selbst, hineinzuziehen, auch wenn das Gegenüber noch so sehr will. Erinnerst du dich nicht... Akane übersprang die nächsten Zeilen und musste sich zuammenreißen, den Computerbildschirm zu zertrümmern. Sieh es ein, deine Warnungen werden die Sailorkriegerinnen nicht abhalten. Sie werden die Macht der Sonne brauchen um langfristig zu überleben, irgendwann wirst du scheitern, sie zu retten. Im Übrigen kommst du mir in letzter Zeit ein wenig ungenau vor... Ich halte es daher für die beste Idee, die Kraft des Armreifs auf die zehn Kämpfer aufzuteilen. Einer Person mag sie zu viel sein, doch geteilt sehe ich keine Gefahr der Überforderung. Die Sailorkriegerinnen einzubeziehen würde außerdem eine Entlastung für dich bringen. Vielleicht wird sich auch der Kontakt zu ihnen reduzieren, sobald sie nicht mehr auf dich angewiesen sind. Die Argumente waren nicht schlecht, doch eine Sache übersah der Leguan: „Ich brauch den Armreif selbst.“ Pause. „Scheiß auf deine Meinung, ich könnte ihn nicht ertragen. Erklär mir, wie ich sonst gegen Hyperions Bastard antreten soll?“ Mithras Namen sagte man nicht. So beschwort man ihn. Sie hätte als Code allerdings lieber eine vulgärere Beleidigung gewählt als Bastard, doch das würde der Fetti nicht gerne hören. „Schön außerdem, dass du so viel Vertrauen in mich hast, dass ich die Weiber nicht beschützen könnte.“ Akane setzte den Leguan in sein Terrarium zu dem weiblichen Drusenkopf, der Angst vor Fetti hatte. Sie sah auf die Uhr. „Ich muss ins die Galerie. Ende der Diskussion. Ich spiel da nicht mit.“ Wütend über die verräterische Haltung des Leguans stampfte Akane aus dem Haus, wohlwissend, dass im Zweifelsfall ihre Meinung egal war, da der Leguan die Kontrolle über die Artefakte hatte und damit machen konnte, was er wollte. „Interessante Technik, diese Besessenheit“, lobte Mithras, doch sein Gesichtsausdruck verriet, dass er nicht nur solche Worte für Allekto übrig hatte. „Nur nicht wirklich effektiver als die Ideen deiner Schwestern. Außerdem lassen wir durch die Entführung Menschen in unsere Sphäre.“ Das Wort „Mensch“ sprach er mit einem solchen Ekel aus, dass er schauderte. „Sie können die Menschen ja zum Sport töten“, wollte Allekto als Anreiz geben. „Nur, wenn sie es auch tatsächlich bis hierher schaffen. Kam nicht Sailor Sun zuvor?“ Mithras Stimme hatte einen drohenden Klang. „Hast du so überhaupt einen Anhaltspunkt, ob dieses Opfergör nun die Mondprinzessin ist?“ Ob sie Sunnas Starseed in sich trug, brauchte er gar nicht zu fragen, schließlich war die Trägerin aufgetaucht. „Das nicht“, gestand Allekto. „Besseres.“ Sie grinste. „Ich sehe, was meine Wirte sehen. Und vor den Augen des brünetten Mädchens hat sich eine junge Frau in Sailor Mars verwandelt. Ich weiß zwar nicht, wie sie heißt, aber ich habe ihre Adresse.“ Stolz warf sie sich die Schlangenhaare hinter die Schultern. „Ich werde sie problemlos wieder aufspüren. Meine nächste Schlange ist schon auf sie angesetzt.“ „Nein.“ Allekto riss überrascht die Augen auf. „Du hast richtig gehört. Ruf das Viech zurück, bevor es was anrichten kann. Gib mir die Adresse und überlass das Weib mir.“ Er lehnte sich zurück. „Die Marsschlampe allein führt uns nicht zu Sunnas Starseed.“ „Aber zur Mondprinzessin.“ Mithras wurde lauter: „WIE OFT NOCH? Die Mondprinzessin ist zweitrangig und kann warten! Was mit der Fährte zu ihr also passiert, lass meine Sorge sein und such lieber ein neues Opfer.“ Allekto nickte, schließlich blieben ihr keine Alternativen. Glücklicherweise spürte sie im Gegensatz zu ihrer Schwester Tisiphone keinen Groll über Mithras cholerisches und wankelmütiges Wesen. Als Ami die große Galerie betrat, läutete ein Glöckchen. Begeistert schaute sie auf die Kunstwerke, die eine beachtliche Zahl an Richtungen abdeckte – photorealistisch, surrealistisch, expressionistisch, abstrakt, Fotographie, auch Skulpturen waren zu finden. Als Tayo die Galerie „RikArt“ als „kleinen Mistladen“ bezeichnet hatte, hatte Ami sich etwas ganz anderes vorgestellt als einen so großen und schönen Raum. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte eine Frau Anfang dreißig mit langen schwarzen Haaren und runder Hornbrille im schwachen Osakadialekt. Sie trug ein rotes kurzes Kleid einer italienischen Modemarke und war dezent geschminkt. Eine sehr elegante Frau – vom Auftreten her das komplette Gegenteil zu Tayo. Ami fiel es trotzdem nicht schwer, sie als ihre Schwester Rika zu identifizieren, da sie fast das gleiche Gesicht hatten. „Ich bin Ami Mizuno, eine Freundin von Akane. Wir sind hier verabredet.“ Die Brillenträgerin guckte zuerst verwirrt, dann rief sie: „Aki-chan! Da ist eine Person, die behauptet deine Freundin zu sein. Soll ich sie rauswerfen?“ Mit einem Kaffee in der Hand tauchte Tayo auf, einmal nicht in T-Shirt und Jeans, sondern in einem ähnlichen Kleid wie ihre Schwester gekleidet. Rika Tayo stand es eindeutig besser. „Ich hab dir gesagt, außerhalb der Küche dürfen keine Getränke konsumiert werden!“, fauchte Rika, als wäre Ami vergessen. Akane blieb beim Türrahmen stehen und fauchte: „I vergiss so wos scho ned. Im Gegnsotz zu dia. I hob da g’sogt, dass fia a Stund ne Oide von da Uni kummt.“ Ami blinzelte verdutzt – offensichtlich riss sich Tayo zusammen, wenn sie mit Einheimischen von Tokio sprach. Wie sie mit Rika redete, war der Dialekt so tief, dass Ami kaum ein Wort mitbekam. Es folgte ein längerer Wortwechsel zwischen den Schwestern in einem nahezu unverständlichen Kauderwelsch, bis Tayo Ami schließlich zuwinkte. Sie folgte ihr und nahmen in der Küche Platz, wo schon ein Stapel Bücher lag. „Sorry, meine Schwester hat ’nen Schuss. Zu viel Terpentin eingeatmet“, meinte Tayo mit verständlicher Aussprache. „Kein Problem. Mein Vater ist auch Maler. Künstler sind grundsätzlich exzentrisch.“ „Wenn du Wahnsinn so nennen willst, von mir aus.“ Tayo schlug ein Buch auf und damit war das Thema gewechselt. Sie hatte nur eine Stunde Zeit zu arbeiten, da Tayo noch für einen Kunden Rikas Wein und Kuchen servieren musste. Zuvor hatte sie Rika geholfen neue Werke zu rahmen. Doch trotz der beschränkten Zeit waren Ami und Tayo gut vorangekommen. Bei der Verabschiedung fiel Ami in letzter Sekunde etwas ein: „Ach, Usagi schickt dir das.“ Sie hielt Tayo eine Eintrittskarte zur Feier von Minakos Seifenoper unter die Nase. „Sie möchte, dass du auch erscheinst.“ Tayo kaute auf den Lippen. „Hat Hino euch nicht erzählt, dass ich eine Bestie bin?“ Ami lächelte: „Usagi lässt sich davon nicht abschrecken. Sie meint, wir sollen dich erst besser kennenlernen, bis wir ein Urteil fällen. Und was eignet sich besser als eine Party? Ich bin im Übrigen ihrer Meinung.“ „Ich will euch nicht näher kennenlernen.“ Ami blickte traurig auf Tayo, sodass sie ihre Wortwahl mäßigte: „Sorry, so war das ned g’meint. Ich bin nur kein Fan oberflächlicher Veranstaltungen.“ „Ich auch nicht. Aber ich bin mir sicher, es gibt eine Möglichkeit sich zu amüsieren.“ „Nein, gibt es nicht. Richte Tsukino kein Dankeschön aus.“ Ami verstand, dass damit die Diskussion beendet war, und wollte aufbrechen, als plötzlich eine schrille Stimme rief: „Du bis zu ’ner Party eingeladen?“ Rika schaute plötzlich über die Schulter ihrer Schwester auf die Eintrittskarte in Amis Hand. „Lieben und Leiden Lassen?! Ich liebe diese Serie!“ Rika zog das Prädikat künstlich in die Länge. „Ach und sieh mal, die Karte gilt auch für eine Begleitperson! Aki-chan, da müssen wir hin!“ „Nein“, knurrte Tayo. „Doch. So kommst du endlich mal unter andständige Leute. Und ich kann einem Prominentenkreis meine Galerie vorstellen!“ „Des san Leit, mit dänan i nix z’tu hobn wü!“ Und damit begann eine unverständliche Diskussion im tiefen Osakaslang, der Ami baff zuhörte. Sie wusste nicht, ob sie bleiben oder einfach gehen sollte. Die Debatte zwischen den Schwestern endete damit, dass Tayo sich auf die Stirn schlug und Rika Ami die Eintrittkarte aus der Hand riss. „Richte aus, dass wir kommen werden!“, triumphierte Rika. Ohne Verabschiedung tänzelte sie in die Küche. Tayo seufzte: „Tja, dann bis heut Abend.“ „Bis heute...“ Tayo schlug die Tür vor Amis Nase zu. Shota Kikuchi brachte zwei mit Sekt gefüllte Gläser, die er seinen Schauspielkolleginnen Minako Aino und Kyoko Asakawa reichte. Dabei schaute er vor allem auf Minako. Zu einem Gespräch kam es jedoch nicht, da er von einem der Produzenten zu einer Unterhaltung gerufen wurde. „Er steht so was von auf dich!“, lachte Kyoko. Minako errötete, doch grinste breit. „Ach, er guckt doch jedes Mädchen so an.“ „Ne, ne! Glaub mir, ich kenn ihn schon lange und so beäugt er nur Frauen, die sein Herz erobert haben.“ Sie nahm einen Schluck. „Wag doch mal den nächsten Schritt.“ Minakos Grinsen wurde immer breiter: „Ich bin doch noch ein kleiner Fisch im Geschäft. Ich bin zu schüchtern, so eine Größe anzugraben.“ „Aber für eine Bettszene warst du nicht zu schüchtern.“ Kyoko stupste mit dem Ellbogen in Minakos Rippen. Tatsächlich hatte Shota Minako nur mit knapper Unterwäsche bekleidet gesehen und umgekehrt. Er spielte ihren aktuellen Geliebten und ein verschwörerisches Gespräch, seine Ex-Frau aus dem Weg zu räumen, die ihn erpresste, hatte halbnackt in einem Himmelbett stattgefunden. Minako war sehr nervös gewesen, doch angemerkt hatte man es ihr offensichtlich nicht. Kyoko und Minako begannen zu lachen. Die Party hatte erst vor einer halben Stunde begonnen, doch der große, prunkvolle Saal war schon gut gefüllt. Minako und Kyoko streiften ein wenig herum um bekannte Gesichter zu begrüßen – nebenbei hielt Minako Ausschau nach ihren Freundinnen. So konnte es gar nicht erwarten, Usagi, Ami, Rei und Makoto die wunderbare Welt zu zeigen, in die sie vor einem Jahr vollkommen unerwartet hineingeraten war. Wie gerne erinnerte sie sich an Tag zurück, als der Produzent Shinichi Tenma ihr in einer Karaokebar ein nicht auszuschlagendes Angebot gemacht hatte. Und irgendwie freute sie sich auf Tayo – sie fand es aufregend, eine Neue in ihrer Mitte begrüßen zu können, und schade, dass sie sich so sträubte. Hoffentlich tauchte sie tatsächlich auf, um Tayo näher kennenzulernen und ihr ihre tolle Umgebung vorstellen. Keine der vier war jedoch schon eingetroffen – dafür entdeckte Minako ein anderes bekanntes Gesicht. „MICHIRU!“, rief sie. Sie hatte sich in der langen Zeit kaum verändert, bloß ihr Haar war etwas länger geworden. Minako fand, dass sie noch viel schöner geworden war. Sie trug ein elegantes blaues Abendkleid und ihre Haltung erinnerte an die einer Prinzessin aus einem Märchen. Ehe Michiru gemäß reagieren konnte, fiel Minako ihr um den Hals. „Wir haben uns schon ewig nicht mehr gesehen! Wie kommst du hier her?“, frohlockte Minako. Michiru setzte ein aristokratisches Lächeln auf. „Es freut mich auch, dich wiederzusehen. Ich habe deine Anwesenheit erwartet. Erstmals möchte ich dir zu deinem Erfolg gratulieren. Deine Rolle scheint bei den Fans wirklich gut anzukommen.“ Sie warf ihr Haar hinter die Schulter, während Minako sich laut bedankte. Schließlich erklärte Michiru: „Ich bin mit Shinichi Tenma befreundet. Ich habe kürzlich die Violine für die Hintergrundmusik eingespielt.“ „Das heißt, du hast dich auf die Musik spezialisiert?“, löcherte Mianko. „Ich versuche die Violine und die Malerei ausgeglichen zu verfolgen, aber die Musik geht vor. Doch genug von mir – ist der Rest der Gruppe auch noch hier?“ „Usagi, Ami, Rei und Makoto kommen noch. Darf ich dir Kyoko Asakawa vorstellen?“ Kyoko hatte still der Unterhaltung gelauscht. Nach einem kurzen Smalltalk zwischen den beiden, fiel Minako die nächste Frage ein: „Bist du alleine hier oder ist Haruka mitgekommen?“ Michirus Miene verfinsterte sich kurzfristig, dann lachte sie: „Ach, Haruka habe ich seit ihren Umzug in die USA nicht mehr gesehen. Ich bin mit meinem Verlobten hier.“ Minako riss verdutzt die Augen auf, es hatte ihr die Sprache verschlagen – Verlobter? Tatsächlich. Michiru winkte einem stattlichen Herrn zu, der etwas älter als sie war. Er stellte sich als Masaru Fujima vor und war Cellist. Außerdem redete er viel, erzählte, wie sich er und Michiru kennengelernt hatten, in welchen Konzerthäusern er schon gespielt hatte und was er am liebsten aß. Minako kam kaum zu Wort. Sie hätte Michiru gerne noch einige Fragen gestellt, doch Kyoko zerrte sie plötzlich weg – entweder, weil ihr die Situation zu langweilig wurde, oder weil sie wollte, dass Minako mit dem einsam herumstehenden Shota flirtete. „Du siehst furchtbar aus“, raunte Rika. „Hättest du dir nicht zumindest die Haare bürsten können?“ Akane schnaufte, würdigte der Beschwerde ihrer Schwester keine Antwort und fragte sich, wie sie den Abend durchstehen sollte, ohne Amok zu laufen. Einerseits würde sie die ganze Zeit die quengelnde Rika an ihrer Seite haben, andererseits würde sie noch ausgiebigen Kontakt mit Sailor Moon und Co. haben müssen. Warum hatte sie sich heute Nachmittag dazu überreden lassen hierher zu kommen? „DU HAST DEN LEGUAN MIT!“, schrie Rika plötzlich. Akane starrte auf das dicke Reptil, das aus ihrer Tasche guckte. Hatte sie dem Vieh nicht gesagt, er solle da drin bleiben? Wie hatte er von innen überhaupt den Reißverschluss öffnen können? Sie stupste sein Köpfchen in das Tascheninnere zurück. „Ich hab mich schon gewundert, dass du so eine große Tasche mitgenommen hast. Bring ihn ins Auto.“ „Ich hab keine Schlüssel.“ Rika drückte Akane den Autoschlüssel in die Hand, woraufhin Akane grinste. „Danke. Jetzt hab ich eine Garantie, dass du nicht besoffen heimfahren wirst und mich zurücklässt.“ „Das ist einmal passiert! Trägst du mir das noch immer nach? Bring lieber den Scheißleguan ins Auto, das ist peinlich.“ Akane schüttelte den Kopf – deswegen hatte sie ihn ja mitgenommen: „Ja, ich trage dir das noch immer nach, deswegen nehme ich mir auch das Recht heraus, Fetti in der Tasche zu behalten.“ Rika rieb sich die Schläfen: „Wehe, du blamierst mich mit dem Ding.“ Sie legte die Hand auf den Nacken ihrer Schwester. „Als Kompromiss nimmst du dafür heute diese grausige Kette ab.“ Und mit einer unmerklichen Handbewegung hatte Rika Akane das Amulett vom Hals genommen. Akane blieb kurzfristig der Atem stehen. Es war als hätte man ihr ein inneres Organ genommen. „Dieses oxidierte Ding solltest du wirklich in den Müll schmeißen.“ „Gib das wieder her!“, Akane versuchte Rika das Amulett aus der Hand zu reißen, doch Rika blockte sie gekonnt ab. „Das war ein Geschenk von Akira“, fauchte Akane. Rika ließ das Amulett in ihrer Tasche verschwinden. „Ich werf es ja nicht weg. Und wie lange ist der Freak tot? Sechs Jahre? Du solltest langsam darüber wegkommen.“ Bei diesem Satz hätte Akane ihre Schwester gerne geschlagen. Sie holte tief Luft: „Gib es mir wieder.“ „Nö. Sieh mal, da ist das Mädchen von heute!“ Akane ließ sich davon wirklich ablenken. Ami war zwar da, doch Rika nutzte die Ablenkung, um in der Masse zu verschwinden. Akane schnaufte wie ein angreifender Stier. Das wird sie mir büßen!, grollte sie und stampfte los, um ihre Schwester zu suchen. Usagi kam aus dem Staunen nicht heraus. Sie hatte Lieben und Leiden lassen schon vor Minakos Einstieg in die Seifenoper verfolgt, und bestaunte die Stars. Sie hatte sich besonders hübsch gemacht: das lange rosa und weiße Kleid, das sie zu ihrer Abschlussfeier getragen hatte, Markenstöckelschuhe, hübsch geschminkt und die Zöpfe hatte sie gelockt. Usagi fühlte sich richtig schön. Deshalb wollte sie sich auch benehmen, wie es einer zukünftigen Königin würdig war. Und vielleicht würde ihr Auftreten jemanden so beeindrucken, dass ihr auch eine Rolle für einen Film oder fürs Fernsehen angeboten wurde. Sie hatte sich bei Mamoru eingehakt – es war ein hartes Stück Arbeit gewesen ihn zu überreden mitzukommen, schließlich mochte er so große Feiern nicht. Doch auch er schien seinen Missmut langsam fallen zu lassen und zeigte sich begeistert von der prunkvollen Kulisse. Usagi nahm einen mit Orangensaft gestreckten Sekt und zwei kleine Tomatenbrötchen vom Cateringtisch, als Minako in Begleitung von Kyoko Asakawa auftauchte. Sie begrüßten sich mit einem Kuss links und rechts. Die drei Mädchen bewunderten abwechselnd ihre Kleider, tranken Sekt, unterhielten sich über den Glanz der Feier und die tollen Leute hier, wobei Minako ihre Kollegen glorifizierte. Schließlich kam sie darauf zu sprechen, dass Michiru Kaino anwesend war und sie sich offensichtlich von Haruka getrennt hatte. Usagi machte sich sofort auf die Suche nach ihr. Mamoru verhielt sich still. Ami und Makoto waren zusammen gekommen und fühlten sich irritiert von den vielen Leuten, unter denen zunächst kein bekanntes Gesicht zu finden war. Ami empfand sich als unpassend gekleidet – sie hatte einen schlichten Rock und eine weiße Bluse an, während alle anderen Gäste, einschließlich Makoto, elegante Kleider trugen. Alle Männer trugen Anzüge. Minako hätte ruhig etwas über den Dresscode sagen können, solche Dinge waren nicht für jedermann selbstverständlich Makoto probierte von jedem Brötchen eines. „Ich kenne schlechtere Cateringfirmen. Aber um meine professionelle Meinung zu hören, die Organisatoren hätten hier ruhig wert auf Qualität legen können. Der Schinken schmeckt, als läge er schon Wochen im Kühlschrank.“ „Die meisten scheinen sowieso nur zu trinken“, beobachtete Ami. Tatsächlich hielten alle Gäste Sektgläser in der Hand – auch Minako, die gerade auf die beiden zustürmte und gleichzeitig umarmte. Im Schlepptau hatte sie eine nicht weniger euphorische Blondine namens Kyoko. „Wollt ihr denn gar nichts trinken?“, fragte Minako beunruhigt auf die leeren Hände der beiden schauend. Makoto zuckte mit den Schultern: „Wo du es sagst, meine Zunge fühlt sich wirklich trocken an.“ Minako brachte zwei Sektgläser. Ami winkte ab. „Ach komm schon, das ist doch ein Anlass für ein hart arbeitendes Mädchen mal ein wenig beschwipst zu sein.“ „Nein, tut mir Leid, ich trinke keinen Alkohol.“ Ami wurde bei dieser Aussage verlegen. Minako akzeptierte das und behielt das Glas für sich. Sie wies darauf hin, dass Usagi und Mamoru auf der Suche nach Michiru waren und Makoto und Ami beschlossen sich der Suche anzuschließen. Ami kam jedoch nicht dazu – sie wurde brutal an der Schulter gepackt und von der Gruppe weggerissen. „Mizuno, du musst mir helfen!“, sagte Tayo mit aggressivem Tonfall. Ami lächelte: „Es freut mich, dich hier zu sehen, ich fürchtete, du würdest dich im letzten Moment noch anders entscheiden.“ Sie begutachtete Tayos Kleidung – das Kleid, das sie in der Galerie getragen hatte, hatte sie nicht gewechselt, nur ein Unisex-Sakko war dazugekommen. Und eine sportliche große Tasche. Ami war also nicht die einzige, die unpassend gekleidet war. „Ja, ja. Hör zu, du musst mir helfen, meine Schwester zu finden. Sie hat mein Amulett geklaut.“ Ami blinzelte: „Wieso das denn?“ „Weil sie verrückt ist. Ich muss es wieder haben. Ich fühl mich nackt. Außerdem verliert Rika alles.“ Da Tayo wirklich panisch aussah, stimmte Ami zu zu helfen. Rei grollte aufgrund des gestrigen Gesprächs mit Usagi noch immer. Zwei Stunden lang hatte sie auf ihre beste Freundin eingeredet, damit sie keinen Fehler beging. Immer wieder hatte sie ihr erzählt, wie Akane Tayo ohne Skrupel ihre Miko verletzt und schlechte Ausreden verwendet hatte. Pausenlaus verwies sie auf ihre Vision, dass etwas Schreckliches passieren würde und dies eng im Zusammenhang mit Sailor Sun stand. Ständig erinnerte sie daran, dass Sailor Sun aus derselben Quelle ihre Kraft bezog, wie die Gegner. Doch Usagi zeigte sich unbeeindruckt. „Ich denke, das wird sich klären, sobald wir sie näher kennen.“ Ihre Antwort auf alles, der Standpunkt auf dem sie verharrte. Midori war seit dem Vorfall nicht mehr erschienen und hatte es auch nicht mehr vor. Als Grund nannten die Eltern ihre lähmende Furcht vor Schlangen, und dass sie an einem Ort nicht arbeiten konnte, wo es diese Tiere gab. Sie haben derentwegen einen dreiviertelstündigen Black Out erlitten. Die Kratzer am Rücken erklärte sie sich durch einen Sturz. An die wahren Ereignisse konnte sie sich nicht erinnern. Sakura hatte allerdings beschlossen weiterhin Miko im Hikawa-Tempel zu bleiben. Nachdem sie den Festsaal betreten hatte, entschied sich Rei Sorge und Wut bei Seite zu lassen. Die Party würde schon genug Ablenkung bieten, allein die vielen Stars und Sternchen, die sie nur beim Eintreten erblickte, waren Grund genug. Hoffentlich würde es zu einem Gespräch mit Shota Kikuchi kommen. Rei irrte eine Zeit lang herum, bis ihr Minako, Makoto, Usagi und eine Blondine, die sie als Minakos Filmschwester identifizierte, zuwinkten. Sie begab sich zu der Gruppe. Minako nahm für sich und Rei ein Glas Sekt. Alle waren gelassen – sie lachten und redeten über banale Dinge. Rei schaffte es tatsächlich ihre Befürchtungen zu ignorieren. Bis Minakos Kollegin sich plötzlich von der Gruppe entfernte, weil sie unbedingt jemanden begrüßen musste. Sofort kamen in Rei die vergessen geglaubten Gefühle wieder hoch. Was Rei nämlich nicht wusste war, dass Usagi für Akane Tayo eine Eintrittkarte besorgt hatte. „Du bist es!“, kreischte die Blondine, klatschte wie ein Delphin in die Hände und grinste breit. „Wer soll ich sein?“ Krampfhaft versuchte sich Akane zu erinnern, ob sie dieser Person schon einmal das Leben gerettet hatte, doch über die Jahre hinweg waren es so viele Opfer gewesen, dass sie sich kaum ein Gesicht merkte. Schlecht. Sie hatte Angst, dass gerade jemand sie als Sailor Sun identifizierte. „Tu nicht so blöd. Spange und lange Haare sind zwar weg, aber dein Gesicht könnte ich nie vergessen.“ Spange und lange Haare? Akane hatte beides in Osaka abgelegt. Noch bevor sie Sailor Sun geworden war. Die Person kannte sie noch aus ihrer alten Heimat. Das machte ihr fast noch mehr Sorgen. „Dein Name ist Akane Tayo und du gingst mit mir auf die Kitsunekami-Privatschule. Dein Geburtstag ist der 12. August und isst gerne alle Arten und Zubereitungen von Fisch.“ Akane stellte sich weiterhin dumm: „Jaaa... Und du heißt Doofi Trotteli?“ Die Blondine lachte: „Immer ein freches Wort auf der Zunge. Jetzt sag nicht, dass du keine Ahnung hast, wer ich bin. Nicht mal aus dem Fernsehen?“ Akane schüttelte den Kopf. „Ne, ernsthaft. “ Sie wollte eigentlich umdrehen und gehen, schließlich hatte sie noch ihre Schwester zu suchen, doch die Blondine packte sie am Arm. „Ich bin Kyoko Asakawa! Mensch, wir kennen uns seit dem Kindergarten.“ Akane fiel es wie Schuppen von den Augen – nachdem der Name gefallen war, erkannte sie ihre ehemalige Freundin aus Osaka wieder. Mit Betonung auf ehemalig. Bis zum Übergang in die Sekundarstufe waren sie wie Pech und Schwefel gewesen, doch schließlich entwickelten sich die Interessen in gänzlich unterschiedliche Richtungen. Nach dem Umzug nach Tokio hatte Akane diese Person verdrängt. Deswegen hatte sie sie auch nicht identifizierte können – oder es lag am Verlust des Osakadialekts und an der Nasenoperation. Erinnerungen an Streitereien, Lästereien, Rivalitäten und Streiche rasten durch Akanes Kopf, was es ihr schwierig machte, freundlich zu bleiben. Und wie konnte eigentlich Kyoko freundlich bleiben, wo sie doch dieselben Erfahrungen mit Akane gemacht hatte, wie Akane mit Kyoko. „Hey, woher kennst du denn Tayo?“ Aino war hinter Kyoko aufgetaucht. Und das allerschlimmste war, dass Kyoko offensichtlich Sailor Venus kannte, und damit viele Dinge aus ihrer Vergangenheit Personen offenbart werden würden, die nichts davon wissen sollten. Was in Osaka geschehen war, sollte auch in Osaka bleiben! „Hoffä dir gefällt de Party.“ Minako war offensichtlich schon leicht angeheitert. Egal was Kyko ihr heute erzählen würde, sie würde es vergessen. Heute. „Wir sind...“ „Wir waren in einer Schule. Bekannte am Rande,“ unterbrach Akane sofort. „Tja, war schön dich zu sehen, Kyoko, mach mich ja nicht ausfindig.“ „Warte, Usagi möchte mit dir reden!“, lallte Minako. Weit entfernt entdeckte Akane die euphorische Tsukino, die skeptische Hino und die abgelenkte Kino. Ein weiterer Grund zu fliehen. „Ne, danke...“ Und sie verschwand in der Masse, auf der Suche nach ihrer Schwester und einem Versteck vor ungeliebten Personen. Mamoru versuchte sich amüsieren. Wirklich. Er dachte, er fände hier, wie Usagi versprochen hatte, Entspannung, doch die ganze Veranstaltung ermüdete ihn, sobald er feststellte, dass er der Hahn im Korb war. Usagi nervte mit einem aufgesetzten Prinzessinnenverhalten und Rei, Minako, Makoto und diese Kyoko schienen nur kreischen zu können. Und Ami war nicht ausfindig zu machen, mit ihr hätte er zumindest ein medizinisches Fachgespräch führen können. Michiru ebenso nicht. Unauffällig entfernte er sich der Gruppe und wurde auch nicht vermisst. Erst stand er alleine herum, aß und trank, schließlich gesellte sich ein Mann gleichen Alters zu ihm, der auf der Flucht vor einem „Fangirl“ war. Er stellte sich als der Schauspieler Shota Kikuchi vor. Die beiden kamen ins Gespräch. Mamoru erzählte vom Medizinstudium und seiner Abschlussarbeit. Auch der Schauspieler hatte eigentlich Medizin studieren wollen, doch ein Modeljob führte ihn in diese Welt, die ihn nun gefangen hielt. „Ich finanziere mich durch Kellnern“, erzählte Mamoru. „Nicht sehr lukrativ, aber ich kann mich über Wasser halten.“ „Schade. Um ehrlich zu sein hast du die perfekten Wangenknochen, um einmal für die besten Marken vor der Kamera zu stehen.“ Shota Kikuchi grübelte. „So weit ich weiß, haben wir noch keine Besetzung für die Rolle eines attraktiven Anwalts.“ Mamoru schlug sich als Antwort auf die Stirn. Doch kein tiefgründiger, intelligenter Gesprächpartner, wie er zuerst gehofft hatte. Sie hatte sich Rei Zweifel zu Herzen genommen und es hatte ihr vom Herzen wehgetan, ihrer Freundin vorzugaukeln, dass sie sich nicht dafür interessiere. Ja, Sailor Sun war auch ihr suspekt, doch sie hatte keine andere Wahl, als ihr zu vertrauen, wenn sie weiter die Gegner bekämpfen wollte. Ohne diese rettende Hand gibt es keine Chance gegen diese Gestalten. Und chancenlos war eine Verwandlung in Sailor Moon unnötig. Und sie wollte Sailor Moon nicht aufgeben! Obwohl der Sekt gestreckt war, spürte Usagi die drei Gläser. Wie konnte Minako noch nach sechs Gläsern auf den Beinen stehen? Usagi wackelte auf die Toilette, um sich das Gesicht zu waschen. Ohne der erhofften Stütze von Mamoru, der irgendwohin verschwunden war. Genau so wie Ami... Dafür fand sie Akane, die ihr vor wenigen Minuten entwischt war. Ihr Leguan saß im Waschbecken. Das Wasser lief. „Ich muss ja Rika irgendwie Recht geben, du bist peinlich,“ murmelte sie dem Tier zu. „Immerhin hast du nicht...“ Sie brach ab, da sie Usagi im Spiegelbild entdeckt hatte. „Hi!“, sagte Usagi. Akane verdrehte Augen. „Lass mich in Ruhe und mach dein Geschäft.“ „Ich muss nicht. Ich wollt nur ein paar Minuten Ruhe. Und ich bin froh, dich hier zu treffen. Ich will mit dir reden.“ Akane hob den Leguan aus dem Waschbecken. „Ich hab aber leider zu tun.“ Usagi grinste: „Hast du gerade einen Flirt mit einem hübschen Jungen am Laufen?“ „Ähnlich. Ich verhandle grad mit ’nem Amerikaner über ’ne Rolle in ’nem Porno.“ Usagi stieß einen angeekelten Schrei aus und Akane knurrte: „Sag nicht, du hast das ernst genommen.“ Usagi wurde rot und schwieg – sie hatte sie beim Wort genommen. Akane versuchte den Leguan in ihre Tasche zu quetschen, was sich als etwas schwierig herausstellte, da der Leguan sich wehrte. Sie verfluchte ihn vulgär. Usagi nutzte diese Minuten, in denen Akane noch nicht verschwinden konnte, und redete: „Stimmt das, was Rei erzählt hat?“ „Was hat sie denn berichtet? Dass ich ’n Biest bin, gell?“ Usagi nickte bekümmert. „Da sie’s nicht verstanden hat, noch mal: Ich hab keine Alternative als die Dämonen durch Schläge auszutreiben. Irgendwie musste ich ja ihren Hintern retten. Und ja, die Betroffen können durch die Geißel sterben, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.“ „Es ist nicht nur das. Rei hat hellseherische Kräfte und meint, du würdest uns einmal in Schwierigkeiten bringen.“ Akane zuckte mit den Schultern: „Das erahne ich auch ohne hellseherische Kräfte.“ „Außerdem beziehst du aus derselben Quelle wie die Feinde deine Kräfte.“ Wieder zuckte sie mit den Schultern: „Kraftquellen an sich sind nicht böse, nur was man damit macht.“ Usagi musste daraufhin lächeln – das war genau die Antwort, die sie hören wollte. Ein Argument, das Reis Zweifel zumindest diesbezüglich ändern musste. So unverschämt Akane auch war, sie war nicht böse. Nur Sailor Suns Aura. Usagi wollte Akane darauf ansprechen, doch plötzlich ging die Tür auf. „Aus dem Weg!“, rief Rei und öffnete eine Toilettenkabine. Hinter ihr stürzte Makoto mit Minako huckepack herein. Kurz darauf hörte man jemanden erbrechen. „Sie hat zu viel getrunken“, erklärte Rei. Daraufhin fiel ihr Blick auf Akane Tayo und ihre Miene verfinsterte sich. Akane gab als Antwort ein breites Grinsen „Tja, da habt ihr ja jetzt genug Stoff zum Lästern. Und mit dir reicht’s mir.“ Akane hob den Leguan auf ihre Schulter. „Sieht dich halt jeder. Ciao, Lolitas!“ Sobald sie die Tür geöffnet hatte, riss Akane sie auch wieder zu. „Dreck...“, murmelte sie. Ami fragte sich, ob Tayo ihre Schwester nicht inzwischen gefunden und vergessen hatte, ihr Bescheid zu geben. Jedoch war der Saal riesig. Nicht einmal Makoto oder Minako hatte Ami wiederentdeckt und Usagi oder die ominöse Michiru getroffen. Doch dann kam es zum Erfolg. Rika Tayo sprach gerade mit einem älteren Herrn, trank Wein und drückte ihm eine Visitenkarte in die Hand. „Frau Tayo, darf ich Sie stören?“, sprach sie die Brillenträgerin an. Rika Tayo war sichtlich schon etwas betrunken und reagierte mit einem „Hä?“ „Akane hat mir gesagt, Sie hätten etwas, das ihr sehr wichtig ist.“ Die Brillenträgerin musterte sie: „Du bist doch diese Freundin.“ Das letzte Wort sprach sie mit einem sarkastischen Unterton aus. „Was soll ich denn haben?“ „Ein Amulett.“ „Ein Amulett? Ich hab kein Amulett.“ Sie überlegte kurz. „Ach du meinst dieses Rostding. Ja, das hab ich.“ „Akane hätte es gerne wieder.“ „Ne, das kriegt se ned.“ Rika drohte in den Osakadialekt zu fallen. „Sie hat ja scho das schiache Viech, da braucht’s ned a no des no!“ Ami hatte keine Ahnung, was die Brillenträgerin gerade gesagt hatte, doch ihr kam eine Idee: „Dann geben Sie es doch mir. Ihre Tasche kann sie stibitzen, um es wieder zurückzubekommen, aber sie wird nie vermuten, dass ich es habe.“ Einige Sekunden Stille. Ami glaubte schon, Rika Tayo würde diesen dummen Trick nicht durchschauen. Natürlich hatte sie vor, Tayo das Amulett zurückzubringen. Doch wahrscheinlich wegen des Alkoholpegels sagte Rika: „Tolle Idee!“ Sie kramte in ihrer Tasche und fand schließlich das Artefakt. „I glaub, es hat meine Tasche sowieso ganz dreckig gemacht.“ Sie legte es Ami in die offene Hand. Ami war überwältigt – das Amulett strahlte eine so unheimliche Macht aus und erfüllte ihren Körper mit einer Kraft, die sie noch nie wahrgenommen hatte. Das Alter des Schmuckstücks konnte sie in jeder Zelle spüren. Doch es jagte ihr keine Angst ein, das Artefakt hatte eine beruhigende Aura. Ami musste einfach ein wenig auf diese Quelle einer Kraft schauen, die sie nie haben würde. „Dankeschön.“ Als sie zu Rika wieder hochsah, hatte sie sich verändert. Sie stand kerzengerade da und ihre Augen waren glasig. Auch sie starrte auf das Amulett. Ehe Ami Fragen stellen konnte, ertönte ein schrilles Signal. Es war das Artefakt – der rote Stein in der Mitte leuchtete. „Starseed.“ Ihre Augen wanderten zu Rika. „SUNNAS STARSEED!“, schrie sie. Daraufhin packte Rika Ami am Blusenkragen und versuchte das Amulett aus ihrer Hand zu reißen. „DRECK!“, schrie Akane noch einmal. In Windeseile setzte sie den Leguan wieder in das Waschbecken und starrte ihn entsetzt an. „Was mach ich jetzt?“ Sie raufte sich die Haare. „Ich muss da raus! Hast du irgendwas, was mir helfen kann?“ Der Leguan züngelte. Akanes panisches Verhalten erinnerte die Mädchen an die letzte Begegnung mit der zweiten Furienschwester. „Was ist los?“, fragte Usagi. „Jetzt nicht! Ich muss denken... denken... Denk nach! Konzentrier dich!“ Akane holte tief Luft. Inzwischen ahnten Usagi, Rei und Makoto, was los war. Akane sprach es trotzdem aus: „Okay, da draußen wird irgendwer angegriffen und meine dämliche Schwester hat mir das Amulett geklaut!“ Sie holte noch einmal tief Luft – ihre Gestus wurde ruhiger, ihre Stimme jedoch nicht. „Ich bin wehrlos und meine Schwester ist unter den Feinden mit dem verdammten Amulett. Ich...“ Akane hielt inne, denn Usagi, Rei und Makoto hörten nicht mehr zu. Das Wort „Angriff“ war wohl ein Codewort gewesen, dass die Mädchen ihre Stäbe zückten und sich verwandelte. Was Akane noch auszuführen hatte, war wohl von keinem Interesse. Da standen nämlich plötzlich Sailor Moon, Sailor Mars und Sailor Jupiter... Sailor Venus kotzte noch in ziviler Gestalt. Reflexartig stellte sich Akane vor die Tür. „Lass uns durch!“, befahl Jupiter. Akane gefiel ihr Ton nicht. „Halt’s z’am. Wir brauchen ’nen Plan. Rika muss hier raus. Die Leute müssen hier raus...“ Angestrengt dachte Akane nach und ihre Augen huschten durch den Raum. Sie entdeckte den Brandmelder. „Lulatsch, hilf mir hoch!“ Sie deutete auf Jupiter. „Du bist größer als ich“, klagte sie. „Jaja.“ Sie kramte aus der Sakkotasche ein Feuerzeug, ein Relikt ihrer viermonatigen Zeit als Raucherin im letzten Schuljahr. Erst kletterte Akane auf das Waschbecken, dann weiter auf Jupiters Schulter, wo sie Probleme hatte, das Gleichgewicht zu behalten. Die Flamme des Feuerzeugs wurde vom Brandmelder kaum wahrgenommen. „Du bist ganz schön schwer,“ klagte Jupiter. „Du trägt Springerstiefel zu so einem Kleid?“ „Lass den...“ Ehe sie aussprechen konnte, verlor Akane das Gleichgewicht und fiel zusammen mit Jupiter hart auf den Boden. Akane war den Tränen nahe. „Dreck...“ Rei machte mit einem Klopfen auf Akanes Schulter auf sich aufmerksam. „Wenn du mich mal ran lassen würdest.“ Sie spannte den Feuerpfeil. „Macht des Mars, sieg!“ Der Angriff zeigte seine Wirkung zu gut. Die ganze Toilette brannte. Aber immerhin ging der Brandmelder an. Akane schlug sich auf die Stirn. Makoto hob Minako hoch und zerrte sie hinaus, Rei und Usagi folgten. Akane nahm den Leguan und trottete verstört heraus. Der Brand war nicht so schlimm wie erwartet und breitete sich nicht so schnell aus. Die Gäste und Gastgeber waren schon am fliehen. Die drei Sailorkriegerinnen umzingelten das besessene Opfer. Akane starrte auf den Leguan, der züngelte. „Ich weiß, was du vor hast,“ murmelte Akane. „Und denk nicht mal...“ Dann bemerkte sie, dass das Opfer Rika war. Erstaunlich viele Leute zeigten Zivilcourage. Erst versuchte man auf Rika einzureden, Ami loszulassen, was bei einer Besessenen nicht funktioniert. Mit aller Macht versuchte sie Ami das Amulett aus der Hand zu reißen, doch sie ließ es nicht zu. Das Artefakt wollte sich auch nicht stehlen lassen und schien an ihrer Haut festzukleben. Schließlich packte ein Mann Rika, sie ließ Ami vor Schreck los. Sie fiel hin, während Rika den Mann unmenschlich kreischend mit der Faust schlug. Mehrere Männer versuchten sie zu bändigen, doch erfolglos. Ami stolperte los, ignorierte helfende Hände. Dann erklang der Feueralarm. Sofort brach im ganzen Saal eine Panik los und man stürmte zum Ausgang. Ami wurde niedergestoßen, nun half ihr niemand mehr. Wie aus dem nichts erschien die besessene Rika Tayo vor. „STARSEED!“, kreischte sie. Wieder packte sie Ami, versuchte das Amulett zu entwenden, erfolglos. Sie stieß Ami zu Boden. Eine widerwärtige Masse schlang sich um ihre Hände, die das Artefakt noch immer umklammert hielten. „SUNNAS STARSEED!“ Mit diesen Worten wollte Rika eigentlich angreifen, wurde aber kurzfristig von einem Donnerschlag gelähmt. Sie wandte sich zu zwei bekannten Gestalten, die ihm schwachen Licht zu leuchten schienen. Ami bemerkte Sailor Mars auf einmal neben sich. „Alles in Ordnung?“, fragte sie. Ami nickte leicht benommen. Sie hatte das Artefakt noch. Es war alles gut. Sailor Moon sprach: „Du wagst es eine schöne Feier mit deinen bösen Machenschaften zu stören? Ich bin Sailor...“ Akane dachte mal wieder nicht im Traum daran, Sailor Moon ihre Predigt zu Ende sprechen zu lassen. Erst recht nicht, wenn das Opfer ihre Schwester war, die sie zu gerne selbst vermöbeln würde. Akane zerrte Rika an den Haaren, die animalisch kreischte, und hielt mit dem anderen Arm um die Hüften fest. „Labert nicht, handelt!“ Die Worte waren in erster Linie an Mars gerichtet. Trotz Abscheu gehorchte sie. Sie zog den Bannzettel und heftete ihn an die Stirn der besessenen Frau. Ihre Schreie verklangen. Und wie beim letzten Mal erbrach das Opfer eine Schlange, die sich zunächst gequält am Boden wand. Akane ließ ihre bewusstlose Schwester hart zu Boden fallen und ergriff die Tasche. Das Amulett war nicht zu finden. Sie überprüfte die Säcke ihres Blazers und den Ausschnitt, doch ihre Schwester hatte das Artefakt nicht mehr bei sich. Mit jeder Sekunde wurde ihr Atem kürzer. Das Amulett schien verschwunden... Ihre panische Suche endete erst, als sie hart auf den Boden aufschlug, direkt neben dem Leguan. Das Monster hatte sie wohl dorthin geschleudert. Der Kampf zwischen der Riesenschlange und Moon, Mars und Jupiter begann. Venus lag betrunken in einer Ecke und Merkur war noch zu geschockt. Und Sailor Sun war entmachtet. Sie beobachtete geistesabwesend den auswegslosen Kampf, die drei lagen verletzt auf den Boden. Da konnte auch Tuxedo Masks lyrische Preisung der Rose nichts mehr retten. Wie üblich tauchte er wie aus dem Nichts auf und sah sich kurz darauf schwer verletzt auf dem Boden liegen. Und Sailor Sun war entmachtet und konnte ihnen nicht helfen. „Ich weiß was du vor hast“, keuchte Akane den Tränen nahe, den Wunsch unterdrückend, die Beschwörungsformel zu rufen, was ja nichts bringen würde. Ohne Amulett. Obwohl die Mondprinzessin ihre Hilfe brauchte. Akane streichelte dem Leguan über den Kopf. „Mach, was du willst...