Merlin von LenaVanTionas (Das Schicksal von Camelot) ================================================================================ Kapitel 26: Zerreißende Trauer ------------------------------       Zwei Musikvorschläge für das Kapi Merlin - Soundtrack  "Finale" https://www.youtube.com/watch?v=PYROiG9cYmw Evanescence - My Immortal (Rock Version) https://www.youtube.com/watch?v=PlEAlUheg84             Kapitel 26 – Zerreißende Trauer       Der See von Avalon war für gewöhnlich ein ruhiger und mysteriöser Ort. Eine Atmosphäre war zu spüren, welche kaum in Worte zu fassen waren. Für magisch Begabte war es ein Ort, welcher Ehrfurcht in ihnen weckte und für Menschen war es ein Platz, an welchem Wesen hausten, die viel mächtiger waren als sie.       Doch an diesem Tag war alles anders.   Arthur Pendragon, der einstige und zukünftige König, stand bis zu der Hüfte im Wasser des Sees und schrie seine Verzweiflung gen Himmel. Sein Leid und seine Trauer darüber, seinen besten Freund verloren zu haben, zerriss sein Herz. Die Wut, dass es seine eigene Schuld war, zerfraß seine Seele.   Irgendwann begann seine Kehle zu brennen. Zu brennen, von den vielen Schreien, welche Arthur ausgestoßen hatte, um seinen Gefühlen irgendwie Luft zu machen. Seine Stimme wurde heiser und rau, der König hustete und würgte, bis seine Stimme erstarb. Sein Körper erschlaffte und er legte den Kopf in den Nacken. Seine Augen sahen durch Tränen verschleiert zum Himmel. „Bitte… Komm zurück, Merlin… Bitte…“, krächzte er leise. Seine Stimme ein Flehen. Aber Merlin kam nicht zurück. Er würde nie wieder zurückkehren, dessen war sich Arthur schmerzlich bewusst. Und es zerstörte ihn.   Es vergingen noch einige Minuten, bis Arthur sich regte. Mit langsamen, watenden Schritten ging der König erst rückwärts, bis er sich irgendwann umdrehte und zum Ufer zurückging. Sein Kopf blieb gesenkt. Er konnte seinen Freunden nicht in die Augen sehen. Dazu hatte er nicht die Kraft. Kaum, dass Arthur das Wasser nur noch um seine Knöchel schwappen spürte, ließ sich Arthur auf die Knie fallen. Alle Kraft schien den sonst so starken König verlassen zu haben. Seine Hände ballten sich in seinem Schoß zu Fäusten.   Arthur atmete tief ein und aus. Ein und aus. Ein und aus. Er wollte schreien, weiter schreien, alles vergessen, alles verdrängen. Das konnte alles nicht wahr sein, es musste ein Traum sein. Ein schrecklicher Alptraum. Doch er musste sich den Tatsachen stellen. Und dazu gehörte auch, dass Arthur nicht alleine war. Arthur hätte sein Verhalten peinlich sein müssen, war es für einen Mann und dazu einen König mehr als unangebracht… doch das war es nicht. Nicht vor seinen Freunden. Nicht vor dem Drachen. Und nicht bei etwas, was ihn innerlich so sehr zerriss.   Tief und zittrig atmete Arthur durch. Er wollte aufstehen, doch seine Beine versagten. Plötzlich spürte er, wie Hände nach ihm griffen und ihn wieder auf seine wackeligen Beine zogen. Sein Blick richtete sich nach links. Leon sah ihn an, mit Trauermiene und Tränen in den Augen. Er war seit langer Zeit Ritter, hatte bereits Jahre unter Uther gedient. Leon hatte schon viele Menschen sterben sehen. Auch Unschuldige. Es war verständlich, dass er die Fassung bewahren konnte, doch auch an dem Ältesten von ihnen ging die ganze Situation nicht spurlos vorbei. Er trauerte um Merlin. Arthurs Blick wanderte wie in Trance nach rechts. Gwaine blickte ihm entgegen. Er sah beinahe so furchtbar aus, wie Arthur sich fühlte. Seine Wangen waren aufgequollen, noch immer verließen Tränen die Augen des Ritters. An dem Griff an seinem Arm spürte Arthur die Anspannung und das Zittern von Gwaine.   Noch immer atmete Arthur schwer, überlegte für einen Moment, sich einfach in die Griffe seiner Männer zu hängen und sich der Dunkelheit und dem Schmerz hinzugeben, welche ihn zu verschlingen drohten. Doch es ging nicht. Er konnte nicht. Arthur hob stattdessen die Hände und bedeutete seinen Männern damit, dass sie ihn loslassen konnten. Noch unsicher, ob ihr König wirklich alleine stehen bleiben konnte, ließen Leon und Gwaine ihren Herrscher zwar los, doch blieben dicht bei ihm, als sich Arthur mit wackeligen Beinen wieder auf trockenen Boden begab.   Vor dem Drachen machte er halt, seine beiden Freunde noch immer im Rücken, auch wenn er ihre Anspannung beinahe greifen konnte. Es war keinem von ihnen geheuer, sich diesem Wesen so zu nähern, noch zu groß war die Unsicherheit und gewissermaßen auch die Angst vor diesem gewaltigen Wesen. Doch in dieser Situation…   Arthur blickte hinauf zu Kilgharrah und seine Augen verflochten sich mit denen des Drachen. In diesen goldenen Seen konnte er so viel lesen. Trauer, Verständnis und… Mitleid? Mit wem hatte der Drache Mitleid? Mit ihm, Arthur? Er wusste es nicht.   „Es tut mit Leid, Arthur Pendragon“, begann Kilgharrah und wiederholte seine Worte von zuvor noch einmal. Er erwiderte Arthurs Blick. Arthur war überrascht. Der Drache meinte es ernst. Es tat ihm wirklich Leid. „Ihr habt es nicht verdient, diesen Schmerz zu spüren. Kein Wesen, ob Mensch, Zauberer oder Hexe, sollte jemals solchen Schmerz spüren müssen.“ Kilgharrah schloss für einen Moment die Augen. Auch er hatte eine besondere Verbindung zu Merlin. Durch dessen Macht als Drachenmeister hatte auch Kilgharrah den Schmerz und den Tod von Merlin gespürt. Und nun diese unsagbare Trauer. Doch der Drache wusste auch, dass die Verbindung zwischen Merlin und Arthur weit tiefer war, als die von ihm und Merlin. Sie war mächtiger und tiefer, als er sich wahrscheinlich vorstellen konnte. Er wollte sich den Schmerz, den der König von Camelot spüren musste, nicht ausmalen. Reichte ihm seine eigene Trauer und sein Schmerz völlig aus. Der König konnte seinen Freunden offen diese Trauer zeigen. Er könnte seine Gemahlin in den Arm nehmen und zusammen könnten sie weinen. Arthur war nicht alleine. Und deswegen… war Kilgharrah erleichtert.   „Aber… in gewisser Weise… bin ich froh, dass es so gekommen ist.“ Die Ritter schnappten nach Luft. Arthur war noch zu benommen und von Schmerzen taub, als das er die Worte des Drachen sofort verstanden hätte. Als sie endlich sein Gehirn erreichten, weiteten sich seine Augen und er blickte seinen Gegenüber fassungslos an. Kilgharrah schüttelte seinen gewaltigen Kopf. Er wusste, wie sich seine Worte für die Menschen angehört haben musste und wollte sich erklären. „Auf diese Art… muss Merlin nicht diesen Schmerz erleiden. Er muss nicht damit leben, Euch verloren zu haben. Zudem… er wäre mit dieser Trauer und diesem Schmerz alleine gewesen. Sein Geheimnis hatte ihn bereits mehr als belastet. Wie hätte er es seinen Freunden klar machen sollen, nachdem es ihm nicht gelungen wäre, Euch zu retten? Wie hätte er auf seine Freunde vertrauen sollen, wenn diese sich vielleicht so verraten von ihm gefühlt hätten? Seine Angst wäre groß. Zu oft hat er bereits einen geliebten Menschen verloren. Die Trauer und den Schmerz trug er noch immer in sich. Dann noch Euer Verlust… Das hätte er nicht ertragen. Es hätte Merlin zerstört.“ Der Drache seufzte, bevor sich seine goldenen Augen wieder auf Arthur richtete. „Doch so… ich bin froh, dass Merlin all das erspart geblieben ist. Er hat seine Ruhe und seinen Frieden verdient. Mehr als sonst jemand.“   Arthur hätte entrüstet sein müssen. Wütend. Er hätte schreien müssen „Und warum muss ich diesen Schmerz ertragen?!“ Hätte… Irgendwo in ihm jedoch überwog die Freude, welche sich bei diesem Gedanken tief in ihm regte. Merlin musste nicht leiden. Nicht mehr. Arthur konnte sich nicht ausmalen, wie sehr sein Freund unter seinem Geheimnis und manchen Taten gelitten haben musste. Wie viel Schmerz er alleine ertragen musste. Das war gut… oder? Es musste gut sein, dass Merlin frei war, oder nicht? Arthur wusste es nicht. Er wusste gar nichts mehr. Wie eine leere Hülle sah er aus, welche das Wichtigste in ihrem Leben verloren hatte.   Tief holte der Blonde Luft, versuchte seinen brennenden Hals zu beruhigen, indem er schluckte. Es half nicht.   „Wieso…?“, krächzte Arthur leise, seine Fäuste ballten sich. Es war die eine Frage. Die Frage, auf die er unbedingt eine Antwort haben wollte. Eine Antwort von Merlin haben wollte. Eine Erklärung. Doch das ging nicht. Merlin war…   Arthur keuchte, kniff seine Augen zusammen. Seine Stimme versagte und er schaffte es nicht, die Frage, welche ihm so auf der Seele brannte, zu stellen. Doch das brauchte er auch nicht. Seine unausgesprochene Frage wurde auch so verstanden.   Kilgharrah senkte seinen Kopf, die Ritter zuckten zurück, doch Arthur tat nichts anderes als die Augen zu öffnen und in die goldenen Augen des Drachen zu blicken, welche ihn ansahen. Einfach nur ansahen. „Schicksal“, war das Einzige, was Kilgharrah mit tiefer Stimme sagte, worauf Arthur ihn verwirrt musterte. Schicksal? Was für ein Schicksal? „Was soll das heißen?“, verlangte Arthur zu wissen. Wut wuchs in ihm heran und kämpfte sich durch den Schmerz. Eine Antwort. Eine verständliche Antwort. Was war daran zu viel verlangt?!   „Eine Prophezeiung besagte, dass ihr in dieser Schlacht in Camlann Euer Leben verlieren würdet. Durch Mordreds Hand.“ Stille. Arthur war vollkommen erstarrt. Der Mann, dem er einmal sein Leben anvertraut hätte, der treu an seiner Seite gekämpft hatte… Mordred sollte derjenige sein, welcher ihn getötet hätte?! Arthur war im Begriff „Nein“ zu sagen, doch als er an die Schlacht dachte und auf wessen Seite Mordred stand… da wusste der Blonde, was Kilgharrah meinte. Und im Grunde war es Arthurs eigene Schuld. Der König senkte den Blick.   