Coming Out 2 von Shunya (Anders als du denkst) ================================================================================ Kapitel 2: Ungeduld sieht nur das Ziel, nicht die Wege dorthin. --------------------------------------------------------------- Tilo öffnet mir breit grinsend die Tür und ich lächele ihn schief an. Seit wir uns wieder vertragen haben, gibt es freitags bei ihm einen Filmabend. Es ist schön wieder mehr Zeit mit meinem ehemals besten Freund zu verbringen und ich muss zugeben, dass es mir wirklich gefehlt hat. Er ist eben der einzige mit dem ich offen über meine Probleme reden kann. Na gut, nicht wirklich reden. Er ist es, der mich meistens dazu bringen muss, mal etwas preis zu geben. Er merkt eben sehr schnell, wenn es mir nicht gut geht. So auch heute. Tilo sieht mir an, dass mir etwas auf der Seele liegt. Das erkenne ich an seinem Blick. Tilo lässt mich erst mal eintreten und nimmt mir die Tüte mit den Süßigkeiten ab. Ich ziehe mir Schuhe und Jacke aus und gehe die Treppe hoch in sein Zimmer. „Hey, Alan!“, ruft Benji mir breit grinsend zu, der es sich schon auf Tilos Bett gemütlich gemacht hat und sich nun etwas aufrichtet. „Du siehst so anders aus...“, bemerke ich verwundert. Benji scheint sein altes Image á la Rocker aufgegeben zu haben. Er trägt im Gegensatz zu seinen schwarzen Klamotten jetzt ziemlich normale und unauffällige Kleidung. Seine langen schwarzen Haare hat er sich abgeschnitten und hat jetzt wieder seine normalen braunen Haare durchwachsen lassen und trägt eine Kurzhaarfrisur. Alles in allem muss ich sagen, dass er jetzt irgendwie attraktiver aussieht. Eben wie der hübsche Junge von nebenan. „Ja, ich habe jetzt andere Interessen.“, meint er zufrieden und macht es sich auf dem Bett gemütlich. Auf dem Boden liegen verstreut lauter DVDs herum, wovon wir einige heute Abend wohl noch gucken werden. Ich setze mich neben dem liegenden Benji aufs Bett und warte bis Tilo auch endlich soweit ist. „Ah, Alan! Such schon mal einen Film aus!“, ruft er von unten aus der Küche, wo er wohl schon mal alle Süßigkeiten auspackt und all den anderen Knabberkram, den ich mitgebracht habe. Ich lasse mich vom Bett herunter gleiten und schaue mir die ganzen Filme an. Wenigstens hat Tilo es mal fertig gebracht, sein Zimmer ein wenig aufzuräumen, stelle ich lächelnd fest. Es sieht hier sonst immer aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es könnte allerdings auch sein, dass seine Mutter die Unordnung nicht länger ertragen und selber aufgeräumt hat. In dem Punkt sind wir beide uns ziemlich ähnlich, denn bei uns regiert nun mal das Chaos. Mir fällt ein, dass Nicholas hingegen eher ein ordentlicher Mensch ist. Das passt so gar nicht zu seinem Äußeren. Ich lasse die DVD in meiner Hand sinken und muss wieder an unseren Streit denken. Es war kein richtiger Streit, aber es hat weh getan, solche Wort von ihm zu hören und dass er einfach nichts für unsere Beziehung tut. Es ist meine erste Beziehung und ich bin in solchen Dingen noch ziemlich unerfahren, aber sollte man sich da nicht ein wenig Mühe geben? Benji kriecht an die Bettkante und wuschelt mir durch die Haare. Ich lächele matt und er sieht mir an, dass es mir nicht gut geht. Benji breitet seine Arme aus und zieht mich an sich. Ich muss schlucken, denn sofort treten