“ Der Leguan öffnete das Maul. Von schmerzend hellem Licht begleitet flog der Armreif aus seinem Körper und wurde größer. Seine Macht lenkte das Schlangenmonster ab und die Sailorkriegerinnen blickten fasziniert auf den Gegenstand. In seiner Gegenwart verstand Akane, warum der Leguan sich weigerte, sie mit dem Armreif zu stärken. Seine Kraft war eine schmerzende Last, selbst wenn man ihn nicht trug. Sein Licht tat in den Augen weh. Seine Heiligkeit und sein Alter ließen einen minderwertig wirken. Akane hatte sich noch nie so bedeutungslos gefühlt. Der Armreif zerbrach in zehn Teile, was seine Wirkung schmälerte. Während vier Stücke durch ein geöffnetes Fenster rasten, näherten sich die restlichen sechs Ami, Minako, Usagi, Rei, Makoto, und Mamoru. Alle starrten wie hypnotisiert darauf. Schließlich vermengten sich die Bruchstücke des Armreifs mit deren Körper. Ob sie wissen, was ich ihnen da gebe, welche Macht ich opfere, ohne der ich den unheiligen Bastard nicht besiegen kann?, dachte Akane und schloss die Augen. Egal, ich kann’s eh nicht mehr brauchen. Ich hab mein Amulett verloren. Die Mädchen durchlebten ihre Metamorphosen – aus gelben Licht traten die von der Macht der Sonne gestärkten Kriegerinnen. Mars’, Merkurs, Jupiters und Venus’ Kostüm hatten sich kaum verändert – bloß ein gelber Streifen zierte von nun an ihre Uniformen. Sailor Moon trat jedoch anders auf – ihre Uniform bestand von nun an aus einem weißen, ärmellosen, kurzen Kleid und gelben Unterrock. Der Kragen war gelb, ihr Dekolleté zierte eine rote Masche in Form von Engelsflügeln. Tuxedo Mask blieb optisch unverändert – doch auch er spürte den Machtschub. Die fünf Mädchen atmeten simultan tief durch. Und dann sollte der Kampf von neuen beginnen. Das Monster war wieder angriffbereit. „Feuer des Mars!“, rief Sailor Mars als erste, „flieg!“ Sie warf eine Fackel auf das Ungeheuer. Es schrie. „Wasser des Merkur!“, rief Sailor Merkur, „flieg!“ Ein aus Wasser geformter Caduceus traf das Monster ins Auge und es wirbelte hysterisch herum. „Herzsteine der Venus“, rief Sailor Venus, „flieg!“ Ein Steinregen ging über die Kreatur und es stürzte zu Boden. „Blitz des Juipter!“, rief Sailor Jupiter, „flieg!“ Auf die Riesenschlange gingen Blitze nieder. Einmal schrie das Monster noch und schließlich löste es sich in Rauch auf. Akane musste grinsen. Und das gehört jetzt nicht mir... ich kann ja die Macht der vier Helferinnen schon kaum fassen. Was Sailor Moon wohl drauf hat? Was ICH draufgehabt hätte? Sailor Moon stellte sich dieselbe Frage. Sie schaute auf sich herab. Egal, was sie nun vermochte, sie wusste, wie sehr ihre Macht gestiegen war. Allein das Kribbeln an ihrer Haut verriet es. Während die Mädchen irritiert auf sich herabblickten, wandte sie sich an Akane. „Das warst du, oder?“ Akane starrte mit hasserfüllten Augen auf Moon. Da verlor sie ihre Kräfte und diese Weiber bekamen eine, die sie kaum verstanden. „Jetzt sind wir gleichgestellt. Ihr trägt die Energie der Sonne in euch. Dieselbe Quelle, wie sie die Feinde haben.“ Rei wurde bei diesen Worten hellhörig. „Und nutzt sie gut. Ich hab meine gerade verloren.“ Erst jetzt bemerkten die Mädchen, dass Akanes Gesicht von Tränen überströmt war. Und Merkur fiel es plötzlich wieder ein – sie lief zu Akane und reichte ihr das Amulett. „Hier. Rika wollte es mir stehlen, aber ich habe es beschützt.“ Sie sagte das mit Stolz. „Tut mir leid, in der Aufregung habe ich fast vergessen.“ Akane starrte mit großen Augen auf das Artefakt und nahm es. Jedes Gefühl der Hilflosigkeit und Nacktheit verschwand. Stattdessen kam Wut. „DU DÄMLICHE KUH!“ Sie stieß Ami um. „Ich hätte fast ’nen Herzinfarkt gehabt, weil ich dachte ich hätte es verloren!“ Akane hob den Leguan auf ihre Schultern und stampfte weg. Moon, Mars, Jupiter und Venus wollten sie jeweils aufhalten, doch sie wimmelte alle vier ab. „Fasst mich nicht an! Ich pfeif auf euch. Ich brauch euch jetzt nicht mehr die Hintern zu retten! Sprecht mich in Zukunft nie wieder an!“ Sailor Moon wollte sie aufhalten, doch Merkur hielt sie davon ab. „Sie ist zu aufgewühlt.“ Missmutig verstand Moon den Rat und ließ Akane gehen. „DER ARMREIF!“, schrie Mithras so laut, dass Allekto zusammenzuckte. „SUN HAT DER MONDPRINZESSIN DEN SCHEISSARMREIF GEGEBEN! DIESER UNWÜRDIGEN KREATUR!?“ Allekto nickte. Zum ersten Mal hatte sie Angst, dass Mithras ihr etwas antun würde. Es traf immer die Überbringer schlechter Nachrichten. Und so kam es auch. Von einer Druckwelle wurde Allekto niedergeworfen. „Das wird sie mir büßen“, murmelte Mithras. „Das wird diese Schlampe mir büßen.“ Kapitel 9: Ein Tag im Leben des Mamoru Chiba -------------------------------------------- „Gestern Abend kam es zu einem Brand im Hotel Scala Plaza während einer Feier zur 300. Folge von Lieben und Leiden Lassen zu einem Brand. Das Feuer selbst forderte keine Verletzten, jedoch führte der Feueralarm zu einer plötzlichen Massenpanik. Einige Personen wurden noch während der Flucht zu Boden geworfen und konnten erst nach dem Eingreifen der Feuerwehr aus dem Hotel geborgen werden. Die Betroffen waren zwar weitgehend unverletzt, standen jedoch kurzfristig unter Schock. ...“ Es war Usagis Idee gewesen, die Klatschnachrichten einzuschalten, da sie unbedingt sehen wollte, wie das Kamerateam sie, Mamoru und die anderen Mädchen erfasst hatte. Missmutig schaute Mamoru auf eine Nahaufnahme seines Gesichts, während er zusammen mit Makoto die noch immer unter Alkoholeinfluss stehende Minako stützte. „Unter den Personen befand sich auch der neue Star der Serie, Minako Aino, deren Zustand sehr schlecht schien. Nach einem heutigen Telefongespräch mit ihrem Agenten soll sie jedoch wieder gewohnt guter Lauen auf den Beinen sein.“ Mamoru drehte den Fernseher ab. „Hey, ich will das noch sehen!“, schmollte Usagi. „Ich war ja noch gar nicht Bild!“ Mamoru schaltete den Fernseher wieder an. Zu Usagis Enttäuschung war der Bericht zu Ende. Über zwei Wochen wohnte er nun schon bei Familie Tsukino und würde noch länger bleiben, da er sich die Renovierung seiner durch das Ungeheuer zerstörten Wohnung nicht leisten konnte und sie unbewohnbar blieb ohne Tür, mit verwüstetem Vorzimmer und kaputter Elektrizität. Er schob Überstunden um die Reparatur langsam abzahlen zu können, arbeitete in einem Restaurant und in einer Bar. Da der Versicherung keinen guten Grund nennen konnte, warum es zu den Zerstörungen gekommen war, bekam er auch kein Geld. Sein Vermieter verlangte trotzdem eine Schadensausbesserung. Das machte es auch sinnlos, eine neue Wohnung zu suchen, die er auf die Schnelle sowieso nicht finden würde. Er bekam so zumindest einen Vorgeschmack, wie es einmal werden würde, nachdem Usagi und er zusammengezogen waren... Familie Tsukino hatte ihn freundlich willkommen geheißen. Für Ikuko war er von Anfang an wegen seiner Zielstrebigkeit und Reife der Traumschwiegersohn gewesen. Heimlich hatte sie ja immer gefürchtet, Usagi würde einen nichtsnutzigen Versager heim schleppen. Sie wollte, dass Mamoru sich vollends auf seine Abschlussarbeit konzentrierte und erlaubte ihm nicht, auch nur einen Finger im Haushalt zu rühren. Stets war sie freundlich zu ihm. Kenji hingegen war – für einen Vater typisch – Mamoru leicht suspekt, behandelte ihn jedoch nicht respektlos. Freunde würden die beiden wohl keine werden, aber immerhin hatten sie sich schon zum Pokern zusammengesetzt. Shingo, Usagis fünfzehnjährigen Bruder, blieb relativ unbeeindruckt, doch ließ sich von Mamoru gerne bei den Hausaufgaben helfen. Trotz aller Rücksicht der Familie blieb Mamoru mit seiner Abschlussarbeit auf der Stelle stehen. Ein Teilzeitjob war nämlich keine ausreichende Beschäftigung für seine Verlobte, sie folgte ihn auf Schritt und Tritt, lenkte ihn ab, auch wenn er ihr erklärte, dass er wichtiges zu tun hatte. Außerdem wollte Usagi stets sehr früh schlafen gehen, sodass er auch nachts, wenn er nicht seinem Kellnerjob nachging, nicht arbeiten konnte, da er qausi in ihrem Zimmer festsaß. Einmal hatte er sich ins Wohnzimmer gesetzt und bis drei Uhr in der Früh geschrieben. Da er Usagi jedoch nicht hatte wecken wollen, schlief er auf der Couch. Die Rückenschmerzen brachten ihn am nächsten Tag fast um. Außerdem war es zu einem Streit zwischen Mutter und Tochter gekommen, warum sie diesen tollen Mann so schlecht behandelte. Heute hatte er allerdings frei und konnte seiner Abschlussarbeit nachgehen. Er verabschiedete sich mit einem Kuss bei Usagi und machte sich auf den Weg in die Bibliothek. Mit Hass starrte er auf den einzigen Satz, welchen er in den zwei Stunden geschrieben hatte. Grund war das Wort „Hypothese“. Sein Professor hatte ihm schon mehrfach erklärt, dass seine Arbeit nichts wert sein würde, wenn diese sich nur um eine Hypothese drehe – er brauchte Fakten und Beweise. Es standen ihm jedoch nicht die nötigen Mittel dafür zu Verfügung. Die Studentenlabore der medizinischen Fakultät waren zu schlecht ausgestattet und die Kontaktperson, die ihm sein Professor vermittelt hatte, wollte sein Labor nicht für „Laienexperimente“ hergeben. Frustriert klappte er den Laptop zu und beschloss für heute aufzugeben, da er sowieso noch verabredet war. Immerhin hatte er keinen tatsächlichen Zeitdruck, wann er mit der Arbeit fertig wurde, war dem Professor gleich, es konnte auch während dessen Pension noch das Studium bei ihm abschließen. Jedoch hatte Mamoru sich schon immer hohe Ansprüche an sich selbst gestellt – bis zum Sommer wollte die Arbeit abschließen. Er hatte erst die Hälfte und es war schon Anfang März. Wenn es so weiter ging, konnte er die sich selbst gestellte Frist nicht einhalten, was ihn nun schon deprimierte. Die Temperaturen waren noch relativ kühl, doch mit Jacke und Schal war es erträglich im Freien zu sitzen. Mamoru saß im Park und schmökerte während der Wartezeit – er war zu früh angekommen – in einem medizinischen Fachbuch und erhoffte sich vergebens ein wenig Inspiration. Setsuna Meio erschien pünktlich auf die Minute und setzte sich neben ihn. Auf die übliche Gesprächsstarfrage, wie es einem so gehe, fing Mamoru an seine Abschlussarbeit zu verfluchen. „Diese Phase hatte ich auch. Momente in denen ich einfach nur aufgeben wollte. Aber keine Angst, das geht vorbei.“ Setsuna hatte vor drei Jahren ihren Magister in Physik erhalten, was Mamoru jedoch erst vor ein paar Monaten erfahren hatte. Dies, und dass sie vor zwei Jahren für einen Professor für experimentelle Physik gearbeitet hatte und sich inzwischen auf die Astrophysiker spezialisiert hatte, konnte man sich kaum vorstellen. „Setsuna Meio“ schien nämlich immer eine Scheinidentität für Sailor Pluto zu sein, während die anderen Kriegerinnen ein Alter Ego der Mädchen darstellten. Dass Setsuna auch ihrer zivilen Identität einen Sinn geben wollte, schien befremdlich für einen Außenstehenden. Obwohl sie schon länger wieder Kontakt miteinander hatten, konnte sich Mamoru noch immer nicht daran gewöhnen. „Schaff ich es?“, fragte Mamoru. Sailor Pluto und ihre Aufgabe als Wächterin des Tors zu Raum und Zeit verführten ständig zu Fragen über die Zukunft. Doch die Antwort war immer dieselbe: „Selbst wenn ich es könnte, dürfte ich es dir nicht sagen. Doch wie ich dich kenne, bin ich mir sicher. Mein Vertrauen hast du.“ Sie lächelte. „Aber das ist doch nicht der Grund, warum wir uns treffen.“ Er schüttelte den Kopf. „Hikari.“ Setsuna blickte betrübt: „Hat sie sich wieder bei dir gemeldet?“ Mamoru nickte. „Ich zweifle inzwischen meine Entscheidung an, nie wieder etwas mit dieser Familie zu tun haben zu wollen. Einerseits habe ich das Gefühl, dass meine psychische Gesundheit davon abhängt, von diesen Leuten fern zu bleiben. Doch ich kann Hikari andererseits nicht im Stich lassen, wenn ich weiß, wie schlecht es ihr geht.“ Er sah Setsuna an. „Was soll ich machen?“ Setsuna atmete tief durch. „Ich habe deine Entscheidung schon damals kritisiert, auch wenn ich sie verstehen kann. Ich halte sie nur für eine Schockreaktion, nicht für eine rationale Entscheidung. Deswegen: Hilf Hikari.“ „Dennoch... allein dadurch von ihr und Ryo zu erfahren, hat mich verändert und scheint irgendwie einen wesentlichen Teil von mir genommen zu haben. Ich habe Angst, dass ich immer mehr von mir verlieren werde, wenn ich den Kontakt aufrechterhalte. Gute Dinge.“ Er fuhr sich mit der Hand durch Haar, Setsuna legte ihn tröstend die Hand auf die Schultern. „Das wirst du nicht. Ich kenne dein zukünftiges Ich. Ein sanftmütiger und gerechter Mann, der dasselbe durchstand, wie du nun durchstehen musst.“ „Was ist, wenn mein zukünftiges Ich nur so toll ist, weil es gegen den Kontakt mit Ryo und Hikari entschieden hat?“ Ihr Blick verfinsterte sich – gerne hätte sie ihm eine konkrete Antwort über seine Zukunft gegeben. Sie redete daher das übliche weiter: „Und um logisch zu argumentieren, du hast immer schon Ryos Gene in dir getragen. Wieso sollten sich plötzlich seine schlechte Eigenschaften zeigen, nur weil du seit kurzem weißt, wer dein Vater ist.“ Mamoru musste unfreiwillig lächeln: „Etwas Ähnliches würde Usagi sagen.“ „Hast du schon mit ihr darüber gesprochen?“ „Nein. Weil sie mich nicht verstehen würde.“ Im Gegensatz zu Setsuna, die ihn zwar offen kritisierte, aber ihm nicht ihren Willen aufzwang. Setsuna seufzte: „Ich denke mir einmal aus, was sie sagen würde und schließe mich ihrer Meinung an – hilf Hikari. Ich kenne sie. Ein fleißiges, braves Mädchen, das eine bessere Welt verdient hat. Strafe sie nicht, nur wegen deiner irrationalen Ängste.“ Mamoru lächelte. „Heimlich tendiere ich sowieso zu dieser Alternative. Nur du musst mir dann beibringen, wie man fünfzehnjährigen Mädchen umgeht.“ Setsuna knurrte: „Berichte über Hotarus letzte Aktionen würden dich abschrecken, mit einer Pubertierenden Kontakt zu haben.“ Setsuna erzählte es trotzdem, schließlich hatte sich schon Mamoru bei ihr ausgeweint. Nun war sie am Zug. Die Geschichte drehte sich darum, dass Hotaru gestern Nacht einen hysterischen Anfall bekommen hatte, da sie meinte, eine unheimliche Präsenz gespürt zu haben. Setsuna glaubte ihr nicht. Hotaru hat daraufhin angefangen sie zu vulgär beschimpfen und ließ aus Protest bis vier Uhr in der Früh die Musik laut laufen. Mamoru riss die Augen auf: „Das war keine Einbildung.“ Setsuna blinzelte ihn an. „Das ist wirklich passiert. Hast du von dem Brand im Hotel Plaza Scala gehört?“ Und er begann von den gestrigen und weiter zurückliegenden Ereignissen zu erzählen. Von den Angriff auf Usagi und andere junge Frauen. Von Sailor Sun und Akane Tayo. Von Besessenheit. Von dem Energieschub, den er und die Mädchen gestern bekommen hatten. Setsuna hörte aufmerksam zu. Sie rieb sich die Schläfen. „Dann habe ich Hotaru unrecht getan.“ Sie seufzte. „Ich bin wohl zu eingerostet, um so etwas noch zu spüren.“ Mamoru konnte sich kaum vorstellen, dass Sailor Pluto von ihrer zivilen Identität übermannt wurde, doch da ihre Schuldgefühle echt waren, glaubte er ihr. „Wieso hast du mir nicht eher etwas erzählt?“ Er zuckte mit den Schultern: „Ich wollte den neuen Gegner wohl selbst nicht ganz wahr haben.“ Pause. „Einmal habe ich sogar Usagi im Stich gelassen.“ Er biss sich auf die Lippen. Setsuna streichelte ihm über den Rücken und unterdrückte Fragen, die sie nicht stellen wollte. Usagi machte sich sicher Sorgen, wenn er noch länger wegblieb. Er hatte gesagt, er war nur vier Stunden unterwegs. Das Telefongespräch würde sicher eine Stunde dauern. Hikari redete viel. Es dauerte lange, bis jemand abhob. Währenddessen irrten ihm zahlreiche Gedanken durch den Kopf. Man gab mir den Namen Kato Fujigawa. Als ich sechs Jahre alt war, fuhren ich und meine Eltern, Ryo und Mei Fujigawa, zu einem Meeresurlaub. Während der Fahrt begegnete einem Auto vor uns ein Geisterfahrer, was auf der befahrenen Straße zu einem Massenunfall führte. Unser Auto war dabei. Das nächste woran, ich mich erinnerte, war, im Krankenhaus aufzuwachen, schwer verwundert, jedoch am Leben. Im Gegensatz zu meinen Eltern, wie man mir sagte. Meine einzige Erinnerung bestand aus dem Autounfall, der Rest waren Momentaufnahmen, Schnappschüsse. Meinen Namen wusste ich nicht mehr – die Ärzte nannten mich Mamoru Chiba. Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr wuchs ich in Waisenhäusern auf. Schlechtes Umfeld, doch ich schaffte meinen Schulabschluss und studierte erfolgreich. Ich hatte nur wenige Freunde – meine Erfahrungen verbaten mir ein allzu schnelles Vertrauen in andere Menschen. Bis ich Usagi kennenlernte, ein Mädchen, das mich in eine bessere Welt führte und glauben ließ, dass alles gut war. Von ihr lernte ich auch, dass meine wahre und scheinbar wichtigere Vergangenheit Prinz Endymion hieß und im Prinzip egal war, wer Mamoru Chiba vor dem Autounfall und dem Gedächtnisverlust gewesen ist. Und der wichtige Prinz Endymion manifestiert sich in dem maskierten Retter Tuxedo Mask. Wie sich herausstellte, ist meine Kindheit vor dem Autounfall mir nicht egal. Hotaru Tomoe ist ein besonderes Mädchen, das viele Dinge über Menschen nur über dessen Aura erfahren kann. Vor wenigen Monaten lernte sie ihrer Schule ein Mädchen namens Hikari Fujigawa kennen, die sie als meine Halbschwester identifizierte. Ihre Ziehmutter Setsuna Meio kontaktierte mich, ich nahm ein Kontakt zu der Familie auf und ein DNA-Test bewies die Verwandtschaft. Ich war mit einem anderen Knaben, der am Autounfall zusammen mit seiner Familie verstorben war, verwechselt worden. Mein Vater Ryo hatte die Katastrophe überlebt. Welche Macht ein Name hat, ist unglaublich, denn dass ich nicht auf Mamoru Chiba getauft wurde, sondern einen vollkommen anderen Namen trage, war ein Schock. Das schlimme war, dass mir der Name vertraut vorkam. Ryo nennt mich „Kato“ und ich reagiere, als ob ich nie Mamoru war. Doch als Mamoru Chiba lernte ich meinen vergangen und zukünftigen Namen „Endymion“ kennen – könnte Kato Tuxedo Mask sein, war Kato Prinz Endymion, kann Kato König Endymion sein? Verbunden in diesem Namen ist nämlich auch der Charakter meines Vaters Ryo – ein arbeitsloser Alkoholiker, der seine junge Tochter arbeiten schickt und gerne mal zuschlägt, wenn sie auch nur eine Kleinigkeit tut, die gegen seinen Strich geht. Ich sehe Ryo extrem ähnlich. Wenn ich die optischen Aspekte von ihm geerbt habe, dann auch die charakterlichen? Würde ich dann nicht nur auf „Kato“ reagieren, sondern zu „Kato“ werden? Ich habe Angst, dass Ryo solch negative Eigenschaften in mir erweckt, seine bloße Präsenz macht mich aggressiv, der Gedanke an ihn übellaunig. Ryo ist alles, was ich nicht sein möchte. Doch er hat etwas an mich weitergegeben, das „Kato“ heißt. Ich will nicht Kato werden. „Hallo!“, meldete sich eine helle Stimme. „Hikari, hallo, ich bin’s!“ „MAMORU!“ Sie nannte ihn bei dem Namen, den er jahrelang benutzt hatte. Ein weiterer Grund, warum „Kato“ böse war – nur der charakterlose Ryo nannte ihn so. Die unschuldige Hikari aber nannte ihn „Mamoru.“ „Ich bin so froh, dass du dich meldest. Ich dachte schon, ich müsste meinen großen Bruder aufgeben.“ Er lächelte. „Keine Angst. Ich plage mich gerade sehr mit meiner Abschlussarbeit, ich hab leider ein wenig auf dich vergessen. Doch nun habe ich Zeit. Magst du etwas unternehmen?“ „Gerne!“, frohlockte sie. „Heute?“ Mamoru vertröstete sie auf morgen, was Hikari nicht weiter zu stören schien. Er fragte sie nach ihrem Schultag. Hikari fing an zu reden und hörte, wie erwartet, auch nach einer Stunde nicht auf. Als er aufgelegt hatte, meldete ihm eine SMS 11 entgangene Anrufe, die eingegangen waren, als mit seiner Halbschwester telefoniert hatte. Alle Anrufe stammten von Usagi. Er seufzte. Ständig muss sie um mich herum sein, als wäre ich der einzige Mensch, der sie beschäftigen könnte. Dabei fällt es der Guten alles andere als schwer, Freundschaften zu schließen... mit diesem Talent müsste sie doch darüber hinwegsehen, dass ich in dieser schwierigen Zeit mich nicht immer mit ihr beschäftigen kann. Zwar weiß sie nichts von Kato, Hikari und Ryo, doch ich sollte fertig werden mit der Abschlussarbeit nicht Argument genug sein, meine Ruhe haben zu können? Sie spricht die Vorwürfe zwar nicht aus, doch immer lese ich Enttäuschung in ihrem Gesicht. Die Aussage ist klar: Glaubst du, ich habe es leicht? Und damit verweist sie nicht einmal auf das Nichtbestehen der Aufnahmeprüfung auf die Universität. Sie verweist damit auch nicht auf Sailor Moon und die neuen Feinde. Denn ich zeigte ihr ihre Zukunft und wecke damit Ängste, den Ansprüchen der Zukunft gerecht zu werden. Und dann sagt sie ihr einziger Anhaltspunkt auf Gelingen ist die Ehe mit mir, sie verlässt sich auf mich, dass ich sie auf den richtigen Weg führen und sie tatkräftig unterstützen werde. Langsam frage ich mich, ob sie sich nicht in eine Illusion verrennt, die sie nur aufgrund eines kurzen Einblicks in unsere Zukunft geschaffen hat. Schließlich beunruhige ich sie mit meinem Trost mehr, als dass ich helfe. Daher blocke ich das Thema ab, meist schnippischer als ich möchte. Und dann wirft sie mit den Augen vor, sie in Anbetracht einer anspruchsvollen Zukunft alleine zu lassen. Doch sind die Ansprüche an mich nicht genau so groß? Sie sollte sich endlich eine sinnvolle Beschäftigung außerhalb von Sailor Moon und dem Mondkönigreich suchen. Für vieles ist sie doch zu sehr ein naives Mädchen. So kann ich mit ihr über gewisse Dinge nicht reden. Ich kann ihr die Komplexität eines Verhältnisses mit Ryo und Hikari nicht klar machen und mich zu Kontakt zu ihnen zwingen. Sie versteht nicht, wie schwierig es ist, eine komplexe Abschlussarbeit zu schreiben, um später einmal ernst genommen zu werden. Manchmal frage ich mich, ob das ganze nur Sinn macht. Manchmal frage ich mich, ob wir nur noch liiert sind, weil sie von mir abhängig wurde. Manchmal frage ich mich, ob ich nur noch mit ihr liiert hat, weil wir historisch miteinander verbunden sind? Verdammt, weg mit diesen Gedanken! Er rief Usagi zurück und erklärte ihr, so vertieft in die Arbeit gewesen zu sein, dass er nicht auf die Uhr gesehen habe, und er habe noch länger vor zu schreiben, weil er endlich Inspiration gefunden habe. Eine Lüge. Er spazierte stattdessen gedankenlos im Park herum. War es die historische Verbundenheit, seine Gefühle für Usagi oder einfach Bestandteil seiner Kraft, dass er jedes Mal einen Stich im Herzen fühlte, wenn Usagi in Gefahr war. Sein Verhalten war blasphemisch gewesen... zweimal hatte er das Alarmsignal schon ignoriert. Das erste Mal, als Usagi ersten Kontakt mit den neuen Feinden hatte, da er derartiges nicht erwartet hatte und es für eine Stressreaktion hielt. Das zweite Mal, weil er mitten in einem Gespräch mit Hikari steckte, die er nicht unhöflicher abwimmeln wollte, als er es eh schon tat. Beim Nichtstun konnte er das Signal aber nicht ignorieren. Mamoru rannte los, die Richtung gaben seine Füße vor. Er wusste nicht, wo Usagi war. Im Prinzip spielte das keine Rolle, da stets seine Intuition ihn in die richtigen Bahn führte, aufgrund ihrer Vergangenheit, ihrer Zukunft, ihrer innigen Liebe, weiß der Teufel, warum genau. Ihren ungefähren Aufenthalt kannte er dennoch stets. Heute nicht. War sie arbeiten? Zu hause? Besuchte sie Rei? Seiner Intuition war die komplette Unwissenheit jedoch egal, seine Füße führten ihn zu Izumis Laden. Vor geschlossener Tür spürte Mamoru die Präsenz einer dämonischen Kraft. Wie zur Bestätigung ertönte ein Schrei und identifizierte Usagis Stimme. Da stand sie nun in ihrer neuen Uniform, strahlend, wie man es Engeln zuschrieb, unbeugsam und stolz, so wie er sie noch nie gesehen hatte; eine Hand war zur Faust geballt, in der anderen hielt sie ihren neuen Stab. Sie sah aus, als ob sie gleich angreifen würde. Offensichtlich hatte diese neue Macht mehr bewogen als einen bloßen Energieschub. Doch er fragte sich, warum er überhaupt herbeigeeilt war, wenn es keine merklichen Anzeichen für Bedrängnis gab. Sailor Moon hatte alle Gliedmaße frei, war nicht verletzt, war nicht entwaffnet. Doch die Bedrängnis zeigte sich nicht in einer direkten Bedrohung für Sailor Moon, sondern für die Opfer. Izumi, offensichtlich auf gebrochenen Beinen stehend, hielt sich selbst eine Pistole an die Schläfe, während Yuzuki von einem Monster, eine Art Gorilla, in Schach gehalten wurde, indem es sie würgte. Das Szenario sprach für sich: Während Sailor Moon eine würde retten können, würde die andere sterben. Und Mamoru wusste nicht, ob ein sponates Eingreifen nicht zu dem Tod beider führen würde. Es war sicher besser, keine Rose zu werfen. Er entschied sich, langsam zu nähern. „Ergib dich. Entscheide dich“, sagte Izumi mit einem Finger den Abzug der Pistole liebkosend. „Ach, neuer dazukommender auch!“ Offensichtlich hatte Izumi Tuxedo Mask vor Usagi bemerkt. Er legte Sailor Moon die Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen und blickte ihn erleichtert an. „Ist sie besessen?“, fragte er. Sailor Moon nickte. „Und wenn ich eine von ihnen retten möchte, wird die andere sterben.“ Er nickte. Schließlich hatte er das Szenario schon lange durchschaut. „Auf drei widme ich mich Izumi, du dich dem Monster.“ Bei diesem Satz fühlte sich Tuxedo Mask seltsam. Er hatte noch nie Taktikvorschläge gegeben. Sie starrte Mamoru entsetzt an. „Aber, wenn etwas schief geht, dann...“ „Es ist unsere einzige Chance. Wie gesagt auf drei. Eins...“ Usagi presste die Augen zusammen und konzrentierte sich auf seine Stimme. „Drei!“ Sie sprang unverzüglich los, was er nicht erwartet hatte. Vertrauen? Und allen Geräuschen nach zu urteilen, gelang Sailor Moon es auch, ihre Cousine zu befreien. Doch er war zu sehr mit Izumi beschäftigt, um alles genau zu verfolgen. Er pakte die Hand der Frau und zog die Pistole weg von ihrer Schläfe. Ein Schuss fiel, doch dieser traf bloß die Wand. Er wand die andere Hand um ihren Hals, damit sie sich nicht bewegen konnte, doch mit mehr Kraft, als er der vierzigjährigen je zugetraut hatte, versuchte sie ihm zu entkommen und die Pistole zurück zu ihrem Kopf zu bewegen. Tuxedo Mask würde sie nicht mehr lange halten können. „Sailor Moon! Jetzt!“, rief er. Sie hatte die Lage unter Kontrolle. Doch sie zögerte, ehe sie dem Monster den letzten Stoß gewähren wollte. Inzwischen versuchte Izumi nicht mehr die Waffe zu ihrem, sondern zu seinem Kopf zu bewegen. „JETZT!“, schrie er wieder. Dass Sailor Moon erkannt hatte, was die besessene Izumi vorhatte, führte wohl zu folgenden Handlungen. Sie hielt den Stab in die Höhe und rief: „Mondlicht der Liebe, Sieg!“ Für einen kurzen Moment wusste Tusedo Mask nicht, was geschah. Doch als er wieder zu Besinnung kam, lagen er und Izumi am Boden. Sein Anzug wies überall Brandlöcher auf und ein kurzes Streicheln über die Stirn bewies, dass auch seine Gesichtshaut einige Verletzungen abbekommen hatte. Keine davon hatte die besessene Frau verursacht. Er richtete sich auf. Izumis Beine waren in Richtungen verdreht, die nicht natürlich waren. Sie blutete aus dem Mund und aus der Nase. Nur der Beinbruch war durch die Besessenheit oder der Konfrontation mit dem Monster verursacht worden. Yuzuki lag ebenfalls auf den Boden. Ihre Kleidung war fast vollständig verglüht und ihre Haut war mit Verletzungen übersäht. Er vermutete Brandwunden zweiten Grades in tödlichen Ausmaß. Keine davon hatte das Monster verursacht. Sailor Moon hielt mit beiden Händen den Stab umklammert. Sie keuchte, in ihren Augen spiegelte bloßes Entsetzen. Tuxedo Mask maß den Puls der blutenden Izumi und der mit Brandwunen übersähten Yuzuki. Bei beiden ging er nur schwach. Usagi fiel auf die Knie. Dicke Tränen strömten ihr über die Wangen. Tuxedo Mask wusste, dass die beiden dringend ins Krankenhaus mussten, doch er hatte das dringendere Bedrüfnis erst einmal den psychischen Zustand seiner Verlobten zu überprüfen. Zumal er einige Minuten Angst vor ihr verpürt hatte. Zum ersten Mal strömte ihre Macht nicht die bekannte Wärme aus. Doch wahrscheinlich war ihr Entsetzen über das Ergebnis größer als seines und es musste Einfühlsamkeit und Gleichgültigkeit weichen. Usagi hatte nun der Mittelpunkt zu sein. Er bückte sich zu ihr herunter und streichelte ihr über den Rücken. Usagi fiel schluchzend in seine Arme. „WAS HABE ICH GETAN!“ Mamoru fiel nichts Besseres ein als: „Dein bestes.“ „Es war zu viel!“, heulte sie und grub ihr Gesicht tief in seinen Hals. „Ich hab sie umgebracht!“ „Nein, sie leben. Und sie werden wieder gesund, wenn wir sie ins Krankenhaus bringen.“ „Sie hätten aber sterben können. Und es ist noch immer möglich. Was hab ich getan?“, schluchzte sie. „Du wusstest es nicht besser. Wenn wir sie rechtzeitig in ein Krankenhaus bringen, wird alles wieder gut.“ „DU VERSTEHST DAS NICHT!“, schrie sie und stieß ihn von sich weg. „Ich wollte immer die Menschen vor Gefahren bewahren. Mein ganzes Leben schien sinnlos ohne diese Aufgabe! Und jetzt bringe ich sie selbst in Gefahr, wenn ich ihnen helfen möchte!“ Daraufhin fiel sie wieder in seine Arme. Mamoru Chiba verstand in diesem Moment, dass es keinen Sinn hatte, Usagi mit seinen Problemen der realen Welt zu konfrontieren. Ihre Existenz definierte sich durch Sailor Moon und das Mondkönigreich. Und offensichtlich stand sie nun vor Probleme in dieser Sphäre, mit welchen sie nie gerechnet hätte. Probleme, bei welchen sie ihn brauchte und mit denen er ihr nicht helfen konnte, wie sie es nötig hätte. Genau so, wie er unerwartete Probleme in der „wirklichen Welt“ hatte, bei denen sie ihm nicht so helfen konnte, wie er es brauchte. Mamuro Chiba verstand, dass Usagi nun erwachsen werden würde. Und dies würde zeigen, wie sich die Beziehung und die Zukunft entwickeln würden. Kapitel 10: Die Versagerin -------------------------- Usagi lag seit über 14 Stunden im Bett und hatte keine Sekunde geschlafen. Zu viele Gedanken in Bezug auf die gestrigen Ereignisse gingen ihr im Kopf herum. Und es half nicht die ganze Zeit ihre Mutter weinen hören, weil ihre Schwester und ihre Nichte bei einem brutalen Überfall, bei welcher auch ein Brand gestiftet wurde, schwer verletzt worden waren. Shingo und ihr Vater befiel eine ähnliche Stimmung, schließlich hatten sie die Familie von Ikuko sehr geschätzt. Mamoru kümmerte sich um die Familie. Usagi hatte ihn aus ihrem Zimmer verbannt, ohne die Begründung zu liefern, dass sie sein gleichtgültiges Verhalten am Tatort nicht verstand. Irgendwann konnte Luna Usagis resignierten Zustand nicht mehr ertragen und hüpfte zu ihr ins Bett. „Willst du mit mir sprechen?“ Usagi schüttelte den Kopf. „Hast du schon mit den Mädchen darüber gesprochen?“ „Nein,“ schniefte Usagi. „Und ich habe auch keine Lust ihnen zu sagen, dass ihre Prinzessin zu einem Monster mutiert ist.“ „Du bist zu hart zu dir,“ versuchte Luna sie trösten. „Woher hättest du von dem Effekt deiner neuen Macht wissen sollen?“ Usagi drückte auf diese Aussage ihr Gesicht ins Kissen. Diese Tatsache, mit der Mamoru Usagi auch schon konfrontiert hatte, machte die nicht Schuldgefühle nicht wett und würde die Angst nicht verjagen, dass Usagi in Zukunft nicht mehr aktiv sein konnte, weil sie einfach zu stark war. Weil sie nicht wusste, was sie sie jetzt in sich trug. Es gab aber jemanden, der es wusste. Luna grübelte, ob sie diesen Vorschlag wirklich machen sollte, schließlich war Akane Tayo keine Person, mit der Usagi viel Kontakt haben sollte. Aber in dieser Situation schien es die einzige Lösung, Hilfe für Usagi zu organsieren. „Weißt du“, sagte Luna zögernd. „Was ist, wenn du diese Aka...“ In diesem Moment setzte sich Usagi ruckartig vom Bett auf. „Du hast Recht!“ Ihre Resignation schien von einer Sekunde auf die andere verschwunden. „Von ihr hab ich das doch. Sie wird wissen, was ich tun kann!“ Das Mädchen fiel der Katze um den Hals. „Danke Luna! Du gibst noch immer die besten Ratschläge.“ Und dann stürmte Usagi aus dem Zimmer. Luna blickte ihr hinterher. Sie war skeptisch, ob ihr Ratschlag so gut war. Schließlich war sie gezwungen sich die Frage zu stellen, ob die neue Kriegerin Usagi diese Macht, mit der sie überfordert war, anghängt hatte, um Sailor Moon auszuschalten. Manchmal ging es eben nicht. Ein paar Mal im Jahr passierte es, dass das Amulett zu einem Zeitpunkt Alarm schlug, an welchem Akane sich einfach nicht wegteleportieren konnte. So wie gestern, als sie sich mitten in einem Referat befand und es schon peinlich genug war, das Amulett als Kettenwecker zu verkaufen, den sie falsch eingestellt hatte. Der Professor war schon wütend genug gewesen. Da konnte sie sich nicht einfach mitten im Vortrag verdrücken, ohne eine negative Note für das Seminar zu kassieren, für welches sie sich sehr angestrengt hatte. Vor einer Woche hätte sie deswegen zermalmende Schuldgefühle gehabt. Vor einer Woche gab es allerdings noch nicht den Hoffnungsschimmer, dass bei ihrer Verhinderung nicht zufällig Sailor Moon und Co. sich am Tatort befanden. Und es war tatsächlich so gewesen. Nach ihrer Vorlesung begutachtete Akane den Lebensmittelladen, in welchem Usagi arbeitete und vermutlich auch zum Rechten Zeitpunkt anwesend gewesen war. Der Grat der Zerstörung sprach jedoch dafür, dass nicht alles so gelaufen war, wie erhofft. „Dreck“, murmelte Akane. Was sie im Moment tat, ließ sich nur mit dem Wort „Stalking“ umschreiben. Ami hatte Akane Tayos Adresse nicht gewusst, konnte ihr jedoch sagen, wo sich die Galerie ihrer Schwester Rika befand, in welcher Tayo öfters arbeitete. Mit Sonnebrille und die Haare unter einem Hut versteckt lauerte sie stundenlang ihrem Opfer auf, nur um herauszufinden, dass Tayo an diesem Tag offensichtlich keinen Dienst hatte, als zur Sperrstunde nur die ältere Schwester die Galerie verließ. Immerhin konnte sie dieser zum Heim der Tayos folgen. Als Usagi jedoch vor der Tür des großen Hauses stand, zögerte sie anzuläuten. Zu Hause hatte sie noch gewusst, warum der Plan eine gute Idee war. Jetzt erschien es ihr einfach nur lächerlich. Wenn Akane nicht mit ihr reden wollte, würde sie auch in ihrem Zuhause den Mund nicht aufmachen, während sie sich noch vor ein paar Stunden hatte vorstellen können, dass Tayo in ihren eigenen vier Wänden etwas offenherziger war. Und wie sollte sie vernünftig erklären, dass sie die Adresse kannte, weil sie ihre Schwester verfolgt hatte? Und was wollte sie Akane überhaupt fragen? Schließlich schien sie ihr und ihren Freundinnen schon alles verraten zu haben, was sie wusste. Wahrscheinlich würde sie keine Antowrt darauf geben können, was das genau für eine Kraft war, die ihr und ihren Freundinnen vermacht wurden. Und welchen Rat sollte sie sich überhaupt einholen? Wie formulierte man diplomatisch, dass man vollkommen ahnungslos und überfordert war? Was... „Darf ich fragen, was Sie hier machen?“ Usagi erschrak, als Akanes ältere Schwester mit einem Messer in der Hand die Eingangstür aufriss. Sie brauchte eine Minute um Worte zu finden: „Woher wissen Sie, dass ich hier stehe?“ „Ich hab Sie vom Fenster aus gesehen. Werben Sie für Sekten? Wollen Sie mich ausrauben?“ Rika Tayo fuchtelte mit dem Messer Usagi schüttelte den Kopf. Sie hatte schon von Ami erfahren, dass Rika Tayo eine kleinere, attraktivere und, nun ja, „weibliche“ Version Akanes war, hatte aber nicht mit derselben Gabe zur Einschüchterung und derselben Portion Wahnsinn in den Auge gerechnet. Und auch nicht mit dem Hobby, Unbekannte mit einem Messer zu bedrohen. „Nein, nein. Ich... bin eine Freundin Ihrer Schwester.“ Rika Tayo musterte das Mädchen. „Ich kann mich selbst verarschen.“ „Was... nein! Wirklich! Ich bin eine Freundin von Akane. Wir kennen uns über Ami Mizuno. Ami haben Sie ja schon kennen gelernt.“ Die Frau überlegte und kaute auf ihrer Unterlippe. „Das ist dieses kleine Genie von der Uni, oder?“ Usagi nickte und lächelte. Rika rieb sich die Schläfen. „Unglaublich, da zaht die in drei Jahrn kane Freund an und jetzt glei zwa in ana Wochen.“ Mit jedem Wort verfiel sie in tieferen Osaka-Sklang. Doch als sie mit Usagi sprach, riss sie sich wieder zusammen: „Komm rein. Aki-chan musste auf die Uni und kommt wohl erst in etwa 15 Minuten nach Haus, aber Sie können gerne in ihrem Zimmer warten.“ „Oh, ich halte das für unpassend. Ich komme später wieder.“ „Wenn Sie mich schon bei der Arbeit stören, dann tun Sie auch, was ich Ihnen auftrage.“ Rika hob bedrochlich das Messer. Usagi wagte es nicht, zu widersprechen und ließ sich in das Haus zerren. „Aki-chan wohnt im ersten Stock und Sie bleiben da oben.“ Das klang wie eine Drohung. Rika schob Usagi Richtung Treppen, doch sie hatte noch genug Zeit die Zimmer im unteren Stock zu mustern. Sie waren unsauber und unordentlich. Dem feinen Auftreten von Rika Tayo hätte Usagi nie ein solches Chaos zugetraut. „Ich muss weiter an einer Vorlesung arbeiten, wehe Sie stören mich.“ Sie wedelte mit der Hand und Usagi schritt die Stufen hoch, die zu einem Gang mit zwei Türen führte. Eine führte ins Badezimmer, die andere in eine Abstellkammer und das dritte ein geräumiges Wohn- und Schlafzimmer. Als diese wieder schließen wollte, rief Rika Tayo im Anschluss: „Ach, lassen Sie sich nicht von dem Ungeziefer verängstigen. Wenn man sie in Ruhe lässt, tun sie einem nichts.“ „Ungeziefer?