Merlin von LenaVanTionas (Das Schicksal von Camelot) ================================================================================ Kapitel 23: Schwere Entscheidung --------------------------------     Kapitel 23 - Schwere Entscheidung       Die Sonne erklomm langsam den Horizont, sie schien über die Ränder der Schlucht von Camlann und zeigte der Welt die Ausmaße der Schlacht, welche in der vergangenen Nacht dort getobt hatte.   Leichen bedeckten die steinigen Ebenen, vermummte Gestalten und von Rüstungen geschützte Männer lagen dort, ihr Blut durchnässte die Erde. Die in schwarz und dunklen Farben gekleideten Sachsen und die Metallbedeckten Ritter… auf beider Seiten gab es Opfer. Doch nur wenige Träger der voller stolz getragenen roten Umhänge der Ritter fielen zu Boden und blieben leblos liegen. Die dunklen Farben ihrer Gegner überwogen die Anzahl der Gefallenen in dieser Schlacht. Die Sachsen konnten es nicht mit dem Geschick und der Stärke von Camelots Rittern aufnehmen. Und sie hatten Glück. Die Magie, diese seltsame Langlebigkeit, welche Morgana auf ihre Männer gewirkt hatte, schien sich nur auf jene beschränkt zu haben, welche mit ihr den Kern dieser Schlacht gebildet hatten. Welche sich mit ihr dem König und seinem engsten Gefolge gestellt hatte. Wäre es anders gewesen, dann hätte diese Nacht anders ausgehen können… So schien es ein eindeutiger Sieg für die stolzen Ritter von Camelot zu sein.     Doch die wahren Ausmaße dieser Schlacht waren nur wenigen Menschen bewusst.     Arthur und seine Freunde verließen das separate Areal, in welchem sie gekämpft hatten, durch einen kleinen Gang, durch den auch… den sie gefunden hatten. Keiner von ihnen sprach ein Wort, zu aufgewühlt und unrealistisch war die gesamte Situation. Doch ein Teil von Arthur war besorgt, wie es in der Schlucht aussah und wie es seinen Männern ging. Also verschwendete er keine Zeit, wischte jeden anderen Gedanken beiseite und beeilte sich, zu seinem Lager zurückzukehren. Dort erwarteten ihn bereits seine Ritter, welche sich dorthin zurückgezogen hatten, um sich auszuruhen oder sich verarzten zu lassen. Als der König erschien, drehten sich alle Köpfe zu ihm um, jeder Anwesende erhob sich, um seinem König seine Aufmerksamkeit zu schenken. Arthur trat vor seine Männer. Er konnte nichts sagen, seine Kehle war wie zugeschnürt. Er musste aber auch nichts sagen. Der König hob seine Klinge, welche strahlend das Licht der Sonne zurückwarf und seine Männer verstanden auch so. Seine Männer, seine tapferen Ritter jubelten und brüllten voller Freude, schwangen ihre Schwerter, klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Die Schlacht war gewonnen. Die Schlacht, welche sie alle gefürchtet hatten und deren Ausgang kaum zu ihren Gunsten stand, war gewonnen. Die Schlacht war gewonnen und die unbändige Freude der Sieger war fast greifbar.   Arthur spürte von alldem nichts. Viel zu sehr war er von den Ereignissen, welche sich direkt vor seinen Augen abgespielt hatte, schockiert und wie gelähmt.   So kam es, dass Arthur nur kurz angebundene Befehle gab. Das Lager wurde abgebrochen und die Verwundeten notdürftig versorgt, sodass sie reiten konnten. Arthur saß auf seinem Pferd und blickte nicht zurück, als er sich mit seinen Freunden und seinen Rittern in Bewegung setzte. Gwen war nur wenige Meter entfernt. Zusammen traten sie die Heimreise an. An diesem Ort hielt sie nichts mehr.   Während der Reise unterhielten sich die Ritter über die Schlacht und über die Zukunft. Natürlich trauerten sie um die gefallenen Kameraden, doch die Freude, diese Schlacht gewonnen und den Feind endgültig besiegt zu haben, war einfach zu groß. Die Stimmung, die herrschte, war das komplette Gegenteil derer, als sie nach Camlann geritten sind. Doch all das blendete der König aus. Und nicht nur er. Fünf andere Menschen waren ebenso wenig erpicht darauf, in eines der Gespräche verwickelt zu werden oder von der Stimmung mitgezogen zu werden.     An den Toren von Camelot angekommen wurde die Armee bereits von jubelnden Menschen begrüßt. Sie schwenkten Fahnen in den Farben von Camelot, sangen und jubelten. Einer der Ritter war bereits voraus geritten und hatte den Sieg in dieser Schlacht bereits verkündet. Sie alle waren unendlich erleichtert, endgültig von dieser Bedrohung erlöst worden zu sein. Und jeder einzelne von ihnen hielt natürlich den König von Camelot, Arthur Pendragon, für den Helden dieser Schlacht. Er hatte Morgana getötet und die Bestie, den Roch, bezwungen. So wurde es von den Rittern verkündet und von den Menschen weiter getragen. Warum sollte man auch etwas anderes glauben? Immerhin hatte der junge König schon mehrere magische Wesen, welche Camelot bedroht, vernichtet, nicht zuletzt den Großen Drachen. Wer sollte also glauben, dass er nicht auch den Roch töten konnte? Ebenso die Hexe Morgana? Arthur griff fester nach den Zügeln, ballte die Hände zu Fäusten.   Wie falsch sie doch alle damit lagen…       Die Wachen öffneten die Türen, als Arthur und Gwen vor der Ratshalle standen. Die Ratsmitglieder waren bereits versammelt und waren auf den Bericht ihres Königs gespannt. Arthur holte tief Luft, spürte kaum, dass Gwen seine Hand ergriff und ihm damit Trost und Sicherheit spenden wollte. Er spürte kaum noch etwas… Arthur trat vor, ließ seine Hand aus der seiner Frau gleiten und nickte seinen Beratern zu. So begannen Gwen und er zu erzählen, was geschehen war. Es erschien Arthur beinahe so, als wenn er die gesamte Erzählung wie in Trance wäre und völlig mechanisch berichten würde, was sich abgespielt hatte. Doch das Königspaar war sich stillschweigend über eine Sache einig: Sie würden nicht verraten, wer Morgana und den Roch getötet hat. Noch nicht. Erst mussten sie beide - und auch ihre Freunde - verarbeiten, was dort in der Schlucht überhaupt geschehen war. Vor allem Arthur. Natürlich fielen den Ratsmitgliedern die Ungereimtheiten in der Geschichte auf und sie hakten nach, doch weder Arthur noch Guinevere wollten dazu etwas sagen. Und so wagten es die Ratsmitglieder auch nicht weiter, die beiden damit weiter zu bedrängen. Irgendwann würden sie die Wahrheit noch erfahren. Arthur atmete tief ein und aus. Seine Muskeln waren angespannt. Die Erzählungen hatten ihn wieder in die Situation zurück befördert, welcher er sich nicht stellen wollte. Jedenfalls nicht in diesem Moment. Im Beisein von anderen. Arthur wusste, was seine Pflicht war, doch es war im nicht möglich diese auszuführen, deswegen sagte er mit gepresster Stimme „Wenn das soweit alles wäre, würde ich mich vorerst in meine Gemächer zurückziehen.“   Ein Raunen ging durch die Reihen, doch es kümmerte Arthur nicht. Im Moment kümmerte ihn nichts, rein gar nichts. Er wollte nur seine Ruhe haben, um über alles nachzudenken. Vor allem aber… um nicht durchzudrehen. Also drehte er sich um und wandte seinen Beratern somit den Rücken zu, ohne auf das verwirrte und empörte „Mylord“ und „Sir“ zu achten. Arthur konnte sich jetzt nicht weiter damit auseinandersetzten. Er musste alleine sein.   Gwen stand an der Tür. Sie wusste, dass die Ratsmitglieder noch einige Dinge mit Arthur klären wollten, doch dieser wäre kaum in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Kreisten seine und auch ihre Gedanken doch im Moment ausschließlich um ihn… Ein Schauer durchlief die Königin, als sie die Augen ihres Ehemannes sah. Es war nichts in ihnen zu sehen. Kein Gefühl. Keine Emotionen. Nichts. Gwen wusste, dass Arthur sich diese Maske aufgesetzt hatte, weil er mit den Mitgliedern seines Rates gesprochen hatte, doch es beunruhigte sie auch. War es nicht gut, wenn er seine Gefühle, welcher wie ein wütender Orkan tief in ihm toben mussten, so unterdrückte. Umso mehr wollte sie ihm helfen, Ruhe zu finden, um nachdenken zu können. „Geh ruhig“, sagte sie leise zu ihm, als er neben ihr stand. „Ich werde mit ihnen reden und alles Weitere klären. Ruh dich aus.