stray angels von Lissekatze (eine MMFF) ================================================================================ Prolog: Dem Blütenduft entgegen ------------------------------- Es gibt eine Legende. Eine Legende die erzählt das irgendwo hier auf der Erde das Paradies versteckt ist. Doch nur die Wölfe können es finden und betreten. Jedoch ... Wölfe gibt es nicht mehr, oder? „Hier scheint es auch nicht zu sein...“ Der junge Wolf stand auf einer Klippe und sah hinunter zu den Häusern. Sein goldbraunes Fell wurde vom Wind gestreichelt und von der Sonne gewärmt, doch sein Blick war traurig. Ein zweiter Wolf trat neben ihn, genauso jung, doch ein Stück größer als er. Sein dunkles Fell setzte einen krassen Kontrast zu den hellen Steinen auf denen die beiden Rüden standen. „Aber das Blütenblatt kam zweifelsohne aus dieser Richtung.“ Suchend sah er hinunter, doch auch seine Augen fanden nicht das, wonach sie suchten. „Das ist der Blütenduft, den Vater und Mutter damals verloren.“ Für einen Augenblick schloss er die Augen. „Außerdem ... kann ich es hören Bruder.“ „Ja, ich auch.“ Auch der kleinere Wolf schloss nun seine Augen und seine Ohrenspitzen zuckten nervös. „Man kann die Stimmen der Wölfe hören.“ „Gehen wir.“ - - - - - - - - - - Wir befinden uns rund ein oder zwei Jahre in der Zukunft nach Kibas Kampf mit Darcia. Was aus den Wölfen und Chesa geworden ist weiß keiner so genau. Ob sie nun gestorben sind, oder noch immer leben, doch wird sich das im Verlauf der Geschichte (hoffentlich) klären. Im Grunde hat sich nicht viel verändert. Die Menschen leben wie vorher, die verbliebenden Tiere auch. Doch manche von ihnen hatten das Glück einem Streunerpack aus Wölfen und einem Mädchen zu begegnen, das ihr Leben veränderte. Und noch etwas ging mit der Natur vor sich. Der Schnee zog sich langsam zurück und immer öfter und wärmender schien die Sonne. Kapitel 1: Der Beginn einer Freundschaft? ----------------------------------------- Die Blumen, sie rochen so süß und leicht. Sie mochte es hier. Wenn doch nur die Menschen von diesem Ort fort gehen würden ... Shadow lag im Gebüsch, gut versteckt beobachtete sie ein Mädchen mit langen Haaren und einem schön bestickten Mantel, wie diese weitere Blumen in die Erde setzte. Kein Wunder dass das Mädchen mehr nach Blume als nach Mensch roch. Selbst wenn sie die Wölfin bemerkt hätte, wäre sie keine Gefahr gewesen. Shadow wollte sich gerade erheben, da hörte sie plötzlich ein lautes Rufen. "Tiaaaa!" Es kam noch ein Mensch! Die Wölfin spannte ihre Muskeln an und knurrte leise. Beobachtete wie der Junge immer näher kam, doch hielt sich noch versteckt. Ein Angriff würde ihr jetzt nichts nützen. Schwer atmend kam der Junge näher. "Tia! Da bist du!" Das Mädchen, welches die Blumen anpflanzte, stand auf und rieb ihre Hände aneinander. Ihr Atem stand in der Luft. Eigentlich war es viel zu kalt für Blumen. Der Meinung war wohl auch der Junge. "Ist es denn okay die Blumen nach draußen zu bringen?", wollte er wissen. "Ja." Das Mädchen sah wieder auf die Blumen und lächelte. "Sie sind zwar die ganze Zeit im Gewächshaus gewesen. Aber die Blumen haben mir etwas verraten." Verwirrt richtete sich der Junge auf. Er kam langsam wieder zu Atem, doch Tia achtete nicht auf ihn, sondern erzählte weiter. "Sie sagen, dass die Zeit des Eises nun vorbei ist." Solch ein Unsinn! Shadows Knurren wurde kurz lauter, so dass die beiden Menschen sich in ihre Richtung drehten. Hatten sie sie etwa gehört? Die schwarze Wölfin hielt die Luft an. Doch war es von den beiden nur ein prüfender Blick, sie taten es wohl als Einbildung ab. Plötzlich veränderte sich der Gesichtsausdruck des Jungen und er sah wieder zu seiner Freundin. "Da fällt mir ein..." "Ja?" "Es gibt Gerüchte im Ort." Während Tia sich wieder auf den Boden hockte und sanft die Blumen berührte, redete der Junge weiter und auch Shadow lauschte gespannt, was wohl jetzt kommen würde. "Irgendwo weit, weit weg von hier soll das Paradies erschienen sein." Erschrocken sog Shadow die Luft ein. Das Paradies? Was hatten Menschen mit dem Paradies zu tun? Das war kein Ort für Menschen! "Das muss schön sein...", hörte sie den Jungen wieder reden. "Was das wohl für ein Ort ist? Da würde ich gerne hingehen." Plötzlich lachte Tia. "Was redest du da, Nem? HIER entsteht das Paradies." Nun reichte es endgültig. Mit einem lauten Knurren sprang Shadow aus dem Gebüsch. Vorbei an den zwei erschrockenen Menschen und vorbei an den Häusern. "Was wisst ihr denn schon vom Paradies! Ihr habt keine Ahnung, alle beide nicht!", schrie sie und lief immer weiter. Sie hatten doch alle keine Ahnung. Zitternd legte Nem seine Hände um Tia, die nur verwundert der Wölfin hinterher sah. "Sie hat mich ganz schön erschreckt", seine Stimme zitterte immer noch. "Wer war dieses Mädchen? Ich habe sie hier noch nie gesehen...", wollte Tia wissen. "Ich auch nicht... Aber was meinte sie damit, das wir keine Ahnung hätten?" "Ist doch egal." Lächelnd entzog sich Tia seinen Händen und folgte dem Weg. "Lass uns nach Hause gehen." Nem nickte und beeilte sich hinterher zu kommen. Auf einem Hügel nicht weit vom Blumenfeld entfernt standen zwei Jungen und sahen der schwarzen Wölfin hinterher wie sie davon lief. Und wie dann die beiden Menschen einen anderen Weg einschlugen um wieder ins Dorf zu kommen. "Die Kleine sah mehr nach Fuchs aus, als nach Wolf", lachte einer der Beiden. Seine kurzen, blonden Haare wurden vom Wind zerzaust und wehten auch seinen mittelalterlichen, braunen Mantel nach hinten. Amüsiert sah er zu dem etwas größeren Jungen nebem ihm. Er sah älter als er aus. Wie 17 vielleicht, dabei waren sie beide gleich alt. "Zwei Jahre ist es nun schon her, das wir jemand anderen auch nur über das Paradies haben reden hören." "Hm. Wir sollten ihr hinterher. Vielleicht weiß sie etwas...", meinte der Schwarzhaarige. "Meinst du wirklich?" Zweifelnd sah er den Jungen an. "Ich denke, ich werde mich eher in dem Städtchen umhören. Den Gerüchten lauschen und so." Grinsend stieß er den anderen an, so dass der Schwarzhaarige erschrocken stolperte und seine Wolfsgestalt klar zu erkennen war. "Na los Zaben. Renn dem Weibchen hinterher, wenn du unbedingt willst." Mürrisch lag der Blick des dunkelgrauen Wolfes auf dem goldbraunen Fell seines Bruders. "Pass auf dich auf, Jul. Mach keine Dummheiten." "Hey. Beim letzten Mal warst du es, der das halbe Dorf in Aufregung versetzt hat", verteidigte sich dieser laut, da Zaben schon losgelaufen war. "Dieser dumme Typ, eigentlich sollte er als der Ältere ein wenig verantwortungsvoller sein..." Shadow rannte so schnell und weit, bis sie weder Puste noch die Kraft hatte weiter zu rennen. Sie wusste zwar nicht mehr viel, aber sie wusste, das hier das Paradies ganz sicher nicht war. Oder das Menschen überhaupt was vom Paradies wissen konnten. Es gehörte den Wölfen. Nur allein den Wölfen und sonst niemandem. Schwer atmend wurde sie langsamer, bis sie schließlich gänzlich stehen blieb um auf der selben Stelle sich in den Staub zu werfen. Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Es war unmöglich, das ihr jemand gefolgt sein konnte! Vielleicht war sie geradewegs ohne es zu bemerken, an einem Jäger vorbei gelaufen. Erschrocken drehte sich die Wölfin um und traute ihren Augen kam. Nicht weit hinter ihr lief ein Wolf genau den selben Weg entlang wie sie. Ein Wolf! Ein anderer, richtiger Wolf! Ihr Herz schlug schneller und während der Fremde sein Tempo zügelte, richtete sich die Wölfin auf, so dass sie nun aufrecht saß. "Du bist ganz schön schnell für eine Füchsin" Der Ton klang fast zu ernst um amüsiert zu sein, dennoch war sie unbegeistert. Sofort verflog die positive Stimmung in die sie durch das Auftauchen des Wolfes gerutscht war. Aber die Aufregung blieb. "Ich bin keine Füchsin, sondern ein echter Wolf, falls deine Nase zu stumpf ist um das zu erkennen." Es hatte sie noch nie jemand als Füchsin bezeichnet. Zumindest glaubte Shadow das. "Vielleicht sollte man dir deine Ohren und deinen Schwanz ein wenig stutzen. Dann würde ich dir das eher glauben, Füchsin." Das letzte Wort betonte der Fremde besonders, so dass nun jegliche Sympathie die sie ihm entgegengebracht hätte verschwunden war. "Bist du mir nur hinter her gelaufen um mich wütend zu machen, WOLF?" Sie mochte ihn jetzt schon nicht. Er hatte seine Chancen verspielt. Punkt. "Nein." Die Antwort fiel so knapp aus, das Shadow zu überrascht war um zu reagieren. Stattdessen saßen sich die beiden Wölfe gegenüber und starrten sich prüfend an. Er war etwas kleiner als sie. Kaum merklich, aber für Shadow ein Zeichen, das er wohl auch schwächer war. Er wirkte auf sie nicht wie ein Kämpfer. "Ich könnte dich ganz leicht besiegen, wenn du mich weiter ärgerst", stellte sie trocken fest. "Mit dem Ärgern hast du angefangen." Er klang nicht sonderlich eingeschüchtert. Er klang überhaupt nicht eingeschüchtert. Das war bedauerlich. "Nur weil ich ein Weibchen bin, heißt das nicht, das ich nicht kämpfen kann." "Hab ich auch nie behauptet." Wieder vergingen einige Augenblicke der Stille. Langsam machte dieser dumme Wolf sie wirklich wütend. "Führt das hier noch zu was? Sag endlich warum du mir hinterher gelaufen bist!", knurrte Shadow und richtete sich kampfbereit auf. Doch der Dunkelgraue blieb gelassen sitzen. "Sicher nicht um gegen dich zu kämpfen." Er wollte sie eindeutig ärgern. Oder er war einfach dumm. Andere Möglichkeiten gab es nicht. Zumindest fielen Shadow im Moment keine ein. "Na schön. Warum dann?" Sie würde bestimmt nicht mehr als Erste sprechen. Diesmal würde sie sein Spielchen gewinnen. "Du hast vorhin gesagt, die Menschen haben keine Ahnung vom Paradies... Du schon?" Immer noch klang der Fremde so gelassen wie zuvor. Sie wusste nicht ob es das war, diese Gelassenheit - oder dieser Satz - was sie wieder aus der Fassung brachte, oder die Tatsache das er plötzlich die Spielregeln geändert hatte. "Erzähl mir davon..." Sie sollte ihm vom Paradies erzählen? "Zuerst kommst du her und machst dich lustig über mich und dann erwartest du, das ich dir was über das Paradies erzähle?" "Ich habe mich nicht über dich lustig gemacht. Du hast es nur so aufgefasst." Immer noch fixierte er sie mit seinem Blick. Er wirkte so fern und doch so klar. Als ob nichts was sie sagen würde, ihn überraschen könnte. "Dann hättest du dich eben anders ausdrücken sollen. War ja nicht meine Schuld." So, das hatte er nun davon. Sie hatte keine Lust mehr. Sollte dieser dumme Wolf doch sehen wo er bleibt. Mit einer fließenden Bewegung lief Shadow an dem Dunkelgrauen vorbei. Wieder Richtung Stadt. Nach ein paar Schritten blieb sie jedoch wieder stehen und sah hinter sich. Der Rüde hatte sich nach ihr ebenfalls umgedreht, machte aber nicht den Eindruck als ob er ihr folgen wollte. Unschlüssig stand die Wölfin einen Moment lang still, bevor sie sich wieder umdrehte und loslief. Sollte der Rüde doch sehen wo er bleibt. Sie lief davon. Die große, schwarze Wölfin mit den überlangen Ohren und dem buschigen, langen Schwanz. Ihr Brustfell hatte einen starken Kontrast zu ihrem sonstigen Fell abgegeben. Die ganze weiße Fellzeichnung eigentlich ... Zaben blieb einfach sitzen. Er hatte nicht vor der Wölfin zu folgen ... Und natürlich war sie eine Wölfin. Er hatte zwar noch keine Füchse getroffen, aber der Rüde war sich sicher, dass sie anders rochen. Ganz anders als ein Wolf oder ein Hund. Dennoch hatte ihn ihre ganze Erscheinung an einen Fuchs erinnert. Und er hatte es auch gar nicht böse gemeint. Schon längst war die Wölfin aus seinem Blickfeld verschwunden und immer noch saß er regungslos auf der Straße. Hörte auf die Geräusche des Windes und der Vögel und wartete. All zu lang musste er nicht warten, bis in der Ferne ein Lichtreflex zu sehen war. Und eine schlanke, schwarze Silhouette, die immer näher kam. Sie hatte ein Halsband, dünn, aber mit eckigen Plättchen in größeren Abständen. Goldfarben, genau wie ein Reifen an ihrer linken Hinterpfote. Beides reflektiere die Sonnenstrahlen, was der Wölfin eine gewisse Leuchtkraft verlieh. Er beobachtete wie sie immer näher kam und schließlich vor ihm stehen blieb. Amüsiert verzog er die Lefzen und sah ihr geradewegs in ihre braunen Augen, die ihn seinerseits zornig fixierten. "Schön. Du hast gewusst das ich wieder umdrehen werde, stimmts? Was hat dich so sicher gemacht?", wollte sie wissen. Zabens Ausdruck war nun wieder ernst. "Weil auch du von dem Duft der Blumen immer weiter geleitet wirst. Deshalb bist du auch hier. Hier an diesem Ort, mitten im Nirgendwo." Seine Erklärung war eigentlich keine Erklärung. Eine Feststellung. "Alle Wölfe folgen diesem Duft. Es ist wie ein innerer Drang. Der Duft der Mondblume leitet uns zum Paradies." Zaben stand auf und lief seinerseits nun an der Wölfin vorbei Richtung Dorf. Ließ sie verdutzt mit offenem Maul stehen. "Mein Bruder ist in der Stadt. Komm Füchsin." "Hey! Ich habe auch einen Namen!", rief die Schwarze wütend und holte auf. "Nenn mich Shadow und nicht Füchsin." "Freut mich.", meinte der Dunkelgraue trocken. Sie liefen schweigend nebeneinander, bis Shadow es nicht mehr aushielt. "Nun sag mir endlich auch deinen Namen!" "Zaben." "Wie?" Kurz fiel sie zurück. So überrascht war sie über seine Antwort. Shadow hatte nicht gedacht, das der Wolf plötzlich so kooperativ sein würde. "Warum hast du ihn nicht gleich gesagt?" "Du hattest nicht danach gefragt." "Was bildest du dir eigentlich ein wer du bist? Du ... du ..." Sie wollte ihre Wut mit einem passenden Wort untermalen, doch fiel ihr keines ein. "Du Wolf du!" So, das musste jetzt sitzen. Zumindest fühlte sie sich besser. Und als Shadow zur Seite sah, merkte sie das sein Blick amüsiert auf ihr lag. Kapitel 2: Gejagt ----------------- Ihr Herz schlug so schnell das sie glaubte es würde gleich zerspringen. Doch sie musste weiter rennen. Erst vor kurzem war sie in diese verdammte Stadt gekommen. In diese dämliche Kuppel und für was? Nur um jetzt hier von irgendwelchen speichelleckenden Hunden durch die Gegend gejagt zu werden? Nein. Das war es definitiv nicht, was sie hier her getrieben hatte. Eher die Aussicht das hier angeblich andere Wölfe leben. Aber möglicherweise waren das nur Gerüchte? Immerhin war sie seit gut zwei Wochen hier und hatte bisher keinen anderen Wolf getroffen. Sie hätte wieder gehen müssen. Wieder weiter suchen müssen, doch... irgendwas hielt sie hier. Irgendwas war in dieser Stadt mitten im Nirgendwo… Sackgasse. "Mist", fluchte