Kilgharrah nickte, als er merkte, dass Arthur verstanden hatte. Doch er hatte noch mehr zu sagen. „Merlin wusste um diese Prophezeiung. Er wusste, dass diese Schlacht Euer Ende bedeuten würde. Und deswegen setzte er seine ungeheure Macht ein. Um Euch zu retten. Und um das Schicksal abzuwehren.“ Kilgharrah schloss die Augen, seine Miene drückte Trauer und gleichzeitig Bewunderung aus. „Niemand sonst hätte die Macht gehabt, den Zauber zu wirken, der Euch gerettet hat. Nicht mehr, seit die letzte Hohepriesterin mit dieser Aufgabe verstarb. Euer Schicksal, Arthur, konnte der junge Zauberer abwenden. Doch an diesem Tag war es vorherbestimmt, dass jemand von der Seite des Lichts starb. Diese Tatsache war unumstößlich und konnte nicht verhindert werden. Noch nicht einmal von dem jungen Zauberer. Doch er hätte niemals zugelassen, dass einer seiner Freunde oder gar Ihr euer Leben verliert. Und so traf es Merlin schließlich selbst.“   Die Schuldgefühle fraßen Arthur von innen heraus geradezu auf. Merlin hatte von Anfang an sein Leben auf die Waagschale geworfen, um ihn zu retten. Nicht nur in dieser Schlacht, sondern all die Jahre, seit sie sich kannten. Und er hatte ihm nie gesagt, was in dieser Schlacht alles passieren konnte. Arthurs Fäuste ballten sich. Warum hatte Merlin ihm nichts gesagt? Hatte er so wenig Vertrauen in ihn? Bei diesem Gedanken wurde Arthur schlecht. Er selbst vertraute Merlin mehr als jedem anderen. Warum also? Hätte Merlin mit ihm geredet, dann hätte das alles vielleicht ein anderes Ende genommen. Wenn Merlin nicht alles immer alleine hätte machen wollen, dann wäre er vielleicht noch am Leben! Doch so ein Mensch war Merlin. Er hatte selten erzählt, wenn ihn etwas bedrückte. Lieber hatte er versucht, alle Probleme dieser Welt alleine zu stemmen und niemanden mit hineinzuziehen oder in Gefahr zu bringen. Erst jetzt, wo es bereits zu spät war, wurde Arthur klar, dass dieses Verhalten von Merlin wohl jedes Mal etwas mit seinem Geheimnis zu tun gehabt haben musste. Aber Arthur war selbst Schuld. Hätte er seinem besten Freund jemals die Chance gegeben, sich zu öffnen, ihm sein Geheimnis anzuvertrauen, dann wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Dann hätten sie alle zusammen eine Möglichkeit finden können.   „Wenn er seine volle Macht hätte ausschöpfen können… dann wäre Merlin vielleicht in der Lage gewesen, sich selbst zu heilen. Und auch diese unumstößliche Tatsache zu zerschmettern. Doch dafür fehlte ihm der Zugang zu seiner Macht, die Erfahrung und die Übung. Ein Jammer, dass er sie nie bis zu ihren Grenzen erkunden konnte. Er wäre der größte Zauberer aller Zeiten geworden.“   Diese Worte bestätigten Arthur in seiner Vermutung, doch sie ließen ihn auch aufsehen und gleichzeitig erschaudern. Merlin und mächtig? Dieser Gedanke war noch genauso absurd wie in Camlann. Doch nun wusste Arthur, dass Merlin ein Zauberer war. Er war wirklich mächtig. Doch wie mächtig konnte der Schwarzhaarige sein? Diese Antwort würde nun keiner von ihnen je erhalten. Doch wenn selbst der Große Drache so hohe Worte für Merlin fand… wie groß war seine Magie dann wirklich? Arthur konnte sich die Ausmaße nicht vorstellen.   „Wie… mächtig…?“ Arthur traute sich nicht, die Frage zu beenden. Würde das Bild seines treuen, tollpatschigen Freundes, welches bereits unzählige Risse erlitten hatte, vielleicht gänzlich zerstört werden. Trotz seiner Trauer schlich sich ein Hauch von Stolz und Ehrfurcht in die Miene des Drachen. „Sogar ich könnte es nicht mit Merlin aufnehmen, wenn er all seine Magie einsetzen könnte. Selbst, wenn er kein Drachenmeister gewesen wäre. Mit der Zeit wäre er mächtiger geworden, als es sich ein Mensch jemals vorstellen könnte. Und diese Macht brauchte Merlin auch. Denn es war sein Schicksal, Euch zu beschützen.“   Arthurs Augen weiteten sich. Er ging einen Schritt zurück. „Was?“ Diese Worte trafen Arthur härter, als es ein Schwertstoß je geschafft hätte. Kilgharrah nickte. Seine Augen waren für Arthur unergründlich. „Es war seine Bestimmung und auch seine sich selbst auferlegte Aufgabe, Euch zu geleiten und Euch vor jeglicher Gefahr zu bewahren. Denn ihr wart verbunden. Ihr und Merlin wart zwei Seiten der selben Medaille.“ Kilgharrahs Miene war voller Wermut. „Bitte versteht, dass ich Euch nicht alles sagen kann. Ihr habt viele Fragen, doch nicht einmal ich kann sie Euch zur Gänze beantworten. Haltet Euch an Gaius. Er wird Euch gewiss mehr sagen können.“ Der Drache seufzte. Es war ein merkwürdiges Geräusch, welches nicht so solch einem imposanten und mächtigen Wesen wie Kilgharrah zu passen schien. „Es gab keinen Tag, an dem Merlin nicht um Euer Leben gefürchtet hat. Mehr als er verkraften konnte, musste er sich Menschen und Wesen in den Weg stellen, die Euch schaden wollten und diese bekämpfen. Dafür brauchte er seine Zauberkraft. Für Euch, Arthur.