“ Sie wollte noch so vieles sagen, ihm so vieles mit auf den Weg geben, bevor er sich alleine der gesamten Situation stellte. Sie wusste, er wollte alleine sein, sich all das, was geschehen war, was sie gesehen, erlebt und erfahren hatten, noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Und dafür brauchte er Ruhe. So schnell wie möglich und so viel sie ihm verschaffen konnte. Hart schluckte Gwen. Auch an ihr gingen die Geschehnisse nicht spurlos vorbei. Noch immer hatte sie diese Bilder im Kopf. Ihr bester Freund, mit diesen glühenden goldenen Augen, wie seine Magie die Gegner zu Fall brachte. Seine tiefe durchdringende Stimme, welche Worte formte, die den Großen Drachen befehligten. Seine Hand ein Schwert führte und die größte Bedrohung von ganz Albion durchbohrte. Ihr bester Freund… wie er blutend und dem Tod näher als dem Leben da stand, mit glasigen Augen und einem Lächeln auf den Lippen zu ihnen blickend… und das, weil er den Platz von Arthur eingenommen hatte. Tränen brannten in Gwens Augen, als sie daran dachte, doch sie blinzelte und atmete tief durch. Sie musste Arthur nun die Zeit geben, welche er brauchte. Es war schwer für sie, gewiss, doch sie wollte sich nicht vorstellen, wie schwer es für Arthur selbst sein musste. Hatte der Schwarzhaarige doch all das in erster Linie für seinen König getan und wie so oft sein Leben riskiert.   Ihr geliebter Ehemann Arthur und ihr bester Freund… Merlin… Die beiden waren wahrlich enger miteinander verbunden, als Gwen wahrscheinlich je gänzlich verstehen könnte. Wenn die Königin ehrlich war, dann brauchte sie später selbst Zeit, aber nur um sich zu beruhigen und sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Doch vor allem brauchte die Königin Zeit, um für Merlin zu beten. Sie betete, dass der Große Drache Merlin retten konnte und er bald wieder hier im Schloss wäre. Sie konnte… sie wollte sich nicht vorstellen, wie es in Camelot ohne Merlin aussehen würde. Camelot wäre ohne Merlin nicht mehr das Gleiche. Aber sah es ihr Mann auch so? Jahrelang hatte Arthur unter der Herrschaft seines Vaters die Zauberer gejagt und getötet, er hat Magie gehasst. Irgendwann begann er sie zu akzeptieren, was auch ein Verdienst von Merlin war. Nicht ihr zu vertrauen, bei Weitem nicht, doch Arthur hätte ihr bei einer günstigen Gelegenheit mit Sicherheit eine Chance gegeben, so wie es damals bei Kara der Fall war. Doch wie dachte er nun darüber, wo sich sein bester Freund, der Mensch, welchem er am meisten auf dieser Welt vertraute, als Zauberer entpuppt hatte? Jahrelang war Merlin an Arthurs Seite… und Gwen war sich sicher, dass Merlin die Zauberei nicht erst seit Kurzem beherrschte. Konnte Arthur mit diesem - Gwen schluckte - Vertrauensbruch - umgehen? Würde er in der Lage sein, die richtige Entscheidung zu treffen? Gwen konnte es nicht sagen. Das konnte niemand. Und sie wollte ihm nicht reinreden. Sie wüsste noch nicht einmal, was sie Arthur hätte sagen sollen. Wenn sie die Worte dafür nicht fand, nicht aussprechen konnte, bevor er mit sich selbst im Reinen war… dann musste sie ihm wenigstens die Zeit dafür verschaffen. Wenigstens das wollte Gwen für ihren Mann tun. Gwen warf Arthur ein leichtes Lächeln zu, obwohl sie mehr als besorgt um ihren Gatten war.   Der König hingegen war beinahe wie benebelt, so sehr wie er seine Gefühle, welche in ihm stürmten, immer wieder beiseite wischte und sie unterdrückte, doch da durchschnitt sein Pflichtbewusstsein seinen Geist. Arthur wollte seiner Frau nicht die Bürde auferlegen, welche eigentlich seine Pflicht war. Er war der König. Er musste mit den Mitgliedern seines Rates reden, ihnen die Vorkommnisse erläutern und die nächsten Schritte besprechen. Das waren seine Pflichten, diesen war er sich auch bestens bewusst, doch wenn er noch länger alle die Gefühle in seinem Inneren wegsperren würde, dann würde er daran kaputtgehen und zerbrechen. Und auch wenn einiges in ihm sich dagegen sträubte, Gwen den Rest aufzubürden, so war er ihr für diese Chance mehr als dankbar. Der König wusste nicht, womit er solch eine gütige und hilfsbereite Frau verdient hatte, aber er dankte jedem, dem er dafür danken konnte und erwiderte ihr leichtes Lächeln und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er durch die Türen ging, welche die Wachen ihm öffneten.   Es war ein geschäftiges Treiben auf den Gängen. Überall waren Stimmen zu vernehmen und Schritte zu hören. Von draußen drangen Stimmen vom Burghof zu ihm hoch. Die Ritter, welche noch verwundet waren, wurden versorgt, ihre Pferde ebenso, sie konnten sich ins Schloss zurückziehen, um etwas zu essen und zu schlafen. Überall draußen und in den Gängen wuselten Knechte und Mägde herum. Und, obwohl es Opfer gab, klangen ihre Stimmen fröhlich und glücklich. Die Schlacht war gewonnen. Die Ritter waren wie die Sieger, wie sie waren, aus der Schlacht zurückgekehrt und wurden auch so empfangen. Die freudige Mitteilung wurde in ganz Camelot verbreitet. Arthur ließ ihnen die Freude.   Auf dem Gang, den Arthur entlang schritt, begegnete ihm glücklicherweise niemand. Und darüber war Arthur froh. Er hätte nicht gewusst, wie er sich jetzt einem seiner Ritter oder gar Gaius gegenüber verhalten sollte - Abrupt blieb Arthur stehen. Gaius! Der Hofarzt wusste noch nichts von den ganzen Ereignissen, welche geschehen war. Der König hatte nur einen seinen Ritter direkt zu dem Hofarzt geschickt, um ihn darüber zu informieren, dass er mit der Armee zurück nach Camelot reiten soll. Er hatte wohlweislich weder Gwain, Percival, Leon noch Elyan zu ihm geschickt, denn Arthur war sich sicher, dass keiner der Vier hätten verschweigen können, was geschehen war. Lastete es doch auf ihnen allen schwer und wussten sie doch alle ganz genau, wie nah sich Gaius und der Schwarzhaarige standen. Beinahe wie Vater und Sohn. Der Gedanke ließ Arthur stocken. Die beiden hatten wirklich eine enge Verbindung zueinander, sie sprachen wahrscheinlich über alles. Doch wusste er vielleicht bereits auch, dass er ein - ? Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er durfte nicht darüber nachdenken, noch nicht. Nicht hier im Gang, wo ihn jeder sehen konnte. Wenn Arthur in seinen Gemächern war, dann konnte alles raus lassen, was er bis jetzt wegschloss. Er ging weiter, seine Schritte jetzt noch schneller.   Als er vor seiner Tür stand, atmete der Blonde erst einmal tief durch. Es ist ihm auf dem Weg niemand von seinen Rittern begegnet oder jemand, der ihn sprechen wollte. Einige Diener sind an ihm vorbeigehuscht, doch keiner von ihnen wagte es, ihn anzusprechen, ja auch nur ihm direkt in die Augen zu sehen. Doch das war nicht verwunderlich. Er war der König. Für einen einfachen Diener wäre es ungeheuerlich und gegen die Etikette, würde er es einfach so wagen, Arthur anzusprechen. Der Einzige, der es je gewagt hatte, war - Arthur knirschte mit den Zähnen und stieß die Tür zu Gwens und seinen Gemächern fester als nötig auf.   