die Wölfin und sah sich nach einem anderen Fluchtweg um. Der Einzige den es gab war geradewegs zurück oder nach oben. Zurück konnte sie nicht. Und nach oben? Bevor sie einen klaren Gedanken gefasst hatte, was sie jetzt tun würde, tauchten hinter ihr schon die Hunde auf. Sie bellten nicht. Knurrten nicht. Sie griffen nur an und töteten. Doch nicht heute, nicht mit ihr. Gerade noch rechtzeitig sprang sie zur Seite um dem ersten Angriff auszuweichen. Doch der zweite Hund verbiss sich unvermittelt in ihr hinteres Bein. Laut jaulte sie auf. Doch es blieb keine Zeit sich dem Schmerz hinzugeben. Sie musste überleben. Mit einem gezielten Biss brach sie dem Hund das Genick. Dessen Körper erschlaffte sofort, doch währenddessen sprang der zweite Hund auf sie zu und warf die Wölfin zu Boden. Seine Zähne gingen haarscharf an ihrer Schnauze vorbei. Mit einem gezielten Tritt warf sie den Hund wieder runter, so dass er ein paar Meter weiter kullerte. Beinahe gleichzeitig richteten sich die beiden Tiere wieder auf und fixierten sich mit ihren Blicken. Eine kleine Verschnaufpause, nichts weiter. Plötzlich ein lauter Knall und die Wölfin durchzuckte ein scharfer Schmerz an der linken Schulter. Sie blickte zur Seite und sah direkt auf einen Menschen mit einer Handfeuerwaffe. Eine Soldatin, die direkt auf sie zielte. Der Hund nutzt die Ablenkung um die Wölfin wieder anzugreifen und verbiss sich diesmal in ihre Schulter. Sie versuchte ihn abzuschütteln, doch da fiel ein weiterer Schuss. Die Wölfin spürte den feinen Luftzug, der durch die Kugel verursacht wurde, die jedoch nur ein paar Haare mitriss. Das war knapp. Sie musste sofort hier weg, bevor weitere Soldaten auftauchten. Die schwarze Wölfin mobilisierte noch einmal all ihre Kräfte. Mit einer schnellen Drehung packte sie den zweiten Hund am Kragen, warf ihn zu Boden und riss ihm die Kehle auf. Sie schmeckte den feinen metallischen Geschmack, doch lies sie von dem Tier sofort wieder ab und schnellte in Richtung der Soldatin. Nach oben würde ihre nun verletzte Schulter nicht mehr zulassen. Ein weiterer Schuss, doch sie konnte ausweichen. Weitere Männer, Soldaten tauchten auf und legten bereits die Waffen an. Die Wölfin legte noch einmal an Tempo zu, lief direkt auf die Soldatin und mitten durch ihre Beine. Warf die Frau um und stieß auch ein paar andere an. Sie spürte die harten Körper, manche an ihrer verletzten Schulter, doch sie lief weiter. Ein weiterer Schuss, meilenweit neben ihr. Sie glaubte nicht, das es die Frau gewesen war, doch umdrehen wollte sie nicht. Sie musste laufen. "Hören sie auf Munition zu verschwenden!", fuhr sie ihren Untermann scharf an. "Sollen wir den Wolf nicht weiter verfolgen?", wollte ein weiterer ihrer Soldaten wissen, doch die Frau schüttelte nur den Kopf. "Es hat keinen Sinn. Er hat beide Hunde getötet." Sie wusste, das sie den Wolf nicht erkennen würden. Nicht ohne die Hunde. "Einer lebt noch!" Einer der Männer war zu den Hunden gegangen. Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei ihm angelangt und kniete sich neben dem Hund nieder. Er kämpfte schwer mit der Luft. Röchelte und war blutüberströmt. "Er macht es nicht mehr lang, ersparen sie ihm die Qualen." Ihr Blick glitt zu dem zweiten Hund, dessen Körper reglos da lag. Er war sofort tot gewesen. Der Glückliche. Sie sah wieder zu dem zweiten Hund. "Das hast du gut gemacht." Sanft streichelte sie ihm durchs Fell, was der Hund mit einem zucken seines Schwanzes beantwortete. Dann stand sie auf und richtete ihre Waffe auf ihn. Schon bevor sie auch nur in der Nähe des Labors war, hörte sie die Musik. Wobei als Musik wollte sie es eigentlich nicht bezeichnen. Es war laut, es hatte einen harten Bass und eine Melodie konnte sie eigentlich auch nicht wahr nehmen. Je näher weiter sie ging, desto mehr spürte sie wie der Boden vibrierte und bald schon musste sie sich die Ohren zu halten. Sie beschleunigte ihre Schritte, öffnete die Tür zum Labor und ging zielsicher zu der Anlage um diese abzuschalten. Erleichtert atmete sie aus als es wieder still war. "Wo steckt sie nur?", murmelte die Frau leise, als sie sich umsah und niemanden im Labor entdecken konnte. "Kein Wunder bei dem Krach..." Erst nach dem sich ihre Ohren wieder an die Stille gewöhnt hatten, nahm sie das Surren der Geräte war. Die vielen Lichter durchbrachen den kalten Schein der Neonlampen. Und die weißen Blumen verbreiteten einen feinen Duft. Sie sah zu den durchsichtigen Röhren in denen in grüner Flüssigkeit undefinierbare Gebilde steckten. Die meisten von denen würden nie was werden und wenn doch würden sie nach wenigen Tagen sterben. "Nemue!", hörte sie plötzlich eine glockenklare Stimme hinter sich und nur wenigen Augenblicke später spürte sie ein Gewicht auf ihrem Rücken und eine Umarmung. "Nicht so stürmisch, Schwesterchen", meinte sie sanft und drehte sich um. Liebevoll drückte sie das viel kleinere Mädchen an sich. Spürte den rauen Stoff des weißen Kittels und ein feiner Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihr in die Nase. "Wieso lässt du den Krach laufen, wenn du eh nicht da bist?" "Das ist kein Krach, Nemue. Das ist Musik." Ihre Schwester löste sich aus ihrer Umarmung und strahlte sie fröhlich an. "Außerdem war ich nur kurz weg. Berichte abgeben", erklärte sie selbstbewusst, bevor sie an eines der Geräte ging und ein paar Knöpfe drückte von denen Nemue eh nichts verstand. "Wir haben heute einen gefunden." "Was?" Ihre Schwester drehte sich verwirrt um. "Meinst du etwa ...?", fragte sie ungläubig und Nemue nickte. "Genau. Ein Wolf. Diesmal jedoch ein Schwarzer. Jedoch deutlicher kleiner als der den wir vor zwei Jahren gefunden haben." "Wow und habt ihr ihn?" "Nein, er ist entkommen..." Man sah die Enttäuschung in dem Gesicht des jungen Mädchens und sie wirkte wie das Kind, das sie eigentlich war. "Ich vergesse immer wieder wie jung du eigentlich bist...." Nemue ging ein paar Schritte auf ihre Schwester zu und strich ihr gedankenverloren ein paar Strähnen ihrer braunen Haare aus dem Gesicht. "Keine Angst. Ich bin alt genug um den Job zu machen und ich bin die Beste die sie bekommen können, seit Doktor Degré verschwunden ist." Selbstbewusst war sie, keine Frage. "Gehst du noch in die Schule, Nami?" Nemues Blick war zweifelnd und streng, doch ihre Schwester grinste nur. "Na klar. Ich will ja auch etwas lernen, was nichts mit Alchemie und Adeligen zu tun hat." Zufrieden nickte die große Schwester, bevor sie sich daran machte wieder zu gehen. "Warte Nemue. Bevor du gehst will ich dir noch was zeigen." Bevor sie reagieren konnte, packte Nami sie auch schon an der Hand und zog sie mit. Bereitwillig folgte sie ihrer kleinen Schwester in einen anderen Teil des Labors. "Wir haben endlich wieder ein Exemplar dessen Werte genial aussehen und Hunt und ich wollen heute die Flüssigkeit ablassen und sehen ob es überlebt." Nemues Gesicht verfinsterte sich und sie blieb stehen. Hielt ihre Schwester fest, so das auch sie nicht weiter ging. "Was ist los?" Verwirrt drehte sich Name zu ihr und sah zu Nemue hoch. "Ist es wegen Hunt? Keine Angst, bevor er kommt, kannst du schon längst weg sein." Namis grinsen wurde wieder weniger, als Nemue den Kopf schüttelte. "Nein, es ist