Ruby von Papierkriegerin ================================================================================ Kapitel 8: Im Hasenbau ---------------------- Kapitel 8 – Im Hasenbau Der Weg in mein Zimmer wurde immer länger und ich klarer im Kopf. Was tat ich da? Ich konnte es nicht. Es fühlte sich falsch an. Es würde aus den falschen Gründen passieren und mit der falschen Person, mit mir. Ruby hatte etwas Besseres verdient. Er drängte sich auf dem Weg zum Schlafzimmer immer wieder an mich und raubte mir mit seinen Küssen den Atem. So sehr ich es auch genoss, ich musste es beenden. „Ruby!“ Er drückte seine Lippen so fest auf meine, als ob er ahnte, was jetzt kommen würde. Wahrscheinlich hatte er bemerkt, dass ich mich mit jedem Kuss, jeder Zärtlichkeit weiter versteift hatte. „Es...es tut mir leid.“, stammelte ich und wusste doch, dass es nicht genug war. Er seufze abgrundtief und ich hoffte, dass er mir verzeihen konnte. „Ich wusste, dass es zu schön war, um wahr zu sein.“, brummte er und wandte sich ab. Schnurstracks ging er sich anziehen und lief dann an mir vorbei, die Treppe wieder hinunter. „Warte nicht auf mich.“ „Es ist besser so.“, murmelte ich vor mich hin. Schweren Schrittes ging ich in mein Zimmer. Ich würde wahrscheinlich sowieso nicht schlafen können, aber es war besser, als hier im Flur herumzustehen. Unruhig wälzte ich mich hin und her. Meine Gedanken fuhren Karussell und ich konnte nichts dagegen machen. Warum hatte ich mich nur darauf eingelassen? Warum musste ich es mir ausgerechnet mit Ruby versauen? Wir würden vielleicht länger zusammenwohnen und da konnte ich einen abgewiesenen Liebhaber nicht gebrauchen. Aber gerade deswegen war es gut, dass ich es verhindert hatte. Lieber so, als die ewige Schwebe und Ungewissheit, ob ich nur ein Versuchskaninchen war. Ich gab es auf, schlafen zu wollen. Stattdessen stand ich auf und ging in die Bibliothek, meinen neuen Lieblingsort. Da konnte ich die Zeit wenigstens sinnvoll nutzen. Ich machte es mir mit einem der Tagebücher im Sessel bequem und vertiefte mich in meine Lektüre. Mitten in der Nacht – ich musste eingeschlafen sein - wachte ich auf, als die Tür knallte. Das war bestimmt nur Ruby, der zornentbrannt nach oben stapfte. Am nächsten Morgen waren meine Glieder steif und ich verfluchte meine Unvernunft an diesem Ort einzuschlafen. Bequem war anders. Mit verrenktem Nacken ging ich ins Bad, um zu duschen und schlich in mein Zimmer, um mir neue Klamotten zu holen. Die alten waren völlig zerknittert, da ich darin geschlafen hatte. Wie spät war es überhaupt? Doch ich hätte gar nicht ruhig sein müssen. Das Bett war unangetastet und von Ruby war auch keine Spur zu sehen. Ein Blick auf meinen Wecker zeigte vierzehn Uhr an. „Scheiße!“, ich musste mich nun wirklich beeilen, damit ich zu meiner Verabredung mit Race nicht zu spät kam. Eigentlich war mir nicht danach, aber so kurzfristig abzusagen, fand ich unhöflich. In Windeseile war ich geduscht und ein wenig zurechtgemacht. Gerade so viel, dass Race nicht auf die Idee kam, ich hätte mich für ihn schick gemacht. Da wir uns in der Bäckerei treffen wollten, konnte ich das Frühstück getrost ausfallen lassen. „Hi Christopher! Du bist ja superpünktlich.“, Race lächelte mich mit einem 1000-Watt-Strahlen an, dass mich sofort für ihn einnahm. Er kam mir entgegen und schlang seine Arme um mich, als ob wir uns schon seit Ewigkeiten kennen würden. Er war warm und herzlich. Deshalb verstand ich umso weniger, warum Ruby ihn nicht mochte. „Wollen wir reingehen? Heute gibt es Kirsch-Mandel-Torte, die ist echt lecker. Und dann erzählst du mir alles über dich.