I want you, come after me von Siberianchan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Titel: I want you, come after me Fandom: Nightrunners Comment: Ein Geburtstagsgeschenk für eine Freundin von mir – hoffen wir mal, sie gefällt. :) Disclaimer: „Nightrunners“ und alle darin vorkommenden Charaktere gehören Lynn Flewelling. Ich habe nicht den notwendigen Mangel an Ehrgefühl um zu behaupten, es wäre anders. Ich will nur ne Runde mit denen spielen und sie dann ganz brav zurück an ihren Platz stellen, ok? Kapitel 01 Der Herbstwind wehte ihnen feuchten Regen ins Gesicht als sie durch die Straßen ritten, scharf und spitz wie Nadeln. Seregil schüttelte sich und die nasse Kapuze seines Mantels schlug ihm ins Gesicht. „Hoffentlich hat Thero ein paar Handtücher da“, murmelte er. „Und was heißes zu trinken.“ Alec lächelte ein wenig mitleidig. „Am besten nach einem heißen Bad?“ „Ja, bitte. Und dazu ein Glas heißen Wein.“ Seregil musste sich jetzt doch anstrengen, nicht mit den Zähnen zu klappern. An solchen Tagen kam er nicht umhin, Alec um seine Kälteresistez zu beneiden. „Na dann, schauen wir, dass wir schnell hin kommen. So ein Handtuch klingt wirklich nicht schlecht.“ Sie ritten von der Silbermondstraße ab und auf die Prachtallee, die zum Orëskahaus führte. Eine Windbö stieß ihnen einen weiteren Schwall Regentropfen entgegen. „Brr. Komm, mein Mädchen, ab ins Warme mit uns.“ Seregil trieb Cynril in einen flotten Trab, der das Wasser in den Pfützen aufspritzen ließ. Alec ließ Windläufer die Zügel und den Wallach aufholen und sie beeilten sich, durch das Tor in die Gärten des Orëska-Hauses zu reiten. Noch immer regnete es, aber kaum hatten sie das Tor passiert, veränderte sich die Luft, wurde weicher und milder, frühlingshafter. Seregil atmete ein und aus. Eine erste Verbesserung. Sie übergaben ihre Pferde einem Stallburschen und gingen dann zum Haupttor des Gebäudes. Hier mussten sie sich nicht anmelden. Lord Seregil, selbst ehemaliger wenn auch erfolgloser Schüler des Orëska-Hauses ging schon seit Jahrzehnten ein und aus und seit einigen Jahren galt das Gleiche auch für Alec. Sie zogen eine feuchte Spur hinter sich her als sie die Treppen hinauf gingen, die zu Theros Turmzimmer hinauf führten und die Magier, die an ihnen vorbei kamen hoben missbilligend die Blicke. Immer noch besser als nekromantische Ausdünstungen zu verströmen, dachte Seregil und streckte ihnen mental die Zunge heraus. Es war ja nicht so, dass das selten passierte – weder dass er die Teppiche auf den Treppen goss, noch dass er bei seiner Rückkehr halbtot war und nach schwarzer Magie stank. Seiner Auffassung nach waren nasse Teppiche das kleinere Übel, aber natürlich ließ er diesbezüglich jedem seine eigene Meinung. Theros Tür war geschlossen und Alec klopfte ein paar Mal kräftig. Allen Dummheiten zum Trotz, die sie immer wieder anstellten, so viel Verstand hatten sie dann doch noch. „Herein!“ Sie schoben die Tür auf und Thero drehte sich zu ihnen um. Eine seiner schmalen Augenbrauen hob sich auf eine beinahe abfällige Weise. „Ihr wisst doch eigentlich, dass auf den Teppichen nichts wächst, warum gießt ihr sie denn?“ „Der Teppich hat größere Erfolgsaussichten als der Marmor im Bad“, meinte Seregil. „Können wir uns abtrocknen, bitte?