Amantes amentes von _Delacroix_ (Eine One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Daphne ------ Unschlüssig blickte Daphne Greengrass in den Spiegel, zupfte noch einmal eine blonde Strähne aus ihrem Gesicht und kontrollierte den rosafarbenen Lippenstift, den sie sich extra für den heutigen Tag gekauft hatte. Sie wusste, dass sie gut aussah. Das tat sie immer und trotzdem war da dieses seltsame Gefühl in ihrem Magen, das einfach nicht weggehen wollte. Es war ein bisschen wie das Gefühl, das sie vor ihren O.W.L. gespürt hatte, nur nicht ganz so heftig und wäre es ihr nicht so wichtig gewesen, sie hätte vielleicht einfach alles abgesagt um sich in ihrem pinken Lieblingspyjama ins Bett zu kuscheln und ein bisschen in einem Buch zu lesen, während ihr Jenky, der Hauself, einen heißen Tee nach dem Anderen hätte bringen dürfen. Aber sie konnte nicht absagen und wollte es eigentlich auch nicht. Immerhin hatte sie seit Neujahr darauf gewartet, dass er sie endlich einlud. Und jetzt, wo er es tatsächlich getan hatte, war sie einfach nur schrecklich nervös und fragte sich, ob sie wirklich das Richtige tat. Daphnes Finger zupften am Kragen ihrer Bluse herum. Sie mochte den schüchternen Jungen, der im Juni in ihr Leben geplatzt war. Sie mochte ihn sogar sehr und das war ein Problem, denn Dylan war ein Muggel. Der freundlichste, liebste und ruhigste Muggel den sie je gesehen hatte – Was kein Kunststück war, denn sie kannte nur einen Einzigen – aber immer noch ein Muggel. Er hatte diese typisch muggligen Verhaltensweisen, staunte über die einfachsten Formen von Magie und wenn sie ehrlich war, machte ihn das nur noch süßer. Da war diese Art mit der er sie immer wieder dazu überredet hatte, mit ihm nach draußen zu gehen und das trotz Regen, Wind und ekligen Krabbelkäfern. Wegen ihm hatte sie sich mehrfach die Klamotten ruiniert, die Haare und einmal sogar das angeblich wasserfeste Make-Up. Sie hatte sich wegen ihm sogar Wanderschuhe gekauft. So ein paar hässliche, braune Dinger, ganz ohne Absatz, die sie nur trug um mit ihm über irgendwelche Trampelpfade stapfen zu können, von denen sie meist weder wusste wohin sie führten, noch woher sie eigentlich kamen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, hatten die Ausflüge irgendwann begonnen ihr zu gefallen und die Schuhe, so hässlich sie auch waren, waren eigentlich auch nicht so schlimm. Zwar hatte Astoria geschworen sie nie und nimmer auch nur zu berühren, aber eigentlich war das kein Nachteil. Immerhin hatte ihre kleine Schwester nichts an ihren Schuhen zu suchen. Daphnes Blick fiel auf das Schuhregal. Ob sie sie heute anziehen sollte? Bei all ihren bisherigen Verabredungen war sie früher oder später immer in „Madam Puddifoot's Tea Shop“ gelandet, wo es Spitzendeckchen auf den Tischen gab, Kerzenlicht und am Valentinstag sogar Cherubin, die mit ihren goldenen Flügeln über den Besuchern herumgeflattert waren, nur um im richtigen Moment rosafarbenes Konfetti über die Gäste zu schütten. Aber Dylan war kein Magier. Er konnte „Madam Puddifoot's Tea Shop“ nicht kennen und wenn er ihn zufällig doch kannte, dann mochte er ihn bestimmt nicht. Der Laden war zu aufgesetzt, zu eindeutig, zu direkt und vermutlich auch zu pink für ihn. Er hatte sich sicher etwas anderes ausgedacht. Nur was? Was machten Muggel bei einem Date und war sie dafür überhaupt richtig angezogen? Unsicher blickte sie noch einmal in den Spiegel. Nach langen Überlegungen hatte sie sich für einen knielangen Schulrock und eine weiße Bluse entschieden. Kein langes Kleid, kein tiefer Ausschnitt und kein freier Rücken, kein kurzes Röckchen. Nichts was sie sonst nicht auch getragen hätte. Nichts was Dylan wieder einmal verunsichern würde. Nur was wenn sie sich verschätzt hatte? Was wenn sie völlig unpassend gekleidet war für – Was auch immer Muggel bei ihren Verabredungen zu tun pflegten? Warum hatte sie ihn auch nicht danach gefragt nachdem er endlich die Einladung über die Lippen bekommen hatte? Es wäre doch so leicht gewesen. Erneut fuhren ihre Finger durch die glatten, blonden Haare. Eventuell hätte sie sie doch besser hochstecken sollen. Mal etwas anderes versuchen. Vielseitigkeit zeigen. Ihn überraschen und - Ein Klopfen durchbrach ihre Gedanken und das unangenehme Gefühl in ihrem Magen meldete sich spontan erneut zu Wort. Bei Laverne de Montmorencys Tinkturen! Da war er schon und das ganze drei Minuten zu früh. Daphnes Finger zitterten, als sie – nach wie vor auf Socken - die sieben Schritte bis zu ihrer Zimmertür eilte um vorsichtig die Klinke herunterzudrücken. Die Scharniere gaben ein leises Quietschen von sich und erinnerten sie daran, dass sie dringend einen Ölzauber auf sie sprechen musste, aber sie ignorierte das Bedürfnis jetzt noch schnell daran herumzuhexen. Stattdessen setzte sie eiligst ihr süßestes Lächeln auf, musterte Dylan einmal von oben bis unten und blieb dann mit dem Blick an dem Paket in seinen Armen hängen. Uh! Ein Valentinsgeschenk! Begeisterung machte sich in ihr breit und vertrieb beinahe sofort das unschöne Gefühl. Daphne liebte Geschenke und Geschenke liebten ganz bestimmt auch sie. Davon war sie überzeugt. „Hi D“, flötete sie strahlend, „Komm doch rein.“ Daphne schlang den neuen, roten Wollmantel fester um ihren Körper und kuschelte sich in den warmen Stoff um dem kühlen Wind zu entgehen. Dieses Ding war einfach toll. Es war rot, was farblich nicht nur absolut zu ihren blauen Augen passte, sondern auch dafür sorgte, dass ihre blonden Haare richtig strahlten und obwohl es nur ein Muggelding war, wusste sie jetzt schon das sie diesen Mantel tragen würde, wenn sie am nächsten Morgen in aller Frühe nach Hogwarts zurückflohen musste um nicht ihre Zauberkunststunde zu verpassen. Pansy würde solche Stielaugen machen. Es war nur schade, dass sie Dylan nicht auch mitnehmen konnte. Vorsichtig musterte sie ihren Begleiter. Seit September hatte sie ihn nur noch an den Wochenenden gesehen und er fehlte ihr unter der Woche ziemlich. Er fehlte ihr, wenn die jüngeren Schüler gemeine Witze über sie und die anderen Slytherins machten. Er fehlte ihr Abends, wenn sie im Mädchenschlafsaal auf dem Bett lag und zu schlafen versuchte. Er fehlte ihr, wenn sie ihre schwere Schultasche von einem Raum in den Anderen schleppte und zwischendurch – Zwischendurch fehlte er ihr auch. Es war ein wirklich deprimierender Zustand, der den Anderen sogar schon aufgefallen war. Pansy hielt es für eine Nachkriegsdepression, Theodore schenkte ihr regelmäßig diesen komischen Blick und Blaise hatte sie angestarrt wie eine Erscheinung als sie ihm gesagt hatte, dass sie einen Spaziergang zu den Gewächshäusern machen wollte. Vielleicht hatte Astoria doch recht mit der Behauptung, dass sie sich verändert hatte. Vielleicht war sie erwachsen geworden und hatte es einfach nicht gemerkt. Einer plötzlichen Eingebung folgend griff sie nach Dylans Arm und genoss für einen Augenblick das stumme Lächeln auf seinen Lippen. Ja, sie hatte sich definitiv verändert. Noch vor einem Jahr hätte sie auf sein Lächeln nichts gegeben, sich stattdessen über den Mantel gefreut und überlegt wie sie den Jungen dazu überreden konnte ihr alsbald noch mehr hübsche und vor allem teure Sachen zu kaufen. Aber heute wollte sie viel lieber etwas ganz anderes mit ihm tun. Etwas worauf sie schon viel zu lange gewartet hatte. Daphne schob die Unterlippe nach vorne und machte große Augen. Ein Trick, der bei ihr fast immer funktionierte und auch dieses Mal zeigte ihr Verhalten Wirkung. Dylan blieb stehen und schenkte ihr einen fragenden Blick. „Was hast du?