LovePotion von irish_shamrock (Liebesleid und Liebesfreud.) ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ LovePotion Liebesleid und Liebesfreud. 1 Zufriedenheit breitete sich auf ihren edlen Zügen aus. Kurz beugte sich die junge Frau erneut über den Kesselrand und begutachtete mit Genugtuung in den blauen Augen jenes Werk, das bereits kurz vor seiner Vollendung stand. Nach fünfmaligem Umrühren entgegen dem Uhrzeigersinn, färbte sich das zitronengelbe Gebräu und schimmerte allmählich in einem satten Blattgrün. Für einen flüchtigen Moment galt ihr Interesse der Liste an Essenzen, die den Trunk vervollkommnen sollten. Liebstöckel, dessen verwirrender und ebenso berauschender Geschmack nur allzu bekannt war, und die Sehnen eines Drachenherzens hatte sie bereits hinzugegeben. Ihnen waren Belladonnabeeren, eine Blutblasenschote und sieben Tropfen Erumpent-Explosiv-Sekret gefolgt. In dem Porzellanmörser, der neben dem Brenner bereitstand, hatte die junge Frau zwölf Libellenflügel mittels Stößel zu feinem Pulver zermahlen. Drei Messerspitzen, nicht mehr und nicht weniger, wären erforderlich, um aus dem kräftigen Grün im Kesselinneren ein leuchtendes Azurblau herbeizuführen. Vorsichtig schöpfte sie die erforderliche Menge des Puders aus dem Tiegel und schon bald erreichte die brodelnde Flüssigkeit das gewünschte Ergebnis. Ihr Plan war Narrensicher und das Vorhaben so diabolisch, dass nicht einmal die warnenden Worte ihrer Freundinnen sie hätten aufhalten können. Doch den anderen Mädchen fehlte die Begabung, das Talent, welches ihr zu eigen war, um einen brauchbaren Trank fertigzustellen. Daphne Greengrass besaß ebenjene Fähigkeit, die das Brauen von komplizierten Tränken erforderte. Sie hob sich von ihren Klassenkameradinnen ab und stach selbst die geübtesten Zauberer ihres Alters aus. Jetzt, im siebten Jahr ihrer Hogwartslaufbahn, nach dem zweiten großen Krieg zwischen Gut und Böse, hatte sie ihre Chance genutzt und sich für den Kurs bei Professor Slughorn qualifiziert. Dass es ihr, in ihrem sechsten Schuljahr, nicht gelang, das Fach Zaubertränke auf höchstem Niveau zu belegen, war ihr aufs Gemüt geschlagen. Doch nun präsentierte sie sich als Primus und würde nicht aufgeben. Zu nah war sie bereits dem großen Ziel. Abermals gestattete sie sich einen Blick auf die Rezeptur, der es nunmehr nach sieben Priesen Löffelkraut verlangte, um das Gebräu in ein düsteres Mitternachtsblau wandeln zu können. Mit geübten Fingerspitzen rieselten die feinen Partikel in das köchelnde Süppchen. Die letzte, noch fehlende Zutat hatte sie jedoch mehr Kraft und Mühe gekostet, denn die Rezeptur verlangte nach einem Tropfen roten, pulsierenden Blutes. Doch nicht ihr Lebenssaft war es, der zur endgültigen Fertigstellung beigemischt werden sollte. Um dem Gelingen ihres Zaubers die nötige Garantie zu geben, brauchte sie das frische, leuchtende Elixier jener Person, die sie zu betören gedachte. Der Himmel färbte sich bereits leicht violett und nur noch vereinzelte, orange-leuchtende Streifen mischten sich mit dem hellen Blau des Tages. Lange Schatten warfen sich auf den mit Kies bedeckten Boden, als drei Personen auf das große Herrenhaus zuhielten. Eine Frau, gehüllt einen fliederfarbenen Umhang, scheuchte ihre beiden Mädchen und trieb diese zur Eile an. Es wäre eine Schande, sollten sie zu spät auf dem Fest erscheinen und so die Auswahl an gut situierten Zauberern versäumen. Wie ihre Mutter, trugen die Töchter