“ Usagi sah sich im Zimmer um. Der Leguan aus einer anderen Welt, den Tayo im Hikawa-Tempel vorgestellt hatte, war nur die Spitze des Eisberges. Usagi zählte zwei Schlangen, eine Schildkröte, fünf kleine Reptilien und zwei über ein Meter große in Akanes überraschend großem Zimmer. Usagi fühlte sie bei diesem Anblick nicht wohl, redete sich aber ein, sie müsse keine Angst haben, solange sich die Tiere ihrem Glaskäfig befanden. Sie hatte die Wahl in einem Sofasessel, einem Sofa, auf dem Bett oder in einem Schreibtischsessel Platz zu nehmen. Usagi entschied sich für den Sofasessel und sah sie noch weiter um. Das Zimmer war aufgeräumt und sauber. Das genaue Gegeteil von dem, was sie im unteren Stockwerk gesehen hatte. Außer einen Haufen Haustiere besaß Tayo ein riesgiges Bücherregal, in welchem sich hauptsächlich Science-Fictione-Romane und Mangas, sowie Sachbücher über Reptilien- und Amphibienhaltung oder Dinosaurier befanden, sowie einige Bücher über Computer und Hacken und wenige über Physik. Außerdem schien sien Fan von alter amerikanischer Rock-Musik zu sein. Es hingen Poster von Bands, die schon ihre Eltern gehört hatten, an der Wand. Sonst fand sie nur Dinge, die man in jedem Haushalt einer jungen Frau entdeckte – einen Laptop, einen Computer, einen Fernseher, einen CD-Player. Ich Blick fielen schließlich auf zwei Schnappschüsse. Usagi stand auf und begutachtete die Fotos, die säuberlich am Kleiderkasten befestigt waren. Das eine zeigte eine vierköpfige Familie. Ein stattlicher Herr mit Brille und Schnauzer umarmte mit einer Hand die etwa zwölfjährige Tochter, die eine Brille trug, die zu groß für ihr Gesicht war, und breit grinste, mit der anderen Hand eine schöne Frau, die ein verdutzt blickendes Baby im Arm hielt. Die Personen waren leicht zu erkennen – das Baby musste Akane sein, das Mädchen Rika, die Erwachsenen ihre Eltern. Die Schwestern schienen von beiden Eltern ihr Aussehen auf gleiche Art geerbt zu haben – das strenge Gesicht und den dunklen Teint von ihrem Vater, die dunklen Haare und die dunklen Augen von der Mutter. Die Eltern hatten den Schwestern jedoch je eine unterschiedliche Aura vermacht – was Usgai von Rika gesehen hatte, schrieb sie eher dem Mann zu, was sie von Akane kannte, passte eher zur Frau. Der andere Schnappschuss zeigte ein Mädchen und einen untersetzen Jungen im Cosplaykostümen, sie wollten offensichtlich irgendwelche Science-Fiction-Anime-Figuren nachahmen. Beide grinsten breit. Wäre es nicht gegen jede Logik, könnte man nicht glauben, dass dieses überaus fröhliche Mädchen die zynische Akane Tayo war. Das Foto war mit einem Datum versehen – es musste vor sieben Jahren geschossen worden sein. Usagi zuckte zusammen, als sie etwas umfallen hörte. Ausgerechnet eines der beiden Riesentiere hatte sich aus seinem Terrarium geschlichen. Es kroch zu Usagi und beäugte sie skeptisch – oder wie eine Beute. Sie hatte keine Ahnung, was diese Tiere aßen – war es möglich, dass sie auch Lebewesen in Größe eines ausgewachsenen Mädchens verzehrten? Zitternd lieferte sie sich mit der Kreatur einen Starrwettbewerb, den keiner vor hatte zu verlieren. Usagi konnte nicht abschätzen, wie lange dieser dauerte. Er wurde jedoch durch einen lauten Aufschrei beendet, der aus einem anderen Zimmer kam. „DU HAST WAS?“ Drei Sekunden später ging die Tür auf und Usagi fiel hin. Vor ihr stand Akane Tayo, die vor Wut im Flammen aufzugehen schien. Allekto redete mit Mithras gar nicht über ihren Fehlschlag, sondern ließ einen der Diener mit einer knappen Nachricht nur das Wesentliche mitteilen. Sollte er an diesem Iditionen seine Wut auslassen. Und sowieso hätte er sie nur mit Drohungen gelöchert und dadurch erfahren, was er nicht erfahren sollte, nämlich dass Sailor Moon dank des Armreifs mehr Schaden angerichtet hatte, als es ihre Schlange und die Züchtung getan hatten. Allekto wollte die Lage sich erst mit einem weiteren Ziel bestätigen lassen, ehe sie ihrem Boss etwas davon wissen ließ. Mithras würde sonst nur einen übereifrigen Plan fassen, der dazu verdammt war, zu scheitern. Zur Sicherheit war sie aber nicht nach Hause zurückgekehrt. Nach einer Nacht in einem Hotel, verkleidet als Touristin, entschied sie sich dort zuzuschlagen und zu hoffen, dass wieder Sailor Moon, nicht Sun auftauchen würde. „ANTWORTE!“, brüllte Tayo. Usagi rappelte sich auf und bemerkte gar nicht, dass sie dabei auf den Schwanz des entflohenen Reptils trat. „Deine Schwester hat mich einfach hierher geschickt. Ich wollte eh nicht in deine Privatsphäre...“ „Des hot’s scho g’sogt! Woher waast du, wo i wohn?“ Usagi biss sich auf die Lippen und blickte beschämt auf den Boden. Obwohl sie kaum verstanden hatte, was Tayo gesagt hatte, konnte sie es erahnen. „Du bist ma g’folgt!“ Als ob Tayo ihre Gedanken lesen konnte. „Meine Fresse, di soll man in’d Klapsmühle steckn.“ Usagi wurde wieder bewusst, wie dumm ihre Idee gewesen war. „Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass das unpassend war. Ich... Ich werde jetzt besser gehen.“ Ehe Usagi einen Schritt tun konnte, stellte sich Tayo vor die Tür. „Bleib. Es sei denn du willst von Rika ermordet werden.“ Usagi schaute verdutzt. „Sie tut noch so, als ob sie arbeiten würde. Da braucht man Händchen, um an ihr vorbei zu kommen. Und du hast mir schon bewiesen, dass du mit Rika nicht umgehen kannst, sonst hättest du auf dein Gewissen gehört und wärst hier nicht eingedrungen. Bleib also. Jetzt ist es eh schon wurscht.“ Tayo hob das Reptil auf, als ob es nichts Besonderes wäre, dass er sich außerhalb des Terrariums befand, und setzte sich aufs Bett. Usagi tat es ihr zögernd nach. „Wofür arbeitet deine Schwester?“ fragte Usagi um die Stimmung zu verbessern. „Dozentin an der Kunstuni. Aber wenn sie sagt, sie bereitet eine Vorlesung vor, schaut sie sich meist nackte Männer im Internet an.“ Usagi wechelste des Thema, da sie nicht einschätze konnte, ob Tayo die Aussage ernst meinte, oder nicht: „Das Vieh wollte mich fressen.“, „Er futtert ja auch nur Menschenfleisch.“ Tayo hatte dasselbe Problem mit dieser Aussage. Tayo seufzte: „Sarkasmus ist kein dir vertrautes Konzept, gell?“ Usagi schüttelte den Kopf und Akane schlug sich auf die Stirn. „Okay. Dann bemüh ich mich mal mich zusammenzureißen. Aber ich kann nichts versprechen und wenn du mich missverstehst, ist das deine Schuld.“ „Aber... dein Osaka-Dialekt... der hat auch Schuld.“ „Ach, so eine biste, gibst dir kaum Müh, mich zu verstehen... Okay dann, reiß ich mich auch diesbezüglich zusammen.“ Sie drehte den Kopf des Reptils zu Usagi. „Erkennst du ihn nicht wieder?“ Usagi schüttelte den Kopf, musste aber zugeben, dass Tayos Aussprache sich um einiges verdeutlichte. „Fetti.“ Tayo betonte jeden Buchstaben. „Äh, für mich sehen die alle gleich aus. Ich mag solche Tiere nicht.“ „Präg dir den ein, wenn du mehr mit mir zu tun haben willst.“ Pause. „Ist das der einzige Grund, warum du da bist? Banaler Smalltalk?“ Usagi schüttelte den Kopf. Sie hätte die Wartezeit besser nutzen sollen ihre Frage in angemessene Worte zu kleiden, als die Schnapschüsse zu begutachten. Jetzt wusste sie nicht anders zu beginnen als: „Wie hältst du das aus?“ „Psychopharmaka.“ Tayo biss sich auf die Lippen. „Sorry. Wie halt ich was aus?“ „Sailor Sun.“ Tayo zuckte mit den Schultern. „Ich bin einfach reingewachsen. So wie du, schätze ich einmal.“ Pause. „Aber das ist nicht das, was du meinst, hab ich Recht?“ Tayo deutete auf die Brosche, die an Usagis Dekolleté befestigt war. Sie hatte sich seit den Ereignissen im Hotel Plaza Scala optisch verändert. Die Herzform war umrandet von schwarzen und roten Sonnenstrahlen, sie glänzte nicht mehr, sondern war matt. De facto sah sie ein wenig schlichter aus, als zuvor. „Du hältst es nicht aus, gell?“, kicherte Tayo. „Du krachst zusammen, wenn du dich verwandelst und willst jetzt meinen Rat.“ Tayo fing laut an zu lachen und ließ sich auf den Rücken fallen. Sie piekste dem Leguan ins Auge. „I hab’s ja g’sagt. Aba naaaa, der Fetti muss ja immer alles tun, was ihm in den Kram passt. Da hast du jetzt deinen Salat.“ Und dann fing sie hysterisch an zu lachen. Usagi fühlte sich verletzt. Noch nie hatte jemand sie ausgelacht, wenn sie mit jemandem ihre Probleme teilte. „DU BIST GEMEIN!“ Sie war den Tränen nahe. „Sorry. Ich weiß für dich ist es tragisch, aber für mich ist lustig.“ Sie zog den Leguan am Schwanz. Jetzt fing Usagi wirklich an zu weinen. Tayo verzog das Gesicht und setzte sich auf. Da hatte es die Blondine doch tatsächlich geschafft ihr ein schlechtes Gewissen einzureden. Sie holte ihr ein Taschentuch. „Hey. Tut mir leid. Aber jetzt sind wir quitt, wegen deines Einbruchs, okay?“ Usagi nickte und wischte sich die Augen aus. Tayo berührte ihre Schultern. An der Härte der Berührung merkte man, dass sie nicht geübt im Trösten war. „Heul dich aus,“ sagte sie. Usagi schniefte: „ Ich hab zwar das Gefühl, dass mein Kostüm eine Tonne wiegt, aber das ist halb so schlimm. Es ist...“ Und dann erzählte sie die Begebenheit im Lebensmittelladen ihrer Tante. Dass Izumi plötzlich besessen war und ihre eigene Tochter bedrohte. Dass, als Sailor Moon Izumi zurückhielt, das Gorillamonster aufgetaucht war. Dass sie sich zwischen Izumi und Yuzuki entscheiden hätte müssen, wenn Tuxedo Mask nicht erschienen wäre. Dass beide schwer verletzt wurden, als sie den Stab einsetzte. Dass Izumi mit Verletzungen im Rachen, als der Stab die Schlange, die die Besessenheit verursacht hatte, aus ihr herausgezwang, wohl nie wieder sprechen könnte. Dass Yuzuki immer Brandnarben haben wird. Und dass alles ihre Schuld war. Sie fing wieder an zu weinen. Tayo hatte während der Erzählung geschwiegen und ließ Usagi einen Moment heulen, ehe sie sprach. „Also, ich versuch es dir zu erklären. Das Ding, was ihr absorbiert habt, ist eines von vier Artefakten, die einst Sunna gehörten und das Fetti Hyperion geklaut hat. Es gibt noch andere, aber die tun nix zur Sache. Der Armreif war eine überaus starke Kraftquelle von Sunna und Fetti hat sich immer geweigert, ihn mir zu geben. Jetzt habt ihr ihn am Hals. Ich schätze, dass er die Kraft ein wenig unfair aufgeteilt hat. Die eine Hälfte hast du bekommen, die zweite wird er auf die anderen Mädels und den Anzugheini aufgeteilt haben.“ Der Leguan wackelte mit Kopf. „Ich hab halbwegs den Nagel auf den Kopf getroffen“, deutete Akane. Usagi schniefte. „Und... kann ich es loswerden?“ „Woher soll ich das wissen? Mir sagt ja nie jemand was.“ Tayo kopfte beim letzten Satz den Leguan mit jeder Silbe auf den Kopf. Ihre Augen weiteten sich. „Heißt das, ich kann nie wieder meine Kräfte einsetzen, ohne jemanden zu verletzen?“ „Lass mich ausreden. Ich konnte das Armband nie tragen, weil mein Körper gleich drei Artefakte nicht ausgehalten hätte. Er hat das Stück immer als doppelt so stark beschrieben wie meine Peitsche. Sprich, hast du nur die Hälfte der Kraft vom Armreif kassiert, ist was du hast, auch nicht gefährlicher als meine Waffe.“ Usagi war verwirrt. Sie hatte Akane mit der Geißel kämpfen sehen und wäre nie auf die Idee kommen, deren Wirkung mit dem zu vergleichen, was sie in Tante Izumis Laden ausgelöst hatte. „Du hast nie jemanden schwer verletzt.“ Tayo grinste, doch es war keine Freude darin zu sehen. Das war Antwort genug. „Man wächst rein. Irgendwann kannst du’s kontrollieren. Bis dahin heißt es üben, üben, üben. Am besten mitten Kampf, am Crash-Test-Dummie bekommt man kein Gespür dafür, was der menschliche Körper ertragen kann. Oder der Gegner nicht mehr aushalten kann.“ Pause. „Ich hab’s versucht. Kein großer Erfolg.“ Ihre melancholische Stimmung war so schnell gegangen wie gekommen. Sie schlug Usagi auf die Schultern. „Viel Erfolg. Und jetzt raus.“ „Was?“ Ja, es war hilfreich, was Tayo ihr gesagt hatte. Aber mit dem Ergebnis war sie trotzdem unzufrieden. Mitten im Kampf üben? Das hieß weitere Unschuldige verletzen, ehe sie den Dreh raus hatte. „Ich kann doch nicht...“ „Keine Angst. Rika ist sicher schon fertig. Ich hör kein Stöhnen mehr.“ „Nein. Was? Äh...“ Usagi musste erst den Faden wieder aufnehmen. „Ich kann das so nicht. Vielleicht hast du es geschafft, hunderte Invaliden oder gar Tode auf deine Schultern zu laden, aber ich kann es nicht.“ „Das musst du wohl ober übel, wenn du dich nicht aus meinem Krieg raushalten möchtest.“ Pause. Ihre Miene verfinsterte sich. „Weißt du, was ich nicht verstehe? Du wolltest unbedingt mitmischen, obwohl ich dich mehrfach gewarnt hab, dich rauszuhalten. Jetzt hast du alle Vorrausetzungen und quengelst nur rum, weil es nicht läuft, wie du es dir vorgestellt hast. Sieh doch lieber das Positive, dass du jetzt wirklich etwas ausrichten kannst, anstelle mir nur die Arbeit zu erschweren.“ Da war er wieder, der überhebliche Tonfall, der Usagi und die anderen als inkompetente Anfängerinnen abstempelte. Usagi fiel wieder in ihren Heulkrampf zurück. „Hör auf mit mir so zu reden.“ „Wie?“ „Wie mit einer unfähigen Idiotin.“ „Das bist du.“ Das saß und den nachfolgenden Satz nahm Usagi nicht als Abschäwchung war. „Zumindest in meinem Krieg. Weswegen würdest du sonst zu mir heulen kommen?“ Pause, Tayo begutachtete Usagis wachsende Verzweiflung. Doch das gab ihr keinen Anlass dafür, ihre Worte zu mildern: „Ich hab dir gesagt, halt dich da raus. Doch jetzt bist du mitten drin und musst akzeptieren, dass die Zeit, in der es keine Opfer mehr gibt, ein Ende hat. Es wird Verluste geben, auch persönliche. Ich habe mehr als genug miterlebt.“ „VIELLEICHT, WEIL DU EINE UNFÄHIGE IDIOTIN BIST!“ Unfähige Idiotin. Ja, Usagi hatte in vielen Dingen versagt. Mittelmäßiger Schulabschluss, kein Studium, keine Arbeit mehr, seit Izumi im Krankenhaus lag. Und jetzt verhielt sich auch ihr Verlobter auch noch seltsam. Sie hatte aber noch nie als Sailor Moon versagt. Bis jetzt. Das gestrige war ihr erstes Mal gewesen. Es war eine Frechheit, was diese Frau ihr vorwarf. Akane Tayo dachte wohl ähnliches. „Raus.“ Sie zeigte zur Tür. „Und wag es nie wieder mich umd Rat oder Hilfe anzuflehen. Mach es besser, wenn du kannst.“ Das ließ sich Usagi nicht zweimal sagen. Heulend rannte sie aus der Wohnung der Tayos. Akane setzte sich neben den Leguan. „War ich zu direkt?“ Er züngelte. „Von wem hätte sie es sonst hören sollen?“ Er züngelte wieder. „Jetzt mach mir kein schlechtes Gewissen.“ Sie nahm ein Buch in die Hand und versuchte vergeblich sich damit abzulenken. Eine halbe Stunde später schlug das Amulett Alarm. Akane blickte zu dem Leguan. „Ay, ay, Captain.“ Das Problem war schließlich, dass auch sie ein Ziel hatte. Opfer so unbeschadet wie möglich zu retten, sah sie als Ding der Unmöglichkeit, so wenige wie möglich jedoch nicht. Ganz ohne Lehre wollte sie Sailor Moon aber doch heute nicht schlafen gehen lassen. Sie wurde wegteleportiert. Sie rannte ziellos durch die Straßen, ehe ihr Atmen sie in Stich ließ. „Frechheit!“, Usagi schlug mit der Faust gegen eine Hauswand, doch der Schmerz brachte keine Linderung für ihre Verzweiflung. „Wie kann sie nur so arrogant sein? Was macht sie überlegener? Sie ist nicht viel älter, nicht viel erfahrener und sie ist auch nicht mehr viel stärker als ich. Sie...“ Hat kannte einfach die Situation um einiges besser. Usagi musste nachdenken. Zu Hause wollte sie dies aber nicht tun, ihre deprimierte Familie brauchte das Häufchen Elend, das sie gerade war, nicht. Und sie hatte Durst vom langen Laufen. Zum Glück hatte sie gerade an der Mauer eines Hotels ihre Wut ausgelassen, dessen Hotelbar, wie ein Schild ankündigte, bereits geöffnet hatte. Es sah fein aus. Die Preise hatten es sicherlich in sich, aber das war ihr im Moment egal. Sie setzte sich an die Bar. Die Dame dahinter war einigermaßen überrascht, als der Gast sich kein alkoholisches Getränk orderte, sondern einen Kakao. Da es keinen im Angebot gab, bestellte Usagi einen Kaffee. Barkeeper intessierten sich wirklich nicht dafür, wie es den Gästen ging. Die Dame ignorierte Usagis Schluchzen und sie war ihr dafür dankbar. Eigentlich hatte Tayo viele Wahrheiten gesagt. Ja, Tayo hatte sie mehrfach gewarnt und Usagi hatte nicht auf sie gehört, sich einzumischen, obwohl die Unterlegenheit offensichtlich war. Ihre neue, unkonrollierbare Stärke war wohl das Resultat aus diesem unüberlegten Wunsch. Sie hatte kein Recht rumzuheulen. Ja, sie war in Bezug auf den neuen Feind, aber auch der neuen Kraft unerfahren und Akane hatte ein gutes Recht, auf sie herabzublicken. Aber Nein, die Zeit in welcher keine unschuldigen verletzt werden würden, war nicht vorbei. Sie würde wieder anfangen. Vielleicht war Akane nur zu resigniert, um keine Verletzten zu riskieren. Wäre sie in den vergangenen Fällen früher gekommen oder hätte sie sich anders Verhalten, so wären nie solche Eskalationen passiert. Nanami hätte nicht ins Krankenhaus müssen, Mamorus Wohnung wäre nicht zerstört worden, das Holtel Plaza Scala wäre nie niedergebrannt, eine von Amis Chefen müsste jetzt nicht zum Psychiater. Verdammt, wäre Tayo gestern aufgetaucht, wären Izumi und Yuzuki nie so schlimm zugerichtet worden. Wo war diese fahrlässige Person gestern eigentlich geblieben? Erst jetzt kam Usgai dieser Gedanke... Ja, Tayo mochte mehr Durchblick haben, doch sie war auch fahrlässig. Usagi konnte und wollte nicht akzeptieren, dass kein unschuldiger zu Schaden kommen würde. Nie würde sie das zulassen. Auch wenn das hieß, dass sie die Macht des Mondes nie wieder einsetzen konnte. Dicke Tränen rannetn ihr über die Wangen. „Igitt, was macht eine Schlange hier?“, gab die Barkeeperin plötzlich von sich. Usagi wurde hellhörig. Tante Izumi hatte gestern etwas Ähnliches gesagt. Usagi war mehr als froh, dass es in der Bar wegen der frühen Uhrzeit keine weiteren Gäste gab. Sie rannte aufs WC, als der Blick der Frau glasig wurde und sie eine volle Whiskeyflasche an der Theke zerschlug. Ähnliches hatte Tante Izumi getan. Ich schaff das, dachte sie. Ich darf bloß nicht meinen Stab einsetzen. Ich kann versuchen einen Weg zu finden, wie ich sie sonst besiegen kann. „Macht der Mondnebel, mach auf!“ Als sie zurückkehrte, stand die Frau auf der Bartheke, in einer Hand die zerbrochene Flasche, in der anderen eine große Scherbe. Die Flasche schmiss sie nach Sailor Moon, die nur um haaresbreite ausweichen konnte. Leeren Blickes führte daraufhin die Frau die Glasscherbe zu ihrer Kehle, irgendetwas flüsternd. „NEIN!“, rief Sailor Moon. Keine Verletzten, das war ihr Ziel. Sie rannte auf die Frau zu und riss sie mit ihrem ganzen Körper von der Theke, ehe sie sich verletzten konnte. Doch durch Besessenheit war die Barkeeperin nicht nur verrückt geworden, sondern auch stärker. Wie Tante Izumi. Mit einem festen Tritt schleuderte Sailor Moon durch die komplette Bar. Sailor Moon rappelte sich auf. Inzwischen hatte sich die Frau eine neue Scherbe geholt und berdrohte damit ihr Handgelenk. „Hör auf!“ Und jetzt konnte sie die Worte der Frau verstehen: „Hilf mir.“ Auf jeden Fall. Sailor Moon packte den Arm der Frau, doch diese war zu stark und warf die Kriegerin gegen ein Regal, angefüllt mit Glasflaschen. Sailor Moon trug mehrere Schnittverletzungen davon, die sie aber kaum störten. Sie fühlte sich nahezu unverwundbar und Verletzungen machten ihr nicht mehr aus. Wohl der einzige positive Efekt ihres Kraftschubs. Die Frau begann wieder mit ihrer suizidalen Handlung, erneut flüsternd: „Hilf mir.“ Und wieder begann das Ringen zwischen den beiden. Usagi gelang es diesmal der Besessenen die Scherbe zu entreißen. Doch wieder wurde sie von gegen eine Wand geschmissen und landete hart auf den Boden. Direkt vor den Springerstiefeln von Sailor Sun. „Guck guck.“ Sie packte Sailor Moons Arm und zog sie hoch. „Tolles Dress, gell? Macht nahezu unverwundbar.“ „Bist du hier, um mir zu helfen?“ „Nennen wir es so. Dreh dich mal um.“ Die Barkeeperin war auf die Decke gesprungen und krabbelte verkehrt zu dem Scherbenhaufen, der einst ein Glaskasten und Flaschen gewesen war. „Fang sie.“ Sailor Moon missfiel der Befehl massiv, doch sie reagierte. Und wenn Sun sie nicht vorgwarnt hätte, wäre sie zu spät gekommen und die Barkeeperin wohl wirklich in den Scherbenhaufen gefallen. Sailor Moon erlitt weitere Wunden, doch es störte sie nicht. „Halt sie fest. Richtig fest.“ Doch dafür war sie zu langsam. Die besessene Frau krabbelte plötzlich auf allen Vieren Richtung Sailor Sun, die nur mit einem gelangweilten Tritt reagierte und so die Barkeeperin von ihr wegbeförderte. Sailor Moon starrte entsetzt auf die Flugrichtung der Frau, bis sie gegen einen Stuhl krachte. „Wie kannst du...“ „Lektion Nummer eins: Dem Feind ist scheißegal, wie es seinen Opfern geht, er quält sie, nutzt sie als Schutzschild, alles mögliche, nur für seinen Vorteil.“ „Aber...“ „Lektion Nummer zwei: Deine Unversehrheit ist wichtiger, als das der Opfer. Sonst überlebt keiner von euch.“ Mit einem Schrei sprang die Frau auf ihre Beine. Ihre Augen glühten rot und sie atmete so laut und tief, dass ihr ganzer Körper sich mitbewegte. Schließlich machte sie den Mund auf – eine schwarze Flüssigkeit tropfte heraus und bildete eine immer größer werdende Pfütze auf den Boden, die die Form einer Spinne annahm. Die Flüssigkeit wurde zum Festkörper. Eine riesige Spinne mit Schnabel richtete sich vor den beiden auf. Und die Barkeeperin kehrte zu ihrem suizidalen Verhalten zurück. Ihr Werkzeug war diesmal ein Tischbein, mit dem sich gegen den eigenen Kopf schlagen wollte. Sailor Sun eilte los. Ihre Geißel knallte gegen das Spinnenmonster und schlang sich in derselben Bewegung um die Brust und Arme der Barkeeperin. Sie war bewegungsfähig. Und neben den Fesseln kam noch hinzu, dass Sun ihren Hinterkopf packte und die Handgelenke mit ihren Händen umfasste. Schreiend versuchte sich die besessene Frau loszureißen, doch sie war gefangen. Sailor Moon starrte gebannt das Szenario an. In dem Moment verstand sie, wie routiniert Sailor Sun war. „Lektion Nummer drei,“ rief Sun, „ZIELEN!“ Das riss Sailor Moon aus ihrem Erstaunen. „Ich soll...“ Die Spinne schüttelte sich. Der Hieb war leicht gewesen und hatte sie bloß verwirrt. Und jetzt wusste sie nicht, welcher Kriegerin sie sich widmen sollte. „Ja, du sollst. Ziel einfach! Dann bündelst du die Macht auf einen Punkt und die Trulla hier bleibt unverletzt.“ Das Spinnenmonster entschied sich für Sailor Sun, der in diesem Moment schlecht wurde. Mit der Frau in Gefangengschaft, die sich absichtlich immer mehr die Peitsche ins Fleisch schnitt und nicht aus den Augen gelassen werden sollte, war es schwer sich zu wehren. „ZIEL!“ Sailor Moon verstand, dass sie keine Wahl hatte. Zitternd hob sie den Stab. „Mondlicht der Liebe, sieg!“ Sailor Sun verstand, warum Tsukino nun Angst vor sich selbst hatte. Hatte sie anfangs schließlich auch gehabt, hätte ihr Maestro sie nicht von Anfang an die Hand genommen. Allein wie Tsukino sich bei der Beschörungsformel gebar, gab Auskunft, dass hatte sie keine Ahnung hatte, was sie da in sich hatte. Das hatte Sailor Sun Anfangs auch nicht gewusst, hatte es aber dank ihres Maestros gelernt. Deswegen verstand sie nicht, warum die blöde Kuh ihren Rat nicht befolgte. Sailor Sun wollte sich Tsukinos Reaktion nicht ausmalen, wenn sie noch einmal einen Menschen schwer verletzte. Sie sah deswegen keine andere Wahl als sich schützend vor die Frau zu werfen. Und die ganze Kraft zu ertragen war selbst in ihrer Uniform kaum möglich. Das Licht brannte auf ihrer Haut wie Feuer, selbst ihre Augenbälle schienen in Flammen zu stehen. Sekunden bekam sie keine Luft mehr. Doch das Resultat war wie erwartet. Das Monster war tot. Die Frau würgte die Schlange aus, die sie mit der bösen Macht infiziert hatte – sie wurde ihr nicht brutal durch Kraft heraugerissen, dass sie innere Verletzungen davontrug. Sun zertrat das Ding damit es keinen Schaden mehr anstellen konnte. Dabei merkte sie, dass ihre Haut rauchte, aber immerhin nicht verbrannt war Tsukino hier sich entsetzt die Hand vor den Mund. „Es tut mir leid... geht es dir gut?“ „Nein. Ich versuche gerade, geduldig mit dir zu sein.“ Sie atmete dreimal tief durch, doch das besserte ihre Verfassung nicht. Sie brüllte: „DU BEGRIFFSSTUTZIGE... Verdammt, ich weiß gar nicht, welche Beleidigung grad am besten zu dir passt, für so ein dummes ... argh!“ Sie raufte sich die Haare. „Wenn ich sage ‚ziel’, dann zielst du und schmeißt nicht mit einer Energie, die für viel Schlimmeres gedacht ist als dieses Kanonenfutter von heute, durch die Gegend rum!“ Tsukino fing wieder an zu weinen, doch diesmal ließ es Sailor Sun kalt. „Hör auf, du bist selbst Schuld, wenn du meine Anweisungen nicht befolgen kannst.“ Sie fiel auf die Knie. „Es... tut mir leid... aber mir ging alles zu schnell!“ „Jaja.“ Sailor Sun stampfte wütend an Tsukino vorbei, deren Gefühllage schenkte sie keine Beachtung. Im Gehen sagte Sun: „Hoffe, du hast was draus gelernt, du miese... was auch immer!“ Es war die erste Niederlage, die Allekto nicht bereute. Obwohl Sailor Sun über den Weg gelaufen war, hatte sich ihre Vermutung bestätigt. Sailor Moon war überfordert. Und damit mehr alsnur verwundbar. Abgesehen von ein paar Blutergüssen war die Barkeeperin unverletzt. Sailor Sun hatte sich vor sich geworfen und sie vor Sailor Moon beschützt. Sailor Sun hatte dafür gesorgt, dass die Unschuldige unverletzt blieb. Denn Sailor Moon hatte versagt. Kapitel 11: Ein Tag im Leben der Michiru Kaioh ---------------------------------------------- Bin ich eine Betrügerin, wenn ich zugebe, dass ich nicht Musik der Musik wegen spiele? Nicht um die Erinnerungen an Bach, Vivaldi und vieler anderer musikalischer Genies zu bewahren? Auch nicht für, weil Musik mich glücklich macht? Sondern um mich selbst in den Mittelpunkt zu rücken und verehrt zu werden? Das letzte Mal glitt der Geigenbogen über die Saiten. Der letzte Ton war gespielt worden. Danach herrschte sekundenlange Stille, ehe das Publikum mit einem tosenden Applaus und stehenden Ovationen Michiru Kaiohs Spiel feierte. Sie verbeugte sich mit einem Lächeln auf den Lippen, in dem all ihr Charme steckte. Das ist es, was ich will. Gefeiert und geliebt werden von Menschen, die ich hasse. Denn so können sie ihre Bewunderung am schnellesten zeigen und eingestehen, dass ich etwas Besseres bin. Das Klatschen schien kein Ende zu nehmen. Wenn ich Menschen als Maden bezeichne, so ist es eine Beleidigung für diese Tiere. Und es ist mein gutes Recht, dies zu behaupten. Ich bin dafür geboren worden, die Menschheit zu beschützen und zu retten. Schon oft tat ich es. Und keiner weiß es. Doch selbst wenn sie wüssten, wie nahe die Menschen schon der Auslöschung waren, so würden sie nicht davor zurückschrecken weiterhin Verbrechen zu begehen – stehlen, morden, vergewaltigen, Kriege führen. Michiru Kaioh verließ die Bühne, noch ehe das Klatschen ein Ende genommen hatte. Ich erhalte keinen Dank dafür mein Leben aufs Spiel gesetzt zu haben für Lebewesen, die ihr Leben und das der anderen nicht zu würdigen wissen. Also muss ich mir Ehrung auf anderen Weg holen. Indem ich Geige spiele und male und so der Welt zeige, dass ich zwei Talente habe, von denen die meisten nicht einen Bruchteil ihr eigen nennen können. Ich demütige sie mit meiner Präsenz. Und dafür verehren sie mich. Sobald sie die Bühne verlassen hatte, kam ihr schon der erste Journalist entgegen. Im Endeffekt ist es mir egal, ob sie mich wegen meiner Fähigkeiten und wegen meiner Rettertätigkeit verehren. Sie sollen nur demütig sein und sich wie ein nichts fühlen. „Frau Kaioh!“ Der Journalist hielt ihr ein Mirkophon hin. „Fühlen sie sich gut? Sind sie zufrieden mit dem heutigen Auftritt und den Reaktionen des Publikums? War die Ausstattung so, wie sie es erhofft hatten?“ Michiru lächelte den Mann mitte dreißig an, der sich hier unrechtmäßigerweise eingeschlichen haben durfte, weil in diesem Bereich keine Journalsten erlaubt waren. Trotzdem antwortete sie höflich: „Das sind aber viele Fragen auf einmal. Aber ich beantworte sie alle drei mit ja. Gestatten Sie nun bitte.“ Mit einer eleganten Bewegung schob sie den Mann bei Seite. Mit der anderen Hand vollzog sie eine Geste, die dem Mann klar mitteilte, dass sie keine anderen Fragen mehr beantworten wollte. Erstaunt über die Aura der jungen Frau, unterließ er es auch, obwohl er noch viel wissen wollte. Ich war auf der Suche nach Talismanen in reinen Herzen. Gefunden wurde einer von ihnen in meinen. Im Herzen der Weltretterin. Ist das nicht Beweis genug, dass kein anderer Mensch würdig erscheint, außer jener, der sich der Bewahrung krimineller Persönlichkeiten verschrieben haben? Michiru betrat ihre Garderobe und betrachtete im kleinen, blauen Handspiegel, den sie immer bei sich hatte, kritisch ihr Gesicht. Die beiden weiteren Talismane fanden sich in den reinen Herzen meiner Mitkämpferinnen. Sich der gefährlichen Mission anzuschließen wagten sich nur jene, die es gewohnt waren, den Kampf gegen den Untergang der Menschheit anzunehmen. Es sind die einzigen Menschen von denen ich behaupte, sie hätten reine Herzen, ohne einen Beweis gesehen zu haben. Es war nicht Michiru Kaioh, die zurückblickte, es war Sailor Neptun. In meiner Enttäuschung würde ich nun nicht mehr für diese Menschheit kämpfen. Ich würde nur mehr für die Prinzessin kämpfen, welche all das Schlechte in dieser Welt ausrotten wird. Michiru seufzte und legte den Handspiegel bei Seite um in den Ganzkörperspiegel zu schauen, der die Michiru zeigte, die gerade in einem seidenen blauen Kleid vor über tausend Menschen Violine gespielt hatte. Es war das erste anbendfüllende Musikstück gewesen, das sie selbst komponiert hatte. Die heutige Prämiere war ausverkauft und nicht nur Musikexperten waren anwesend, sondern auch ein junges Publikum, das sonst lieber Pop oder Rock hörte. Es hat wohl nicht nur die Tatsache, dass sie die jüngste Japanerin war, die auf europäischen Bühnen den „Hummelflug“ interpretiert hat, sondern auch ihre Jugend, Schönheit und Intelligenz ihre Popularirär hervorgerufen, wohl der Grund, warum sie auch bei Leuten sehr beliebt war, die sonst kein Interesse für europäische Klassik hatten. Sie musste sich unweigerlich fragen, ob sie genau so viele Menschen bejubelt hätten, wäre sie klein und dick gewesen. Doch irgendwie bekümmert es mich, dass der einzige Mensch, dessen Ehrerbietung ich nicht möchte, nicht anwesend war. Der einzige Mensch, für den ich spiele, damit ich ihm Freude mache, nicht um ihn indirekt zu demütigen. Aber das habe ich mir wohl selbst zuzuschreiben. „Was soll das heißen, du ziehst in die USA?“, brüllte ich. Es war das erste Mal, dass ich in unserer Beziehung die Stimme erhob. „Und was soll heißen, ich soll mitkommen? Erinnerst du dich an deine Reaktion, als ich nach England ziehen wollte? Ich hätte im English Chamber Orchestra erste Geige spielen können und habe deinetwegen abgelehnt. Und jetzt willst du, dass ich meine Karriere aufgebe für eine deiner Sportschnapsideen, die du nur ein Jahr durchhalten wirst?“ Sie sah mich weiterhin so ruhig an, als ob wir uns nicht im Streit befänden. „Du weißt, dass wir damals wegen Galaxia nicht umziehen konnten. Jetzt steht nichts im Wege.“ Dieser Hinweis machte mich nur wütenden. „Mag sein. Doch das heißt, da wir nicht mehr als Sailorkriegerinnen aktiv sind, ich auf meine Träume einfach verzichten soll? In zwei Monaten wird eine Austellung im Museum für Moderne Kunst, wo auch meine Arbeiten vertreten sein werden, eröffnet. Soll ich darauf verzichten, nur weil keine außerirdische Gefahr mehr droht?“ „Und ich soll auf meine Träume verzichten, nur weil du hysterisch wirst und die ganzen damaligen Umstände vergisst.“ Ihre Mimik blieb unverändert. „Außerdem habe ich dir bloß die Option gegeben, mitzukommen. Ich zwinge dich nicht.“ Nun waren mir die Tränen gekommen. „Ich habe das Gefühl, du willst gar nicht das ich mitkomme.“ Endlich war ein Hauch von Emotion in ihrem Gesicht zu sehen. Sie schwieg eine Weile, bis sie sagte: „So einfach ist es nicht. Ich will, dass du mitkommst, weil ich die Sitation hier mit dir nicht mehr aushalte.“ Ich schniefte: „Wegen meiner Eltern?“ „Wegen deiner Eltern.“ Damit war die Diskussion über Karriere- und Chancenverzicht beendet und nahm andere Themen auf. Ich kann mich nicht mehr an den Wortlaut erinnern, doch wir stritten lange. Wir diskutierten, dass sie für mich den Kontakt mit ihrer Familie abgebrochen hatte, und dass ich noch immer nicht im Kauf genommen habe, den Kontakt zu meiner abzubrechen, für sie. Schließlich sei ich selbstständig genug um nicht mehr auf sie angewiesen zu sein. Am Ende waren wir uns einig – sie gestand für mich auf ihre Familie verzichtet zu haben, würde aber nie ihre Leidenschaften meinetwegen aufgeben. Und ich gestand auch ein zweites Mal auf meine Zukunft als Geigerin und Malerin verzichten zu können, nur für sie. Doch meine Eltern, ohne deren Förderung ich nie die Person wäre, die ich bin, konnte ich einfach nicht aus meinem Leben streichen. Wir gingen mit Gefühl auseinander, alles gesagt zu haben. Trotz unserer Überzeugung, dass es das richtige war, schmerzte die Trennung. Das war vor zwei Jahren. Meine Eltern hätten nie eine Frau an meiner Seite akzeptiert. Meine Mutter war Diplomatin in Indien, bevor sie meinen Vater kennen lernte und sich heute für eine kulturelle Verständigung zwischen den beiden Staaten einsetzt. Mein Vater ist Rechtsanwalt, der sich seit seinem Studium gegen Walfang einsetzt und meist monatelang auf Umweltkongressen weltweit befindet. Trotzdem ist das Haus meiner Eltern konservativ eingestellt, zumal meine politisch aktiven Großeltern große Macht ausüben. Zu meinem älteren Bruder brachen sie den Kontakt ab, weil er ein Mädchen heiratete, die aus einer Arbeiterfamilie stammte. Eine homosexuelle Beziehung würden die beiden nie und nimmer akzeptieren. Haben meine Eltern reine Herzen? Kurz nach der Trennung lernte ich Masaru kennen. Er sollte mich bei einem Konzert am Cello unterstützen. Obwohl er keine Sportskanone und etwas untersetzt ist, erinnert er mich an sie. Wohl wegen derselben Verbissenheit und den Trieb zum Perfektionismus. Wie sie kämpft er für seine Leidenschaft, dem Cello, würde auf alles dafür verzichten und jedes Opfer in Kauf nehmen, das notwendig war – so schaffte er es, trotz eher mageren Talents, durch viel Üben und viel Zeiaufwandt zu einem der bekanntesten Cellisten der Stadt zu werden. Er kann sehr cholerisch werden, wenn man ihn defamiert, zumal er nie einen Fehler machte, den andere bemerken konnten. Trotzdem hat er eine sehr sanfte Seite. Masaru würde – außer seiner Karriere – alles für mich geben, selbst sein Leben. Er ist ein starker Mann, der mich beschützen kann, doch auch einer, der sich beschützen lässt, wenn er einsieht, dass er es nötig hat. Er neidet nicht, weil er eine Frau an seiner Seite hat, die ihn, obwohl sechs Jahre jünger, schon überholt hat. Wegen seiner versteht er auch meine Zielstrebigkeit, so freut er sich für meine Erfolge. Solange ich ihm nicht im Weg stehe. Hat Masaru ein reines Herz? Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe. Doch ich fühle mich bei ihm geborgen und habe deswegen angenommen, als er mir vor vier Monaten einen Heiratsantrag machte. Michiru blickte noch einmal in den blauen Handspiegel. Sie sah wieder Sailor Neptun. Irgendwie habe ich meine zweite Identität schon fast vergessen. Selbst mein Spiegel hat mich daran nicht mehr erinnert, solange habe ich schon darin nichts mehr gesehen außer meinem Ebenbild. Dabei sollte mich dieser Hinweis nicht überraschen. Bei der Feier im Hotel Plaza Scala spürte ich schließlich, wie etwas Mächtiges in mich einfuhr, eine Energie, die ich bis jetzt nicht gespürt habe. Wohlig und zugleich bedrohlich. Und ich bin mir sicher, Usagi Tsukino und den anderen Mädchen, die zufällig anwesend waren, ist gleiches widerfahren, doch um mein Doppelleben vor Masaru geheim zu halten, konnte ich nicht weiter recherchieren. Dann kam der Traum – undeutliche Silouetten, deren Bewegungen an einen Kampf erinnerten. Am Ende formten sie sich zu einer einzelnen Gestalt, die eine Peitsche schwang. Ein Schrei etönte und der Traum ging über in ein seltsames Szenario mit Reptilien. Ich tat alles als klassische Quellen für die Surrealisten ab. Es war wegen der Prämiere zu viel zu tun, sodass ich meine eigene hellseherische Gabe vergaß. Es war eine Vision. Eine, die ich wohl noch öfter sehen muss, bis ich sie verstehe. Doch der Anblick von Sailor Neptun lässt mich nun wieder denken, dass ich mein altes Doppelleben wieder antreten muss. Närrische Frau, da sagte sie, sie könne nun abreisen, weil keine Gefahr mehr drohe – dass eine neue kommen könnte, hat sie wohl nie bedacht. In dem Moment ging die Tür auf. Masaru trat ein und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du warst toll“, sagte er. „Das Publikum ist dir zu Füßen gelegen. Jeder wollte so sein wie du.“ Michiru lächelte stolz und küsste ihren Verlobten auf die Lippen. Genau das war, was sie hören wollte. „Die Presse wartet schon ganz ungeldudig. Wird Zeit, dass du dich ihnen stellst.“ „Leider. Dabei hätte ich noch gerne etwas Ruhe.“ Die Presse gehörte zu den Schattenseiten, wenn man alle Menschen demütigen konnte. Sie hasste es, die dummen Fragen beantworten und den Rat ihres Managers dabei zu beachten, nicht zu herablassend zu werden. Masaru, der ihre Ablehnung nur zu gut kannte, nahm sie sanft bei der Hand und führte sie in die Horde. „Kam die Inspiration während Ihres Aufenthalts in Russland?“ „Wer war ihr größter musikalischer Einfluss?“ „Steht die Musik im Zusammenhang mit ihren Bildern?“ „Werden Sie die Komposition mit Bildern untermalen?“ „Wann werden Sie heiraten?“ „Sind Sie schwanger?“ „Schlafen Sie noch genug?