Das Erste, was ihm auffiel, war, dass es sauber war. George musste Ordnung geschafft haben, als sie fort waren. Fort um ihre, so wie Arthur und die Ritter befürchteten, ihre letzte Schlacht zu schlagen. George, der Mann, welchen sein Vater damals zu seinem zeitweiligen Diener ernannt hatte, welcher die Pflichten seines eigentlichen Dieners nachkam, sollte dieser… verhindert sein. Arthur schloss die Augen und atmete tief durch. Ein Seufzen verließ seine Kehle. Er war erschöpft und müde, doch sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Wenn er nun die Mauer entfernen würde, welche seine Gedanken zurückhielten…   Doch er musste sich den Tatsachen stellen. Der Tatsache… dass Merlin ein Zauberer war. Eine Welle von Schmerz erfasste ihn, größer, als körperlicher Schmerz je sein könnte und die Erschöpfung griff nach dem König. Mit einem schmerzhaften Aufstöhnen ließ sich Arthur in sein Bett fallen, die ersten Tränen sickerten bereits in den Bettbezug. Es war zu viel, viel zu viel, was der Blonde in dem Moment empfand, als das er alles mit einem Mal verarbeiten könnte. Der Schmerz wütete unaufhaltsam und die einsetzende Erschöpfung ließen keinen Platz für irgendwelche Gedanken, bis die erlösende Ohnmacht ihn einholte und alles in Schwärze tauchte.         Es war bereits Abend, als Gwen erschöpft in Arthurs und ihre Gemächer zurückkehrte. Die Planung und Besprechungen mit dem Rat hatten nicht so lange gedauert, doch sie wollte Arthur die Zeit geben, die er brauchte. Die Zeit hatte die Königin genutzt, um sich umzuziehen. Sie trug nun ein bequemes, leichtes rotes Kleid. Sie hat sich zudem ein wenig frisch gemacht.   Als sie eintrat sah sie sich nach ihrem Mann um. Arthur stand mit verschränkten Armen an einem der Fenster angelehnt und sah zum Schlossinnenhof hinaus. Seine Rüstung hatte er bereits abgelegt. Nun trug er ein weißes Leinenhemd mit seine braunen, ledernen Jacke darüber und eine dunkle, braune Hose. Er schien schon eine ganze Weile dazustehen und rührte sich auch nicht, als seine Frau eintrat. „Arthur?“, versuchte Gwen ihn aus seiner Welt herauszuholen. Er senkte leicht seinen Kopf, als Zeichen, dass er sie gehört hatte, doch er antwortete ihr nicht. Gwen seufzte. Natürlich verstand sie Arthur. Sie verstand ihn wirklich. Er war durcheinander. Noch mehr als sie. Weit mehr als sie. Mehr als sie alle. Es war wirklich nur schwer zu glauben, dass Merlin… ein Zauberer war. Anscheinend ein solch mächtiger Zauberer. Eine Kreatur wie den Roch zu besiegen erschien ihr schier unmöglich, doch Merlin hatte es geschafft. Die Angst, welche Morgana befallen hatte, als sie erfuhr, dass er ein Zauberer war… Gwen konnte es nicht vergessen. Die Macht, den Großen Drachen zu befehligen. Und die Sachsen, die durch seine Hand gestorben waren… Sie erschauderte leicht. Direkt vor sich zu sehen, wozu er in der Lage war,... all diese Macht… es war beängstigend… Energisch schüttelte die Königin ihren Kopf. Aber deswegen war Merlin doch niemand anderes. Er war noch immer... Merlin. Ihr aller Freund. Und genau das war sein Ziel. Seine Freunde zu beschützen. Er hatte all das nur getan, um dieses Königreich vor Unheil zu bewahren und es zu retten.   „Eine goldene Zukunft…“   Diese Worte, welche Merlin Morgana entgegen warf, als sie verschwunden war… nie war seine Stimme entschlossener, nie hatten seine Worte überzeugender und wahrhaftiger geklungen als in diesem Moment. Merlin sah für Camelot eine Zukunft voraus, von der die Menschen nur träumen konnten. Und er wollte all seine Macht einsetzen, damit diese Zukunft auch eintrat. Egal, was er dafür erdulden musste. Gleich, was er dafür aufs Spiel setzen oder opfern musste.   Kalte Schauer rannen Gwen über den Rücken. Der Drache, dessen Blut die Hände ihres besten Freundes besudelten, als dieser die Kreatur tötete, und ihn in eine Welt voller Schmerz stieß… Sein Leid… Nie hatte Gwen jemanden gesehen, der mehr Leid verspürt hatte. Nicht die Trauer um die Gefallenen im Krieg, kein Angehöriger eines Verstorbenen, nie. Es schien, als wäre in diesem Moment auch Merlin innerlich gestorben. Die Königin konnte es in diesem Moment nicht verstehen und auch jetzt konnte sie nur Vermutungen anstellen… doch noch mehr verspürte Gwen Mitleid für ihren besten Freund, der sich selbst immer wieder in Gefahr brachte und dann selbst solch einen Schmerz erdulden musste… Er, der so viel für sie alle und für Camelot getan hatte… Selbst sein eigenes Leben auf die Waagschale geworfen, nur um Arthur zu retten… immer und immer wieder…   Gwen atmete tief durch und versuchte, ihre Gedanken und das Bild vom blutverschmierten Merlin zu verscheuchen. Im Moment konnte sie ihm nicht helfen. So wie es aussah konnte das nur der Große Drache. Kilgharrah. Es gab so vieles, was sie nicht verstand, was Gwen wissen wollte. Über die Drachen, über die Magie, über all das, was Merlin ihnen bisher nicht anvertraut hatte, nicht anvertrauen konnte. Sie wollte es erfahren und der Einzige, von dem sie es erfahren wollte, war Merlin. Also musste Gwen etwas tun, was sie wohl noch nie in ihrem Leben getan hatte. Sie musste von ganzem Herzen einem magischen Geschöpf vertrauen. Und die Königin betete, dass es ihm gelang, ihren besten Freund zu retten.   Aber wenn sie selbst schon nichts für Merlin tun konnte, dann wollte sie wenigstens versuchen, für ihren Mann da zu sein. Sie ging zu Arthur und strich ihm sanft über den Arm, zeigte ihm, dass er nicht alleine war. Sie spürte seine Anspannung. Seine Verwirrung. In gewissem Maß auch seine Angst. Alles mehr als verständlich. Als er abermals nicht reagierte, seufzte die Königin, strich noch einmal über seinem Arm, bevor sie sich entfernte. Sie wollte ihn nicht drängen. Wenn Arthur noch Zeit bräuchte, dann wollte sie die Letzte sein, welche sie ihm nicht gab.   Kurz ließ Gwen ihren Blick durch das Gemach schweifen. Es erschien ihr beinahe wie eine Ewigkeit, seit sie das letzte Mal hier war. Das lag vermutlich an der Tatsache, dass sie tief in ihrem Herzen nicht damit gerechnet hatte, zusammen mit Arthur zurückzukehren. Wenn sie überhaupt zurückgekehrt wäre. Und ohne ihn wären diese Räumlichkeiten nie wieder dieselben. Auf dem Tisch stand eine Schale mit Obst. Pergamentrollen lagen an dem Tischende, an welchen Arthurs Stuhl stand. Das Feuer im Kamin war bereits völlig herunter gebrannt. Gwen vermutete, dass George, der Merlin vertrat, bereits ein Neues entfacht und das Abendessen gebracht hätte, wenn sie ihn nicht angewiesen hätte, die königlichen Gemächer zu meiden. Sie hielt es für das Beste, konnte Gwen nicht erahnen, wie ihr Mann reagieren würde, wenn er seinen zeitweise angestellten Diener zu Gesicht bekam… Gwen schloss die Augen. Sie hoffte, dass Kilgharrah Merlin retten konnte und er wieder nach Camelot zurückkehren würde… sie hoffte es wirklich von ganzem Herzen… wären sie alle und auch ganz Camelot nicht mehr das Selbe ohne Merlin… Ihre wieder geöffneten Augen blickten sich weiter um. Das große Bett war gemacht. Auf den jeweiligen Nachttischen standen Krüge mit Wasser und Kelchen für die Nacht. Sie legte ihre Stirn in Falten. Es lag etwas auf Arthurs Nachttisch, etwas, was sie dort vorher noch nie gesehen hatte. Gwen trat langsam näher und betrachtete es. Als die Königin erkannte, was genau dieses etwas war, wurde sie blass. „Arthur...“ hauchte sie beinahe tonlos. Eine Hand wanderte zu ihrem Mund.       Der König, rührte sich nicht weiter und starrte noch immer mit leerem Blick nach draußen und hing seinen Gedanken nach. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, nachdem der Schmerz und die Erschöpfung ihn ergriffen hatten, zog er sich um und versuchte irgendwie Ordnung in seine Gedanken zu bekommen. Doch er wusste nicht, wie er das schaffen sollte, es waren einfach zu viele. Sein Diener, sein Freund, der Mensch, welchem er am Meisten vertraut hatte,… war ein Zauberer. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. `Verrat!´, zischte eine Stimme in seinem Kopf, die genau wie sein Vater klang. Doch das konnte und wollte Arthur nicht glauben. Dafür hatte der Schwarzhaarige zu viel auf sich genommen. Aber es war eine Tatsache, das er sich seinem Herrn nie anvertraut hatte und dieses Geheimnis immer bewahrt hatte, obwohl er wusste, dass er verboten war. In Gewisser weise… hatte er ihn wirklich verraten. Arthur knirschte mit den Zähnen. Das durfte doch alles einfach nicht wahr sein! Er war so in Gedanken vertieft, dass er beinahe den seltsamen Unterton in der Stimme seiner Frau überhörte. Fragend drehte er sich um. Obwohl er seine Ruhe haben wollte kam er nicht umhin, besorgt zu sein. Gwen sah allerdings nicht zu ihm, sondern blickte zum Bett. Genauer gesagt, zu seinem Nachttisch. Arthurs Augen folgten ihrem Blick und landeten ebenfalls bei diesem. Auch er bemerkte etwas Seltsames und Unbekanntes darauf liegen, was ihm vorher scheinbar völlig entgangen war. Mit gerunzelter Stirn löste Arthur seine etwas steif gewordenen Arme, drückte sich von dem Fenster weg und trat auf seinen Nachttisch zu, sein Blick auf das seltsame Etwas gerichtet, welches dort lag. Es war rot, so viel konnte er sagen. Arthur Stirnrunzeln verstärkte sich, abgesehen von seinem Umhang besaß er kein rotes Kleidungsstück, jedenfalls kein solch Kleines. Der König stockte. Er besaß so etwas nicht.. Aber… Arthurs Augen weiteten, als auch er erkannte, was dort auf seinem Nachttisch lag. Wieso ist er nicht früher darauf gekommen? Normalerweise würde er diese Ansammlung von Fasern und Stoff doch überall erkennen, trug es doch die eine Person beinahe jeden Tag um den Hals, welche ihm näher stand als sonst jemand in seinem Leben. Es war... ein Halstuch ...ein Halstuch… von Merlin…   Verwirrung machte sich in Arthur breit. Wie kam eines von dessen Halstüchern hier in seine Gemächer? Hatte er es verloren und George hatte es gefunden und auf den Nachttisch gelegt? Nein, da steckte noch mehr dahinter, dass sagte dem Blonden sein Gefühl. Und irgendwie mischte sich dieses Gefühl mit einem Mulmigen.   Zögerlich streckte der König die Hand aus. Er wusste mit der Situation nichts anzufangen. Die umherwirbelnden Gedanken und seine nicht eindeutigen Gefühle Merlin gegenüber… war er sauer? Enttäuscht? Verletzt? Verständnisvoll? - sie kämpften gegen seine Neugier… welche letztendlich auch gewann. Vorsichtig nahm Arthur das Halstuch in seine Hand. Etwas war darin eingewickelt. Etwas hartes. Sogar zwei Dinge, wenn er richtig fühlte. Kurz zögerte der König, bevor er begann es auszuwickeln. Leicht klappte ihm der Mund vor Überraschung auf. Das Siegel seiner Mutter blitzte auf, welches er damals seinem Diener geschenkt hatte. Das mulmige Gefühl drohte ihm beinahe den Magen umzudrehen, doch er versuchte es zu unterdrücken. Arthur hatte Merlin damals das Siegel geschenkt, als sie sich aufgemacht hatten, das Tor zur Totenwelt wieder zu schließen und Arthur war fest entschlossen, sich dafür selbst zu opfern. Keiner seiner Ritter oder schlimmer noch, seiner Freunde sollte den Tod finden. Das war seine Aufgabe. Deswegen schenkte Arthur dem Schwarzhaarigen das Siegel. Er wollte mit dieser Geste Merlin beweisen, wie wichtig er ihm war. Es war vielleicht eine letzte Gelegenheit. Also hatte wohl auch Merlin bereits vor ihrem Aufbruch damit gerechnet, diese Schlacht nicht zu überleben, nicht nach Camelot zurückkehren zu können… oder von Arthur getötet zu werden. Die letzte Möglichkeit ließ Übelkeit in Arthur aufsteigen. Früher. Ja, früher hätte er es vermutlich getan. Als Merlin noch neu war in Camelot. Als er gerade erst sein Diener geworden war. Als Arthur noch nicht wusste, dass der Schwarzhaarige einmal sein bester Freund und loyalster Mitstreiter werden würde. Das sie wie zwei Brüder sein würden. Zwei Seelenverwandte. Da hätte er ihn vielleicht für die Tatsache getötet,… dass er ein Zauberer ist. Doch heute? Nein. Er hätte ihn nicht getötet. Niemals.   Das könnte Arthur nicht. Denn dann würde er einen Teil von sich selbst töten. Aber ob er es ertragen kann, Merlin wieder zu sehen… ihm zu verzeihen… das konnte Arthur nicht sagen. Darauf hatte er noch keine Antwort gefunden.     Doch das Siegel war nicht alles, was in das Halstuch eingewickelt war. Arthur schlug nun auch die andere Hälfte des Stoffes zurück. Eine kleine hölzerne Figur kam zum Vorschein. Arthur nahm sie in eine Hand, um sie genauer betrachten zu können. Den Blick von seiner Frau bemerkte er nicht. Viel zu sehr war er mit diesem Geschenk von Merlin beschäftigt. Es war ein kleiner Drache aus Holz. Eine gute, solide Arbeit, das musste er zugeben, vor allem, da er kein Talent dafür hatte. Die Figur war nicht übermäßig künstlerisch gestaltet, aber doch sehr realistisch in den Details gehalten. Das helle Holz sah rau aus, aber als er mit seinen Fingerspitzen die Kontur des Kopfes entlang strich, war es so glatt wie der Stein, aus welchem sein Schloss bestand. Es musste sehr lange gedauert haben, das Holz so glatt zu schleifen. Derjenige, welcher diese kleine Figur hergestellt hatte, musste sich sehr viel Mühe gegeben haben. Arthur legte den Kopf schräg. Woher hatte Merlin solch eine Figur? Er hielt den Schwarzhaarigen manchmal wirklich für einen Kindskopf, aber dass er wirklich Spielzeug bei sich hatte und es ihm so wichtig war, dass er es seinem König vermachen würde, überraschte und verwirrte ihn gleichermaßen. Das Siegel war immerhin von seiner Mutter und dieser Drache war… war von…   Arthur erinnerte sich. Im Halbschlaf hatte er damals mitbekommen, wie Merlin im Wald erwacht war und sich über diese kleine Figur gefreut hatte. Der Drachenmeister von damals hatte sie ihm geschenkt. `Wie war noch mal sein Name?´, fragte sich Arthur, als er versuchte, sich zu erinnern. `Irgendetwas mit B...´ Wie ein Blitz traf es den jungen König und ließen ihn schockiert nach Luft schnappen. Gwen sah ihn verwirrt an, doch er beachtete sie nicht. Er konnte nicht, seine Gedanken rasten. Balinor. Der Name des verstorbenen Drachenmeisters war Balinor. Arthur ballte seine Faust, in welche er die kleine Figur eines Drachen hielt. Unwillkürlich drängte sich das kurze Gespräch von Merlin und des Großen Drachen in seine Gedanken.     „Glaubst… du,… er wäre… stolz…?“, wollte der Zauberer wissen. „Wer? Balinor?“ Schwach nickte Merlin. „Da bin ich sicher. Er hätte sich keinen besseren Sohn als dich wünschen können. Er wäre so stolz,… wie er als dein Vater nur sein könnte.“     Erst jetzt drängten sich die Worte in sein Bewusstseins, erst jetzt erhielten sie eine Bedeutung, nachdem er sie wie beiläufig gehört hatte, da sie nicht an ihn gerichtet waren. Arthurs Augen weiteten sich.   Die Figur entglitt seinen nun kraftlosen Fingern. Das fein bearbeitete Holz landete auf dem Boden, der Aufprall hallte ihm unnatürlich laut in den Ohren wider. Vollkommen entsetzt stolperte Arthur zurück. Er wurde blass, ihm brach der Schweiß aus und sein Herz raste.   Gwen trat auf ihn zu, packte ihn besorgt am Arm und sah ihn mit aufgerissenen Augen an. „Arthur?! Arthur, was ist denn los?“, wollte sie voller Sorge wissen, doch der Angesprochene schüttelte nur mit dem Kopf, konnte ihr nicht antworten, seine Kehle war wie zugeschnürt.   