mir die Tränen in die Augen. Wieso sind mir meine Freunde momentan näher als mein eigener Freund? Ich greife mit meiner Hand in Benjis Ärmel und verkralle meine Finger regelrecht darin. Ich kann Tilos Schritte auf der Treppe hören, wie er das Zimmer betritt und sofort zu uns kommt. Er streicht mir mit seiner Hand über meine Haare und ich weiß, dass die beiden Jungs ein wenig mit mir überfordert sind, trotzdem bin ich froh, dass sie bei mir sind. Nach einiger Zeit habe ich mich wieder beruhigt. Wir haben nicht darüber geredet. Ich sitze vor dem Bett, Benji hinter mir hat seine Arme um mich gelegt und seinen Kopf auf meine Schulter gebettet. Wir sehen uns einen Film an und ich bin froh, wenigstens mal ein wenig abgelenkt zu sein. Es tut gut, mal nicht an Nicholas zu denken und einfach nur ein wenig Spaß mit meinen beiden Freunden zu haben. Es wird ziemlich spät und wir ziehen uns einen Film nach dem anderen rein, das Knabberzeug wird mit der Zeit immer leerer und die Getränke um uns herum nehmen immer mehr zu. Tilo trinkt sogar Bier und ich würde auch gerne etwas davon probieren, aber Alkohol vertrage ich so gut wie gar nicht. Tilo ist der erste der das Schweigen bricht. „Also! Was ist los?“, fragt er und sieht mich an, nachdem er seine Bierflasche auf dem Boden abgestellt hat. Ich lehne meinen Kopf nach hinten, gegen Benjis Schulter und seufze. „Nicholas ist los...“, meine ich matt. „Sag nicht, er hat dir schon wieder etwas angetan?!“, fragt Benji lauernd. Ich schüttele meinen Kopf und sehe auf den Abspann des Filmes. „Irgendwie...“, ich breche ab und weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich seufze erneut. „Ich liebe ihn nicht.“ Tilo und Benji sehen mich erstaunt an. „Dafür, dass du ihn nicht liebst, warst du aber eine ganze Weile mit ihm zusammen?“, stellt Tilo verwundert fest. Ich sehe ihn an und nicke. Ich habe gedacht, dass ich mich vielleicht mit der Zeit auch in ihn verliebe, aber da habe ich mich wohl geirrt. Es kommt einfach nichts von ihm und ich weiß auch nicht, wie ich mit der ganzen Situation umgehen soll. Ich habe auch Angst, dass wenn ich mich von ihm trenne, er wieder anfängt, mir weh zu tun. Ich will diese ganze Tortur nicht mehr durchmachen müssen. „Er ist total verschlossen und ich kann nicht mal eine normale Unterhaltung mit ihm führen. Die letzte Zeit hatten wir nur Sex, mehr nicht. Ich habe ihn darauf angesprochen, aber er nimmt mich einfach nicht ernst...“ Tilo legt den Kopf schief. „Das macht wirklich keinen Sinn. Trenne dich von ihm!“, meint er. Ich sehe ihn lächelnd an. Wäre schön, wenn es so einfach wäre. Ich habe Angst davor. Ich kann mich nicht einfach so von ihm trennen. Benji drückt mich fest und scheint zu überlegen. „Wie wäre es, wenn du ihn mal so richtig eifersüchtig machst? Vielleicht merkt er dann ja was er an dir hat?“, schlägt er vor. Ich drehe meinen Kopf so gut es geht und sehe ihn entsetzt an. Das ist ja noch schlimmer! Dann bringt Nicholas den anderen Kerl bestimmt um. Vor allem mit wem soll ich ihn denn bitte eifersüchtig machen? Mir fällt da keiner ein. „Mit wem denn?“, frage ich Benji missmutig. Benji grinst hinterhältig und sieht dann zu Tilo. Ich folge seinem Blick und wir beide trauen unseren Augen kaum. Ich und Tilo? Wie soll das gehen? Auf keinen Fall! Ich kann meinen Freund doch nicht in so etwas mit hineinziehen! Tilo hebt abwehrend seine Hände. „Ohne mich!