“ Die Pressestunde empfand Michiru als anstrengender als die eineinhalb Stunden, die sie hoch konzentriert auf der Bühne gestanden hatte. Besonders nervten sie die sinnlosen Fragen um ihr Privatleben, über das sie grundsätzlich nichts preisgab und mit kurzen „Ja“- und „Nein“-Antworten abwehrte. Es war eine Erleichterung, als sie das blaue Seienkleid endlich verlassen konnte und in einen bequemen Rock und ein kuscheliges T-Shirt schlüpfen konnte. In der Limousine telefonierte Michiru mit ihrer Mutter. Sie befand sich bei einem Treffen mit einem Delegierten aus Indien in Kyoto, weswegen sie nicht zur Prämiere hatte erscheinen können. Daher musste sie jedes Detail schildern, ehe eine Übertragung im Fernsehen passieren würde und ihre Eltern den Glanz ihrer Tochter erleben konnten. Ihre Mutter unterbrach sie nur mit stolzen „Ohs“. Michiru wäre schon gerne im Bett gewesen, doch das Gespräch mit ihrer Mutter erheiterte sie. Nachdem sie aufgelegt hatte, lächelte Masaru. „Mütter,“ schmunzelte er. Sie nickte und legte mit einem dezenten Gähnen den Kopf auf seine Schulter. „Bist du so erschöpft?“ „Ich fühle mich, als hätte der Tag schon achtundvierzig Stunden.“ „Schade. Eigentlich hatte ich zu Hause eine kleine Überraschung für uns geplant.“ Michiru lächelte. „Es tut mir leid. Ich bin wirklich nicht in Stimmung.“ „Ich habe eigentlich ein gutes, ungesundes Esses und einen dummen Liebesfilm gemeint.“ Er küsste sie auf die Stirn. Masaru kannte sie wohl ein wenig besser, als sie stets vermutete. Mit dummen Liebesfilmen konnte sie am besten den Kopf entspannen. Und Essen war wirklich keine schlechte Idee. Es war nach elf Uhr und sie hatte seit Mittags nur ein mageres Sandwich gegessen. Michiru kramte er den Handpsiegel aus ihrer Handtasche. Vielleicht hatte sie etwas im Auge. Oder es war ein bloßer Instinkt. Sie sah nicht ihr Gesicht. Sie sah auch nicht Sailor Neptun. Sie sah eine Tankstelle. Und zwar die, in die der Chauffeur gerade einbog. „Verzeihen Sie, Frau Kaioh, ich habe vorhin leider vergessen zu tanken.“ Das Bild änderte sich. Sie sah das Innere der Tankstelle. Und es befanden sich Sailor Moon und die anderen Mädchen dort. Alle fünf in veränderten Uniformen. „Dass das nicht wieder vorkommt“, knurrte Masaru, der Perfektionist, der Fehler auch bei Angestellten nicht ausstehen konnte. „Nein, ist kein Problem. Ich muss sowieso kurz die Damentoilette aufsuchen.“ „Eine Tankstellentoilette?“, wunderte sich Masaru. „Wir sind in fünfzehn Minuten zu Hause.“ „Es war ein langer Tag“, murmelte Michiru und verschwand aus der Limousine, sich über die dämliche Ausrede ärgernd. Die Tankstelle hatte Glastüren – durch diese bekam der Chauffeur, der mit dem Zapfsäule beschäftigt war und sich über eine Fehlfunktion ärgerte, nicht mit, was sich im Inneren abspielte. Michiru hingegen, die davor stehen blieb, versuchte so viele Details wie möglich zu erhaschen. Alle sechs waren anwesend in änhlich brenzligen Situationen, wie Michiru die Mädchen und den Prinzen schon öfters vorgefunden hatte. Ein aus einer wabbligen Flüssigkeit bestehendes Ungetüm hatte seine Tentakel um die Hälser von Merkur, Mars, Jupiter und Venus geschlungen. Eine Frau mit Schlangenhaaren bedrohte mit ihren Krallen eine Tankwartin – eine ihrer Haare biss in Tuxedo Masks Kehle. Sailor Moon starrte mit Entsetzen auf das Szenario. Das befremdliche an der Situation war eine weitere Sailorkriegerinnen mit einer Peitsche, deren Aura keiner der anderen ähnelte. Der Spiegel hatte Michiru nicht auf ihren Anblick vorbereitet. Selbst durch die dicke Glastür konnte sie die Unbekannte brüllen hören, dass Sailor Moon etwas tun sollte. „Frau Kaioh sind sie schon fertig?“ Michiru zuckte zusammen, als der Chauffeur sie an den Schultern berührte. Seine Worte waren genug die Frau mit Schlangenhaaren auf sie und ihren Angestellten aufmerksam zu machen. „Laufen Sie!“, rief sie unverzüglich. Wie gerne wäre sie nicht einfach nur geflohen, wenn die Prinzessin in Gefahr war. Aber die Situation erlaubte es nicht. Die Glastür zersplitterte. Michiru hatte schnell genug reagiert. Der Chauffeur hatte weniger Glück. Der Tentakel verfehlte sie, doch das Ungeheuer verschluckte ihn mit seinem flüssigen Körper und Auflösungsprozess begann. Sie eilte weiter zur Limousine. Masaru war inzwischen herausgeeilt. „Was ist da los?“ „Ein Überf...“ Sie spürte die Tentakel um ihre Hüften. Durch eine Absorbtion geschah nicht. Mit einem Knall zerplatze das Ungeheuer auf der Stelle. Michiru wandte sich um. Ihre Retterin war die Kriegerin mit der Peitsche. Doch ihr blieb nicht viel Zeit um die unbekannte zu mustern. Sie rannte zurück in die Tankstelle, als Sailor Moon Mamorus Namen brülle. „TU WAS, DU LAHME KUH!“, schrie die unbekannte zurück. Es sah aus, als hätte die Luft im Inneren der Tankstelle einen Riss bekommen. Die Frau mit den Schlangenhaaren wollte den Prinzen durch diesen ziehen, doch Sailor Moon hielt Tuxedo Mask an den Beinen fest. Sie konnte kaum mit ihren Stiefeln die Position halten – bald würde sie mitgerissen werden. Michiru hörte ein Lachen. „Ist dir etwas passiert?“ Masaru half Michiru wieder auf die Beine. „Verdammt, was geht hier vor? Das ist kein normaler Überfall.“ Michiru nickte. Die Reste des flüssigen Monsters waren nur schwer zu erklären. Sie konnte noch beobachten, wie die unbekannte Kriegerin Sailor Moon mit einer Hand ziehen zu helfen begann. Mit der anderen schlug sie mit der Peitsche in den Riss. Dann ertönte ein Schrei. Michiru hörte diesen, als Masaru sie wieder in die Limousine gebracht hatte. Er setzte sich ans Steuer und fuhr los. Wo der Chafffeur geblieben war, interessierte ihn nicht. „Was war das?“ Er fuhr viel zu schnell. Das Szenario hatte ihn wohl mehr zugesetzt, als es erst den Anschein geweckt hatte. „Ich weiß es nicht“, log Michiru. „Weißt du, was ich glaube“, keuchte Masaru. „Vor ein paar Jahren. Da gab es diese Superheldinnen. Schlag mich tot wie sie hießen. Aber sie haben irgendwelche übernatürlichen Masaker oder so vereitelt, die bis heute nicht aufgeklärt werden konnten. Ich glaube in so etwas sind wir gerade reingeraten.“ „Mag sein.“ Er wusste gar nicht, wie gut er die Wahrheit erraten hatte, und Michiru würde es ihm auch nicht sagen. „Wir sollten auf alle Fälle zur Polizei.“ Pause. „Aber ich bringe dich zuerst nach Hause, du brauchst Ruhe.“ Sie bezweifelte, dass dies ein gutes Vorgehen war, aber Masaru war kurz an der Panikattacke vorbeigeschlittert und sie wollte ihn nicht mit Widerspruch noch mehr verunsichern. Michiru blickte für den heutigen Tag ein letztes Mal in den Handspiegel. Sie sah Sailor Moon heulend über dem verletzten Mamoru weinen und das Bild ging in das Antlitz Sailor Neptuns über. Kapitel 12: Vereinbarungen -------------------------- „Was soll das heißen, es gibt mehrere Möglichkeiten, was sie mit ihm gemacht haben können?“, knurrte Akane, nachdem sie die Nachricht auf dem Computerbildschirm gelesen hatte. Der Leguan hatte vorsichthalber bereits „Sorry “ an das Ende des Textes gesetzt, was ihre Wut jedoch nicht milderte. „Gehen wir es durch,“ murmelte sie. „Gift können wir ausschließen.“ Laut Aussage der Ärzte zeigte Mamoru keine Vergilftungserscheinungen, trotzdem wollte man ihn noch für einige Tage im Krankenhaus zur Beobachtung behalten. Es könnten sich Symptome erst Tage nach einem Schlangenbiss zeigen, was Akane als Blödsinn abtat. „Besessenheit... hm. Neee, dann würde er sich anders verhalten, denke ich... Hm, dann dass die neue Medusa durch seine Augen sieht. Stünde dann der Bastard nicht schon längst vor meiner Haustür?“ Sie blickte auf den Leguan. Er nickte. „Bei Erinnerungen absaugen idem, gell?“ Der Leguan nickte. „Bleibt Energieabsaugen. Oder irgendwas, das du net kennst, wie du’s so schön beschrieben hast.“ Akane knurrte und rieb ihre Schläfen. Sie malte sich aus, wie Jahre ihres Versteckspieles umsonst waren, weil ein unnötiger Schönling im Maskenballkonstüm eventuell von den Feinden infiziert worden war. „Das ist alles deine Schuld“, sagte sie, ohne den Leguan anzusehen. „Hättest du nicht ahnen können, dass die Involvierung von Tsukino und Co. mehr Ärger bringt, als hilft?“ Akanes Leidenschaft für Reptilien resultierte daraus, dass deren Augen stets ausdruckslos blieben. Kein Blick konnte traurig, demütig oder ähnliches sein, sodass er Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen einreden konnte, wie es bei Menschen geschah. Keine heruntergezogenen Mundwinkel, keine Tränen, kein Gejammer. Stimmte etwas nicht, wurden Reptilien krank oder starben einfach, ohne jemals Beschwerden ausgedrückt zu haben. Der Grüne Leguan war eine Ausnahme – er hatte Mimik und setzte sie auch jetzt ein. „Ich kann deinen Dackelblick im Moment nicht ertragen.“ Sie packte eine Handtasche. „Ich geh ins Kino, vielleicht schaff ich ja mal ’nen Film, ohne dass das Amulett mich hinausdudelt. Und wage es nicht mir zu folgen.“ Akane stürmte aus ihrem Zimmer. Seitdem nur mehr Sakura im Hikawa-Tempel arbeitete, erwies sich die Miko tatsächlich als Hilfe. Der fehlende Konkurrenzkampf mit ihrer Schwester bewirkte wohl, dass sie sich tatsächlich auf ihre Arbeit konzentrieren konnte und es schaffte, diverese Tätigkeiten auszuführen ohne Rei Hilfe um bitten, sofern ihre Ahnungslosigkeit nicht im Weg stand. Rei las auf der Treppe ein Buch, konnte sich aber kaum darauf konztenrieren, da sie fasziniert Sakura beim Säubern der Lampen zusah. „Hallo Rei.“ Sie zuckte zusammen. Anschließend wandte Rei den Kopf zu der Person, die einen Schatten über die Treppe warf. „Michiru?“ Rei wusste nicht, ob sie ihr um den Hals fallen sollte, da die beiden sich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen hatten und sich nicht einmal bei der Seifenopfernparty über den Weg gelaufen waren, oder ob dies unpassend war, da Michiru nicht wie jemand wirkte, der Umarmungen mochte. Rei entschied sich für eine Umarmung. „Wie geht es dir? Minako hat mit erzählt, du wärst verlobt, aber nicht mit Haruka. Was ist da dran?“ Michiru lächelte neutral und sprach: „Ich würde gerne mit dir über private Dinge sprechen, aber leider habe ich nicht viel Zeit und es gibt wichtigeres zu besprechen. Ich möchte, dass du mich aufklärst.“ Rei wusste, was gemeint war undverzog das Gesicht. Eigentlich war geplant, dass heute die Probleme um die neuen Feinde und Akane Tayo außer Acht gelassen werden, damit die Mädchen Usagi ablenken und wieder aufheitern konnten. Rei hatte sich jedoch auch aus eigenem Interesse auf das Vorhaben gefreut – die ganze Situation hatte mehr an ihren Nerven genagt als sie zugeben mochte und erwartete sehnsüchtigst einen Moment, in dem sie alle Probleme vergessen konnte. Eine Unterhaltung mit einer Freundin, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, wäre ihr sehr willkommen gewesen. Michiru machte aber offensichtlich einen Strich durch die Rechnung. Doch sie hatte ein Recht, alles zu erfahren. „Ich habe mich gewundert, dass du nach dem Desaster bei der Seifenopernparty dich nicht gemeldet hast.“ Michiru zuckte mit den Achseln. „Erst, als ich andere Dinge sehen musste, konnte ich es akzeptieren. Ich war bei der Tankstelle vor zwei Nächten.“ Rei riss die Augen auf. „Du bist uns gar nicht aufgefallen.“ Michiru schüttelte den Kopf. „Abgesehen von einer Kriegerin mit einer Geißel hat mich niemand gesehen.“ Ihr Blick verfinsterte sich. „Wer ist sie, Rei?“ Sie seufzte: „Das wissen wir selbst nicht genau.“ Rei berichtete von der ersten Begegnung mit Akane Tayo und den neuen Gegnern. Sie berichtete von deren Vorhaben und der vermuteten Hintergrundgeschichte, ließ aber nicht unbemerkt, dass sie am Wahrheitsgehalt der Darstellung zweifelte. Von ihren Visionen erzählte sie nichts, da es ihr peinlich war, vor einer Frau mit gleicher und größerer Begabung das Scheitern der Deutung zuzugeben. Das Gros des Berichts machte aber die Tatsache aus, dass Tayo ihnen eine Macht gegeben hatte, die für Rei und die anderen kein Problem zu kontrollieren war, mit welcher Sailor Moon aber nicht umgehen konnte. „Eventuell war es Absicht. Aber Usagi vertraut Tayo, obwohl sie nicht gerade freundlich zu unserer Prinzessin ist.“ Michiru hörte aufmekrsam zu und grübelte. „Tayo... Ist sie verwandt mit einer Rika Tayo?“ Rei war überrascht. Wollte sich Michiru über nichts Wichtigeres den Kopf zerbrechen? „Ja, das ist ihre Schwester. Aber...“ „Dann kenne ich ihren Vater und Rika.“ Es schüttelte ihren Kopf. „Tut meir leid, ich habe mich bloß einen Gedanken verrannt. Rei, weißt du eigentlich, warum ich ausgerechnet zu dir gekommen bin?“ Rei verneinte. „Du kannst nichts vor mir geheim halten, ich weiß, dass auch du kryptische Visionen hast.“ „Woher?“, wollte Rei fragen, unterließ es aber, die Frage war zu lächerlich. „Ja. Ich kann sie leider nur nicht deuten.“ „Du brauchst dich nicht schämen.“ Rei hatte nicht das Gefühl, dass ihre Scham bemerkbar war. „Ich bin mit auch noch nicht im Klaren, was es zu bedeuten hat.“ Plötzlich hupte die Limousine, mit der Michiru hergefahren worden war. „Aber ich bitte dich darum, mir zu sagen, wenn du genaueres erahnst.“ Das Fahrzeug hupte noch einmal. „Nur, wenn du dasselbe versprichst.“ „Das ist selbstverständlich.“ Diesmal hupte die Limousine zweimal. „Ich eile jetzt besser, bevor mein Fahrer noch in deinen Tempel fährt.“ Mit einem eleganten Winken verabschiedete sich Michiru. Rei seufzte.Michiru war kaum weg, ehe etwas an ihrer Weste zupfte. Es war Sakura. „Äh... es ist spät. Kann ich nach Hause gehen?“ Rei sah auf ihre Armbanduhr. „Natürlich!“ Sie würde selbst schon bei Usagi zu spät erscheinen. Rei war nicht die einzige, die sich verspätete. Gleichzeitig mit ihr kamen Makoto und Minako bei Usagis Heim an, alle drei außer Atem. „Sorry Mädels, ich hatte bei der Inventur zu helfen!“, entschuldigte sich Makoto. „Tja, und ich bin vorm Fernseher eingeschlafen“, gestand Minako und wurde rot. „Hast du deine eigene Seifenoper gesehen?“ Makoto hatte ein höhnisches Lächeln aufgsetzt. „Du bist doch nur neidisch!“ Minako nahm Makotos Äußerung gar nicht als Beleidigung wahr, tat aber, als ob. Rei verzog das Gesicht. „Können wir die Sticheleien bitte sein lassen, wir sind wegen Usagi hier und bereits zu spät dran.“ Makoto und Minako nickten. Nachdem sie das Haus betreten hatten und Ikuko die jungen Frauen mit Getränke- und Essensangeboten bedrängt hatte, fanden sie Ami und Usagi im Wohnzimmer über Bücher gebeugt. Aus Amis Mund kamen Begriffe, die nicht in jeden Alltagswortschatz gehörten – Usagi sah deswegen sehr unglücklich aus. Man konnte Ami eigentlich nichts Böses vorwerfen – außer, dass sie einen sehr eigenen Geschmack von Unterhaltung hatte und oft nicht bemerkte, dass sie andere langweilte. Usagi sah hoch erfreut aus: „Ach, da seid ihr ja.“ „Sorry wegen der Verspätung.“ Rei und Makoto fanden, dass Minako eigentlich nicht das Recht zustand die Enschuldigung auszusprechen. „Es ist uns gar nicht aufgefallen“, sagte Ami. „Die Zeit vergeht wirklich schnell, wenn man sich über Mitose unterhält.“ „Genau...“ Usagi biss auf ihre Lippen. Makoto ergriff das Wort: „Also Mädels, was wollen wir heute machen? Ich muss zugeben, ich habe heute richtig Lust auf fettes Essen.“ Rei grübelte. „Aber es ist erst 15:00, zu früh für mich. Wir könnten uns vorher einen Film ansehen. Ja, die Verfilmung von Der geflügelte Pegasus ist diese Woche angelaufen, der hat gute Kritiken bekommen.“ „Tolle Idee!“, frohlockten Makoto und Usagi gleichzeitig. Ami lächelte nur bescheiden. Einen Liebesfilm würde sie nur zuliebe ihre beste Freundin ansehen. „Wolltest du den nicht mit Mamoru sehen?“, warf Minako plötzlich ein. Usagis fröhliche Miene verschwand plötzlich. Der Rest sah Minako vorwurfsvoll an. Mamoru war eines der Themen, die sich die Freundinnen vorgenommen hatten, nicht anzusprechen. Nicht nur, da allen inzwischen sein kaltes und desinteressietes Verhalten aufgefallen war, das er seit einiger Zeit zeigte und Usagi schwer zu schaffen machte. Sondern auch, weil er wegen Usagis Angst, ihn mit ihrer neuen Macht zu verletzen, eim Krankenhaus lag. Die Schlange konnte ihm ein tödliches Gift injiziert haben, so musste er noch einige Tage unter ärtzlicher Aufsicht bleiben. Usagi hatte deswegen regelrecht einen Nervenzusammenbruch bekommen. Sie an Mamoru zu erinnern würde, wie es tatsächlich eingetreten ist, nur die Stimmung vermiesen. „Als ob Männer sich für solche Filme interessieren würden“, seufzte Usagi. Sie setzte ein Lächeln auf. „Also gehen wir!“ Das Lächeln war trügerisch. „Aber ich will vorher noch Eis!“ Sie würde den ganzen Tag an Mamoru denken. Rei stieß Minako beim Hinausgehen in die Rippen. Das wunderbare Vorhaben, Usagi so weit wie möglich abzulenken, war nun von dieser Aussage überschattet. Hätten die jungen Frauen nur gewusst, dass das ganze Vorhaben sowieso umsonst sein würde. Kaiser Hyperion schlief. Wie immer. Mithras beobachtete, wie sich die Brust seines Vaters in regelmäßigen, großen Abständen auf und ab bewegte. Dass sein Vater noch wach wurde, wusste er nur durch die Berichte seiner Diener, er selbst hatte ihn schon lange nicht mehr mit offenen Augen gesehen. Kaiser Hyperion hatte seinem jüngeren Sohn nie offziell die Aufgabe übertragen, Sunnas Starseed zu finden und Sailor Moon auszulöschen. Mithras hatte das Vorhaben einfach an sich gerissen, als sein Vater den Schwächen des Alters nachgab und sein älterer Bruder verstorben. Niemand hatte dies jemals hinterfragt. Wahrscheinlich weil die Untertanen die Gewissheit hatten, dass sie sterben würden, täten sie es. Allekto betrat das Schlafgemach. Ihre Haut war übersäht von Blutergüssen und Schnittverletzungen. Nicht der Überfall auf die Tankstelle war der Grund dafür. Sie reichte Mithras einen Zettel. „Bild und Adresse, wie befohlen.“ Mithras schaute auf das Foto des schwarzhaarigen Mannes. „Dir sei vergeben“, murmelte er. Allekto bedankte sich höflich, obwohl sie nicht wusste, was zu vergeben war. Dass Sunnas Armreif dem Prinzen die Macht gegeben hatte, jegliches Eindringen ihrerseits in seine Gedankenwelt zu blockieren, und sie dadurch nicht seine Identität oder die der Sailorkriegerinnen erfahren konnte, war nicht ihre Schuld. Es blieb ihr aber nichts anderes übrig, als Mithras’ Ansicht, sie habe versagt, zu akzeptieren. Zum Glück hatte sie eine Wut mildern könnten, da das wenige Gift, das in Körper des Prinzen gedrungen war, es ihr ermöglichte ihn jederzeit aufzuspüren, sonst hätte sie wohl mehr Schaden davongetragen, als ein paar blaue Flecken und Schnittwunden. „Ich erledige das“, knurrte Mithras. „Du setzt deinen Plan in die Tat um.“ Allekto nickte. Dabei fiel ihr Blick auf den schlafenden Kaiser. Sie konnte kaum fassen, wie sehr er sich verändert hatte, seit sie ihn kennengelernt hatte. „Er sieht friedlich aus“, meinte Allekto. „Glauben Sie, er träumt noch immer von Rache?“ Mithras knurrte: „Damit man von Rache träumen kann, muss man wissen, was Rache ist.“ Ohne Allekto anzusehen, wandte er sich ab und stampfte aus dem Schlafzimmer. „Verschwende deine Hirnzellen nicht an Dinge, von denen du keine Ahnung hast und kümmere dich um Dinge, die du halbwegs kannst.“ Mithras schlug die Tür hinter sich zu. „Und wehe, du versagst“, konnte man noch schallgedämpft hören. Allekto seufzte. „Euer Erbe wird bald nicht mehr sein, wenn Ihr ihn nicht bald zurückruft.“ Kaiser Hyperion reagierte nicht. Allekto ging. Die knapp bekleidete Heldin packte das Ungeheuer an der Kehle und schmiss es gegen eine Wand, sodass das Gebäude mit einem lauten, theatralischen Krachen zusammenstürzte. Obwohl viele Brocken auf es gefallen waren, hatte das Monster überlebt und erhob sich aus dem Staub. Akane stopfte Popkorn in ihren Mund. Sie saß in der dritten Reihe nur zwei Plätze vom Rand entfernt und hatte das Gefühl eine Genickstarre zu bekommen, es war jedoch der einzige Platz, der für diese Vorstellung noch frei war. Sie hätte nie gedacht, dass der neueste amerikanische Superheldenfilm so beliebt sein würde. Im Publikum saßen allerdings fast nur Männer. Wahrscheinlich kamen die meisten, weil die Heldin einen tiefen Ausschnitt und ein hübsches Hinterteil hatte. Der Kampf zwischen dem Monster und der Frau, die dank ihrer Kleidung unter anderen Umständen wegen Prostitution verhaftet worden wäre, setzte sich in der Luft fort. Eigentlich darf ich mich nicht über knapp bekleidete Superheldinnen beschweren, dachte sie und umfasste ihr Amulett. Akane starrte auf die Leinwand und versuchte sich von den bombastischen Actionszenen in andere Gedanken versetzen zu lassen. Leider war der Gedanke, dass ihre Feinde gerade in ihr Heim eindrangen und den Leguan folterten, zu dominant. Verdammter Maskenheini. Verdammte Tsukino. Verdammter Fetti, fluchte sie innerlich. Verdammter Fetti hat eigentlich die gringste Schuld. Woher hätte er denn wirklich ahnen können, dass die Weiber so inkompetent sind. Schließlich haben sie sich genau so lange wie ich ganz gut geschlagen. Verdammter Fetti, er hat wohl wirklich die geringste Schuld. Ich hab ihn wohl ein wenig... Und mitten im Gedankengang begann das Amulett zu läuten. Akane knurrte. Schon wieder eine Situation, in der ihr das laute Geräusch peinlich war. Sie stand auf. „Sorry, dürfte ich...“, flüsterte sie dem bebrillten Mann zu, ihr den Weg versperrte. „Sorry, ich muss pinkeln.“ Sie quetschte sie an ihm vorbei. Und als sie ihn passiert hatte, packte der Mann ihr Handgelenk. Akane wandte sich um. Sie sah in vollkommen leere, schwarze Augen. „Oh oh“, murmelte sie. Ami stöhnte. Ja, auch sie hatte das Buch gemocht, wie sie zu ihrer Schande gestehen musste, allerdings konnte die Verfilmung nicht an die Vorzüge des Liebesromans heranreichen. Die Heldin verbrachte die ganze Zeit mit damit, ihrem Liebsten hinterherzulaufen und machte sich wegen Problemen sorgen, die gar keine Probleme waren. War sie im Buch noch eine willensstarke Frau gewesen, vergammelte sie im Film zu einer unselbständigen Göre. Und der Typ sah auch nicht gut aus. Sie wunderte sich, dass dies ihren Freundinnen und dem Publikum, das ausschließlich aus jungen Frauen bestand, nicht auffiel. Alle starrten entzückt auf die Leinwand. Ami seufzte. So viel zur Emanzipation ihrer Generation. Da die Zeit so gut wie nicht zu vergehen schien, beschloss Ami sich kurz die Beine zu vetreten und an der Popcorntheke sich eine Kleinigkeit zu besorgen. Wahrscheinlich würde bald eine neue Vorstellung beginnen – die Schlange war riesig. Ami zählte ihr Geld, da sie nicht sicher war, ob sie noch genug bei sich hatte, um nachher essen zu gehen, als plötzlich ein Schrei ertönte. Wie sie hoben auch andere Personen den Kopf, taten den Schrei aber als Reaktion einer hysterischen Teenagerin in einem Horrorfilm ab. Ami nicht. Sie kannte die Stimme. Tayo schrie nicht, wenn es keine wirklichen Probleme gab. Tayo schrie außerdem nur, wenn das Problem wirklich groß war. Die Frage war nun, ob Ami Mizuno sich dieser Gefahr alleine stellen sollte. Wie sie sich selbst einschätzte, würde sie wahrscheinlich mehr Probleme verursachen als lösen. Sie eilte zurück in den Kinosaal zu ihrer Sitznachbarin Makoto. Ihre Freundin wirkte regelrecht wütend, als Ami ihre Aufmerksamkeit von der Leinwand weglenkte: „WAS?“ „Ich glaube, Tayo steckt in Schwierigkeiten. Ich hab sie gerade schreien gehört. Sie muss hier irgendwo stecken.“ Das Entzücken verschwand aus Makotos Augen. „Ich flüstere es den anderen zu.“ „Halt. Usagi darf nichts davon erfahren. Und wenn wir alle gehen, wird es ihr auffallen.“ Makoto verstand. Usagi, die vollkommen gebannt den Film verfolgte, die Ablenkung zu verderben, war unpassend. Zumal Makoto und Ami auch ohne sie zusammen mit Sailor Sun eine Chance gegen die Feinde haben würden. Niemand sollte mitkommen, wenn es nicht notwendig war. Ami und Makoto schlichen aus dem Kinosaal auf die Toilette. „Macht der Jupiternebel, mach auf!“ „Macht der Merkurnebel, mach auf!“ Was die beiden jedoch vergessen hatten, als sie das WC verließen, waren die zahlreichen anderen Menschen, die sich in der Halle gerade herumtrieben. Von allen Seiten wurden sie angestarrt. In diesem Moment wurden Jupiter und Merkur daran erinnert, wie berühmt sie einst gewesen waren. Die Menschen hatten von den zahlreichen Gefahren aus anderen Welten erfahren und still akzeptiert, dass es junge Frauen gab, die sich den Bedrohungen stellten und abwendeten, ohne dass es zu Katastrophen kam. Obwohl sie nie hinterfragt wurden, waren sie Medienberühmtheiten geworden. Doch da die Attacken der neuen Feinde als Unfälle getarnt worden waren, hatte noch niemand mitbekommen, dass die Heldinnen zurückgekehrt sind. Jetzt wurde gleich eine ganze Schar wieder daran erinnert. „Verlasst das Kino!“, rief Jupiter. Es brauchte gar keiner Begründung. Die Menschen flüchteten. Und das Personal schaltete den Alarm ein. „Woher kam der Schrei?“, fragte Jupiter laut, da es galt die Panik der Anwesenden zu übertönen. Merkur zeigte in zur Tür von Saal Nummer 6. „Dort.“ Die beiden zwängten sich durch die Menschenmasse. Makoto trat die Tür auf. Eine Traube hauptächlich junger Männer hatte sich vor der Leinwand versammelt. Von der Weite konnten Jupiter und Merkur die leeren Augen erkennen, welche die Besessenen entlarvte. Nur eine Frau war da, die nicht die Merkmale aufwies. Dafür hielt ein Mann ihre Arme fest, zwei weitere umschlangen ihre Beine, während mehrere versuchten ihr das T-Shirt herunterzureißen, was nur noch nicht geschehen, war weil die Frau nach den Händen biss. Es war Akane. „HALT!“, riefen Merkur und Jupiter gleichzeitig. Tatsächlich wandte sich alle Aufmerksamkeit zu ihnen. Tayo verzog merklich das Gesicht. Inzwischen beschworen Jupiter und Merkur ihre Attacken, welche sofort zwei der Besessenen Männer niederstrecke. Das Problem war allerdings, dass es nur zwei von vielen waren. Sobald die beiden niedergestreckt waren, liefen über fünfzig Personen auf Mekur und Jupiter zu. „Blitz des Jupiter, FLIEG!“ Jupiters Angriff traf nur drei Männer, während sich die anderen unbeeindruckt zeigte. Und inzwischen waren sie zu Nahe, als dass die Attacken nicht mehr lebensbedrohlichen wären. Ein übergewichtiger Mann stieß Jupiter plötzlich um, sodass sie hart auf den Boden fiel. Jupiter stöhnte, als er sich mit vollem Gewicht auf sie setzte. „Mako...“ Ehe Merkur reagieren konnte, packte einer der Männer ihre Hände. Und ein anderen presste seine Handfläche gegen ihren Mund. Jupiter knurrte. „Verdammt, wo ist Sun, wenn man sie...“ Weiter schaffte sie nicht, da der Kerl, der auf ihr saß, sie am Sprechen hinderte. Eigentlich hatte sie keine Rettung notwendig. Wäre die Lage noch enger geworden, hätte Akane sich verwandelt. Dass sie es noch nicht getan hatte, resultierte daraus, dass sie Angst hatte, durch die Augen der Besessenen könnte der Feind sehen, wer sich hinter Sailor Sun verbarg. Als letzte Möglichkeit hätte sie jedoch nicht gezögert, es zu tun. Besser sie war verraten als tot. Als die Besessenen Jupiter und Merkur niederstreckten, war die gefährliche Lage eingetreten. „Macht der S...“ „So, du bist also immun?“, kicherte eine Stimme. Die Frau mit den Schlangenhaaren stand plötzlich mitten in der Masse. „Was ist das?“, fragte Usagi erschrocken, als der Alarm losging. Minako links und Rei rechts neben ihr zeigten gleiche Reaktionen. „Ist das ein Feueralarm?“, wunderte sich Minako. „Nein. Kein Feueralarm.“ Es war ein Instinkt, anders konnte Usagi das Gefühl in der Magengegend nicht beschreiben, das vorhersagte, dass ihre Freundinnen in Schwierigkeiten stecken. Zumal Ami und Makoto verschwunden waren. Inzwischen flüchteten die anderen Besucher im Saal zum Vorder- oder Notausgang. Als die Personen verschwunden waren, stand Usagi auf. „Macht der Mondnebel, mach auf!“ Minako und Rei starrten auf ihre Anführerin. Dem Tag der Entspannung war hiermit ein Ende gesetzt. Und in Anbetracht der Angst, die Usagi vor ihren neuen Kräften hatte, wunderten sie sich, dass sie ohne zu zögern sich verwandelt hatte. „Was trödelt ihr so?“, fauchte Sailor Moon. Sie hörten auf ihre Anfrührerin. Die drei Kriegerinnen liefen aus dem Kinosaal. Es war leicht zu erraten, wo die Gefahr drohte. Alle Gänge und Säle waren leer, bis auf einem, aus welchem ein Gelächter und Geschrei erklang. Sailor Moon, Mars und Venus liefen hinein. Ihr Blick fiel sofort auf die Frau mit den Schlangenhaaren. Die, die Mamoru verletzt hatte. Und jetzt Akane Tayo mit einer Kralle an den Haaren packte und mit der anderen ihre Hände hinter dem Rücken zusammhielt, während sich ihre Schlangen ihre Füße festhielten. „Wie kannst du es wagen“, begann Sailor Moon, „so vielen Menschen einen Kinobesuch zu vermiesen. Ich bin Sailor Moon und im Namen des Mondes werde ich dich bestrafen!“ „Gütiger Gott...“, murmelte Tayo Die Frau hatte für Sailor Moons Worte ebenso nur ein spöttisches Lachen übrig: „Das muss ich mir wirklich von jemandem sagen lassen, der seine Kräfte nicht unter Kontrolle hat.“ „Sei nicht so überheblich!“, platze Mars sofort heraus. Venus ergänzte: „Wir sind auch auch noch da.“ „Ja, genau wie diese beiden hier!“ Allekto streckte die Hand aus, mit der sie Tayos Haare festhielt, und die Kriegerinnen folgten ihren Fingern. Erst jetzt fielen ihnen Merkur und Jupiter auf. Gefesselt mit erhobenen Händen an einer steif nach oben ragendne Schlange wurden die beiden umringt von einer Horde an Männern, der leeren Augen sich zu beiden Frauen wandte. Allekto kicherte: „Nette Effekte, wenn man ausgerechnet eine Gruppe junger Männer erwischt, die Frauen nur aus Filmen kennen.“ „Du Wahnsinnige!“, platze Minako heraus. „Herzsteine der Venus, siegt!“ Allekto war keine der Züchtungen, die sich mit den Attacken der Kriegerinnen sofort ausschalten ließ. Sie war intelligent genug, dem Angriff einfach auszuweichen. Der Angriff streifte dabei Tayos Schultern. Die Frau mit den Schlangenhaaren schnippte einmal. Sailor Moon konnte den Geschehnissen kaum folgen – in wenigen Sekunden befanden sich Mars und Venus in derselben Lage wie Merkur und Jupiter. Sailor Moon starrte auf das Geschehen und hörte das schallende Lachen der Frau. „Rette sie doch“, kicherte sie. Wieder schnippte sie. Und von einer Sekunde ließ das Weib mit den Schlangenhaaren die Kerle auf ihre Freundinnen los. „Nein!“, rief Sailor Moon. Nein, du hast schon Mamoru mehr angetan, als du dürftest, nur weil ich es zugelassen habe. Jetzt wirst du meinen Freundinnen nichts antun. Ihre Früße setzten sich in Bewegung und sie rannte auf die Horde zu. Sie trat einen in den Rücken, einem in den Bauch und schlug einen ins Gesicht. Doch mehrere konnte sie nicht zurückhalten. Einer stellte ihr ein Bein und Sailor Moon fiel auf den Bauch. Drei von den Männern ließen von ihren Freundinnen ab und starrten sie an. Der Stab, dachte sie. Ich muss den Stab benutzen. Sie richtete die Waffe gen das Gesicht einer der Männer. Was sagt Akane immer, dachte sie. Immer das Ziel vor Augen haben und sich nur darauf konzentrieren. An so viel wie man braucht denken. „Mondlicht der Liebe.“ Doch wie viel ist ausreichend? „Sieg!“ Der dicke Kerl erhielt nur einen Kratzer im Gesicht, der ihn nur wütend machte. Die Frau mit den Schlangenhaaren lachte wieder schallend auf. „Och. Hast du so viel Angt vor der Kraft der Sonne, dass du dich nicht mehr traust.“ Die Frau mit den Schlangenhaaren warf Tayo unsanft auf den Boden. „Ich kann auch noch später rausfinden, warum du immun bist.“ Sailor Moon erschrak, als plötzlich die Frau mit den Schlangenhaaren vor ihr stand. Sie schwang einen Arm. Moon wurde gegen die Leinwand geschleudert. Akane hob den Kopf. Ihr Arm schmerzte von Venus’ fehlgeschlagener Attacke, doch sie umfasste das Amulett damit. „Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte sie, als Sailor Moon gegen die Wand prallte und das Geschrei der anderen Kriegerinnen immer lauter wurde. Wahrscheinlich würden die besessenen langsam anfangen ihnen die Beine auszureißen. Akane dachte nur daran, dass der Moment gekommen war, sich zu verwandeln, obwohl die Situation dagegen sprach. Vor den Augen von Medusa drei. Sie musste eben alles daran setzen, das Monster zu töten. Und wenn nicht, war sie besser verraten als tot. Akane zögerte trotzdem. Sailor Moon konnte sich kaum aufrichten, als eine erneute Druckwelle sie gegen die Wand schlug. Langsamen Schrittes näherte sich Allekto Sailor Moon, deren Rücken schmerzte. Sie bekam nur schwer Luft, doch richtete trotzdem ihren Stab zur Frau mit den Schlangenhaaren, deren höhnisches Grinsen jedoch nicht verstand. „Mondlicht der Liebe, sieg!“ Doch erneut erlitt die Gegnerin nur einen Kratzer, der unter den zahlreichen Schnittwunden im Gesicht gar nicht auffiel. Verdammt, dachte Sailor Moon. Soll ich mehr geben? Aber, das geht genau in die Richtung der Unschuldigen. Wenn es sie... Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Die Frau mit den Schlangehaaren packte Sailor Moon am Hals. Mit der anderen Hand entriss sie ihr den Stab und warf ihn auf den Boden. „Unglaublich“, murmelte sie. „Vor dir haben wir uns tatsächlich gefürchtet. Dabei ist die große Mondprinzessin bloß ein ein Haufen Nichts.“ Sie warf den Stab auf den Boden. Ihre Hand verkrampfte sich und die Nägel wuchsen. „Du gehörst jetzt uns.“ Sailor Moon schrie. Es blieb ihr keine andere Wahl. Sie durfte sich nicht um sich kümmern. „Macht der Sonnennebel...“ Sie musste sich um Tsukino und die anderen Versagerinnen kümmern. „...mach auf!“ Ein gleißendes Licht erfüllte den Raum. Die Augen der Besessenen und von Allekto schauten zu Sailor Sun. „DU?“; kreitsche die Frau mit den Schlangenhaaren. „Deswegen warst du...“ Sie brachte den Satz nicht mehr zu Ende. Allekto musste sterben, so schnell wie möglich. Ehe ihr Boss gesehen hatte, was sie gesehen hatte. „Lichtpeitsche“, schrie sie. „SIEG!“ Die Geißel schlug auf Allektos Rücken ein. Sie ließ Sailor Moon los. Ihre Haut zersprang wie ein Spiegel, gegen den man mit der Faust geschlagen hatte. Durch die Risse drang Licht. Und mit einem Schrei zersprang die Frau mit den Schlangenhaaren. Die letzte der drei Furienschwestern war tot. Gleichzeitig lösten sich die Fesseln an den Gelenken der Kriegerinnen und die Schlangensäule, an die sie gefesselt waren, zerbrach. Die Männer ließen von ihnen ab – einer nach dem anderen fiel bewusstlos um, doch die Leeren in ihren verschwand. Die Besessenheit war zusammen mit Allekto gegangen. Keine der Kriegerin hatte etwas Schlimmeres erlitten als Kratzer, Blutergrüsse und Risse in der Uniform. Sie standen zwar unter Schock, doch Merkur, Mars, Jupiter und Venus eilten zu ihrer Anfrührerin. Sie halfen ihr auf – doch für tröstende Worte bekamen die Freundinnen keine Zeit. „MIR REICHT ES ENDGÜLTIG“, brüllte Sailor Sun. Sailor Moon richtete ihre Augen auf sie. Venus wurde missmutig: „Hey, das ist wirklich nicht der richtigte Zeitpunkt...“ „NICHT DER RICHTIGE ZEITPUNTK?!“, brülle Sun. „Chiba war letztens in Gefahr, ihr ward heute in Gefahr, ich hab mich vor den Feinden verwandeln müssen! Wenn etwas schief gegangen wäre! Ich kann und will nicht mehr diese Fehler ausbügeln!“ Sailor Moons Atem ging plötzlich schneller als zuvor, denn sie hatte vor Sailor Sun plötzlich mehr Angst, als sie zuvor vor der Frau mit den Schlangenhaaren gehabt hatte. Sun hielt ihr den Stab entgegen. Sailor Moon nahm ihn. „Was mach ich damit?“ „ÜBEN!“ „Aber mit welchem Ziel.“ „Es steht vor dir.“ Sun machte einige Schritte zurück und breitete die Augen aus. „Wenn du dir vor Feinden immer in die Hosen scheißt, musst du eben mit jemanden üben, den du magst. Oder zumindest kennst.“ Sailor Moon riss die Augen auf und ihre Kinnlade fiel herunter. Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Nur Mars brachte eine Anklage heraus, die sie wegen ihres Schocks kaum hörte. „Das kann ich nicht.“ Sun schnalzte einmal mit der Peitsche. „Selbst dann nicht, wenn ich dich attackiere.“ „Das würdest du nicht tun!“, fauchte Jupiter. Kaum nachdem sie den Satz gesprochen hatte, hörten die Kriegerinnen Suns Beschwörungsformel. Alle fünf spürten einen starken, streifenförmigen Schmerz am Bauch – doch Sailor Moons war so stark, dass sie kurz die Besinnung verlor. „Glaubt ihr mir jetzt?“, fauchte Sun. „Und ich tue es wieder, wenn unsere Principessa nicht gleich ihren Hintern hochhebt.“ Sailor Moon liefen die Tränen über die Wangen und stand langsam auf. Sailor sun ließ ihr wohl keine andere Wahl. Sie hatte Angst – sowohl davor Sun zu verletzen, als auch davor, was mit ihr passieren würde, wenn sie versagte. „Mondlicht der Liebe, sieg!“ sprach Sailor Moon. Sun bemerkte die Attacke jedoch kaum. „Das ist genau der Bullshit, den du vorhin schon versucht hast. Nochmal.“ Sailor Moon schluchzte. „Ich kann nicht.“ Sun schnalzte noch einmal die Geißel. „Noch mal. Oder ich zwinge dich dazu meine Attacke abzuwehren. Und ich kann nicht garantieren, wie gut es dir danach noch gehen wird.“ „Akane, hör auf“, rief Merkur. „Das ist Folter.“ Sailor Moon hörte die Worte ihrer Freundin, doch sie wusste, dass sie keine Wahl hatte. Sun würde sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Und vielleicht war es auch wirklich gut so. Sie sprach wieder die Beschwörungformel. „Bullshit! Noch mal!“ Und wieder sprach sie Beschöwrungsformel. „Konzentrier dich endlich, du Nichtsnutz!“ Und irgendwie motivierten Sailor Moon diese Worte. Hatte sie zuvor Sun nicht ansehen können, richtete sie nun ihren Blick in das wutverzerrte Gesicht der Kriegerin der Sonne. Konzentieren. „Mondlicht der Liebe...“ Ziel anvisieren. „SIEG!“ Es dauerte nur eine Sekunde. Es fühlte sich an, als ob ihr Herz eine Sekunde zu schlagen aufgehört hätte. Suns Adern schmerzten, doch sie konnte sich noch auf den Beinen halten. Die Wut in ihrem Gesicht verschwand und wurde ersetzt von einen ehrlichen Lächeln. „So ist das schon besser“, murmelte Sun. „Noch immer ein wenig zu stark, aber nicht mehr tödlich.“ Sie schritt langsam zu Sailor Moon. Sie war außer Atem. Doch ein gutes Gefühl machte sich in ihr breit. Meinte Sailor Sun es ernst? Hatte sie wirklich geschafft? Sun klopfte ihr auf die Schultern. „So mag ich meine Schülerin.