Bestienhandbuch für Anfänger von NaBi07 (Lektion 1: Wie erziehe ich meine Bestie) ================================================================================ Kapitel 10: Selbständigkeit --------------------------- Kapitel 2.4 - Selbständigkeit „Obwohl es wichtig ist viel Zeit mit Ihrer Bestie zu verbringen, müssen Sie Abstand wahren. Die Bestie darf von Ihnen nicht abhängig werden. Sie muss weiter- hin einen gewissen Grad an Selbständigkeit beibehalten. Wenn Sie allerdings merken, dass Ihre Bestie mit ihrer Abwesenheit nicht zurecht kommt und sich ungewöhnlich verhält, müssen Sie die Phasen Ihrer Absenz erhöhen. So sichern Sie ab, dass sich die Bestie an ihre Abwesenheit gewöhnt und abnormales Verhalten einstellt.“ Als ich wieder zu mir komme, fühle ich mich um einiges Erholter. Obwohl ich mir eine weichere Matratze wünschen könnte, habe ich gut geschlafen. Die Schmerzen in meiner Schulter sind abgeklungen, nur noch ein leichtes Pochen erinnert mich an die Entzündung. Erleichtert öffne ich die Augen und rapple mich vorsichtig hoch. Mein blauer Fleck schmerzt dafür immer noch. Ich ahne jetzt schon, dass er länger zum verheilen brauchen wird. Ein Klopfen an der Tür weckt meine Aufmerksamkeit. Der General schiebt sich mit vollen Händen herein und lächelt mich grüßend an. Neugierig beobachte ich seine Bewegungen. Er zieht einen kleinen Tisch an mein Bett und stellt dort seine Mitbringsel ab. Die extra große Cola begeistert mich sofort. Gierig schnappe ich mir das prickelnde Getränk und verschlinge nebenbei die Pommes und die beiden Burger, die er mir vor die Nase hält. In wenigen Minuten habe ich alles vertilgt. Traurig knülle ich das Papier zusammen und ziehe an meinem leeren Strohalm. Mein Essenslieferant reicht mir lächelnd einen weiteren Burger und schiebt mir seine Cola hin. Er ist mein strahlender Held in McDonalds-Rüstung. „Sie scheinen ja ganz schön hungrig gewesen zu sein.“ „Ja“, antworte ich mit vollem Mund. „Schlingen Sie immer so undamenhaft?“, lächelt mir der General entgegen. Scheinbar macht er sich gerade über mich lustig. „Würden Sie nicht schlingen, wenn Sie seit einer gefühlten Ewigkeit kein Fastfood mehr zu essen gehabt hätten?“, verteidige ich mich ein wenig beleidigt. „Wie haben Sie es eigentlich geschafft zu überleben? Hat Ihre Bestie Sie versorgt?“ Mit einem letzten Bissen beende ich meine Mahlzeit, lehne mich zurück und mache es mir gemütlich. Wäre ich jetzt Liam, würde ich vor mich hin schnurren. Satt und zufrieden mustere ich meinen Gegenüber. Warum interessiert er sich so sehr für mich? Oder interessiert er sich am Ende auch nur für Liam? Seine plötzliche Freundlichkeit macht mich skeptisch. Immerhin wollte er mich mit Hilfe von Giftgas töten. Nur leider wünscht sich der weibliche Teil in mir, dass er mehr ist, als ein wahnsinniger Killer. „Wie heißen Sie überhaupt?“ „Verzeihung. Mein Name ist Caleb Blackthrone.“ „Das scheint mir kein deutscher Name zu sein,“ merke ich an. Ich versuche meinem Gesicht einen fragenden Ausdruck zu verleihen. „Sie werden ganz schnell feststellen, dass nicht nur Deutsche für Gimini Intercorbs arbeiten“, weicht er meiner offensichtlichen Neugierde aus. So ist das also. Mich will er ausquetschen, aber selber nichts über sich preisgeben. Ich schweige. Aber Caleb will offenbar nicht so leicht aufgeben. „Verraten Sie es mir? Bitte.“ Wer könnte diesem Blick schon widerstehen? Ich jedenfalls nicht. Seufzend gebe ich nach. „Liam versuchte mich am Anfang mit toten Tieren zu füttern“, berichte ich mit gerümpfter Nase. „Diese Leckerbissen habe ich aber vehement abgelehnt. Irgendwann ist er dann auf die Idee gekommen, mir Obst zu bringen.