wegen dem Projekt. Du weißt das du dir nicht zu viele Hoffnungen machen solltest. Du warst die letzten Male als ihr das versucht habt am Boden zerstört. Hast dich tagelang in deinem Zimmer eingesperrt." "Ja, aber diesmal ist es anders. Ihre Werte sind so gut wie nie zuvor. Einfach genial! Ich bin mir sicher, das sie es schaffen wird auch die ersten Tage zu überleben." Nami wollte weiter gehen und versuchte wieder ihre Schwester mit zu ziehen, doch diese rührte sich nicht. "Ich mache mir nur Sorgen um dich, Nami..." "Ja ich weiß. Aber diesmal glaube ich wirklich das wir es schaffen. Ganz sicher." Sie drehte sich wieder um. "Vertrau mir. Außerdem, wenn es schief geht, dann werde ich mich nicht mehr einsperren. Versprochen! Hoch und heilig." "Ach Nami..." Nemue zog das viel kleinere Mädchen an sich und drückte sie fest. Schloss dabei die Augen. "Ich hab doch nur dich." Nami erwiderte die Umarmung und so standen die beiden jungen Frauen eine zeit lang still, bevor diesmal Nemue die Umarmung löste. "Gut und nun zeig mir das Kleine, auf das du so stolz bist." Das Mädchen nickte und zog ihre Schwester wieder fröhlich hinter sich her. Nicht lange und sie standen vor einem Container mit grüner Flüssigkeit, der sich in Nichts von anderen der Container hier unterschied. Nur dass das Wesen darin klar zu erkennen war. Das helle Fell wiegte sich sanft wie im Wind und es sah aus als würde das schlafende Wesen schweben, wären da nicht die ganzen Schläuche. "Das ist sie", sagte Nami stolz und klopfte sanft gegen die Scheibe. Für einen Augenblick sah es so aus, als hätte sich das Ohr des Kleinen bewegt. Wie ein Zucken im Schlaf, wenn es ein Geräusch gibt. Nemue bemerkte es und schielte zu ihrer Schwester, die es mit einem Nicken bestätigte. "Sie reagiert auch auf andere. Auf Musik zB. Ihre Werte verändern sich ständig, sie nimmt ihre Umgebung wahr. Sieht du jetzt warum ich mir diesmal so sicher bin?" "Wie soll man bei deiner ... Musik keine Reaktion zeigen?", witzelte Nemue schroff und bekam dafür einen sanften Fausthieb in den Oberarm. "Mach dich nicht lustig darüber. Sie ist toll." Nemue entfernte sich wieder von dem Container. Sah noch mal auf das Wesen. "Wirst du ihm diesmal wirklich wieder einen Namen geben? Besser wäre es wenn es doch eine Nummer unter vielen bleibt." Ihr Stimme klang emotionslos, als sie den Zettel auf der unteren Kante des Behälters ansah. "2566 wäre ein bescheuerte Name und spricht sich zu lang. Außerdem hat sie schon einen Namen." Nemue zog die Augenbrauen zusammen, sagte jedoch nichts dazu, sondern lies ihre Schwester einfach weiter reden. "Sie heißt Asha und ich finde er passt wunderbar zu ihr." "Warum? Was bedeutet er?" "Hoffnung." Es hatte sie verwundert, das die Menschen sie nicht weiter verfolgten. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst war, dann hatte es sie mehr verwundert, das die Menschen sie überhaupt verfolgt hatten. "Autsch." Sie versuchte still zu liegen und das Pochen in ihrer Schulter zu ignorieren. Sie musste überlegen was sie als nächstes tat. Sollte sie noch weiter in dieser Stadt bleiben oder lieber weiter suchen? Sie wusste nicht was sie eigentlich in dieser Stadt noch fest hielt, wenn es hier eh keine anderen Wölfe gab. "Wahrscheinlich sind sie alle ausgerottet durch diese Soldaten." Sie lachte leise bei sich, zuckte aber wieder zusammen als der Schmerz durchzuckte, wegen einer unachtsamen Bewegung. Seufzend legte sie den Kopf auf die Vorderpfoten und beobachtete die Vögel welche sich in der Nähe nieder gelassen hatten und versuchten irgendwas zwischen den Ritzen zu erhaschen. Vielleicht irgendwelche Körner... Sie hatte Glück das sie diesen Baum gefunden hatte, mit dieser Höhle. Eine Ruine, wie viele andere in dieser Stadt die ziemlich verlassen wirkte. Seit sie in dieser Stadt war, kehrte sie immer wieder hier her zurück um sich auszuruhen. Sie schloss die Augen um zu ruhen, doch ein Schuss nicht all zu weit entfernt lies sie zusammen zucken. Sofort waren ihre Sinne wieder hell wach. Konnte es sein, das die Menschen sie schon wieder gefunden hatten? Mühsam kroch die Wölfin wieder aus der Höhle und sah sich um. Weit und breit sah sie weder einen Menschen, noch roch sie jemanden. Doch dann wieder ein Schuss. Eigentlich ging es sie nichts an. Vielleicht schossen sich die Menschen gegenseitig nieder. Vielleicht versuchte jemand Tauben zu jagen. Doch ruhen konnte sie nicht mehr. Immerhin bestand eine geringe Chance das hierbei ein Wolf gejagt wurde. So wie sie vorher. Trotz ihrer Verletzung lief sie los. Auch wenn die Chance noch so klein war. Ein Artgenosse würde heute nicht sterben. Die pechschwarze Wölfin kam in einer Menschenmenge zu stehen. Man beachtete sie nicht, alle Blicke waren gebannt auf das Geschehen in der Mitte der Straße gerichtet und die Leute standen alle gedrängt an den Häuserwänden. Bis auf die Soldaten, diese zielten oder schossen immer wieder auf zwei kämpfende Gestalten. Die Luft war erfüllt vor Angstschweiß, Blut und Schießpulver. Die Wölfin setzte für einen Moment das Herz aus, als sie sah wer da miteinander kämpfte. Eine weitere Wölfin, doch auch wenn sie so groß wie sie selbst war, handelte es sich hierbei noch um einen Welpen! Immer wieder versuchte die junge Wölfin den Hund vor sich zu fassen zu kriegen, doch erfolglos. Doch auch der Hund bekam keine Chance. Immer wieder blitzen ihre Zähne aneinander vorbei, rissen Kratzen ins Fleisch. Das ganze Spektakel glich einem Bizarren Tanz. Die Menschen schossen nicht. Zu groß wohl die Angst ihren Hund zu treffen. Diesmal nur einer. Der Blick der Pechschwarzen streifte durch die Soldatenreihen. Die Frau war nicht dabei. Plötzlich jaulte der Hund auf und die Wölfin hörte das Knacken von Knochen. Automatisch glitt ihr Blick wieder zu den Kämpfenden. Der Hund lag am Boden und versuchte von der jungen Wölfin zu entkommen. Doch diese hatte sich fest unter seiner Schulter verbissen und lies nun nicht mehr los. So viel der Hund auch zappelte, er kam nicht raus. "Lass los du dummes Ding!", schrie sie der Wölfin entgegen und die Menschen um sie herum machten ihr erschrocken Platz. Sofort lief sie los zu der Wölfin die tatsächlich den nun winselnden Hund los gelassen hatte, selbst jedoch mit offenem Maul und großen Augen zu ihr starrte. "Lauf weg!", knurrte sie und stieß die junge Wölfin beiseite, spürte im selben Augenblick jedoch einen gewaltigen Schmerz in ihrer Brust, der sie zu Boden warf. Erschrocken hielt sie den Atem an. Sie hatte den Menschen gesehen, der seine Chance erkannte hatte, doch nun hatte die Kugel sie erwischt. Doch Hauptsache ... "Beweg dich endlich...", keuchte sie zu der Wölfin die sie ihrerseits erschrocken anstarrte und sich vor Schock noch immer nicht bewegte. Mit einem wütenden Knurren richtete sich die Pechschwarze wieder auf und biss der jüngeren in den Schwanz, woraufhin diese aufjaulte. Doch diesmal lief sie. Mitten durch die Menschen die ihr voller Angst Platz machten. Die Wölfin versuchte ihr zu folgen, doch sie spürte wie das Blut aus ihrer Wunde floss und den Boden durchtränkte. Sie machte ein paar Schritte, knickte jedoch wieder ein. Langsam wurde sie sich ihrer Umgebung für einige Augenblicke bewusst. Sie hörte die Menschen