“ Er zog mich halb hinter sich her und die Bäckerdame vom letzten Mal begrüßte uns freundlich. Zum Glück waren die anderen Frauen nicht anwesend. Auf noch so ein Spektakel hatte ich wirklich keine Lust. Wir holten uns Kaffee und Kuchen und setzten uns in eine der Nischen, in die man von außen nicht schauen konnte. Das war viel angenehmer als vorn, da man so nicht wie auf dem Präsentierteller saß. „Also Christopher, Chris.“ „Christopher.“, fiel ich ein. Ich mochte die Koseform nicht besonders. „Okay. Christopher.“ Er zog meinen Namen nun so in die Länge, als ob er sich ihn auf der Zunge zergehen lassen wollte. Ich hätte es ihm doch erlauben sollen, denn nun klang es viel intimer als vorher. „Die anderen haben erzählt, dass wir uns beim Lagerfeuer knapp verpasst haben. Schade. Dabei hätten wir unsere Bekanntschaft gleich vertiefen können.“ Er lächelte und ich war mir nicht sicher, ob er es so zweideutig meinte, wie es klang. „Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war danach einiges los. Ruby und der Doktor sind hier Gesprächsthema Nummer eins. Aber mich interessiert vielmehr deine Beziehung zu ihm. Du hast vehement abgestritten sein Freund zu sein. Das heißt also, ich darf hoffen?“ Er nahm meine Hand und ich wand mich innerlich. Warum wollten hier alle mit mir zusammen sein? Ich war bei weitem nichts Besonderes und wollte doch zunächst nur Freundschaften knüpfen. Verdammt, wie sollte ich ihn abweisen, ohne ihn gleich komplett zu vergraulen? „Ähm, Race. Also, ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll, aber ich im Moment will ich gar keine Beziehung. Weder mit Ruby, noch mit sonst wem. Mal ganz davon abgesehen, dass er das nur gesagt hat, um die Frauen zu ärgern, die neben uns saßen.“ Er ließ meine Hand nicht los, im Gegenteil, er strich nun mit seinem Daumen darüber und ich bekam Gänsehaut. „Nein, Darling. Das hat er gesagt, weil ich da war. Er wollte das Revier abstecken. Aber den Gefallen tue ich ihm nicht. Er kann nicht immer gleich alles für sich beanspruchen. Zum Glück ist er so ein Ekelpaket und du bist nicht auf seine hübsches Gesicht hereingefallen.“ Race fand Ruby hübsch? Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Sicher, er sah gut aus. Aber ich hätte nicht gedacht, dass er Races Typ war. „Nun gut, keine Beziehung. Warum nicht? Wer hat dir wehgetan, dass du die Mauer gleich meterdick aufrichtest?“ Er hatte mit einem Blick die Situation durchschaut. Aber das ging niemanden etwas an. Und Race war im Grunde genommen ein Fremder, vor dem ich mein Seelenleben nicht ausbreiten wollte. Wenn es nach mir ginge, würde die ganze Geschichte in Hamburg totgeschwiegen werden. „Ich will nicht darüber reden. Es ist keine schöne Geschichte.“, reagierte ich also kurz angebunden. „Mh, ich verstehe. Auch wenn du mich damit nur noch neugieriger machst, ich werde dich nicht mehr danach fragen. Aber dann erzähl doch mal, wie du das Leben hier findest. Da wir demnächst in eine Klasse gehen werden, kannst du immer auf mich zählen. Du brauchst nur etwas zu sagen.“ Er sah mir tief in die Augen und ich hatte das Gefühl, er wolle mich verhexen. „Ich wohne seit kurzem im Haus von Onkel Charles Ich möchte hier zur Schule gehen und das möglichst bis zu meinem Abschluss. Mit einem Auslandsaufenthalt hat man mehr Chancen im Berufsleben und ich möchte mir eine sichere Zukunft aufbauen. Mehr gibt es über mich nicht zu erzählen. Ziemlich kurz, hm?“ Ich grinste schief und hoffte, dass er es auf sich beruhen ließ und wir uns oberflächlicheren Themen zuwandten. „Eine sichere Zukunft. Das ist aber ein hochgestecktes Ziel. Ich glaube, dass nichts sicher ist. Jeder Tag kann Veränderung bedeuten und man muss nur klug genug sein, sich anzupassen. Dann ist man für alles gewappnet.“ Das klang für mich verdächtig danach, dass er sein Fähnchen in den Wind hielt. Nicht gerade eine anziehende Eigenschaft. „Aber ich weiß, was ich will und bin der Meinung, dass ich stark genug bin, meine Zukunft selbst zu beeinflussen und nicht von äußeren Faktoren abhängig zu sein.