Merlin von LenaVanTionas (Das Schicksal von Camelot) ================================================================================ Kapitel 24: Sein Schicksal endet --------------------------------       Kapitel 24 - Sein Schicksal endet       Es war noch immer Nacht. Der Mond wurde von ein paar Wolken verdeckt, doch es war eine ruhige und stille Nacht. Sie hatte sich mit einem Mal komplett gewandelt, dass spürten die magischen Bewohner und Wesen der Welt. Die dunkle Präsenz des Rochs und somit der Totenwelt, welche sich über der Welt ausgebreitet hatte, war verschwunden. Die Dunkelheit und die Kälte der Nacht waren bei weitem nicht mehr so finster und so klirrend wie zuvor. Es war jemandem gelungen, die Kreatur endgültig zu vernichten und den Schleier wieder komplett zu schließen.   Doch vielleicht lag die Veränderung auch daran, dass sich die Sonne immer weiter am Horizont empor kämpfte, um die Welt mit ihren Strahlen zu erhellen und zu wärmen. Daran glaubte allerdings niemand. Die Sonne war aber auf jeden Fall eines: Ein sicheres Zeichen dafür, dass ihnen die Zeit davonlief.     Flügelschlag um Flügelschlag kämpfte sich Kilgharrah durch die Luft, doch seine Energie und seine Kraft waren so gut wie aufgebraucht, es schien, als käme er kaum von der Stelle. Schnaufend versuchte der Große Drache, seine Flügel schneller zu schlagen, doch es war sinnlos, denn die Schmerzen, welche das verursachte, zwangen ihn beinahe, langsamer zu fliegen. Doch er gab nicht auf. „Wir haben es bald geschafft!“ Als keine Antwort kam, hakte er nach. „Merlin?“ Abermals blieb die Antwort aus und so blickte der Drache nach unten. Und seine Goldenen Augen weiteten sich. Der Kopf des Zauberers war in den Nacken gelegt und es schien, als würde er schlafen. Doch durch seinen Flug konnte Kilgharrah nicht spüren, ob er wirklich der Ohnmacht erlag, oder ob er gerade - ! „Merlin?! Kannst du mich hören! Merlin!“ Keine Reaktion.   „Merlin!“   Doch dort, wo der junge Zauberer war, nahm er die Stimme seines Bruder nicht wahr.       Merlin sah nur den Nebel, der die Umgebung einhüllte, so stark, dass er nicht sah, wo er sich befand. Doch es schien ein Waldstück zu sein, allerdings ein anderes als das, wo er die Person, welche ihm gegenüberstand, zum ersten Mal traf. Merlin hatte sein Zeitgefühl vollkommen verloren, die Schmerzen, welche in diesem Nebel verschwunden waren, hatten ihm alle Sinne geraubt. Trotz allem schwirrten so viele Fragen in seinem Kopf umher. Wie es seinen Freunden ging, ob sie sicher zuhause angekommen waren, ob es in Zukunft noch solch starke Feinde geben würde… wie sie dann ohne ihn zurechtkommen sollten… Doch eine stach besonders hervor und nur diese eine Frage war für Merlin in diesem Moment entscheidend. „Werde ich… sterben?“ Auch wenn er Angst vor der Antwort hatte… auch wenn er die Antwort darauf gar nicht wirklich hören wollte… auch wenn alleine sein Auftauchen Antwort genug war… Merlin musste es wissen. Er musste es hören.   Leise seufzte Calest und ließ die Schultern hängen. Auch, wenn Merlin sein Gesicht kaum sehen konnte, war er sicher, dass er traurig war. Zum ersten Mal sah er ein Wesen der Alten Religion, welches ihm gegenüber ein solch menschliches Gefühl wie Trauer zeigte. „Leider… habe ich keine Möglichkeit, dein Leben zu retten, Emrys.“ Merlin kannte die Antwort bereits. Natürlich. Umso weniger war er nun davon überrascht oder entsetzt. Er fühlte sich leer. Nur leer.  „Das Schwert, welches durch deinen Zauber dich anstelle von Arthur Pendragon durchbohrte, war im Atem eines Drachen geschmiedet worden. Es gibt nichts, was tödlicher ist als solch alte Magie. Nur die Shi könnten dich nun noch retten. Doch ich fürchte, ihr werdet es nicht mehr schaffen.