“, wollte er wissen und die Falte auf seiner Stirn verriet deutlich, dass er mit ihrer kleinen Laune überfordert war. „Es ist nicht mehr weit. Wirklich nicht. Wenn wir uns beeilen, können wir in fünf Min-“ Daphnes Finger legte sich auf seine Lippen. Wenn sie ehrlich war, war es ihr egal was sie in fünf Minuten konnten. Es war ihr inzwischen auch egal was er geplant hatte oder weshalb sie sie überhaupt in diesen Park hatte apparieren sollen. Sie hatte seit Neujahr auf diesen Tag gewartet und eigentlich war dieser Ort so gut wie jeder Andere. Kahle Bäume reckten links und rechts des Weges ihre Äste in den Himmel. Hier und da stand eine Pfütze auf dem Weg und irgendwo bellte der Hund eines Muggels eine fette Krähe an. Es gab keinen Cherubin, kein Konfetti und auch keine Spitzendeckchen und doch hatte sie das Gefühl das dieser Ort perfekt war. Perfekt um sich spontan gegen den warmen Körper ihres Gegenübers zu drängen und ihr Gewicht schließlich auf die Zehenspitzen zu verlagern um sich so ein kleines bisschen größer zu machen. „Dylan?“, schnurrte sie ihn an, „Meinst du, du küsst mich noch in diesem Jahr?“ Hestia ------ Warme, tiefe Töne lagen in der Luft, ergaben eine Melodie und brachten Hestia Carrow zum Träumen. Der Mädchenschlafsaal war fast vollständig verlassen und niemand schien zu bemerken, das sie innerlich auch schon lange nicht mehr auf ihrem Bett lag. Eigentlich war Hestia nicht der Typ Mädchen, der viel träumte. Das überließ sie lieber ihrer Schwester Flora, aber heute war eine Ausnahme. Die allgemeine Valentinstagsstimmung hatte sie erfasst und zusammen mit der traurigen Melodie des Fagottspiels ihrer Schwester einfach fortgetragen. Fort aus dem Mädchenschlafsaal, fort von den ewigen Prüfungsvorbereitungen und hinein in eine rosarote Traumwelt, in der alles genauso war, wie sie es sich gerade ausmalte. Und gerade malte sie sich eine ganze Menge aus. Heißer Atem glitt über ihre Wange hinweg zu ihrem Ohr, hielt dort kurz inne und raunte dann „Du bist wirklich süß, Hestia.“ Das Mädchen begann wie von selbst zu lächeln. Natürlich gefielen ihr solche Komplimente, auch wenn sie insgeheim wusste, dass sie nicht echt waren und das sie nicht gemeinsam zu „Madam Puddifoot's“ gehen würden um dort zwischen einem Haufen frisch verliebter Schüler Händchen zu halten. Würde ohnehin keinen Spaß machen, so überfüllt wie der Laden heute war. „Danke Theo“, hauchte sie der Traumgestalt entgegen und hoffte insgeheim auf weitere Komplimente oder wenigstens einen Kuss, doch was folgte, war einfach nur ein simples „Hestia?“ „Hestia!“, wiederholte die Stimme und war plötzlich viel zu real um noch in ihren Traum zu gehören. Die rosarote Welt begann zu verschwimmen und gab unvermittelt die Sicht auf die grünen Vorhänge ihres Bettes frei. Oh verdammt, immer wenn es gerade spannend wurde! Unzufrieden murrend setzte sich das Mädchen auf, brauchte einen Moment um den Störenfried überhaupt zu erkennen und noch einen Weiteren um zu bemerken, dass das Fagott ihrer Zwillingsschwester tatsächlich verstummt war. „Sag mal, träumst du?“, fragte diese und stemmte ihre Hände in die Hüften, so wie es ihre Mutter immer getan hatte, bevor sie schließlich in Askaban gelandet war. „Ich dachte du hast heute noch ein Date mit Theodore. Solltest du dich dafür nicht langsam fertig machen?“ Ihr Blick glitt über Hestia hinweg und Hestia versuchte der strengen Musterung zumindest mit den Augen zu folgen. Sie wusste nicht, was falsch an ihr war. Immerhin wollten sie sich nur in der Bibliothek treffen, aber die Art wie Flora den Kopf schüttelte, war kein gutes Zeichen. Scheinbar hatte sie kleidungstechnisch in ihren Augen total versagt und als Flora dann auch noch den Zauberstab zückte, dämmerte Hestia langsam , dass sie gerade in ernsthafte Schwierigkeiten geraten war. Helles Kerzenlicht warf flackernde Schatten auf die Bücherregale und normalerweise hätte Hestia das hübsch gefunden. Leider hatte sie eine überdimensionale Schleife auf dem Kopf, die ihr ständig über die Augen rutschte und so bekam sie von dem Spiel aus Licht und Schatten herzlich wenig mit. Ihre Zähne knirschten, während sie versuchte auf den Absatzschuhen das Gleichgewicht zu halten. Inzwischen fürchtete sie ernsthaft, dass Theodore sie auslachen würde. Das Kleid war unbequem, hinderte sie am Atmen und auf den Schuhen konnte sie kaum richtig laufen. Das würde er bemerken. Jeder würde es bemerken, so wie sie gerade durch die Gegend stolperte. Mit düsterer Miene stakste sie an den leeren Tischen vorbei. Wenigstens war niemand hier um sich über sie und ihr selten hässliches Outfit lustig zu machen. Niemand außer - „Hestia, bist du das?“ - Theodore. Hestia presste die Lippen zu einem Strich zusammen und versuchte seinen Platz auszumachen. Etwas, was aufgrund der riesigen Stoffbahnen über ihren Augen eine ganze Weile dauerte. Es war einfach toll. Mitte Februar und sie sah aus wie ein vergessener Weihnachtsbaum und das nur weil sie sich von ihrer Schwester hatte bequatschen lassen. Irgendein Gott musste sie hassen und in Anbetracht des Datums war es wahrscheinlich die Göttin Venus höchst selbst, die einen Groll gegen sie hegte. „Frag bloß nicht“, warnte sie den Jungen, während sie sich unglücklich bis zum Tisch vorwärts kämpfte, nur um dann neben ihm stehenzubleiben. Sie musste Theodore nicht sehen um zu wissen, wie er sie ansah. Skeptisch. Eindeutig skeptisch. Sie hätte ihn auch skeptisch angesehen, hätte er sich Mitte Februar als Weihnachtsbaum verkleiden lassen. Skeptisch und vielleicht auch ein bisschen entsetzt. „Du ähm... Du siehst interessant aus“, versuchte er zu retten was noch zu retten war und Hestia war wirklich dankbar dafür. „Interessant“ klang so viel besser als „grässlich“ und sorgte dafür, dass sie sich nicht mehr ganz so fühlte als müsse sie gleich all ihre Nadeln abwerfen. Nicht das sie Nadeln zum abwerfen gehabt hätte. Höchstens die blöde Schleife auf ihrem Kopf und die hatte Flora vorsorglich festgehext. - „Damit sie nicht abfällt“, hatte sie gesagt, die blöde Kuh! „Willst du dich nicht setzen?“, fragte Theodore aber Hestia schüttelte eilig den Kopf. „Wenn ich mich in diesem Kleid setze, falle ich in drei Minuten wegen Luftmangel vom Stuhl“, klärte sie ihn auf und wusste ganz genau, das der skeptische Blick noch immer nicht verschwunden war. Vermutlich trug sie dazu auch nicht gerade bei – Immerhin, welcher normale Mensch ließ sich schon in ein Kleid stecken, in dem er sich nicht setzen konnte? „Dann gehen wir vielleicht besser ein Stück spazieren“, verbesserte Theodore seinen ersten Vorschlag und dieses Mal nickte Hestia eilig. Spazieren klang gut, auch wenn es sich nur um die Gänge des Schlosses handeln würde. Zumindest würde sie dabei nicht versehentlich ersticken. Höchstens zu Todes stürzen, wenn sie auf ihren viel zu hohen Absätzen umknickte. Vorsichtig versuchte sie zu lächeln, doch so richtig wollte es ihr nicht über die Lippen kommen. Die Vorstellung zu Tode zu stürzen war halt nicht sonderlich erheiternd. „Jetzt schau nicht so traurig“, forderte Theodore, während er eilig die Bücher in seiner Tasche verschwinden ließ und ihr schließlich sogar noch seinen Arm anbot, um sie aus der Bibliothek zu führen. Wahrscheinlich hatte er Sorge, dass sie fallen würde, wenn sie mehr als fünf Fuß ohne eine Möglichkeit zum Festhalten zurücklegen musste. „Sieh es so“, schlug er vor, als sie die Bibliothek hinter sich gelassen hatten und sie die ersten Schritte auf dem Gang machten, „du bist mit Sicherheit das einzige Mädchen an dieser Schule, das es schafft mit einer überdimensionalen Schleife auf dem Kopf noch hübsch auszusehen.