“ „Aber du hast doch mal erzählt, dass ihr zwei euch geküsst habt! Wo also ist das Problem?“, will Benji unwissend erfahren. Tilo sieht ihn genervt an. „Das war doch nur, weil wir damals so neugierig waren! Das heißt nicht, dass ich schon wieder scharf darauf bin, ihn zu küssen!“, murrt er. Mir geht es genauso. Das eine Mal ist dadurch unsere Freundschaft kaputt gegangen. Noch einmal will ich das bestimmt nicht wieder erleben müssen. Tilo hat mir so sehr gefehlt, da will ich ihn nicht noch einmal verlieren. „Mach du es doch!“, meint Tilo grummelnd und Benji schüttelt daraufhin lachend den Kopf. „Nein, danke!“ Mir kommt Connor in den Kopf, aber ich kann ihn wohl kaum um so einen Gefallen bitten. Ich möchte ihn auch nicht mit hineinziehen. Das hat er einfach nicht verdient. Wir sind immerhin gerade dabei uns anzufreunden. Ich ziehe meine Beine an und verschränke meine Arme um die Knie. Mir muss irgendetwas anderes einfallen, sonst weiß ich auch nicht mehr weiter. Jetzt habe ich noch ein Wochenende, an dem ich vor Nicholas verschont bleibe, aber auf den Montag freue ich mich so gar nicht. „Lasst uns schlafen gehen, vielleicht kommt uns eher eine Idee, wenn wir uns nicht so sehr in die Sache verbeißen?“, meint Tilo und erhebt sich. Benji lässt von mir ab und setzt sich im Bett auf. Tilo hat für ihn neben dem Bett eine Matratze hingelegt, während ich mir das Bett mit Tilo teilen muss. Für eine zweite Matratze wäre einfach nicht genug Platz in seinem Zimmer. Einer nach dem anderen verzieht sich ins Badezimmer. Ich bin als erstes dran, erleichtere mich und putze mir die Zähne. Ich gehe zurück in Tilos Zimmer und ziehe mich bis auf die Boxershorts und mein Shirt aus. „Seid schön brav!“, meint Benji lachend und bekommt kurz darauf von Tilo ein Kopfkissen mitten ins Gesicht geschleudert. Ich muss grinsen und kuschele mich in das Bett. Ich und Tilo müssen doch ein ganzes Stück zusammen rutschen, damit keiner von uns aus dem Bett fällt. Irgendwann wird es uns dann doch zu blöd und Tilo legt mir einen Arm um, während ich mich an ihn drücke. Als Kinder haben wir auch oft so zusammen geschlafen, wieso also nicht auch jetzt? Ich umarme ihn und nach langer Zeit kann ich endlich mal wieder richtig ruhig einschlafen. Es ist Montag und ich stehe morgens alleine und ein wenig verloren auf dem Schulhof herum. Eigentlich ist das nichts Neues. Selbst die Pausen verbringe ich oft alleine. Ich spüre, wie jemand nach meiner Hand greift und drehe mich überrascht um. Es ist Nicholas und noch ehe ich etwas sagen kann, zieht er mich mit sich. Verwirrt laufe ich ihm hinterher und folge ihm hinter die Sporthalle. Er drückt mich etwas unsanft an die Wand und küsst mich gierig. Überrumpelt lasse ich es zu und erwidere den Kuss aus Gewohnheit. Nicholas Hand schiebt sich in meine Hose und ich stöhne in den Kuss. Ich halte mich an seinem grauen Pullover fest und öffne meinen Mund, um seine vorwitzige Zunge einzulassen. Trotz meiner misslichen Lage, lasse ich mich mal wieder auf Nicholas ein und lasse ihm seinen Willen. Nicholas lässt von meinen Lippen ab und küsst sich meinen Hals entlang. Will er das von letztens wieder gut machen? Küsst er mich deswegen auf seine Art? Mir fällt auf, dass er sich gerade nur mir widmet und ich muss schlucken. Mir wird auf einmal ganz warm. Hat Nicholas es sich doch mal durch den Kopf gehen lassen? Haben meine Worte ihn erreicht? „Nicholas...?