“ Geschlagen schloss Merlin die Augen. Natürlich kannte er den Preis und das Risiko, die der Zauber, den er eingesetzt hatte, mit sich brachte. Und eigentlich bereits sein gesamtes Schicksal. Und Merlin war mehr als bereit ihn zu zahlen. Doch irgendwie… Ein kleiner Teil von ihm schien gehofft zu haben, dass es doch noch Hoffnung für ihn geben könnte. Wozu war er denn unsterblich, wie alle behaupteten? Wozu besaß er solch große Magie? Warum konnte er seinen eigenen Tod dann nicht verhindern?! All diese Fragen und noch viele mehr hämmerten in seinem Kopf, wollte er in die Welt hinaus schreien, doch er kam zu keiner Antwort. Und in Wirklichkeit wollte er auch keine. Jetzt, wo er dem Tode so nahe war, schien auch alles andere an Wichtigkeit verloren zu haben. Denn er hatte bereits eingesehen, dass es zu spät für ihn war.   „Es gibt nur eines, was ich tun könnte.“ Nun doch überrascht blickte Merlin auf und sah zu dem Wächter, welcher mit einem zusammengekniffenem Mund zu ihn herübersah. Er schien sehr ernst zu sein. Was konnte jetzt noch kommen? „Du weißt es. Kilgharrah sagte es dir damals. Jede Verletzung kann dich töten, ohne, dass deine Magie etwas dagegen ausrichten kann.“ Merlin nickte, obwohl er nicht wusste, worauf Calest hinaus wollte. Die Zeit war kein Gegner für ihn oder eher für sein eigenes Leben, nur seine Wunde und die dunkle, uralte Magie, sie waren sein Verhängnis. Calest atmete tief durch. „Deine Unsterblichkeit füllt viele Leben, Emrys. Mit deinem Tod wären diese Leben jedoch alle dahin und tot, bevor sie gelebt werden konnte. Deshalb frage ich dich: Bist du bereit, diese unendlich vielen Leben gegen ein Einziges einzutauschen? Deine Leben gegen das Ihre?“ Zuerst wusste Merlin nicht, wen der Wächter damit meinte. So wie Calest sprach, musste es sich um eine Frau handeln, doch um wen? Gwen war unverletzt, dass hatte er gesehen. Er hatte die Sachsen, Mordred und Morgana getötet. Sie konnten niemandem mehr ein Leid zufügen. Und solange Arthur an ihrer Seite war und sie die Ritter hatte, würde Gwen auch nichts zustoßen, da war sich der Zauberer sicher. Doch aus irgendeinem Grund glaubte der Schwarzhaarige nicht, dass es um seine beste Freundin ging. Und eine weitere Frau, welche verletzt sein könnte, fiel ihm nicht ein… vor allem keine, welche ihm so wichtig war, dass er sein Leben für sie geben würde… Dann kam ihm die Erkenntnis und Merlin riss die Augen auf.  Es gab für Merlin nur eine Frau. Die Frau, für welche er seine Unsterblichkeit aufgeben würde, damit sie leben konnte. Ohne Zögern. Sein Herz überschlug sich, seine Hände ballten sich, seine Atmung beschleunigte sich.   Calest nickte. Der junge Mann ihm gegenüber schien verstanden zu haben, wen er meinte. Natürlich hatte er von der Geschichte von Emrys und der Herrin vom See gehört. Wer hatte das nicht? Und es war ein Angebot, welches der Zauberer ganz gewiss nicht ablehnen würde. Schließlich war es eine einmalige Chance und die würde er seiner Geliebten sicher niemals verwehren. Ein Angebot, welches in Zukunft vielleicht noch nützlich sein könnte… „Wenn du stirbst, ist auch deine Unsterblichkeit dahin und niemanden würde sie mehr nutzen. Und auch für dich kann ich sie nicht verwenden. Nicht, wenn du so schwer verletzt bist und deine Magie nicht wirken kann. Selbst du, der du so mächtig bist, kann gegen die uralte Macht, welches in dem Schwert Morganas pulsierte, nichts ausrichten. Jedenfalls im Moment nicht. Vielleicht wärst du eines Tages so stark und mächtig, dass du selbst über Leben und Tod entscheiden könntest. Doch dieser Tag ist nicht heute. So kann ich dir nur diese eine Möglichkeit anbieten.