“ Astoria ------- Klaviermusik erklang im Hintergrund, schafft es aber nicht das Gewisper und Getuschel an den anderen Tischen zu übertönen. Über ihrem Kopf flatterte ein goldener Cherubin, doch Astoria ignorierte ihn und das pinke Glitzerkonfetti, das in schöner Regelmäßigkeit auf sie herabregnete. Ihr gegenüber saß ein Junge, für den viele ihrer Mitschülerinnen einen Mord begangen hätten und sie hatte nicht vor auch nur eine Sekunde dieses Dates zu verpassen. Auch wenn das bedeutete, dass sie seinen Quidditch- und Zaubertrankgeschichten lauschen und immer wieder freundlich nicken musste, während er Dinge erzählte, die sie so gar nicht interessierten. Insgeheim fragte sie sich, ob alle älteren Jungen so von sich selbst eingenommen waren wie Draco Malfoy, aber Astoria war nicht dumm und ahnte wie er reagieren würde, wenn er bemerkte, dass er keinen Eindruck bei ihr machte. Deshalb machte sie gute Miene zum bösen Spiel. Sie war gut darin zu lächeln. War sie immer gewesen. Das lag in ihrer Familie und wenn sie glaubte nicht mehr lächeln zu können, dann reichte ein Blick auf das silberne Geschenkpapier neben ihr, in dem sie vor einer knappen halben Stunde einen hübschen, neuen Armreif gefunden hatte. Den Armreif, der sich jetzt perfekt gegen ihren linken Unterarm schmiegte und sie daran erinnerte, dass da wo dieses Geschenk herkam, noch viel mehr zu holen war. „... dann hab ich Libatius Borages Erstausgabe von „Advanced Potion-Making“ einfach mitgenommen und diese ungebildete Hexe hat sie mir tatsächlich für ein paar Sickel überlassen. Kannst du dir das vorstellen?“, erzählte Draco und Astoria beeilte sich ein fröhliches Kichern erklingen zu lassen, um zu überspielen, dass sie den Anfang der Geschichte überhaupt nicht mitbekommen hatte. War nicht so schlimm. Hauptsache Draco glaubte, das sie aufmerksam zuhörte und das tat er offensichtlich, denn schließlich erzählte er munter weiter. Langsam lehnte sich Astoria über den kleinen, runden Tisch. Für ihn mochte es aussehen, als hinge sie an seinen Lippen und das war auch der Sinn der Sache. Zugegeben, er war nicht unattraktiv mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen und die langweiligen Geschichten, nun, die konnte man ihm vielleicht abgewöhnen, wenn man lange genug am Ball blieb. Und am Ball wollte sie bleiben. Immerhin war das hier ihre Chance es allen zu beweisen. Ihrer Mutter, die Daphne immer die hübscheren Sachen gekauft hatte, ihrem Vater, der ihre Schwester damit beauftragt hatte, den Namen der Familie weiterzugeben und natürlich ihrer Schwester selbst, die immer wichtiger gewesen war als sie, bis sie vor ein paar Monaten plötzlich angefangen hatte zu spinnen. Aber sollte sie halt mit Muggeln spielen. Ihr war es nur recht, immerhin würde Draco sie nie wieder auch nur schief angucken, sobald er wusste, dass sie ihre Zeit mit diesem Pack verschwendete. Und das würde er erfahren, dafür würde sie höchstpersönlich sorgen. Über ihrem Kopf schlug der Cherubim ein weiteres mal mit seinen Flügeln und ließ dadurch erahnen, das die nächste Konfettidusche nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Astoria war es egal. Sie hatte in weiser Voraussicht einige Abperlzauber gesprochen, bevor sie „Madam Puddifoot's Tea Shop“ betreten hatte. Im Gegensatz zu ihrem Begleiter, wie es schien. In Dracos blonden Haaren hatten sich die pinken Konfettistückchen längst abgesetzt und glitzerten wie eine seltsame, rosafarbene Krone. Unvermittelt begann Astoria zu lachen. König Draco, das klang durchaus vielversprechend. „So lustig ist die Geschichte nun auch wieder nicht“, schnarrte Draco während die ersten, pinken Konfettistücken der neuesten Dusche auf sie herabregneten und auf beinahe magische Art und Weise ihre Teetassen verfehlten. Weitere funkelnde Papierschnipsel gesellten sich zu denen, die Draco bereits in seinen Haaren hatte und Astorias Kichern wurde noch ein wenig lauter. Vom Nachbartisch aus warf ihr Tracey Davis einen skeptischen Blick zu und auch ihr Begleiter sah aus, als fände er ihr Gekicher ziemlich befremdlich. War es vermutlich auch, wenn man nicht auf das Konfetti achtete. „Scheint als habe der Engel dich gekrönt“, brachte Astoria zwischen zwei Glucksern hervor und beobachtete, wie Dracos schlanke Finger durch seine weißblonden Haare fuhren. Ein paar glitzernde Schnipsel bekam er zu fassen, doch der Rest der künstlichen Krone verschob sich nur um ein paar Millimeter nach rechts und links. Draco betrachtete das pinke Zeug auf seinen Fingerkuppen, dann verzogen sich seine Lippen zu einem überheblichen Lächeln. „Nun, wenigstens weiß das Teil wem eine Krone gebührt“, scherzte er und versuchte die pinken Glitzerschnipsel von seinen Fingern zu schütteln. Vergeblich. Dracos Blick wurde stechend, während er seine Hand an der pinken Tischdecke abwischte. „Ganz schön hartnäckig der Mist“, kommentierte er sein Tun und Astoria hatte ernsthaft Mühe nicht schon wieder zu glucksen. Wenn etwas überhaupt nicht geeignet war um dieses Zeug loszuwerden, dann war es wohl die Tischdecke, auf die seit ihrer Ankunft ständig irgendwelche Schnipsel gefallen waren. Das Mädchen presste die Zähne zusammen, doch als Draco seine über und über von pinken Glitzerstücken überzogene Hand wieder hob und sie ungläubig anstarrte, konnte sie sich einen dummen Kommentar nicht mehr verkneifen. „Jetzt siehst du aus wie eine Fee“, witzelte sie und fürchtete noch im gleichen Moment den Bogen überspannt zu haben. Jungen wie Draco wollten nicht wie eine Fee aussehen, das wusste sie. Eigentlich wollten das nicht mal die meisten Mädchen. Schließlich waren Feen zwar hübsch anzuschauen wenn sie Professor Flitwick an einen Weihnachtsbaum band, aber leider sonst nichts weiter. Sie waren dumm wie Stroh und taugten gerade mal als glänzendes Accessoire. „Wenn dann bin ich wohl der Feenkönig“, verbesserte Draco und reckte wie zur Bestätigung sein Kinn, was Astoria erneut zum Schmunzeln brachte. Sie hatte noch gar nicht gewusst, dass ihr Valentinsdate einen Sinn für Humor hatte. Hatte ihr vorher auch keiner erzählt. Weder Pansy, die sie misstrauisch gemustert hatte, als die Rede auf ihr heutiges Date gekommen war, noch Daphne, die ihn aus Jahren des gemeinsamen Unterrichts kannte und natürlich versucht hatte, ihr diesen Abend auszureden. Hätte sie an ihrer Stelle auch getan und das nicht nur, weil er stinkreich und eigentlich ganz süß war. Grinsend deutete sie eine Verbeugung an, die an den übrigens Tischen sicher erneut für Aufsehen sorgte, aber sollten sie ruhig lästern. Das taten sie seit Beginn des Schuljahres ohnehin genug. An der Seite von Draco war Ärger förmlich vorprogrammiert. Immerhin hatte er sogar eine Anklage vor dem Gamott über sich ergehen lassen müssen und war für viele das Sinnbild des frisch gefallenen Regimes. Auch wenn Saint Potter sich öffentlich für ihn und seine Familie eingesetzt hatte, ihre Mitschüler waren nicht so vergesslich wie der immer gute Gryffindor, der inzwischen weit weg im Ministerium residierte und sicherlich keinen Gedanken mehr an seine abgebrochene Ausbildung verschwendete. Vollidiot. „Ich hoffe nur“, erklärte Draco und Astoria richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen, „ich muss nicht 50 Eier legen um den Titel halten zu können.