schreien und die Soldaten, wie sie sich irgendwas zu riefen und auf sie zu kamen, dann schloss sie die Augen und auch die Umgebung begann stiller zu werden. Zumindest konnte der Welpe entkommen und sie selbst spürte keinen Schmerz. Wie seltsam ... Doch riechen konnte sie noch. Neben ihrem eigenen Blut, der alle anderen Gerüche überdeckte, nahm sie den feinen Duft von Blumen wahr. Mit einem Lächeln öffnete sie noch mal die Augen, doch alles war verschwommen. "Komme ich jetzt ins Paradies?" Kapitel 3: Immer wieder Freeze City ----------------------------------- Der Schneesturm zerrte schmerzhaft an ihrem Fell. Ihre Beine fühlten sich an wie Stöcke die gar nicht mehr zu ihr gehörten. Dennoch lief sie immer weiter. Weiter und weiter durch das weiße Nichts. Die grauschwarze Wölfin legte keine Pause ein. Sie wusste zwar nicht wohin sie lief, aber sie wollte auch nicht stehen bleiben. Zu groß war ihre Angst davor das sie der Schnee dann gänzlich schlucken würde. Und dann wäre da keiner mehr, der sich an sie erinnern würde. Keiner mit dem sie jemals wieder ein Rudel bilden würde. Dabei war sie doch noch viel zu jung ... zu jung zum Sterben. Und so lief sie weiter. Immer weiter und weiter ... "Hee, das ist aber ein ziemlich großer Hund." Der Soldat ging näher zu dem Tier, welches halb im Schnee begraben war. "Es ist wahrscheinlich tot, das arme Ding ...", meinte sein Partner. "Sollen wir es hier einfach so liegen lassen, was meinst du?" Der erste Soldat zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Ich hab noch nie davon gehört, das vor der Kuppel ein Hund zusammen gebrochen wäre, aber kein Wunder ... bei dem Wetter." Sein Blick schweifte in die Ferne. Nichts war zu sehen, außer dem Horizont und der weißen Landschaft auf die einige Schneeflocken hinunter tanzten. "Ich hab gehört das es weit weg von hier Sommer wird. Meinst du der Frühling kommt auch zu uns?" "Nicht nach Freeze City." "Und was machen wir nun mit dem Hund hier?" Er stocherte mit dem Lauf seiner Waffe nach dem Grauschwarzen Tier. "Sein Fell ist noch recht weich, es kann also noch nicht lange tot sein." "Meinst du es ist ein Wolf? Dann können wir ihn an das Forschungslabor verkaufen und uns die Kohle aufteilen.", witzelte sein Kamerad. Der Andere musste lachen. "Ich glaub nicht das Major Elare davon so begeistert wäre. Die würde uns beiden den Kopf abreißen und an die Hunde verfüttern." Beide stimmten in das Lachen des jeweils anderen ein, doch genauso plötzlich wurden beide wieder still. "Sie muss davon ja nichts erfahren..." Sie spürte ein Ziehen an ihrem linken Hinterbein. Und auch die Bewegung und die Unebenheiten des Bodens über den sie geschleift wurde. Nur langsam wurde die Wölfin wieder wach. Wo war sie? Und warum war es so warm? Ihr Fell fühlte sich durchnässt an, aber nicht mehr gefroren. Ihre Gliedmaßen schmerzten und ihr wurde klar, das sie Tagelang ohne jegliche Pausen durchgelaufen war. So lange bis sie diese riesige Kuppel sah. Eine Stadt der Menschen. Ein Ort mitten in der Eiswüste. Ein Ort an dem sie endlich eine Rast einlegen konnte. Mühsam öffnete die junge Wölfin ihre Augen. Unscharf erkannte sie, das ein Mensch sie an ihrem Hinterbein gepackt hatte und sie hinter sich her zog. Ein zweiter ging neben ihm. Und andere Menschen rings herum waren ebenfalls da. Und so viele Gerüche ... So viele Gerüche die es im Schnee nicht gab. Plötzlich schnellte sie nach oben. Obwohl es ihr Kopf und ihr Körper nicht gerade dankten, das sie sich nun so schnell bewegte, wusste die Wölfin das sie die Chance nutzen musste. Die Menschen um sie herum schrien und auch die zwei Männer vor ihr - die zwei Soldaten - waren sichtbar überrascht. "Das Vieh lebt noch!", schrie einer der Soldaten, jener der sie fest gehalten hatte. "Ein Hund, ein riesiger Hund läuft frei in der Stadt herum!", hörte sie die Menschen rufen, als ihre Beine sie schon außer Reichweite trugen. Sie hatte keine Lust Gefangen genommen zu werden, also lief sie immer weiter. Durch die Gassen und hinauf zwischen den Fenstern und Häuserfassaden. Immer weiter Kreuz und quer bis sie niemanden mehr hörte. Kein Schreien. Keine Menschen. Hechelnd und zitternd blieb sie stehen. Sobald sie einigermaßen wieder zu Atem gekommen war, richtete sich die Wölfin wieder auf und prüfte zuerst ihre Beine und Pfoten. Sie schien in Ordnung zu sein. Auch wenn ihre Gliedmaßen schmerzten, schien sie unverletzt zu sein. Ihr Blick glitt gen Himmel, der eine matte Färbung hatte und das Licht der Sonne seltsam brach. "Hier ist es auch nicht anders als Zuhause", stellte sie verdrossen fest. "Aber es ist einerlei ob ich hier bin oder wo anders." Mit einem Seufzen sah sie sich um. Nichts als Ruinen und Müll. Doch was machte es für einen Unterschied? Ihr Magen knurrte und die junge Wölfin musste sich eingestehen, das sie nicht nur seit Tagen durchgelaufen war, sondern auch das sie seit Tagen nichts weiter als Schnee im Magen gehabt hatte. "Zumindest etwas was mir so eine Stadt bieten kann. Essen!" "Mein liebes Kind, möchtest du etwas kaufen?", wollte der alte Mann von ihr wissen. Zweifelnd schnüffelte sie an seinem Stand. Nichts weiter als Gemüse ... "Vielleicht ein paar Gurken, oder Tomaten?" Angewidert verzog die Wölfin die Schnauze. "Nein danke. Kein Bedarf." Auch wenn es ihrem Magen im Moment völlig egal war was in ihm landen würde, so war es ihr nicht gleichgültig. Sie wollte Fleisch. Wie es sich für einen richtigen Wolf gehörte! Enttäuscht trabte sie weiter. Doch nichts von dem was die Menschen hier anboten überzeugte sie. Auch wenn der Rest handelte und die Waren scheinbar gut gingen. Für sie war das ganze Nichts. Aber was solls. Man musste nehmen was man kriegt. Alternativen gab es wohl nicht. Neugierig stellte sie sich zwischen die vielen Menschen und betrachtete das Angebot. Sie spürte die zweifelnden Blicke auf sich. "He Kind, Essen gibt es nur für Geld", brummte sie ein Mann mit einem Schnauzer an. Sie blickte hoch und sah in seine Augen, die unheimlich klein wirkten in seinem Gesicht. "Das weiß ich doch!", verteidigte sich die Wölfin, doch sah sich demonstrativ weiter das Gemüse an. Tomaten, Gurken, Kohl und Rüben. Alles mögliche... Sie schnappte sich eine Gurke und wollte sich gerade davon mach, als der Mann hinter dem Stand plötzlich aufsprang und sie mit dem Fuß kickte. "HE, hab ich nicht gesagt Essen gibt es nur gegen Geld?", brüllte er sie nun an und zog einen Stock herraus. Die Grauschwarze war wegen dem Tritt ein wenig überrascht gewesen und hatte ihre Beute fallen gelassen. Mit einem Knurren blickte sie zu dem Mann hoch. "Es ist nur eine einzelne Gurke, du alter Geizkragen!" Sie sah den Schlag mit dem Stock kommen und wich aus. Doch der Mann lies nicht locker. Wollte sie anscheinend vertreiben. Oder ihr eine Lektion erteilen? "Wenn ich jedem daher gelaufen Streuner ohne Geld eine Gurke abgeben würde, dann hätte ich bald nichts mehr, du dämliches Balg!" Er versuche wieder nach ihr zu treten, doch auch diesmal wich sie aus. Schnellte nach vorn, gerade als er sie wieder mit dem Stock erwischen wollte und verbiss sich in seinem Arm. Der Mann schrie schmerzerfüllt auf, doch sackte nicht zusammen. Stattdessen versuchte er die Wölfin abzuschütteln, die