“   Diese Erkenntnis ließ erneut Tränen über Arthurs Wangen laufen. Seine Körper bebte. Nie hätte der König geglaubt, dass so viel hinter seinem Diener und besten Freund stecken könnte. Niemals hätte er ihm solch eine Macht, solch eine Bestimmung zugetraut. Arthur fragte sich, ob er überhaupt etwas von Merlin wusste. Aber selbst wenn er Fragen gehabt hätte, weitere hundert Fragen, die sich zu den bereits Bestehenden gesellt hatten… Arthur würde keine Antworten mehr bekommen. Merlin… war fort.   Tief in den Augen des Königs konnte Kilgharrah die Erkenntnis aufblitzen sehen. Das Verständnis, wer Merlin war. Und das dieser Weg, den der junge Zauberer geebnet hatte, der Einzige war, den es sich zu gehen lohnte, auch, wenn Arthur es noch nicht bewusst war. Zufrieden nickte Kilgharrah.   „In gewissem Sinne hatten die Propheten sogar Recht. Euer Leben endete in der Schlucht von Camlann. Euer altes Leben. Durch all die Dinge, die ihr dort gesehen und nun erfahren habt, werdet Ihr ein neues Leben beginnen können. Ein Besseres. Ein Leben in Frieden, welches sich Merlin für Euch wünschte.“   Stille herrschte nach den Worten des Drachen. Die Ritter, welch bis dahin nichts gesagt hatten, ließen sich das Gehörte noch einmal durch den Kopf gehen. All die Geschehnisse schienen wie ein Traum. Genauso wie die Erkenntnis, wer Merlin wirklich gewesen sein sollte.   Kilgharrah, welcher spürte, dass seine Kraft nachließ, entschied, dass er genug gesagt hatte. Wenn der König noch Fragen hätte, und da war sich der Drache sicher, dann müsse er sie Gaius stellen. Der alte Mann konnte ihm manche Antworten geben. Doch manche Fragen, dass wusste der Drache selbst, würden unbeantwortet bleiben. Denn weder Gaius noch er hatten das Recht, bestimmte Antworten zu geben. Das sollte nur einer. Kilgharrah richtet sich auf und breitet langsam seine Flügel aus. Arthur dreht sich um und sah mit geröteten Augen zu dem Drachen hinauf. Er hatte noch etliche Fragen, doch die waren nach all diesen Informationen in den Hintergrund gerückt. Es war alles zu viel. Viel zu viel.   „Wohin werdet Ihr nun gehen?“, wollte der König wissen. Kilgharrahs Miene verdunkelte sich. „Auch meine Zeit neigt sich dem Ende zu“, sagte er und seufzte. „Der Kampf mit dem Roch hat mir meine letzten Kräfte abverlangt. Und nun, da mein Meister und Bruder tot ist, kann auch ich nichts anderes tun, als auf meinen Tod zu warten.“ Arthurs Augen weiteten sich leicht. „Ich wusste nicht - “, begann er stockend, wusste nicht, was er sagen sollte. Der Drache, welchen er einst hasste und bekämpfte, hatte seine letzte Lebensenergie aufgebraucht, um ihnen zu helfen. Um für sie zu kämpfen. Der Drache Kilgharrah hatte im Grunde das Gleiche Opfer gebracht wie auch Merlin. Kilgharrah schüttelte den Kopf, worauf Arthur verstummte. „Es gibt vieles, das Ihr nicht wisst. Und nicht ich bin derjenige, welche auf Eure Fragen die Antwort geben sollte. Doch noch eines will ich Euch sagen. Eines müsst Ihr wissen.“ Die goldenen Augen des Drachen blickten genau in Arthurs und der König konnte mit einem Mal so viel in ihnen sehen. Verständnis, Mitleid, Trauer, Hoffnung… es war so viel, dass Arthur es gar nicht alles benennen konnte. „Merlin war Euch stets loyal ergeben. Er hat alles in seiner Macht stehende getan, um Euch und Euer Reich zu beschützen. Das dürft Ihr nie vergessen.“ Arthur blieb stumm. Sein Körper erbebte. Leicht senkte der Drache seinen Kopf. Es sah aus, als würde er sich verneigen. Sein Blick richtete sich gen Boden, bevor er sich abermals an den König wandte. „Ich weiß, ich habe viel getan, weswegen Ihr und Euer Volk mich hasst. Und doch will ich Euch um einen Gefallen bitten. Versetzt Euch in Merlin hinein. Was er bewirkt hat. Was er erreicht hat. Was er für Euch getan hat. Was er für euch aufgegeben hat. Sein größtes Bestreben war es, Euch zu schützen und an Eurer Seite den Magiern und magischen Wesen dieser Welt einen Ort zu schaffen, an welchem sie willkommen sind und niemand sie mehr fürchtet. Dafür zu sorgen, dass dieser Frieden auch Eurem Leben und Eurem Reich Sicherheit bringen würde. Das in Camelot die Magie wieder Einzug hält und sich niemand mehr verstecken muss. Und das Ihr, als der einstige und zukünftige König mit seiner Hilfe und unterstützt durch Eure Freunde, dieses Reich errichten werdet. Das war sein Traum.“ Nach diesen Worten richtete sich Kilgharrah zu seiner vollen Größe auf. Er ließ niemanden zu Wort kommen oder etwas sagen. Sein letzter Blick galt Arthur, welchen dieser erwiderte. Blau traf auf Gold.   „Es wird der Tag kommen, an dem ein weißer Drache in Eurem Königreich erscheinen wird. Aithusa. Merlin hat alles getan, um sie von dem Band zu lösen, welches sie an die Hexe Morgana kettete.