“ Astoria kicherte. Wieder einmal. Nur dieses Mal benötigte sie weder das kühle Metall des neuen Armreifs, noch eine Erinnerung an das Malfoyvermögen, damit ihre Mundwinkel sich hoben. Vielleicht war Draco ja doch unterhaltsamer als sie bislang angenommen hatte und vielleicht würde das mit ihnen auf lange Sicht auch ohne teure Geschenke im Hinterkopf ganz gut funktionieren. Zumindest unter der Voraussetzung, dass er das pinke Glitzerkonfetti jemals wieder von seinem Körper bekam. Millicent --------- Hellgraue Wolken hingen am Himmel und versprachen baldigen Schnee. Nichts was die Besucher von „Madam Puddifoot's Tea Shop“ interessiert hätte. Immerhin hatten die ein Dach über dem Kopf. Aber Millicent Bulstrode war nicht so glücklich. Seit zwei Stunden schon war sie um das kleine Café herumgeschlichen und hatte überlegt, ob sie wohl hineingehen sollte. Weniger, weil sie unbedingt einen Tee trinken wollte, als viel mehr weil sie wissen wollte, wie es da drinnen aussah. Jedes Jahr hatte sie sich die Geschichten ihrer Mitschülerinnen angehört und jedes Jahr hatte sie sich vorgenommen es sich im nächsten Jahr mit Jemandem anzusehen. Im letzten Jahr hatten die Todesser dafür gesorgt, dass sie den Vorsatz kurzzeitig vergessen hatte, aber das zusätzliche Schuljahr brachte eine weitere Gelegenheit mit sich. Eine weitere Gelegenheit, die sie nicht nutzen würde, weil sie sich einfach nicht in das verdammte Café hinein traute. Nicht alleine zumindest. Immerhin wusste sie, wie die anderen Schüler darauf reagieren würden. Sie würden sie nur wieder auslachen. Auslachen, weil sie alleine war und dick und fett und eine Slytherin und wenn sie sich dann wehrte und einem von ihnen die verdammten Zähne ausschlug, dann würde sie auch noch die Böse sein, die sich vor Professor Slughorn dafür verantworten musste. Jedenfalls unter der Voraussetzung, dass der Professor überhaupt wusste, dass sie existierte und mehr war als nur ein Name in einer Liste, die vom letzten Jahr übriggeblieben war. Seufzend wandte sie sich von den rosaroten Lichtern ab, die aus den Fenstern des Cafés drangen. Es hatte ja doch keinen Zweck. Anstatt hier draußen herumzustehen und sich eine Erkältung einzufangen, gegen die Madame Pomfrey ihr wieder diesen ekelhaften Trank aufzwingen würde, dank dem sie immer aus den Ohren rauchte, konnte sie auch in den Honigtopf gehen und ihr sorgsam gespartes Geld in eine XXL-Tüte Chocoballs investieren, die sie dann heute Nacht im Bett essen würde, wenn die Vorwürfe die sie sich selbst machte, sie aufzufressen begannen. Das war vielleicht nicht gut, aber wenigstens lecker und es tröstete mehr als es die ekligen Diätbonbons mit Brokoligeschmack taten, die ihre Mutter ihr geschickt hatte. Millicent hatte gerade drei Schritte gemacht, als sie glaubte ihren Namen zu hören. Normalerweise reagierte sie auf so etwas nicht, auch weil viele der jüngeren Schüler nur nach ihr riefen, um dann einen besonders fiesen Scherz loszulassen, den sie alle super lustig fanden, während sie verletzt und traurig zurückblieb. Doch heute war sie so überrascht davon auf einmal angesprochen zu werden, dass sie einfach nicht widerstehen konnte. Neugierig drehte sie sich in die Richtung aus der die Stimme gekommen war, halb bereit eine Nase zu brechen, nur um sich gleich darauf wieder zu entspannen. Es war nur Gregory der da mit großen Schritten auf sie zugeeilt kam. Millicent kannte Gregory aus dem Unterricht und auch aus dem Gemeinschaftsraum. Der Junge hatte seine Zeit immer mit Draco und Vincent verbracht, bis Vincent im Feuer gestorben war und Draco begonnen hatte, sich von den ehemaligen Todessern zu distanzieren. Sie konnte es ihm nicht übel nehmen. Vermutlich brauchte er es, um wenigstens ein bisschen was von seinem Ruf zu retten, aber Gregory hatte ihr seitdem oft leid getan, wenn sie ihn alleine in den Gängen des Schlosses hatte herumschleichen sehen. Verspottet, ignoriert und beleidigt von den Schülern der anderen Häuser, die ihn sicher auch nicht besser kannten, als sie es tat. „He Millicent“, begrüßte er sie, als er schließlich neben ihr zum Stehen kam und Millicent fiel auf, dass er die dämliche Wintermütze mit der Bommel drauf tiefer ins Gesicht gezogen hatte, als nötig. „Du willst doch nicht etwa in dat Ding da, oder?“, fragte er und für einen Moment war sie versucht ihm mit einem stolzen „Und ob“ zu antworten. Aber wem machte sie eigentlich etwas vor? Sie würde nie zu den Mädchen gehören, die glücklich an einem dieser pinken Tische saßen und Cherubin beim herumflattern zusahen und vielleicht war es an der Zeit sich einfach damit abzufinden. Langsam schüttelte sie den Kopf. Eine Bewegung die Gregory dazu veranlasste, sie breit anzugrinsen. „Wusste du hast Geschmack. Dat Teil ist viel zu pink. Aber weißte was Spaß macht?“ Der Junge hob die Hand, in der er einen großen Stoffbeutel hielt, doch Millicent war nicht so ganz klar, worauf er damit hinaus wollte. Wenn sein erklärtes Tagesziel Shopping hieß, hätte er vielleicht besser Daphne ansprechen sollen. Obwohl – Die saß wahrscheinlich längst in dem Café und schlürfte teuren Tee auf Kosten irgendeines Jungen, dessen Namen sie sich mit Pech nicht einmal gemerkt hatte. Sie würde es spätestens morgen früh erfahren, wenn Pansy mit ihrer üblichen, neugierigen Art von ihnen allen zu erfahren wünschte, was sie am Vorabend getan hatten. Gregorys andere Hand verschwand im Beutel, nur um gleich darauf eine rosarote Kugel herauszuheben, die er sorgsam in den Fingern wog. „Kannste rennen?“, wollte er wissen, wartete aber nicht bis Millicent eine Antwort über die Lippen gekommen war. Er hob die Kugel in seiner Hand, zielte - Und warf. Grüne Farbe klatschte gegen das Fenster von „Madam Puddifoot's Tea Shop“, lief in ekligen Bahnen an der Wand hinab und Millicent glaubte wirklich für einen Moment die erschrockenen Schreie aus dem Inneren zu hören. Eine Kugel wurde ihr in die Hand gedrückt, nur Sekunden, bevor eine zweite, braune Farbbombe an der Fassade des Hauses explodierte. Der Geruch nach fauligen Eiern stieg ihr in die Nase, aber Millicent blieb nicht die Zeit es eklig zu finden. Ihr Arm hatte sich selbstständig gemacht und den hellblauen Ball gerade in dem Moment auf die Tür geworfen, als diese begonnen hatte, sich zu öffnen. Ein angewiderter Schrei drang an ihr Ohr, während eine Hand sich um ihren Arm legte und sie eiligst mit sich zerrte. Weg von der Straße. Weg vom Schauplatz des Verbrechens. Weg von Madam Puddifoot. Millicent keuchte als sie endlich zum Stehen kamen. Sport war nie ihre Leidenschaft gewesen und es war anstrengend mit Gregory Schritt zu halten, der immerhin aktiv Quidditch spielte. Anstrengend, aber auch irgendwie lustig. „Haste gehört wie die Alte geschrien hat?