“ Ihm geht scheinbar ein Licht auf. „Ah. Das Obst muss er von der unterirdischen Plantage haben. Scheinbar ist sie noch intakt.“ „Eine unterirdische Obstplantage?“, hake ich nach. „Ja. Was glauben Sie denn, wie wir sonst unseren ganzen Mitarbeiter gesund ernähren könnten? Außerdem haben wir auch einige Pflanzenfresser unter den Bestien.“ Das erklärt allerdings meine Frage, woher Liam das Obst hatte. Also doch nicht aus Nachbars Garten. „Aber die Früchte allein können Sie wohl kaum ernährt haben.“ „Nein, da haben Sie recht. In einer alten Küche entdeckte ich getrocknetes Fleisch und andere eingepackte Lebensmittel, die noch essbar waren.“ „Verstehe. Und wie haben Sie das Wasserproblem gelöst?“ „Regenwasser.“ Meine Antworten scheinen ihn zu befriedigen. Ich bilde mir sogar ein in seinen Augen ein wenig Bewunderung zu lesen. Endlich habe ich etwas Respekt geerntet. Immerhin habe ich nie ein Überlebenstraining absolviert, dass mich auf so eine Situation hätte vorbereiten können. Trotzdem habe ich mich wacker geschlagen. „Frau Morel, Sie wissen bestimmt bereits, dass Sie ab jetzt ein offizielles Mitglied von Gimini Intercorbs sind.“ Ich schnaube. Warum wollen nur immer alle über mein Leben bestimmen? Erst Liam, dann der verrückte Professor und nun Gimini Intercorbs. „Was macht Sie da so sicher, Herr General?“ „XS-707-GP4“ „Dann übernehmen Sie Liam doch! Der Blödian ist mir egal!“, motze ich ihn an. Unterschwellig bin ich immer noch wütend auf meinen Entführer. Caleb zieht eine Augenbraue hoch und blickt mich verwundert an. „Warum wehren Sie sich so sehr? Da draußen gibt es tausende Menschen die gerne mit Ihnen tauschen würden.“ „Dann sollen Die doch tauschen. Ich will nach hause.“ „Warum?“ Seine Augen drücken klares Unverständnis aus. Warum will er meinen Standpunkt nicht verstehen? „Weil ich meine Familie vermisse. Ich bin eine einfache Erzieherin, die ihr altes Leben zurück haben will. Ich habe keine Lust die Dompteurin einer Bestie zu spielen.“ „Wir befinden uns nicht im Zirkus. Das alles hier ist ernster, als Sie glauben“ tadelt er mich leicht. „Warum? Hitler ist doch schon Geschichte.“ Er will einfach nicht aufgeben. Pech nur, dass ich einen genauso dicken Schädel besitze. Er sieht mich nachdenklich an. „Sie kennen also bereits die Entstehungsgeschichte unserer Organisation. Aber wissen Sie denn nicht aus den Nachrichten oder von Zeitungsartikeln, dass es überall auf der Welt Unruhen und Kriege gibt? Denken Sie nur an Nordkorea oder Afrika, den Irak. Da gibt es noch reichlich Einsatzmöglichkeiten. Auch in Deutschland gibt es schon die ersten Unruhig die vor der Öffentlichkeit unter den Teppich gekehrt werden.“ „Heißt das, dass Gimini Intercorbs es sich zum Ziel gemacht hat mit Hilfe der Bestien, für Weltfrieden zu sorgen? Das ist lächerlich.“ „Da gebe ich Ihnen Recht.“ Es klopft wieder an der Tür. Sophie tritt ein und sieht uns grinsend an. „Hallo, General.“ Caleb nickt ihr zu und erhebt sich dann. „Frau Morel, wir sehen uns später. Mir wurde die Ehre zuteil als ihr Trainer fungieren zu dürfen.“ „Trainer?“ Wofür soll ich denn Trainiert werden? „Dazu kommt Sophie gleich.“ Er nimmt kurz meine Hand und drückt sie ganz zart. Seine Augen scheinen mir noch etwas anders sagen zu wollen, doch ich verstehe ihre Sprache nicht. Ein klein wenig enttäuscht beobachte ich wie er den Raum verlässt. Sophie nimmt auf seinem Stuhl platz. „Wie geht es Ihnen?“ „Besser. Aber können Sie mir einen Gefallen tun?“ „Welchen?“, fragt sie skeptisch. „Können wir uns Duzen? Sonst komme ich mir so albern vor.