“ „Sicher. Ich hab euch was rausgelegt.“ „Danke.“ Seregil machte eine halbe Drehung zu der kleinen, dunklen Tür die zu einem kleinen Schlafzimmer führte, erwischte sich dabei und lachte verlegen. „Oh. Muss mich immer noch daran gewöhnen, dass da wieder jemand drin wohnt.“ Er drehte sich zurück in die Richtung, in die Thero nickte, zu dem großen Esstisch und begann rasch, sich aus seinen nassen Kleidern zu schälen. Alec neben ihm tat es ihm gleich, doch er achtete darauf, Thero den Rücken zuzudrehen. Selbst nach all der Zeit mit Seregil hatten sich einige Reste seiner Schamhaftikeit erhalten. „Wo ist er eigentlich?“, fragte Alec während er rasch eine schmale, lederne Mappe aus den nassen Falten seines Mantels fischte und auf den Tisch legte. „Mika war für zwei Tage bei seinen Eltern in der Stadt“, sagte Thero. „Sie bringen ihn heute zum Abendessen zurück.“ Sie trockneten sich ab und warfen ihre nassen Sachen und die Handtücher in einen Korb und zogen sich die trockenen Hosen und Hemden an, die Thero ihnen heraus gelegt hatte. „Ah, viel, viel besser!“, verkündete er zufrieden. „Und? Wie geht es vorran mit dem Lehrmeisterdasein?“ Thero grinste breit genug, dass Seregil einen kleinen Schritt zurück ging. Nicht, dass ihm noch was abgebissen wurde. „Erstaunlich gut.“ Er zog an einer kleinen Schnur. „Mit Zauberei haben wir noch nicht wirklich angefangen, ich zeige ihm ein paar kleine Tricks und bringe ihm bei, wie er seinen Geist kontrollieren kann – und versuche ansonsten, ihm Geschichte und schon ein bisschen Politik einzutrichtern.“ Er schlenderte um den Tisch herum. „Aber vor allem versuche ich momentan, ihm ein paar naturkundiche Kenntnisse zu vermitteln – schaut.“ Er zog ein kleines, in Leder gebundenes Büchlein von einem Regal und reichte es ihnen. „Das macht er jeden Tag – Pflanzen, Tiere und Steine suchen, abbilden und über sie lernen.“ Seregil lächelte und schlug das Heft auf. In großer und noch ein wenig unbeholfener Kinderschrift waren da sehr sorgfältig aufgeschrieben, welche Pflanzen wo wuchsen und wo welche Tiere und Steine gefunden worden waren. Daneben waren getrocknete Blüten und Blätter geklebt oder eine unbeholfene Kinderzeichnung hinzugefügt und eine kleine Auflistung der Eigenschaften des entsprechenden Objekts. „Ist es sehr anstrengend?“ Alec schielte in das Buch hinein und schmunzelte. „Es geht eigentlich. Ich hatte es mir schwieriger vorgestellt, wenn ich an meine eigene Lehrzeit denke.“ Thero verzog das Gesicht. „Wenn ich mich so daran erinnere, war ich wohl ein ziemliches Ekel.“ „Hast es erfasst“, meinte Seregil abwesend. Alec trat ihn gegen das Schienbein. „Au! Was denn, er wird ja wohl die Wahrheit vertragen können.“ Alec rollte die Augen. „Also, ihr beiden, was gibt’s, dass ihr euch bei dem Wetter raustraut?“ Thero ging zu seiner Vitrine und nahm drei Tassen aus dickem, geschliffenen Glas heraus, die von einem weichen, vollen Gelbton waren. „Ihr werdet wohl eher etwas Warmes bevorzugen?“ „Ja, bitte.“ Seregil spazierte schon wieder wie selbstverständlich durch den Raum und ließ sich in einen Sessel fallen. Alec setzte sich in den neben ihn und sie beobachteten, wie Thero ihnen einen sehr dunklen, schon beinahe roten Met einschenkte und kurz über den Rand jeder Tasse strich. Sofort dampfte es heiß auf. „Bitte sehr.