“, fragte Gregory lachend und Millicent fiel fröhlich in sein Gelächter ein. Ja, das war witzig gewesen. Eindeutig verboten, aber auch wirklich witzig. Besonders der Schrei der harmoniebedachten Inhaberin, als ihre Bombe die Tür getroffen hatte. „Wie kommst du nur auf solche Sachen?“, fragte Millicent und Gregory reagierte mit einem Schulterzucken. „Hab gerade viel Zeit zum Denken“, erklärte er, während das Grinsen auf seinen Lippen langsam erstarb. Millicent glaubte zu verstehen. Draco, Vincent – Das war bestimmt nicht leicht für ihn. Die plötzliche Einsamkeit, die Schuld, die Vorwürfe. Sicher war er sehr traurig darüber, wie sich das alles entwickelt hatte. Langsam glitt ihre Hand in die Tasche ihres Umhangs. Wenn sie traurig war, gab es etwas, das ihr immer weiterhalf. Nur ob es ihm da auch so ging? Das würde sie wohl ausprobieren müssen. „Magst du?“, fragte sie und hielt dem Jungen einen Schokofrosch entgegen. Eigentlich hatte sie ihn für den Rückweg aufgehoben. Ein Leckerbissen gegen die düsteren Gedanken, die sie immer dann überfielen, wenn sie alleine durch die Dämmerung marschierte und dabei die anderen Schüler beobachtete, die in kleinen Grüppchen zurück in Richtung Schloss strömten. Aber wenn es Gregory ein wenig aufmunterte, dann opferte sie ihn gerne. „Danke“, hörte sie ihn murmeln, während seine Augen verheißungsvoll zu glänzen begannen. „He Milli“, redete er weiter und seine Finger rissen bereits geübt an der Verpackung des Frosches herum, „Haste Lust noch 'n paar Bomben auf die Gewächshäuser werfen zu gehen?“ James ----- Den ganzen Tag lang hatte James Potter sich gewünscht eben das zu tun. Er hatte seine Fingerspitzen federleicht über weiche Haut gleiten lassen, Mund und Kinn mit seinen Lippen berühren und sich in einen Kuss sinken lassen wollen. Ganz so wie es sich am Valentinstag halt gehörte. Er hatte schon lange davon geträumt Lily Evans in einem dunklen Gang wie diesem zu küssen, hatte sich ausgemalt wie sie riechen, was sie tun würde und doch war jetzt nichts so wie in seinen Träumen. Er wusste nicht mehr wie es dazu gekommen war, ja nicht einmal ob er das hier wirklich wollte. Er spürte nur weiche Haut; hier und da eine Bartstoppel, die er vielleicht hätte abrasieren sollen und einen warmen Körper, der sich nach einem ersten, ungläubigen Verkrampfen mit einer Bereitwilligkeit an ihn geschmiegt hatte, die seines gleichen suchte. Da war kein Rosenduft so wie in seinen Träumen, sondern eine andere einprägsame Note, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Der Kuss wurde leidenschaftlicher und behutsamer zugleich und er vergaß darüber nachzudenken woher genau er diesen Geruch kannte. Seine Finger fuhren durch das Gesicht seines Gegenübers, er spürte die Bewegungen seiner Lippen und sein Herz, das schwer in seiner Brust schlug. Warum tat er das und warum – verdammt, warum hörte er nicht einfach damit auf? Er war eigentlich nicht so einer, das bewies schon, dass er immer an Lily dachte, wenn er nachts auf der Suche nach einer Ablenkung im Bad verschwand. Er war nicht schwul. Noch nie gewesen und doch war dieser Kuss auf seine ganz eigene Art köstlich. Köstlicher vielleicht als es einer mit Lily gewesen wäre, denn das was sie gerade taten, war verboten. Ganz eindeutig sehr verboten! Sirius würde ihm dafür garantiert alle Zähne einzeln ausschlagen und es wäre zweifellos noch das Netteste was ihm widerfahren würde, würde das hier die Runde machen. Sein Gegenüber löste sich aus dem Kuss und er stand immer noch verwirrt und ohne Atem da, irgendwo im Kerker unweit des Gemeinschaftsraumes der Slytherins zu dem er irgendwann vor einer kleinen Ewigkeit mal hatte schleichen wollen um sich dort an Snape dafür zu rächen, dass er ihm sein Valentinsdate mit Lily ruiniert hatte. Er hätte es sicher bekommen, hätte er dem alten Schleimscheißer nicht so dringend eine Abreibung verpassen müssen und sich dabei ausgerechnet von seiner Liebsten erwischen lassen, die das wie immer überhaupt nicht lustig gefunden hatte. Und hätte er sein Date bekommen, er wäre jetzt in Hogsmeade in einem kleinen, kitschigen Café mit rosa Engelchen und buntem Konfetti und nicht in einem düsteren Kerkergang in der verlassenen Schule, wo gerade sein gesamtes Sexualleben gründlich in Frage gestellt worden war. Verwirrt leckte er sich über die Lippen, glaubte fast den Anderen noch schmecken zu können und bemerkte zugleich, dass sein Herz immer noch raste. Was hatte das zu bedeuten? Hatte es überhaupt etwas zu bedeuten oder hatte er sich letztlich einfach selbst einen Streich gespielt? Er hatte doch eigentlich witzig sein wollen oder nicht? Er hatte das nicht wirklich geplant oder gar gewollt. Er hatte – Ja, was eigentlich? Verunsichert hob er den Blick um den anderen Jungen anzusehen, der eilig einen halben Schritt zurückgewichen war und jetzt stumm zu Boden starrte. Konnte er es ihm verübeln? - Nein, eher nicht. Hätten seine Beine weniger gezittert, er hätte sie sicher in die Hand genommen und wäre weg gerannt. Weg aus dem Kerker und hinein in den schönen, warmen Gemeinschaftsraum im Gryffindorturm, wo die Welt noch in Ordnung war. Weg von all den Fragen, auf die er keine Antwort geben konnte und weit weg von diesem Jungen, dessen Züge ihm so verdammt bekannt und gleichzeitig doch so fremd geblieben waren. „Apfel“, meldete sein Kopf und für einen Augenblick glaubte James endgültig verrückt zu werden. Dann verstand er, dass es der Geruch war, den er eben noch nicht erkannt hatte. Es war Apfel. Einfacher, banaler, dummer Apfel. Vermutlich Grüner, passend zum Haus des Anderen. Seine Mundwinkel zuckten, verräterisch, unpassend und vor allem vollkommen grundlos. Die kleine Stimme in seinen Gedanken schrie, als er den halben Schritt zwischen ihnen wieder schloss und seine Lippen erneut auf die von Regulus Black presste. „Verdammt“, ging es ihm dabei durch den Kopf, „Eigentlich mag ich grüne Äpfel ja.“ Rufus ----- Rufus mochte den 14'ten Februar nicht sonderlich, denn er bedeutete Ärger. Nicht nur, dass er früher immer der Dumme gewesen war, der am Ende dieses Tages die Überreste seiner Mitschüler vom Boden eines Ganges gekratzt hatte, jetzt war er auch noch der Dumme, der sich mit den verunglückten Valentinsdates in ganz Großbritannien herumschlagen musste. Und davon gab es heute faszinierend viele. Da war der Magier gewesen, den seine aktuelle Flamme mit einem Dauerklebefluch ans Bett gefesselt hatte, um sein Herz – oder etwas was sie für selbiges hielt – irgendeinem Gott zu opfern von dem zumindest Rufus noch nie im Leben gehört hatte. Er glaubte übrigens, dass sie ihm eine Niere entnommen hatte, aber genauer würde er das wohl erst erfahren, wenn die Heiler im St. Mungos aufgehört hatten über den armen Kerl zu lachen. Dann war da die Hexe gewesen, die versehentlich ihren eigenen Liebestrank geschluckt hatte und daraufhin im Laden für magische Zauberspiegel aller Art Amok gelaufen war. Gar nicht so einfach Jemanden zu verhexen, der sich zwischen hunderten von sprechenden Spiegeln versteckte, die laufend darauf hinwiesen, wie zerbrechlich sie doch waren. Nun, wenigstens hatten sie ihn nicht fett genannt, so wie eine gewisse Kollegin, der er es verdankte, dass er in den Einsatzbericht noch ein paar weitere kaputte Spiegel hatte eintragen müssen. Neben all jenen, die zwischen ihm und dem entscheidenden Stupor gestanden hatten. Und dann war da noch die Sache im Park gewesen, mit dem Herz aus hundert fliegenden Eulen. Harmlos? Wäre es vielleicht gewesen, hätten die Tiere ihre angestammte Größe behalten dürfen. Aber nein, größer war besser war toller und zu allem Überfluss hatte die Hexe am Ende auch noch „Ja“ gesagt. „Ja, ich heirate den Idioten, der mich fast an hundert übergroße Eulen verfüttert hätte! Ja, ich heirate den Mann, der einen Aurorengroßeinsatz ausgelöst hat! Ja, klar! - Wie blöde war die eigentlich?