“, stöhne ich leise und genieße die Bewegungen seiner Hand in meiner Hose. Ich halte mich an ihm fest und spüre seinen Körper, der mich gegen die Wand drückt. Seine Zähne vergraben sich in meinem Hals und keuchend schlinge ich meine Arme um seinen Hals. Nicholas versteht es, mich auf die Folter zu spannen und nicht sofort kommen zu lassen, umso besser fühle ich mich, als er es endlich nach einer scheinbaren Ewigkeit zulässt. Er zieht seine Hand aus meiner Hose und holt sich ein Taschentuch aus dem Rucksack, mit dem er sich abtrocknet. Ich lasse mich an der Wand herunterrutschen und sehe ihm zu. Dann kann ich mich nicht länger zurückhalten und falle über ihn her. Nicholas der noch eben in der Hocke gewesen ist, hat damit natürlich nicht gerechnet und fällt unter meinem Gewicht seitlich zu Boden. Ich halte ihn fest und drücke ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Erst noch etwas überrascht, beginnt Nicholas langsam den Kuss zu erwidern. Ich kann nur hoffen, dass jetzt wieder alles in Ordnung ist. „Ich habe dich am Wochenende vermisst...“, murrt er ein wenig vorwurfsvoll und sieht zu mir auf, als ich den Kuss nach einigen Minuten löse. Ich werde rot und verlegen sehe ich zur Seite. Normalerweise verbringen wir das Wochenende fast nur im Bett. Ist es dann nicht eher der Sex, den er vermisst hat? So ganz sicher bin ich mir auf einmal nicht mehr. „Du weißt doch, dass ich von Freitag bis Samstagabend bei Tilo bin.“ Ich stütze mich mit den Händen auf dem Gras und der trockenen Erde ab und sehe auf Nicholas herunter. „Du hättest wenigstens gestern noch vorbei kommen können!“, hält er mir vor. Ich seufze und richte mich auf. An meiner Unterlippe knabbernd überlege ich, was ich ihm sagen soll. Die Wahrheit schon mal nicht, denn dann gibt es bestimmt schon wieder Krach. So früh am Morgen bin ich einfach nicht scharf darauf. Ich kratze mit meiner Hand an meinem Nacken und habe immer noch keine Antwort für ihn parat. Ich habe eben den Tag lieber mal daheim mit meinem Hund Monty verbracht. Nicholas richtet sich nun ebenfalls auf und greift nach seinem Rucksack, den er sich um die rechte Schulter hängt. Er richtet seine Kleidung und geht an mir vorbei. Dabei stößt er beinahe mit Connor zusammen. Beide sehen sich überrascht an. „Was willst du denn hier?“, murrt Nicholas und ist sofort gereizt. Connor sieht ihn unbeeindruckt an. „Ich freue mich auch dich zu sehen, mein Hübscher!“, erwidert er keck und streicht Nicholas über die Wange, dessen Miene unverzüglich noch düsterer wird. „Connor...“, rufe ich und endlich scheint er auch mich zu bemerken. Augenblicklich erhellt sich seine Miene und ohne Nicholas auch nur eines Blickes zu würdigen, geht Connor an ihm vorbei und direkt auf mich zu. „Da bist du ja, ich habe dich schon vermisst!“, meint er lächelnd und schlingt seine Arme um mich, drückt sich an mich und umarmt mich ausgiebig. Meine Hände krallen sich in sein Shirt und mein Blick fällt auf Nicholas, der uns ganz und gar nicht erfreut betrachtet. Ohne ein Wort zu sagen, geht er weg. Traurig sehe ich ihm nach, löse mich aber nicht aus Connors Umarmung. Das scheint ihm zu gefallen, denn er scheint auch gar nicht vorzuhaben mich loszulassen. „Wie kommt es, dass du mit so einer Giftschlange befreundet bist?