Vergiss-mein-nicht von Staubmotte (Ewige Liebe ist niemals ewig) ================================================================================ Prolog: Ende ------------ „Ryosuke“, sprach sie, während sie mit ihren zarten, kraftlosen Händen sanft über das Holz strich „Ich werde dich immer lieben. Über meinen Tod hinaus.“ Der frische Herbstwind ergriff ihr braunes Haar, verfing sich in den Strähnen und spielte ausgelassen mit diesen. Ihre Augen waren trüb und schwach, aber dennoch voller Liebe. Ein kleines Tränchen verwob sich in ihren Wimpern, nur um vom Wind verjagt zu werden, in die Höhen des weiten Himmels. Behutsam setzte sie ihre weichen, blassen Lippen auf die raue Rinde des Baumes, ihre Hände umstrichen die hölzernen Hände, die aus der Pflanze ragten. Die Blume, ein blaues Vergiss-mein-nicht, in seinen Händen würde ihm wieder Kraft zum Erwachen geben, sobald es ihre Seele spüren würde. Dafür hatte sie mit ihrer restlichen Magie gesorgt, und sie würde wieder kommen. Davon war sie überzeugt. Und dann würde alles gut werden. Als sie leisen Schrittes zurück ging, hinterließ sie eine Eiche, umrankt von wildem Efeu, inmitten eines prächtigen Gartens. Von den Ranken und Wurzeln überdeckt, war das Gesicht eines schönen, jungen und anmutigen Mannes, im Holz eingebettet, zu erkennen. Seine Augen und der Mund geschlossen, wirkte er, als ob er schlafen würde inmitten des Grüns. Seine Hände, die aus dem Dickicht ragten, umschlossen das verzauberte Vergiss-mein-nicht fest. In Erwartung an den nächsten Morgen, hielten sie an der Hoffnung fest. Ein Tropfen aus dem grauen Himmel fiel auf seine ebenmäßige Wange, und es wirkte fast so, als weine er, trauerte er um die verlorene Liebe. Kapitel 1: Treffen ------------------ Ein neues Haus. Mal wieder. Neue Stadt, neue Zimmer, neue Schule. Mal wieder. Alleine. Mal wieder. „Meine Lieben, es tut mir wirklich leid. Aber mein Arbeitsplatz wird für einige Wochen woanders hin verlegt. Aber ich bin mir sicher, dass ihr ohne mich zurecht kommt! Bis dann! Und stellt nichts Dummes an!“ Das waren ihre letzten Worte gewesen bevor sie uns in den Zug drängte und zum Abschied winkte. Ich, Hayate, und meine beiden Schwestern Hina und Sachiko waren das gewohnt, an die ständigen Umzüge, an das Auf-Sich-Gestellt-Sein. Seit dem Tod unseres Vaters lief es nur so. Dass man an etwas gewöhnt ist, heißt nicht, dass man damit einverstanden ist. Ganz im Gegenteil. Aber was können wir an der Situation ändern? Und nun standen wir drei vor dem Tor des großen Hauses, deren Leere jedes Geräusch verschluckte. Mit Koffern und Rucksäcken, vollkommen erschöpft von der Reise. Es war nicht das erste Mal, dass die verblasste Fassade vor meinen Augen erschien, aber das erste Mal, dass ich es nicht über Fotos sah. Mutter hatte uns viele Fotos gezeigt. Das Haus, die Zimmer, die Schulen auf die wir gehen sollten, die Stadt. Dennoch wirkte alle fremd für mich, für uns drei. Insgeheim glaube ich, dass Mutter sich Sorgen um uns machte, schließlich liebte sie uns, musste uns aber dennoch so oft allein in einer fremden Umgebung lassen. „Also dann!“, ertönte die Stimme meiner großen Schwester Hina „Begutachten wir mal diesen Kandidaten.“ Der Schlüsselbund, den sie aus der Jackentasche zog, klimperte, als sie ihn in das Schloss steckte und dieses drehte. Das Tor mit den rostigen Stäben stieß einen hohen, grässlichen Laut aus, als es zur Seite schwang. Die letzte Ölung schien im Mittelalter vollzogen worden zu sein. Unglücklicherweise stockte es nach kurzer Zeit und ließ sich nach einem Meter nicht weiter öffnen. Egal wie sehr wir daran rüttelten, das Tor rührte sich nicht von der Stelle, als wollte es die neuen Einwohner gar nicht erst auf das Grundstück lassen. „Dummes Ding! Wie soll ich da denn jetzt meinen Koffer durch kriegen, hä?