“ Rufus schnaubte, während er in den Fahrstuhl stieg. Er wollte jetzt nur noch ins Atrium, in den Kamin und dann ab nach Hause, bevor noch irgendein liebestoller Idiot das Ministerium mit menschenfressenden Schokoladenpralinen überflutete. Und im nächsten Jahr würde er am 14'ten freinehmen oder krank werden oder sich von einer pinken Karte erschlagen lassen. Ganz egal, Hauptsache er bekam nicht wieder diese schreckliche Schicht. Es ruckte als der Fahrstuhl hielt, aber Rufus bekam es kaum mit. Er musterte angewidert den Fleck, den eine der Eulen auf seiner Uniform hinterlassen hatte. Übergroße Eulen machten übergroße Scheißflecken, dafür war er momentan der lebende Beweis. Hoffentlich half da ein normaler Reinigungszauber überhaupt noch weiter. Nicht das er den auch noch in XXL sprechen - „Rufus?“ Nur langsam löste sein Blick sich von seiner verschandelten Uniform. Hatte er da gerade seinen Namen gehört? Musste er wohl, denn als er aufsah, entdecke er, dass er nicht mehr alleine im Fahrstuhl stand. Klar, jemand musste zugestiegen sein als er angehalten hatte und dieser Jemand war - „Rufus!“, wiederholte die junge Frau strahlend und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Vielleicht wollte sie ihn umarmen, doch der Anblick des überdimensionalen Scheißflecks auf seiner Uniform ließ sie innehalten. Sie sah ihn angeekelt an, dann murmelte sie ein leises „Kif int?“ und wenn er sich nicht sicher gewesen war, wen er gerade vor sich hatte, jetzt wusste er es wieder. „Mary“, stellte er fest und zwang sich zu so etwas wie einem Lächeln. Oh ja, wie hätte er sie auch vergessen können? Das Mädchen, das völlig unkontrolliert von einer Sprache in die andere fiel, besonders wenn es aufgeregt war und damit wieder und wieder dafür sorgte, dass andere Menschen völlig überfordert reagierten. Früher hatte sie sich hinter ihm versteckt, heute hätte er sich am liebsten hinter ihr verkrochen. „Entschuldige, ich bin ein wenig müde“, gab er zu und das Leuchten in ihren Augen verriet ihm, dass er wohl mehr oder minder auf ihre Frage geantwortet haben musste. Ein Glückstreffer, wie so oft bei ihr. „Mis juhtus? On sinuga kõik korras?“, fragte sie weiter, doch dieses Mal konnte er nur hilflos mit den Schultern zucken. Er hätte nicht mal sagen können welche Sprache sie gerade sprach geschweige denn darauf antworten. Ja, für einen Moment war es wirklich wieder so wie damals in der Schule, wenn sie aufgetaucht war um unverständliches Zeug zu heulen, das er und seine Freunde erst einmal irgendwie hatten entschlüsseln müssen. Zum Glück weinte sie jetzt nicht. Im Gegenteil, sie wirkte auf eine positive Art aufgeregt. Leider viel zu aufgeregt um ein ordentliches Wort herauszukriegen. „Atme mal tief durch“, forderte er und nutzte die Zeit, die sie zur Umsetzung seines Vorschlags brauchte, um sie einmal von oben bis unten zu mustern. Das Ministerium schien ihr gut zu tun, zumindest besser als die Korridore von Hogwarts, wo sie immer ein wenig verloren ausgesehen hatte. Ihre Haare hatten ihre natürliche, dunkle Farbe, ihre Augen waren nicht geschwollen und die Akne war wohl auch Vergangenheit. Machte einen guten Eindruck. Zumindest einen besseren als er gerade machen dürfte. „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“ Ha! Sie hatte es geschafft! Sie hatte tatsächlich einen Satz auf Englisch herausbekommen und er war... ernüchternd. „Ja, ja. Alles gut“, wiegelte er eilig ab, „Nur ein paar übergroße Eulen, die mich mit einer Maus verwechselt haben. Nichts ernstes.“ Mary schenkte ihm einen mitfühlenden Blick. „Ville du spise en kage med mig?“ War ja klar, dass ihr sprachliches Glück nicht lange anhalten würde und zu allem Überfluss teilte auch noch der Fahrstuhl mit einem leisen Klingeln mit, dass sie im Atrium angekommen waren. Eigentlich musste er jetzt aussteigen, uneigentlich kam er nur bis zum Gitter. Er hatte keine Ahnung was Mary hatte sagen wollen. Aber konnte er einfach gehen und sie hier im Fahrstuhl stehen lassen als hätte er die Frage nicht gehört? - Nein, das konnte er nicht machen. Nicht mit Mary, die ja nichts dafür konnte, dass die Welt heute verrückt geworden war und die auch nichts dafür konnte, dass er sie eben nicht verstand. Langsam drehte er sich wieder zu ihr um: „Was meinst du, wollen wir deinen letzten Satz bei einem Kaffee entschlüsseln?“ Aktenberg --------- Stolz hielt Narcissa einen kleinen weißen Karton in Händen, den sie unbedingt übergeben wollte. Gut, sie hatte die vier kleinen, weißen Schokoladenherzen mit Sahnecanache und Blaubeeren nicht selbst gemacht, aber das war wahrscheinlich auch besser so. Als sie das letzte mal versucht hatte Pfannkuchen zu machen, war der Hauself schließlich auch fast in Ohnmacht gefallen. Dabei hatte sie die Pfanne nur ein paar Minütchen länger auf dem Herd gelassen um sich in der Zwischenzeit umzuziehen. Hätte ihr ja auch Jemand sagen können, dass das Essen davon schwarz statt braun werden würde, dann hätte sie es nicht aus den Augen gelassen. So aber hatte sie es geschafft, die ganze Küche mit schwarzem Qualm zu verpesten und die Vorhänge zum stinken zu bringen. Aber vermasselt war vermasselt und nicht mehr zu ändern. Immerhin, ihre Pralinen stanken nicht und sie hatte sie höchst selbst in Belgien in Auftrag gegeben, damit sie auch richtig schön wurden. Und sie waren richtig schön geworden. Schön und hoffentlich auch lecker. Ein weiteres mal ließ sie ihren Blick über den weißen Karton gleiten, zupfte vorsichtig an dem goldenen Dekobändchen und bekam so erst mit, dass sich Rufus Scrimgeour an ihr vorbei in den Fahrstuhl drängelte, als dieser auch schon hinter dem sich schließenden Gitter verschwunden war. Narcissa schürzte die Lippen. Eigentlich hätte er auch ruhig mal „Guten Abend“ sagen können, aber sie wollte sich ihre gute Laune nicht von einem kleinen Fauxpas verderben lassen. Sie schlängelte sich um ein paar leere Schreibtische herum, genoss den Blick, den ihr ein alter, pummeliger Auror zuwarf und steuerte dann ihr Ziel an. Es war ein kleiner Schreibtisch, den sie unter all den Aktenbergen kaum erkennen konnte, aber sie hätte ihn in dem Großraumbüro doch immer wieder gefunden. „Hallo Cissy“, grüßte sie der Aktenberg als sie vor ihm zum stehen kam und die Blondine kämpfte für einen Moment mit dem Bedürfnis ihn anzulächeln, „Hattest du wieder Ärger mit den Elfen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Dieses Mal nicht. Ich bin wegen dir gekommen.