sich in seinem Arm verbissen hatte und schlug immer wieder mit der anderen Faust auf sie ein. "Lass los, du verrückt gewordenes Biest! He, steht nicht so dumm rum. Helft mir doch!" Der Mann sah zu den umher stehenden Menschen die sich um die zwei Streithähne versammelt hatten, doch keiner griff ein. "Na wenn das so ist..." Es war mehr ein heißeres Flüstern, als das es an die anderen Menschen gerichtet war, doch der Mann zog aus seinem Stiefel ein Messer und rammte es der Wölfin in den Hals. Erschrocken von dem Schmerz lies sie los und hustete. "Na endlich, dir werde ich eine Lektion erteilen." Der Mann hielt immer noch sein Messer in der einen Hand und den Stock in der anderen Hand, die nun unaufhaltsam blutete. Genauso auch wie sie das warme Blut an ihrem Hals entlang laufen spürte. Die junge Wölfin knurrte wütend und wollte gerade ihren Gegner anspringen, als sie unsanft am Kragen gepackt wurde. Ein überraschtes Winseln entwich ihrer Kehle und auch der Mann blieb stehen und sah über die Wölfin. "Aber, aber. Man kann das Ganze doch auch friedlich lösen", hörte die Wölfin eine angenehme männliche Stimme hinter sich. "Das Miststück wollte mich beklauen und dann beißt sie mich auch noch!", verteidigte sich der Mann. Die Wölfin sah hinter sich. Der Mann der sie noch immer fest hielt zog ein Bündel Papier aus seinem Mantel und warf es ihrem Angreifer vor die Füße. "Das dürfte das Ganze mehr als genügend entschädigen." Seine Stimme schnitt scharf die Luft an und auch sein Blick duldete keine Wiederworte. Leise fluchend packte der Mann sich den Papierbündel und begann leise zu zählen. "Na komm, junge Dame. Wir sollten von hier verschwinden, bevor er dich noch mehr verletzt." Die Worte, die er an sie richtete klangen viel freundlicher und liebevoller. Sanft lies er sie los und die Wölfin konnte wieder auf allen vieren stehen. Mit einem Nicken folgte sie dem fremden Retter. Sie hätte dem stinkigen Typen zwar zu gern eine Lektion erteilt und sich für die Wunde gerecht, aber der Fremde hatte Recht... außerdem roch er so gut. "Er hat dich ja ganz schön erwischt, lässt du es mich mal ansehen?" Er hatte sich zu ihr umgedreht und wollte nach ihrem Hals greifen, doch sie wich einige Schritte zurück. "Nein, schon okay... das verheilt schnell wieder." Sie wollte nicht mehr von einem Menschen angefasst werden. "Vertrau mir, ich bin Arzt und wir wollen doch nicht das sich die Wunde entzündet?" Seine Worte klangen immer noch freundlich, doch die Wölfin schüttelte energisch den Kopf. "Nein, es ist okay." Resignierend zuckte der Mann mit den Schultern. Doch als ihr Magen sich wieder mit einem Knurren meldete, lachte er. "Dann lass mich dir wenigstens etwas zum Essen kaufen. Deine Gurke hattest du ja nicht mitnehmen können." Er klang freundlich und er roch gut. Also nickte sie erleichtert. "Ist in Ordnung." "Na dann, mein Name ist Hunt Orkham und wie heißt du meine kleine Schönheit?" Er reichte ihr die Hand, doch sie verzog nur das Gesicht. Er übertrieb eindeutig. Auch wenn sie das irgendwie nett fand. Vielleicht wollte er einfach nur freundlich sein und war einfach nur ein netter Mensch. "Freut mich. Ich bin Vero." Sie sah etwas verloren auf seine Hand und dann wieder hoch. "Tut mir Leid. Ich hab total schmutzige Hände und deine Hände sind so ... sauber." Ja, das war gut. Oder etwa nicht. Ihr Retter lachte, doch ließ die Hand wieder sinken. "Schon in Ordnung. Wenn du mir nicht Hand schütteln willst, dann musst du es natürlich nicht." Sie waren in eine etwas bessere Gegend gekommen. Vero hätte nie gedacht, das in dieser seltsamen Stadt so etwas existierte. Es schien relativ sauber zu sein und viele Menschen saßen an Tischen und tranken Kaffee oder aßen Kuchen. Als ob die Welt völlig in Ordnung wäre. "Für viele Menschen hier passt das Leben wie es ist. Sie streben nicht nach Höherem. Sie wollen einfach nur ihren Frieden, verstehst du." Sie nickte auf seine Worte hin, doch wusste darauf nichts zu antworten. Sie wollte auch ein glückliches und friedvolles Leben, doch Vero wusste das sie es hier nicht finden würde. Nicht so wie diese Menschen hier. "Du hast da eine tolle Mütze, Vero. Ist das die Pfote eines Wolfes?" Sie nickte. "Ja ... schon." Ihr Gefühl spielte verrückt. Einerseits befremdeten seine Fragen sie und waren ihr unangenehm. Andererseits ging von ihm keinerlei Gefahr aus. Sie wusste nicht was sie von ihm halten sollte ... "Magst du Wölfe?", wollte Hunt von ihr wissen und sie sah überrascht hoch. Seine blauen Augen lagen prüfend auf ihr. "Ich weiß nicht ..." Natürlich mochte sie Wölfe! Sie war schließlich selbst einer. "Wusstest du, das sie als ausgestorben gelten?" Vero legte den Kopf leicht schief. Ausgestorben? Sie hatte ein ganzes Rudel gehabt und ihre Art galt als ausgestorben? "Was für dumme Menschen...", murmelte leise. Gleichzeitig hörte sie den Mann lachen. "Ja du hast Recht. Vor zwei Jahren erst haben sie uns das Gegenteil bewiesen. Sogar hier in Freeze City waren ein paar Wölfe gewesen... Ah, sieh nur unser Essen kommt." Er unterbrach das Thema als eine hübsche Frau sich ihrem Tisch näherte. Auf dem Tablett waren eine Tasse und ein großer Teller, dessen Duft ihr in die Nase stieg. "Tut mir Leid, du hattest nicht gesagt was du haben möchtest, also hab ich einfach etwas bestellt." Entschuldigend sah er sie an, während die Bedienung ihm eine Tasse hinstellte die stark nach Kaffee roch und mit einer pechschwarzen Flüssigkeit gefüllt war. Dagegen stellte sie auf Veros Seite des Tisches einen riesigen Teller, den sie nun mit großen Augen betrachtete während in ihrem Maul sich die Flüssigkeiten sammelten, die sie nun voller Zurückhaltung schluckte. "Es soll sehr gut sein, also lass dich von mir nicht stören." Vero schnupperte an dem Steak, das halb gar war. So riesig wie es war, schien es eher für eine ganze Familie gedacht zu sein, als für sie allein. Verwirrt blickte sie zu Hunt hoch. Dieser strich gedankenverloren seine kurzen violetten Haare aus dem Gesicht. "Oh, was ist?" Er schien seinerseits überrascht zu sein, doch als er Veros immer noch zweifelnden Blick sah, lachte er wieder. "Ich dachte nur, das ein Kind im Wachstum viel Fleisch braucht. Und außerdem siehst du so als als hättest du seit Tagen nichts vernünftiges mehr gegessen. Lass es dir schmecken." Vero grinste. Hunt war anscheinend wirklich jemand, der sich um seine Mitmenschen sorgte. Dankbar begann sie an dem Fleisch zu kauen, während ihr Retter nur einen Schluck von seinem Kaffee nahm. Während sie noch immer kaute, sah sie wieder hoch. "Willst du nichts essen?", wollte die Grauschwarze wissen, doch Hunt schüttelte nur den Kopf. "Mach dir um mich keine Sorgen. Ich hab schon gegessen", erklärte er sich und Vero nickte zufrieden. Dann brauchte sie ja kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie ihm alles wegfraß. Genüsslich leckte sich Vero den Fleischsaft von der Schnauze. So was leckeres hatte sie noch nie in ihrem Leben gegessen. Und als Hunt ebenfalls seinen Kaffee ausgetrunken und bezahlt hatte, saßen sie immer noch vor dem Cafe und beobachteten die Menschen die an ihnen vorbei eilten. Keiner sprach ein Wort, bevor Hunt aufstand und seinen Mantel zuknöpfte. "Nun meine kleine Schönheit. Ich