“   Merlin inzwischen versuchte zu schlucken, doch sein Hals war staubtrocken. Ob es an seinem Zustand lag oder den Gefühlen, die in ihm tobten, konnte er nicht sagen. Eines wusste er jedenfalls: Solange es um seine geliebte Freya ging, war Merlin alles recht. Auch wenn er sie dadurch noch nicht wieder sehen würde, er wollte ihr nicht die Chance verwehren, ein Leben zu führen. Schon gar nicht, da ihr das ihre so früh wieder genommen wurde. Merlin schloss die Augen. Ein tiefer Atemzug folgte. „Egal, ob ich heute sterbe oder leben werde… wenn ihr durch meine Unsterblichkeit die Chance zum Leben gegeben werden kann, dann werde ich sie ihr nicht verwehren.“ Tief atmete Merlin durch, auch wenn es im Hals wehtat. Der wundersame Nebel, welcher die Schmerzen linderte versiegte langsam und ließ nur Dunkelheit zurück und die Schmerzen kehrten langsam zurück. Merlin biss die Zähne zusammen. „Wenn ich wirklich sterben sollte… dann soll mein Tod ihr Leben bedeuten. Wenn sie denn leben will… dann nehme ich diesen Preis in Kauf. Bevor ich sterbe und meine Unsterblichkeit, wie ich sie wohl besitze, vergeudet ist, soll lieber sie mein Leben erhalten.“ Calest nickte. Damit hatte er gerechnet. Merlin öffnete die Augen. Er starrte auf seine Hände. Ein sanftes, doch trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Schweiß begann über seine Stirn zu laufen.  „Wie sehr ich mich nach ihr gesehnt hatte… Immer, wenn ich Arthur und Gwen sah, dann pochte mein Herz sehnsüchtig und doch schmerzhaft in meiner Brust, weil sie nicht an meiner Seite sein konnte. So sehr ich es den Beiden gegönnt habe, ich habe es trotzdem gehasst. Wie sehr ich sie vermisse und wie gerne ich sie wieder sehen würde…“ Ein Seufzen entfuhr dem Zauberer, als er an seine Geliebte dachte. Alles an ihm verzehrte sich nach ihr, sein Körper, sein Geist und seine Seele. Aber niemals würde er ihr diese Chance verwehren. „Sie wurde viel zu früh aus diesem Leben gerissen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dass sie leben kann… wenn es auch bedeutet ohne mich… dann will ich der Letzte sein, der ihr diese Möglichkeit verwehrt.“ Seine Hände ballten sich und das typische Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück. Er blickte zu seinem Gegenüber. „Egal, wie groß der Schmerz auch sein mag oder noch wird, ich weiß eines mit Sicherheit: Eines Tages werden wir wieder vereint sein. Und auf diesen Tag werde ich warten! Egal, wie lange es dauert!“   Calest schwieg. Er hatte sich die Worte von Merlin genau angehört und dabei auf sein Herz gelauscht. Und nie wurden größere Worte der Liebe und Sehnsucht ausgesprochen. Das alles könnte die Situation ändern… „Ich verstehe. Ich werde sehen, was ich tun kann. Du hast der magischen Welt und der Alten Religion einen großen Dienst erwiesen, Emrys. Und dafür solltest du belohnt werden.“ Merlin lächelte. Die Schwärze um ihn herum nahm zu und trübte auch sein Bewusstsein. Seine Augen schlossen sich und er konnte nur mit Mühe die letzten Worte von Calest verstehen, während er langsam wieder in die Bewusstlosigkeit abdriftete. „Ich wünsche dir alles Gute, Merlin. Und möge die dreifache Göttin mit ihrem allsehenden Auge eine Möglichkeit sehen, dass die Zukunft doch noch in vollem Licht erstrahlen kann.“   Es schien Merlin, als würde er treiben. Durch die endlose Schwärze und die Taubheit. Er spürte nichts und hörte nicht. Bis…   `MERLIN!