“ Sie lächelt mich an. „Gerne doch.“ „Was meinte Herr Blackthrone damit, dass er mein Trainer sei?“ „Er ist dafür verantwortlich mit dir XS-707-GP4 zu trainieren.“ „Liam trainieren?“, frage ich geschockt und belustigt zugleich. Das kann ja heiter werden. Der hat doch seinen eigenen Kopf. „Ja. Die Würdenträger unserer Organisation haben sich dazu entschieden dich zu einem Bestienmaster auszubilden.“ „Und die entscheiden das einfach so, weil ... ?“ Wieder kocht die Wut in mir. Noch mehr Menschen, die über mein Leben bestimmen wollen. „Weil sie dich sonst getötet hätten.“ Ich schrecke zurück. Wollen die mich denn immer noch tot sehen? „Was meinst du damit?“ „Ich habe dir vor zwei Tagen doch erzählt wie Gimini Intercorbs entstanden ist. Unsere Organisation muss absolut geheim bleiben. Zivilisten haben hier nichts zu suchen. Egal, ob sie freiwillig oder unfreiwillig in die Sache verwickelt wurden.“ „Das heißt, dass sie mich einfach so töten können, ohne, dass es jemals jemand erfährt?“ „Genau. Denn offiziell bist du schon lange Tod.“ „Warum haben sie dann ihre Meinung geändert?“ Sophie blickt kurz zu Boden und errötet. „Ich habe mich für dich stark gemacht.“ Das überrascht mich. Warum tut sie so etwas? Immerhin kennen wir uns kaum. „Warum?“ „Weil ich es unfair fand. Ich kann deine Situation verstehen. Das tut mir alles so schrecklich leid.“, erwidert sie mitleidig. Ihre Ehrlichkeit und ihre Loyalität wärmen mein Herz. „Danke“, murmle ich gerührt. „Der Dank gehört nicht nur mir allein. Mein Onkel hat großes Interesse an XS-707-GP4. Deshalb hat er mich vor dem Rat unterstützt. Lukas Noak und Kathrin Phol haben sich ebenfalls für dich eingesetzt.“ „Professor Gillians Motiv kann ich ja nachvollziehen. Aber warum haben sich die beiden anderen eingemischt?“, frage ich erstaunt. Immerhin haben mich die Beiden doch erst hier her gebracht und mich am Anfang sogar versucht zu töten. Vor allem Kati schien mich nicht besonders zu mögen. „Sie haben Mitleid. Kati fühlt sich schuldig, weil sie dir nicht geglaubt hat. Das gleiche gilt für Luka.“ Ich nicke. So ist das also. Ich scheine zum Glück doch mehr Verbündete zu haben, als ich dachte. Auch wenn ich ihr Mitleid nur ungern akzeptieren kann. Aber da muss ich jetzt wohl durch. „Außerdem hat General Blackthrone mit seinem Bericht dafür gesorgt, dass keiner dich mehr als Gefahr betrachtet.“ Ich mache große Augen. „Warum? Er wollte mich doch zuerst töten.“ „ Ja schon“, druckst Sophie herum, “Aber als er dich persönlich kennengelernt hat, da wusste er, dass er dich nicht mehr töten kann. Es gab wohl keinen Hinweis mehr darauf, dass du uns feindlich gesinnt bist. Eigentlich ist er ein wahrer Softie. Man muss ihn nur richtig kennen lernen. Außerdem hat er wohl Interesse daran entwickelt mit dir zusammen zu arbeiten.“ „Warum?“ Ich verstehe das nicht. Was findet der nur an mir? Mein erster Eindruck von ihm war eher weniger gut. Obwohl. Eigentlich war er bis jetzt relative nett zu mir gewesen. Abgesehen von dem einem Mal, als er versucht hat mich mit Gas zu töten. Aber da hat er bestimmt nur den Befehl von seinem Vorgesetzten befolgt. Außerdem hat er sich um mich gekümmert, als ich zusammengebrochen bin. Ja er hat mich sogar mit Fastfood gefüttert. Ein wissendes Lächeln umspielt Sophies Mundwinkel. Doch sie antwortet nicht auf meine Frage. Was verheimlicht sie mir bloß. „Da es dir wieder besser geht, kann ich dir ja deinen Ausbildungsplan geben.