“ Er reichte ihnen ihre Tassen. „Also, was gibt es, dass ihr euch bei dem Wetter aus dem Haus traut?“ Alec drehte sich in seinem Sessel, streckte sich und griff nach der Mappe, die er vorher beim Ausziehen auf den Tisch gelegt hatte. „Da. Wir ware letzte Nach bei Herzog Altheus.“ „Ah, sehr gut, danke.“ Während er einen Schluck nahm, öffnete er die Mappe und blätterte die Abschriften durch, die sie in der letzten Nacht angefertigt hatten. „Ich hoffe, du weißt das zu schätzen“, knurrte Seregil. „Er hat unten gefeiert, also mussten wir die Schatulle und das Schreibzeug nehmen und auf den Dachboden steigen. Zum Glück waren grad keine von den Dienstmädchen da.“ „Wie tragisch“, kommentierte Thero. „Danach musste die Schatulle nur dummerweise wieder an ihren Platz“, brummte Alec nicht weniger misslaunig bei der Erinerung. „Das nächste Mal lass uns überlegen wann wir einbrechen. Wir wären fast erwischt worden.“ „Wäre ein ziemlicher Skandal, ohne Zweifel“, stimmte Thero zu. „Warten ging aber nicht. Es hat geeilt.“ „Wissen wir. Aber wenn das nächste Mal ein, zwei Tage mehr zur Verfügung stehen, gib sie uns“, sagte Seregil. „Und richte das bitte vor allem Korathan aus. Anscheinend ist er taub wenn ich sage, dass unsere Methoden manchmal Zeit brauchen.“ Er nahm ebenfalls einen Schluck Met. „Hm, der ist gut.“ „Mikas Vater schickt mir ab und zu etwas.“ Thero trank ebenfalls. „Mal sehen, falls Mika Interesse daran hat, kann er später auch gern das Handwerk lernen, wenn es ihm nicht zu viel ist. Schaden kann es nicht. Und ich müsste später nicht darauf verzichten.“ „Werd uns nicht zum Säufer“, scherzte Alec. „Ich doch nicht.“ Thero blätterte wieder die Briefe durch und presste die Lippen zusammen. „Oh weh. Das wird Elani gar nicht gefallen.“ „Unsere neuesten Umstürzler haben wohl wirklich jemanden gefunden, oder?“, fragte Seregil. „Ja. Die Liste hier“, Thero hob besagtes Stück Papier hoch und wedelte damit, „zählt alle weiblichen noch lebenden Nachfahren von Prinzessin Nalia auf.“ „Gattin des Ursupators Korin, der von Tamir II vom Thron vertrieben wurde, ja“, meinte Seregil. „Und?“ „Sie hatte von Korin und später von ihrem zweiten Mann ein paar Kinder, darunter zwei Töchter.“ „Ich sehe das Problem nicht. Sie war die Frau eines Usupators. Ihre Kinder waren nur über ihn aus Ghërilains Blutlinie.“ „Eben nicht. Nysander hat das von seinem Meister Arkoniel gehört. Nalia war selbst eine direkte Tochter von Ghërilain. Eine kleine Nebenlinie.“ Thero nahm einen Schluck Met. „Hat irgendwie das Massaker überlebt, das König Erius damals veranstaltet hat – Arkoniel hat wohl gemeint, man hätte sie verschont und aufgezogen, um sie mit Korin zu verheiraten, damit wieder eine rechtmäßige Königin auf dem Thron sitzt... ach was weiß ich, was die sich damals alle dachten, ich müsste mich dazu einmal genauer in die Aufzeichnungen darüber einlesen.“ Leiser fügte er hinzu: „Und nicht mal da werd ich alles finden, was damals los war.“ Alec verzog das Gesicht. „Bedauernswert.