“ Kilgharrahs Miene verdunkelte sich wieder, als er die Hexe erwähnte, welche so viel Leid über sie alle gebracht hatte. Arthur verstand ihn. Seine Fäuste ballten sich. Ansonsten blieb er ruhig, um keines der Worte, welches Kilgharrah ihm sagte, zu versäumen. „Merlin hat Aithusa zur Wiedergeburt verholfen. Eines Tages wird sie wiederkehren. Und sie wird Euch zu Diensten sein. Aithusa wird das letzte Überbleibsel sein, welches Merlin in dieser Welt ließ. Für Euch. Für Camelot. Und für Albion.“ Kilgharrah schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Sein Atem wehte über Arthur und die Ritter, als er wieder ausatmete. Es war wie ein warmer Lufthauch, der jeden von ihnen ein wenig beruhigte und tröstete. „Möget Ihr der König werden, den Merlin immer in Euch sah. Ich wünschte mir, dass wir uns noch einmal begegnen könnten. Doch das wird nicht in dieser Welt sein.“ Ein letzter Blick wurde getauscht, der König und der Drache. Kilgharrah senkte sein Haupt und verneigte sich nun vollkommen vor dem König von Camelot. Es war eine Geste, die der sonst so majestätische Drache niemandem zukommen ließ. Außer Merlin. Der Zauberer hatte es geschafft, sich seine Loyalität und seinen Respekt zu verschaffen. Merlin war jemand, vor dem sich Kilgharrah jederzeit verneigt hätte. Kurz zögerte der Blonde, bevor er sich ebenfalls leicht verneigte, seinen Respekt und seine Dankbarkeit zollte. Es waren keine weiteren Worte zwischen ihnen nötig. Sie verstanden auch so. „Lebt wohl, Arthur Pendragon“, waren seine letzten Worte, bevor Kilgharrah abermals seine Flügel ausbreitete, sich mit mächtigen Flügelschlägen dem Boden enthob und in den Himmel entstieg, beobachtet von dem König und seinen treuen Rittern. Nur Augenblicke später war er verschwunden und ließ Arthur und seine Freunde alleine mit ihrer Trauer und in Gedanken zurück.         Es verging beinahe ein halber Tag, den Arthur und seine Ritter am See von Avalon verbrachten. Keiner von ihnen hatte den Drang, die Motivation oder überhaupt die Kraft, bereits den Heimweg nach Camelot anzutreten. Jeder von ihnen war mit sich selbst, seinen Aufgaben, doch vor allem seinen eigenen Gedanken beschäftigt.   Percival nahm sich der Pferde an. Er band sie an einen Baum und versorgte sie, doch richtig bei der Sache war er nicht. Immer wieder dachte er an Merlin. Den schlaksigen, kleinen, hilflosen Merlin. All diese Worte schienen jedoch nicht mehr für Merlin zu gelten. Jedenfalls nicht, nachdem sie gesehen hatten, wozu er fähig war. Welche Macht er besaß. Percival hatte seinem guten Freund Lancelot damals das Versprechen gegeben, auf Merlin aufzupassen. Und doch war es scheinbar Merlin, welcher sie alle immer und immer wieder beschützte und die Feinde, welche sie und Camelot bedrohten, aufhielt. Doch dieser letzten Bedrohung, der Hexe Morgana und ihrer Bestie, die der Schwarzhaarige vernichtet hatte, fiel Merlin dennoch selbst zum Opfer. Und keiner von ihnen konnte ihm helfen. Da brachte dem Ritter auch seine Stärke nichts, auf die er sonst so stolz war. Percival ballte seine Fäuste, seine Muskeln traten hervor. Es fühlte sich an, als hätte er sein Versprechen gebrochen. Er hatte versagt.   Elyan hatte ein bisschen Holz gesammelt und ein Feuer gemacht. In Gedanken war er aber bei Merlin. Und bei seiner Schwester. Wie würde Gwen es verkraften, wenn sie erfuhr, dass Merlin… fort war? Die beiden waren beste Freunde, sie erzählten sich wahrscheinlich Dinge, die Gwen noch nicht mal ihm, ihrem Bruder, mitteilte. Doch darüber konnte und würde sich Elyan nicht aufregen. Der Schwarzhaarige hatte es verdient und immer wieder aufs Neue bewiesen, dass man ihm vertrauen konnte. Im Nachhinein betrachtet, brachte es Merlin besser als jeder andere in Camelot fertig, ein Geheimnis für sich zu behalten. Hatte er all die Jahre ein solch großes Geheimnis für sich alleine tragen müssen. Elyan war eher froh darüber, dass seine Schwester jemanden gefunden hatte, dem sie blind vertrauen konnte und der ihr zur Seite stand. Umso schmerzhafter würde es aber auch für sie werden, so wie Elyan befürchtete. Und es machte ihm Angst.   