muss dich jetzt leider wieder verlassen." Sein Blick war sanft, als er zu der Wölfin hinunter sah, die nun ebenfalls vom Stuhl runter sprang und neben ihm stand. "Die Arbeit ruft, aber ich habe keine Zweifel das du wunderbar alleine zurecht kommst." Vero nickte. "Natürlich und vielen Dank für das Essen." Zufrieden fühlte sie wie ihr Bauch sich leicht spannte von dem vielen Essen. "Kein Problem. Vielleicht sehen wir uns ja bald mal wieder, wenn du dich von wütenden Verkäufern verletzten lässt." Sein Blick glitt prüfend über ihre Schulter, an der das Blut mittlerweile geronnen war. Das Messer hatte sie nicht tief erwischt, dennoch war es unangenehm gewesen. "Dann hoffe ich eher, das wir uns nicht all zu schnell wieder sehen." Vero musste lachen. Auch wenn sie seinen Geruch umwerfend fand, konnte sie auf Verletzungen verzichten. Mit einem Nicken verabschiedete sich Hunt und ging zielstrebig los. Lies die Wölfin stehen, die ihm zuerst nachblickte und sich dann in die andere Richtung aufmachen wollte. "Ach Vero!", hörte sie ihn plötzlich rufen und drehte sich wieder um. Hunt stand schon einige Meter von ihr entfernt. Interessiert spitzte sie die Ohren und sah ihn fragend an, als ein Auto vor ihm zum Stehen kam und ihm die Tür geöffnet wurde. Verwundert blinzelte sie ein paar Mal, bevor sie den Kopf schüttelte und weiter gehen wollte, doch dann hörte sie ihn wieder rufen. "Lass dich nicht von den Soldaten erwischen, meine hübsche Wölfin!" Für einen kurzen Moment blieb ihr Herz stehen, doch als sie sich wieder umdrehte um zu ihrem Retter zu sehen, wurde hinter ihm gerade die Tür geschlossen und das Auto fuhr los. Ihre Augen waren geweitet, doch dann schüttelte sie lachend den Kopf. "Der hat mich gerade ernsthaft erschreckt ..." Sie wusste, das ihre Tarnung nicht aufgeflogen war, denn keiner der Menschen hatte plötzlich angstvoll von Wölfen geschrien. Also musste es ein Scherz von Hunt gewesen sein. Ein Scherz, der sie allerdings wirklich aufheiterte. Er schien Wölfe fast so sehr zu mögen wie sie, wenn er so von ihnen redete. Entspannt trabte die Wölfin los um sich weiter in der Stadt umzusehen und vielleicht einen Schlafplatz für die Nacht zu finden. Kapitel 4: Gerüchte ------------------- Hatte dieser Verrückte es also endlich geschafft? Hatte er tatsächlich das Paradies geöffnet? Der ältere Wolf lächelte. Langsam wurde es an der Zeit, das auch er sich wieder auf die Suche machte. Vielleicht hätte er sich nicht von dem Weißen trennen sollen. Er war schon einer gewesen ... Ein seltsamer Kauz. "Hey Pierre!", hörte er eine mittlerweile vertraute Stimme und blickte auf. Ein junger Mann kam auf ihn zu, gefolgt von einem Mädchen. "Hast du schon das Neueste gehört?" Der alte Wolf nickte. "Du meinst das mit dem Paradies?", fragte er und klang dabei gelangweilter als er war. Der Junge blieb stehen. "Woher...?" "Es ist nicht zu überhören. Das ganze Dorf spricht darüber." Ja, es hatte "schnell" die Kunde gemacht. "Ja ... und wir sind mal wieder die letzten auf der Welt die es erfahren." Der junge Mann schob seine Mütze tiefer ins Gesicht und ging weiter. Er und das Mädchen an seiner Seite waren stehen geblieben, doch das hatte er eigentlich gar nicht gewollt. Pierre war froh wenn sie weiter gingen. "Ich hab es dir vorhin schon gesagt. Wir haben unser eigenes Paradies." Das Mädchen wickelte ihr Tuch enger um sich und lächelte den alten Wolf freundlich an. "Tut mir Leid, das wir Sie gestört haben." Pierre winkte ab. "Ist schon okay Tia. Es sind ja auch wirklich interessante Neuigkeiten..." Das Mädchen nickte noch mal leicht, bevor sie ihrem Freund folgte. So hörte sie nicht mehr, was Pierre noch sagte. "Allerdings nicht für Menschen." Tia kam nicht aus dem Dorf. Sie war erst vor einem Jahr hier aufgetaucht, hatte er sich sagen lassen. Und er? Er lebte seit gerademal zwei Monaten hier. Die Knochen taten weg, kein Wunder bei der Kälte. Also hatte der Wolf eine Pause einlegen wollen. Es tat gut für sein Fressen nicht immer jagen zu müssen. Zumindest eine Zeit lang. Doch es war kein Wolfsleben. Mit einem Gähnen sah er sich um. Fast würde er das Dorf hier vermissen. Aber nur fast. Die wenigen Menschen die durch die Straßen liefen, waren allesamt sehr freundlich. Schon lustig wie das Leben so spielte. Ausgerechnet hier verdächtigte ihn keiner. Schöpfte keiner Verdacht, das er ein Wolf war. Langsam setzte er eine Pfote vor die andere. Tia hatte angefangen Blumen zu pflanzen. Dabei war sie mit nur einer Blume hier angekommen. Eine einzelne Blume die an den Geruch der Mondblume erinnerte. Er hatte sie bis jetzt nur einmal gerochen. Lange bevor er den weißen Jungwolf getroffen hatte. Lange, lange davor. Vielleicht war das der Grund warum es ihn hier her gezogen hatte. Vielleicht war auch das der Grund wieso hier vor ein paar Tagen die Jungwölfin aufgetaucht war. Er sollte sie mit nehmen. Auf die Suche nach dem Paradies, das die Blumenjungfrau und Kiba geöffnet haben. Wenn es denn stimmte... Jul schlenderte gelassen durch das Dorf. Es war klein aber sehr weitläufig. Er hätte doch mit Zaben gehen sollen. Hinter der Wölfin her. Den entgegen seiner Hoffnungen gab es hier niemanden, der auch nur eine Ahnung hatte wo das Paradies lag. Sie alle hatten nur Gerüchte gehört. Von einem Wanderer aus der großen Stadt weiter nördlich. Viel viel weiter nördlich. Vielleicht wusste man dort mehr? Es wäre zumindest das Sinnvollste dorthin zu reisen, anstatt weiterhin ziellos nach dem Blumenduft zu suchen, der am Ende doch nur ins Leere führte. Oder zu Gerüchten. Plötzlich blieb er stehen. Interessiert schnupperte er und versuchte den Geruch einzuordnen. Roch es etwa nach Wolf? Mit der Schnauze voran verfolgte er die Duftspur, bis er ihn plötzlich sah. Da stand er. Ein weiterer Wolf. Älter als er und sein Bruder und er redete gerade mit einem Menschen. Er fuhr sich mit einer Hand durch die kurz geschorenen Haare. Der Wolf vor seinen Augen, dessen Fell dunkler war als das seines Bruders, tat allerdings nichts. Jul lief los, doch noch bevor er den grauen Wolf erreicht hatte, wendete sich dieser von dem Menschen ab. "Hier sind sie auch nicht ...", hörte er ihn sagen. Er klang verbittert... "Warte!", rief Jul als sich der Fremde daran machte los zu laufen. Verwirrt drehte dieser sich um und sah den kleineren Wolf an. Sein Blick war halb fragend, prüfend... Desinteressiert. "Was ist los Kleiner?", sprach er ihn kühl an. Sein Ton war nicht unfreundlich, aber kalt. Schneidend. Jul wich zurück. Der Wolf strahlte eine seltsame Würde aus. Eine Würde die von Tod sprach. Und von Leben. "Suchst du auch nach dem Paradies?" Was besseres war ihm nicht eingefallen. Was für eine dumme Frage. Alle Wölfe suchten nach dem Paradies! Der größere Wolf starrte ihn eine Zeit lang abschätzend an, bevor er in lautes Gelächter ausbrach. Das erschreckte Jul so viel mehr, als es harsche Worte getan hätte. Der Wolf sah einfach nicht so aus als ob er viel lachen würde. "Was ist daran so lustig?", motzte der Goldbraune beleidigt. Der andere Wolf wurde wieder ruhiger. Wirkte immer noch erheitert, aber auch .... "Glaub mir, Welpe. Es gibt wichtigeres als das Paradies." Er klang traurig. So unendlich traurig. "Ach ja und was?" Jul war immer