“ „Ist es. Nalia hat nach Tamirs Sieg für sich und ihre Kinder auf alle Ansprüche am Thron verzichtet und ihr Loyalität geschworen. Im Gegenzug wurde sie mit allen Ehren behandelt die ihr als Verwandte der Königin zustehen und danach hat man nicht mehr viel von ihr oder ihren Nachkommen gehört. Bis jetzt jedenfalls.“ Wieder wedelte Thero mit dem Blatt. „Es gibt etliche Leute, die Elani überhaupt nicht gern auf dem Thron sehen.“ „Ich dachte, die Klia-Fraktion hätte sich jetzt endgültig zerschlagen“, wandte Alec ein. „Nachdem Klia auf ihren Thronanspruch verzichtet hat..“ „Die würden auch Klia nicht gern auf dem Thron sehen wollen“, erklärte Thero. „Leraner also, um dein Ratespiel zu beenden?“, fragte Seregil. „Die oder eine ähnliche Gruppe.“ Thero faltete die Liste wieder zusammen. „Aber eher die Leraner, denke ich. Nalia ist kaum mehr als eine historische Fußnote. Man muss schon sehr tief graben um auf sie zu stoßen.“ „Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, das wir uns bei Altheus umsehen sollten?“, fragte Alec. „War nur so eine Eingebung.“ Thero winkte ab. „Ich habe ihn vor ungefähr einer Woche das erste Mal getroffen. Auf einem Bankett das Gräfin Miselle ausgerichtet hat, um meine und Klias Verlobung zu feiern, wie sie meinte.“ Seregil und Alec grinsten einander an. Wie es aussah, würde Klia zumindest verhindern, dass Thero sich noch zum Einsiedler entwickelte. „Er war mir später am Abend aufgefallen. Hat draußen im Garten zu einigen Bekannten erklärt, dass die königliche Familie natürlich nichts für ihr Erbe könnten und niemand solle der Königin einen Strick draus drehen.“ Thero sah in seinen Met, der in wenig abgekühlt war, und erhitzte ihn wieder mit einem Strich seines Daumens. „Er klang schon ein wenig angetrunken.“ „Nysander meinte immer, dass Wein dazu neigt, die Wahrheit ans Licht zu bringen“, bemerkte Seregil. „Meine Rede.“ Thero hob wie zum Salut seine Tasse. „Außerdem bemerken Betrunkene nicht so leicht, dass man sie belauscht, selbst wenn ich es bin, der hinter den Büschen hockt.“ Alec gluckste bei dem Bild, das Thero da mit seinen Worten herauf beschwor. „Er hat weiter geredet, dass Phoria zumindest nie diesem Erbe nachgegeben hat, sondern sich immer wie eine oedentliche Skalanerin verhalten und gehandelt hat. Was man nicht immer von Korathan und ganz sicher nicht von Klia sagen könnte.“ „Ja. Sehr unskalanisch, wie sie im Krieg an vorderster Front gekämpft hat und nebenher in langwierigen diplomatischen Verhandlungen für kriegswichtige Versorgungswege gesorgt hat.“ Seregil bewegte mehrere Male den Kopf, ohne das klar war, ob diese ruckartigen Bewegungen nun ein Nicken oder ein Kopfschütteln waren. „Wirklich sehr unskalanisch.“ „Ich vermute, eine aurënfaie-freundliche Haltung wiegt mehr als politisches und militärisches Geschick“, kommentierte Thero trocken. „Jedenfalls hat er dann weiter seinen... Unmut darüber ausgedrückt, dass Elani wohl sehr unter dem Einfluss ihres Onkels und Klias gestanden hätte und noch immer tut.“ Thero rieb sich das Ohr. „Er war sehr illustrativ.“ „Und das hat dich bewogen, uns auf ihn anzusetzen?“, fragte Seregil. „Ja, aber wirklich Wert darauf habe ich erst gelegt, als er sich weiter darüber ausließ, dass Skala eine andere Königin braucht, eine Skalanerin. So was sagt man normalerweise nicht, wenn man nicht schon wüsste wen man auf den Thron setzen könnte. Danach haben seine Begleiter ihn zum Schweigen gebracht. Sie schienen nicht begeistert. Ich hab es später am Abend noch geschafft, ihnen in die Gedanken zu blicken. Keiner von ihnen ist unloyal, so weit ich das beurteilen kann.