lange Gewänder in Beerentönen. Da sich der August dem Ende neigte, wurden die Abende merklich kühler und in nicht weniger als vier Tagen sollte für die Älteste der beiden das letzte Schuljahr auf Hogwarts anbrechen. Der siebzehnjährigen Daphne hatte man die blonden Locken aufgesteckt und ihre Schwester Astoria, brünett, doch mit einer ebensolcher aristokratischen Blässe gesegnet, hatte sich mit einem Haarreif begnügen müssen. Mrs. Greengrass, Philomena genannt, trug das bereits etwas ergraute Haar zu einem strengen Knoten. Ihre Ohren zierten hiesige Kreolen und um ihren dürren, bleichen Hals drapierte sich der edelste Schmuck, dem das Haus und Vermögen der Greengrasses zu eigen war. Der Vater der Mädchen verweilte über die Hälfte des Jahres im Ausland und ein Wiedersehen mit ihm wäre nur an Weihnachten denkbar. Dennoch hatte Hilarus Aristotelis Greengrass viel Vertrauen in das Geschick und den Geschmack seiner Gattin, dass diese schon für angemessene und standesgemäße Verbindungen ihrer Kinder Sorge trug. Und so traf es sich, dass Mutter und Töchter von einer Gala zur nächsten zogen, um die Zöglinge zu präsentieren und eine geeignete Partie abzumachen. Acht Veranstaltungen hatten die Schwestern in den letzten Wochen bereits beigewohnt, doch nichts hatte den Argusaugen Philomenas zugesagt und entsprochen. Dass sie ihre Töchter an ältere Zauberer übergab, die den Lebensjahren ihres Gatten entsprachen, kam für die Hexe nicht infrage. Zwar war den Mädchen nicht entgangen, dass die vergreisten Zauberer mit regem Interesse reagierten, doch sie dankten der oftmals strengen Frau, dass diese ihre Kinder nie an einen von ihnen versprechen würde. Mit flinken Schritten eilten die Hexen die vielen Stufen zum Anwesen hinauf und gelangten schließlich vor die imposante Pforte. Dass diese Zauberer und Hexen standesgemäß waren, daran würde kein Zweifel aufkommen. Gedämpfte Töne drangen an ihre Ohren. Sanfte Musik spielte irgendwo in dem hiesigen Haus. Entschlossen stieß Mrs. Greengrass mit den Fingerknöcheln gegen das hell lackierte Holz und in Windeseile wurde die Tür zum Inneren der Behausung von einem Hauselfen geöffnet. Tief verbeugte sich der Diener und ließ die Gäste in das große Foyer treten. Stimmengewirr, Gelächter und Klavierklänge hallten durch das Haus, als der Hauself den Damen gebot, ihm zu folgen. Schweigend ging Philomena voran, gefolgt von der adretten Daphne und ihrer kleinen Schwester. Unter großen Augen bestaunte Astoria die Gemälde, die den langen Gang säumten. Die Schritte verklangen, als der Elf vor einer großen Flügeltür innehielt. Abermals gebot der Bedienstete den Hexen in tiefster Ehrfurcht, den großen Festsaal zu betreten. Lichter, Musik und Menschen wirkten harmonisch, und beinahe so, als würde diese Feierlichkeit nicht dazu genutzt werden, um junge Mädchen an den Mann zu bringen. Doch auch wie die anderen Festivitäten zuvor, sollte sich auch hier ein Muster herausbilden: Mrs. Greengrass würde das Gespräch mit dem Hausherren suchen, die Mädchen würden vorgestellt und dann begann und begnügte man sich damit, einander zu beäugen, ein Gespräch in Gang und am Laufen zu halten. Dass für die Greengrass-Töchter nur reinblütige Zauberer genehm waren, stand außer Frage. Ein paar Exemplare hatte man bereits für das älteste Kind in Erwägung gezogen und auch das Jüngste der Mädchen würde nur allzu bald den Herren dargeboten. Doch für Astoria galt es, sich erst einmal ein Bild von dem zu