“ Obwohl sie noch immer weinte, lächelte Sailor Moon nun. „Dir fehlt aber noch viel Training.“ „Jetzt?“ „Willst du mich umbringen?“, fauchte Sailor Sun. „Ich hol dich morgen ab. Du bist ja so gut wie arbeitslos, du wirst schon Zeit haben.“ Sie hielt Sailor Moon die rechte Hand hin. „Deal?“ „Deal.“ Sailor Moon erwiderte den Handschlag. Mars, Merkur, Jupiter und Mars blickten skeptisch. Obwohl er sich nicht krank und erst recht nicht vergiftet fühlte, schlief Mamoru fast die ganze Zeit. Vielleicht, weil das Zimmer kein Fenster hatte und sich nirgends eine Uhr befand, sodass er nicht abschätzen konnte, wann Tag, wann Nacht war. Vielleicht, weil er in den letzten Tagen allgemein zu wenig geschlafen hatte. Schließlich wachte er durch das Geräusch einer sich schließenden Tür auf. Er setzte sich auf. Er erwartete den hübschen Anblick einer Krankenschwester und bekam etwas vollkommen anderes. Der Mann war wahrscheinlich Mitte zwanzig und auf eine Größe von fast zwei Meter zu schätzen, war jedoch viel zu dünn für seine Statur. Sein Haar, das bis zu seinen Schultern hing, war genau so schwarz, wie seine Haut bleich. Sein linkes Auge war von einer Augenklappe verdeckt, das rechte blitzte rot. Er war gänzlich in schwarz gekleidet – schwarze Jeans, schwarze Lederjacke, schwarzes T-Shirt. Er grinste höhnisch. Schon von weitem, ohne dass sie etwas Besonderes tat, sah man der Person an, dass sie soziopathisch veranlagt war. Mamoru konnte sich deswegen nur zum Reden zwingen: „Wer bist du?“ Der junge Mann zuckte mit den Achseln. Mamoru hatte nicht erwartet, dass die Person im Osaka-Dialekt reden würde: „Namen sind doch ’was Realtives. Hier steht zwar Mamoru Chiba, manchmal nennst du dich aber Tuxedo Mask. Mir bist du als Endymion bekannt.“ Mamoru riss die Augen auf. „Woher weißt du das?“ Pause. „Du bist kein normaler Mensch.“ „Schlaues Bürschchen.“ Der schwarzhaarige Mann trat näher an Mamoru heran und lehnte sie an das Krankenbett. „Ich bin der, der dir mit bloßer Hand das Herz herausreißen und in deinem Hirn wie ein Buch lesen könnte. Vorsicht, bewusster Konjunktiv. Aber kleiner Tipp, wenn du nicht willst, dass es wirklich geschieht, siez mich. Ich kanns nicht leiden, mit „du“ angesprochen zu werden und verliere dann so richtig die Kontrolle über mich.“ Spätestens jetzt wusste Mamoru Chiba, dass Tuxedo Mask nichts gegen dieses Wesen ausrichten konnte und dass jedes Wort, das er gesprochen hatte, der Wahrheit entsprach. Ja, dieser Mann war dazu fähig ohne Anstrengung einen Menschen in Stücke zu reißen – sowohl seine Kraft, als auch sein psychischer Zustand würden dies zulassen. Woher er das wusste? Angesicht zu Angesicht war die dunkle Aura, die von dieser Person ausging, so überwältigend, dass Mamoru sich nicht bewegen konnte, obwohl der Fremde kaum einen Bruchteil seiner Macht anzuwenden schien. Es war seine bloße Präsenz, die den Körper lähmte. Mamoru fragte sich unwillkürlich, ob alle Sailorkriegerinnen zusammen eine Chance gegen diese Kreatur hatten. „Sie sind der Anfrüher der Gegner“, murmelte Mamoru. „Hyperion.“ Der Mann unterrückte ein irres Lachen. „Hui, ich weiß ja, dass ich meinem Alten ähnlich sehe, aber mit ihm gleichsetzt zu werden, ist mir noch nie passiert. Ich bin der Sohn von Sunna und Hyperion. Mithras nennt man mich.“ „Was wollen Sie von mir? Hätten Sie mich töten wollen, hätten Sie das schon längst getan.“ Der Mann nickte. „Da hast du vollkommen Recht. Aber das wäre doch kein Spaß.“ Er setzte sich neben Mamoru. „Weißt du, was Rache ist?“ „Der Ausgleich von Ungerichtigkeit an denen, die ungerechtes getan haben.“ „Glaubt man. Diese Defintion würde jedoch keinen Unterschied zwischen Rache und Gerechtigkeit ausmachen. Ausgleich ist Gerechtigkeit. Rache verglangt ein Mehr. Dem, der Unrechtes getan hat, soll im Endeffekt mehr genommen werden, als er es getan hat.“ Er holte tief Luft. „Zum Beispiel. Bringt man die Mutter von einem um, begeht der andere Rache, indem er die ganze Familie des Mörders umbringt.“ Mamoru räusperte sich. Es kostete viel Mut, folgendes zu sagen: „Du spielst auf Sunna an.“ Akane Tayo hatte nie erzählt, wie Sunna, deren Starseed sie hütete, verstorben war. Er konnte bloß aus dem Beispiel erahnen, dass sie keines natürlichen Todes verstorben war. Er traf ins Schwarze. Kurz bangte Mamoru um sein Leben, doch der Feind riss sich zusammen. „Die Schlampe hat euch wohl mehr erzählt, als ich etwartet habe.“ Es war klar, dass er Sailor Sun meinte. „Nun gut. Wenn du schon so wissend bist, wirst du verstehen, dass es nicht dem Sinn der Rache entspricht, dir einfach die Kehle umzudrehen.“ Der Fremde stand wieder auf und streckte sich. „Da ich nämlich nun deinen Namen und Gesicht habe, ist es mir ein leichtes, dich aufzuspüren. Vielleicht in dem Moment, wenn du dich mit den Sailorschlampen unterhältst. Und vielleicht sogar, wenn du dich mit deiner Prinzessin im Bett wälzt.“ Mamoru ahnte, worauf er hinauswollte. Die lange Redepause war trotzdem eine Folter. „Daher der Deal: Halt dich von ihnen fern. Dann stirbst nur du. Und zwar einsam, ohne deinen Freundinnen und deiner Prinzssin. Tust du es nicht, bringst du mich auf die Fährte der Schlampen und alle krepieren.“ Der Fremde musste in Lachen unterdrücken. Mamoru biss sich auf die Lippen. Er wusste von Anfang an, dass er mit seinem Tod sprach, doch es ins Gesicht gesagt zu bekommen, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. „Wie lang habe ich noch.“ „Das wüsste er gerne.“ Jetzt konnte er sein Lachen nicht mehr zurückhalten. Als er sich mehr oder weniger zusammenreißen konnte, sprach er: „Ich bin ein vielbeschäftigter Mann, daher wie es die Zeit zulässt. Vielleicht erst in Monaten, vielleicht schon morgen.“ Und dann fing er er wieder zu lachen. Der Schall tat in Mamorus Ohren weh und er hielt sie sich zu. Zusätzlich entstand ein Druck im Raum, dass er gegen das Bett gepresst wurde. Er bekam kaum Luft. Mamoru kniff die Augen zu. Doch so schnell alles passiert war, so schnell war alles weg. Und mit dem Ende des Lachens, war auch der Mann verschwunden. Kapitel 13: Ein Tag im Leben der Luna ------------------------------------- Luna beobachtete von Usagis Zimmer aus die Straße. Während diese summend ihren Koffer packte, fragte sich Luna bei jedem Auto, das sie sah, ob es sich um Akane Tayo handelte. „Sag mal“, begann Luna und wandte ihre Augen nicht von der Straße ab, „hast du keine Angst dich alleine mit ihr in den Wald zu begeben? Sie hat dich schließlich sehr unter Druck gesetzt.“ „Sie war gestresst und wütend“, antworte Usagi. „Vielleicht ist ja eine freundlichere Lehrerin, wenn wir Ruhe haben. Und selbst wenn nicht, mit gemeinen Lehrern kenne ich mich aus. Erinnerst du dich an Herrn Kikuchi, den Englischlehrer? Den hat es echt Spaß gemacht, süße Schülerinnen zu quälen.“ „Herr Kikuchi hatte aber keine tödliche Geißel.“ „Das muss noch bewiesen werden“, protestierte Usagi, als sie damit kämpfte, den Koffer zu schließen. Luna fragte sich, warum sie so riesiges Gepäck mitnahm, da sie doch nur ein Wochenende weg sein sollte. „Außerdem wird Mamoru morgen aus dem Krankenhaus entlassen und kommt nach“, sagte sie nach dem Kampf mit dem Reißverschluss. „Und bis dahin, habe ich dich.“ „Mich?“ Unter ihrem Bett holte Usagi ein Körbchen aus geflochtener Weide für Katzentransporte hervor. Es hatte keine Fenster und die kleinen Schlitze zwischen den Zweigen waren wohl die einzige Lichtquelle in dem Ding. Luna hörte jetzt zum ersten Mal, dass sie auf den Ausflug mitkommen sollte, und dieses Transportmittel verminderte die Erleichterung, Usagi nicht allein zu lassen, massiv. „Da geh ich nicht rein.“ „Du weißt genau, wie du beim Autofahren bist.“ Usagi holte tief Luft. „Du hast Shingo gebissen, Mama die Frisur versaut, mich hast du fast angepinkelt und Papa bist du sogar ins Gesicht gesprungen, sodass er fast einen Unfall gebaut hat.“ Unter ihrem Fell wurde Luna rot. „Na gut,“ fauchte sie Usagi öffnete das Türchen und gleichzeitg hörte man unmittelbar vor dem Fenster das Quietschen von Reifen. „USAGI! Hurry!“, brüllte eine bekannte Stimme. „Sie ist da!“ Mit dem Koffer und dem Katzenkorb in den Händen rannte Usagi nach draußen. Da Usagi das Transportmittel viel zu sehr schaukelte, wurde Luna ein wenig schlecht. Zum Glück war das Ding geräumiger, als es von außen ausgesehen hatte. Und durch die kleinen Schlitze bekam Luna mehr mit als vermutet. Kenji und Shingo betrachteten nahezu sabbernd Akane Tayos Auto. „Usagi, schau!“, murmelte Kenji. „Das ist ein Ferrari 365 GTC von 1970!“ „Jaaa, Papa... und was heißt das?“ Kenji wandte sich daraufhin bleleidigt von seiner Tochter ab. „Woher haben Sie dieses Prachtstück?“ Tayo sah genervt aus dem Fenster auf der Fahrerseite zu Kenji. „Der hat meiner Mum gehört.“ „Wirklich? Und Sie dürfen damit einfach so in den dreckigen Wald fahren? Haben Sie keine Angst, dass er einen Schaden abbekommen könnte?“ „Autos sind da, um gefahren zu werden. Außerdem haben wir noch einen Oldtimer.“ „NOCH EINEN?!“, platzten Kenji und Shingo gleichzeitig heraus. „Wir hatten mal sechs, aber die meisten mussten wir verkaufen.“ Als Shingo und Kenji den Mund nicht mehr zu bekamen und ihnen der Speichel aus dem Mundwinkel rann, fühlte sich Tayo zur folgenden Aussage genötigt: „Meine Schwester und ich machen uns nicht viel draus... wenn Sie wollen, können Sie sich gerne mal einen ausleihen.“ Kenji und Shingo fielen daraufhin um. „So, jetzt habt ihr die Arme aber genug belästigt.“ Usagi tat den Koffer in den überraschend geräumigen Kofferraum. Den Leguan darin bemerkte sie gar nicht. Luna konnte nur einen kurzen Blick auf ihn erhaschen. Es schien, als ob das Tier ein Buch über Quantenphysik las. Usagi hockte sich auf den Beifahrersitzt, das Katzenkörbchen auf dem Schoß. „Tschüß Leute! Fahr los!“ Tayo ließ sich das nicht zweimal sagen. Mit zu viel Gas raste der Ferrari los. Selbst ohne besonders gut aus Katzenkorb hinaussehen zu können, wusste Luna, dass Tayo keine sonderlich gute Fahrerin war und zusätzlich nicht viel von Verkehrsregel hielt. Die Katze krallte sich gegen die Weide und war froh, dass Usagi sie in den Korb gesperrt hatte, wer wusste schon, wie sie sich benahm ohne diesen. Tayos Fahrstil wurde erst gebändigt, als sie von der Polizei angehalten wurde. Obwohl sie den Alkoholtest bestand, verpasste ihr der Polizist einige Strafzettel. Dass sie sich nun zusammenriss, bewirkte auch, dass Usagi sich wieder traute zu reden: „Wohin fahren wir?“ „Kleines Grundstück in den Niho-Alpen. Keine Nachbarn, denke ich, war schon ewig nimmer dort. Selbst wenn, sind wir sicher noch isoliert genug, um unsere Spielchen zu treiben.“ „Wow“, flüsterte Usagi. „Ein schönes Haus, teure Autos, ein Grundstück, ihr habt sicherlich eine Menge Geld.“ „Meine Mum hatte ’ne Menge. Rika hat aber schon den Großteil verprasst.“ Usagi wagte erst nach einer Weile zu fragen: „Deine Mutter ist tot, oder?“ Tayo nickte. „Autounfall“ Auch wenn es unpassend erschien, fragte sich Luna, warum Tayo in Anbetracht der Hintergrundgeschichte so einen suizidalen Fahrstil pflegte. „Was hat deine Mutter gemacht?“ „Biochemikerin.“ „Damit kann man Geld verdienen?“ Tayo holte aus dem Handschufach eine Dose heraus. „Kennst du das Zeug?“ Usagi las den Markennamen. „Ja. Mamoru trinkt davon ziemlich viel, mir schmeckt es gar nicht.“ Tayo öffnete die Dose. „Meine Mum hat’s erfunden. Sie hat es zunächst über ihre eigene Firma an den Mann gebracht, dann das Patent an einen amerikanischen Konzern verkauft. Ich weiß gar nicht, um wie viel. Aber sie hat es gut investiert.“ „Wow. Kluge Frau.“ „Mizuno ist ’n Dreck gegen sie.“ Luna hoffte, dass Tayo nur anfing über Ami zu lästern, da sie vom Thema ablenken wollte. „Sie hat ja viel in der Birne, aber ist mit keinem Funken Kreativität gesegnet. Ich mein, unser Projekt... wir haben die Bestnote bekommen, aber eigentlich haben wir ein nur schon vorhandenes Programm so modifiziert, dass man nicht mehr Plagiat sprechen kann. Und sie war zufrieden damit. Mit der Einstellung wird sie es nie weit bringen.“ Usagi verzog das Gesicht. „Das ist unfair. Wozu soll sie auch Kreativität brauchen, sie will ja keine Schriftstellerin sein!?“ Tayo schlug Usagi mit der Faust auf den Kopf. Selbst Luna hatte erkannt, dass sie nicht über ihre Familie sprechen wollte. Usagi hatte es nicht verstanden: „Und wo ist dein Vater?“ Tayo knurrte: „Für mich gestorben. Hey, wie oft hattest du schon Sex mit dem Maskenheini?“ Usagis Gesicht färbte sich rot: „Das geht dich gar nichts an!“ „Dann hör auf mir Löcher in den Bauch zu fragen!“ Usagi verschränkte beleidigt die Arme. „Können wir kurz anhalten? Ich muss mal.“ „Ich darf auf dieser Straße nicht anhalten.“ „Als ob du auf Verkehrsregeln achten würdest.“ Guter Konter, dachte Luna, die schon mehrmals unterdrückt hat, sich zu übergeben. Tayo hielt tatsächlich etwas in einem unverständlichen Kauderwelsch murmeld am Straßenrand an. Tayo strecke sich, nachdem sie ausgestiegen war. Usagi stellte den Katzenkorb auf den Boden und öffente das Türchen. Luna sprang heraus, froh darüber sich endlich die Beine vertreten zu können. Als Tayo plötzlich schrie und sich hinter dem Auto versteckte. „WAS ZUM TEUFEL HAT DAS DA HIER ZU SUCHEN!“ Mit glasigen Augen zeigte Tayo mit zitternden Händen auf die Katze. Luna blickte sie irritiert an. Usagi schaute genau so verdutzt. „Ich hab sie als meine Beschützerin mitgenommen.“ Pause. „Was hast du geglaubt, ist in dem Katzenkorb drinnen?“ „Woher soll ich das wissen?“ Tayos Stimme wurde immer hysterischer. „Bei all dem Zeug, das du angeschleppt hast. Pack sie wieder weg!“ Usagi hob Luna hoch. Ein hämisches Grinsen bildete sich auf ihrem Gesicht. „Nicht zu fassen. Hat die coole Akane Tayo etwa Angst vor Katzen?“ Luna auf dem Arm näherte sich Usagi Tayo, die jedoch immer einen Schritt zurück wich. „Ach komm schon, schau wie süß sie ist. Am Hikawa-Tempel bist du auch nicht vor ihr zurückgeschreckt.“ „Da war sie auch weit genug von mir entfernt.“ Luna fühlte sich lächerlich. Es war das erste Mal, dass jemand so auf sie reagierte, und sie hatte das Gefühl, dass dieses Verhalten vollkommen falsch war. Sie räusperte sich: „Ich kann dir versichern, von mir geht keine Gefahr aus. Ich habe noch nie einen Menschen gekratzt, der mich nicht bedroht hat. Wenn du dich ruhig verhältst, werde ich nie eine Kralle an dir rühren.“ Mit einem Schrei verschwand Tayo plötzlich auf dem Fahrersitz. „Die letzten Kilometer könnt ihr wandern!“ Und mit einem quietschenden Geräusch fruhr der Ferrari los. Entsetzt starrten Usagi und Luna auf die Reifenstpuren. „Luna, ich glaube deine Wortwahl war nicht sehr aufbauend“, stöhnte Usagi. Zwei Stunden später fanden Luna und Usagi ein kleines Haus mit geöffneter Einfahrt, die von Tayos Auto verparkt wurde. Hätte das nicht als Anhaltspunkt gereicht, hätte das Namensschild auf die Eigentümer hingewiesen. Das Haus war groß und in einem hübschen, traditionellen Stil gehalten. Wildwuchs und Unkraut wiesen allerdings darauf hin, dass schon lange niemand es betreten oder gepflegt hatte. Der Steinboden war schmutzig und das Holz wirkte ein wenig morsch. Luna fragte sich, ob das Haus überhaupt funktionierenden Strom und Wasserleitungen hatte. Die vollkommen erschöpfte Usagi betrat das Grundstück und schlenderte in das Gebäude hinein, die Tür war geöffnet, als ob man sich hier nicht vor Einbrechern zu fürchten brauchte. Luna entschied sich draußen zu warten. Nach Tayos Reaktion war es wohl angebrachter auf Distanz zu gehen. Außerdem könnten die beiden etwas zu besprechen haben, was man besser unter vier Augen klärte. „Ich erkunde die Gegend“, verkündete Luna. „Ist gut“, keuchte Usagi. Es war einer der schönsten Orte Japans, die Luna je gesehen hatte. Die Gegend strahlte eine unheimliche Ruhe und meditative Aura aus. Grün leuchtendes Gras und verschiedene, farbenfrohe Blumen bedeckten den Boden, die Blätter unzähliger Bäume raschelten im Wind, es zwitscherten fröhliche Vögel, irgendwo floss ein rauschender Bach. Es war ein Ort des Friedens. Dennoch umgab den Ort auch eine traurige Atmosphäre, denn es gab kleine, grob mit Steinen gepflastere Wege, die plötzlich endeten, als hätte jemand den Bau plötzlich abgebrochen. An mehreren Stellen fand Luna kleine Gärten mit ausländischen Pflanzen, um die sich gemäß ihres Zustands schon lange niemand gekümmert hat. Als Luna den Bach fand, entdeckte sie am Ufer auch einen kleinen Hafen mit Spielzeugschiffen, alles von der Natur inzwischen zerstört. Im Endeffekt wirkte dder Ort wie ein nicht abgeschlossenes Projekt. Luna wagte es nicht irgendwleche Schlussfolgerungen über Tayos Mutter zu ziehen. Bloß, dass das Vermögen beträchtlich sein musste, wenn man ein Grundstück besaß, auf dem Katzen sich verlaufen konnten. Beinahe packte sie die Panik. Allein die Sorge um Usagi, dass sie ihren langjährigen Protegé länger mit Tayo alleine ließ, als sie wünschte, war erdrückend. Akane Tayo... dachte Luna. Während der vier Stunden im Auto hat sie keinen Moment lang bedenklich gewirkt, lässt man ihren Fahrstil außer Acht, doch es entsteht ein ambivalentes Bild. Sie ist ehrlich, aber etwas zu direkt und unverschämt, sie ist klug, aber arrogant, sie ist sicherlich mutig und stark, aber auch agressiv und streng, sie ist ehrgeizig, fast schon auf eine selbstzerstörerische Art. Sie sieht extrentrisch aus und verhält sich gewöhnungsbedürftig, hat aber mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Alles in einem eine seltsame Gestalt, die aber keinen Anlass gibt, ihr zu misstrauen. Wahrscheinlich der Grund, warum Usagi ihrgegenüber so offenherzig auftritt. Usagi sieht offensichtlich nur Akane Tayo. Diese mag zwar ihre guten Seiten haben, jedoch ist auch das Alter Ego zu beachten, in welchem alle negativen Eigenschaften zu Tage kommen. Sailor Sun beleidigt die Prinzessin und die Kriegerinnen, als wären sie Dreck. Sailor Sun ist so arrogant, dass noch immer Unterstützung ablehnte, als die Hilfe der Mädchen überlebensnotwenig wurde. Sailor Sun kämpft aggressiv und hat keine Angst vor Opfern. Sailor Sun kämpft ohne Rücksicht auf ihr eigens Leben. Sailor sun tötet die Gegner erbarmungslos. Sailor Sun spricht von dem Kampf gegen die Gegner als „ihren Krieg“ – welche Wut muss existieren, damit man von einem persönlichen Krieg spricht? Nur eine gefährliche. Und sie behauptet, nicht einmal die genauen Hintergründe zu kennen. Sie gibt vor, die Identität der Feinde nicht genau zu wissen, sie umreißt deren Ziele bloß. Akane Tayo scheint selbst nicht genau zu wissen, wer Sailor Sun eigentlich ist. Trotzdem hat sie volle Kontrolle über ihre Kraft. Und sie bezieht ihre Macht aus derselben Quelle wie ihre Gegner. Sie beherrscht einen fremden Starseed. Sie ist keine Reinkarnation, keine originäre Kriegerin. Beachtet man ihr Verhalten, ist fraglich, ob nicht eine böse Kraft auf sie übergegangen ist. Oder ob sie nicht auch Teil des Planes dieser Feinde ist. Es war schon dunkel. Daher war es seltsam als plötzlich ein kurzes Aufhellen mitten im Wald aufleuchtete. Das konnte nur ein Lichteffekt von Sailor Moons neuer Waffe oder der Geißel sein. Luna hat soeben einen Anhaltpunkt erhalten, um zurückzufinden. Luna lief los, ehe sie vergaß, woher das Licht gekommen war. Wenn wir wenigstens die Sicherheit hätten, wer diese neuen Gegner, wer dieser Hyperion eigentlich ist. Wer ist diese Sunna, deren Starseed Akane Tayo zu beschützen scheint. Dieses Gefühl der Ahnungslosigkeit in Verbindung mit dem Mondkönigreich ist etwas vollkommen Neues für mich. Ich kannte Metallia bestens, Nehelenia war mir kein unbekannter Name und Galaxia war ein lebendig gewordener Mythos. Doch nun sollen Gegner von der Sonne kommen, die seit der Geschichtscheibung des Mondkönigreichs als verdammter Ort gilt. Keiner hat dies hinterfragt, es schien in der Natur der Sache zu liegen. Kein Anzeichen von Leben, nur Tod, sodass Kreaturen wie Metallia entstehen können. Von einem Kaiserpaar namens Hyperion und Sunna war nie die Rede. Und nun wird diese Tatsache erschüttert durch eine naiv in einen Krampf verwickelte junge Frau. Ein zweites Mal erschien der Lichtstrahl, ehe Luna wieder die Orientierung verlor. Und was ist dieser Leguan? Als ich ihm nahe kam, spürte ich keine extraterrestische Energie von ihm auszugehen. Er schien als ein ganz normales Reptil. Daher ist es kaum zu glauben, dass dieses Wesen diesen Starseed gestohlen und an Tayo weitergegeben haben soll. Langsam kam sie außer Atem, doch sie schien dem Haus immer näher zu kommen. Ich nehme Tayo ihre Ahnungslosigkeit nicht ab. Dazu handelt sie in Konfrontation zu kalkuliert, zu aggressiv, mehr, als durch bloße Routine sich ergeben kann. Ihre Erzählungen wirken zu eingeübt. Wie könnte sie eine Kraft kontrollieren, die Sailor Moon zu viel ist, ohne zu wissen, um was es sich handelt? Wie könnte sie sonst Usagi den Umgang damit erklären. Sie muss mehr wissen, als sie vorgibt. Und ich will wissen, was sie weiß. Luna blieb ruckartig stehen. Wenn man gerade vom Teufel denkt... vor ihr hockte der Leguan. Extraterrestisch oder nicht, das Tier war gruselig. Sie hatte ganz vergessen, dass er auch auf der Reise mit war, der kurze Blick in den Kofferraum, wo er gefangen war, war wohl zu wenig einprägend. „Züngle einmal, wenn du mich verstehst.“ Er tat es. „Geh mir aus dem Weg.“ Luna verstand Tiere allgemein, nicht nur Katzen. Jedes Vogelgezwitscher am Morgen war für sie ein Graus, weil sie mithören musste, wie sich die Tiere stritten. Dieses Tier verstand sie jedoch nicht, als es wieder die Zunge heraustreckte und dabei leise zischte. Keine abnormale Aura, aber er konnte seine Sprache vor ihr verheimlichen. Ohne die Augen von ihm zu lassen, schlich Luna um den Leguan herum, er folgte ihr mit starrem Blick. Zum Glück war sie schneller, er konnte ihr nicht folgen. Sie war eher am Haus angekommen, als er. Luna entdeckte Usagi und Tayo in ihren Uniformen. Auf dem ganzen Boden lagen zerfetzte Melonen, Kissen, Krüge und andere Dinge, die man in Haushalten so findet. Sailor Sun saß auf einen Stein und blickte genervt auf die Prinzessin. Sailor Moon sah erschöpft, aber unbeschadet aus. „Aber es ist schon besser geworden...“, murmelte Sailor Moon. Sailor Sun schnaufte: „Aber immer noch zu wenig. Noch mal.“ In diesem Moment entdeckte Sailor Moon die Katze: „Luna! Wo warst du denn so lange?“ „Ich hab mich umgesehen. Ganz schön riesig, dieses Grundstück.“ Sie sah zu Sailor Sun. Diese hielt auf einmal mit beiden Händen ihre Geißel umklammert. Es war wohl besser, wenn die Katze ihr nicht zu Nahe kam. „Ich geh mal hinein“, murmelte Luna. „Ja, du warst ja noch gar nicht drinnen!“, lachte Sailor Moon. „Das Haus ist echt schön. Recht schmutzig, aber tolle Möbel und überall hängen Fotos von der kleinen, süßen Ak...“ „NOCH MAL!“, brüllte Sailor Sun. „Verschwende deine Zeit nicht mit hirnlosem Gelaber.“ Sailor Moon zog eine Schnute. „Ja, ja.“ Da Luna die Gefahr kannte, die von Sailor Moons neuer Macht ausging, verschwand sie sicherheitshalber im Haus. Vielleicht ergab sich an diesem Wochenende ein Moment, wo Luna Tayo zu Rede stellen konnte. Es war schon Morgengrauen als Tayo Usagi endlich vom Training erlöste. Luna erwachte von dem Getrampel, das die beiden verursachten. „Aber nur drei Stunden, wir haben noch viel zu tun.“ „Jaja“, motzte Usagi und ließ sich auf den Futon fallen, wo Luna eigentlich Platz genommen hatte. Damit sie nicht zum Kopfkissen wurde, hüpfte die Katze schnell weg. Usagi schlief unverzüglich ein. Tayo übernachtete in einem anderen Zimmer. Luna wartete kurz vor der Tür. Obwohl sie es verschleiert hatte, war sie genau so müde wie Usagi, denn es dauerte ebenfalls nur wenige Sekunden, bis Tayo eingeschlafen war. Mit der Pfote öffente Luna die Tür, als sie leises Schnarchen hörte. Luna wusste nicht genau, was sie dazu bewegte, Tayo beim Schlafen zu beobachten. Es war jedenfalls ein relativ verstörender Anblick, dass, wie sie beim Anschleichen erkannte, das vermeintlichte Stofftier in Tayos Armen in Wahrheit der Leguan war. Er schlief ebenfalls. Ziemlich verrückt, dachte Luna. Ihr Interesse an dem Leguan wuchs. Vielleicht war er im Schlaf weniger geschützt, als wenn er wach war. Sie berührte das Tier mit der Pfote am Kopf. Tayo wachte im selben Moment auf. „VERPISS DICH, SATAN!“, brüllte sie, nachdem sie Luna am Hals gepackt hatte und gegen die Wand schmiss. Luna rannte aus dem Zimmer. Es würde wohl um einiges schwieriger werden an Tayo heranzukommen, als sie vermutet hatte. Die Katzenphobie war viel zu mächtig. Hyperion. Ich habe aber diesen Namen schon einmal gehört... König Serenity war noch nicht lange im Amt, als sie sich mit der Geschichte ihrer Vorgängerinnen auseinandersetze. Sie analysierte deren Wohltaten und Fehler, um sich am besten orientieren können. Ihr unangetastetes Vorbild war keine geringere als die erste Mondkönigin, Selene. Eigentlich waren nur Legenden um diese Königin überliefert, welche Selene zum Ideal stilisierte. Eine gerechte, gnädige, perfekte Herrscherin, die ein mächtiges Reich aufbaute. Sie regierte mit Weisheit, Vorraussicht und Zuvorkommenheit, trotzdem nicht zerbrechlich. Sie bezwang eine Macht, die bedrohlicher war, als das Chaos, deren Namen man nicht aussprechen durfte. Und nach schlimmen Kriegen mit von dieser Macht vergifteten Nachbarvölkern gelang es ihr aus dem Nichts das Königreich wieder aufzubauen und zu neuer Blüte zu führen. In ihrer positiven Einstellung schloss sie Friede, und ihre Vorsicht ermöglichte, dass es nie wieder zu einem Krieg mit diesen Völkern kam. Nichts konnte ihren Idealismus trüben. Jeden Tag stand sie junge Königin Serenity vor dem Portrait der Selene, das niemals ihre überlieferte Schönheit einfangen konnte. Serenity war hoffnungsvoll und betrübt zugleich. Ich stelle mich neben sie und betrachtete das imposante Bild, das sich der Realität wahrscheinlich nur annähern konnte. Ich verstand die Fanszination, die von dieser Herrscherin ausging. Die Königin seufzte: „Jede Mondkönigin muss sich einmal die Frage stellen, was passiert, wenn sie zurückkommt. Daher müssen wir alle Selene als unser Vorbild nehmen.“ Sie wandte sich zu mir. „Luna, ich habe Angst. Es heißt, dass von Generation zu Generation die Macht des Silberkristalls abnimmt. Was ist, wenn sie wartet und uns angreift, wenn wir schon längst zu schwach geworden sind.“ „Selene hat sie vernichtet“, versuchte ich zu beruhigen. „Es gibt keine Anzeichen ihrer Existenz mehr.“ „Hyperion lebt noch“, antwortete Königin Serenity. Ich verstehe erst jetzt, dass die Königin nicht von der Macht sprach, deren Namen man nicht aussprechen durfte. Sie sprach von einem vergifteten Nachbarvolk. „Sie“ war nicht die Macht. „Sie“ war die, mit dem Bezug zu Hyperion. „Sie“ war Sunna. Akane Tayo trägt den Starseed einer ehemaligen Gegnerin des Mondkönigreichs. Luna wollte gerade in Usagis Zimmer verschwinden, als plötzlich der Leguan erschien. Und diesmal war er nicht nur auf die Art unheimlich, wie es ein Reptil eben war. Sein Blick nahm sie geradzu gefangen. „Was willst du?“, fragte Luna. Der Leguan zischte. „Ich weiß jetzt, wer diese Sunna ist. Sie ist genau so eine Gefahr für meine Prinzessin, wie es Hyperion und seine Schergen sind. Ich kann daher nicht unterstützen, was du und Tayo auch vorhaben mögen. Denn was es auch sein wird, es wird Usagi nur Schaden bringen.“ Der Leguan züngelte und ging langsamen Schrittes zu der Katze. Luna konnte sich nicht bewegen. Das Reptil schüttelte den Kopf. Es züngelte, seine Zunge berührte Lunas Halbmond auf der Stirn. Und plötzlich wurde es dunkel. Als Luna wieder sehen konnte, erkannte sie als erstes, dass sie in ihrer menschlichen Gestalt war. Irritiert fasste sie an ihre Handgelenke, ihre Hüften, ihre Wangen. Es war ein ungewöhnliches Gefühl. Erst nach einer Weile erkannte Sunna, dass sie sich nicht in dem Haus den den Niho-Alpen befand. Sie schwebte über einen riesigen, mit Gold ummantelten Palast, unter dem sich ein unendlich tiefer Abrund auftat. Auf der großen Tarasse befand sich nur eine Person, eine Frau – Luna sah sie nur von hinten, und sie hatte auch kein Bedürfnis das Gesicht dieser Frau zu sehen. Dafür fiel ihr die Schrift auf, welche sich vor ihren Augen in die Luft zeichnete. „Traue keinen Legenden“, las sie. Auf einmal ertönte das hysterische Weinen eines Kindes – unter dem Geschrei konnte man schemenhaft das Wort „Mama“ hören. Luna sah sich nach der Quelle um, doch sie konnte kein weinendes Kind finden. Und auch der Palast war plötzlich verschwunden. An seine Stelle war ein im Scheinweiferlicht befindlicher Scheiterhaufen getreten. An ihn war dieselbe Frau gefesselt, welche zuvor auf dem Balkon gestanden war. Luna sah sie zwar von vorne, doch ihr Gesicht war von einem Schatten bedeckt, sodass Luna nur ihren Mund erkennen konnte. Das Kind brüllte noch immer. Ist das Sunna, fragte sie sich. Ehe sie den Gedanken weiterführen konnte, wurde das Geschrei des Kindes von mehreren Stimmen, die keinen Urheber zu haben schienen, übertönt. „Sprecht eure letzten Worte.“ Die Frau sprach leise, Luna verstand nicht, das unaufhörliche Weinen des Kindes übertönte jede Silbe. Und dann ging der Scheiterhaufen in Flammen auf. Gleichzeitig wurde es dunkel. Luna riss die Augen auf. Sie war zurück in ihre Katzenform und in das Haus gekehrt. Der Leguan stand ihr direkt gegenüber. „Was willst du mir damit sagen?“ Als ob sie nicht geaht hätte, dass das Reptil ihr keine Antwort geben würde. In Tayos Zimmer brannte Licht – offensichtlich hatte sie nach dem Überfall nicht mehr einschlafen können. Luna wog alle Risiken ab und betrat erneut das Zimmer. Tayo las. Als sie Luna sah, zuckte sie zusammen. „Keine Angst ich komm dir nicht zu nah. Wir haben zu sprechen.“ Tayo atmete dreimal tief durch. „Aber mach schnell.“ „Dein Leguan hat mir gerade Dinge gezeigt.“ Sie musste es nicht genauer ausführen, Tayo schien zu wissen, wovon die Katze sprach. „Sunna wurde hingerichtet.“ Tayo schnaufte. „Ja.“ „Vom Mondkönigreich?“ Tayo rieb sich die Schläfen und murmelte Beschimpfungen über den Leguan in sich hinein, ehe sie antwortete: „Es ist nicht schwer, eins und eins zusammen zu zählen.“ „Für Usagi schon.“ „Ich weiß. Deswegen... sag ihr nichts. Ich mag ihr nichts erzählen, was ihr Weltbild zerstören würde.“ Luna schnaufte über Akanes ausweichende Antwort. „Du weißt mehr, als du gerade zugeben möchtest?“, fragte sie. Diese Frage schien ihr am diplomatischsten. Tayo nickte. „Mehr als mir lieb ist. Und ich werde es euch nicht sagen.“ „Dann ist dir bewusst, dass wir dir weiterhin nicht vertrauen werden.“ „So ist es mir eh lieber.“ Tayo gähnte. „Und wenn ich bitten dürfte, es ist spät, ich würde gerne wenigstens noch eine Stunde schlafen.“ Sie legte sich hin und zog die Bettdecke über den Kopf. Sie imitierte ein lautes Schnarchen. Wenn sie das Vertrauen so intesiv ablehnt, heißt das nicht eigentlich, dass wir ihr vertrauen können, dachte Luna. Sie beobachtete seit einigen Stunden Sailor Moons Trainingstunden. Es sah nicht mehr ansatzweise so gefährlich aus, wie am Anfang, Usagi schien ihre neue Macht tatsächlich unter Kontrolle zu bekommen. Und Tayo erwies sich als eine strenge, aber geduldige Lehrerin, ein Typus, den Usagi immer gebraucht hatte. Was an ihr ist Tarnung, was ist echt?, fragte sich Luna. Usagis Handy läutete plötzlich. Noch bevor sie auf den Bildschirm gesehen hatte, rief sie: „MAMORU!“ Trotz Tayos Proteste, rannte sie zum Mobiltelefon. „Ich hab deinen Anruf schon sooo sehnsüchtig erwartet. Ob du es glaubst oder nicht, ich kann’s. Ein wenig Feigefühl fehlt noch, aber...“ Sie stockte. Und den Rest des Telefonats brachte Usagi nur mehr ein verstörtes „Ja“ und eine kurze Verabschiedung heraus. Sie ließ sich neben Luna auf den Boden fallen. Sanft setzte sie Katze auf ihren Schoß und streichelte sie. Luna sah, wie Usagis Augen feucht wurden. „Oh Mann, kommt der Maskenheini nicht?“, fauchte Tayo. „Meine Güte, deswegen brauchst du doch nicht zu flennen. Siehst ihn halt erst zwei Tage später, so what, er wird schon nicht fremdgehen.“ Usagi reagierte nicht. Luna sah ihrem Protegé in die Augen. „Was ist passiert?“ Usagi schnaufte: „Er will in nächster Zeit keinen Kontakt mehr zu mir. Und er hat mir nicht gesagt, warum.“ Darauf fing sie an zu weinen. Luna wusste nicht, was sie sagen sollte. Tayo setzte sich neben Usagi. Sie legte ihre Hand auf ihre Schulter. Usagi sah zu ihr hoch. Tayo lächelte. „Wenn du Bock hast, kannst du mich Akane nennen.“ Kapitel 14: Die Geburtstagsparty -------------------------------- Drei Wochen... Es war die dritte Woche, in welcher Akane nicht von ihrem Amulett geweckt wurde, sondern vom ganz normalen Wecker. Tatsächlich erschreckte sie dieser ungewohnte Klang mehr als das Amulettklingeln. Sie sah auf die Uhr. Eigentlich musste sie erst in vier Stunden auf der Uni sein und würde noch eine Weile schlafen können, um ohne Stress dorthin zu gelangen, entschied sich aber fürs Aufstehen. Ausgeschlafen hatte sie schon die letzten Tage, heute würde sie das ungewohnt sonnige Wetter des Aprils genießen. Drei Wochen. Akane hob den Leguan auf ihre Arme und blickte aus dem Fenster. Sie grinste breit. Drei Wochen hatte sie schon ihre Ruhe. Noch nie hatte sich Hyperions Bastard so viel Zeit gelassen, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Eigentlich sollte sie die lange Dauer beunruhigen, doch in Anbetracht der Arbeitserleichterung, weil Sailor Moon nun endlich ihre neue Macht beherrschen konnte, hatte sie sogar das Gefühl, mit dem Widerling persönlich fertig zu werden. Ein anmaßendes, aber gutes Gefühl. Ihr Gesicht spiegelte sich im Fensterglas, Akane betrachtete es genau. Keine überdimensionalen Augenringe, eindlich einmal ein gesunder Teint, und mit dem breiten Grinsen konnte man sie fast als hübsch bezeichnen. Nur ihre Haare waren genau so zerzaust wie sonst. Vielleicht hatte irgendein Frisör einen Termin frei, damit sie diese Katastrophe heute endlich richten lassen konnte. „Ich glaub, das wird heut ’n Supertag, gell?“, fragte sie den Leguan. Er blickte skeptisch. Als ob er die SMS vorausgeahnt hätte. Seitdem Mamoru sich von Usagi mehr oder weniger vorübergehend getrennt hatte, musste Akane als eine Art Ersatz dienen. Fast täglich schrieb sie eine SMS oder E-Mail, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich zu Telefonanten oder sogar Hausbesuchen hinreißen lassen würde. Akane musste der Guten irgendwie beibringen, dass sie jetzt zwar Arbeitskolleginnen, aber mit Sicherheit keine Freundinnen waren. Sie hatte nur überhaupt keine Ahnung, wie. Akane las die SMS: [k]MORGNEN! XD Sory :( weil ich so kurtzfristig frage, aber Rei hatt heut Geburdstag ^^ und ich lade dich hertzlich zu irer Partie ein! Absagen ist ferboten! ;) LG Usagi ^.^[/k] Akane hätte geantwortet, wäre die SMS nicht mit legasthenischen Rechtschreibfehlern und Interpunktionsvisagen belastet gewesen. Es war wahrscheinlich der unbequemste Thron, die ein Herrscher sein eigen nennen konnte. Keine Polsterung, bloß hartes Material, so groß, dass fast zwei Personen darin Platz nehmen konnten. Der Thron war nicht auf Bequemlichkeit ausgerichtet, denn ein Herrscher dürfe sich nicht an solche verweichlichenden Dinge gewöhnen, sondern seine Macht darin demonstrieren, wie sie immer gesagt hatte. Er war ein Konstrukt aus allen Metallen, die man zur Zeit seiner Entstehung kannte, sodass seine Oberfläche ein Muster zeigte, an welches Augen sich erst langsam gewöhnen konnten. Keine Schnörkel, bloß das Material erzeugte die Imposanz. Nuancen von Grau, Schwarz, Braun, Rot, Gelb und Grün ordneten sich nebeneinander, dass man von der Weite glaubte, es handle sich um eine, undefinierbare Farbe, doch von der Nähe erkannte man die unterschiedlichen Farben. Weil die Auftraggeberin gewusst hatte, was Ästhethik war. Leider war der ursprüngliche Glanz des Throns durch mangelnde Pflege und die halbe Ewigkeit seiner Existenz verschwunden, was den Eindruck schmälerte. Was sie dazu sagen würde? Mithras nahm gerne darin Platz. Solange sein Vater noch lebte, stellte diese Ehre ein Sakrileg dar, doch betrachtete man Kaiser Hyperions Zustand, so durfte es sich nur um ein kleines handeln. Doch immer beschlich ihn unterschwellig das Gefühl, etwas Falsches zu tun. Er konnte es kaum erwarten, bis sein Vater das zeitliche segnete, um endlich vom Kronprinz zum Kaiser aufzusteigen, um endlich legitim in diesem Thron sitzen zu können und die komplette Macht über ihr Vorhaben auszuüben, ohne ständig aus Angst vor Missbilligung seines Vaters seine Pläne ändern zu müssen. Hätte er Hyperion nicht so viel zu verdanken und wäre ihm nicht bewusst, dass sein Vater trotz Alter und Krankheit noch immer zu mehr fähig war, als er, hätte Mithras ihn schon längst getötet. Er sah auf die drei Portraits: Mamoru Chiba, Tuxedo Mask, Endymion, oder wie auch immer er heißen möge, den er schon in seine Pläne eingebaut hatte; Rei Hino, Sailor Mars, über die er noch unentschlossen war, was er mit ihr machen sollte, und diese Ami Mizuno, die offensichtlich einen Bezug zur Grabschänderin seiner Mutter hatte, doch den er nicht einordnen konnte, weswegen er lieber die Finger von ihr ließ. Seit langem sah sich Mithras gezwungen, nichts zu tun. Zum Glück bedeutete ihm Zeit nichts mehr, also konnte er warten, bis seine Besten von der Mission zurück sein würden. „Sohn...“ Mithras sah erschrocken hoch. Was machte sein Vater hier? „Solltet Ihr nicht im Bett liegen?“ „Ich fühle mich besser.“ Und tatsächlich sah Kaiser Hyperion gesund aus. Seine Falten waren weniger geworden, sehr Haar hatte teilweise wieder Farbe bekommen. Sein Gang war aufrecht. Bloß die erbärmliche Kleidung hatte er nicht gewechselt. „Was tust du hier?