“ „Wenigstens was. Weiß Klia davon?“, fragte Alec. „Ich werd ihr die Liste geben. Ich wollte sie nicht beunruhigen so lang ich keine Egebnisse hatte. Am besten, ich rede auch gleich mit Korathan und Elani.“ Thero klappte die Mappe wieder auf und blätterte durch einige der Briefe. „Ich vermute, hier finden wir auch noch etwas. Danke für die gute Arbeit.“ „Dafür nicht.“ Seregil leerte seinen Met und schielte nach draußen. Noch immer regnete es und er grinste Thero zu. „Und? Planst du uns auch für das Abendessen ein?“ Sie hatten dann doch Glück, noch vor dem Abendessen gehen zu können. Mika kannte Seregil und Alec schon von einigen ihrer letzten Besuche bei Thero, aber das gleiche galt nicht für seine Eltern und Thero wollte sich nicht bis auf die Knochen vor ihnen blamieren, wie er erklärte als er sie vor die Tür setzte, kaum dass der letzte Regentropfen gefallen war- „Und auch wenn Alec weiß was Manieren sind und wie man sie verwendet, du würdest jede Gelegenheit nutzen, irgendeine peinliche Begebenheit aus meiner eigenen Schülerzeit zu erzählen“, hatte er erklärt und sie zur Tür geführt. „Kommt gut nach Hause.“ „Was meinst du wird Elani machen?“, fragte Alec als sie die Allee verließen und auf die Silbermondstraße einbogen. „Sie wird keinen offiziellen Prozess gegen Altheus anstreben können“, sagte Seregil. „Dazu ist Theros Grund, uns auf ihn anzusetzen zu wackelig. Und nur eine Liste gibt auch nicht viel. als Beweis her.“ Er zuckte die Achseln. „Mal sehen. Ihr fällt schon was ein.“ Seregil runzelte die Stirn. „Alec, ist etwas?“ „Hm, Reiten wir weiter. Nicht stehen bleiben.“ Alec drehte den Kopf ein wenig und schielte aus den Augenwinkeln hinter sich die Straße hinunter. „Ich dachte uns folgt jemand, aber jetzt seh ich grad niemanden.“ Seregil ritt ein wenig näher an ihn. „Dann hängen wir ihn mal ab.“ Er nickte in eine Seitengasse und sie ritten hintereinander hinein. Es war ein wenig eng hier, Hinterseiten der prächtigen Villen, deren Fronten man von den Prachtboulevards sehen konnte und Dienstboteneingänge. Das hatte den Vorteil, dass kaum jemand hier entlang ging, so spät am Nachmittag. Das hieß, dass man sie leicht sehen konnte wenn man ihnen sofort hiein folgte, aber andererseits konnten sie auch hier gallopieren und dann schnell eine andere Richtung einschlagen. Alec ließ Windläufer rennen und warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihm war Seregil. Und dahinter niemand mehr. Sie hatten ihren Verfolger wohl abgehängt, aber sicher war sicher. Auch auf der nächsten breiten Hauptstraße ließen sie die Pferde traben und gallopierten dann erneut durch eine Hintergasse. Das Spiel wiederholten sie noch drei Mal, ehe Seregil seufzte. „Gut – selbst zu Pferde sollten wir ihn abgehängt haben.Machen wir, dass wir nach Hause kommen, mir ist schon wieder kalt.“ Alec nickte. „Gute Idee.“ Es dauerte eine gute halbe Stunde im Trab ehe sie endlich in die Radstraße einbogen und Cynril und Windläufer in dem öffentlichen Stall abgeben konnten, der in der Nähe des Hauses lag. Den Rest des Weges legten sie zu Fuß zurück und Alec war erleichtert, als sie durch die Haustür traten. „Endlich wieder im Warmen.