Nach der Stille von Staubmotte (kommt der Sturm?) ================================================================================ Kapitel 3: Platzregen --------------------- Stundenlang waren wir durch die Straßen gelaufen, auf der Suche nach irgendeinem Lebewesen. Hatten versucht in leere Häuser zu kommen, vergeblich, denn die Türen waren alle verschlossen. Waren bei Restaurants, Parks und anderen öffentlichen Einrichtungen gewesen. Nichts. Überall, jeder Platz, jedes Haus; leer und still. Nicht einmal ein Vögelchen hatten wir ausmachen können. Keinen herrenlosen Hund. Keine streunende Katze. Absolut Nichts. Nichts außer Staub und Dreck. Inzwischen war es Abend geworden und unsere Füße taten von dem vielen Laufen höllisch weh. Wir saßen an der nächst besseren Bushaltestelle und überprüften mit dem Funkgerät alle Kanäle. Aber wie schon den ganzen Tag gab es keine Signale von anderen Funkgeräten. Wie schon den ganzen Tag antwortete niemand auf unsere Signale. Jay hatte sein altes, abgenutztes Funkgerät dabei gehabt und ging jetzt neben mir zum x-ten Mal alle Kanäle durch. Ich saß neben ihm auf der Bank und hatte die Knie angezogen, denn es war kalt geworden. Beton kühlte erstaunlich schnell aus, wenn niemand Wärme produzierte. Ich zog meine Jacke bis zu meinem Kinn zu, schlang meine Arme um meine Knie und fragte ihn: „Wenn keine Antwort kommt, weil niemand solch ein Funkgerät hat“, er wandte sich mir zu „woher hast du dann dieses Funkgerät?“ In meiner Stimme klang ein unbekannter trauriger Ton mit, den ich selber vorher noch nie wahrgenommen hatte. Sein Blick würde trüb und er blickte mit gesenktem Kopf auf unsere letzte Hoffnung in seinen Händen, während er sprach: „ Woher ich es habe? Es ist das Einzige, das ich von meinem Großvater geerbt habe. Er liebte es über alles. Deshalb versuche ich es so gut es geht in Ehren zu halten und...“ Seine Stimme versagte ihm. Wenn etwas für ihn so Wertvolles andere Überlebende gefunden hätte, wäre er sicher sehr stolz auf sich gewesen. Aber nun, wo selbst das nichts helfen konnte, war er enttäuscht von sich selbst. Das wusste ich. „Mach dir keine Vorwürfe. Es ist sicher nicht unsere Schuld, dass das hier passiert ist. Und deine ganz sicher nicht.“ Ich war müde. Und erschöpft. Körperlich wie auch geistig. „Ja, du hast Recht.“ Ein Tropfen traf mich auf meiner Nase. Und erst als ich in den Himmel sah, bemerkte ich die dunklen Wolken, die bedrohlich über der leeren Stadt hingen. „Wenigstens scheint das Wetter noch zu funktionieren.“ Jay schien weniger begeistert zu sein. „Ja. Aber unsere Bushaltestelle ist trotzdem nicht regendicht.“ grummelte er und fing an seine Sachen zusammen zu suchen. Konservendosen, Gaskocher und Wasserflaschen. Alles Gegenstände, die wir über den Tag benutzt hatten. Unsere Vorräte hatten wir heute Vormittag bei den Supermärkten aufgefüllt. Wobei die größte Schwierigkeit darin bestanden hatte, in den Laden zu kommen. Über die Hintertür hatten wir es schließlich doch hinbekommen, glücklich darüber, die Regale räubern zu können. Aber es war ein seltsamen Gefühl gewesen, sich in dem leeren Supermarkt zu bedienen. Zum Glück hatten wir uns ein Exemplar mit Fenstern ausgesucht. Denn die Taschenlampen hätten wir im Dunkeln nie gefunden. Geschweige denn die Batterien. „Hast du denn eine Idee, wo ein regendichtes Plätzchen sein könnte?“, grummelte ich zurück. Aus den paar Tröpfchen wurden viele, dicke Tropfen. „Nein. Aber ich habe keine Lust vor einem Hauseingang zu sitzen und, wie heute Mittag, ein Schloß knacken zu müssen.