“, fragt Connor mich nach einer Weile. Er löst sich von mir und greift nach meiner Hand. Ertappt sehe ich ihn an und da es mir die Sprache verschlagen hat, sehe ich ihn nur an. Connors Augen werden immer größer. „Nicht dein Ernst!“, entfährt es ihm. „Mit dem?!“ Ich weiche seinem Blick aus und kriege noch immer kein Wort heraus. „Na ja, gut, er sieht schon zum Anbeißen aus, aber mal ehrlich! Wie kann man mit dem Kerl Spaß haben?“, fragt Connor mich. Ich betrachte das Gras zu meinen Füßen und spüre kurz darauf Connors Hand auf meiner Schulter. „Mach dir nichts draus. Meine ersten Freunde waren auch nicht so der Hammer!“, meint er lachend und läuft hinter mich, legt seine zweite Hand auf meine Schulter und schiebt mich voran. „Connor?“, frage ich zögerlich. „Ist es so offensichtlich, dass ich mit Nicholas zusammen bin?“ „Tja, bei dem Knutschfleck schon! Außerdem wart ihr eben beide ganz allein hier. Da kann man es schon erahnen, was hier gelaufen ist.“ Ich seufze und wir gelangen auf den Schulhof. Connor gesellt sich neben mich und zusammen gehen wir zur Klasse. „Wirklich glücklich scheinst du aber nicht mit ihm zu sein!“, bemerkt Connor und sieht mich von der Seite an. Ich nicke und mal wieder hat er recht. Wie schafft er es nur immer wieder mich zu durchschauen? Ist es denn so offensichtlich? „Mit so einem heißblütigen Kerl kann man tollen Sex haben, aber für eine Beziehung taugt so einer gar nicht. Such dir lieber einen neuen Freund.“ Ich schiele zu Connor und seufze. „Als ob das so leicht wäre...“, meine ich missmutig und schlurfe neben Connor her. Er öffnet die Glastür und lässt mich das Schulgebäude betreten. Mal wieder bin ich erstaunt wie höflich Connor ist. Nicholas hat mir noch nie die Tür in der Schule aufgehalten, aber er geht mir ja in der Öffentlichkeit auch aus dem Weg. Ich betrachte Connor von der Seite und wieder fällt mein Blick auf seine Tattoos am Arm. Ob das nicht weh getan hat? Ich habe mir nie überlegt mir ein Tattoo machen zu lassen. Na ja, in dieser kleinen Ortschaft kann man ja auch nicht so einfach auf solche Ideen kommen. Hier wird man nicht mal in Versuchung geführt. Connor sieht zu mir und grinst breit. Verlegen weiche ich seinem Blick aus und er legt mir den Arm um die Schultern. „Falls es dich interessiert, ich bin zurzeit Single!“ raunt er mir leise zu und ich erschaudere bei seiner tiefen und verführerischen Stimme, die auf einmal so nahe an meinem Ohr ist. Ich schaffe es nicht ihm ins Gesicht zu sehen und gehe lediglich weiter neben ihm her. Wir erreichen die Klasse, aber Nicholas ist noch nicht zu sehen. Lediglich einige meiner Klassenkameraden sind bereits da und als sie uns erblicken, beginnen sie augenblicklich zu tuscheln. Scheinbar sind wir beide zurzeit wirklich das Gesprächsthema schlechthin. Auf die Gerüchte bin ich überhaupt nicht scharf. Wir warten bis unsere Lehrerin endlich kommt und die Klasse aufschließt. Die ersten Schüler quetschen sich regelrecht in den Raum, als könnten sie es kaum erwarten, den Unterricht so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Ich gehe hinter Connor her und setze mich lustlos auf meinen Platz. Dann trudelt auch endlich Nicholas ein, beachtet mich jedoch nicht. Ich schaffe es nicht ihn zu ignorieren und so schaue ich immer wieder heimlich zu ihm. „Wie ihr ja schon langsam mitbekommen haben solltet, geht es für unsere Klasse demnächst nach England. Ich hoffe, ihr nutzt diese Chance und verbessert euer Englisch. Ich habe übrigens die Zimmerverteilung, hört bitte gut zu und kein meckern hinterher! Es gibt keine Änderungen!