´       L'AME IMMORTELLE - Fallen Angel https://www.youtube.com/watch?v=iMwe8zZg9j0       Wie ein Schlag ins Gesicht war der laute Ruf in seinen Gedanken, welcher bis tief in die Schwärze reichte, in welcher der Zauberer trieb. Merlin riss die Augen auf, doch ein gepeinigtes Stöhnen verließ seine Lippen, als der Schmerz mit voller Wucht zurückkehrte. Beinahe wünschte er sich die Schwärze zurück, in welchem die Schmerzen verschwunden waren, doch Merlin wusste mit einem Mal nur zu gut, was diese bedeutete… Doch er wusste auch, dass er sich nicht mehr lange würde wehren können…   „Du darfst nicht einschlafen, Merlin“, sagte Kilgharrah leise, doch voller Ernst. Merlin hörte aber auch die Schwäche in der Stimme des Drachen. Er spürte die holprigen Flügelschläge, die schwindende Kraft. Calest hatte Recht. Sie würden es nicht schaffen. Er würde es nicht schaffen.   Ein Seufzen verließ seine Kehle. „Sterben… ist schon seltsam…“, sagte Merlin leise. Die Schmerzen, welche seinen Körper in Flammen setzte, die alte und schwarze Magie, welche sich wie Säure durch seinen Körper fraß wurden langsam wieder von Taubheit abgelöst. Und der Zauberer wusste, dass diese Taubheit sich nicht wieder lösen würde…   Kilgharrah sah zu seinem Bruder hinunter, den er noch immer in seiner Klaue hielt, dessen warmes Blut seine Krallen entlang lief. Sie hatten den See von Avalon noch nicht erreicht. Und langsam schwand auch die Zuversicht des Großen Drachen. Er war durch den Kampf mit dem Roch stark geschwächt und konnte kaum noch fliegen. Seine Wunden heilten langsam, doch nicht schnell genug, sodass es nur noch Augenblicke dauern konnte, bis seine Kräfte völlig verbraucht waren. Zudem war Merlin ebenfalls schwächer, als der Drache angenommen hatte. Die alte Magie in ihm schwächte den jungen Zauberer und der Blutverlust forderte seinen Tribut. Lange würde der Schwarzhaarige nicht mehr durchhalten. „Es ist nicht mehr weit“, versuchte Kilgharrah Merlin, aber vor allem sich selbst zu beruhigen. Die Ausmaße der gesamten Situation, die Erkenntnis, all das allerdings sickerte langsam in sein Bewusstsein, je näher sie kamen und je schwächer Kilgharrah selbst jedoch wurde. `Wir schaffen es nicht´, dachte der Drache betrübt und dieser Gedanke verursachte ein Stechen in seinem Herzen.   „Lande…“ murmelte Merlin plötzlich schwach. Die goldenen Augen des Drachen weiteten sich. „Was?“ „Bitte… lande…“ Kilgharrah knurrte. „Nein! Wir werden es schaffen!“ Seine Flügelschläge wurden stärker, doch ein schmerzhaftes Zischen und Fauchen entfuhr dem Großen Drachen. Die Anstrengung war zu groß. „Bitte…“ Die flehenden Worte seines Meisters und Bruders und seine eigenen Kräfte, welche nun vollständig am Ende waren, zwangen Kilgharrah nun endgültig in die Knie. Seufzend ging er tiefer und landete nur Augenblicke später zwischen vielen Bäumen im Wald, welche teilweise entwurzelt wurden. Die Landung war ziemlich holprig, da seine Flügel versagten. Erschöpft knickten die Beine des mächtigen Wesens einfach weg, was leichte Beben verursachte. Merlin aber wurde noch immer sicher in der Kralle gehalten. Beinahe atemlos versuchte der Drache, Luft in seine brennenden Lungen zu bekommen. „Weiter…“, murmelte der Kilgharrah schwach und versuchte, seinen schmerzenden Körper wieder zu erheben. Jedoch knickten seine Beine immer wieder weg, sodass er nicht aufstehen konnte. Seine Kräfte waren restlos erschöpft und auch seine Zeit war bald gekommen. So schwach hatte sich der Drache noch nie in seinem Leben gefühlt. Behutsam legte er Merlin auf den Waldboden ab. Seine goldenen Augen waren voller Trauer. „Ich kann nicht mehr weiter…“, gab Kilgharrah zu und gleichzeitig hasste er sich für diese Schwäche. Er war ein Drache, eines der stärksten, ältesten und gefürchtesten magischen Kreaturen der Welt. Wieso schaffte er es dann nicht, seinen einzigen Freund und Bruder zu retten?! Ein wütendes Fauchen verließ die Kehle des Drachen. „Nein…“, sagte Merlin leise mit kraftloser Stimme. „Wir… schaffen es… nicht mehr…“ „Soll es das also gewesen sein?!