“ Noch während Hina meckerte, packte sie ihren schwarzen Kasten und zog ihn hinter sich her durch den schmalen Spalt. Oder sollt man besser sagen „sie quetschte ihn mühselig hindurch“? Das besorgte Gesicht von der kleinen Sachiko war nicht zu übersehen, sie klammerte ihre zarten Fingerchen um ihre eigene, rosa-lila Hello-Kitty-Tasche. Zwei Zöpfchen zitterten nervös, als sie stumm das hohe Eingangstor begutachtete. „Keine Angst Sachiko. Deine passt sicherlich durch. So klein wie die ist.“ Meine Worte schienen sie ein wenig zu beruhigen, denn sie nickte zuversichtlich. Kichernd beobachtete ich den Koffer meiner älteren Schwester, der zwischen den beiden Gittertüren feststeckte. „Hör auf zu kichern und helf mir!“ stöhnte sie, während ihre Hände an den Griffen zogen. „Gerne.“ Mit Elan verpasste ich dem Koffer einen Tritt, ein Grinsen konnte ich mir dabei nicht verkneifen. Der Stoß lockerte diese und ließ sie hindurch flutschen, Hina verlor das Gleichgewicht und flog mit großem Bogen auf die mit Kies ausgelegte Auffahrt. Nun saß sie dort, zu ihren Füßen der Koffer, ihre blondierten Haare durch den Aufprall zerwuselt. „Echt, irgendwann macht ihr mich noch fertig.“ ,lachte sie. Das Haus, oder besser gesagt das alte, typisch japanische Anwesen, dass nebenbei bemerkt heruntergekommen war, war laut dem Verkäufer uralt. Die letzte Renovierung musste Jahrhunderte her sein, überall verdeckt eine dicke Staubschicht den Boden. Als ich mein neues Zimmer betrat, wirbelten meine Bewegungen die Staubkörner auf und ließen diesen im Sommerlicht tanzen, so dass er glänzte wie Glitzer. Mein Blick wurde für einige Momente von dem Glänzen gefangen, ehe ich mich losriss und die vergilbten Wände besah, deren Putz sich teilweise schon verflüchtigte. Die Tatamimatten waren abgenutzt und hart, das Holz ausgeblichen. Bewegte man sich durch diese Räume ergriff einen ein Schauern aus einer längst vergangen Zeit. Als ich den Wandschrank aufschob, erwartete mich ein Vorhang aus alten, zerrissenen Spinnennetzen, die dicht gedrängt von der Decke und den Seiten hingen. Na super, wieder ein Tag putzen bevor diese Bude überhaupt bewohnbar werden ist. Bestimmt mal wieder so ein „total hübsches Schnäppchen“, wie meine Mutter immer sagte. Auch der Garten sollte diesmal was „ganz besonderes“ sein. Haha, dass ich nicht lache. Schöner Garten. Passend zum Haus. Bestimmt. „O-Nii-chan!“ brüllte Sachiko durch den Flur, stürzte in mein Zimmer und rannte zu meiner Tür, die zum Garten aufging, während sie mich an der Hand zog. „Hey, was ist los?“ fragte ich vollkommen verwirrt und überrascht. Ihre Attacken war ich ja gewohnt, aber diesmal sah ich keinen Grund dafür. „Der Baum im Garten…“ hechelte sie, völlig außer Atem, „Was ist damit?“ „Er hat ein Gesicht!“ Das Funkeln ihrer Augen blendete mich, sie schien vollkommen hin und weg gerissen zu sein. Und wie, ein Baum hat ein Gesicht? „Ach was, so‘n Quatsch!“ Was redete sie für einen Blödsinn? „Nein.“ rief sie, zog mich zur Tür und schob diese mit Kraft auf. „Guck!“ Pflanzen, Sträucher, ein Teich, der Garten voller Blüten und Leben. Ein Kiesweg schlängelte sich durch das Gras bis hin zu einem Baum, der von Efeu umrankt war. Hina stand dort hinten am Ende des Weges, der Blick auf die Rinde des Stammes gerichtet, mit dem Rücken zu mir. Und tatsächlich, dort zwischen den Blättern… konnte man es sehen. Ein Gesicht. Zwei Hände aus Holz weiter unten. War das ein Mensch? Es wirkte so echt. Dieses Gesicht, dieses Gesicht im Baum. Ein seltsames Gefühl tauchte aus meinen Tiefen auf, aus den tiefen meines Körpers. Aus meiner Seele? Der Baum zog mich auf eine seltsame Art an, wie ein Magnet. Ich wollte über dieses Gesicht fahren, es in meinen Händen halten. Diese Lippen … küssen. Was…? Endlich. Was war das für ein Gedanke? Endlich habe ich dich gefunden. War das mein Gedanke? Meine Stimme? 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