“, erklärt unsere Lehrerin und setzt sich an ihr Pult. „Solange niemand mit dem Homo zusammen schlafen muss! Die Jungs tun mir jetzt schon Leid!“, meint ein Mädchen in den hinteren Reihen und alle lachen. Knallrot sehe ich auf meinen Tisch. Als ob ich über jeden Kerl herfallen würde. Connor scheinen sie in Ruhe zu lassen, denn auf seine schlagfertigen Kommentare hat keiner Lust. Unsere Lehrerin schaut sich die Blätter an und ruft die ersten Namen auf. Einige scheinen erleichtert zu sein, andere wiederum sind enttäuscht und machen ihrem Frust lautstark Luft. Ich bin ganz angespannt und frage mich, mit wem ich mir ein Zimmer teilen muss. Die letzten Namen werden aufgerufen und so langsam kriege ich das Gefühl als hätte meine Lehrerin mich vergessen. Mein Blick haftet noch immer auf der Tischplatte. „Connor Seidel und Alan Mealing.“ Im ersten Moment bekomme ich es gar nicht richtig mit, nur so am Rande. Erst als Connor mich anstupst und mir fröhlich zu raunt, dass wir uns ein Zimmer teilen werden, atme ich erleichtert auf. „Haha~ die Schwuchteln haben bestimmt Sex, dass sich die Balken biegen!“, meint ein Junge und wieder einmal lachen alle darüber. Ich hebe meinen Blick und sehe zur Lehrerin. Mit wem kommt Nicholas dann in ein Zimmer? Zum Glück dürfen die Jungs und Mädchen nicht zusammen schlafen, aber ein bisschen Sorgen mache ich mir trotzdem. „Zu guter Letzt, Nicholas Török. Du bekommst das Einzelzimmer!“, meint sie zu ihm. Ein paar Schüler beschweren sich und wollen auch eigene Zimmer haben. „Beruhigt euch! Ruhe! Die Anzahl ist ungleich, also bleibt ein Zweierzimmer für eine Person übrig und das ist eben Nicholas! Findet euch damit ab! So und nun zurück zum Unterricht!“ Mein Blick fällt auf Nicholas. Es gefällt ihm bestimmt nicht, dass ich mir das Zimmer mit Connor teile. Ich schiele kurz zu Connor und bin eigentlich ganz froh, dass ich es mit ihm so gut erwischt habe. Es hätte schlimmer kommen können. Wäre ich mit einem meiner anderen Mitschüler in einem Zimmer, würde ich sogar freiwillig bei Nicholas im Zimmer schlafen. Was ich wohl so oder so machen werde. Wir sind ja immer noch zusammen. Ich muss mir wirklich einfallen lassen, wie ich mit ihm Schluss machen kann, aber nach heute morgen, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Jetzt weiß auch noch Connor, dass wir zusammen sind. Das kann ja nur in einer Katastrophe enden! Der Unterricht endet endlich und auch wenn ich meine Zeit viel mit dem Lernen verbringe, so bin ich jetzt doch ziemlich aufgeregt und Connor ist auch schon am Pläne schmieden, was wir in London so alles unternehmen werden. Ich bin noch nie im Ausland gewesen und schon entsprechend nervös, aber was mir mehr Sorge macht, ist, dass ich Monty solange nicht sehen kann und meine Eltern sind kaum zu Hause, also werde ich ihn wohl solange in einer Tierpension abgeben müssen. „Ich finde es klasse, dass wir uns ein Zimmer teilen können! Dann haben wir unsere Ruhe vor all den Idioten und können tun und lassen was wir wollen!