Es waren zu viele Gemeinsamkeiten, als das es ein Zufall hätte sein können. Der Drachenmeister von damals, welcher ihnen helfen sollte, den Großen Drachen zu töten, hieß Balinor. Er und Merlin freundeten sich unglaublich schnell an. Der Drachenmeister schenkte dem Jüngeren diese kleine Figur. Merlin war untröstlich, als Balinor für ihn gestorben war. Sie konnten den Drachen erst... aufhalten, nachdem Balinor gestorben war und Merlin allem Anschein nach diese Gabe von ihm geerbt hatte. Merlin wollte wissen, ob Balinor stolz auf ihn wäre. Der Große Drache bejahte und nannte sie beide Vater und Sohn.   Ein harter Kloß erschwerte das Schlucken, als Arthur von dieser Erkenntnis überrollt wurde. Ein kalter, eiskalter Schauer lief Arthur über den Rücken. Die Wahrheit über die Ereignisse von damals und deren Tragweite waren ihm völlig unbekannt und sind es ihm teilweise vielleicht immer noch, dass konnte er nicht sagen. Doch Arthur verstand möglicherweise, warum es ihm verschwiegen wurde. Die Wahrheit war grausam. Einfach nur grausam.   Merlin hatte seinen Vater gefunden. Für Arthur erschien es als die einzige Erklärung, dass Merlin selbst erst kurz vor ihrem Aufbruch damals erfahren hatte, dass Balinor sein Vater war. Schließlich hatte er selbst immer gesagt, das er nicht wüsste, wer sein Vater ist. Und Arthur konnte sich noch dunkel an das Verhalten seines Dieners entsinnen. Er war abwesend und nachdenklich, schien verwirrt und auch traurig. Doch die Traurigkeit, welche er danach an den Tag legte, auch wenn er sie zu verstecken versuchte, übertraf alles. Damals konnte sich Arthur keinen Reim darauf machen, warum Merlin so auf den Tod dieses Mannes reagierte. Es hatte nie eine Gelegenheit gegeben, Merlin zu fragen, wieso ihn Balinors Tod so erschüttert hatte… wieso sie so rasch Freunde geworden zu sein schienen.   Nun kannte er die Antwort…     Hart schluckte Arthur, spürte tief in seiner Brust sein Herz schmerzen, schlimmer als zuvor. Wenn er als Außenstehender bereits von dieser Erkenntnis erschüttert wurde, wie musste es dann erst Merlin selbst ergangen sein? Er hatte seinen Vater gefunden, ihn für wenige Stunden kennen dürfen und dann sogleich wieder verloren. Sein eigener Vater war in Merlins Armen gestorben. Wie schrecklich das für den Schwarzhaarigen gewesen sein musste, vermochte sich Arthur nicht vorzustellen.   Wie war er für Merlin möglich, diesen Schmerz auszuhalten? Vor allem, wenn er mit Niemanden darüber reden konnte? Es erschien Arthur unmöglich. Er selbst war damals so unendlich dankbar, dass Merlin an seiner Seite war und auf ihn gewartet hatte, als er die Totenwache für seinen Vater abhielt. Sein Vater! Uther hatte Balinor gejagt, weil er ein Drachenmeister war. Er hatte Merlin den Vater genommen, bevor dieser überhaupt geboren wurde. Er hatte Merlin den Vater und somit einen Teil seiner Kindheit genommen. Und Arthur war kaum besser. Er kam sich so endlos dumm vor aufgrund seiner Worte von damals. „Kein Mann ist deine Tränen wert!“ Wie konnte er nur so dumm sein?! Merlin hatte jedes Recht ihn einen Schwachkopf zu nennen! Merlin versuchte damals alles, um sein Leid zu überspielen und schenkte seinem König sogar ein aufmunterndes Lächeln, damit dieser seine Zweifel zerstreuen konnte, weil er selber Angst hatte, gegen den Großen Drachen in den Kampf zu ziehen. Das alles hatte Merlin für ihn getan, obwohl er erst seinen Vater verloren hatte, den er nur für wenige, kostbare Stunden kennen durfte. Und Arthur, blind wie er war, hatte ihm nicht einmal die Zeit zum Trauern gegeben. Jeder durfte um seinen Vater trauern. Wenn er doch nur die Wahrheit gewusst hätte… Arthur verstand es nicht. Wie konnte Merlin nach alldem noch bei ihm bleiben und ihm immer und immer wieder das Leben retten? Wie konnte Merlin das alles bewältigen und verarbeiten?! Es hätte Arthur nicht gewundert, wenn gerade Merlin an diesem Schmerz kaputt gegangen wäre… Und wieder schienen die beiden etwas gemeinsam zu haben. Arthur kannte das Gefühl, einen geliebten Menschen zu verlieren. Er wusste um den Schmerz, wenn einem der Vater entrissen wurde. Doch im Gegensatz zu ihm hatte Merlin niemanden, mit dem er diesen Wissen teilen konnte, mit dem er reden konnte. Der ihn hätte trösten können… Mit Ausnahme von Gaius vielleicht… Gaius…   Dies war der Moment, in welchem Arthur eine Entscheidung fällte. „Wachen!“     „Arthur, was - ?!“, wollte Gwen fragen, doch da wurde bereits die Tür geöffnet und eine der Wachen, welche in dem Gang positioniert waren, trat ein. „Ihr habt gerufen, Mylord?“ „Bringt Gaius zu mir.“ Gwen holte erschrocken Luft, doch die Wache nickte und machte sich bereits auf den Weg. „Arthur, was ist los?“ Der König seufzte. „Mir ist gerade etwas klar geworden. Und ich muss dringend mit Gaius sprechen.“ „Und was ist dir klar geworden?“ Arthur setzte sich auf das Bett und bedeutete Gwen, sich neben ihn zu setzen. „Als wir damals ausgeschickt wurden, um den… Drachenmeister zu finden,… benahm sich Merlin ziemlich seltsam.“ Arthur schloss die Augen. Die Erkenntnis, welche noch immer in seinem Kopf hämmerte und sein Herz überschwemmte, belastete ihn sehr. „Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und ich habe auch die Chance, ihn zu fragen, nicht genutzt. Auch während unseres Aufenthaltes wurde es nicht besser. Doch er schaffte es ungewöhnlich schnell, sich mit dem Drachenmeister anzufreunden und überredete ihn, mit uns zu kommen. Doch dann wurden wir angegriffen und der Mann tödlich getroffen, als er versuchte, Merlin zu beschützen. Als der Drachenmeister… starb, war Merlin untröstlich. Ich dachte mir… es ist halt Merlin, er ist immer besorgt um andere…“ Arthur musste leicht lächeln, ebenso Gwen. Sie wussten beide besser als jeder andere, das Merlin sich für jeden seiner Freunde oder jemand Unschuldigen aufopfern würde, wenn es notwendig war und das er ein großes Herz hatte. „Aber es war etwas anderes…“ Das Lächeln von Arthur erstarb so schnell, wie es gekommen war. „Bevor der Große Drache Merlin… mitnahm…“ Hart schluckte der König, als er an seinen Schwerverletzten Diener dachte. Seinen Schwerverletzten Freund, welcher seinen Platz eingenommen hatte… „Da hat Merlin den Drachen gefragt, ob jemand stolz auf ihn wäre. Ein gewisser Balinor.“ Arthur blickte auf, da er während seiner gesamten Rede auf seine Hände gestarrt hatte. Nun blickte er direkt in die Augen seiner Frau, welche ihn genau beobachtete und ihm bisher schweigend zugehört hatte. Sie runzelte die Stirn und schien zu überlegen. Sich an die Worte erinnern zu wollen. Plötzlich schienen sie ihr wieder in den Sinn gekommen zu sein. Gwen begann zu zittern. „Sein Vater…“, hauchte sie tonlos. Arthur schluckte hart und sagte mit matter Stimme „Das war der Name von dem Drachenmeister, der damals in Merlins Armen gestorben ist.“   Erschrockenes, tiefes Luftholen war die Folge seiner Worte. Voller Entsetzen schlug sich die Königin die Hände vor den Mund. Große braune Augen sahen den König schockiert an. „Der Drachenmeister...Balinor...er war Merlins Vater?” Gwens Stimme war nur ein Hauchen. Der Schock grub sich noch tiefer in ihr Inneres. Tränen traten in ihre Augen. Wie viel hat der junge Zauberer noch verborgen... Wie viel Schmerz und Verlust musste Merlin noch alleine bewältigen?   Arthur sah den Schmerz in den Augen seiner Frau und verstand sie nur zu gut. Seine Wut und seine Enttäuschung wurden von einer Welle Mitleid davon gespült. Doch es gab noch einiges, was er wissen musste. Und dafür brauchte er Gaius. Sanft nahm Arthur Gwens Hände in seine. „Gwen“, begann er leise. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst. Aber im Moment ist es das Beste, wenn ich alleine mit Gaius spreche.“ Große, braune, Tränen gefüllte Augen sahen ihn an und der König musste hart schlucken. „Aber warum?“, schluchzte die Königin. „Warum kannst du ihm nicht einfach verzeihen?“ Arthurs Hände verkrampften sich. „Es gibt Dinge… die ich wissen will, die ich wissen muss. Erst dann kann ich es vielleicht verstehen… und verzeihen. Doch im Moment…“ Unsicher leckte sich der Blonde über die Lippen. „Ich bitte dich einfach, noch etwas Geduld zu haben. Sobald ich alles geklärt habe, werde ich dir alles erzählen, das verspreche ich dir.“ Gwen schluchzte und es schien eine Ewigkeit zu vergehen, wie es dem König vorkam, bevor sie nickte. Anscheinend traute sie ihrer eigenen Stimme nicht. Verständlich. Sie beugte sich vor und hauchte Arthur einen Kuss auf die Wange, bevor sie flüsterte „Ich bitte dich… versuche es.“ Nach diesen Worten erhob sie sich und ging zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen. Gwen verließ die Gemächer und das anscheinend nicht zu früh, denn nur wenige Augenblicke später klopfte es an der Tür, worauf Arthur „Herein!“ rief. Die Wache führte Gaius herein und verbeugte sich. Arthur nickte. Er hatte sich bereits wieder zum Fenster begeben und sah hinaus. Er wollte nicht auf dem Bett sitzen, wenn er mit Gaius sprach. „Danke. Ihr könnt gehen.“ Die Wache verbeugte sich abermals und verließ den Raum. Nun waren die beiden Männer alleine.   Tief atmete Arthur durch, bevor er sich zu seinem Hofarzt umdrehte. Er hatte ihn seit der Schlacht nicht mehr gesehen. Er hatte damals nur den Abmarsch befohlen und als sie im Camelot waren, hatte Gwen sich um den Rat gekümmert, während sich Arthur in seine Gemächer zurückzog, um die Ereignisse zu verarbeiten. Ein Ritter war auf seinen Befehl hin zwar bei dem Hofarzt gewesen und hatte ihn über den Sieg informiert, aber so wie es aussah hatte noch niemand Gaius von den Vorkommnissen berichtet. Gaius verbeugte sich leicht. „Ihr habt mich rufen lassen, Sir?“ Arthur wandte seinen Blick zurück zum Fenster. Er hatte weder die Zeit noch den Nerv, noch groß um den heißen Brei herumzureden, also fragte er frei heraus, genau das, was er von Gaius wissen wollte. „Wusstet Ihr, dass Merlin… ein Zauberer ist?" Die Frage kam so plötzlich und unerwartet, dass Gaius erschrocken zusammenfuhr und seine Augen aufriss. Seine Stimme versagte. Als der Hofarzt nicht antwortete, drehte sich Arthur wieder zu ihm um. Seine Miene war ausdruckslos. Gaius wirkte mit einem Mal so alt, wie er wirklich war. „Eurer Schweigen spricht für sich“, sagte er, „Ihr wisst es.“ Tief atmete Gaius ein. Demütig senkte er den Kopf. „Ja, Mylord“, gab der Hofarzt zu. Bedauern schwang in seiner Stimme mit und auch so etwas wie… Angst? „Doch bitte glaubt mir. Ich hätte dieses Geheimnis niemals gewahrt, wenn dadurch Ihr, Euer Vater oder Camelot jemals bedroht gewesen wären. Merlin ist ein Zauberer, das ist wahr. Aber er ist kein Feind Camelots." Nachdenklich, mit aus dem Fenster gerichteten Blick, nickte Arthur. „Ich weiß.“, sagte er schließlich. „Er hat mich beschützt. Und nicht nur mich. Gwen, Leon, Percival, Elyan und Gwaine. Uns alle hat er vor den Sachsen, vor Morgana und Mordred und auch vor dem Roch beschützt.“ Arthur erzählte Gaius alles über die Ereignisse in der Schlucht von Camlann und zwar wirklich alles. Dabei erinnerte er sich an die Hoffnungslosigkeit, welche ihn ergriffen hatte, als er dieser Übermacht gegenüberstand. Egal, wie gut sie sich gegen die Sachsen hätten behaupten können, gegen Morgana oder der Roch hätten sie nicht bestehen können. Keiner von ihnen. Und er, Arthur hätte zusehen müssen, wie die Menschen, die ihm etwas bedeuteten, niedergemetzelt werden sollte. Ein Alptraum. Und dann war da Merlin. Alleine stand er da, zwischen seinen Freunden und den Feinden, wollte die einen beschützen und musste die anderen aufhalten. Dabei hat er sich keinen einzigen Augenblick lang um sich selbst gesorgt, sondern nur um seine Freunde. Dabei kam ihm der Große Drache zur Hilfe und gemeinsam schafften sie etwas, das sich ganz Camelot erhofft hatte und sie dennoch nie alleine geschafft hätten. „Merlin hat die Sachsen besiegt, er kann den Großen Drachen befehligen, er hat den Roch vernichtet und er hat Morgana getötet…“ Arthur erschauderte leicht, als er an die Macht dachte, welche Merlin sein eigen nannte. „Er ist so mächtig... mächtiger als ich mir wahrscheinlich vorstellen kann. Und doch hat er mir stets loyal gedient, sich von mir schikanieren lassen. Und doch hat er mich beschützt. Sogar mehr als das." Arthurs Blick fuhr zurück zu Gaius Gesicht, welcher geschwiegen hatte, während der König nachgedacht und geredet hatte. „Warum hat er das getan? Dazu hatte er keinen Grund. Wenn ich das richtig sehe, war er die ganze Zeit über stärker als ich. Weit stärker. Mit nur einer einzigen Handbewegung hätte er mich zu Boden werfen können. Stattdessen wurde er mein Diener und ließ sich von mir herumkommandieren und riskierte ständig sein Leben! Ich verstehe das nicht!“ Die Stimme des König wurde lauter und seine Hände ballten sich. Seine Augen suchten die von Gaius. Er wollte all das endlich verstehen. Nachsichtig erwiderte Gaius den Blick des Königs. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Wirklich nicht? Merlin ist Euer Freund, Sir. Euer bester Freund. Und in einer Freundschaft, besonders in der Euren, geht es nicht darum, wer der Stärkere ist. Merlin sieht Etwas in Euch. Etwas Besonderes, für das er bereit ist, sein Leben zu geben. Und ich bin mir ganz sicher, dass Ihr bereit wärt, dasselbe auch für ihn zu tun. Ändert denn die Tatsache, dass Merlin ein Zauberer ist, etwas daran?" Mit einem Schlag verpuffte die Wut, welche sich in Arthur verbreitete. Verständnis nahm ihren Platz ein. Natürlich hatte Gaius Recht. Merlin hatte nie auch nur den geringsten Zweifel daran gelassen, dass er sein Leben für Arthur geben würde. Jederzeit und überall. Und auch Arthur selbst hat schon mehrmals sein Leben riskiert, um das von Merlin zu retten. „Er hat sicher schon tausendmal sein Leben für Euch riskiert und im Hintergrund die Fäden gezogen, um Euch zu retten....und Camelot. Er tut es aus Treue, aus Freundschaft und....weil es sein Schicksal ist....euer gemeinsames Schicksal.“ Dieser letzte Satz verwirrte Arthur. „Was meint Ihr mit `gemeinsames Schicksal´?“ Doch darauf schüttelte Gaius nur en Kopf. „Nicht mir gebührt das Privileg, Euch davon zu berichten, Sir, verzeiht. Doch Ihr sollt wissen, dass Merlin immer alles in seiner Macht stehende getan hat, um Euch zu beschützen. Der Gedanke, das ihr sterben könntet, war und ist unerträglich für ihn, dass hätte er niemals verkraftet. Es ist sein Schicksal, Euch zu beschützen. Das hat er all die Jahre getan. Er setzte seine Magie zum Schutz seiner Freunde ein, zum Schutz von Camelot… doch vor allem, um Euch zu beschützen und Camelot seinen wahrhaftigen und größten König zu wahren.“     Jetzt verstand Arthur. So vieles verstand er jetzt....jetzt, wo es schon beinahe zu spät war. Er lebte noch, weil Merlin ihn all die Jahre beschützt hatte.... im Verborgenen. Mit seiner Magie. Alleine.   