noch trotzig. Doch er war auch neugierig. Er wollte wissen, was wichtiger sein könnte als das Paradies zu finden. Doch der Fremde antwortete nicht. Lächelte ihn nur an. "Du erinnerst mich an jemanden. Als er so alt war wie du, hätte er genauso reagiert..." "Komm schon. Was ist wichtiger als das Paradies zu finden?" Jul würde nicht locker lassen. Er wollte nicht locker lassen. Er wollte wissen, was das für ein seltsamer Wolf war. Doch dieser schüttelte nur den Kopf, bevor er sich abwendete und los lief. Jul lief automatisch hinter ihm her. "Das ist etwas, was du nur für dich selbst lernen kannst. Aus diesem Grund musst du deinen eigenen Weg gehen. Und vor allem, lasse deinen Freund hier nicht allein zurück." Meinte er etwa Zaben? Er war nicht sein Freund! "Er ist mein Bruder, kein Freund!" Jul war stehen geblieben und sah dem Grauen hinterher, wie er los lief und schon bald außer Sichtweite kam. "Seltsam ..." Er blinzelte ein paar Mal, bevor er sich umdrehte und wieder zurück gehen wollte. Doch abermals musste er stoppen. Beinahe erschrocken starrte er den Wolf, der in einiger Meter Entfernung vor ihm stand. Dieser war genauso groß wie jener, den er gerade getroffen hatte. Doch sein Fell war schwarz und ... Naja, eigentlich war es grau. Doch es musste früher einmal sehr viel schwärzer gewesen sein als jetzt. Bevor es vom Alter gefärbt wurde. Jul rührte sich nicht. "Mach die Schnauze zu, Welpe, wenn du nicht vor hast was zu sagen." Die raue Stimme des Alten fuhr ihm durch die Knochen. "War der Wolf hier vorhin ein Freund von dir?" Er hatte eigentlich weniger harsch klingen wollen. Eigentlich freute es Pierre sogar einen weiteren Wolf zu sehen. Zwar war der hier genauso jung wie die Wölfin, nach der er eigentlich suchte, aber der Weiße war damals auch nicht älter gewesen. "Ich kenne ihn nicht mal", brachte der junge Wolf nun endlich ein paar Worte hervor. Schon seltsam... "Na, wenn das so ist..." Unschlüssig betrachtete er den halben Welpen. Was ihn wohl hier her verschlagen hatte? "Es ist wirklich seltsam." "Was ist seltsam, Großväterchen?" Er klang nicht einmal beleidigend als der Goldbraune diese Worte sagte, doch Pierre knurrte trotzdem und machte einen drohenden Schritt in Richtung des Jungen. Dieser wich vorsichtig zurück. "Nenn mich nicht Größväterchen!" Väterchen wäre ja noch in Ordnung ... "Ich bin in den besten Jahren meines Lebens!" "War doch nicht so gemeint", verteidigte er sich. "Brauchst dich nicht gleich so aufregen." Pierres Fell glättete sich wieder. "Einmal will ich es dir durch gehen lassen. Doch jetzt erstmal zu was anderem." Er wartete ab ob der Junge ihn unterbrechen würde, doch dieser legte nur den Kopf schief und sah ihn fragend an. "Du hast nicht zufällig eine Wölfin in deinem Alter hier rumstreunen sehen?" Der Blick des Jungwolfes hellte sich auf. "Gehört sie etwa zu dir?" Ob sie zu ihm gehörte? "Ich kenne sie nicht mal", entgegnete er kühl. "Haha, sehr witzig. Ernsthaft?" "Ich mache keine Scherze, Welpe. Also?" Na, das konnte ja heiter werden mit dem Jungspurt. Und Pierre sah es schon kommen. Er würde mit zwei nervigen Jungwölfen an seiner Seite nach dem Paradies suchen. Der Goldbraune sprang auf und tänzelte ein paar Schritte Pierre entgegen und an ihm vorbei. Anders konnte der Alte das einfach nicht bezeichnen. "Mein Bruder ist ihr hinter her gelaufen. Ist gar nicht soo lange her." Na prima... Mit seiner Ruhe und dem Frieden war es definitiv vorbei. Er musste seine Berechnungen auf drei Jungwölfe erhöhen. "Gut. Dann sollten wir sie suchen und dann von diesem Ort verschwinden." Er hatte beschlossen, das es an der Zeit war weiter zu ziehen und auch jetzt würde er sich nicht davon abhalten lassen. "HEY, wer hat gesagt das wir mit dir mitgehen werden?" Der Jungwolf protestierte. Jungwölfe protestierten immer. "Ich habe nie gesagt, das ihr mich begleiten MÜSST. Ich biete lediglich die Option an mich begleiten zu dürfen." Er würde sie bestimmt nicht zwingen mit ihm nach dem Paradies zu suchen. Doch es wäre besser. Immerhin waren sie Wölfe. Und Wölfe suchten immer nach dem Paradies. "Kauziger alter Mann.", flüsterte der Jungwolf, doch Pierre reagierte nicht darauf. Er hatte es gehört, keine Frage. Aber manchmal war es besser auf etwas nicht zu reagieren, anstatt jedem vermeintlichen Angriff immer wieder die Stirn zu bieten. Der Jungwolf lief los und der Alte beobachtete ihn. Langsam lies er sich sinken um in einer bequemen Position zu liegen. Es dauerte auch nicht lange, bis der Kleine wieder zurück kam, nur um ihn grimmig anzusehen. "Kommst du jetzt mit, oder was?" Gelassen gähnte Pierre. "Nicht nötig. Ich bin ein alter Wolf und werde hier auf euch drei warten." Der Jungspurt verdrehte die Augen, bevor er abermals los lief. Diesmal rechnete der Schwarze nicht damit, das er gleich wieder kommen würde. Doch auch alte Wölfe können sich manchmal noch täuschen. "Was vergessen, Welpe?" "Ja, deinen Namen", entgegnete er charmant und wedelte dabei sogar mit dem Schwanz. Junge Wölfe wedelten oft mit dem Schwanz. Vielleicht sollten auch die alten Wölfe das öfter tun. "Es wäre höflicher gewesen mich das zu Anfang unserer Unterhaltung zu fragen." Er klang nicht belehrend. Er stellt es lediglich fest. "Es wäre auch höflicher gewesen, wenn derjenige sich zuerst vorgestellt hätte, der das Gespräch begonnen hat." Nicht schlecht, Welpe. Nicht schlecht. Ein Anflug von einem Lächeln war kurz auf Pierres schwarzen Lippen, bevor er den jungen Wolf wieder ernst ansah. "Mein Name ist Pierre und ich wäre dir sehr verbunden wenn du nicht länger rumtrödeln würdest. Ein alter Wolf hat nicht ewig Zeit." Der Goldbraune nickte zufrieden. "Ich heiße Jul. Meinen Bruder Zaben wirst du auch noch kennen lernen ... und die andere Wölfin." Just in dem Moment in dem er das Wort Wölfin zu Ende gesprochen hatte, lief er auch schon los. Munteres Kerlchen. Er war wohl eingeschlafen, den es war mitten in der Nacht als er plötzlich hoch schreckte. Die Kälte war in seine Knochen eingedrungen, doch das war es nicht was ihn geweckt hatte. Verschlafen blinzelte der Schwarze nachdem er seinen Kopf gehoben hatte und versuchte die Lage zu erfassen. "Pierre!" Da war es wieder. Das hatte ihn geweckt. Diese Stimme. "Hey Großväterchen wo bist du?" Dieser dumme Junge. Pierre streckte sich, bevor er aufstand und langsam aus dem Gebüsch hervor kam. "Hab ich dir nicht gesagt, das du mich nicht so nennen sollst?" Sein Knurren klang weniger ernst. Aber immer noch warnend. "Ach da bist du!" Jul schien ernsthaft überrascht, als er den alten Wolf entdeckte. Pierre dagegen war überhaupt nicht überrascht. Vor ihm standen drei junge und gesunde Wölfe, die ihn allesamt neugierig ansahen. "Du bist ganz schön alt", waren die ersten Worte die Pierre von der schwarzen Wölfin mit dem weißen Brustfell hörte. "Und du bist ganz schön frech." Mehr musste er nicht sagen. Mehr konnte auch niemand sagen, da Jul sich neben Pierre gesellte und sofort zu reden began. "Das ist mein Bruder Zaben und die Wölfin da heißt Shadow. Und der Alte hier ist Pierre." Ja. Die nächste Zeit würde bestimmt nicht ruhig und friedlich verlaufen. Dessen war er sich jetzt hundertprozentig sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)