“ Seregil schüttelte sich wohlig und schnupperte. „Oh, und das Abendessen riecht auch hervorragend. Krabben, Runcer?“, fragte er ihren Hausdiener, der sich leicht verbeugte, als er so direkt angesprochen wurde. „Exakt, Mylord, eine Krabbenpastete. Speisen sie unten oder sollen wir ihnen das Essen oben anrichten?“ „Im Speisezimmer, danke“, sagte Alec. „Wir erfrischen uns noch vor dem Essen.“ „Sehr wohl, Mylord.“ Runcer verneigte sich, als sie die Treppe hinauf gingen. Alec schloss die Tür zu ihrem Schlafzimmer hinter sich. „Tut mir Leid wegen dem Umweg.“ Seregil hob eine Augenbraue. „Du sagtest, uns folgt anscheinend jemand.“ „Hätt ich mir auch einbilden können. Wir haben niemanden gesehen.“ „Heißt nicht, dass da niemand war.“ Seregil setzte sich auf das Bett und klopfte neben sich. Alec folgte der stummen Aufforderung sich zu setzen und Seregil zog ihn mit eiem Arm zu sich heran. „Lieber einmal zu oft einen Verfolger abgeschüttelt, den es gar nicht gab als dass wir einen nicht bemerkt haben, den es gibt.“ Er strich über Alecs Hinterkopf und begann einige honigblonde Strähnen aus seinem Zopf zu lösen und um seine Finger zu wickeln. „Wir leben schon gefährlich genug, talí. Ein wenig Vorsicht im Alltag kann uns nur gut tun.“ Alec nickte, doch sein Gesicht war immer noch verzogen. „War vermutlich nur Einbildung.“ „Vielleicht. Wir waren als Ihre Lordschaften unterwegs, ganz offen und bei Tageslicht. Keiner hätte da Grund uns zu folgen.“ Er drückte Alec einen Kuss auf die Schläfe. „Aber wenn ich die Wahl zwischen Logik und deinem Bauchgefühl habe, verlasse ich mich lieber auf dein Bauchgefühl.“ Alec lehnte sich gegen ihn. „Dann würde ich sagen, dass wir die Stadt für ein, zwei Tage verlassen, bevor wir das nächste Mal in die Wirtschaft übersiedeln.“ „Gute Idee. Wir haben schon mehr Aufwand um geringere Probleme als einen möglichen Verfolger betrieben.“ Seregils Hand spielte noch immer mit Alecs Haar, doch schließlich ließ er die Hand sinken. „Was sagt dein Bauchgefühl zu Krabbenpastete?“ Alec grinste. „Ja, bitte, sofort. Nicht unbedingt in der Reihenfolge.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sooooo... I made a thing. Again. Kapitel 2: ----------- Kapitel 02 Die nächste Woche verlief in einer Folge aus gesellschaftlichen Zusammenkünften, Abenden im Theater und in Spielhäusern und damit verbunden mit kleineren Beschattungstätigkeiten einiger unwichtiger Adeliger, die wieder einmal gegeneinander intrigierten und einander erpressten. An zwei Abenden blieb der gesellschaftliche Teil der Arbeit an Alec allein hängen; die junge Gräfin, auf die sie ein Auge hatten, war eine Cousine von einem Freund Alecs, der nicht viel mit Seregil zu tun hatte. Seregil nutzte die Nacht, um in ihre hübsche, kleine Stadtvilla, ein Geschenk ihres Vaters, einzubrechen und ein, zwei Schmuckstücke zu stehlen, die sie von ihren Affären bekommen hatte und mit denen sie nun die armen, aufrechten, ehrbar verheirateten Herrschaften zu erpressen gedachte. Sie hörten nichts in der Angelegenheit um Lord Altheus und schließlich ließen Lord Seregil