“, brauste Kilgharrah mit einem Mal auf. Seine Krallen zogen Furchen in die Erde, als er sie ballte. „Das kann nicht sein! Das darf einfach nicht sein! Was ist mit deinem Schicksal?! Du solltest nicht hier mitten in einem Wald zugrunde gehen, sondern an Arthurs Seite sein und ihn beschützen. Ihn beraten und zusammen solltet ihr ein Königreich errichten, welches heller als jeder Stern am nachtschwarzen Himmelszelt erstrahlen sollte! Du hast es nach allem, was du für Albion und die Alte Religion getan hast, nicht verdient, hier, entfernt von dem Menschen, welchem du dein Leben aufgeopfert hast, zu sterben!“ Der Drache war in Aufruhr, er redete sich völlig in Rage, was Merlin nur ein leichtes Lächeln entlockte. Früher war es Kilgharrah immer egal, wenn Merlin auf dem Weg zur Erfüllung seines Schicksals jemanden schaden musste. Oder wenn er selbst litt, es schien den Drachen nie irgendwie zu kümmern. Dass er seinetwegen nun so seine Ruhe verlor und sich über seinen kommenden Tod so aufregte… es erstaunte und rührte Merlin. Zudem war er immer der Meinung, dass gerade Kilgharrah den Ausgang dieser Schlacht kennen würde. Das er wissen würde, dass es Merlin sein würde, der sein Leben verlieren würde und nicht Arthur. Doch scheinbar hatte Merlin wirklich das Schicksal verändert und das Leben von Arthur nachhaltig gerettet, eine Tatsache, für die Merlin tausendmal sterben würde. Arthur…   Ein leises Lachen entfuhr dem Schwarzhaarigen. Kilgharrah fuhr herum und sah seinen Bruder mit zusammengekniffenen Augen wütend an. „Was findest du daran so amüsant, Merlin?!“ „Ich… glaube… an Arthur…“, gab dieser zu. Dieser Satz… dieser eine Satz brachte den Drachen zum Verstummen. Seine Augen waren geweitet und auf den schwarzhaarigen Zauberer gerichtet. „Wie meinst du das?“ Nun völlig ruhig lauschte Kilgharrah den Worten seines Freundes. Würden es doch vielleicht die letzten Worte sein, die er von ihm hören würde…   Merlin seufzte. „Ich glaube… daran,… dass er… auch ohne mich… dieses Reich… erschaffen… wird,… welches wir… uns… schon so lange… ersehenen…“ Merlin keuchte, das Reden strengte ihn an. Zudem machte ihm seine Wunde zu schaffen, aus der noch immer Blut quoll. Seine Finger krallten sich ins Gras. „Außerdem… hat er… Gwen… an seiner… Seite… die Ritter… Gaius…“ Ein Stich der Trauer und des Bedauerns überkam Merlin. Hatte er doch nie Gelegenheit dazu gehabt, Gaius zu sagen, wie wichtig dieser für ihn war. Er war wie ein Vater für ihn. Und er konnte sich noch nicht einmal von seinem Ziehvater verabschieden… Doch eine Sache musste er Kilgharrah noch mitteilen. „Und… er hat… Aithusa…“ Nun riss Kilgharrah seine Augen noch weiter auf. Verwirrung und Schock waren in den goldenen Seelenspiegeln zu sehen. „Aithusa?“, wiederholte er ungläubig und mit einem Hauch von Bedauern und Trauer.   