machen, was ihre Schwester nun bereits seit Wochen über sich ergehen lassen musste. Hier und da schweiften Blicke in ihre Richtung und auch ein paar bekannte Gesichter vermochte das Älteste erkennen. Einige der jungen Männer hatten, ähnlich wie sie es noch zu tun pflegte, die Schule für Hexerei und Zauberei besucht. Bruchstücke, Erinnerungslücken taten sich in ihrem Geiste auf, während ihre Mutter mit skeptischen Blicken die Schar an Zauberern begutachtete. »Timotheus, das sind meine Töchter Daphne und Astoria«, erklärte die Hexe und zerrte beide Mädchen an den dürren und bleichen Armen vor die Augen des Hausherren. Höflich taten die jungen Damen einen Knicks, sodass die langen Kleider kurz den gefliesten Boden berührten. Astoria blickte ehrfürchtig zu dem Mann auf und musste sich um ihre Contenance bemühen, diesen nicht mir offenem Munde anzustarren. Daphne hingegen legte ein kurzes, dankbares Lächeln an den Tag. Endlich hatte sich für sie die Möglichkeit eröffnet, ihn wieder zu sehen. Ihr war bekannt, dass der einzige Sohn des Hauses seit Jahren bereits die Herzen williger Eheaspirantinnen brach und ihnen deutlich zu verstehen gab, dass sie in seinen Augen nicht angemessen erschienen, um an seiner Seite zu bestehen. Doch bei ihr würde es anders sein. Nacheinander ergriffen die jungen Frauen die ihr dargebotene Hand. Während Timotheus Ulferd Higgs von den Männern zu sprechen begann, die auf der Suche nach einer geeigneten Partnerin wären, vernahm Daphne nur ein dumpfes Rauschen, das sich mit den zarten Klängen des Flügels mischte. Suchend hielt sie Ausschau nach dem Mann, der ihrem Geschmack entsprach. Eine Melodie, beinahe von engelsgleicher Sanftheit, umhüllte sie und zu ihrer Überraschung saß niemand geringer als ihr Auserwählter auf dem Schemel vor dem Klavier und beendete seine Sonate mit einem letzten, verklingenden Laut. Das Stück endete abrupt, doch statt tosendem Beifall, ließ der junge Mann den Kopf in den Nacken sinken und ertrug die grölenden, belustigten Späße, die seine Freunde auf seinen Schultern austrugen. Daphne erkannte den hochgewachsenen, ehemaligen Sucher der Quidditch-Mannschaft Slytherins, Adrian Pucey. Dieser schlug dem Pianisten abermals scherzhaft auf die Schultern und schüttelte sich unter lautem Gelächter, als könne er nicht begreifen, wie jemand in der Lage schien, weiße und schwarze Tasten zu einer Symphonie erklingen zu lassen. Neben Pucey hatten sich auch einige andere Herren um den Flügel versammelt, tranken einen schweren Brandy und pflichteten ihrem einstigen Kameraden bei. Montague, Flint, Bletchley und Pritchard kamen ihr in den Sinn, um nur einige zu nennen. Es ärgerte sie, dass sich diese geballte Manneskraft ungefragt in ihr Blickfeld schob und jegliche Versuche, ihn zu erspähen, ihr sofort versagt wurden. Doch sie musste sich in Geduld üben, warten und hoffen, dass nicht irgendeine andere Hexe es ebenso auf den Spross der Familie abgesehen hatte. Sie würde ihn bekommen. Sie würde nicht nur die letzte, fehlende Zutat ihr eigen nennen, nein. Auch sein Herz würde ihr gehören, sobald Daphne das letzte Puzzlestück dem Gebilde zuführte, das ihr ewige Liebe garantierte. Sie konnte wehrlos erscheinen, doch im selben Moment auch so betörend, dass der junge Mann gar nicht erst verstand, was mit und in dem zarten Wesen vor sich ging. Raffinesse, Cleverness und ein auch Laszivität sollten genügen, um ihren Plan, oder zumindest dessen vorletzte Stufe, zu