“ Sie kramt einen Zettel mit einer Tabelle aus ihrer Kitteltasche und reicht ihn mir. Ich werfe einen kurzen Blick darauf. Grundlagen der Genetik, Grundlagen der Wissenschaft, physisches Training für die Bestie, psychisches Training für den Master, militärische Grundausbildung und das mehrmals in der Woche. „Muss ich da durch?“ „Ja. Du gehörst nun offiziell zu uns. Du musst alle notwendigen Fächer absolvieren, um als XS-707-GP4 Master anerkannt zu werden.“ „Wie meinst du das?“ „Das kommt später.“ Langsam nervt mich dieses ständige später. „Gut. Kannst du mir dann wenigstens jetzt verraten welches Datum wir haben? Oder hebt ihr euch das auch für später auf?“, frage ich mürrisch. Sie schmunzelt. „Wir haben den 6. Oktober.“ Geschockt hole ich tief Luft. „Wie lange bin ich schon hier im Labor?“ „Seit knapp vier Tagen. Davon hast du zwei hier verbracht.“ Ich rechne kurz nach. Das würde ja heißen, dass ich fast drei Monate um mein Überleben gekämpft habe. Auch wenn mir die Zeit in meinem Gefängnis ewig vorgekommen ist, bin ich von der Realität entsetzt. Meine Eltern sind also bereits seit fast drei Monaten in dem Glauben, dass ich gestorben sei. Meine Beerdigung ist auch schon vorbei. Ein Träne kullert ungewollt aus meinen Augen und ich wische sie flink fort. Sophie ignoriert sie mitfühlend. „Wenn du möchtest, dann bringe ich dich zurück auf dein Zimmer.“ Zurück zu Liam? Habe ich ihm denn bereits vergeben? Ich weiß es nicht. „Was ist? Willst du hier bleiben?“ „Was ist mit Liam?“, frage ich zögernd. „Was soll denn mit ihm sein?“ Verständnislos legt sie den Kopf schief. Diese Geste erinnert mich sehr an meine Bestie. „Ich habe mich mit ihm gestritten.“ meine ich kleinlaut. „Gestritten?“ Belustigt steht Sophie auf. „Du streitest dich mit deiner Bestie? Du hast wirklich noch viel zu lernen.“ Sie reicht mir die Hand. „Komm jetzt. Ich gebe dir noch einen kleinen Tipp. Auch wenn er klug erscheint, ist er doch eher animalisch veranlagt, dass heißt, dass er sich freuen wird dich zu sehen. Wie eine Art Hund oder Katze.“ Gemeinsam verlassen wir die Krankenstation und folgen einem Labyrinth an geraden Gängen und Türen. „Mir geht es nicht darum, ob er mir vergibt, sondern ob ich ihm vergeben kann.“ „Oh. Das ist natürlich ein anderes Problem.“ Sie lacht. „Ich kann verstehen, dass es dich mitnimmt, dass XS-707-GP4 dich entführt hat. Aber er kann nichts dafür. Es liegt in seinen Instinkten sich einen Master zu suchen. Dafür wurde er gezüchtet.“ „Ich hätte ihm auch verzeihen können, wenn er wirklich nur nach seinen Instinkten gehandelt hätte. Doch ich habe ihn befragt. Er hat mich mit Absicht festgehalten, obwohl er wusste, dass ich nach hause wollte.“ „Da irrst du dich. Soweit reicht sein Verständnis nicht. Ich gebe zu, dass einige zweibeinige Bestien in der Lage sind sich in einen Menschen einzufühlen, aber bei XS-707-GP4 ist das schlichtweg unmöglich.“ „Glaub mir doch. Er hat es mir gesagt.“ „Er kann also doch sprechen?“ „Nein. Aber nicken.“ Sophie schickt mir einen spottenden Blick. Irgendwie komme ich mir albern vor und glaube mir selbst nicht mehr. Ich gebe vorerst auf und folge ihr zurück in mein Quartier. „Wir sind gerade dabei ein geeignetes Territorium für XS-707-GP4 zu erstellen“, erklärt sie mir. „Das dauert zwar noch eine Weile, aber bald kann er dort untergebracht werden. Bis dahin hab also bitte noch etwas Geduld.“ Ich nicke mit dem Kopf und versuche mir ein geeignetes Territorium für Liam auszumalen. Eine alte Ruine? Oder ein verlassener Wald? Wo würde er sich wohler fühlen? Wir sind angekommen und stehen vor der Tür meines Zimmers. Sophie öffnet sie für mich und uns erwartet das blanke Chaos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)