Es war wie ein Schwertstoß ins Herz, als Kilgharrah damals spürte, wie Aithusa gestorben war. Es war nie leicht für den Drachen, wenn er spürte, das ein Artgenosse getötet wurde, doch dieses Mal war es die schlimmste Erfahrung, die Kilgharrah je gemacht hatte. Nicht nur, dass Aithusa noch ein sehr junger Drache war, welcher sein Leben aushauchte. Es war Merlin, ein Drachenmeister, welcher ihr Leben beendete. Und der Schmerz, welcher von beiden Wesen auf ihn einstürmte, nahm selbst Kilgharrah die Luft zum Atmen. Wobei sein Mitleid in diesem Augenblick weit mehr Merlin galt als Aithusa. Sie hatte Merlin und ihn verraten und sich auf die Seite des Bösen geschlagen. Auch, wenn sie der Hexe gefolgt war und somit einen dunklen Pfad beschritt, sie war doch ein Drache und mit ihm verbunden. Deswegen empfand er auch für sie eine gewisse Trauer. Der Große Drache seufzte. Er hatte damals die Hoffnung, dass es Aithusa wäre, welche die strahlende Zukunft einläuten würde, welche Merlin und Arthur formen sollte. Sie war wie ein Omen für ihn. Ein weißer Drache, welcher in der anfänglichen Ära von König Arthur und dem Zauberer Merlin geboren wurde. Das konnte nur eine strahlende Zukunft bedeuten. Zudem war es die einmalige Chance für die Drachen, neu aufzuerstehen. Durch Merlin als Drachenmeister und Aithusa als weiblichen Drachen war eine Gelegenheit, auf die selbst Kilgharrah nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Doch durch das gute und beeinflussbare Herz des jungen Drachen und die bösartige, manipulierende Hexe Morgana war diese Hoffnung zunichte gemacht worden. Was also meinte Merlin nun damit? Konnte diese Hoffnung trotz allem weiterbestehen?   „Wie meinst du das? Du hast sie getötet.“ Merlin atmete tief durch, sein Atem rasselte. „Sie wird… wiederkehren und… ihm helfen… und… zu Diensten sein… das Band… zu… Morgana… ist… zerstört…“ Merlin fiel das Reden immer schwerer, langsam trübte sich seine Sicht. Der Schmerz, welcher zuvor wie Feuer durch seinen Körper strömte fühlte sich nun so an, als würde Taubheit seine Glieder befallen. Die Kälte und die Dunkelheit um ihn herum nahmen zu. Seine verkrampften Finger lösten sich langsam vom Gras. „Mein… Schicksal… ist er-…füllt… ich konnte… Arthur… und Camelot… beschützen…“ Gequält schloss der Zauberer die Augen. Er hob schwerfällig und ächzend einen Arm, um seine Hand über seine Wunde zu legen. Tränen brannten in Merlins Augen und liefen langsam über seine blassen Wangen. „Ich… wünschte…“, brachte Merlin nur noch leise hervor. So leise, dass sich Kilgharrah zu ihm herunterbeugen musste, um ihn zu verstehen. „Ich… wünschte… ich könnte… Arthur… ein… letztes Mal… sehen… und ihm… sagen,… wie leid… es… mir… tut… ihn belogen… zu haben…“ Merlin wurde immer blasser, seine Augen öffneten sich noch einmal und mit einem Schaudern sah Kilgharrah langsam das Leben in den schwarzen Augen erlöschen. „Ich… wünschte… er würde… mich… nicht… hassen…“ „Das tut er nicht“, sagte Kilgharrah sofort und seine Stimme war ebenso leise wie die seines Bruder und doch sanft und voller Zuversicht. „Arthur weiß, dass du ihm loyal und ein guter Freund warst. Du hast alles getan, um ihn und sein Königreich zu beschützen. Das weiß er und er wird es auch nie vergessen.“ Merlin versuchte, tief einzuatmen, doch es brachte nichts. Seine Lungen versagten langsam. „Ich… hoffe,… du… hast Recht…“ Es herrschte Stille zwischen den beiden so ungleichen und doch gleichen Geschöpfen. „Ich… danke… dir… für… alles…“ Nur noch einem Hauch glich die Stimme Merlins. Seine Augen waren wieder geschlossen und rasselnd wurde die Luft durch die Lunge gepumpt. Nur mit Mühe klammerte sich der Schwarzhaarige noch an das Leben. Doch er war drauf und dran, diesen Kampf zu verlieren. Kilgharrah schüttelte seinen großen Kopf. „ICH danke DIR, Merlin. Dank dir weiß ich, dass jeder Fehler macht und man niemanden dafür verurteilen darf. Man muss versuchen, denjenigen wieder auf den rechten Weg zu bringen.“ Ein seltenes Lächeln erschien auf Kilgharrahs Gesicht. „Und du hast bewiesen, dass man sein Schicksal ändern kann, egal, wer es festgelegt hat.