Er hatte alle Demütigungen, Spott, Launen, kleineren und größeren Gemeinheiten Arthurs über sich ergehen lassen. Manchmal stillschweigend, manchmal mit bissigen Gegenkommentaren. Merlin war immer an seiner Seite und der König wusste, dass er ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte. Wie oft hatte er es getan, als es nicht offensichtlich war? Wie oft war der Schwarzhaarige bei ihm, ohne das Arthur oder jemand anders es ahnte? Nachdem Arthurs damals die Mortäus-Blume für seinen Diener geholt hatte, hatte er die Vermutung, dass es jemanden gab, der über ihn wachte und ihn beschützte. Sollte dieser Jemand wirklich Merlin gewesen sein? Hatte er damals das Licht geschickt, das den damaligen Prinzen aus der Höhle geführt hatte, als dieser gerade versuchte, das Leben von Merlin zu retten? Hatte Merlin schon damals seine Magie benutzt, um seinen Herrn zu beschützten?   Er war so dumm gewesen....so überheblich....so selbstgefällig. Musste sein Freund erst beinahe dem Tod erliegen, sodass Arthur endlich die Augen geöffnet werden konnten? So oft schien Camelot bereits dem Untergang geweiht, doch jeden Feind konnten sie zurückschlagen. Der König konnte es sich nicht erklären, schob es auf Zufälle, auf die herausragenden Fähigkeiten seiner Ritter, dabei hatten sie das alles Merlin zu verdanken. Der Schwarzhaarige hatte recht, ihn einen Trottel zu rufen. Arthur war mehr als das. Tränen stiegen in ihm auf, je mehr er nachdachte, doch Arthur schluckte sie herunter. Wieso war es ihm nie bewusst gewesen? Wieso hatte er nie begriffen, was Merlin alles für ihn und auch für Camelot getan hatte? Und vor allem und das war in Arthurs Augen das Schlimmste: Warum zweifelte er an seinem besten Freund und war im Begriff ihn hängen zu lassen?!?   Merlin war kein böser Mensch. Magie konnte nicht böse sein, wenn jemand wie Merlin sie beherrschte. Das wusste Arthur. Er glaubte fest daran, das die Worte von Gaius wirklich wahr waren. Und tief in seinem Herzen wusste Arthur es auch. Aber… Für einen Moment hatte er gezögert. Da hatte er in Merlin wirklich… etwas anderes gesehen. Für einen Moment… Nein, nicht nur für einen. Um ehrlich mit sich selbst zu sein… Arthur entsann sich an zwei Momente, an denen er an Merlin gezweifelt hatte.   Als er die Sachsen getötet hatte. Wie eine todbringende Welle raste seine Magie über die Sachsen hinweg und ließ fast ihre Knochen zerbersten und sie gegen die steinernen Schluchten krachen. Mit einem Schlag fanden mehrere Menschen den Tod. In diesem Moment dachte Arthur, dass Magie wirklich schlecht war und unter diesen Einfluss schien auch Merlin geraten zu sein. Denn niemals hätte Merlin, der friedvollste Mensch, den er kannte, abgesehen von seiner Frau, jemanden getötet. Schon gar nicht auf so brutale und zerstörerische Art und Weise. Doch das tat er, um seine Freunde Willen. Um sie zu schützen.     Der andere Moment… als Merlin seine Magie gegen Arthur selbst wendete. Als der Schwarzhaarige seine Hand ausstreckte und ihn mit goldenen Augen ansah, da war Arthurs erste Gedanke, dass er sterben würde. Das er dort, in der steinernen Schlucht von Camlann, durch die Hand seines Freundes und Dieners… durch die Hand eines Zauberers sterben würde. Doch das Gefühl, welches sich in dem König ausbreitete, war nicht schlecht, schon gar nicht böse. Es war warm. Machtvoll. Schützend. Es war das gleiche Gefühl, als wenn Merlin in seiner Nähe war. Dann fühlte sich Arthur tief in seinem Inneren ebenso.   Als er die Ausmaße begriff, welche dieser Zauber mit sich brachte… das Merlin sein eigenes Leben auf die Waagschale geworfen hat, nur um seines zu retten… Das riss Arthur beinahe den Boden unter den Füßen weg und er schämte sich, dass er je an Merlin gezweifelt hatte. Und wenn Arthur daran dachte, was für Schmerzen sich Merlin angetan hatte und vor allem, für wen er das alles getan hatte… dann konnte Arthur beim besten Willen nicht glauben, dass die Magie böse war. Das Merlin böse war. Das war unmöglich.     Arthur seufzte. So viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf umher, so viele Gefühle drohten sein Herz zu überschwemmen. Der König wollte Antworten und obwohl er kein Mann großer Worte war, wollte er nichts anderes als ein Gespräch mit dem Schwarzhaarigen führen. In Wirklichkeit wollte er jedoch etwas anderes und dieser Wunsch entsprang direkt seinem Herzen: Arthur wollte einfach nur seinen Freund Merlin zurück, dieses völlig unkomplizierte Verhältnis, welches sie beide immer glücklich gemacht hat. Das Band, das zwischen ihnen geflochten worden war, ohne, dass man es sehen oder berühren konnte. Ein Band, welches von nichts oder niemandem jemals zerstört oder zerrissen werden konnte. Der König wusste, so würde es vielleicht nie wieder werden, doch er war bereit, mit Merlin zu reden. Nein, er musste mit Merlin reden und es versuchen. Versuchen, dass sie beide noch immer ein solch glückliches Leben führen können. Das war er ihm, nach allem, was der Schwarzhaarige für Arthur getan hatte, einfach schuldig. Und der König gab zu, er konnte sich ein Leben und Camelot ohne den Schwarzhaarigen gar nicht mehr vorstellen.   „Was denkt Ihr, wie lange es dauern wird, bis Merlin geheilt ist und er wieder zurückkommt?“ Gaius schwieg. Er hatte eine Antwort für den König, doch diese würde diesem gewiss nicht gefallen. Verwirrt sah Arthur zu seinem Hofarzt. In diesem Moment schien es ihm, als könnte er ihm sein Alter wirklich ansehen. Er schien auch ein wenig blass geworden zu sein, seitdem er von dem Zustand seines Ziehsohnes erfahren hatte. Verständlich. Sonst wirkte der Mann vor ihm immer stark und unbändig, doch die Ereignisse schienen auch ihn sehr mitzunehmen. Doch darauf konnte Arthur keine Rücksicht nehmen. Er wollte eine Antwort. „Gaius?“ Der alte Mann seufzte. „Ich kann nicht sagen, wann Merlin zurückkehren wird. Wenn er denn zurückkehren wird.“ Arthur riss die Augen auf. „Was soll das heißen?!“ Gaius schloss ergeben die Augen. „Merlin hatte immer Angst davor, dass Ihr die Wahrheit über seine Magie herausfinden würdet. Er hatte Angst, dass Ihr es nicht verstehen würdet.“ Arthur schüttelte beinahe entsetzt den Kopf. Kein Ton kam über seine Lippen. Merlin hatte Angst? Vor ihm? Aber er würde ihm nie etwas tun, das könnte er gar nicht, es würde den König selbst zerstören. Vielleicht denkt Merlin aber auch, dass er nicht mehr willkommen ist, jetzt da Arthur weiß, dass er ein Zauberer ist. Das er ihn verachtet, ihn hasst und seine Freunde ebenso. Schließlich hatte Arthur früher auch die Magie gehasst. Für Merlin gab es keine Garantie, dass er ihn nicht hassen würde. Für jemanden wie Merlin muss es ein zerstörerisches und zerreißendes Gefühl sein. „So ein Idiot!“, brauste Arthur mit einem Mal auf. „Er glaubt doch wohl nicht im Ernst - !“ Arthur war aufgebracht, konnte sich noch beherrschen, um sich nicht die Haare zu raufen. „Der Junge kann was erleben, wenn ich ihn sehe!“   Gaius sah überrascht aus, seine Augen weiteten sich. „Sir, heißt das…?“ Arthur hörte auf zu wettern und drehte sich seinem Hofarzt zu. „Ich danke Euch für dieses Gespräch, Gaius, es war sehr aufschlussreich. Jetzt hätte ich gerne wieder meine Ruhe, um weiter nach zu denken.“ Obwohl Gaius alles andere als gehen wollte und eine Antwort herbeisehnte, hatte er keine Wahl. Der König würde ihm sonst direkt befehlen, die Gemächer zu verlassen oder die Wachen rufen. Leicht verbeugte er sich, gab ein „Mylord“ von sich und verließ die Gemächer des Königs.     Endlich wieder alleine atmete Arthur erstmal tief ein und seufzte.   Es schien, als wäre durch die Erkenntnis über den Vater von Merlin, dessen weitreichende Loyalität und das Gespräch mit Gaius ein dunkler Schleier von seinen Gedanken und seinem Herzen gewischt worden, ein Schleier, der all die guten Seiten und die guten Taten von Merlin verdeckte. Ein Teil seines alten Selbst, welches die Magie noch verabscheute und verachtete. Der Teil, der um jedem Preis seinem Vater gefallen wollte. Doch die Gedanken dieser Seite hatten nun keinen Wert mehr.   