“ „Ich denke über meine nächsten Schritte nach.“ Kaiser Hyperion winkte einmal mit der Hand und Mithras stand unverzüglich auf. Hinkendes Schrittes näherte sich sein Vater dem Thron und nahm mit knackendem Rücken Platz. „Du kannst froh sein, dass deine Mutter dich nicht aus dem Jenseits tötet.“ Er stöhnte. „Außerdem habe ich mir sagen lassen, dass du in letzter Zeit sehr aggressiv vorgangen seist. Was ist an den Gerüchten wahr, Sohn?“ Mithras verzog das Gesicht. „Es schien mir der beste Weg.“ „Und inzwischen tragen diese unwürdigen Kriegerinnen die Macht deiner Mutter in sich.“ Er seufzte. „Da siehst du wieder, was der aggressive Weg tatsächlich bringt.“ In diesem Moment beschloss Mithras seinem Vater nichts von dem Ausfindigmachen der Marskriegerin und des Erdenprinzen zu erzählen. „Ihr wisst, dass dies meine Art ist. Und hätte ich nichts tun sollen, während Ihr dahingesiecht seid?“ Hyperion seufzte: „Ich will nicht sagen, dass du nicht dein Bestes gegeben hättest, aber dein Bruder hätte immer noch besser gehandelt.“ „Sol ist tot. Kommen Sie darüber hinweg.“ „Ja.“ Er verfiel in sentimentales Schweigen. „Aber, wie du siehst, mein Zustand hat sich gebessert. Eine Energie aus dem Jenseits hat mir neue Kraft geschenkt.“ Dass er nie Sunnas Namen aussprach, hatte Mithras nie verstanden. „Nun übernehme ich wieder das Wort.“ Er stöhnte, als ob Hyperion von einem Schmerz durchfahren werden würde. „Geh zum Doktor.“ Mithras schnaufte: „Als ob der Doktor noch irgendetwas zu Stande bringen würde.“ Kaiser Hyperion grinste spöttisch: „Ich war im Koma und habe offenstlich doch mehr mitbekommen, als mein munterer Sohn. Der Doktor hat viel experimentiert. Seine Züchtungen haben sich verbessert. Geh und sprich mit ihm, er soll dir beweisen, was seine neue Kreaturen zu können pflegen.“ Hyperion winkte wieder. Wie zuvor konnte er nicht anders, als seinem Vater zu gehorchen. Ja, es stand noch immer außer Frage, dass Mithras seinem Vater unterlegen war. „Jaaa, ich hab die Torten gebacken“, seufzte Makoto zum dritten Mal ins Handy und umklammete den Plastiksack, wo sich die Mehlspeisen befanden. „Ich muss jetzt aufhören. Der Bus kommt gerade und du weißt, ich mag es nicht in den öff...“ Ihr Einwand hielt Usgai nicht vom Reden ab. Und Makoto war zu sanft um einfach aufzulegen, zumal sie die schwere Phase, die Usagi wegen Mamorus Distanzierung durchmachte, verstand. Weiterhin das Handy an ihr Ohr haltend zwängte sie sich an den anderen Leuten vorbei zu einem Sitzplatz, dabei wäre ihr das Mobiltelefon zweimal fast aus der Hand gefallen. Was Usagi inzwischen gesagt hatte, hatte sie kaum mitbekommen. „Würdest du alles noch einmal wiederholen? Ich musste mich auf anderes konzentrieren.“ Usgai vergewisserte sich bloß, ob Rei eh nichts von der Überraschungsparty ahnte und ob es Ami gelang, ihre Freundin lang genug vom Hikawa-Tempel fern zu halten. „Das weiß ich nicht, Usagi, ich bin vor dreißig Minuten erst aus der Arbeit raus und habe bis jetzt nur mit dir telefoniert.“ Sie rieb sich die Stirn, als Usagi auf Minako zu sprechen kam. „Hast du gestern Nacht Minakos E-Mail nicht gelesen?“ Natürlich hatte Usagi diese übersehen. „Sie wird sich verspäten, aber dafür wird Kyoko Asakawa auch kommen. Deck bitte deswegen noch für eine Person mehr auf.“ Es folgte einer Schwämerei über Minakos Schauspielkollegin und im Anschluss über die Soap-Opera im Allgemeinen. Und nebenbei ließ Usagi die Bemerkung fallen, dass sie Akane eingeladen hatten. Makoto stutzte. „Äh, ist das wirklich so eine gute Idee?“ Usagi bejahte. „Ich weiß, du hast ihr viel zu verdanken, aber sie passt deswegen noch lange nicht in die Gruppe. Ich denke nicht, dass zu Reis zwanzigstem Geburtstag außerdem ständig irgendwelche zynischen Bemerkungen fallen sollen.“ „Wie Beschwerden darüber, dass es keine Stripper gibt.“ Das kam nicht aus dem Telefon. Makoto zuckte zusammen. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie sich neben Tayo gesetzt hatte. „Äh... Usagi, reden wir später weiter... ich bekomme gerade einen weiteren Anruf... ja...ja, hab ich... JA! Mach’s gut!“ Makoto legte so schnell wie möglich auf. Tayo sah ein wenig anders aus. Ausgeschlafen und gepflegt, sogar ihre Hautunreinheiten waren besser geworden. „Ich hab es nicht so drastisch gemeint, wie ich es ausgedrückt habe“, entschuldigte sich Makoto. „Nimm es bitte nicht persönlich.“ „Doch, ich hau dich das nächste Mal mit meiner Peitsche entzwei.“ Makoto riss die Augen auf. „War’n Witz.“ Makoto knurrte: „Würdest du vielleicht einmal lächeln, wenn du sakrsatisch bist, damit man sich auch auskennt?“ „Sorry, Lächeln ist heute leider aus.“ Als Demonstration bewegte Tayo bewusst ungeschickt die Mundwinkel. „Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich geh nicht hin. Du hast Recht, ich pass nicht in eure Gruppe und außerdem geht es mir auf den Geist, dass Usagi so tut, als wären wir befreundet. Ich mag kein Öl ins Feuer gießen.“ Tayo wandte den Kopf zum Fenster. „Tussen wie sie sind nicht mein Ding.“ Makoto kaute auf den Lippen, unschlüssig, was sie von Tayos letzter Aussage halten sollte. Wiedereinmal war Tayo zu direkt für ihren Geschmack gewesen. Sie fühlte sich wahrscheinlich deswewegen zu dieser Frage genötigt: „Sag mal, hast du eigentlich Freunde?“ Tayo wandte ihren Blick vom Fenster ab. Sie zuckte mit den Schultern. „Das lässt sich mit meinem Job nicht vereinbaren. Zu gefährlich für die Liebsten. Habt ihr schließlich Freunde außerhalb des ehrwürdigen Kreises der Kriegerinnen?“ Makoto kaute auf den Lippen. Sie dachte an Kimiko, die sich immer noch im Koma befand. Auch wenn sie eine Respektsperson war, hatte sie ihre Chefin immer auch als eine Freundin betrachtet, die sich nun in einem kristischen gesundheitlichen Zustand befand, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Makoto konnte nicht unterlassen, sich selbst die Schuld zu geben. Sie dachte weiters an Naru und Umino, Usagis beste Freunde zur Schulzeit, die mehr als einmal in Gefahr geraten waren und zu denen nun der Kontakt abgerissen war. Die meisten kannten Tayo und ihre großes Mundwerk. Die restlichen mussten wohl ihre Direktheit einen Tag aushalten können. „Ich war zu voreilig“, seufzte sie. „Bitte komm.“ „Bist du schwanger?“ „WAS?“ Tyo knurrte: „Weil du so launisch bist.“ Makotos Röte im Gesicht verschwand langsam, ihr Magen murrte jedoch noch lange vor Zorn. „Nein, ich.... NEIN!... ich dachte nur... Du hast nun jemanden kennen gelernt, der mit den Gefahren umgehen kann, wenn er in welche gerät. Du solltest das nutzen.“ Tayo gab ein spöttisches Lachen von sich: „Mit de Gefahren umgehen? Ihr?“ „Hey, ich geb zu, wir haben uns nicht gerade geschickt angestellt, aber als so unfähig musst du uns auch wieder nicht darstellen. Außerdem hast du selbst gesagt, dass Usagi „ready“ ist.“ „Hab ich das? Wann?“ „Du lenkst vom Thema ab.“ „Ach, echt?“ Tayo wandte das Gesicht vom Fenser ab. „Du hast jetzt, denke ich, gut eine halbe Stunde, mich zu überzeugen. Wir stecken im Stau. Und ich verpass meinen Frisörtermin.“ Makoto war gar nicht aufgefallen, dass der Bus sich seit Minuten nicht mehr bewegt hatte. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Eine Verspätung zur Party war unvermeidlich. Makoto fürchtete sich vor Usagis Reaktion. Als er vor sechs Jahren zum ersten Mal auf der Erde gewandelt war, war Mithras schnell mit dem Klischee des verrückten Wissenschaftlers konfrontiert worden. Es erschreckte ihn jedes Mal, wie sehr der Doktor diesem Stereotyp entsprach. Sein Labor war kaum beleuchtet und roch nach Moder und Schimmel. Es herrschte Unordnung, überall standen Gerätschaften, deren Verwendung Mithras nicht ansatzweise erahnen konnte. In Reagenzgläsern schlummerten die Embryonen, die durch Kontakt mit Sauerstoff zu den riesigen Wesen, genannt Züchtungen wurden. Es waren zu viele, als dass sie zu zählen waren. „Wer da?“, kreischte der Doktor. Er hasste es, wenn er während seiner Arbeit gestört wurde. Mithras knurrte. Die Wut des Doktors war binnen Sekunden verschwunden und wich Demut. „Ach, Herr, Ihr seid es. Was führt Euch in mein bescheidenes Gemach?“ Bescheiden war die falsche Bezeichnung – keiner stellte so viele Anschaffungswünsche wie der Doktor. „Der Kaiser schickt mich.“ „Oh, ist Eure Hoheit wieder genesen? Das muss beschimmt an meiner Medikamentation liegen.“ Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war Doktor auch der Arzt Hyperions geworden, obwohl Mithras eigens jemanden für Krankheitsfälle rekrutiert hatte. „Genesen... ja... nennen wir es so... würdest du bitte deine Hakfresse von mir abewenden?“ Der Doktor hatte grünliche Haut, verfiltze braune Haare, keine Zähne, eine Hakennase, keine Lippen, Augen ohne Iris und Pupille, einen Bukel und war winzig. Keiner wusste, ob er mit diesem hässlichen Aussehen auf die Welt gekommen war, oder ob er Opfer eines Selbstexperiments war. Auf Mithras’ Befehl hin wandte er sich jedenfalls schnell ab. „Vater behauptet, du hättest eine neue spezielle Züchtung auf Lager...“ „Oh ja!“ Der Doktor lief durch das halbe Labor und fand schließlich das gewünschte Reagenzglas. Er war dreimal daran vorbeigerannt. Mit gebeugtem Kopf hielt er das Wesen schließlich unter Mithras’ Nase. „Seine genetischen Komponenten entsprechen denen, der bereits bekannten Züchtungen, doch mir war es möglich beim Ihrem letzten Kontakt mit...“ „Spar mir die Erklärungen, ich hab dafür keine Zeit.“ Der Doktor guckte verdutzt. „Der Kaiser befiehlt, eines zur Erde zu schicken. Mein Addendum ist diese Adresse.“ Mithras drückte dem Doktor einen Zettel in die Hand. Es war das Haus der Marskriegerinnen. Der Doktor fing an hysterisch zu lachen. Mithras verdrehte die Augen und schlich angewidert aus dem Labor. Spätestens nachdem Tayo ein Buch herausgeholt hatte, herrschte zwischen Makoto und ihr Schweigen. Zumal Makoto auch keine Ideen hatte, wie sie Tayo zum Kommen überreden konnte. Das Schweigen und das Getuschel im Bus wurden vom Alarmsignal von Tayos Amulett unterbrochen. „Verdammt!“, knurrte sie. „Ist nur ’ne Erinnerung“, rief sie in die Menge, die sie wegen den penetranten Lärms vorwurfsvoll anstarrte. Tayo fummelte am Amulett hektisch herum, ehe das Geräusch endete. Dann schlug sie das Buch wieder auf. „Heißt das nicht, dass du zum Einsatz müsstest?“, fragte Makoto, die eine andere Reaktion erwartet hatte. „Jep.“ Makoto blinzelte und fauchte: „Keine weiteren Anmerkungen? Warum tust du nichts?“ „Soll ich mich wirklich im vollen Bus oder in der vollen Straße wegteleportieren lassen? Geht’s dir noch gut?“ Makoto musste Tayo leider Recht geben. „Aber, was sollen wir dann machen?“ „Nix“, meinte Tayo. „Manchmal geht es halt nicht. Wir können allerdings hoffen, dass irgendwer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.“ Stolz stemmte Usagi die Hände in die Hüften. Ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht. Die Dekoration war gelungen. Schwarze und rote Luftballons, Reis Lieblinsgfarben, mit Helium gefüllt berührten die Decke, kam man zur Tür herein, sah man sofort ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Happy Twentieth Brithday, Rei!“ und Rosenmotiven, Reis Lieblingsblumen. Kerzen brannten und Lampen mit bunten Glühbirnen waren in allen Zimmern verteilt. Düster und fröhlich zugleich, sowie es Rei mochte. Die vielen Geschenke, alle im selben roten Geschenkpapier verpackt, waren als Pyramide aufgestapelt, der Tisch für dreißig Personen mit dem besten Besteck des Haushalts gedeckt. In der Mitte fehlten nur mehr Makotos Torten. Eine Kuschelecke zum Plaudern war eingerichtet, ein Snack- und Getränkebuffet, Usagi hatte eine Playlist mit Reis Lieblingssongst zusammengestellt. Konfetti und Ratschen lagen für die Gäste bereit, die betätigt werden sollte, sowie das Geburtstagskind die Wohnung betrat. Und irgendwie hatte sie es geschafft den Raben Phobus und Daimos je ein Schleifchen um den Hals zu binden. Ja, es war gelungen! Wenn es nicht mit ihrer Zukunft als Königin des Silberjahrtausends wurde, würde sie beruflich Parties ausrichten. Usagi biss sich auf die Lippen. Seit Mamuro den Kontakt zu ihr abgebrochen war, schien ihre sichere Zukunft plötzlich gar nicht mehr so sicher, wie noch vor kurzer Zeit. Sie schniefte. Luna hockte auf ihrer Schulter und Usagi fing an die Katze apathisch zu streicheln. Gern hätte sie etwas gesagt, hätte sich nicht gerade Reis Großvater von hinten angeschlichen. „Wow, das hast du toll hingebkommen!“ Der Greis schlug Usagi auf den Rücken. Sie setzte wieder ihre gute Laune auf. „Danke! Ich hoffe, Rei wird es auch gefallen!“ „Sicher, sicher!“ Er gähnte. „Ich leg mich dann noch mal aufs Ohr, bevor die Party losgeht. Du weißt ja, alte Männer brauchen viel Schlaf.“ Usagi nickte. Es würde noch zwei Stunden dauern, bis Rei zurückkam, da gab es noch genug Zeit. „Magst du dich vielleicht ein wenig zu mir legen?“ Usagi riss die Augen auf und schüttelte sich unfreiwillig. So alt, so krank, und noch immer so ein Lustmolch! Es fiel ihr schwer, höflich zu bleiben: „Äh... ich...“ „Gute Nacht, hübsche Dame.“ Reis Großvater tänzelte summend davon. Usagi fand es unglaublich, dass der Alte trotz der schweren Krankheit noch so guter Launer war. „Alles wieder in Ordnung?“, fragte Luna. Usagi blickte die Katze an. „Was soll nicht in Ordnung sein?“ Luna beschloss sie doch nicht auf den Liebeskummer anzusprechen, um keine negativen Gefühle zu verstärken. „Nichts.“ Usagi betrachtete noch einmal ihr Kunstwerk. Nichts war mehr zu tun. Und noch mindestens eine halbe Stunde bis die ersten Gäste auftauchen würden. Und der Tempel der Hinos hatte einen schönen Garten. Usagi beschloss es Reis Großvater nachzutun und ein Nickerchen zu machen, jedoch in der überraschend warmen Aprilsonne. Artemis, den sie heute sittete, war schon länger auf die Idee kommen – er lag auf dem Rücken liegend im Gras und schnarchte so laut, wie es für Kater eigentlich unmöglich sein sollte. „Fauler Sack“, murmelte Luna. „Schläft lieber, anstatt uns zu helfen.“ „Du hast auch nur unnötige Tipps gegeben,“ bemerkte Usagi. „Besser als gar nichts.“ Luna sprang von Usagis Schulter und stürmte auf Artemis, den sie brüllend weckte. Auch wenn sie bald nichts mehr in dem Stimmengewirr der beiden verstand, kicherte Usagi über den Streit der beiden Katzen. Sie waren wirklich wie ein altes Ehepaar, nur dass sie leider kein Paar waren. Es dauerte nicht lange, bis Usagi eingeschlafen war. Doch auch der Schlaf dauerte nicht lange, denn sie wurde von einer zerbrechenden Fensterscheibe geweckt. Sie saß plötzlich aufrecht, die Hand umklammerte ihre Brosche. Sie spürte, was da war. Usagi biss sich auf die Lippen. Es würde ihr erster Einsatz sein, ohne dass Sailor Sun ihr zur Seite stehen würde. Ohne Ratschläge. Auch wenn das letzte Mal Akane fast keine mehr geben musste und sie das Gefühl hatte, das Biest alleine erledigt zu haben, so hatte sie doch ein mulmiges Gefühl im Magen. Was, wenn sie gleich den Hikawa-Tempel zerstören würde? Sie schlich an die Quelle des Krachs hin um sich überzeugen, dass sie ihr sechster Sinn nicht täuschte. Doch er hatte es nicht getan. Die Kreatur war wiederlich. Es schien sich um einen Vogel ohne Federn und ohne Augen zu handeln, aus der Haut drang eine grüne, dickflüssige Brühe und der Schnabel hatte Zähne. Sein Körper endete in einem Schweif, wobei Usagi erst beim zweiten Hinsehen bemerkte, dass es sich um eine Schlange handelte. Es hatte versucht durch das Fenster in den Tempel einzudringen, doch sein riesiger Körper passte nicht durch die Öffnung und es steckte fest. Für Akane wäre das ein leichtes Spiel, dachte Usagi. Und für mich muss es das auch sein. „Macht der Mondnebel, mach auf!“ Das Wesen wurde auf sie aufmerksam und fing hysterisch an sich zu bewegen. Der Schlangenschweif zischte auf Usagi zu, doch war nicht groß genug sie zu erreichen. Usagi umklammerte den Stab. Sie hatte Zeit genug, das Tier war eingeklemmt. Konzentration aufbauen. Tief durchatmen. Auf den Herzschlag achten. Seinen Körper spüren und die ganze Kraft, die durch einen hindurchfließt, wahrnehmen. Nur wenn man die Größe, dieser antiken Macht kennt, kann man sich auch beherrschen. Mit den Augen das Ziel anvisieren. Versuchen an nichts anderes zu denken. „Mondlich der Liebe...“ In diesem Moment riss sich das Monster aus seiner Falle. Der Vogelkopf wandte sich zu Sailor Moon, doch diese ließ sich nicht beirren. Sie schrie: „Sieg!“ Und ein gleißender Lichtstrahl entkam aus ihrem Stab, in gerader Bahn raste er zu der Kreatur, die nicht einmal dazugekommen war, eine Attacke auszuführen. Unter Geschrei verwandelte es sich in Staub. „Sailor Moon!“ Luna und Artemis kamen auf Usagi zu gerannt. „Ist dir etwas passiert. Wir haben gerade gemerkt, was hier los ist. Sie verzog keine Mine, doch atmete ruhig. Doch dann zierte ein breites Lächeln Usagis Gesicht. „Ich kann es!“, frohlockte sie. „Ich kann es endlich. Auch alleine.“ Sie machte einen Freudensprung. Und dann fiel ihr die Sauerei auf, die das Monster hinterlassen hatte. Wenigstens war die schöne Deko nicht beschädigt worden. „DAS WAR ALLES!“ Die Tür zum Labor des Dektors öffnete sich mit einem lauten Knall. Mithras schnaufte vor Wut. „DAS DING IST SOGAR NOCH SCHWÄCHER ALS DIE VORANGEHENDEN!“ Er sah sich im Labor um. Kein Doktor. Da der Widerling allerdings nie das Labor verließ, konnte er sich nur verstecken. Unter einem vollbelandenen Tisch fand er ihn schließlich bibbernd hinter einigen Schacheln. Mitrhas stieß sie zur Seite und packte den Zwerg am Hals. „RECHTFERTIGE DICH, BETRÜGER, BEVOR ICH DICH DEINEN EIGENEN VIEHCHERN ZUM FRASS VORWERFE!“ „Nicht Kampf...“, krächzte der Doktor. Mithras lockerte den Griff, damit der Doktor besser zu Wort kam. „Sie sind nicht für den Kampf gedacht, es sind bloß Wirte. Das, was sie nach ihrem Tod ausbrüten, ist das Wirkungsvolle.“ Mithras wurde hellhörig. Er setzte den Doktor ab und ließ sich die Funktionsweise dieser Züchtungen detailliert erklären. Teilweise detaillierter als wollte. Wie sie funktionierten, verstand er zwar nicht, doch er verstand den Sinn und Zweck dahinter. Er musste dem Doktor schwer aber doch etwas wie Kompetenz zusprechen... wäre da nicht seine Wut wegen anderer Dinge. „Das ist alles schön und gut, aber sag mir doch, warum hat das Ding nicht mitbekommen, welche Identität sich hinter der Schlampe von Mondprinzessin verbirgt. So schnell wie sie aufgetaucht ist, war sie sicher schon dort... oder?“ Der Doktor zitterte: „Tja ähm... sie sind eben nicht die hellesten...“ Mithras verpasste dem Doktor einen Tritt, dieser fiel zu Boden. Er packte den armseligen Mann und schleifte ihn mit sich. Das Flehen und Wimmern ignorierte er. Er dachte lieber daran, was in ein paar Tagen bei diesem Hikawa-Tempel passieren würde. „ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG!“, schrieen alle im Chor. Auf den ersten Blick konnte sie gar nicht ausmachen, wer und wie viele Personen überhaupt anwesend waren. Sie hatte ja damit gerechnet... das Ami ihr ausgerechnet an ihrem Geburtstag anbot, mit ihr Nietzsche zu besprechen, war einfach zu verdächtig, auch wenn Rei sie um Hilfe gebeten hatte. Aber dass es ein so großes Fest werden würde, damit hatte sie auch nicht gerechnet. Usagi hatte den Tempel sehr hübsch hergerichtet, auch wenn sie nicht verstand, warum ein Fenster auf beiden Seiten mit roten Decken verhangen war. Makoto hatte köstliche Torten mitgebracht und Minako hatte ein tolles Unterhaltungsprogramm mit Karaoke und (Trink)Spielen vorbereitet. Und sie fand Gesichter in der Menge, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Alles war perfekt! Der Tag ist angebrochen, was soll ich sonst anderes tun?, dachte Akane mit verschränkten Armen vor den Treppen des Hikawa-Tempels stehend. Die Pop-Musik, die ihr alle Haare Berge zu stehen ließ, dröhnte bis hierher. Aber was sollte sie sonst heute noch tun? Die Feinde hatten heute schon ihren Streich vollzogen und sie hatte ihn nicht wahrnehmen können. Den Fristörtermin hatte sie wegen des Staus verpasst. Universitären Verpflichtungen waren auch erledigt, Rika nervte auch nicht, auf Lesen hatte sie keine Lust und im Kino gab es im Moment keine gute Filme, die sie nicht schon gesehen hatte. Joggen, sie könnte Joggen gehen. Aber bis sie zu Hause war und sich Sportsachen angezogen hatte, war es zu spät dafür. Was soll ich denn sonst tun, dachte sie wieder und gestand sich seufzend ein, dass diese Worte ein verdammt kümmerlicher Weg der Selbstbelügung waren. Es war wirklich nicht so, dass sie im Moment keine Lust auf Leute oder Alkohol hatte. Und es war wirklich nicht so, dass sie keine Lust hatte sich ein wenig mit ihren Arbeitskolleginnen zu amüsieren Akane gingn in den Hikawa-Tempel Kapitel 15: Ein Tag im Leben der Makoto Kino -------------------------------------------- „Habt ihr schließlich Freunde außerhalb des ehrwürdigen Kreises der Kriegerinnen?“ Obwohl sie schon oft beleidigend war, war dieser der Satz, der mich am meisten getroffen hat. Und er lässt mich seit Tagen nicht los. Mit der großartigen Folge, dass ich noch häufiger Kimikos Gesicht vor meinen Augen sehe. Die gesunde Kimiko, die meinetwegen noch nicht ihr Leben im Krankenbett fristete unfähig ihre Umgebung wahrzunehmen. Kimiko war die erste, zu der ich eine engere Beziehung außerhalb des Sailorkreises wagte. Obwohl kein Feind in Sicht war, scheute ich mich vor neuen Freundschaften. Klar, ich bin mit dem Jungen aus der Kochschule ausgegangen, aber ernst wurde es nie – zu oft sind meine Schwämerein schon in Gefahr geraten, sodass ich aus schlechtem Gewissen den Kontakt nicht aufrecht gehalten habe. Wer sagt, dass nicht bald wieder eine unheimliche Kreatur um die Ecke gesprungen kommt und unschuldige verletzt. Zu oft sind wir schon überrascht worden. Am besten es gar nicht riskieren. Doch bei Kimiko konnte ich nicht anders als mich ihr anzunähern... und was ist passiert? Ob die Scheu bei anderen auch so ausgeprägt ist, wie bei mir? Reis Geburtstagsparty. Fast dreißig Gäste. Acht von ihnen Kriegerinnen. Reis Vater und Großvater. Einige Studienfreunde, Reis Mikus, zwei alte Schulfreundinnen. Minako hat Koyko Asakawa mitgenommen. Es waren doch zwanzig der anwesenden normale Menschen... mit denen ich kaum über Konversationen über das Wetter herausgekommen bin, weil ich Angst hatte mich zu gut mit ihnen zu verstehen und sie in Gefahr zu bringen. Bloß Motoki und Yuichiro waren alte Gesichter, die ich kannte, die sich jedoch ein anderes soziales Umfeld gesucht hatten. Mit ihnen zu sprechen, war kein Problem, schließlich würden sie nach diesem Abend wieder aus meinem Umfeld verschwinden. Motoki war in die USA gegangen und zufällig in Tokio gewesen, weil auch seine Mutter in dieser Woche Geburtstag hatte. Und Yuichiro hatte vor zwei Jahren aufgehört Rei hinterhezulaufen und war verheiratet mit einer Kindergärtnerin, die inzwischem im sechsten Monat schwanger ist. Heiraten, Kinder. Ob ich es je verantworten kann, Kinder zu haben? Nein, die anderen haben keine Scheu. Minako hat Kyoko und einige andere ihrer Schauspielkollegen... Ami hat ihren Boss (auch wenn sie es nicht zuegeben möchte)... Rei hat ihre Mikus und Studienkolleginnen... Doch sowohl Reis Mikus als auch Amis Umfeld SIND schon in Gefahr geraten, nur nicht mit so drastischen Folgen wie bei Kimiko. Und bei diesen Gedankengängen bin ich froh, dass ich keine Eltern mehr habe und meine Großeltern in Kyoto wohnen. Ich muss nur daran zurückdenken, dass Usagis Tante und Cousine ewige Narben aus ihrer Bekanntschaft mit den Feinden tragen werden. Ich habe keine Familie in unmittelbarer Nähe, die ich in Gefahr bringen kann. Heiraten, Kinder... ich habe wohl in nächster Zeit nicht vor, eine Familie zu gründen, auch wenn es eigentlich mein größter Wunsch ist mit meinem Traumprinzen vor dem Altar zu stehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir zwar die Retter der Erde sind, aber die Verderbnisbringer unserer Freunde. Akane Tayo hat schon Recht, wenn sie sich dezidiert gegen „normale“ Freunde entscheidet. Und trotz all dem, habe ich das Gefühl, dass ich den Kontakt zur Realität verliere, wenn ich mich nur auf eine Freundschaft mit den Sailorkriegerinnen beschränke. In normalen Zeiten war unsere übernatürliche Kraft kein Thema und wirkte sich nicht auf unseren Alltag aus. Aber jetzt gibt es nichts anderes mehr, selbst bei Reis Party in Anwesenheit anderer wurde das Thema angeschnitten. Ich würde so gerne wieder ein normales Gespräch führen und mich jemandem anvertrauen, der nicht gegen übernatürliche Wesen kämpfen muss, der einen bodenständigen, „normalen“ Blick auf die Welt hat. Wenn ich es nur verantworten könnte. Denn da ist schon Zimmer 15.07, in welchem Kimiko seit Monaten im Koma liegt. Kimiko, meine Mentorin, meine Förderin. Eine der Frauen, wie ich sie mir immer zum Vorbild nehme. Erfolgreich, klug, schön, elegant, und obwohl es vom Alter her unmöglich ist, ich habe mir gewünscht, sie wäre meine Mutter. Jetzt liegt sie da regungslos. Weil sie mit mir Kontakt hatte. Es ist meine Schuld. Makoto setzte sicht und nahm vorsichtig Kimikos Hand. Sie war kalt. Ihr Gesicht zeigte keine Regungen. Die Schläuche, die durch ihre Nase gingen, verbargen die Eleganz, die sie einmal ausgestrahlt hatte. Makoto wusste gar nicht, warum sie ihn brauchte, oder wozu er gut war. Die Ärzte weigerten sich Auskünfte zu geben, weil sie keine Verwandte war. Sie wusste auch nicht, ob Kimoko bald, nach einigen Jahren, oder überhaupt aufwachen würde. Sie kannte keine konkrete Diagnose. „Ich weiß noch immer nicht, ob es rührend oder traurig ist, Sie hier jeden Tag zu sehen.“ Makoto zuckte zusammen und drehte sich um. Der Schreck verging bald und sie seufzte. „Müssen Sie sich immer von hinten anschleichen, Herr Ito?“ „Sie sitzen nun mal immer mit dem Rücken zur Tür. Wenn ich diese laut auftrete, erschecken Sie sich genau so.“ Herr Ito stelle ihr einen Kaffeebecher hin. „Für Sie.“ „Danke, aber ich trinke keinen Kaffee.“ „Jeder arbeitende Mensch trinkt Kaffe.“ Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben Makoto. Kaum einie Sekunde später, spürte sie ein Kribbeln im Bauch. Während Makoto ihren Blick weiterhin gebannt auf Kimiko hielt, um ja es nicht zu verpassen, wenn es eine Regung geben sollte, äugte Herr Ito Makoto. „Ich darf Ihnen so viel verraten, sie ist weit entfernt vom Hirntod.“ Makoto schnaufte, es war nicht die Art von Auskunft, die sie hören wollte. Sasuke Ito war einundzwanzig und Krankenpfleger. Noch nicht lange in diesem Job tätig, wusste nur wenig über die konkreten Diagnosen seiner Patienten und man vertraute ihm so wenig wie möglich an, hatte er sich vor kurzem vor ihr beklagt. Daher hielt sie diese Information nicht allzu vertrauenswürdig. Sie sah ihn daher nicht an. „Was machen Sie in ihrer Freizeit?“, fragte er. Makoto wandte sich zu ihm. „Ich sehe Sie so oft und weiß eigentlich nur, dass sie Kimikos Schülerin sind. Und, dass sie neunzehn sind.“ Sie schwieg. „Also, dann verrate ich etwas von mir um das Eis zu brechen. Ich besitze eine rieisge Sammlung Mangas, von denen ich aber nur die Hälfte gelesen habe, weil ich dann doch lieber ein Buch verschlinge. Und ich besitze mehr Bücher, als ich gelesen habe. Jetzt Sie.“ Makoto lächelte. Herr Ito war ein wenig seltsam. Auf der einen Seite sah er gut aus, denn er war groß, hatte schöne dunkle Augen, aber helles Haar, vielleicht konnte man jedoch kritisieren, dass er ein wenig zu schlacksig war. Auf der anderen Seite hatte er einige seltsame Charaktereigenschaften, die ihn aber liebenswürdig machten. So hatte es ewig gedaurt, bis er es wagte, Makoto überhaupt zu grüßen, doch dann hörte er fast nicht mehr auf die reden. Er trug unter seinem Krankenpflegerkittel immer ein witziges T-Shirt, das durch die weiße Uniform duchzusehen war. Heute trug eines mit zwei raufenden Katzen. „Ich koche auch in meiner Freizeit gerne und versuche mich als Floristin.“ „Sie sehen mir auch wie jemand aus, der einen grünen Daumen hat.“ Herr Ito fummelt an den Geräten herum, an denen Kimiko angeschlossen war, doch ließ Makoto dabei aber nicht aus den Augen. „Bei mir sterben sogar Kakteen nach einer Woche.“ Als er über seine eigene Aussage lachte, verschüttete er fast seinen Kaffee über Kimiko. Makoto knurrte. „Aber meinen Patienten, denen geht es immer gut! Menschen kann ich am Leben erhalten!“ Sie kicherte. Er war lustig. Seltsam aber lustig. Sasuke Ito kicherte mit: „Ich würd ja gerne mal probieren, was sie so hinterm Küchenherd zaubern. Stört es Sie, wenn ich heute Abend zum Essen vorbeikomme.“ „WIE BITTE!“, schrie Makoto. Dann herrschte einige Sekunden Stille. Herr Ito seufzte: „Ich hab’s grad versaut, oder?“ Makoto sagte nichts. Herr Ito stand auf und im Gehen murmelte er vor sich hin: „Mann, ich hätte nicht auf meinen Bruder hören sollen. Was hat der schon für ne Ahnung von Frauen. Null Komma Nix.“ Erst als sie seine Stimme nicht mehr hören konnte, realisierte Makoto, was gerade geschehen war. Sie sprang auf und lief Herrn Ito auf den Krankenhausgang nach. Er war nicht mehr zu sehen. Sie rief seinen Namen, er reagierte nicht. Wahrscheinlich war er in einem der Krankenzimmer verschwunden. Makoto seufzte. Sie hatte ihn nicht enttäuschen wollen. Auch wenn seine Anmache ungeschickt war, sobald die erste Überraschung vorbei war, hätte sie ihn wohl wirklich zu sich eingeladen. Aber dieser Dummkopf war einfach verschwunden, ohne eine konkrete Anwort zu erhalten. Sie wollte nicht mehr hier bleiben. Sie ging in Kimikos Krankenzimmer um ihre Handtasche zu holen. Makato sah auf ihre Freundin im Koma. Herr Ito glaubte, er hätte seine Chancen bei ihr vespielt und wahrscheinlich war es auch besser so. Eigentlich müsste es Ami genau so gehen wie ihr. Schließlich waren auch ihre Chefs von einem Monster angefallen worden. Allerdings hatte es weniger die Personen als das Gebäude getroffen. Ihe Vorgesetzte war schon seit langem aus dem Krankenhaus entlassen worden und ein Psychiater hatte ihr einreden können, die unheimliche Begegnung sei eine adrenalininduzierte Einbildung gewesen, auch wenn sie – nachdem seit dem Vorfall im Kino die Öffentlichkeit wieder zu vermuten anfing, dass eine überirdische Gefahr drohte – sie daran zu zweifeln begann. Doch es gab keinen langfristigen, psychischen Schaden, physisch sowieso nicht. Und in dem Labor konnte nach dreimonatiger Stillegung wegen Wiederaufbau wieder der Betrieb aufgenommen werden. Ami erzählte von ihrer Arbeit und benutze Vokabel, von denen Makoto noch nie gehört hatte. Unterbrochen wurde die Fachsimpelei nur, wenn Ami von ihrem Boss redete. „Er gefällt dir, nicht wahr?“ Ami hättte fast ihr Eis fallen lassen. „Ja, aber da bin ich nicht die einzige. Er ist ein richtiger Traummann. Keiner verübelt mir, dass ich mich ein wenig in ihn verguckt habe. Und ich bin Realisten, ich betrachte meine Chancen als sehr gering.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie einen Abstand von fünf Millimetern. Makoto war verwundert. Minako und sie zogen Ami schon seit langem damit auf, dass sie romantische Gefühle für ihren Boss – der um einiges älter war als sie - hatte, und immer blockte sie ab. Es war das erste Mal, dass sie derartiges zugab. Und daher fand sie es umso bedauernswerter, dass Ami ihre Chancen als so gering einstufte, dass sie eigentlich aufgab. Hatte Ami schon einmal einen Freund gehabt? War sie überhaupt schon einmal verliebt gewesen? Makoto dachte an Kimiko. Wahrscheilich besser so. „Wie sieht es bei dir aus? Gibt es bei dir im Moment jemanden?“ Die Mädchen saßen im Park und genossen das erste Eis der Saison. Makoto genoss die Farben der Blumen, die langsam zu sprießen begannen, und das Grün der Bäume. Als Ami ihr die Frage stellte, betrachtete sie ausgerechnet einen Rosenbusch. „Ich bin heute angebaggert worden.“ „Wirklich! Wo denn?“ Wie viel es wohl Ami kostete, über so ein Thema zu reden, Jungs waren kein Thema, über das sie gerne sprach. Aber sie gab sich Mühe nicht allzu verklemmt zu wirken und Makoto sprach weiter. „Im Krankenhaus, einer von Kimikos Pflegern.“ „Und? Was hast du gesagt?“ „Ehrlich gesagt, er hat sich so ungeschickt benommen, dass er geflüchtet ist, ehe ich etwas sagen konnte.“ „Hm... vielleicht versucht er es noch einmal.“ Pause. „Was hättest du denn gesagt?“ Makoto überlegte kurz. Romantisch wie sie war, tendierte das erste Bauchgefühl zu ja, allerdings bekam sie ja auch seit neuestem Magenschmerzen, wenn sie sich ihren Traumprinzen ausmalte. „Weißt du, er ist lieb, aber eigentlich hab ich im Moment keine Lust auf eine Beziehung.“ Ami ließ wieder fast ihr Eis fallen. „Du und keine Lust auf Beziehung? Soll ich dich daran erinnern, dass du dich fast jede Woche in einen anderen verguckst.“ „Jetzt übertreib nicht.“ „Ich übertreibe nicht. Ich kann dir unseren SMS-Verkehr vorlesen.“ Ami holte ihr Handy hervor. „„Wieder haben sie ’nen neuen süßen Kellner eingestellt.“ „Hey, kann ich die Nummer von diesem Studienkollegen von dir haben, der ist ur fesch.“ „Hab grad ’nen Typen im Restaurant getroffen, der sieht aus wie mein Ex-Freund. Ich werde ihn auf ein Dessert einladen.“ „Heute...““ „Das reicht, Ami. Ich hab’s verstanden.“ Sie hatte sich noch nie als so flatterhaft wahrgenommen. War das ein Resultat ihrer Ängste, anderer bei langfristiger Beziehung in Gefahr zu bringen? Ami packte kichernd das Handy weg. Ja, sie hatte auch einmal das Recht jemanden aufzuziehen, wo sie doch meistens das Opfer war, aber Makoto war heute nicht in der Stimmung dafür auf den Arm genommen zu werden. „Weißt du, ich hab nachgedacht. Der große Erfolg der letzten Zeit war toll. Ich bin lieber eine Karrierefrau und eröffene eine Luxus-Restaurant-Kette als Hausfrau zu sein. Heiraten und Kinder bekommen ist nicht so mein Ding. Das behindert mich nur.“ „Es gibt genug Frauen, die schaffen beides. Vor allem mit einem guten Mann.“ Sie sah Makoto länger an und redete weiter, als sie nichts erwiderte. „Wieso der Sinneswandel?“ Keine Antwort. „Seit Reis Party wirkst du überhaupt verändert.“ Makoto seufzte: „Es ist wegen Kimiko. Ihr Zustand wird nicht besser.“ Ami verstand es in diesem Moment. „Und du gibst dir die Schuld.“ Makoto schluchzte und Ami legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Es kann immer und überall passieren. Jedem. Es lag nicht an dir.“ Makoto konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten: „Aber... sie war ja nur dort, weil sie mich abholte. Hätte sie mich nicht kennengelernt, dann wäre sie nicht angegriffen worden und läge jetzt nicht im Koma.“ Sie schniefte. „Es ist... ich habe das Gefühl, es ist wirklich besser, von anderen Menschen einfach fern zu bleiben. So viele unserer Freunde wurden schon verletzt, ich will nicht noch mehr Leute in Gefahr bringen.“ „Aber... du hast ja die Kraft sie zu retten.“ „Ich hätte lieber die Kraft sie gar nicht in Gefahr zu bringen.“ Ami wirkte überfordert. Es fiel ihr schwer auf Emotionen anderer einzugehen. Doch sie gab sich weiter Mühe, und stellte sich besser an, als manch stark empathische Menschen: „Dann denk daran, dass wir damals noch weit davon entfernt waren uns mit den Gegnern anlegen zu können. Denk an die Macht, die wir jetzt haben, mit der wir sicher viel mehr erreichen können, als je zuvor.“ Makoto wischte sich eine Träne aus dem Auge. Sie musste Ami Recht geben, doch Seelenfrieden brachte ihr diese Erkenntnis noch lange nicht. Ami lächelte: „Weißt du, Tayo hat was Kluges auf Reis Geburtstagsparty gesagt.“ „Komm mir nicht mit der.“ Wegen Akane Tayo saß Makoto überhaupt in der Sinneskrise. „Was kann sie mit ihrem Alkoholspiegel schon für kluge Sachen gesagt haben?“ „Selbstmitleid ist kontraproduktiv und von Was-Wäre-Wenn-Szenarien wird man nur verrückt.“ Pause. „Und, dass man die Gelegenheiten stets beim Schopf packen soll, immer gegen alle Widrigkeiten ankämpfen und sich nicht aufgeben soll. Kopfzerbrechen bringt nichts. In jedem Versagen soll man eine neue Chance erkennen. Und Gaben soll man nicht verfluchen, denn dann werden sie wirklich zum Fluch.“ Makoto sah Ami skeptisch an. Sie hatte zu dick aufgetragen. „Den Großteil hast du erfunden.“ Ami kicherte: „Nicht ganz. Einen Teil hat mir Usagi einmal gesagt.“ Sie schwiegen. Makoto dachte nach. Es war schon seltsam, dass man sich von einem dämlichen Satz so unterkriegen lassen konnte und all seine Träume aufgab, während die vielen Motivationssprüche Amis kaum Linderung brachten. Hingegen schien die Erwähnung Usagis Wirkung zu zeigen. Nicht einen Funken von Zweifel schien zu haben, obwohl ihre große Liebe sie nicht mehr sehen wollte, ihre Cousine und ihre Tante schwer verletzt worden waren und ihre Macht viel Verderben gebracht hatte. Im Gegensatz dazu, schien Makotos Problem gar klein. Sie kaute auf ihren Lippen. Die Magenschmerzen waren zwar noch immer da, wenn sie an ein Date mit Sasuke Ito dachte, doch eine leise Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie Gelegenheit beim Schopf packen musste. Die Stille wurde von Amis schrillem Handyklingelton unterbrochen. „Das war meine Erinnerung. Ich muss los, sonst komme ich zu spät auf die Uni.“ Den Rest des Eis warf sie in eine Mülltonne und packte ihren Rucksack mit Laptop und Büchern darin, ihren Aktenkoffer mit Notizen und Ausdrucken, und den Plastiksack, indem sich noch weitere Bücher befanden. „Mach’s gut.“ Ami lief los. „Warte kurz!“, rief Makoto ihr nach. Ami blieb stehen. „Was ist denn noch?“ „Ich werde ihn anquatschen. Versprich mir, dass du deine eigenen Ratschläge befolgst.