und Lord Alec verlauten, dass sie wieder einmal für einige Wochen verreisen würden, um Sir Alecs Rittergut Ivywell in Mycena zu besuchen und um vielleicht die ein oder andere Investition zu tätigen. Diese Geschichte war ein sicheres Alibi. Alecs angebliche Wurzeln im mycenischen Ritteradel waren zu uninteressant und Güter wie das angebliche Ivywell zu klein und zu zahlreich, um sich darüber großartige Gedanken zu machen. Am nächsten Tag ritten sie demonstrativ durch das Westtor der Stadt um dann einen Haken zu schlagen und Richtung Nordosten nach Watermead zu reiten. Es war einer der wenigen schönen Herbsttage, die ihnen der späte Kemmin noch schenkte, klare, trockene, kühle Luft, Sonne, rotes und gelbes Herbstlaub und abgemähte Felder. Seregil atmete tief ein und aus. „Ah, das tut gut! Bah, hab mich schon am Ersticken gefühlt dort!“ Alec nickte nur bekräftigend. „Ich weiß immer noch nicht, wie du das für längere Zeit aushältst ohne verrückt zu werden.“ „Es ist erträglicher seit ich einen Leidensgenossen habe“, gestand Seregil mit einem leicht schuldbewussten Grinsen. „Vorher hab ich das Theater auch keinen Monat am Stück ausgehalten.“ „Und wie hast du dich dann davon gestohlen?“, fragte Alec. „Mal so, mal so. Hab mal Micum besucht, das manchmal sogar hochoffiziell. Manchmal hab ich Geschäfte vorgeschützt, manchmal musste ich schnell weg, wenn Nysander irgendeine dringende Angelegenheit hatte. Da hab ich mich schon gar nicht um ein Alibi kümmern können. Das hat Nysander immer übernommen.“ Er lächelte Alec schief an. „Meistens meinte er, ich hätte nach Mycena gemusst, um auf meinen diversen Landgütern dort nach dem Rechten zu sehen. Kam uns zugute, als wir dich damals irgendwie erklären mussten." Alec bemerkte wie das Lächeln ein wenig wehmütiger wurde. Seregil vermisste Nysander, selbst nach all den Jahren. Er ritt neben ihn. „Wer zuletzt in Watermead ist, muss Gherin und Luthas ins Bett bringen!“ Und dann galloppierte er los. „Was... he!“ Er hörte, wie Seregil Cynril antrieb und hinter ihm herjagte, sie wirbelten Blätter auf, der Wind schnitt ihnen in die Gesichter und sie lachten einander an, als Seregil ihn einholte. Für den Moment war alles gut. Keine Sorgen, kein Lord Seregil, kein Sir Alec, keine Intrigen, nur sie, der Wind und der Herbst. Sie erreichten Watermead am Nachmittag, als sich einige Wolken am Himmel zusammen zogen,die eine stürmische Nacht ankündigten. Seregil gewann das Rennen um eine Nasenlänge und als sie die Tiere auf dem Fuhrweg zum Gut hin austraben und dann in einen gemütlichen Schritt fallen ließen, drehte er sich zu Alec um und grinste. „Das nächste Mal nimm den Mund nicht so voll.“ Alec streckte ihm die Zunge heraus und hob dann den Kopf, als sie Bellen und ein Mädchenlachen hörten. „Ah. Unsere Begrüßungseskorte ist unterwegs.“ Als sie in den Hof ritten, kamen ihnen eine Schar großer, zottiger Hunde entgegen, gefolgt von einem Rock mit Schürze und langen, braunen Haaren. „Onkel Seregil, Onkel Alec! Papa, Mama, kommt!“ Illia sprang ihnen entgegen und umarmte sie beide, kaum dass sie von den Pferden stiegen und dann sprang sie auch schon wieder zurück zur Tür um zu schauen, wo denn ihre Eltern blieben. Seregil lachte. „Stürmisch wie immer, was?