einem gelungenen Ende zu bringen. Ohne ein Wort verschwand die junge Hexe der Sicht von Mutter und Schwester, erspähte die Örtlichkeiten, die für Gäste errichtet worden waren und huschte in den Waschraum. Stille lullte sie ein und ein geübter Blick in die Spiegel genügte, um ihr zu vergewissern, dass sie ihrem Ziel zum Greifen nahe war. Er würde ihr nicht widerstehen. Er war auch nur ein Mann. Lenkbar, dankbar und auf niedere Instinkte ausgerichtet. Daphne zurrte an den Bändern ihres Korsetts, sodass ihr Busen empor und noch mehr zusammen geschoben wurde. Weibliche Reize waren so leicht zur Schau zu stellen. Dass einige der älteren Hexe sie argwöhnisch beäugten, interessierte die blonde Schönheit wenig, als diese mit geschmeidiger, gar katzenhafter Eleganz den Raum verließ und durch die Menge streifte. Erneut suchte sie den jungen Mann, fand ihn jedoch nicht am Flügel sitzend vor, wie sie gehofft hatte. Stattdessen folgte sie den Stimmen, die von der Terrasse zu ihr herüberwehten. Gelächter, schlecht erzählte Witze und dumme, unschickliche Bemerkungen säumten den Pfad Gehörtem und so ließ sich das Objekt ihrer Begierde nur allzu bald ausfindig machen. Unter den verblüfften Augen der jungen Herren, trat sie durch die verglaste Front hinaus in den kühlen Augustabend. Beinahe hätte sie ihre Manieren und ihren Anstand verloren, als sie seinem Blick begegnete. Die Verwunderung war ihm und seinen Kameraden deutlich anzusehen, denn zu ihrem Missfallen war er nicht allein. »Suchst du jemanden, Herzchen?« Jene spitze Bemerkung, aus dem Mund von Adrian Pucey kommend, quittierten die Anderen mit giggelndem und bösartigem Kichern. Daphne, sich eine blonde Locke hinter das Ohr streichend, warf dem hochgewachsenen Zauberer einen abschätzigen Blick zu, der diesen just zum Schweigen aufforderte. »Ich würde gern mit Terence sprechen«, erwiderte sie gleichgültig. Laute des gespielten Erstaunens und der Belustigung drangen an ihre Ohren, doch der, dessen Aufmerksamkeit sie sich erhofft hatte, stieß sich von dem marmornen Geländer ab und trat mit galanten Schritten auf sie zu. »Sie wollten mich sprechen, Miss Greengrass?« Ein amüsiertes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, als seine Finger den zarten Rücken der jungen Frau streiften und seine Hand letztendlich auf ihrer samtenen Haut liegen blieb. Terence dirigierte sie fort von der Meute, schob die Daphne vor sich her, jedoch nicht ohne zu bemerken, wie sich das Mädchen unter seinem Blick und der plötzlichen Berührung versteifte. Kurz zwinkerte er seinen Freunden zu, und malte sich bereits die Erläuterungen aus, die er ihnen präsentieren würde, wenn man ihn zu dieser Aktion befragte. Wie oft er bereits der einen oder anderen willigen Hexe hatte beibringen müssen, dass ihre Taten vergebens waren? Er vermochte es kaum mehr zu zählen. Die Masche der Frauen unterschied sich zwar, je nach Exemplar, doch letztendlich hatte es jede von ihnen nur auf das Vermögen seiner Familie abgesehen. Terence Higgs machte keine Hehl daraus, dass er den Großteil seiner Zeit mit Hexen verbrachte, die ihr Herz nur zum Schein an ihn verloren hatten. Dennoch, er wollte nicht alle willigen Mädchen über einen Kamm scheren. Vielleicht gab es unter ihnen doch die eine oder andere, deren kleine Seele er noch nicht in tausend Stücke zerschmettert hatte. In seiner Schulzeit gehörte dieses Treiben jedoch zur Tradition und hatte sich wie ein roter Faden durch sein ach