Leon stand etwas Abseits der Gruppe und beobachtete die Umgebung. Wenn sie auf dem Herweg nicht angegriffen wurden, war das keine Garantie dafür, dass sie sicher waren. Seine Augen waren wachsam, doch sein Geist war in Trauer versunken. Wieder war ein Menschenleben erloschen. Wieder forderte die Zauberei ein Leben. Merlin. Ein Mann, bei dem Leon dachte, er kenne ihn bereits beinahe so gut, wie er Arthur kannte. Doch das war falsch. Der Ritter kannte eine Seite von Merlin, doch die andere war ihm völlig fremd. Ihnen allen. Nie hätte Leon gedacht, dass sich so viel hinter dem jungen, tollpatschigen Mann, welcher durch Zufall der Diener des damaligen Prinzen wurde, versteckte. Nein. Halt. Es war kein Zufall. Wenn der Ritter den Drachen zuvor richtig verstanden hatte, dann war es Schicksal. Es war vorherbestimmt, dass Arthur und Merlin sich begegnen würden. Und über diese Tatsache war Leon mehr als erfreut. Sah er damals nur einen einfachen Bauernsohn, so entwickelte sich Merlin über die Jahre zu einem festen Bestandteil von Camelot. Und ihnen allen. Merlin war ein tapferer Mann, welcher stets für die Sicherheit des Königs und des ganzen Königreiches kämpfte und sein Ziel niemals aus den Augen verlor. Und für diese Tatsache empfand Leon den allerhöchsten Respekt. Für Merlin selbst. Es tat ihnen allen weh, dass sie Merlin verloren hatten, dass wusste Leon. Ihren Freund. Ihren kleinen Bruder. Und Leon bedauerte diese Tatsache mehr, als er in Worte fassen konnte.   Gwaine stapfte durch den Wald. Ihm war egal, ob er gehört wurde oder nicht, ob er eine Zielscheibe bot, es war ihm einfach egal. Es herrschten so viele Gefühle in ihm, die er nicht beschreiben konnte. Trauer, Ärger, Verzweiflung. Doch am Stärksten war die Wut, welche in ihm brodelte und einen Ausbruch forderte. Mitten im Wald blieb der Ritter stehen und legte den Kopf in den Nacken, als er es schließlich nicht mehr aushielt. „WARUM HAST DU NIE ETWAS GESAGT?!? DU WARST UNSER FREUND!!!“ Gwaines Schreie hallten durch den Wald und würden jedem, der sich in der Umgebung aufhielt verraten haben, wo er war, doch es war ihm gleich. Heftig atmend sah sich Gwaine um. Außer seinem Geschrei war der Wald friedlich und schien sich durch seine Anwesenheit nicht stören zu lassen. Er verstand die Natur nicht. Anders als Merlin. Der Schwarzhaarige liebte die Wälder, war gerne darin unterwegs und Gwaine sah manchmal diesen Blick in Merlins Augen, diesen sanften und faszinierten Blick, wenn dieser sich umgeben von Baum und Gras befand. Der Ritter verstand es nicht und er würde es auch nie herausfinden. War er sonst nicht in der Lage, sich genug für diese Tatsache zu interessieren, war es jetzt schlicht und einfach zu spät, um nachzufragen. Er war kein Freund. Gwaine hatte seine Chance verspielt und musste diese Schuld, welche er verspürte, nun sein Leben lang ertragen. Für Merlin, welcher so viel mehr ertragen musste und immer alleine seine Kämpfe ausfochten musste, nahm Gwaine dieses Leid allerdings gerne in Kauf. War es nur ein geringer Schmerz verglichen mit seiner Trauer und all den Gefahren und das Leid, welches Merlin auf sich genommen hatte.     Arthur selbst saß am Feuer und stierte in die Flammen. Das Treiben seiner Ritter bekam er nur am Rande seines Bewusstseins mit. Er hatte kaum mitbekommen, wie weit der Tag bereits vorangeschritten war. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Miene unergründlich. Er fühlte sich leer. Ausgelaugt. Müde. All die Ereignisse, die Informationen, die Arthur erhalten hatte und die Dinge, die ihm offenbart wurden. Es war einfach zu viel für seinen bereits überstrapazierten Geist und sein Herz und seine Seele konnten das alles nicht mehr verarbeiten. Normalerweise hätte sich sein Bewusstsein ausgeklinkt, um sich vor diesem Ansturm von Gefühlen und allem vorerst zu schützen. Doch das konnte der König verhindern, auch wenn es ihm schwer fiel. Schon vor Jahren musste er lernen, all das, was ihn ablenkte und verletzen würde, auszublenden und einfach weiter zu machen. Er als König musste so etwas können. Bereits als Prinz wurde es ihm eingetrichtert. Arthur jedoch wollte nicht verdrängen. Er wollte eine Ordnung in seinen Gedanken haben. Und dafür brauchte er Ruhe.   Das rationale und logische Denken fiel ihm schwer, nur mit Mühe konnte Arthur seine Gefühle im Zaum halten und verhindern, dass er sich einfach auf den Waldboden legen und sich seiner Trauer hingeben würde. Es gab nur einen Ort, wo ihm das möglich war. Arthur musste zurück. Und auch, wenn ein Teil von ihm wusste, was dort auf ihn wartete, nämlich erfreute, wartende und gespannte Gesichter, welche er enttäuschen musste, so wollte doch sein Selbst endlich zurück. Er wollte nach Camelot. Arthur wollte nach Hause.     „Freunde.“ Es war das erste Wort, den Arthur seit dem Abschied des Großen Drachen gesprochen hatte. Vorher hatte er von niemandem Notiz genommen oder sich darum geschert, was um ihn herum passiert war. Und es war das erste Mal, dass er seine Freunde direkt als solche ansprach. Aber genau so kam es Arthur mit einem Mal richtig vor. Er hatte gesehen, wie schnell es vorbei sein kann. Wie schnell ein Mensch fort sein kann, ohne, dass man diesem Menschen je gesagt hatte, wie wichtig er war. Solch eine Gelegenheit wollte Arthur nie wieder verstreichen lassen. Kurz holte Arthur tief Luft und schloss seine Augen. Er durfte nicht darüber nachdenken, ansonsten würde er nicht handeln können. Und der Blonde musste handeln. Jetzt.   „Wir reiten zurück.“ Niemand widersprach ihm.         Als sich Arthur und seine Freunde auf den Weg machten, war es bereits Nachmittag. Sie alle wussten, dass sie erst am Abend in Camelot eintreffen würden, doch das würden sie hinnehmen. Sie alle wollten von den heimatlichen Gemäuern geschützt sein, wenn sie sich ihren Gefühlen hingaben. Und noch ungestörter würden sie sein, wenn die Nacht hereingebrochen war. Auf dem Weg sprach niemand ein Wort. Es war ein langsames Traben, welches ihre Pferde vorantrieb. Auch die Tiere schienen die tiefe Traurigkeit ihrer Reiter zu spüren und schienen nicht gewillt, schneller als nötig zu sein.     Als am Abend die Mauern von Camelot endlich in Sichtweite kamen, war Arthur zwiegespalten. Er wollte nichts lieber, als endlich wieder sein Schloss betreten zu können, sich in seine Gemächer zurückziehen und weinen. Sich all den Schmerz und die Verzweiflung, welche er tief in sich vergraben hatte, hinausschreien, wenn es sein musste. Und weinen. Doch gleichzeitig wollte er fliehen. Weit, weit weg. Fort von Camelot, fort von der grausamen Wahrheit, welche er überbringen musste.   Diener kamen angerannt und nahmen ihnen die Pferde ab, kaum, dass Arthur und die Ritter im Schlosshof angekommen waren. Kurz verweilten sie dort, wussten nicht, was sie tun sollten. Zu gelähmt waren sie noch alle. „Ich…“, begann Arthur mit rauer Stimme, worauf er sich räusperte „Ich werde zu Gaius gehen. Er… muss es erfahren.“ Obwohl sich alles in dem König dagegen sträubte, zu dem alten Hofarzt zu gehen und ihm zu sagen, dass sein Ziehsohn, der Mann, der jahrelang unter ihm gelernt hatte, fort war...   „Arthur“, durchbrach Elyan seine Gedanken und drückte seine Schulter. „Es ist besser, wenn wir das übernehmen.“ Leon nickte zustimmend, ebenso Percival, doch Gwaine schien mit seinen Gedanken bereits weit weg zu sein. Vielleicht in der Taverne, wo er seinen Kummer und seinen Schmerz im Alkohol ertränken konnte. Eine verlockende Vorstellung, wie Arthur fand.   Etwas in dem Blonden sträubte sich. Arthur sah es als seine Pflicht an, den Hofarzt von… Merlins… Tod… Arthur schloss die Augen und atmete tief durch. Er musste Gaius darüber in Kenntnis setzen. Das war seine Pflicht. Doch er verstand auch, warum Elyan darauf bestand, dass er nicht zu Gaius ging. Es gab schließlich noch eine Person, welche die Rückkehr von Merlin sehnsüchtig erwartete. Gwen. Arthur schluckte hart. `Nicht darüber nachdenken!´, ermahnte er sich selbst. Diese Vorstellung würde ihn jetzt unfähig machen, in seine Gemächer zu gehen und sich ihr zu stellen. Sobald er dort angekommen war… konnte er alles geschehen lassen. Und Elyan vertraute darauf, dass sich Arthur dann um seine Frau kümmern würde, wenn er auch selbst mehr als Zuwendung gebraucht hätte. Aber Gwen ließ sich wahrscheinlich von niemandem helfen… außer Arthur.   Und so nickte der König widerwillig und entließ seine Ritter, welche sich geschlossen auf den Weg zu Gaius machten. Keiner von ihnen wusste, wie sie es sagen sollten, doch keiner wollte dieser Aufgabe alleine entgegentreten.     Wie in Trance schritt Arthur die Gänge seines Schlosses entlang. An manchen Stellen blieb er stehen und strich über die Mauern. Er seufzte. Jede Möglichkeit, der ihm bevorstehenden Aufgabe zu entkommen wäre ihm jetzt Recht gewesen. Doch es ging nicht. Er musste Gwen von den Geschehnissen berichten. Sie länger in dem Glauben und der Hoffnung zu lassen, ihr bester Freund würde zurückkehren... Es war nicht fair. Für keinen von ihnen.   Arthur blieb vor seinen Gemächern stehen. Tief holte er Luft. Nur am Rande nahm er wahr, dass ihm auf seinem Weg niemand begegnet war. Oder hatte er nur niemanden wahrgenommen? Arthur wusste es nicht. Mit klopfendem Herzen und kalten Händen öffnete er die Tür. Es fühlte sich an, als wäre er Jahre nicht mehr dort gewesen. Die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn innerlich um Jahre altern lassen. Ein Feuer prasselte im Kamin. Es war wohlig warm in dem großen Raum, doch diese Wärme erreichte den König nicht. Jedenfalls nicht innerlich. Seine stummen Gebete, dass Gwen vielleicht gar nicht in den Gemächern war und er sich ihr erst später stellen musste, wurden nicht erfüllt. Sie saß am Tisch über einige Rollen Pergament gebeugt. Es war in letzter Zeit einiges liegen geblieben. Vielleicht war es besser so.   Ein freudiges Lächeln war auf ihrem Gesicht erschienen, als sie aufblickte und ihn sah, gemischt mit Erwartung und einem Hauch Unsicherheit. „Arthur!