“, meint Connor gut gelaunt und reißt mich aus meinen Gedanken heraus. Ich nicke lächelnd und sehe kurz auf Nicholas Rücken, der vor uns den Gang entlang läuft und wahrscheinlich alles hören kann. Ich sehe zu Connor, schaffe es jedoch nicht, etwas zu erwidern. Ich will nicht, dass Nicholas auch noch wütend auf mich wird, also halte ich lieber meinen Mund. Connor weiß ja, dass ich mit Nicholas zusammen bin. Es wäre nicht gut, wenn das auch noch herauskommt. Wie wohl die anderen darauf reagieren würden? Connor zieht mich in eine ruhigere Ecke auf dem Schulhof. „Hast du es dir überlegt?“, fragt er mich neugierig und rückt mir auf die Pelle. Ich weiche ein wenig irritiert vor ihm zurück. „Was soll ich mir überlegt haben?“, frage ich ihn verwundert. „Willst du mit mir gehen?“, fragt er mich nun direkter. „A-aber ich habe doch schon einen Freund!“ Connor macht eine abwertende Handbewegung. „Der dich nur unglücklich macht!“ Ich sehe stumm auf den Boden. Connor hat ja Recht, aber er weiß ja gar nicht richtig, was da bei mir und Nicholas abläuft. Wieso will er dann unbedingt mit mir zusammen sein? „Komm schon, ich weiß, dass es dir mit mir besser gefallen wird!“, meint er lächelnd und scheint sehr von sich überzeugt zu sein. „Stört es dicht wirklich nicht, was die anderen alle davon halten? Du bist immerhin auch schwul...“, frage ich ihn. „Wieso? Umso mehr müssen wir beide zusammen halten!“, erklärt er eindringlich und geift nach meinem Arm. Mir wird ein bisschen unwohl zumute. „Ich kann das nicht so einfach machen...“, versuche ich mich zu erklären. Connor sieht mich musternd an. „Der Kuss hat dir aber mehr als gefallen!“, meint er leicht spöttisch. „Würde dein Freund dir soviel bedeuten, hättest du es nicht zugelassen, dass ich dich küsse!“ Mir wird ganz heiß und entsetzt sehe ich Connor an. „Da-das...“, stammele ich und kneife meine Augen hastig zusammen, als Connor mich erneut küsst. Er greift mit seinem Arm um mich und zieht mich näher an sich heran. Völlig überrumpelt wehre ich mich kein Stück und lasse es einfach zu. Ob Nicholas im Moment zusieht? Ob er eifersüchtig ist? Ich öffne leicht meinen Mund und Connor nutzt diese Chance, platzt mit seiner Zunge einfach hinein und raubt mir den Atem. Ich verkrampfe mich leicht, aber ich muss zugeben, dass es sich wirklich nicht schlecht anfühlt, Connor zu küssen. Er löst den Kuss wieder und sieht mir schelmisch grinsend ins Gesicht. Ich sehe auf seine Zunge, wie sie über seinen Mund leckt und bewege mich verlegen keinen Zentimeter vom Fleck. Als ich es endlich mal wage mich umzusehen, ist von Nicholas keine Spur zu sehen. Hat er es mitbekommen? Spätestens wenn die anderen Schüler es sich erzählen werden, die zurzeit alle mächtig am gaffen sind, wird er es wissen. Mit einem schlechten Gefühl sehe ich mich um und würde am liebsten zu Nicholas laufen, um das Missverständnis aufzuklären. Ich presse meine Lippen aufeinander und befinde mich plötzlich in Connors Armen wieder. „Ich freue mich schon sehr auf unseren Trip nach London!“, meint er leise und knabbert an meinem Ohrläppchen. Ob das alles nur ein schlechter Traum ist? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)