so junges Leben gezogen. Die Arbeit im Ministerium hatte ihm viel abverlangt. Lange Tage und Nächte gehörten seit seiner Ausbildung zum täglichen Bild. Für Frauen fand er nur noch selten Zeit und oft erinnerte er sich mit Sehnsucht an die guten, alten Stunden, als er und seine Kameraden noch wählten, wer mit ihnen das Bett, oder die Besenkammer, teilte. Dass sein alter Herr darauf bestand, ebenso wie alle anderen nicht jünger werdenden und vermögenden Zauberer, die Sprösslinge an junge Frauen zu verteilen, hatte ihm zwar nicht behagt, doch je mehr Veranstaltungen dieser Art er besuchte, desto leichter fiel es ihm, erneut Herzen zu sammeln wie Quidditch-Trophäen. Den ganzen Sommer hindurch hatte man ihn auf die Festlichkeiten gescheucht und ihn ermahnt, die Flausen Flausen sein zu lassen und die Stabilität einer Beziehung zu finden. Mit Murren und Verdruss war er den Forderungen der Eltern nachgekommen, hatte jede Party besucht, die heiratswillige Kandidatinnen darboten und sich mit einigen von ihnen zu amüsieren gewusst. Doch zu seinem Leidwesen missfiel diese Art der Tätigkeit seinem alten Herren und so hatte sich dieser entschlossen, es den anderen Zauberern gleichzutun, ein ebenso berauschendes Fest abzuhalten. Noch immer ruhte seine kräftige, große Hand auf ihrem Rücken. Beinahe hätte sie sich die Blöße gegeben und vor Verzückung aufgeschrien, doch diese Schmach wäre zu entsetzlich, dem war sich Daphne bewusst. Aus Kalkül wählte sie ein Kleid, dessen Korsett erst unter ihren schmalen Schulterblättern verschnürt worden war. Und zwischen ebenjenen zarten Schultern schmiegte sich seit einer wunderbaren Ewigkeit Haut an Haut. Wohin er sie führte, war ihr einerlei. Einzig zählte, dass er sie berührte und dass sie jene Geste bereits verinnerlicht hatte. Sie entschlüpften den wachsamen Blicken der Eltern und Gäste, als Terence die junge Frau hinaus auf den Korridor schob. Dass er plötzlich zu ihr aufrückte, sie seine Wärme und den heißen Atmen in ihrem Nacken spürte, ließ ihr das Herz vor Aufregung schneller schlagen. Ähnlich dem Herzen eines Kolibri. Daphne hatte Mühe, ihren zitterigen Knien zu befehlen, nicht nachzugeben, denn sie war nun so weit gegangen und eine Niederlage wäre verheerend. »Also, Daphne, was kann ich für dich tun?« Eine Frage, so beiläufig gestellt, doch in ihrem Inneren summte jede Zelle mit dem Bariton, der aus seiner Kehle drang. Wie auch immer Terence Higgs es fertig brachte, doch es gelang ihm ihren Namen so zu betonen, dass dem Mädchen die Sinne schwanden. Die junge Frau schwieg ihre Antwort aus, stattdessen wartete sie, in welche Richtung der Mann sie als nächstes drängen würde. In einem Flur, gerade weit genug von dem Spektakel des Abends entfernt, hielt er in seinem Tun inne. Dass er anziehend und reizend auf die jungen Mädchen wirkte, zeigte sich erneut, als die Hexe laut vernehmlich schluckte. »Das, um was ich dich bitten möchte, wollte ich nicht vor den Augen und Ohren deiner Freunde tun«, gestand sie freiheraus und wandte sich zu ihm um. Einem Hünen gleich, überragte er sie, sodass sich das Fräulein gezwungen sah, zu ihm aufzusehen. Doch dieses Unterfangen nahm sie nur allzu gern auf sich. Aus dem schlaksigen, hageren einstigen Sucher der Hausmannschaft, hatte sich in den letzten fünf Jahren ein Mann empor getan, der es wahrlich verdiente, an ihrer Seite zu sein und nicht mehr von dieser zu weichen. Argwohn breitete sich auf seinem Antlitz aus. Ebenso