“, rief sie erfreut aus und erhob sich, um ihm entgegen zu gehen. Diese Freude, welche sie ausstrahlte, sei es wegen seiner Rückkehr oder die Aussicht, ihren besten Freund wiederzusehen... Arthur wurde beinahe übel. Sie zog ihn in eine enge Umarmung und unbewusst ließ sich der König ein Stück weit fallen. Fester als gewöhnlich drückte er seine Frau an sich, welche ihren Kopf unter sein Kinn legte. Arthur holte tief Luft und roch den unvergleichlichen Duft seiner Königin. Ihre Wärme und ihre Nähe beruhigten seinen überstrapazierten Geist und seine gebrochene Seele, doch sie würden ihm nicht die Last nehmen können. Einige Momente blieb das Königspaar in einer innigen Umarmung stehen, bevor sich Gwen leicht wegdrückte und Arthur ins Gesicht sah. Beinahe musste er aufgrund des freudigen Funkelns in ihren Augen den Kopf wegdrehen, doch bevor er soweit kam, sprach sie „Wo ist Merlin?“. Sie blickte sich um. Bei der Erwähnung seines besten Freundes zog sich Arthurs Herz schmerzvoll zusammen.Er wusste nicht, was er sagen sollte, um es ihr in irgendeiner Weise einfacher zu machen. Gedanklich schalte er sich einen Narr. Wie sollte er jemanden den Verlust eines geliebten Menschen leichter machen?! „Normalerweise würde er dir doch nicht von der Seite weichen. Ist er bei Gaius? Ich bin sicher, er wird mehr als froh sein, Merlin zu sehen - !“ „Gwen.“, unterbrach Arthur den Redefluss seiner Frau. Er konnte ihre Freude und die Erwartung in ihrer Stimme nicht ertragen. Es schmerzte zu sehr und zerriss ihm das Herz. Noch mehr schmerzte allerdings der Gedanke, was er ihr gleich mitteilen musste. Nun schien auch Gwen zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Ihr eben noch fröhliches Gesicht verwandelte sich in ein besorgtes. „Was ist passiert?“, wollte sie wissen, die Stimme nun ernst. „Geht es Merlin noch nicht besser?“ Kleine Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, worauf sich Arthur verkrampfte. Es schmerzte ihn ungemein, wenn seine geliebte Frau weinte. „Bei diesen Verletzungen…“ Sie schluckte. „Es wäre kein Wunder, wenn die Heilung noch Zeit brauchen würde.“ Wie ein Monster kam sich Arthur vor, die Hoffnung, dass Merlin wieder kommen würde, zunichte machen zu müssen. „Oder war er bereits fort?“ Es war eine schreckliche Vorstellung für Gwen, dass Merlin gegangen sein könnte. Sie hätte es verstanden, doch gleichzeitig auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass er wieder nach Camelot kommen würde. Arthur schüttelte den Kopf. Seine Stimme war belegt und in seinen Augen glitzerte es. Er ergriff ihre Handgelenke, um in irgendeiner Art Halt zu finden. Seine Kraft war verbraucht und er konnte keine weitere Kraft von Gwen erwarten. Würde sie ihre Kraft selbst brauchen. „Sie waren noch da.“ Merlin allerdings… war in gewissen Sinne wirklich fort. Und er würde nie wieder zurückkehren. Gwen runzelte verwirrt die Stirn. Sie wusste nicht, warum Arthur dann so seltsam benahm. Als würde ihn etwas mehr als schwer zusetzen. In ihrem Inneren kämpfte sich eine Ahnung an die Oberfläche, doch Gwen stieß sie zurück. Es wäre zu schrecklich.   Arthur öffnete den Mund, schloss ihn allerdings gleich wieder. Er konnte das nicht! Gwen die Wahrheit zu sagen glich einem Schwertstoß ins Herz! Er wäre zu Gaius gegangen, um ihm diese schreckliche Nachricht zu überbringen, auch wenn es ihn zerrissen hätte, aber Gwen?! Merlin und Gwen waren Freunde, beste Freunde. Sie waren bereits Freunde, bevor Arthur Gwen überhaupt richtig gesehen hatte. Und nun sollte er ihr mitteilen, dass ihr bester Freund… fort war?! „Wir waren zu spät…“ Die Stimme des Königs war nur ein Flüstern. Gwens Augen weiteten sich, als sie langsam verstand. Merlins Abwesenheit. Das keiner der Ritter freudig zu ihr gekommen war. Arthurs gebrochener Blick. Die Königin schüttelte langsam den Kopf. Ihr Körper begann zu zittern. „Ich konnte ihn nur noch dem See übergeben…“ „Nein…“, hauchte Gwen und schüttelte stärker den Kopf, während Tränen bereits ihre Wangen hinab liefen. Ihr Körper bebte. Sie wollte es nicht wahrhaben. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Arthur nahm all seine verbliebene Kraft zusammen und sprach die Worte aus, welche er nie ihm Leben hören oder sagen wollte. „Merlin… ist tot…“ Nach diesen Worten brach Gwen an seiner Seite zusammen, sie schluchzte haltlos an seine Brust, in welche sie ihr Gesicht vergraben hatte. Immer wieder flüsterte sie „Nein…“, doch sie konnte die Wahrheit nicht verdrängen oder gar ändern, so gerne sie es getan hätte.   In diesem Moment ließ auch Arthur ein weiteres Mal seinen Tränen freien Lauf und fand in den Armen seiner Frau Trost, welche sich ebenfalls weinend fest in seinen Rücken krallte. Der Schmerz, welchen sie beide verspürten, konnte nicht beschrieben oder gar gelindert werden. Der Verlust des besten Freundes würde sie beide für immer verfolgen. Sie weinten beide die ganze Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)