“   Wieder herrschte Stille zwischen den beiden Brüdern. Es war alles zwischen ihnen gesagt. Es gab noch so vieles, worüber sie hätten sprechen können, Geheimnisse, Geschichten, Zauber… so vieles, was sie noch miteinander hätten teilen können. Doch zu diesem Zeitpunkt, wo der Tod sie trennen sollte, gab es nichts mehr von Bedeutung, was sie sich mitteilen mussten. Außer eines.   „Leb… wohl… Bruder…“, waren Merlins letzte Worte, bevor sich seine Brust durch seinen letzten rasselnden Atemzug hob und senkte, nur um schließlich völlig zum Stillstand zu kommen. Keine Bewegung war mehr an dem Körper des jungen Zauberers zu erkennen. Die Wärme des Lebens entschwand nun vollends seinem Leib und hinterließ nur die Kälte des Todes. Blass war die Haut und schien das helle Licht des angehenden Tages, welches langsam darauf fiel, zu reflektieren.   Merlin, der Loyalste und Tapferste von allen, Beschützer des einstigen und zukünftigen Königs, letzter Drachenmeister, mächtigster Zauberer der Welt… …war tot.       Langsam begann die Sonne am Horizont aufzugehen. Eine neuer Tag brach an und somit eine neue Zeit. Eine Zeit, in welcher die Welt, die Alte Religion, Albion und auch Arthur alleine zurechtkommen mussten. Denn es gab keinen mächtigen Zauberer mehr, der das Unheil abwendete und mit seinem Glauben und seiner Macht ganze Königreiche beschützte und untergehen lassen konnte. Der mit seinem Herzen und seiner Magie selbst das Schicksal zu ändern vermochte. Nun gab es keinen Merlin mehr…     Die Sonnenstrahlen der Morgensonne schimmerte auf den Schuppen des goldenen Drachen. Träge hob Kilgharrah seinen Kopf und sah der aufgehenden Sonne entgegen. Die Strahlen spiegelten sich auf der Oberfläche des Sees, welchen er durch die Bäume hindurch bereits sehen konnte. Sie waren nah gewesen....so nah. Selbst er, als magisches Wesen, konnte die Insel in der Mitte des Sees nur schlecht sehen. Dicke Nebenschwaden zogen über den See. Doch er wusste, dort war das Tor zu Avalon. Die Heimat der Sidhe. Die einzigen Wesen, welche in der Lage gewesen wären, Merlin zu retten. Leise seufzte Kilgharrah und sah zu seinem Bruder hinunter. Es war die Heimat der Sidhe, doch auch die Heimat von außergewöhnlichen Menschen, welche den Tod gefunden hatten. Und dorthin gehörte auch Merlin.   „Leb wohl… Bruder…“, sagte Kilgharrah leise. Eine einsame Träne stahl sich aus den goldenen Augen. Es blieb bei der Einen, doch im Inneren war der große Drache aufgewühlt. Sein Herz war gebrochen, seine Seele erschüttert. Er hatte gesehen, wie sein Freund und Bruder starb, doch vor allem hatte er es gespürt. Noch nie zuvor hatte er solch ein enges Band mit einem Drachenmeister geknüpft. Vor allem zu dem jungen Zauberer. Merlin war nicht nur ein Drachenmeister. Er war sein Freund. Sie waren Brüder. Das machte alles noch viel schlimmer und schmerzhafter. Und bei der wenigen Zeit, die Kilgharrah noch auf dieser Welt blieb, hätte er nie gedacht, dass er den letzten Drachenmeister überleben würde. Der Drache ließ die massigen Schultern sinken. Nun musste Aithusa alleine auf der Welt zu Recht kommen. Wie grausam das Schicksal doch sein konnte…     Wieder richtete sich der Blick Kilgharrahs in die Ferne. Vorsichtig nahm er Merlin wieder in die Klaue. Schaudern spürte er die Kälte des Todes, welche sich Merlins Körper bemächtigt hatte. Doch der Drache schüttelte seinen Kopf, um nicht daran zu denken. Humpelnd bahnte sich der Drache einen Weg durch die wenigen Bäume, welche sie noch von dem See von Avalon trennten. Er hatte noch etwas zu erledigen. Er wollte den letzten Wunsch seines Meisters und Bruders erfüllen…         Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)