bildete sich eine kleine Falte zwischen den hellen Augenbrauen des Mannes. Schweigend blickte Daphne zu ihm auf, prägte sich die Kontur seines Gesichtes ein. Die feine, gerade Nase, diese sinnlichen Lippen, die nur darauf zu warten schienen, geküsst zu werden, das markante, stolze Kinn, auf dem sich dunkle Stoppeln eines zwei-Tage-Bartes zeigten. Das leuchtende Blau seiner Augen würde sie sich, wann immer ihr danach war, in Erinnerung rufen können. Doch plötzlich schienen sich die schimmernden Nuancen kaum merklich in dunklere Töne zu wandeln, denn von dem funkelnden Sternenhimmel begann nun etwas Drohendes, gar Gefährliches auszugehen. Die gefasste, beherrschte Haltung der jungen Dame geriet mit einem Male ins Wanken. Ihr Vorhaben, so lang schon geplant und kurz vor der Vollendung stehend, drohte binnen weniger Augenblicke in sich zusammenzufallen. Sie musste schnell handeln, denn jedes Zögern bedeutete mehr und mehr den Verlust notwendiger Zeit, die sie benötigte, um ihren Willen zu bekommen. Schneller, als der junge Mann hätte reagieren können, flüsterte das Mädchen eine Zauberformel, dessen Ausgang tiefe Schwärze nach sich zog. Apathisch, mit seelenlosem Blick, starrte er ihr entgegen, behielt jedoch die Balance. Die gesprochenen Worte, die ihren Mund verlassen hatten, versprachen, was die alten Schriften prophezeiten. Ihm widerfuhr nichts Böses, oder gar Verwerfliches. Dem Mann vor sich Schaden zuzufügen, widerstrebte ihr, doch galt es noch immer, den Gedanken Taten folgen zu lassen. »Ein kleiner Piks, nicht mehr«, flüsterte sie und zog eine winzige Nadel aus dem Korsett. Das Blut floss heiß durch Adern und Venen, als sie die warme Hand ergriff und schnell, und unbarmherzig, wie der Biss einer Schlange, die Spitze des metallenen Stäbchens in den linken Zeigefinger des jungen Herren stieß. Ein kleiner Tropfen quoll sogleich aus der Kuppe hervor, ehe die Hexe den Saum des bodenlangen Kleides empor raffte und eine kleine Phiole aus dem Strumpfband zog, das sie um ihren rechten Schenkel geschlungen hatte. Das kleine Fläschchen hatte sie mit einem »Erhaltungszauber« belegt, der die purpurne Flüssigkeit »am Leben« hielt. Ein, zwei, drei perlengroße Tröpfchen rannen in das Gefäß, welches sie sogleich mit einem Korken verschloss. Erleichterung und Zufriedenheit überfielen sie wie einen Rausch. Das Herz hämmerte und schlug wild in ihrer Brust. Nun war sie ihm so nah wie je zu vor, doch etwas hielt sie davon ab, den wehrlosen Mann vor sich gänzlich für sich zu gewinnen. Es wäre ein Leichtes, ihn um einen simplen Gefallen zu bitten, doch das, was ihrem Drängen eher entsprach, war die Kunst des alten »Werbens«. Es war hinreichend bekannt, dass die jungen Zauberer seines Alters nie Schwierigkeiten hatten, sich einer willigen Frau zu nähern, dennoch verlangte es sie nach schmeichelnden Worten, geschickt ausgesuchten Geschenken. Sie wollte Taten, Beweise, auch wenn diese auf bizarre Art und Weise würden erbracht werden müssen. Die Phiole wurde an den angestammten Platz zurückgesteckt, und eine neue Bouteille fand sich in ihren Händen wieder. Ein wenig Diptam-Essenz genügte, und von dem kleinen, roten Punkt war nach wenigen Wimpernschlägen nichts mehr zu erblicken. Die junge Frau haderte und rang mit sich, ihn unwissend und willenlos zurückzulassen. Die schmalen Finger nach seinem Gesicht ausstreckend, strich Daphne behutsam über die etwas blass wirkenden Wangen ihres Gegenübers. Die Dauer des