“ Es schien nicht, dass Ami wusste, worauf Makoto hinauswollte. Eine Stunde später befand sie sich wieder im Krankenhaus, allerdings nicht wegen Kimiko, sondern wegen Sasuke Ito. Zwar konnte sie nicht umhin einen kurzen Blick auf ihre Chefin zu werfen (vielleicht hatte sich ihr Zustand inzwischen verbessert), doch in erster Linie strebte sie das Pflegerzimmer an. Man hatte ihr gesagt, Herr Ito sei gerade mit Patienten beschäftigt, sie solle vor dem Aufenthaltsraum auf ihn warten, denn der erste Weg, den er nach getaner Arbeit erledigte, war zur Kaffeemaschine. Makoto dachte, wenn sie ihn zum Essen bei sich einlud, musste sie vorher unbedingt Kaffee kaufen. Sie war der nervös. Das war sie zwar immer, wenn sie einen Jungen ansprach, doch der Grund war, dass sie nie wusste, ob der, den sie ansprach, sich auch für sie interessierte, und sie Angst vor einer Abfuhr hatte. Bei Herrn Ito wusste sie, dass sie auf der sicheren Seite war, schließlich hatte er den ersten tolpatischigen Schritt gemacht. Es waren die Zweifel, ob sie das Richtige tat, ob sie ihn nicht in Gefahr brachte, wenn sie sich ihm näherte. „Sie sind schon wieder hier?“, erklang plötzlich seine Stimme. Makoto erschrak. Sasuke Ito sah deprimiert aus. „Wenn Sie über mich Beschwerde einlegen wollen, können Sie das beim Personalchef tun. Der sitzt im ersten Stock, Tür Nummer drei.“ Makoto holte tief Luft und lächelte. „Wissen Sie, heute Abend ist schlecht, ich habe kaum Zutaten zu hause. Wann haben Sie morgen Feierabend?“ Herr Ito sah sie verwirrt an. „Und wagen Sie es nicht, abzulehnen. Zu meinen Hobbys gehört auch Karate.“ Sasuke Ito grinste von einem Ohr bis zu anderen. Sie hatte das richtige getan, redete sie sich ein. Es war richtig. Eben hatte sie das Gebäude verlassen. Makoto wollte Ami eine SMS schreiben, als ein Anruf einging. „Hey, Usagi.“ „Mako, hör mal, Minako“, sobald Minakos Name fiel, hörte man sie laut im Hintergrund Hallo rufen, „hat zwei Karten für die Fernsehpreisverleihung morgen übrig. Sie hat sie mir gegeben, weil ich ihre beste Freundin bin, aber sie kann sich nicht entscheiden, wen sie sonst mitnehmen soll. Du wirkst im Moment, als ob du Ablenkung brauchen könntest.“ Ami hatte ähnliches angedeutet. Hatte man ihr wirklich so gut angesehen, dass ihr gerade sehr viele ernste Themen durch den Kopf gingen? Sie seufzte. Bei allen Problemen, die sie selber hatte, wollte Usagi immer für einen da sein. Und sie würde nicht böse sein, wenn sie absagte:„Ich kann leider nicht. Ich habe ein Date.“ Es folgte ein Fragenschwall, dem Makoto kaum folgen konnte. Also beschloss sie einfach alles zu erzählen, musste aber immer wieder unterbrechen, weil Minako auch sofort Bescheid bekommen wollte. Es folgten mehrere Glückwünsche. Makoto wusste nicht, ob das wirklich angebracht war in Anbetracht ihrer Zweifel. Würde sie Herrn Ito das Leben retten können, wenn etwas passierte? Makoto blieb der Atem stehen. Sie spürte es. „Usagi, ich ruf dich später zurück.“ „Was... was ist los? Mako?“ „Ich bin beim Krankenhaus und etwas stimmt hier nicht. Melde mich später.“ Sie legte auf, sonst würde Usagi ihr noch mehr Löcher in den Bauch fragen. Makoto rannte zurück ins Gebäude und in die erste Toilette, die sie fand. Einmal hatte sie den Stab nicht mitgehabt. Und es war Kimikos Verderben gewesen. Ein solcher Fehler würde ihr nie wieder unterkommen, dachte sie und zog den Verwandlungsstab aus ihrer Handtasche. Doch würde sie fähig sein, so viele Menschen zu retten? „MACHT DER JUPITERNEBEL, MACH AUF!“ Wie dreist war das eigentlich? Ein Krankenhaus. Ein Bau, wo kranke und schwache Menschen lagen, die sich noch weniger wehren konnte. Sie erinnerte sich nicht daran, dass irgendein Feind schon einmal gewagt hatte, einen solchen Ort anzugreifen. Einen, wo schon jemand lag, den sie fast umgebracht hätten. Makoto lief los und drängte sich an den Leuten vorbei, wobei einige Schnappschüssen von der berühmten Sailor Jupiter machten. Irgendwie regte sie das auf, doch sie ignorierte es gekonnt, bis sich ein junges Mädchen ihr tatsächlich in den Weg stellte. „Aus dem Weg!“ Es reagierte nicht und sie stieß es grob weg. Die Zeit drängte. Bald würde es da sein. Es kam unter der Erde, die leichten Vibrationen des Bodens hatte sie schon unter der Erde gespürt. Was auch immer sein Ziel war, es suchte etwas im Krankenhaus. Es war nicht sie. Aber sie würde es schon auf sich aufmerksam machen. Und dann war es direkt unter ihr, kurz vorm Eingang. Makoto blieb stehen. „BLITZ DES JUPITER!“, sie zielte Richtung Boden, „SIEG.“ Der Blitzschlag traf so gezielt, wie es ihr noch nie gelungen war, hinterließ nur ein kleines Einschlagloch und drang nach unten. Es war das erste Mal, dass Sailor Jupiter das Ausmaß ihrer neuen Macht spürte. Und der Blitz traf das Wesen. Sie hörte das nicht definierbare Brüllen der Kreatur. „Was ist denn hier los?“ Jupiter drehte sich entsetzt um. Bei den Treppen sah sie Herrn Ito. „Macht, dass ihr weg kommt,“ schrie sie. Und in dem Moment barst der Boden auf und das Monster brach hervor, eine pervertierte Version eines Wurms. Es ging zu schnell, als dass die Menschen flüchten konnten. Und sie musste noch schneller handeln. „BLITZ DES JUPITER, SIEG!“, rief sie wieder. Und sofort schlugen die Blitze auf den Kopf des Wurms ein. Einmal schrie das Ungetüm noch, ehe es sich in Rauch auflöste. Sie hatte ihre eigene Macht gespürt, doch sie konnte es dennoch kaum glauben. Hatte sie gerade das Monster ohne Hilfe besiegt, ohne auch nur einen Schweißtropfen zu vergießen. Aber wir haben die Kraft andere zu beschützen, hat Ami gesagt. . Denk an die Macht, die wir jetzt haben, mit der wir sicher viel mehr erreichen können, als je zuvor. Jupiter drehte sich um. Keiner war verletzt. Einige zitterten, doch die Angst würde vergehen. Ihr Blick fiel auf Herrn Ito, der mit einer Mischung aus Furcht und Begeisterung auf sie schaute. Sie lächelte ihm zu, doch er merkte es nicht. Vielleicht hatte sie nicht die Macht, andere nicht in Gefahr zu bringen, aber sie hatte die Macht andere zu beschützen. Davon war sie überzeugt. Jupiter hatte immer schon viel Wert auf Kraft gelegt und es war das erste Mal, dass sie wirklich das Gefühl hatte, diese zu besitzen. Und irgendwie schien dies ihre Magenschmerzen zu beruhigen. „Jupiter,“ hörte sie jemanden rufen. Sie sah Sailor Moon und Sailor Venus auf sie zukommen. „Bist du in Ordnung?“, fragten sie gleichzeitig. Sailor Jupiter lächelte: „So gut ging es mir schon lange nicht mehr.“ „Sie hat das Monster mit nur einem Schlag besiegt,“ jauchzte das Mädchen, das sich Jupiter zuvor in den Weg gestellt hatte. „Sie hat uns alle gerettet. Sie ist eine Hel...“ „Gehen wir,“ unterbrach Jupiter. Wenn sie noch mehr von den lobenden Worten hörte, würde sie noch anfangen zu heulen. Trotzdem drehte sie sich noch einmal zu Herrn Ito um, der ein weinendes Kind beruhigte, und dachte: Bis morgen. Kapitel 16: Der Untergang des Hikawa-Tempels -------------------------------------------- Sie hatten es geschafft! Usagi hatte es wirklich geschafft, dieses Monster zu besiegen ohne einen Kollateralschaden anzurichten. Das Training hatte gefruchtet. Und es war nicht, wie sie vermutet hatte, so, dass sie im ersten echten Einsatz Usagis Hand hatte halten müssen. Sie hatte es alleine geschafft! Und eine einzelne Kriegerin reichte aus, um die Züchtungen in die Knie zu zwingen, wie Makoto Kino bewiesen hatte. Man brauchte also nicht mehr auf Sailor Moon zu warten, um diese kleinen Brocken zu besiegen. Und auf Sailor Sun erst recht nicht. Sie selber fühlte sich dadurch tatsächlich entlastet, keine Gewissensbisse, weil sie jemandem nicht zu Hilfe gekommen war. Und Usagi und Co. würden sie auch in Zukunft entlasten, vor allem, da die Mädels das Talent besaßen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Als sie von Usagis Erfolg gehört hatte, hatte sie sich bei der Geburtstagsfeier einfach mal wieder richtig angesoffen. Und sich daran erinnert, wie lustig es war, betrunken zu sein, obwohl sie sich vage daran erinnern konnte, sich nicht sonderlich gut benommen zu haben. Und es hatte ihr gefallen. Sie wollte es wiederholen. Der Tag war gut gelaufen, sie hatte sich nicht einmal mit Rika gestritten, also sah sie keinen Grund sich nicht in die Bar zu setzen. „Whiskey on the Rocks,“ orderte Akane und schaute erst doof, dann belustigt, als der Barkeeper sich zu ihr umdrehte. „Hola, des is ja der Maskenheini. Wie geht’s?“ Mamoru schaute finster. Er stellte ihr kommentarlos das Glas hin. Akane trank es in einem Zug aus. „Noch einen.“ Er hatte kaum von ihr weggedreht, als er die Bestellung aufnahm. „Noch einen,“ ertönte es wieder. „Und noch einen.“ Er stellte ihr das vierte Glas Whiskey zusammen mit einem Glas Wasser hin. Er seufzte. „Wenn ich nicht mit dir rede, trinkst du dir wohl eine Alkoholvergiftung an.“ „Keine Angst, das hab ich nicht wegen dir vor.“ Er hatte schon einige betrunkene gesehen und gehört, und Akane sah weder so aus, noch redete sie so. Und es war klar, dass die folgende Frage nicht eine Folge des Rausches war, soweit hatte er sie schon kennenlernen dürfen. „Hast ’ne Neue?“ Mamoru blickte sie verwirrt an. „Darf ich fragen, wie du das meinst.“ „Na, wie wohl, Blödi. Du hast das Prinzesschen übern Haufn g’haut, weilst wos bessres g’funden host.“ Er wollte zum Reden ansetzen, doch Akane redete weiter, wobei er Schwierigkeiten hatte ihrem Osaka-Dialekt zu folgen: „Weißt, weil i jederzeit in’d Orbeit g’rufen werdn konnt, hob i mi scho ewig nimma traut an huckn zu hobn. Aba die Schicksen mochen ois grod recht guat, i hob scho via Wochn frei, kannst da des vorstelln? Jetzt darf i mi wieder a bissi gehn lassen, dank deiner Ex-Ische. Solltest dir das nomal überlegn, so inkompetent is die nimmer.“ Das vierte Glas war inzwischen wieder leer, Akane tippe dagegen, als Signal, dass sie noch einen wollte. Mamoru schäumte vor Wut. Es war das erste Mal, dass jemand von dem Abstand sprach, den er sich zu Usagi genommen hatte, und dabei auch noch gleich so drastisch von Trennung sprach. Es war keine Trennung. Und Akanes Worte klangen tatsächlich verurteilend, obwohl ihr Urteil über Usagi weiterhin nicht positiv ausfiel. Die Verurteilung war fehl am Platz. Er hatte einen guten Grund. Und dass es jemand besseren als Usagi gäbe, stimmte erst recht nicht. Ja, sie war ihm gelegentlich auf den Nerv gegangen, ja, er hatte seine Zweifel gehabt, doch nachdem er über einen Monat keinen Kontakt mehr zu ihr hatte, vermisste er sie. Und er hasste sich dafür, ihr nie Hikari vorgestellt zu haben. Er hasste es, sie belügen zu müssen und belogen zu haben. Er hasste es, ihr nicht zur Hilfe gekommen zu sein und es auch nicht zu können. Es schmerzte jedes Mal, wenn er es unterdrücken musste, sich in Tuxedo Mask zu verwandeln. Doch da war noch die Angst, die größer war, als der Hass. „Also, so wie i euch kenneng’lernt hab, hab i ma ned des Traumpaar ausm Märchen vorg’stellt. Sooo distanziert. Hat scho so g’wirkt, als...“ „Ich werde bedroht.“ Er wusste nicht, ob es eine gute Idee war, Akane davon etwas zu erzählen. Doch seine Wut brachte ihn dazu es richtig stellen zu müssen. Außerdem, wer kannte sich besser mit den Feinden aus, als sie? „Wirklich? Von wem denn? Von deiner neuen?“ Er sah sie wütend an. Akane nahm einen kleinen Schluck. Da sie den Themenwechsel erkannte, unterdrückte sie auch wieder ihren Osaka-Slang: „Schon gut, ich weiß, worauf du anspielst. Silberhaarige Frau mit Gesicht, als würde sie gleich zu heulen anfangen?“ Er blinzelte. Versuchte sie gerade zu erraten, wer der Feinde ihn bedrängt? Er wusste den Namen seines Bedrohers, doch er zögerte ihn zu sagen, also sprach er nur: „Nein.“ Akane atmete erleichtert auf. „Hätte mich auch gewundert. Aber die gehört zu den gefährlichsten der Truppe. Solange nicht sie oder ein dürrer Hüne mit Augenklappe dich bedrohen, musst du das ganze nicht ernst nehmen. Nimm einfach...“ Sie brach mitten im Satz. Sie las Mamorus Gesicht. Und in ihrem spiegelte sich plötzlich Entsetzen. „E...e... es ist ein dürrer Hüne mit Augenklappe.“ „Du kennst M...“ Sie schüttete ihn das Glas Wasser ins Gesicht, womit sie Mamoru das Wort abschnitt, trank den fünften Whiskey aus und bestellte sofort einen neuen. „Sag niemals seinen Namen. Erst recht nicht in meiner Gegenwart.“ Sie trank den sechsten Whiskey aus. „Verdammt, ich dürfte gar nicht mehr hier sein.“ „Akane, was...“ „Sag auch nie wieder meinen Namen, hast du verstanden.“ Ihrer Stimme wohnte eine Aggressivität inne, dass es Mamoru schauderte. Sie kramte einen Zettel aus ihrem Rucksack und schrieb eine Emailadresse auf, die nur aus Zahlen bestand. „Der Bastard hat keine Ahnung von EDV und weiß damit nicht zu recherchieren. Sobald du nach Hause kommst, schreibst du mir eine Email mit allem, was vorgefallen ist. Und danach löschst du sie gleich. Verstanden?“ Sie wirkte, als wolle sie ihn gleich umbringen und er wagte es nicht Fragen zu stellen. Mit zitternden Händen tippte Akane Tayo auf das Whiskeyglas. Er schenkte ein. Sie trank aus. „Und tu was er sagt, so grausam es auch sein mag. Wenn er will, dass du keinen Kontakt zu... zur deiner Ex hast, tu’s. Wenn er will, dass du jemanden umbringst, tu’s. Wenn er will, dass du dich selber umbringst, tu es.“ Sie schien mit jeder Sekunde aufgebrachter und Mamoru überlegte, ob es eine so gute Idee war, ihr noch einen Whiskey auszuschenken, wie sie es wünschte, doch er tat es. „Denn alles was du dir vorstellen kannst, was der Bastard plant, es ist schlimmer.“ An ihrer Stimme erkannte man inzwischen den Whiskeykonsum und ihr Gesicht wirkte wie das eines Kampfhundes kurz vorm Angriff. „Und noch was, erwähne nicht nur nicht seinen Namen, sondern KEINEN. Niemals, auch wenn er nicht da ist, wer weiß, wo er lauert. Auch in der Email, schreib keinen Namen. Denk nicht einmal an Namen.“ „Wie soll das...“ „HAST DU MICH VERSTANDEN?!“ Sie sprang auf und packte ihn am Kragen. Sie schrie so laut, dass alle weiteren Gäste auf sie aufmerksam wurden. Doch sie ließ ihn erst los, als er ein Ja flüsterte. Ohne weitere Worte legte sie einen Geldschein auf die Theke, der den getrunkenen Betrag kaum abdeckte, und trank das letzte Glas Whiskey aus. Sie wankte davon. Mamoru wusste nicht, ob sein Bedroher oder Akane Tayo ihm mehr Angst einjagen sollte. Es hatte aus heiterem Himmel angefangen zu regnen. Die Tropfen auf ihrer Haut ließen die Kopfschmerzen noch größer werden. Und es war nicht der Whiskey, der das Hämmern in ihrem Schädel verursachte. Keine Entlastung. Was auch immer diese vier Wochen waren, es ging wieder los. Eine Pause, die sinnlose Hoffnungen schürte, nur, damit sich alles als schlimmer herausstellen konnte, als sie hatte ahnen können. Akane wusste nicht mehr, wie sie auch nur auf den Gedanken hatte kommen können, diese inkompetenten Figuren könnten auch nur irgendwie dafür sorgen sie zu entlasten. Was auch immer geschehen war, der Hahn im Korb hatte es so verbockt, er die Aufmerksamkeit des perversen Bastards auf sich gezogen. Und Akane und damit die ganze Welt gefährdete. Ich muss ihn umbringen dachte Akane. Scheiß auf das Schicksal, ich muss ihn umbringen, sonst gibt es gar keine Zukunft mehr. Scheiß auf Usagi und die anderen und was sie von dir halten könnten. Bring ihn um. Bring ihn um, bevor er dich verrät und alles umsonst war. Besser er stirbt und die ganze Welt bleibt am leben. Bring ihn um, der Bastard wird es sowieso tun und du nimmst ihm das Vergnügen. Bring ihn um, vergönn ihm einen schnellen, sanften Tod. Bring ihn um, bring ihn, bring ihn um. Sie hämmerte gegen ihren Kopf. Es konnte doch nicht sein, dass der Tod von Mamoru Chiba der einzige Weg war, aus der Misere herauszukommen? Akane wusste, dass der Alkohol sie nicht klar denken ließ, es ihr verbat, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, wie es dazu hatte kommen können, dass dieses Monster Mamoru Chiba ausfindig gemacht hatte. Doch sie wusste, er hatte eine Fährte, die auch bald zu ihr führen würde. Und sie war noch nicht bereit. Sie war noch nicht bereit für eine Konfrontation. Egal, wie viele Narben sie ihm schon zugefügt hatte, sie hatte es noch nie geschafft ihn umzubringen. Und ohne die weiteren Artefakte würde sie auch nicht schaffen und den Armreif hatten sowieso die Sailorkriegerinnen absorbiert. Und das einzige Lebewesen, das die Kraft hatte, ihn zu vernichten, war noch immer verschwunden. Sie musste Mamoru Chiba umbringen, ehe er den Bastard zu ihr führen konnte. Entsetzt über sich selber, fing Akane endlich an zu rennen, weg von der Bar, weg von Mamoru, damit sie nicht das tat, was ihr die ganze Zeit durch den Kopf ging. Eigentlich war die Bar, in welchen Rei sonst mit ihren Studienkolleginnen abhing, eine Baggerbar, dazu da um (theoretisch) einen netten Jungen kennen zu lernen. Es war vielleicht nicht die beste Idee, gerade dorthin Usagi auszuführen, aber ihr war nichts auf die Schnelle eingefallen, als Usagi sie mit der Nachricht anrief es gäbe etwas zu feiern und sonst niemand Zeit hätte. Doch ihr gefiel die Bar. Die Musik und die umstehenden Gespräche störten auch zum Glück kaum beim Reden, die beiden mussten nur sehr laut sprechen. „Also, wie hast du vor die Fenster zu bezahlen zu bezahlen?“, sagte Rei. Usagi dachte, sie hörte schlecht: „Ach, das ist der Dank dafür, dass ich dein Zuhause gerettet habe.“ „Aber du hast trotzdem die Fenster zerstört.“ „Ich habe dir schon so oft gesagt, dass war das Monster.“ „Nein, nein, nein... du redest es doch nur schön, dass du deine Kräfte noch immer nicht ganz unter Kontrolle hast. Man muss ja fast froh sein, dass nur zwei Fenster daran glauben mussten und nicht gleich der ganze Tempel.“ Rei wusste es besser. Natürlich war Usagi nicht daran schuld. Aber die Sticheleien mussten weiterhin sein. Aus Erfahrung wusste sie, dass Usagi zwar sehr zickig auf Witze über sie reagierte, aber ich dadurch eher von den wahren Sorgen ablenken ließ, als dass diese verstärkt wurden. „Also, mir ist ja eine Miku ausgefallen und eine zweite Assistentin für Reinigungsarbeiten wäre gar nicht so schlecht...“ „Aber, ich habe dir gerade erzählt, dass ich wieder einen Job habe.“ Dieser neue Beruf war der Grund zu feiern. Und es handelte sich um den absurdesten Job, den Usagi sich hätte aussuchen können. Sie war seit heute Kinderbetreuerin. Yuichirus schwangere Frau hatte Usagi erzählt, dass sie in ein paar Tagen aufhören würde zu arbeiten, da der Beruf sich mit der Schwangerschaft nicht mehr vereinbaren ließ, aber der Kindergarten verzweifelt war, da man keinen Ersatz fand. Und Usagi fiel nichts Besseres ein, als sich für den Job zu bewerben. Mit einem Unterhaltungsprogramm hatte sie die Direktorin überzeugen können. Rei konnte sich gut vorstellen, dass Usagi, kindisch wie sie war, gute Programme für Kinder aufstellen konnte, aber aufgrund mangelnder Geduld und der Tatsache, dass die einzige Erfahrung die sie mit kleinen Kindern hatte, ihre zukünftige Tochter war, mit der sie sich ständig zankte, schien sie nicht gerade geeignet für den Beruf. „Wetten, du wirfst nach einer Woche das Handtuch.“ Usagi knurrte. „Quatsch. Kinder lieben mich. Ich bin perfekt für den Job.“ Rei kicherte. „Dürfen wir die beiden Damen vielleicht auf einen Drink einladen?“ Die beiden setzten sich neben sie an die Bar – ein junger, hübscher Herr neben Usagi, einer neben Rei. Rei winkte ab. „Tut mir leid, wir sind liiert.“ „Auch heute Nacht.“ „JA.“ Die beiden verschwanden. Usagi seufzte. „Du musst das nicht tun.“ „Was denn? „Nur wegen mir einen Typen abblitzen lassen, der dir offensichtlich gefallen hat.“ „Er hat mir nicht gefallen.“ Lüge, aber tatsächlich hatte Usagi ihre Motivation durchschaut. Sie schlürfte an ihrem Cocktail. „Ich möchte dann eh bald verschwinden.“ „Aber ich habe dir noch gar nicht von Makotos Erfolg erzählt.“ „Morgen um fünf Uhr nachmittags, wenn du den Hikawa-Tempel fegen musst, kannst du mir das auch noch erzählen. Ich habe morgen um acht Uhr eine Vorlesung und nachher ein wahrscheinlich ziemlich kompliziertes Treffen. Und du solltest an deinem zweiten Arbeitstag auch nicht zu spät erscheinen. Und erst recht nicht restfett.“ Was schon passierte, wenn Usagi auch nur einen leichten Cocktail trank. Rei hatte ihr alkoholische Getränke schon beim Betreten der Bar verboten. Usagi knurrte: „Langweilerin. Jobs heißen noch lange nicht, dass man sich nicht amüsieren darf.“ Die kann sich ja gar nicht vorstellen, was ich für einen Spaß habe, wenn ich mit meinen Studienkolleginnen unterwegs bin, dachte Rei schelmisch. Aber trotzdem kam sie zu dem Schluss, dass es doch mehr Spaß machte Usagi auf den Arm zu nehmen, als mit ihren Unifreundinnen um die Häuser zu ziehen. „Jaja. Ich gehe trotzdem. Wenn du nicht mindestens fünfmal pro Minute angegraben werden möchtest, solltest du mich begleiten.“ Sie nahm ihre Jacke und Usagi tat es ihr schmollend nach. Der Doktor erschrak, als die Tür aufgerissen wurde, und erschrak noch mehr als, die Gestalt sah, die in sein Labor eintrat. „Lass es frei“, murmelte Mithras. Der Doktor nickte. „Es... es wird aber ein paar Stunden dauern, bis...“ Er konnte den Satz nicht beendet, zu viel Angst hatte er, Mithras würde ihm den Kopf abreißen, da er ihm bis jetzt nicht gesagt hatte, dass es einige Zeit dauerte, bis die Kreatur freigelassen sein würde. „Ist egal. Ich habe unten noch etwas zu erledigen.“ Akane erwachte vom schrillen Klingelton ihres Handys. Ihr Kopf fühlte sich an, als würden darin 10 Bauarbeiter mit Presslufthämmern arbeiten. Sie zögerte bis sie abhob. Es war Rei. „WO ZUM TEUFEL BIST DU?“, schrie sie und Akane hielt das Telefon weg von ihrem Ohr. Das Gebrüll tat ihrem Kopf nicht gut. „Ich bin... äh.“ Sie war zu Hause. Und sie hatte keinerlei Erinnerungen mehr, wie sie dort hingekommen war. Nachdem sie losgerannt war, hatte der Whiskey initiierte Black Out begonnen. Der zweite innerhalb von wenigen Tagen. Und lieber wäre es ihr gewesen, sie hätte das Gespräch mit Mamoru Chiba vergessen. Das Gesicht des Bastards erschien vor ihren Augen. Ihr wurde übel. „Zu Hause,“ murmelte sie. „Wir sind seit einer halben Stunde verabredet. Denkst du, ich hätte sonst keine Termine?“ „Äh.. tja... sorry... äh... weißt du, mir ist etwas dazwischen gekommen und...“ Sie stockte. „Um ehrlich zu sein, ich liege mit einem Mörderkater im Bett.“ Rei begann mit lauter Stimme und ohne Unterbrechung sich zu empören. Akane bekam kaum mit, was ihre Gesprächspartnerin von sich gab. Sie dachte an den Bastard und Mamoru, fragte sich, wie sie aus diesem Schlamassel wieder hinauskommen sollte. Weiterhin schien ihr die einzige richtige Lösung, Chiba einfach umzubringen, dann war verlor der Bastard den Kontakt zu ihnen. Vor einigen Monaten, als sie die Sailor-Kriegerinnen noch nicht kannte, hätte sie dies im Dienste der Rettung der Welt noch ohne zu zögern getan, aber nun quälte sie die Option. War das wirklich moralisch vertretbar? Akane sah zu dem Leguan. Wusste er bereits Bescheid? Vermutlich, denn er las gerade die E-Mail, die Mamoru ihr geschrieben hatte. Rei hörte noch immer nicht auf, sich zu beklagen. Akane stand auf und stelle fest, dass sie dieselbe Kleidung von gestern trug. Sie ging zum dem Leguan und streichelte ihm über den Kopf. „Ist es wirklich so dringend, dass wir reden?“, unterbrach Akane schließlich Rei. „JA!“ „Ist es wirklich nichts, dass...“ Sie stockte. Wer wusste schon, ob der Bastard nicht inzwischen gelernt hatte, Telefone abzuhören. Die Macht dazu hätte er jedenfalls. „Okay, dann, wenn du diese Mädchen beaufsichtigen musst, dann treffen wir uns einfach beim Hikawa-Tempel, ist das ein Kompromiss?“ Akane würde gerne genervter klingen, doch es gelang ihr nicht. Rei zeigte sich einverstanden, erwähnte aber inzwischen zum xten Mal, wie störend sie es empfand, umsonst in den Park gefahren zu sein, wo der Treffpunkt doch Akanes Vorschlag gewesen war. „Bis in einer halben Stunde“, unterbrach Akane sie und legte auf. Die Hose behielt sie an, doch sie suchte ein neues Oberteil, das nicht das Bar roch. Akane griff nach dem XL-Männer-T-Shirt, das sie immer trug, wenn es ihr schlecht ging. Sie las die E-Mail nicht, sie wollte jetzt noch nicht genau wissen, was zwischen Mamoru Chiba und dem Bastard genau vorgegangen war. Sie wollte nur eine schnelle Lösung finden, doch eine die nicht darin bestand, jemanden zu ermorden. Doch ihr Kopf schien in keine andere Richtung leiten zu wollen. Und musste sie überhaupt selbst alle Entscheidungen übernehmen, wo sie doch nicht einmal Hauptverantwortliche für die Rettung der Welt war. Sie sah auf den Leguan. „Überleg dir was,“ flüsterte sie ihm zu und ging. Es war schon lange her, dass Mamoru alleine in seiner neuen Bleibe war. Als er bei den Tsukinos ausgezogen war, hatte er sich noch gar nicht um eine neue Unterkunft gekümmert, so sehr hatte ihn der Schrecken weg von diesem Haus gejagt. Zuerst hatte er sich an Setsuna gewandt, doch es war bei einer Nacht geblieben. Setsuna hatte akzeptiert, dass er nicht verraten wollte, was vorgefallen war, doch von Hotaru konnte man das nicht behaupten. Von Hypnoseversuchen bis hin zu Gewaltreaktionen, hatte sie aus Sorge um das Silvermillenium zu jedem Mittel gegriffen, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen. Innerhalb einer Nacht konnte sie die Wahrheit nicht herausfinden, doch irgendwann würde sie. Und so ging er. Er ging zu Ryo. Zwar befand sich auch dort eine lebhafte Teenagerin, aber eine, die ihn brauchte. Er brauchte viel Kraft Ryo, der schon einige Bier getrunken hatte, zu überzeugen ihn aufzunehmen. Das beste Argument war Geld, Mamoru log, dass sich die Balken bogen, von wegen, er hätte in der Lotterie gewonnen, und er würde Ryo finanziell stark unterstützen. Als auch noch Hikari ihn anflehte, wurde ihm Asyl gewehrt. Und nun saß in dieser Wohnung fest mit dem leiblichen Vater, den er hasste, und der Halbschwester, die ihn vergötterte. Zum Glück war er heute bis zum Nachmittag alleine. Mamoru hatte in Ruhe die E-Mail an Akane Tayo schreiben können. Danach wollte er sich der Diplomarbeit widmen. Doch es ging ihm zu viel durch den Kopf herum. Gerne hätte er noch einmal die E-Mail gelesen, doch Akanes Wunsch entsprechend, hatte er sie gelöscht. Mamoru erinnerte sich ihr geschrieben zu haben, dass mit Hilfe der Schlage, die sich in seinen Körper genistet hatte, der Feind ihn hatte aufspüren können. Dass der Feind ihm von davon erzählt hatte, dass das Mondkönigreich an Sunnas Tod schuld war. Dass sie auf Rache aus waren. Dass er sich seiner Verlobten nicht nähern durfte, denn bevor er ihn, Mamoru, umbringen würde, wollte er, dass er litt und zumindest leicht spürte, wie es war, eine geliebte Person zu verlieren. Er berichtete von dem Wahnsinn, den der Hüne ausgestrahlt hatte, sowie er die hohe Intelligenz dessen gespürt hatte. Und er fragte, warum sie gestern wie eine rasende Furie gewirkt hatte; erzählte, dass er gefürchtet hatte, sie würde ihn umbringen. Er fragte sie, was sie alles wusste und nicht erzählen wollte. Er fragte, was zu tun sein. Ehrlich gesagt, erwartete er keine Antwort, trotzdem kontrollierte er alle zehn Minuten den Posteingang. Es würde wieder kein guter Tag für die Diplomarbeit sein. Mamoru klappte den Laptop zu und rieb sich die Schläfen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken „Konzentrationsprobleme?“, fragte Mithras. Akane saß am auf den Treppen des Hikawa-Tempel und versuchte nachzudenken, doch die Kopfschmerzen ließen es nicht zu. „Bring ihn um,“ hallte es immer wieder. Langsam erlangte sie die Sicherheit, dass der Kater alleine nicht für das Hämmern in ihrem Gehirn verantwortlich war. „Meine Güte, du siehst wirklich aus als hätte dich ein Auto überfahren.“ Sie sah hoch und da war Rei. Akane hatte eine wütende Mimik und Gebrüll erwartet. Doch die Marskriegerin in Zivil blickte sie nur mitleidig an. Akane wusste, warum sie es den ganzen Tag vermieden hatte. „Ich hatte gestern einen einfach einen Scheißtag.“ „Und deswegen bist du nicht in den Tempel gegangen? Mein Opa kennt dich ja inzwischen.“ Akane knurrte. Aus irgendeinem Grund hatte ihr Bauch ihr verboten auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Doch das wollte sie vor Rei nicht sagen. „Ich hatte keine Lust auf einen alten Sack, der unter einem XL-Männer-T-Shirt meine Brüste findet.“ Rei knurrte, wohl war der Großvater ein zu sensibles Thema für sie. „Was ist so wichtig, dass du unbedingt mit mir besprechen willst?“ „Gehen wir erst einmal hinein und gönnen uns eine Tasse Kaffee.“ „Nein.“ „Wieso?“ „Mir geht es wirklich nicht gut und würde gerne jeden Schritt vermeiden. Die Treppen sind nur halb so unbequem, wie sie aussehen.“ Akane tippte mit dem Finger auf den Stein. Rei seufzte und setzte sich. „Zwei Sachen,“ begann Rei. Das würde länger dauern, dachte Akane. Dabei hatte sie nur auf eine kurze Unterredung gehofft. „Ich denke, ich muss es dir endlich erzählen. Kurz bevor wir uns kennengelernt haben, haben bei mir erschreckende Visionen angefangen. Ich sehe darin, wie Merkur, Jupiter, Venus und ich von einer Silhouette mit einer Geißel vernichtet werden.“ „Ha. Das ist also der Grund, warum du so feindselig mit gegenüber bist. Und ich hatte gehofft, es liegt an meiner Persönlichkeit.“ „Die auch.“ Akane lächelte: „Und du willst wissen, ob ich vorhabe euch zu töten.“ „So drastisch würde ich es nicht formulieren, aber... ja.“ Akane legte den Kopf in den Nacken. Wie ironisch, dass sie seit Stunden daran dachte, Mamoru Chiba den Hals umzudrehen. Unfreiwillig musste sie sich die Frage stellen, ob sie sich einmal überlegen müssen wird, auch den Sailorkriegerinnen etwas anzutun, sollte der Bastard zu nahe an sie kommen. „Ich kämpfe zwar für meine eigene Sache, aber es liegt mir fern, dass ihr auch nur irgendwie zu Schaden kommt. Im Gegenteil. Ich bin vielleicht nicht der netteste Mensch der Welt, aber tatsächlich sehe ich es auch als meine Aufgabe euch zu schützen. Hyperion braucht schließlich auch den Silberkristall, um seine Ziele zu verwirklichen.“ War es wirklich noch eine gute Idee Hyperions Namen zu sagen? Der alte Mann konnte zwar nicht mehr reagieren, das wusste sie, aber wer konnte schon ahnen, ob sich das Gehör des Bastards nicht inzwischen so verbessert hatte, dass er auch auf den Namen seines Vaters reagieren konnte? „Du redest noch immer so, als wären die Feinde alleine deine Angelegenheit. Das sind sie nicht mehr.“ Akane lächelte. Sollte sie glauben, was sie wollte. „Hast du entschlossen, mir von deinen Visionen zu erzählen, weil ich inzwischen Teil von eurem Team bin?“ Die letzten Worte untermalte sie, indem sie Redezeichen mit den Händen formte. „Sei nicht so herablassend. Sogar ich habe es akzeptiert, obwohl ich dir immer noch nicht vertraue.“ Sie schnaufte. Wenn Rei wüsste, was sie wüsste. „Tja, sture Menschen sind halt schwer zu knacken. Was ist das zweite?“ Rei wandte den Blick von ihr ab. „Dein hysterischer Anfall.“ „Mein was?“ Rei richtete wieder die Augen zu Akane und sah sie verdutzt an, als könne sie gar nicht nachvollziehen, dass Akane irritiert war. „Ähm... bei der Überraschungsparty. Erinnerst du dich nicht mehr?“ Akane dachte angestrengt nach und in ihrem Kopf tat alles weh, als sie sich an ein Gespräch mit Kyoko Asakawa erinnerte und daran, dass sie mit Hotaru Marihuana geraucht hatte. Sie erinnerte sich an eine Diskussion mit Ami, an die Tanzfläche, wo sie zusammen mit Usagi peinlich herumgehüpft war, und an einen Streit mit Michiru, in welchem es um Rika ging. Und dann begann der Filmriss. „Du hast zwei Zierdecken heruntergerissen, die Usagi angebracht hatte, um den Schaden von dem Kampf mit dem Monster zu verbergen. Und dann...“ „WIA MIASSEN HIA ABHAUN!“, schrie Akane und alle blickten auf sie. Rei knurrte. Irgendwie war klar, dass ausgerechnet die Neue für eine unangenehme Situation bei der Party sorgen würde, obwohl bis jetzt alles ausgelassen war. Es war vier Uhr nachts und nur mehr ein harter Kern, bestehend aus Usagi, Minako, Motoki, Kyoko und Michiru, war geblieben. Alle schienen ihre Sorgen vergessen zu haben. Und jetzt schrie Akane hysterisch. „WOS IS HEIT GNAU PASSIERT?“, brüllte Akane Usagi an. Diese wusste nicht, was sie sagen sollte. „Da lauert wos. Da hot si wos eingnistet. Der Templ is korrumpiert. Do gibt’s Ungeziefer!“ Obwohl Akane eine große Menge getrunken hatte, schien sich ihr Rausch in Grenzen zu halten. Bis jetzt. Offensichtlich hatte sie Halluzinationen. Beim Kiffen hatte man sie schon erwischt, wer weiß, was sie noch mitgebracht hatte. „Ich glaube, du solltest in ein Bett,“ mischte sich Michiru ein. „Ich rufe ein Taxi.“ „NEIN!“ Mit der Hand deutete Michiru von ihr wegzubleiben. „I muss mi verwandln. Macht der...“ Minako hatte Akane noch im rechten Moment den Mund zuhalten können. Motoki und Kyoko hatten schließlich keine Ahnung, mit wem sie da gerade feierten. Michiru rief trotzdem ein Taxi und mit beruhigenden Worten lotste Minako sie hinein. Die Party ging weiter und alle hatten vergessen, was vorgefallen war. Bis auf Rei, die ahnte, dass an dem hysterischen Anfall nicht der Alkohol, sondern etwas Besorgniserregendes liegen musste. Die Erinnerung schlug wie ein Blitz ein und Akane hielt sich den Kopf. Das war es. Das war das mulmige Gefühl im Magen, weswegen sie sich nicht in den Hikawa-Tempel gewagt hatte. Diese Kreatur, die Usagi besiegt hatte, musste irgendetwas zurückgelassen haben. Nur was? Akane übergab sich in diesem Moment. Mithras begutachtete die Fotos, die an der Wand hingen. Mamoru gefiel es nicht, mit welch perversen Blick er die betrachtete, vor allem jene von Hikari nicht. Doch am meisten interessierte er sich für das Familienfoto, auf welchem Mamoru als Kind zu sehen war. Es war kurz vor dem Unfall geschossen worden. Man sah Ryo, noch nicht vom Alkohol vergiftet, Hana, Mamorus leibliche, verstorbene Mutter, und ihn, alle drei lächelnd. „Sobald ich weiß, wie jemand aussieht, finde ich ihn jederzeit wieder,“ erklärte Mithras, obwohl Mamoru diese Frage noch gar nicht ausgesprochen hatte. „Ich komme zwar nicht an deine Erinnerungen ran, aber die unmittelbaren Gedanken von Kleingeistern wie dir, kann ich lesen wie ein offenes Buch.“ Es war wieder geschehen. Mamoru wunderte sich, dass der Mann mit der Augenklappe ihn daher den nächsten Gedanken aussprechen ließ: „Willst du der Sache ein Ende bereiten?“ Mithras kicherte: „Jetzt stell dich nicht dümmer als du bist. Denkst du, ich würde dich umbringen, ehe du mich keinen Schritt an die Mondschlampe herangebracht hast.“ „Rede nicht so über sie.“ „Sonst?“ Mithras schnippte. Mamoru konnte nur knapp dem Aschenbecher ausweichen, den Mithras nur Kraft seiner Gedanken durch die Luft fliegen ließ. „Was willst du dann hier?“ „Ach, weißt du, du bist die mit Abstand bedeutendste Person, mit der ich im Moment zu tun habe, ich hielt es für unhöflich, mich schon so lange nicht mehr gemeldet zu haben. Aber, da du ja selbst ein Prinz bist, wirst du wissen, was für Aufgaben man nicht nachkommen muss. Böse Pläne schmieden, Untergebene quälen, etcetera.“ Der sarkastische Unterton beunruhigte Mamoru auf vielen Ebenen. „Zum Glück habe ich heute in dieser Welt etwas zu tun und da sich alles ein wenig verzögert, wollte ich unbedingt die Gelegenheit nutzen, unsere Freundschaft zu pflegen.“ Mithras schlenderte durch das Wohnzimmer. Er betrachtete weiterhin persönliche Gegenstände, die Ryo und Hikari gehörten. „Wie ich sehe, bist du brav, hast dir ne Unterkunft gesucht, die schön weit von deiner Mondschlampe ist. Gar keine persönlichen Gegenstände von dir, außer dem Ding.“ Mithras nahm den Laptop hoch betrachtete ihn von mehreren Seiten und stellte ihn zurück. Mamoru war froh, tatsächlich die E-Mail an Akane gelöscht zu haben. „Du musst mir mal unbedingt beibringen, wie man mit den Dingern umgeht, ich denke, sie würden mein Leben merklich erleichtert.“ Mithras grinste wie ein kleiner Junge, doch es lag nichts Unschuldiges in seinem Gesichtsaudruck. „Heute habe ich nur leider keine Zeit, die Arbeit ruft. Ich schau dann mal in den nächsten Tagen vorbei. Kauf mir so n Ding und dann erklärst du mir alles, kapiert?“ Mamoru nickte. Tayo hatte gesagt, er solle alles tun, was Mithras von ihm verlangte. Die erste Forderung war zum Glück eines der harmlosesten Dinge, die sich Mamoru vorstellen konnte. „Na da, see you later, alligator. After a while, crocodile.“ Und so schnell wie er gekommen war, was Mithras wieder verschwunden. „Wow, du scheinst ja gestern wirklich übertrieben zu haben,“ sagte Rei und schaute angeekelt auf das Erbrochene. „Magst du wirklich nicht reinkommen...“ „ER IST HIER!“, schrie Akane plötzlich. „Wer, was?“ In diesem Moment ließ ein Beben den Boden erzittern. Rei drehte sich instinktiv um. Aus dem Boden schossen rote Fasern, die schnell jeglichen Baum und Stein umwickelten. Rei und Akane sprangen auf, ehe diese Fäden auch sie erwischen konnten. Und nun starrte Rei auf den kaum wiederzuerkennenden Hikawa-Tempel. Und in diesem Moment fing ihr Magen an verrückt zu spielen. Ihr Großvater war noch zu Hause. „Wir müssen etwas tun!,“ rief Rei, während ihr Tränen in die Augen schossen, und fing an ihrer Tasche den Verwandlungsstab zu suchen. Doch Akane machte keinen Anstand etwas zu unternehmen, sie röchelte, als hätte sie einen Asthmaanfall und packte Rei am Handgelenk, als sie den Stab herauszog. „Wir müssen hier weg,“ keuchte Akane „Bist du wahnsinnig!“, schrie Rei. „Mein Großvater... wir müssen kämpfen.“ „Dein Großvater ist verloren.“ Akane packte fester zu und Rei schmerzte die Hand. „ER ist hier.“ „Wer?