Memories Erased von StillScreaming ================================================================================ Kapitel 1: Fading In. --------------------- Als sie erneut aufwachte, war es noch dunkel. Sie konnte leicht die Umrisse des Raumes erkennen, in dem sie sich befand, aber nicht genau einschätzen, wie groß er war. Es dauerte eine Weile, bis sich ihre müden Augen an die Dunkelheit gewöhnten und sie erkannte, dass ihr Aufenthaltsort sehr einseitig ausgestattet war. Ein fast leerer Raum. Es gab nur ein Bett, in dem sie sich im Moment befand, einen Tisch, sowie einen Stuhl vor dem einzigen Fenster, durch das stark gedämpfte Lichtstrahlen drangen. Die Fensterläden waren geschlossen. Außerdem war an der gegenüberliegenden Wand ein kleiner Schrank mit Spiegeltür zu erkennen. Wie kam sie nur hier her? Sie versuchte, sich aufzurichten, da spürte sie erstmals den stechenden Schmerz in ihrer Seite. Ebenso pochte der Kopf, als ob er jeden Moment platzen würde. Sie stöhnte leise auf. Es war nicht einfach, sich auch nur hinzusetzen, wenn einem jeder Knochen im Körper wehtat, doch sie biss die Zähne zusammen. Mühsam schwang sie ein Bein aus dem Bett und setzte es zitternd auf den Boden. Wo war sie nur? Und was war passiert? Sie konnte sich an nichts erinnern. In ihrem Kopf herrschte finstere Leere. Schwankend bewegte sie sich vor den Spiegel, an dessen Seiten sie sich mit beiden Händen abstützte. Sie konnte ihr eigenes Gesicht kaum erkennen. Ihre Augen waren von dunklen Schatten umrandet, die Haut wirkte fahl und eingefallen. Auch ihre langen orangenen Haare waren stumpf und ihre sonst so vollen Lippen rissig. An ihrem Körper stachen die Knochen aus der gespannten Haut, sie erkannte Blutspritzer an ihrem weiten Shirt, das definitiv nicht für eine Frau gemacht war. Viel zu weit, wie ein Zelt, hing es über ihrem Körper. Am ganzen Körper war sie übersäht von Schürfwunden und Verbänden. Es war ein Anblick des Grauens. Eine Weile betrachtete die junge Frau sich aus ihren glanzlosen Augen heraus, bis sie es nicht mehr aushielt. Es war sicher, dass das sie war, doch das Gesicht kam ihr so fremd vor. Geistesabwesend strich sie über ihre Wange und fühlte es nur weit entfernt. Als ob es nicht ihre eigene Hand, geschweige denn ihre eigene Wange wäre. Zu sehr hing sie ihren Gedanken nach. Zu fremd fühlte sich das alles für sie an. Sie hatte kaum bemerkt, dass sie sich bereits der Tür genähert und die Klinke heruntergedrückt hatte. Was würde sie dahinter erwarten? Kurz hielt die Orangehaarige inne. Schlimmer konnte es nicht kommen, oder? Einen Moment lang war die junge Frau wie geblendet, als ihr das gleißende Licht ins Gesicht fiel. Auch, dass sie die Augen sofort fest zusammen kniff, half nichts, denn sie war zu langsam gewesen. Unbeholfen stolperte sie einen Schritt zurück, stützte sich am Türrahmen ab. Wieder ein leises Stöhnen. Es war einfach zu hell, ihre Augen mussten sich langsamer an das Licht gewöhnen, das ihr plötzlich entgegenstrahlte. Einen Augenblick lang spielte die Orangehaarige mit dem Gedanken, sich einfach wieder auf das zerwühlte Bett zu legen und weiter zu schlafen. Doch angesichts der hämmernden Kopfschmerzen und dem Ziehen in ihrer Seite verwarf sie diesen schnell wieder. Außerdem musste sie herausfinden, wo sie war. Das hatte Priorität. Sie war doch nicht mehr dieses schwache Mädchen, oder? Sie war eine starke Frau geworden, die keine Hilfe brauchte. Sie wollte keine Hilfe mehr brauchen. Die junge Frau war überrascht von ihren eigenen Gedanken, da sie nicht wusste, woher sie kamen. Sie waren einfach da, ohne Zusammenhang. Gewaltsam versuchte sie sich zu erinnern, was passiert war, warum sie so dachte, doch es kam ihr vor, als würde ihr Gehirn sie auslachen. Da war nichts. Einfach nichts. Während sie in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken gewesen war, hatten sich ihre Augen bereits an das Licht gewöhnt, ohne dass sie es bewusst wahrgenommen hatte. Vor ihr lag ein