Zaubers hob sich bereits nach sieben Minuten auf, jedoch kam es dem Mädchen wie eine Ewigkeit vor. Sie stand vor ihm, so, als hätte sie ihn nicht für wenige Augenblicke aus seinem Leben gerissen. Verdutzt blinzelte Terence gegen das aufkommende Unwohlsein, ehe er begriff, dass sich nichts zu verändert haben schien. Eine Ausrede, die Daphne bereits in ihrem Geiste formuliert hatte, verließ ihre Lippen und der junge Mann verzog kurz den Mund zu einem schiefen Grinsen. Ihrer Bitte, ein »gutes Wort« für sie beim Minister einzulegen, begegnete er mit einem missbilligen verziehen der Mundwinkel. »Und das hättest du mich nicht vor meinen Freunden fragen können?« Belustigung, gepaart mit einer Spur Skepsis und Argwohn mischte sich unter seine Stimme, doch das Mädchen schüttelte den Kopf, tat peinlich berührt und entschuldigte sich für die zur Schau getragene Dummheit. Hart rieb sie die Kiefer aufeinander, als Daphne die letzte, noch fehlende Zutat in den Kessel träufeln ließ. Ein Tropfen seines Blutes, der Verstand und Sinne einzig und allein auf sie ansprechen ließ. Terence Higgs würde ihre Anwesenheit bemerkten, noch ehe sie den Raum betrat, er würde sie auf Händen tragen, ihr gefällig sein. Sobald die kleine, rote Perle auf die brodelnde Oberfläche des Tranks traf, nahm dieser die letzte Farbnuance an. Blassrosa schimmernd leuchtete ihr das Gebräu entgegen. Noch ein letztes Mal suchten ihre Augen auf dem Fetzen Pergament, ob auch sämtliche Zutaten den Weg in den Kessel gefunden hatten. Es wäre zu riskant, ein ganzes Buch aus der verbotenen Abteilung der Schulbibliothek zu entwenden, auch wenn sich jener Raum, ebenso wie der Rest des Schlosses, noch in der Wiederaufbau-Phase befand. Daphne konnte kaum begreifen, wie viel Glück sie hatte, heimlich durch die Absperrung geschlüpft zu sein, um nach dem Band zu suchen, der sich mit jenen teuflischen Tränken befasste, dennoch war ihr Mut von Erfolg gekrönt. Langsam und vorsichtig füllte sie die rosafarbene Flüssigkeit in vier kleine Phiolen, ehe sie die Behältnisse mit einem Zauber fest verschloss. Während das Innenleben der Fläschchen gemächlich abkühlte, machte sich die Hexe daran, ihre Spuren zu verwischen. Niemand sollte erfahren, dass die schlaue, adrette Daphne Greengrass etwas Verbotenes tat. Die Flamme des Brenners war längst erloschen, als die junge Frau die anderen Materialien auf einem der Tische ausbreitete, die ihr Vorhaben hoffentlich würden gelingen lassen. Noch nie hatte sie sich in der Kunst der Pralinen-Zubereitung versucht, dennoch konnte es für ein Mädchen ihres Schlages nicht allzu schwierig sein, Schokolade zu schmelzen, den Inhalt eines der Fläschchen unter die dunkle, bitter-süße Masse zu mengen und in Formen zu füllen. Noch zwei weitere Male verfuhr sie im gleichen Prozedere, doch jeweils mit Vollmilch und weißer Schokolade. Die herzförmigen Pralinés verpackte sie in eine eher unauffällige Pappschachtel. Sorgsam schrieb sie Namen und Adresse auf das Päckchen und würde es am morgigen Tage, per rascher Eule, dem Empfänger zukommen lassen. Die verbliebene Phiole würde Daphne als Reserve zurückhalten, sollte ihr Plan misslingen. Abermals räumte sie das benutze Equipment in die Schränke, verstaute die Gerätschaften in die lederne Tasche zurück. Sich noch einmal im Raum umsehend, griff die junge Hexe nach dem Knauf der Tür und schloss diese mit einem leichten, leisen Klicken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)