“ Die Stimme hinter den Akten hielt kurz inne. „Das ist nett, aber ich habe heute Nachtschicht“, teilte sie ihr mit und auch wenn Narcissa nicht sehen konnte, was sich hinter dem Sichtschutz tat, was sie hörte, verriet ihr zwei Dinge auf einmal. Erstens, die Schicht würde noch eine ganze Weile dauern und zweitens die Tagesschicht hatte wohl jede Menge Arbeit hinterlassen. Unzufrieden verzog sie das Gesicht. Sie hatte halb gehofft ihn zu einer Pause überreden zu können, aber das konnte sie bei all der Arbeit auf dem Tisch wohl getrost vergessen. „Ich hab dir Nervennahrung mitgebracht“, erklärte sie und drapierte ihren Karton wie ein kleines Krönchen auf einem besonders hohen Stapel. „Ich fürchte das ist zu wenig für all meine Nerven“, maulte es auf der anderen Seite. Trotzdem legte sich eine Hand um den Karton und zog ihn hinab. „Hmm, lecker“, folgte kurz darauf ein erstes Urteil und Narcissa konnte einfach nur den Kopf schütteln. Es war so klar gewesen, dass ihre teuren Pralinen ein derart unrühmliches Ende nehmen würden und doch, hätte man ihr die Chance gegeben noch einmal ein Geschenk zu wählen, sie hätte sich wieder für sie entschieden. Nicht weil sie die Schokoladenherzen so mochte, sondern weil sein Urteil „lecker“ gewesen war und das bedeutete, er mochte sie. Sie hatte also gut gewählt und ihn so für einen Augenblick von all den grässlichen Akten abgelenkt, die er noch zu bearbeiten hatte. Dumm nur, dass sie davon nicht verschwanden. Vorsichtig musterte sie einen Stapel nach dem anderen. Es würde ihn bestimmt Stunden kosten, die alle durchzusehen. Stunden, die sie viel lieber in einem hübschen, kleinen Café verbracht hätte, so wie alle anderen Frauen an diesem Tag. Naja, alle Frauen außer Bella, aber die war ja eh komisch, was die Wahl ihrer Aufenthaltsorte anging. Fast so komisch wie sie, wenn man bedachte, dass sie höchst freiwillig am Valentinstag in die Aurorenzentrale marschiert war, fast so als wäre dies ein Ort, an dem sie wirklich sein wollte. Und noch schlimmer, mit jeder Sekunde die sie hier verbrachte, mit jedem Blick auf die dicken Stapel, wuchs in ihr ein Bedürfnis. Ein Bedürfnis, das sie am liebsten einfach ignoriert hätte, weil es sie um ihre schöne, warme Badewanne, ihr Lieblingsbuch und schlimmer noch, ihr weiches Bett bringen würde, wenn sie wirklich auf es hörte. Wenn sie wirklich auf es hörte und - „Kann ich dir mit den Akten helfen“, hörte sie sich fragen, während sie bereits nach der Ersten griff. Klar, sie wusste, dass sie sie nicht für ihn bearbeiten konnte, aber vielleicht konnte sie die Teile für ihn sortieren, oder Sachen darin suchen, oder - „Willst du mir echt mit dem Kram zur Hand gehen?“, fragte er, die Überraschung deutlich hörbar. Sie konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Sie war selber überrascht. Überrascht, dass sie tatsächlich gefragt hatte, dass sie nicht einfach gegangen war, dass sie wirklich helfen wollte und das sie wirklich bereit war, diese langweiligen, grauen Akten anzufassen. Und das alles nur wegen ihm. „Ja, Frank“, hörte sie sich sagen, „das möchte ich wirklich gern.“ Sirius ------ „Evans, du stehst unter 'nem Mistelzweig“, rief Sirius quer über die Straße und blickte an der grauen Fassade von Tomes and Scrolls hinauf. Warum über der Tür des Buchladens im Februar noch ein Strauß Misteln hing wusste er nicht, aber es war ihm auch egal. Längst hatte er aufgehört sich über verrückte Ideen zu wundern und vielleicht – nur vielleicht – hatte man das Ding ja auch einfach beim Abbau der Weihnachtsdekoration vergessen. Lily Evans jedenfalls blieb tatsächlich stehen, strich sich eine Strähne ihrer roten Haare aus dem Gesicht und warf einen ungläubigen Blick hinauf zum Türrahmen. James hätte für die Chance wahrscheinlich jemanden ermordet, aber sein bester Freund war nicht hier. Sirius wusste nicht wo er abgeblieben war. Nachdem Lily ihm am Vormittag einen weiteren Korb gegeben hatte, war er schmollend abgezogen um Snape die Leviten zu lesen und bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht. Aber im Augenblick war das auch eher nebensächlich, denn Evans stand unter einem Mistelzweig und das bot so einige Vorteile für den, der die Chance zu nutzen wusste. Ein Lächeln umspielte Sirius Lippen, als er die Tüte mit den sauren Erdbeerstreifen seinem Valentinsdate – einer hochgewachsenen, blonden Hufflepuff - in die Hand drückte und so dann auf seine Klassenkameradin zu marschierte. Wenn er das später James erzählen würde, würde der vor Neid mit dem Bettbezug verschmelzen. „Sirius, was hast du vor?“, fragte die Blondine hinter ihm, aber er reagierte nicht auf sie. Es war doch wohl offensichtlich was er vor hatte, oder nicht? Da war ein hübsches Mädchen unter einem Mistelzweig. Was konnte man da schon groß vorhaben? „Sirius!“, zischte die Hufflepuff, doch auf dem Ohr war er gerade taub. Er marschierte an Lily vorbei und stellte sich dann auf die Zehenspitzen um eine der weißen, überreifen Beeren von dem Strauß zu pflücken. Vorsichtig, damit das Teil nicht platzte und ihm am Ende noch Flecken auf dem Umhang hinterließ. „Du kennst die Regeln“, schnurrte er seiner Mitschülerin entgegen und ignorierte ein weiteres Mal seinen Namen, der vorwurfsvoll über die Straße gerufen wurde. Die Gryffindor musterte erst ihn und dann die Beere zwischen seinen Fingerspitzen. „Ich glaube nicht, dass Ann das gefallen wird“, gab sie zu bedenken, doch Sirius ignorierte den Einwurf genauso wie er seinen Namen ignoriert hatte. Was interessierte ihn Ann, wenn er Evans haben konnte und damit den Neid seines allerbesten Freundes? Das Grinsen auf seinen Lippen wurde breiter als er seine freie Hand unter Lilys Kinn gleiten ließ. „Wie sagst du immer so schön? Regeln sind Regeln“, flüsterte er und genoss den Blick in ihre grünen Augen. Augen, die James ihm schon gefühlte tausend Mal beschrieben hatte und die trotzdem immer noch etwas besonderes an sich hatten. Langsam neigte er den Kopf und legte seine Lippen auf die des Mädchens. Sie roch nach Rosenblüten, schmeckte nach Lakritz und fühlte sich an wie Seide. Er zog Lily an sich, bis er ihre frisch gekauften Bücher durch seinen Umhang piksen spürte. „Arsch“, drang es wütend an seine Ohren, dann traf ihn irgendetwas Hartes, wahrscheinlich die Tüte mit den Erdbeerstreifen. Schritte entfernten sich, aber Sirius sah keinen Grund den Kuss zu lösen. Man konnte halt nicht alles haben und wenn man einen Kuss von Lily Evans wollte, dann musste man anscheinend auf den von Ann verzichten. Schade, aber Lilys Lippen waren es wert. Immerhin tat er das nicht nur wegen James. Weiß Merlin nicht nur wegen James, denn in einem Punkt hatte sein Freund schon recht. Lily Evans war wirklich etwas besonderes und dafür nahm man so ein verpatztes Date doch gern in kauf. Langsam löste er sich von ihr, genoss seinen ganz privaten, kleinen Triumph und schenkte den Erdbeerstreifen auf dem Boden einen flüchtigen Blick. „Ich hatte dich gewarnt“, flüsterte das Mädchen neben ihm, das von dem Abgang der Hufflepuff scheinbar beeindruckter war als er, aber Sirius schüttelte nur den Kopf. „Keine Sorge, Evans. Ich hole mir einfach neue Erdbeerstreifen und bis dahin“, er grinste erneut, „hängen an unserem Zweig noch drei weitere Beeren.