“ Seine Laune ging immer weiter in den Keller. Er schulterte seine Tasche, drehte mir den Rücken zu und rief, während er loslief: „Ich übernachte heute im Parkhaus. Wenn du willst, komm mit.“ Er wusste es. Ich hasste Parkhäuser wie die Pest. Parkhäuser waren unübersichtlich mit ihren vielen Säulen. Parkhäuser waren dunkel und bedrückend, so dass ich in jeder Ecke ein wildes Tier vermutete. Das war eine Angewohnheit von mir, noch aus meinem früheren Leben. Jay hatte mir natürlich tausend Mal beteuert, dass es in Städten, vor allem in Parkhäusern, keine wilden Tiere gab. Dennoch hatte ich es niemals hundertprozentig geglaubt. Mein wachsamer Instinkt war noch so tief in mir. Aber der Gedanke, die Nacht irgendwo vollkommen allein zu verbringen, jagte mir noch mehr Angst ein und so ergriff ich meinen Rucksack und lief ihm hinterher. „Warte, Jay!“ Der Regen wurde immer stärker und er begann zu rennen. Als ich ihn endlich eingeholt hatte, waren wir kurz vor dem Parkhaus. Und bevor wir nicht unter dem schützenden Dach angekommen waren, hörten wir nicht auf zu rennen. Das Eingangstor lag dort wie ein großer, dunkler Schlund, der uns verschlingen wollte. Wie ein großes Maul. Ich ergriff Jays Hand, als wir außer Atem durch das Tor schritten. „Jay...“, sagte ich mit zitteriger Stimme „...muss das sein?“ Er wusste was ich meinte. Natürlich wusste er das. Gerade als er den Mund aufmachte, um mir zu antworten, ergoss sich hinter mir der Himmel. Wie die Antwort auf meine Frage. Und als ich meinen Kopf drehte, erblickte ich eine Wand aus Regen. Ich konnte kaum durch sie hindurch sehen. Jay griff nach meiner Hand und zog mich weiter in das Parkhaus hinein. „Warte!!“, rief ich voller Angst vor der Dunkelheit in den Parkdecks „Lass uns hier vorne am Eingang bleiben! Von dort können wir besser fliehen und...es ist...“ „...heller?“,fragte er. „Ja...“ Ich war stehen geblieben und hatte meine Hand aus seiner entrissen. „Aber auch kälter.“ Seine Stimme klang zornig. „Kälter und nasser. Und wovor willst du bitte fliehen?? Es ist niemand mehr hier! NIEMAND!!“ Ich zuckte zusammen. Jetzt war er wütend, seine Stimme schwoll immer mehr an. „Und, verdammt nochmal, hier sind keine wilden Tiere!!“ Ich schluckte. Er war einer der wenigen, der meinen wunden Punkt kannte. Unbewaffnet hatte ich vor jeder Art von Dunkelheit Angst. Angst vor denen sich dort verkriechenden wilden Tieren. Im Dunklen sah ich überall leuchtende Augen, hörte ich überall Kratzen und Scharen. „Schon gut. Du hast ja Recht. Ich bilde sie mir nur ein Ich weiß schon.“ Verängstigt schaute ich in seine Augen. „Aber versprich mir, bei mir zu bleiben!!“ Mein Blick musste ihn erschrocken haben, denn sofort zog er mich zu sich ran und flüsterte mir ins Ohr: „Ich werde immer bei dir bleiben. Versprochen.“ Draußen, im Regen, standen zwei Gestalten auf dem Dach des übergelegenen Gebäudes. Und obwohl man nur ihre Umrisse erkennen konnte, sahen sie doch seltsam aus. Nicht wie Menschen. Sie hatten längliche Ohren und ihre großen Katzenaugen leuchteten im Dunkeln. Beide hatten einen Schwanz, der an den einer Eidechse erinnerte. Ihre Fingernägel waren lang, fast wie Krallen. Und durch den strömenden Erguss vom Himmel konnte man Worte vernehmen. Die gehauchten, eindringliche Worte von einem der Wesen: „Es gibt also noch immer Freiherumlaufende? Dann lasst die Jagd beginnen.“ Und ein leises, kaum wahrnehmbares Lachen mischte sich unter das Rauschen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)