schmaler Gang, ebenso steril weiß wie das Zimmer, aus dem sie gekommen war. Keine Bilder an den Wänden, die Rückschlüsse auf die Bewohner zuließ, nur zwei weitere geschlossene Türen. Am Ende erkannte sie einen Türbogen, der in ein Zimmer führte, aus dem sie leise Geräusche wahrnehmen konnte. Sollte sie es wagen? Was, wenn sie das, was sie erwartete, nicht ertragen könnte? Vehement schüttelte die junge Frau ihren Kopf. Sie musste stark sein, jetzt mehr als jemals zuvor. Was auch immer sie am Ende des Gangs erwarten würde, sie musste damit fertig werden. Auch, wenn das hieß, dass sie kämpfen musste. Denn viel wichtiger als ihre Nervosität war nämlich herauszufinden, wo sie war, warum und vor allem... wer. Vorsichtig schlich die Orangehaarige den Gang entlang, immer eine Hand an der Wand. Ihre Beine fühlten sich noch immer zu schwach an, als dass sie ohne Unterstützung hätte laufen können. Ihre schmerzende Seite bohrte sich wieder in ihre Gedanken, sodass sie scharf die Luft einsog. Was war nur passiert? Wer hatte sie so zugerichtet? Innerlich schwor sie sich, bittere Rache an dem zu nehmen, der ihr das angetan hatte. Sie fühlte sich elend. Die Geräusche aus dem Zimmer wurden lauter, je näher sie kam. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, deren Ursache auszumachen, sie versagte jämmerlich. Es war, als wäre eine Art Stoff über ihren Ohren, durch den sie alles nur viel dumpfer und gedämpfter wahrnehmen konnte. Noch einmal holte sie tief Luft und fasste sich ein Herz, bevor sie durch den Rahmen schritt. „Du solltest noch nicht aufstehen.“ Der Mann, der da so gelassen auf dem Boden saß und scheinbar meditierte, hatte eine tiefe, männliche Stimme, die ihr sofort Schauer über den Rücken jagte. Dabei hatte er nicht einmal den Kopf gehoben, sie nicht einmal angesehen. Er hatte einfach weiter da gesessen, ohne sich zu bewegen. Die Orangehaarige sah sich langsam um, nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass der junge Mann ihr nichts tun würde. Wenn das seine Absicht gewesen wäre, hätte er es schon längst getan. Sie befand sich augenscheinlich in einer Küche, im selben kargen Stil eingerichtet wie der Rest des Hauses. Es gab nur ein Waschbecken und einen Herd, wenige Nahrungsmittel waren in der Ecke achtlos gestapelt. Die junge Frau ließ ihren Blick durch den Raum schweifen und blieb schlussendlich wieder bei ihrem neuen Bekannten hängen. Ein Mann, sie schätzte ihn auf ungefähr Mitte Zwanzig. Seine Augen konnte sie nicht erkennen, aber sie wusste auch nicht, ob sie das wollte. Immer noch saß er regungslos auf dem Boden, den er anzustarren schien. Die junge Frau war eingeschüchtert, das musste sie sich eingestehen. Wie er so da saß, so ruhig und still. Jedoch konnte man unter seinem engen weißen Shirt die fein definierten Muskeln erkennen, die unentwegt zuckten. Die junge Frau hielt die Luft an. Dieses kantige Gesicht, mit einem leichten Bartansatz... Sein Körper war nicht zu verachten. Absolut alles an ihm schien sie anzuziehen, auch wenn sie das niemals zugeben würde. Sie kannte ihn doch nicht einmal! Das einzige, das sie an ihm stutzen ließ, war seine Haarfarbe. Grüne Haare sah man nicht jeden Tag. „Bist du da angewachsen oder warum kommst du nicht her? Du musst doch Durst haben wie sonst was.“ Seine raue Stimme schreckte die Orangehaarige aus ihren Gedanken. In der Tat stand neben ihm eine Flasche Wasser. Als sie darüber nachdachte, stellte sie fest, dass ihre Kehle staubtrocken war. Doch eines brannte ihr trotzdem noch mehr auf der Seele. „Ja, aber... Wer bist du eigentlich?“ Stockend stellte sie ihre Frage. Während die Worte ihren Mund verließen, hatte sie das Gefühl, als müsste sie die Antwort eigentlich kennen. Als müsste sie diesen Mann eigentlich kennen. Und ihre Vermutung schien wie bestätigt, als dieser ruckartig aufstand und sie entgeistert ansah. „Nami, was zur Hölle treibst du jetzt wieder für kranke Spielchen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)