“ Keine Antwort Akane wollte losrennen und Rei mit sich zerren, doch Rei riss sich mit aller Kraft los, was ihr mehr Mühe kostete als erwartete. Angewidert starrte sie auf Akane, auf deren Gesicht sich blankes Entsetzen spiegelte. Was war los? Traute sie sich wegen des Katers nicht zu kämpfen? Rei rief ihren Verwandlungsspruch. „Jetzt zier dich nicht so,“ sagte sie. „Es ist sicher noch nicht zu spät. Wir können... nein, wir müssen meinen Großvater noch retten.“ Mit jedem Wort musste sie eine Träne unterdrücken. Akane packte Sailor Mars an den Schultern. „Dein Opa ist verloren. Was da drinnen vorgeht, liegt weit über unseren Kräften. Wir können nicht gewinnen, sondern wir müssen weg von hier“ brülle sie. Sailor Mars war überrascht, welch eine Kraft sie hatte. Auch mit ihrer Sailorkraft kostete es sie genau so viel Mühe, sich zu befreien. Sailor Mars stiegen wieder Tränen in die Augen. „Das kann doch nicht wahr sein,“ brüllte sie. „Immer tust du so, als wärst du zu cool für die Welt und jetzt machst du einen Rückzieher nur wegen eines dämlichen Katers. Du bist nichts anderes als eine Heuchlerin und ein Feigling.“ „Mars, das ist nicht der Kater. Ich meine es ernst, wir haben keine Chance gegen dieses Monster da drinnen und den Opa ist sicher schon...“ „HALT DIE KLAPPE,“ schrie Rei. „Was bist du für eine Sailorkriegerin, wenn du jemandem den Untergang ausliefern willst, ohne versucht haben ihn zu retten?“ „Wir haben schon klargestellt, dass ich nicht so wir ihr bin. Glaub mir, ich weiß, dass wir unterlegen sind und nur uns selbst in Gefahr bringen, wenn wir da rein gehen.“ „Aber ... Es steht ein Menschenleben auf dem Spiel. Das Leben meines Großvaters. Wir MÜSSEN es versuchen. Wir müssen unser Leben riskieren, um einen Menschen zu retten.“ „Aber manchmal ist das Leben von jemand anderem weniger wert, als das eines anderen.“ Mars konnte sich nicht mehr zusammenreißen und verpasste Akane eine Ohrfeige. Sie schäumte vor Wut. „Verdammt, warum argumentiere ich überhaupt mit dir. Dein moralischer Standpunkt ist katastrophal. Und wenn du wegen deines unverantwortlichen Besäufnisses nicht kämpfen kannst, heißt das noch lange nicht, dass ich es nicht tun werde. Ich werde niemanden im Stich lassen.“ Und sie rannte los. „Bleib stehen!“, rief Akane nach. Doch Sailor Mars rannte weiter in den mit roten Fasern umwickelten Hikawa-Tempel. Nichts erinnerte mehr als das ehrwürdige Gebäude. „TU WAS DU WILLST,“ hörte sie Akane brüllen. „ABER SAG NIEMALS, ICH HÄTTE DICH NICHT GEWARNT. WAS IMMER PASSIERT, ES LIEGT IN DEINER VERANTWORTUNG!“ Und dann verstummte sie. Sailor Mars bahnte sich mit ihrer Feuerkraft den Weg frei. Immer wieder versuchten die Fäden sie zu fesseln, doch sie konnte diese jedes Mal abwehren. Es war ein Kinderspiel. Was hatte Akane für ein Problem, diese Dinger stellten nun wirklich keine Herausforderung dar. Sie rannte zum Zimmer ihres Großvaters. Okay, sie spürte es, irgendwas war da drinnen, etwas Großes, wahrscheinlich das Biest, das diese Fäden steuerte. Doch konnte es wirklich so stark sein, dass sie keine Chance dagegen hatte? Sailor Mars stieß die Tür auf und konnte nur einen kurzen Blick auf die Leiche ihres Großvaters schauen. Sie wusste nicht, welche Emotionen durch die durch gingen, denn der Schmerz, den sie in der nächsten Sekunde spürte, ließ keine anderen Gefühle zu. Es fühlte sich an, als steckten tausende Nadeln in ihrem Körper, außen und innen. Bewegen konnte sie sich nicht, die Luft schien sie festzuhalten. Doch eine unsichtbare Hand führte ihre Augen weg vom Leichnam ihres Großvaters, hin zu einer schwarz gekleideten Figur. Ein überdurchschnittlicher großer Mann mit einer Augenklappe. „Guck, guck,“ sagte Mithras. „Alleine?“ Er wartete, er sah sich um. Sailor Mars fiel das Atmen schwer und der Schmerz ließ sie fast bewusstlos werden. Fast. Irgendetwas verhinderte das. Mithras stampfte auf und trat ein Loch in den Boden. „Ist die Leichenschänderin meiner Mutter also doch nicht mit,“ knurrte er. „Scheiße, scheiße, scheiße!“ Bei jedem Fluch schoss er mit einem Energieball um sich, der Schaden in Boden, Decke und Wände verursachte. „Ich hab mich verkalkuliert. Dabei war sie da, konnte ihre Nähe fast greifen.“ Und in seiner Wut trat er Sailor Mars in den Bauch. Sie konnte sich plötzlich wieder bewegen. Sie fiel zu Boden und hielt sich den Magen. „Na ja, wär auch ein zu schönes Zuckerl gewesen. Wenigstens hab ich das, weswegen ich gekommen bin.“ Er packte Sailor Mars an den Haaren. Eine Druckwelle erfüllte den Raum und das Tor zu seiner Welt öffnete sich. Mithras zerrte Sailor Mars in die andere Welt. Sie wusste plötzlich, was Akane gemeint hatte. Usagi war geschlaucht. Dass vierjährige Kinder so bösartig sein konnten, hatte sie nicht vermutet. Die erste Stunde war ja noch amüsant gewesen, doch dann hatte ein Mädchen angefangen sich über ihre Frisur lustig zu machen. Sie hatte zu streiten angefangen. Und am Ende des Tages, wurde Usagi von allen Kindern nur mehr „Hasenschädel“ gerufen. Und jetzt musste sich auch noch zu Rei putzen gehen, eine Tätigkeit die sie hasste, wie die Pest. Schmollend schritt Usagi zum Hikawa-Tempel. Und traute ihren Augen kaum. „Rei...“, murmelte sie. Der Tempel war in sich zusammengefallen, begraben unter roten Fasern, die sich bewegten. Eine unheimliche, bedrückende Macht ging vom ganzen Tempel aus. „Hino-sama,“ murmelte sie. Benommen ging Usagi die Treppen hinaus. Dass sie auf die Fäden trat, schien das Wesen nicht stören. Je näher sie der Ruine kam, umso mehr wurde sie sich des Zerstörungsausmaßes bewusst. Sie zitterte am ganzen Körper. „Rei...“ Der Tempel war zusammengestürzt. Keiner konnte unter diesen Trümmern überlebt haben. Sie wusste nicht, was passiert war, doch sie wusste, dass Rei ihren Namen nicht hören würde. Trotzdem schrie Usagi laut nach der Marskriegerin. Sie war an Rika vorbei geschlichen. In ihr Zimmer. Sie schloss die Tür hinter sich zu und rutschte diese entlang, bis sie am Boden saß. Sie vergrub die Hände in den Haaren. Sie wollte heulen, aber sie hatte auf den Weg in ihr Zuhause schon mehr geweint, als gewohnt, sodass ihr Vorrat verbraucht schien. „Was habe ich getan?“, murmelte sie. Hyperion und der Bastard wollten Sunnas Starseed zurück um den Silberkristall zu zerstören. Nie wollte sie mit den Mädchen etwas zu tun haben, doch immer hatte sie es als ihre versteckte Aufgabe verstanden, die Sailorkriegerinnen zu beschützen. Zuerst Sunnas Starseed, dann die Kriegerinnen, damit der Bastard sein Ziel nicht erreich konnte. Doch nachdem sie die Mädchen kennengelernt hatte, schienen die Prioritäten gleich auf. Und sie war abgehauen. Er hatte es geschafft. Er hatte sie wieder in die Knie gezwungen. Und jetzt machst du einen Rückzieher nur wegen eines dämlichen Katers, hatte Mars gesagt. Und sie hatte Recht. Nicht, weil sie wusste dass sie dem Bastard generell unterlegen war, sondern weil sie es erst recht mit einem Kater war, war sie Sailor Mars nicht gefolgt. Was bist du für eine Sailorkriegerin, wenn du jemandem den Untergang ausliefern willst, ohne versucht haben ihn zu retten? Eine verdammt miese, die ihre Aufgaben und Existenzsinn aus den Augen verloren hat. Dein moralischer Standpunkt ist katastrophal. Ja, das war er. Sie hatte Stunden darüber nachgedacht Mamoru Chiba zu ermorden. Und sie hatte, weil sie Angst um ihr Leben hatte, da sie wusste, dass sie wegen ihres unverantwortlichen Verhaltens letzte Nachte keine Chance gegen den Bastard hatte, eine Kumpanin dem größten Monster von allen ausgeliefert. Sie hatte versagt. Wieder. Er hatte sie wieder in die Knie gezwungen. „Akira...,“ murmelte sie. „Akira, was soll ich tun? Ich bin überfordert. Wo bist du? Was soll ich tun?“ Zusammenreißen, war das erste Wort, das ihr durch den Kopf schoss. Das wäre nicht seine Antwort gewesen, die er ihr gegeben hätte (wahrscheinlich hätte er das Gegenteil gesagt, dass sie einfach aufgeben solle, weil alles schon längst ihre Verantwortung überschritte). Aber es das, was sie sich selbst geantwortet hätte, würde sie sich selbst gegenübertreten, ohne Kopfschmerzen ohne Verzweiflung. Denn es war das, was sie schon oft getan hatte. Sie stand auf, sah auf ihren Computer. Der Leguan hatte ihr eine Nachricht hinterlassen, elendig lang, sie hatte wirklich keine Lust alles zu lesen. Also scrollte sie zum letzten Satz hinunter. Akane schrie, als sie den Lösungsvorschlag des Leguans für das Chiba-Problem las: Bring ihn um. Kapitel 17: Ein Tag im Leben der Hotaru Tomoe --------------------------------------------- Der Kunstunterricht jede Woche war eine der wenigen Schulstunden, die Hotaru mochte. Sie hatte zwar nicht dasselbe Talent wie Michiru, doch brachte sie es zustande, Gegenstände und Menschen so zu zeichnen, dass man sie wiedererkannte. Und sie konnte abschalten. Sah sie auf ein leeres Blatt, richtete sie zuerst ihre volle Konzentration auf das Motiv, das in ihrer Phantasie entstand. Dann, während des Zeichenprozesses, durch die Bewegungen ihrer Hand, die ihre volle Aufmerksamkeit brauchte, vergaß sie alles um sich herum, sodass sie wenigstens eine kurze Zeit keine Angst haben musste, etwas Seltsames zu hören oder zu sehen. Hotaru versetzte sich beim Zeichnen in einem Trancezustand. Und manchmal war dieser so intensiv, dass sie das Motiv, das sie in ihrem Kopf vorskizziert hatte, ein Eigenleben entwickelte. So sehr war sie auf ihre Handbewegung fokussiert, dass ihr Körper auf das blanke Unterbewusstsein zu antworten schien, das schließlich das komplette Bild formte. Sie sah nur Teile des Motives, das Element, das sie gerade zeichnete. Oft war es eine regelrechte Überraschung für sie, das komplette Ergebnis zu sehen. So auch jetzt, bei der Aufgabe mit Acrylfarben das Portrait einer Mitschülerin zu malen. Hotaru wusste gar nicht mehr, für welches Gesicht sie sich entschieden hatte. Sie sah ein Auge, die Nase, den Mund, nie aber das komplette Gesicht und hatte sie einen Teil erst einmal fertig, hatte sie schon vergessen, wie dieses genau aussah. Sie malte und malte und malte, und bekam gar nicht mit, was um sie herum geschah. Bis die Lehrerin zu fauchen anfing. Drei Stunden später saß sie zum zweiten Mal in diesem Monat im Büro der Direktorin und Setsuna Meiou, die sie öffentlich Tante nennen sollte, neben ihr. Die Direktorin erklärte erneut in langen Sätzen, was mit Hotaru nicht stimmte, wenn sie eine Mitschülerin auf so grotesk-perverse Art darstelle, wie es eben im Kunstunterricht geschehen war, und was Hotaru nicht alles tat, was der Politik und den Ansprüchen der teuren Privatschule nicht zuwiderlief. Setsuna nickte. „Im Vergleich zu dem, was Fräulein Tomoe in den letzten Monaten angestellt hat, mag ein verstörendes Bild einer Mitschülerin zwar nur ein kleines Vergehen sein, doch, Frau Meiou, Sie sollten dies endlich zum Anlass nehmen professionelle Hilfe für das Mädchen zu suchen.“ Sie redet, als ob ich gar nicht da wäre, dachte Hotaru. „Ich kann leider nicht anders, als Fräulein Tomoe als Gefahr für die ihre Mitschülerinnen zu betrachten. Es wird an der Zeit, sie zu suspendieren, bis sich ihr Verhalten geändert hat.“ „Tut Sie das nicht!“, platzte Setsuna heraus. „Ich weiß genau, wie schwierig Hotaru ist, aber in Wahrheit ist sie ein nettets Mädchen, das nie jemandem etwas antun könnte. Sie ist momentan nur sehr verwirrt...“ Setsuna redete und redete und Hotaru bekam bald keine Silbe mehr mit. Lieber biss sie sich auf die Lippen und krallte die Finger in den Rock um nicht aufzuspringen und zu schreien anzufangen. Hör auf mich wie ein Kind behandeln! Auf meinem Ausweis mag zwar dreizehn stehen, aber zu weißt genau, dass dies in vielerlei Hinsicht nicht der Wahrheit entspricht. Hotaru Tomoe starb mit zwölf Jahren zum ersten Mal und reinkarnierte unmittelbar danach. Nur wenige Monate nach ihrer Wiedergeburt alterte Hotaru Tomoe um zehn Jahre. Hotaru Tomoe hat alle Erinnerungen daran, was bis zu ihrem ersten Tod geschah. Hotaru Tomoe ist die irdische Inkarnation der Kriegerin des Saturns, einer tausende Jahre alten Entität. Hotaru Tomoe hat alle Erinnerungen dieser Kriegerin. Hotaru Tomoe war besessen von einer bösen Kreatur namens Misstress 9. Hotaru Tomoe hat alle Erinnerungen, die auch Misstress 9 hatte. Hotaru Tomoe weiß mehr als dem, was dem Alter, das auf ihrem Ausweis steht, entspricht. Hotaru Tomoe hat eine gefälschte Geburtsurkunde, die das Alter, das auf ihrem Ausweis steht, rechtfertig. Hotaru Tomoe wurde von ihrer Tante Setsuna Meiou adoptiert. Ihre Eltern gelten als tot – auch wenn der Vater noch am Leben ist. Hotaru Tomoe weiß jedoch nicht, wo ihr Vater ist. Du hast Hotaru Tome verboten, den einzigen lebenden Blutsverwandten zu besuchen, den sie hat. Das einzige zu haben, was in ihrem Leben normal sein könnte. Hotaru Tomoe sollte glücklich sein mit der Familie, die sie hat. Hotaru Tomoe wurde im Endeffekt aber damit nicht glücklich, denn die zahlreichen Identitäten, die sie durchlebte, haben ihr verboten, ein normales Mädchen zu sein. Und du bist eines der zahlreichen Elemente in ihrem Leben, das sie an alles erinnert. Hotaru Tomoe ist eine sehr mächtige Sailor Kriegerin, und das kann sie nicht verdrängen, auch wenn sie es noch so sehr versucht. Die Umstände lassen sie es nicht einmal versuchen. Hotaru Tomoe braucht sich nicht einmal verwandeln, damit ihre Macht sich zeigt – Hotaru Tomoe spürt die Schicksale eines jeden Menschen um sie herum, vor allem, wenn es um ihren Tod geht, und sie spürt erst recht jede Bewegung der immer näher kommenden Feinde. Und besonders starke Emotionen übertragen sich auf Hotaru durch eine Berührung wie ein hochansteckender Virus. Hotaru Tomoe empfindet immer wieder das, was andere empfinden und trauert, fürchtet sich und leider für andere. Dabei will Hotaru Tome doch nur Hotaru Tomoe sein, nicht nur Sailor Saturn – schließlich gönnen sich alle anderen Sailor Kriegerinnen diese normale Idenität. Sogar du. Hotaru Tomoe hat sich erhofft, sie könne einen Brocken ihrer Identität wahren, wenn sie ihren leiblichen Vater aufsucht. Du hast es ihr untersagt. Und nun, wenn die Macht von Sailor Saturn sich in der Gestalt von Hotaru Tomoe zeigt, wirst du wütend. Du willst nicht, dass ich sie bin, willst dass ich normal bin und unterbindest dennoch den Kontakt zum einzigen normalen, was in meinem Leben normal sein könnte. Ein leiblicher Vater, keine erfundene Adoptivmutter. Gib es auf, Hotaru Tomoe ist kein normaler Teenager, erst recht nicht, wenn du verhinderst, dass sie es ist. Warum behandest du mich dann, wie einen normalen Teenager? Schlimmer, wie ein kleines Kind? Hör auf mich wie ein Kind zu behandeln und über mich zu reden, als wäre ich eines. Du kannst nicht verheimlichen, was ich bin, wenn ich selbst es nicht kann. Ich weiß zu viel, als dass ich ein normales Mädchen sein könnte. Ich hab zu viel erlebt, als dass ich eines sein könnte. Hör auf mich wie ein Kind zu behandeln. Keine Suspendierung. Setsuna hatte das schlimmste mit einer Predigt über schwierige, aber großteils erfundene Familienverhätnisse abwenden können. Hotaru wurde auch nicht nach Hause geschickt, sondern sollte die restlichen Stunden noch in der Schule verbringen. Bis zum Läuten saßen die beiden in der Cafeteria. Sie schwiegen lange, eher Setsuna die Stille durchbrach. „Die Direktorin will eine Bestätigung. Hotaru, ich muss dich zum Psychiater schicken.“ Natürlich... als ob in ihrem Fall Psychopharmaka und Gesprächstherapien helfen würden. Hotaru hatte schon versucht ihre immer wieder kommenden schlimmen Vorahnungen mit Schmerzmittel, Schlafpulver, kräuterlichen Beruhigungsmittel und sogar Mariuhana versucht zu unterdrücken, was sich jedoch alles als nutzlos erwiesen hatte. „Du könntest zumindest anfangen einen besseren Eindruck zu machen, indem du dir nicht mehr die Augen schwarz schminken würdest. Dein gruseliger Schmuck findet sicherlich auch keinen Anklang.“ „Darf ich dich etwas fragen?“, platze Hotaru heraus, obwohl Setsuna noch nicht am Ende mit ihren Ratschlägen gewesen schien. Sie lächelte. „Natürlich.“ „Hast du dir meine Zeichnung eigentlich angesehen?“ „Nur ein kurzer Blick, ehe die Direktorin es wieder im Akt verschwinden ließ. Wieso?“ „Dir ist also nichts aufgefallen?“ „Nur die Brutalität, die dargestellt ist.“ „Es hätte dir auffallen müssen.“ Sestuna nippte genervt an ihrem Tee. „Was denn?“ „Das war keine Schulkollegin. Es ist Rei.“ Einen kurzen Moment zeigte sich Entsetzen in Setsunas Gesicht. „Wie meinst du das?“ „Ich habe Rei gezeichnet. Es ist mir selber erst nachher aufgefallen. Mit ihr ist vor ein paar Tagen etwas zugestoßen und ich denke, das was ich gemalen habe, geschieht gerade mit ihr.“ Setsuna fasst sich an die Schläfen. „Hotaru, wenn Rei etwas zugestoßen wäre, hätte Usagi uns sicher etwas gesagt.“ „Ach, wie oft hat sie dich kontaktiert, seitdem diese neuen Feinde da sind? Du hast bisher alle Neuigkeiten etweder durch Mamoru oder Michiru erfahren, aber nie von der Prinzessin selbst. Gibt dir das nicht zu denken?“ Setsuna antwortete nicht darauf, sondern starrte schweigend in den Tee. Hotaru wusste, dass sie ihr Recht geben musste, aber wahrscheinlich kramte sie gerade nach Gegenargumenten. Falls Setsuna welche gefunden hatte, kam sie nicht mehr dazu diese auszusprechen, denn Hotaru musste in die Stunde. „Reden wir zu Hause,“ sagte Setsuna zum Abschied. „Wer’s glaubt,“ erwiderte Hotaru und ging. Der Schultag endete und auch wenn es sich nur mehr um zwei Stunden gehandelt hatte, waren sie Hotaru wie Wochen vorgekommen. Sie konnte sich an kein Wort der Lehrerinnen mehr erinnern. Immer wieder war das Bild von Rei vor ihren Augen aufgetaucht. Auch wenn sie wusste, dass Rei in großen Schwerigkeiten steckte, hatte sie keine Ahnung, was vorgefallen sein könnte. Geschweige denn, wo sie sich jetzt aufhielt. Sie stand vor dem Schultor und kramte ihr Handy aus dem Rucksack. Sie suchte nach dem Kinoprogramm. Irgendwas, womit sie sich ablenken konnte. Und nach Hause zu Setsuna zu gehen, war das letzte, was sie gerade wollte. „Hey“, erklang eine Stimme und eine Hand berührte ihre Schulter. Hotaru wandte sich um und sah Hikari Fujigawa. „Alles in Ordnung?“ „Ja, natürlich.“ „Echt jetzt? Ich meine, du warst schon wieder bei der Direktorin und hast den Rest des Tages aus dem Fenster geschaut, als würdest du Gespenster sehen. Fliegst du jetzt von der Schule?“ Hotaru seufzte. Hikari war zwar nicht die intelligenteste der Klasse, aber eine gute Intuition hatte sie. Wahrscheinlich ging es nicht spurlos an einem vorbei, wenn man die Halbschwester von Mamoru Chiba war. „Nein, ich fliege nicht von der Schule. Hab mir nur zum xten Mal anhören müssen, wie seelisch verwirrt ich nicht bin.“ „Blödsinn. Du bist nicht verwirrt. Wenn du verwirrt wärst, würdest du nicht immer die besten Noten haben. Ich denke, keine in der Klasse hat denselben Durchblick durch den Stoff wie du.“ „So ist das zwar nicht gemeint, aber danke.“ Hotaru musste tatsächlich ein wenig lächeln. „Ach und, weißt du, ich glaube, die wollen dich gar nicht von der Schule werfen, schließlich sagen die Lehrerinnen ständig, dass du den Notendurchschnitt rettest. Die können sich also deinen Rauswurf gar nicht leisten, sonst stehen sie nicht mehr in den Top-Ten-Listen der Schulen von Tokyo. Du bist nun mal unangepasst und das wollen sie dir mit Drohungen austreiben.“ Hotaru musste nun kichern. Wahrscheinlich steckte ein Funken Wahrheit in Hikaris Worten. Würde sie nicht ständig Bestleistungen zeigen, wäre sie schon längst aus der Schule geflogen. Allerdings sind die Bestleistungen vergessen, wenn man ein obszönes Graffiti auf den Hintereingang der Schule sprayt. Wie Setsuna den Rausrwurf unter diesen Umständen hatte vermeiden können, war Hotaru noch immer ein Rätsel. „Magst du ins Kino mitkommen? In einer Stunde läuft Ghost Invasion im Kino.“ „Ich hasse Horrorfilme.“ „Dann was anderes. Du magst ja Fantasy. Um dieselbe Zeit läuft auch...“ „Hotaru, du weißt, dass ich kein Geld fürs Kino habe.“ „Kein Problem, ich lade dich ein. Samt Popcorn.“ Dieses Mädchen hatte die Fähigkeit sie aufzuheitern, wie sonst niemand. Wohl versuchte sie deswegen so hartnäckig zu erreichen, dass Hikari sie begleitete. „Hm, mein Bruder bekommt heute Besuch. Ziemlich unheimlicher Typ, hat sogar eine Augenklappe. Ehrlich gesagt, mag ich dem nicht schon wieder über den Weg laufen. Also gerne.“ Warum ist es eigentlich so ein inniger Wunsch von mir, meinen Vater wiederzusehen? Schließlich habe ich keine Erinnerungen daran, dass er mich gut behandelt hätte. Allerdings war er von einem außerirdischen Monster besessen, das ihn zu all den schrecklichen Taten getieben hat. Wahrscheinlich will ich einfach die gute Seite an ihm kennenlernen. Oder mich versichern, dass er ein Arschloch ist. Man kann es ja auch erwischen, wie Hikari. Seit Mamoru eingezogen ist, hat sie zwar keine blauen Flecken im Gesicht mehr, aber sie trägt noch immer nur langärmlige Kleidung und Strumpfhosen. Wenn ich Hirkari sehe, frage ich mich, ob ich Setsuna wirklich so hassen sollte, wie ich es tue. Schließlich weiß ich, dass sie nur das Beste für mich will, auch wenn es das vollkommen falsche ist. Setsuna meint, ich solle leugnen, wer ich bin und denkt, es sei das Beste. Hikaris Vater schlägt seine Tochter und meint, es wäre das Beste. Wer von uns die größere Arschkarte gezogen hat, ist wohl offensichtlich. Und doch rede ich schlechter über Setsuna als Hirkari über ihren Vater. Aber seit Mamoru da ist, spricht sie nur mehr von ihm, lobt ihn in den Himmel. Sie kennt ihn erst seit einem halben Jahr, doch nennt ihn nur „Bruder.“ Mamoru scheint damit kaum klar gekommen zu sein, was für ein Mistkerl sein leiblicher Vater ist – nur die wenigsten, wussten davon. Und die wenigsten sind eigentlich nur Setsuna und ich, seiner Verlobten hat er den gewalttäitigen Blutverwandten verschwiegen. Zu groß ist seine Angst, selbst solch ein Potential zu haben... ich kann diese Furcht schon von weitem riechen. Und das hat sogar, laut Setsuna, zu einer Krise mit Usagi geführt, dass er vorläufig die Beziehung unterbrochen hat. Er könne nicht beiden gleichzeitig die Aufmerksamkeit schenken, die sie benötigen. Auch wenn ich die Utopie der Zukunft langsam verblassen sehe, insgeheim bin ich ja froh, dass er sich für Hirkari entschieden hat, Hirkari braucht mehr Schutz als Usagi. Allerdings, wenn Rei gerade wirklich so einem Mist ausgesetzt ist, wie ich heute gemalt haben, könnte Usagi die tröstende Schulter wirklich gebrauchen. Was ist da passiert? Ich weiß, dass es mit dieser bedrohlichen Macht zu tun hat, die seit einiger Zeit über der Erde schwebt und die schon für allerlei seltsame Dinge verantwortlich ist, aber ich kann sie einfach nicht klassifizieren. Ich spüre sie zwar permanent, aber konkret lokalisieren kann ich sie nicht. Laut Akane Tayo ist es etwas, das älter sei, als alle Sailor-Kriegerinnen zusammen. Aber mehr konnte ich bei Reis Geburtstagsparty nicht aus ihr herausbekommen, denn dann hat sie mir einen Becher Wodka Orange in die Hand gedrückt, den ich im Gutglauben natürlich ausgetrunken habe. Die Geburtstagsparty... Rei... Mamoru... Hirkari... Verdammt, ich bin ja mit Hikari im Kino! Sie sieht Mamoru gar nicht ähnlich. Sie hat blaue, große Augen, braunes Haar, ein breites Grinsen. Nur die Nase ist identisch. Und charakterlich erinnert sie mich erst recht eher an Usagi, schließlich sieht sie stehts das Positive und verliert nie ein schlechtes Wort über jemanden. Deswegen ist sie ja auch die einzige meiner Mitschlülerinnen, die noch mit mir spricht. „Mann, der Schauspieler ist sooo sexy!“, sagte Hirkari zum wiederholten Male auf dem Weg zur U-Bahn. „Was meinst du?“ „Nicht mein Typ.“ „Das sagst du immer. Mit dir kann man nicht über Männer reden. Wie fandest du den Film eigentlich? Du hast dich noch gar nicht geäußert, sonst quasselst du die ganze Zeit hochtrabend, wenn wir im Kino waren“ Hotaru seufzte. Tatsächlich war sie die ganze Zeit so in Gedanken versunken gewesen, dass sie kaum etwas mitbekommen hatte. „Mit dir stimmt heute wirklich was nicht,“ schlussfolgerte Hikari. Die Intuition des Mädchens war wirklich verblüffend. Oder Hotaru war einfach etwas offener, als sie sich eingeschätzt hatte. Also beschloss sie zumindest teilweise reinen Tisch zu machen: „Wegen der Vorladung, und auch wegen des Bildes, das ich gemalt habe, habe ich ziemlich heftig mit Tante Setsuna gestritten. Ich hab einfach keine Lust nach Hause zu gehen.“ „Dann komm doch zu mir mit,“ platzte Hikari heraus. „Wir machen ’ne Übernachtungsparty. Und wenn du Setsuna morgen wieder siehst, ist die Luft sicher nicht mehr so dick. Klar, unsere Wohnung ist eng und klein und sicher nicht so luxuriös wie euer Haus, aber es ist warm und mein Bett kann man ausziehen, sprich es gibt auch einen Schlafplatz. Und wir haben sicher noch Pizza daheim, wenn der gruselige Freund von meinem Bruder nicht schon wieder alles aufgegessen hat. Ich kann dir auch einen Pyjama leihen, wie haben ja dieselbe Kleidungsgröße.“ Hotaru lächelte. Zuerst hatte sie Hikari ein Angebot gemacht, das sie nicht abschlagen konnte, jetzt war es umgekehrt. „Ausgemacht.“ Hotaru schrieb Setsuna eine SMS und schaltete das Handy ab. Die Mädchen brachen auf. Es wurde daraus nichts. Die Mädchen bogen gerade in die Straße zu Hikaris Wohnung ein, als der Boden unter ihren Füßen anfing zu beben. Hikari schnappe Hotarus Hand. „Ich hasse Erdbeben,“ raunzte sie. Hotaru biss sich auf die Lippen und fing an in ihrer Tasche zu kramen. Das war kein Erdbeben, sie spürte die dunkle Aura sich nähern. Es gab allerdings mehrere Probleme. Erstens, konnte sie den Füller ihrer der ungeordneten Tasche nicht finden. Zweitens, verfügte Sailor Saturn sowieiso nur über eine Attacke und die führte zu ihrem Tod. Drittens, klammerte sich Hikari so fest an sie, dass sie sich nicht losreißen konnte, um sich dort zu verstecken, wo Hikari nichts von ihrer Verwandlung mitbekommen würde. Und dass Mamorus Schwester von der zivilen Identität einer Sailor-Kriegerin wusste, war wohl das letzte, was der Bruder sich wünschte. „Lass mich los, das ist peinlich“, fauchte Hotaru. „Ich hab aber...“ Weitere Worte waren nicht möglich. In diesem Moment riss der Boden knapp vor den beiden Mädchen auf. Dunkler Rauch stieg aus den Sprüngen heraus. Hikari umklammerte nun nicht nur mehr Hotarus Hand sondern ihren ganzen Arm. „Die Welt geht unter!“, schrie Hikari. „Du musst mich loslassen“, rief Hotaru vergeblich. Der Beton vor ihnen zu explodierte nahezu. Innerhalb von Sekunden schoss eine wurmartige Kreatur hervor, riesig, und mit einem zähnefletschenden Clownmaul versehen. Neben den Mundwinkeln wanden sich zwei dünne Tentakel. Es hatte zwar keine Augen, schien die beiden Mädchen jedoch anzustarren. Hikari schrie. Hotaru hatte den Stab noch immer nicht gefunden. Aber verwandeln war sowieso keine Option. Und noch dazu floss langsam die Panik in sie über, die ihre Freundin empfand. Hotaru zerrte an Hikaris Kleindung. „Wir müssen hier weg!“, mahnte sie, doch Mamorus Schwester schien wie versteinert. Und wahrscheinlich war ihr eigenes Geschrei zu laut, als dass sie Hotaru hörte. Das Monster stürzte auf die beiden zu. Immerhin war Hotaru kräftiger als Hikari und noch nicht von der übergreifenden Panik so perplex, sodass sie sich und das Mädchen zur Seite reißen konnte. Ein zweites Mal gelang es ihr auch noch, doch dieses Mal stellte Hikari ihr und sich selber ein Bein, sodass sie zusammen zu Boden fielen. Hotaru landete hart auf dem Rücken, sodass das rechte Schulterblatt schmerzte, doch Hikari schien sich den Kopf angeschlagen zu haben. Ihr Geschrei verstummte nämlich plötzlich. „Verdammter Mist!“ Hotaru kramte wieder in ihrer Tasche. Ihr Herz schlug bis zum Hals und ihr Gehirn war nur dabei an ihren Verwandlungsstab zu denken, sodas sie gar nicht merkte, dass sich Hikaris fester Griff gelöst hatte. Sie leerte die Tasche aus und suchte mit den Augen. Und da war der Stab auch. Hotaru griff nach dem Stab und das Monster griff mit den Tentakeln nach Hikari. Sie richtete ihre Augen zu der Kreatur. Seine Tenkaln hatten sich um die Hüfte Hikaris geschlungen, die leblos wie eine Puppe herunterhing. Sie hatte tatsächlich das Bewusstsein verloren. Langsam führte das Ungeheuer das Mädchen zu seinem riesigen, sabbernden Maul. „HIKARI, nein,“ schrie Hotaru. „MACHT DER...“ Weiter kam sie nicht. Ein gleißendes Licht erfüllte die Umgebung, sodass Hotru sich reflexartig die Augen zuhielt. Als sie sicher war, dass es das Licht verschwunden war, nahm sie die Hände herunter. Das Monster war weg und stattdessen kniete eine Kriegerin an der Stelle, Hikari in ihre Arme gebettet. „Du?“, murmelte Hotaru. Sie hatte zwar Akane Tayo kennen gelernt, aber Sailor Sun war sie noch nie begegnet. Während Akane Tayo eine unscheinbare Aura wie jeder andere Mensch hatte, hatte Sailor Sun etwas an sich, dass sie sich am liebsten vor ihr verbeugt hätte. Sie konnte aber ihre Ausstrahlung nicht klassifizieren. Auch konnte sie die Macht, die von ihr ausging, zwar spüren, doch deren Ausmaß und Art nicht einschätzen. Waren die Feinde ihr schon ein Mysterium, schien Sailor Sun ein noch größeres zu sein. Und das hatte eine beruhigende Wirkung auf sie... es war ihr neu, einmal nicht von Anfang bis Ende zu wissen, um wen es sich bei einer Person handelte. Sailor Sun hielt zwei Finger an Hikaris Halsschlagader. Sie schien vollkommen unbeeindruckt von den Ereignissen. Aber gemäß dem, was Hotaru über Sailor Sun gehört hatte, war dieses Ungeheuer, das sie mit nur einem Schlag erledigt hatte, wohl zur täglichen, langweiligen Routine zu gehören. Ihre Sorge galt Hikari. „Geht es ihr gut?“, murmelte Hotaru. „Woher soll ich das wissen? Bin ich Ärztin?“, knurrte Sailor Sun. „Ich meine...“ „Am Leben ist sie noch.“ Hotaru trat an die beiden heran und kniete sich zu Hikari herunter. „Sie hat sich vorhin den Kopf angeschlagen...“ „Sie blutet nicht am Schädel. Aber noch mal, ich bin keine Ärztin.“ Sailor Sun legte Hikari vorsichtig in die Arme Hotarus. Die Angst, die das Mädchen noch immer empfand, durchfuhr sie wie plötzliche Kälte. Kurz blieb ihr die Luft weg. Sailor Sun stand auf. Ihr Blick richtete sich auf einmal zu dem Gebäude, wo Hikari und Mamoru lebten. Ihr Blick verfinsterte sich, sie biss sich auf die Lippen. Dann atmete sie tief durch und streckte den Mittelfinger in Richtung der Wohnunf. „Du hattest so ein Glück, dich nicht verwandelt zu haben.“ Hotaru versuchte gar nicht das seltsame Verhalten zu interpretieren. „Wir sollten einen Krankenwagen rufen. Und ich werde Mamoru anrufen.“ „Tsst“, zischte Akane. Sie drehte sich weg von Mamorus Wohnung und kniete sich zu Hotaru herunter. Was sie nun sagte, sprach sie mehr oder weniger zwischen geschlossenen Lippen und sehr leise, sodass Hotaru große Schwierigkeiten bekam sie zu verstehen. „Ab jetzt kein Name mehr. Aber was hat der damit zu tun?“ „Hik...“ Keine Namen. Lieber auf Sailor sun hören. „Meine Freundin ist seine Halbschwester.“ „Dreck.“ „Wieso?“ Als Antwort umarmte Sailor Sun Hotaru. „Spiel mit“, flüsterte sie. Und dann sagte sie ganz laut: „Du bist ein sehr tampferes Mädchen. Am besten ist, du bringst deine Freundin nach Hause und lässt einen Arzt kommen. Ich bin mir sicher, es geht ihr gut. Und jetzt geh, schnell.“ Sailor Sun half Hotaru aufstehen und Hikari auf ihren Rücken, sodass sie sie Huckepack tragen konnte. Hotaru verstand die Welt nicht mehr. War Sailor Sun egal, wenn Hikari einen Hirnschaden hatte, der sofort von einem Arzt behandelt werden sollte? Und was sollte dieser Umschwung in der Stimmung? Selbst wenn sie Sailor Sun nicht lesen konnte, merkte Hotaru, dass die Unbekümmertheit von zuvor verschwunden war und sie etwas Panisches angenommen hatte. Verbal konnte Hotaru aber ihre Bedenken nur folgendermaßen ausdrücken: „Meinst du das gerade ernst?“ „Ich hab gesagt, SCHNELL!“ Eingeschüchtert ging Hotaru los. Es war mühsam gewesen, Hikari zwei Häuserblöcke zu tragen und sie dann unbeschadet in den letzten Stock des Wohngebäudes zu bringen, doch schließlich läutete sie an der Haustür an. Mamoru öffnete. Er beäugigte sie einige Sekunden, bis er schließlich etwas sagte: „Sadako? Was ist mit meiner Schwester passiert?“ Hotaru verzog das Gesicht. Sadako? Galt es noch immer, keine Namen zu nennen? Während Mamoru Hikari von ihren Schultern nahm, erklärte sie, dass Hikari sich den Kopf angeschlagen habe. Die Begegnung mit dem Monster, ließ sie vorerst lieber weg. „Danke, dass du sie hergebracht hast,“ sagte Mamoru, „aber es wäre besser gewesen, du hättest gleich einen Krankenwagen gerufen.“ Jemand anderer hat mir vorhin etwas anderes gesagt, dachte Hotaru. Aber, ich versteh grad eh nichts mehr. Eigentlich eine wirklich neue und interessante Erfahrung. Doch dann, verstand sie. Der große Mann, so dünn, dass man sich fragte, ob er überhaupt überlebensfähig war, ganz in schwarz gekleidet und mit einer Augenklappe versehen, stand plötzlich hinter Mamoru. Hotaru wusste sofort, er war kein Mensch. Ein Lebewesen, das so stark war, dass sie fast nur aus Energie bestehen zu schien. Und zwar wieder eine Energie, die Hotaru weder klassifizieren, noch identifizieren konnte. Wie schon bei Sailor Sun, hatte sie das Bedürfnis sich niederzuknien. Doch im Gegensatz zu Sun gab es hier keine positiven Gefühle. Dieser Mann war absolut böse. Was hatte so etwas bei Mamoru zu suchen? „Du gehst jetzt besser nach Hause,“ sagte Mamoru. Hotaru nickte. Sie versuchte nicht auf den Mann mit der Augenklappe zu schauen, der hämisch die Mundwinkel nach oben zog. „Siehst so aus, als müssten wir unsere Party also abbrechen. Bring die Kleine an einen sicheren Ort,“ kicherte er. Mamoru warf dem Mann einen finsteren, aber unterwürfigen Blick zu. Er verabschiedete sich von Hotaru und trug Hikari in ein anderes Zimmer. Der Mann mit der Augenklappe nahm die Eingangtür in die Hand. Er grinste zu Hotaru herab: „Richte der Schlampe aus, dass die Spielchen erst begonnen haben.“ Er schlug die Tür zu. Hotaru taumelte die Straßen entlang. Das Gesicht des unheimlichen Mannes erschien noch immer vor ihren Augen. Ihre Gänsehaut war nicht verschwunden und ihr war immer noch kalt. Hotaru war sich gar nicht bewusst, dass sie so eine Angst empfinden konnte. Er war nicht zum ersten Mal hier. Hikari hatte einen gruseligen Freund Mamorus, der eine Augenklappe trug, heute erwähnt. Was hatte so eine Gestalt bei Mamoru zu suchen? Was ging hier vor? Zuerst malte sie ein unheimliches Bild von Rei, dann wurde sie von einem Monster überfallen und jetzt begegnete sie so einer Kreatur. „Danke“, sagte eine vertraute Stimme. Akane Tayo stand an eine Laterne gelehnt plötzlich vor ihr. „Ich schulde dir was.“ Hotaru wusste sofort, womit Akane sie entschädigen konnte: „Dann klär mich auf.“ „Wirklich? Willst du kein Eis? Oder Bier? Ich kann dir auch Mariuhana organisieren.“ „KLÄR MICH AUF!“ „Jetzt werd nicht gleich hysterisch. Okay, aber damit ich dir Antworten geben kann, musst du zuerst Fragen stellen.“ „Was. War. Das?“ Sie sprach jedes Wort so aus, als wäre es ein Satz. „Ein Wurm, der anderen die Energie aussaugt um zu checken, ob es sich dabei um eine Sailor-Kriegerin handelt.“ „Hör auf dich zu drücken. Ich meine den Typen mit der Augenklappe.“ Akane verdrehte die Augen. „Schon gut. Der Freak ist der Sohn von Sunna und Hyperion. Ein vollkommen irres, manipulatives Arschloch.“ „Toll. Das klingt sehr wundervoll. Und was hatte er bei Mamoru zu suchen? Und warum hat sich Mamoru wie sein Diener verhalten? Sag bloß, der Prinz hat die Seiten gewechselt.“ Akane seufzte, doch wand sich ein hämisches Grinsen ab. „Versprich mir, dass kein Wort davon zu Usagi weiterdringt.“ Hotaru nickte. Und dann hörte sie die Geschichte. Mit jedem Wort wurde Hotaru kälter und kälter und das Bild vom Silbermillenium verblasste immer mehr. „Das Spielchen hat erst begonnen, hat er gesagt. Ich soll dir das ausrichten. Und ich verstehe jetzt, was er gemeint hat,“ dachte Hotaru laut und gleichzeitig kam ihr eine furchtbare Vermutung: „Rei... Ich weiß, dass Rei in Gefahr ist. Hat er auch damit etwas zu tun?“ Akane schnaufte. „Kluges Köpfchen. Du bekommst 100 Punkte.“ Also auch darüber wusste sie etwas. Doch Hotaru, der zig Fragen durch den Kopf gingen, bereute sogleich überhaupt die erste Frage ausgesprochen zu haben. Akane war ein normaler Mensch. Die Emotionen von normalen Menschen spürte sie durch Berührung. Doch die Welle an Hass, Verzweiflung und Trauer, die Akane gerade überkam, spürte sie auch bei einem Meter Entfernung. Nur kur, aber es reichte. Hotaru hätte gerne noch mehr gefragt. Was man gegen dieses Ungetüm tun konnte? Wie man Mamoru retten konnte? Wie man Rei helfen konnte? Aus Angst vor einer weiteren Welle an Schmerz, die auf sie überschwappen konnte, verabschiedete sich Hotaru und lief nach Hause. Hotaru knallte die Wohnungstür zu. Sie wollte an Setsuna vorbeischleichen, um nur alleine in ihrem Zimmer zu sein, doch ihre Ziehmutter stand plötzlich vor ihr. „Was machst du hier, ich dachte du übernachtest bei Hikari,“ fragte sie. Setsuna musterte Hotarus Gesicht. „Geht es dir gut? Ist etwas vorgefallen?“ In dem Moment merkte Hotaru, dass sie weinte. „Wie können uns nicht mehr drücken,“ schniefte sie. „Ich weiß, dass du normal sein willst. Willst, dass ich normal bin. Aber es geht nicht mehr. Setsuna, du musst wieder akzeptieren, dass du nicht normal bist“ Ihre Beine fühlten sich plötzlich an, als wären sie aus Brei und Hotaru setzte sich auf den Boden. Setsuna kniete sich neben sie und streichelte ihr den Rücken. „Was hast du gesehen?“ „Den Feind.“ „In einer Vision?“ „Nein. Wirklich gesehen. In Persona.“ Hotaru hatte Akane versprochen, dass sie Usagi nichts davon erzählen würde. Von allen anderen Kriegerinnen hatte sie nichts gesagt. Also redete Hotaru und redete und redete und redete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)