“ Wie alt war er nochmal? Das klang sehr erwachsen für jemanden in unserem Alter. „Was magst du für Musik?“ Ich versuchte unser Gespräch in seichtere Gefilde zu lenken und zum Glück stieg er diesmal darauf ein. Wir unterhielten uns sehr nett über Themen, die uns interessierten und ich stellte fest, dass wir viel gemeinsam hatten. Aber irgendwas irritierte mich an ihm. Niemand konnte so perfekt sein. Vielleicht war ich auch zu misstrauisch. Ich wollte ihm eine Chance geben und zumindest eine Freundschaft konnte nicht schaden. „Ich bring dich noch nach Hause. Keine Widerrede.“, sagte er, als wir ungefähr drei Kaffee getrunken hatten und nicht mehr ein Stück Torte in uns hineinpasste. Er zückte seine Brieftasche und legte seine Hand auf meine, als ich Geld dazulegen wollte. „Ich mach das schon.“ Aber ich schüttelte den Kopf. Das konnte ich nicht leiden. Trotzig packte ich meinen Anteil dazu. Das war kein wirkliches Date und auch wenn es eins gewesen wäre, war ich niemand der sich aushalten ließ. „Dein Onkel ist in letzter Zeit ganz schön beschäftigt, oder?“ Wir gingen langsam nebeneinander her und ich vermied es Race näher anzusehen. Wenn ich es zu oft tat, lief ich vielleicht doch Gefahr, mich in ihn zu verlieben, weil er so lieb und aufgeschlossen war. „Ja, leider sehe ich ihn nicht oft. Es war schon eine Überraschung, besonders weil die Familie meiner Mutter nie ein gutes Haar an ihm gelassen hat. Dabei ist er sehr fleißig und mtfühlend. Er war jetzt oft bei Tante Maddy und langsam vermute ich, dass sie das absichtlich macht. Sie scheint ihn sehr zu achten.“ Es fing leicht an zu tröpfeln und wir beeilten uns, sodass wir nicht pitschnass wurden. Aber der Himmel hatte kein Erbarmen mit uns und öffnete seine Schleusen. „Komm schnell. Es gibt eine Scheune in der Nähe, dort können wir uns unterstellen.“ Meine Hand in seiner rannten wir so schnell wir konnten. Wir erreichten sie außer Atem und ließen uns in das weiche Heu fallen. „Das war knapp. Daran werde ich mich nie gewöhnen, dass es hier plötzlich so stark regnet.“, sagte ich und lauschte dem steten Tropfen auf dem Dach. „Ob das Dach halten wird?“, fragte ich mich laut. „Welches Dach?“ Race lag auf der Seite neben mir mit einem abgestützten Arm und sah mich neugierig an. In der dämmrigen Scheune schienen seine grünen Augen ein wenig wie die einer Katze zu leuchten. „Ach, bei dem Gewitter ist das Dach über Rubys Zimmer beschädigt worden und er hat es notdürftig geflickt.“ Dass er seitdem in meinem Zimmer schlief, erwähnte ich lieber nicht. „Das war bestimmt Spaß für Ruby, der mag es, Sachen zu reparieren und hilfreiche Dinge zu basteln. Wenn er nur ein bisschen netter wäre.“ Er seufzte und ich fragte mich, ob er doch mehr für Ruby empfand. Nur, dass das garantiert nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Was hatte Race nur gemacht, dass Ruby ihn derart hasste? Aber es stand mir nicht zu, danach zu fragen, also ließ ich es. Aber mir fiel etwas anderes ein. „Mike hat erzählt, dass du gestern ein Date hattest? Hm.“, ich räusperte mich. Wie sollte ich diese Frage stellen, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen? „War sie nett?“ „Nicht mein Fall. Und bevor du schlecht über mich denkst. Ich nehme nicht alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Ich weiß genau, was die anderen über mich erzählen. Ich mag es neue Leute kennenzulernen. Und dabei spielt das Geschlecht keine Rolle. Ich mag intelligente Menschen, die beständig sind und zu ihrer Meinung stehen. Gutes Aussehen kann nicht schaden. Da braucht sich niemand Illusionen machen und wenn es im Bett nicht klappt, dann sieht es auch düster aus. Schade, dass du mich nicht willst.“ Er seufzte gespielt verzweifelt und ich musste wider Willen lachen. „Da bekomme ich auf der Skala aber wenig Punkte.