Wir konnte er nur jemals an Merlin zweifeln? Er war der treueste Freund, den man sich wünschen konnte, welcher fest an Arthur und die Zukunft Camelots glaubte. Er konnte es stets in seinen Worten hören, welche nie aufrichtiger klangen als in den Momenten, in denen er von der großen Zukunft Arthurs sprach, an die er glaubte. Die Entschlossenheit in den blauen Augen, wenn er sich einer Gefahr stellte oder sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, um seinen König, seine Freunde oder ganz Camelot zu schützen. So viel er ihnen allen verheimlicht hat, so ehrlich war er ihnen gegenüber doch gewesen. Er war ihr aller Freund, er hatte alles getan, um zu helfen und sich ihre Freundschaft zu verdienen. Er war mutig und loyal, einen besseren Mann als Merlin konnte man in allen fünf Königreichen nicht finden.   Merlin war immer an Arthurs Seite, ob in gefährlichen Situationen oder zu völlig belanglosen Festen. Wahrscheinlich selbst zu Gelegenheiten, an denen es Arthur noch nicht einmal aufgefallen war. Arthur fühlte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete. Merlin war für ihn immer etwas Selbstverständliches gewesen. Jemand, der immer für ihn da war. Jemand, der ihm immer den Rücken stärkte und immer die richtigen Worte fand, egal in welcher Situation. Merlin war immer an seiner Seite gewesen. Von Anfang an, selbst als er noch so ein Ekelpaket von Prinz war. Merlin hatte ihn gelehrt, dass er nur auf sein Herz hören musste, um ein gerechter König zu sein. Er hatte sich vor Merlin nie verstellen müssen. Und selbst wenn Arthur es getan hätte, der Schwarzhaarige hätte ihn mit Leichtigkeit durchschaut. Bei Merlin musste er nicht der großkotzige Prinz oder der allmächtige König sein - Arthur konnte ganz er selbst sein. Über die Jahre hinweg war Merlin sein engster Vertrauter und vor allem sein bester Freund geworden. Arthur konnte selbst nicht sagen, wann er begonnen hatte, mehr in dem schlaksigen, jungen Mann zu sehen als einen miserablen Diener und unfähigen Trainingspartner. Es hatte sich einfach so ergeben. Dabei gab es so viel, dass er Merlin noch nie gesagt hatte und unbedingt noch sagen wollte und noch viel mehr, das er über ihn wissen wollte. Denn immer wieder blitzten Charaktereigenschaften von Merlin auf, die Arthur nie an ihm vermutet hätte und wobei sein Stolz ihm im Weg war, um weiter nachzufragen. Und die größte Eigenschaft war ihnen allen verborgen geblieben. Merlin war ein Zauberer. In all den Jahren, die sie bereits Seite an Seite kämpften, lachten, und auch weinten hatte er es nie bemerkt. Arthur hätte nie auch nur den Verdacht, dass Merlin ein Zauberer sein könnte. Rückblickend erklärte es natürlich auch einige Dinge, auf die Arthur sich bisher keinen Reim hatte machen können.   Aber warum hatte Merlin sein Geheimnis so lange gewahrt? Warum hatte er es nicht wenigstens ihm, Arthur, anvertraut? Ein bitteres Gefühl stieg in dem König auf. `Merlin hatte immer Angst davor, dass Ihr die Wahrheit über seine Magie herausfinden würdet. Er hatte Angst, dass Ihr es nicht verstehen würdet.´ Die Worte von Gaius… Merlin hatte Angst. Angst vor seiner Reaktion. Und das mit Recht, wie der König befand. Denn er war sich vor Kurzem selbst noch unsicher, was er mit Merlin machen würde, wenn er ihn sah. Arthur überraschte sich selbst, als merkte, dass er Merlin verstand. Zumindest zum Teil. Gänzlich würde er sicher niemals verstehen, wie sehr Merlin unter all den Lügen und dem ganzen Versteckspiel gelitten haben musste. Der König musste auch zugeben, dass ein großer Teil, wenn nicht gar der größte Teil der Schuld bei ihm lag. Er hatte Merlin nie einen richtigen Grund gegeben zu glauben, dass er verschont werden würde. Schlussendlich musste Merlin doch sogar fest damit rechnen, dass Arthur es als Verrat ansehen würde und ihn als Verräter auch hätte hinrichten lassen. Wenn auch vollkommen unabsichtlich, Arthur hatte dennoch seinen Anteil dazu beigetragen, dass Merlin niemals offen zu ihm gewesen war. Arthur atmete tief durch und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Sie hatten so viel zu bereden! Es gab so viel, was Arthur wissen wollte, wissen musste! Er schluckte. Wie es Merlin jetzt wohl ging? Seine Verletzung war schwer, dass wusste Arthur. Mit einem Schauer erinnerte er sich an seinen blutverschmierten Freund zurück. Konnte der Drache… konnte Kilgharrah ihn retten? Arthur hoffte es wirklich. Zum ersten Mal in seinem Leben hoffte er auf die Macht der magischen Wesen. Entschlossen öffneten sich die blauen Augen und blickten aus dem Fenster hinaus in den Himmel, welcher bereits dunkel geworden war. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden!         Es war bereits später Abend, als Arthur Leon, Percival, Elyan und Gwaine in seine und Gwens Gemächer rufen ließ. Die vier Ritter waren in lockerer Kleidung zu ihrem König gekommen, denn sie hatten im Moment keinen Dienst. Sie wurden freigestellt, denn nach den Ereignissen, dessen Zeuge sie wurden, hätte sich keiner wirklich auf seine Arbeit verlassen können. Für Arthur war es relativ ungewohnt Sir Leon so zu sehen, denn ihn sah er meistens in einer Rüstung, nur selten im Pub, wenn sie Abends noch einen Trinken gingen, dann trug er andere Kleidung. Doch im Moment musste er sich mit anderen Dingen befassen.   „Ich habe mich entschieden.“   Die Schultern seiner Ritter spannten sich an. Sie alle wussten, welche Entscheidung der König gefällt hatte, denn es gab nur eine Sache, welche sie alle mitnahm. Elyans Blick wanderte sofort zu seiner Schwester, doch Gwen stand mit dem Rücken zu ihnen, sodass er nicht einmal erahnen konnte, was Arthur sagen würde. Der König besah sich jeden Einzelnen von ihnen. Elyans Gesicht war ernst. Er war Merlin sehr dankbar, dass er ihm geholfen hatte, als er besessen war. Er würde sich wünschen, wenn er wieder zurückkommen würde. Percival sah nicht anders aus als sonst, aber Arthur wusste, dass er damals ein Versprechen gab, auf Merlin Acht zu geben und ihn zu beschützen. Und unter seinen Muskeln war der große Ritter ein sehr sensibler und fürsorglicher Mann. Leon sah ebenso ernst aus wie Elyan. Er sah Merlin als wertvollen Freund an. In seinen Augen war der Schwarzhaarige nicht nur ein einfacher Diener, sondern ein mutiger Mann, welcher an die Seite des Königs gehörte, damit dieser zu dem König wurde, den das Volk brauchte. Gwaine schien es am Schlimmsten erwischt zu haben. Seine Miene war zerknirscht, seine Hände zu Fäusten geballt. Es schien ihn tief zu treffen, dass Merlin sich ihm nicht anvertraut hatte. Natürlich, er sah Merlin als seinen besten Freund an. Und Arthur wusste, was ihn von Gwaines Seite erwartete, wenn er die, aus dessen Sicht, falsche Entscheidung getroffen haben sollte. Denn Arthur war mit Sicherheit nicht der Einzige, welcher mit Merlin reden und einige Dinge klären wollte. Arthur sah jedem seiner Ritter in die Augen, bevor er sie auch nicht länger auf die Folter spannte. Gwen drehte sich in dem Moment um. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab. „Ich werde mich morgen in aller Frühe aufmachen, um meinen Freund wieder nach Hause zu holen!“ Ein Grinsen begann sein Gesicht einzunehmen. „Wer möchte, kann mich begleiten.“ Ein breites Grinsen auf den Gesichtern seiner Freunde war Antwort genug.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)