“ Molly II. --------- James murmelte irgendetwas unverständliches im Schlaf und kurz fürchtete Molly, ihr Wärmezauber habe vielleicht nicht richtig gegriffen. Doch da er keine Anstalten machte aufzuwachen, entspannte sie sich wieder. Sie wusste, dass sie auf vorbeikommende Muggel komisch wirken mussten, mit ihrer dünnen Wolldecke am See sitzend als wäre es schon Sommer, aber sie bemühte sich es zu ignorieren. Für James, der sich so gefreut hatte einmal aus der schäbigen Ministeriumskantine herauszukommen, in der man eh schon hinter vorgehaltener Hand über ihn sprach. Er, der Sohn des großen Helden. Er, der Sohn des Mannes, der seinen Posten nur dank Vitamin B bekommen hatte. Er, der Junge, der nie das sein würde, was sein Vater von ihm wollte. Sie schnaubte und fuhr mit den Fingerspitzen beiläufig durch sein dunkles Haar. Um nichts in der Welt hätte sie mit ihm tauschen wollen und das obwohl seine Eltern ihn zweifellos sehr liebten. Er hatte Bekannte, Freunde, Geschwister und doch – Nein, lieber blieb sie weiter der unsichtbare Bücherwurm als Tag für Tag in Gefälligkeiten zu ertrinken so wie er. Dumm nur, dass er im Moment so gar nichts von ihrem Ausflug hatte. Molly seufzte tonlos. Irgendwie hatte sie es ja geahnt. Ein Ausflug in den Park, am Valentinstag. Das hatte doch genauso enden müssen, oder nicht? Schließlich waren sie Cousin und Cousine, gute Freunde und nicht was manch ein dämlicher Ministeriumszauberer in ihr tägliches Mittagessen hineininterpretierte. Gut, vielleicht war es wirklich komisch, dass sie jeden Tag den Weg vom St. Mungos machte, nur um statt in der einen Kantine in der Anderen zu hocken und vielleicht, nur vielleicht, wäre so ein Valentinsdate doch irgendwie nett gewesen, auch wenn ihre Familie es nicht verstanden hätte. Ihr Vater beäugte ja schon ihre Freundschaft zu James als wäre sie eine seltene Blume und Tante Ginny würde es sicher wie eine Krankheit behandeln, wenn die Sache - Nein, da gab es keine Sache! Sicher nicht! Also brauchte Molly auch keinen Familienrat im Fuchsbau, wo jeder dahergelaufene Verwandte sich einbildete ein Urteil fällen zu können obwohl er mit sich und seinen eigenen Problemen eigentlich genug zu tun haben sollte. Sie brauchte kein Gespräch mit ihrer Mutter, noch weniger eines mit ihrem Vater und wenn Onkel Harry in ihrer Gegenwart den Mund aufmachen würde, sie wäre wohl versucht, ihm die Zunge wegzuhexen, einfach weil sie es inzwischen konnte und ohnehin nichts lieber getan hätte, als dem aufgeblasenen Gockel einmal die Meinung zu geigen. Unschlüssig blickte sie zurück zu James, der noch immer friedlich schlief. Da war keine Sache zwischen ihnen. Bestimmt nicht. Sie hatte ihn einfach nur gern. So gern, dass sie ihm eine dumme Schachtel voller Süßkram in der Winkelgasse gekauft hatte, die sie ihm aber sicher nicht geben würde, weil – Einfach weil man das heute nicht machte. Sie würde sie selber essen. Heute Abend, wenn sie für die Heilerausbildung lernte und sich ärgerte, dass sie keinen belanglosen Grund gefunden hatte die Dinger doch noch zu verschenken. Vielleicht würde sie sie auch ihrem Vater geben oder - Molly schüttelte den Kopf. Sie war eigentlich nicht feige und sie machte auch keine Rückzieher. Nur dieses Mal, da – da fiel ihr das alles so furchtbar schwer. Langsam beugt sie sich über ihren schlafenden Begleiter und ließ die Finger über seine Wange wandern. „Du machst es mir wirklich nicht leicht“, murmelte sie, obwohl sie wusste, dass das unfair war. Er konnte nichts dafür, dass er völlig übermüdet war und auch nicht dafür, dass ihre Gefühlswelt chaotisch – na eben nicht auf so etwas ausgelegt war. Und für ihr klopfendes Herz, für das konnte er erst recht nichts. Es war halt schwierig, aber sie hatte ja Zeit. Jede Menge Zeit, wenn sie ehrlich war. Der Valentinstag würde wiederkommen. Im nächsten Jahr und vielleicht würde sie dann das Date bekommen, das sie sich wünschte. Mit einem wachen James, einem fröhlichen James, einem der sich bei ihr vielleicht genauso seltsam fühlte wie sie sich bei ihm. James S. -------- „Oh, come and stir my cauldron And if you do it right I'll boil you up some hot, strong love To keep you warm tonight.“       Die Stimme von Celestina Warbeck krächzte aus dem Lautsprecher seines magischen Radios und James quittierte das Grauen mit einem Stöhnen. Er konnte seine Großmutter förmlich vor sich sehen, wie sie durch die Küche tanzte, viel zu schnell für eine Frau in ihrem Alter und das nur, weil sie den dummen Schlager so sehr liebte. Seit Celestina Warbeck im letzten Jahr verstorben war, war sie beliebter denn je, trotzdem änderte es nichts daran, dass die Stimme der großen Diva in seinen Ohren wehtat, wann immer ein gutmütiger Moderator ihr letztes Album zu spielen begann. Unwillkürlich ließ er den Kopf sinken bis seine Stirn das kühle Pergament des letzten Berichts berührte. Er war ja so ein Vollidiot. Natürlich, Molly hatte gesagt, es wäre nicht schlimm gewesen, dass er im Park geschlafen hatte, aber James wusste es besser. Es war schlimm gewesen, sie hatte es ihm nur nicht sagen wollen um ihn nicht zu belasten. Er hatte sie enttäuscht und dabei wollte er doch niemanden enttäuschen. Seinen Vater nicht, der ihm eine unangenehme Aufgabe nach der Anderen überließ, seine Mutter nicht, die einfach nur Zeit mit ihm verbringen wollte, seine Geschwister nicht und natürlich auch Molly nicht. Vor allem Molly nicht. Und trotzdem waren ihm die Augen zugefallen, kaum das er auf der Decke gelegen hatte und war erst wieder aufgewacht als Molly ihn eine gute Stunde später vorsichtig gerüttelt hatte um ihm zu sagen, dass seine Mittagspause leider schon Zuende war. Er hatte sich verschätzt was seine Müdigkeit betraf und auch was ein warmer, ruhiger Ort in diesem Zustand bei ihm auslösen würde. James seufzte gegen das unförmige Gekritzel vor seiner Nase. Er hatte Molly den Valentinstag ruiniert. Ganz, ganz sicher hatte er ihr den Valentinstag ruiniert und er konnte nur hoffen, dass sie ihm das verzeihen würde.   „I'll boil you up some hot, strong love To keep you warm tonight.“      Endlich verklang auch das letzte Jaulen der alten Diva und James wagte einen vorsichtigen Blick zu seinem Radio. War es vorbei? Würde es schlimmer kommen? Oder folgte endlich die Erlösung auf die er schon so lange wartete? „Hier ist euer Lee mit einem Gruß für all die Turteltauben dort draußen“, schnarrte es und James hielt unwillkürlich den Atem an. „Der nächste Musikwunsch ist ein Klassiker von James für Molly. So hold each other tight, and keep each other warm with Magic works.“   „And dance your final dance This is your final chance To hold the one you love You know you've waited long enough.“    Die ersten, sanften Töne erklangen, Myron Wagtail hauchte seinen Text und James atmete erleichtert auf. Jetzt musste er nur noch hoffen, dass Molly das Radio laufen hatte. Das sie verstand, dass er ihr nicht hatte wehtun wollen und das sie ihm wichtig war. So wichtig, dass er es in Kauf nehmen würde, wenn seine Großmutter schreiend und keifend hier auftauchen würde, weil sie seine Entschuldigung mitgehört hatte und so wichtig, dass es ihm egal war, was sie dazu sagen würde. Was alle dazu sagen würden, denn dieses eine Mal würde er gar nicht erst versuchen es ihnen recht zu machen. Dieses eine Mal würde er von Anfang an seine Position beziehen.       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)