“ Weder besonders intelligent, noch gutaussehend wusste ich nicht, was ich für die Zukunft wollte. Deshalb wunderte ich mich umso mehr über das, was er als nächstes sagte. „Nun sei nicht so bescheiden. Mit deinem Gesicht und deiner Figur könntest du glatt modeln, nur ein bisschen größer müsstest du dann sein. Aber falls du mal Interesse haben solltest, ich habe Beziehungen. Und dass du klug bist, davon konnte ich mich in den letzten Stunden selbst überzeugen. Nun geben wir dir noch eine Portion Selbstsicherheit und keiner kann dir mehr widerstehen. Schlimm genug, dass Ruby ein Auge auf dich geworfen hat. Vielleicht sollten wir dich doch nicht noch attraktiver machen.“ Er rückte ein Stück näher ran und strich mit seinen Fingern über meine Wange. Diese Geste war so intim, dass ich instinktiv ein Stück zurückwich. „Und wieder erscheint die Mauer.“ Er sah mich traurig aber verständnisvoll an und spielte stattdessen mit einem Strohhalm. „Das steht dir überhaupt nicht.“, lachte ich, als er die Situation dadurch auflockerte. Ich hatte in den letzten Stunden mehr mit ihm gelacht, als in den letzten Tagen. „Wieso? Ich bin doch der geborene Stalljunge. Jetzt musst du deine Vorstellungskraft nur so weit ankurbeln, dass ich nur eine Latzhose ohne ein Hemd darunter trage und voilà hast du einen scharfen Tagtraum.“ Allerdings, nur dass nicht Race die Hauptrolle darin spielte. Ich musste mir Ruby ein für allemal aus dem Kopf schlagen! Immerhin hatte ich ihn gestern Nacht, eiskalt auflaufen lassen und glaubte nicht daran, dass er jemals wieder ein Wort mit mir sprechen würde. „Süß, da wird er rot.“ Den blöden Kommentar konnte er sich echt sparen. „Klappe!“ Ich bewarf ihn mit einer Handvoll Heu und er schaute dumm aus der Wäsche. „Das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Die Katze hat Krallen.“ Er lächelte sein umwerfend charmantes Lächeln und mein Herz pochte laut in meiner Brust. „Ich glaube, es hat aufgehört.“ Geschmeidig erhob er sich und reichte mir seine Hand. Sie war warm und leicht schwielig. Mit geringem Kraftaufwand zog er mich hoch und ich dachte bei mir, dass er Rubys Muskeln durchaus Konkurrenz machte. Wir kamen beim Haus an und verabschiedeten uns freundschaftlich. „Wollen wir uns in der Woche noch einmal treffen? Dann zeig ich dir die Gegend ohne Regen.“ Race sah mich gespannt an und ich konnte nicht anders, als zuzustimmen. „Okay. Ich sims dir, wenn ich Zeit habe. Morgen ist Big Party bei meinen Großeltern, aber vielleicht klappt es den Tag darauf.“ Ich nickte und er ging beschwingt den Weg zurück. Als ich oben in meinem Zimmer war, stand Ruby am Fenster und starrte raus. Von hier hatte man einen guten Blick auf das Gartentor und daher wusste ich, dass er uns beobachtet hatte. „Du hast Heu im Haar. Nimm dich vor ihm in Acht. Er ist nicht so nett, wie er tut.“, sagte er kurz angebunden und verließ hastig das Zimmer. Ich griff in mein Haar und holte tatsächlich einen Halm daraus hervor. Das musste für einen völlig falschen Eindruck gesorgt haben. Für einen Moment dachte ich, ich hätte rasende Eifersucht gesehen, aber das musste ich mir wohl eingebildet haben. Statt weiter darüber nachzudenken, ging ich in die Galerie. Ich hoffte, mich mit der Schatzsuche von meinen verwirrenden Gefühlen abzulenken. Es tat weh, dass Ruby mich nun anscheinend mied, aber daran war ich selbst schuld. Doch dass Race so nett war und er mich trotzdem vor ihm warnte, wollte mir einfach nicht in den Kopf gehen. Wieso sollte er mich täuschen? Er hatte doch keinen Grund dafür. Außerdem konnte es auch daher rühren, dass Ruby ihn nicht leiden konnte. Da traute er ihm bestimmt mehr zu, als dahinter war. Unruhig ging ich auf und ab. Was übersah ich? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)