“ Sie drehte sich nur kurz zu ihm um. „Ich freu mich halt! Mama, Papa!“ Endlich leisteten die Gerufenen der Aufforderung ihrer Tochter Folge und erschienen im Türrahmen. Micum grinste breit über sein sommersprossiges Gesicht. „Ach, lasst ihr euch auch mal wieder blicken!“ Er umarmte Seregil und Alec gleichzeitig, ehe er sie losließ. Kari drückte ihnen beiden einen herzhaften Kuss auf die Wange, als sie sie umarmte. „Na, was treibt euch dieses Mal her?“ Die Frage klang heiter, doch Alec bemerkte dennoch das leichte Flackern in ihren Augen und das leichte Stirnrunzeln. „Nichts, Kari“, sagte Seregil rasch. „Das heißt, von deinem Bier und Arnas Kaninchenpastete abgesehen.“ „Keine Geschäfte?“, fragte sie noch einmal, obwohl sie aufatmete. „Keine verrückten Abenteuer?“ „Wirklich nicht“, bestätigte Alec. „Wir wollten nur mal eine Woche aus der Stadt heraus, ehe wir wieder ein bisschen arbeiten.“ „Und die Arbeit bleibt in der Stadt“, bestätigte Seregil noch einmal. Jetzt lächelte Kari wirklich. „Na dann, rein mit euch.“ „Habt ihr was von Beka und Nyal gehört?“, fragte Alec hoffnungsvoll. Die Heimkehr der beiden war nur von kurzer Dauer gewesen; nach einigen Wochen war Kommandantin Beka Cavishs Urghazi-Turma unter ihrem Kommando zu Befriedungszwecken noch einmal nach Mycena abgeordert worden. „Da sieht man's mal wieder“, hatte Beka gescherzt, „ich frisch befördert und Kommandantin einer inoffiziellen Elite-Einheit und was ist mein erster Auftrag? Häuser bauen.“ Andererseits war Häuser bauen eine angenehmere Arbeit als Töten, also hatte sich niemand beschwert und Kari und Micum war der Abschied leichter geworden durch das Wissen, dass Beka ganz sicher heil nach Hause kommen würde. „Sie schreiben, wenn sie mal dran denken“, meinte Kari. „Euch nicht?“ „Doch, aber der letzte Brief kam vor zwei Wochen, als sie gerade in Cirna waren.“ „Müssen euch enttäuschen“, sagte Micum. „Sehen wir es so, wenn wir nichts hören, heißt das, dass es ihnen gut genug geht, dass man uns nicht benachrichtigen muss.“ „Ich hätt mich nur gefreut, sie mal wieder zu sehen“, brummte Seregil. „Wird schon. Sie hat doch geschrieben, dass sie im Frühling nach Hause kommen.“ Kari grinste bei der Aussicht, ihre Tochter und ihren Schwiegersohn wiederzusehen und hakte sich bei ihnen unter. „Also dann. Rein mit euch.“ Sie winkte einem der Knechte zu, der die Pferde an den Zügeln wegführte. Windläufer tänzelte munter hinter ihm her. Er war auf Watermead geboren und aufgewachsen; Micum und Kari hatten ihn Alec nach seinem ersten Besuch hier geschenkt. „Fast schade, dass wir ihn damals kastriert haben“, seufzte Kari mit einem bedauernden Blick auf ihn. „Der ist ein besserer Bursche geworden als wir damals dachten.“ „Zu spät.“ Micum zuckte mit den Achseln. „Luthas! Gherin, schaut, wer da ist!“ Sofort kamen beide Jungen ihnen entgegen gestolpert, in einem eifrigen Wettrennen, wer denn jetzt zuerst bei den geliebten Onkeln sein würde. Alec johlte und wirbelte Luthas und dann Gherin unter begeistertem Quietschen durch die Luft. Seregil nahm sie ihm grinsend ab. „Na, ihr Landplagen, was treibt ihr?“ Ergeben ließ er sich von den Kindern abküssen und abknuddeln, ehe er sie absetzte. „Wie lang bleibt ihr?!“ „Geht ihr mit Papa jagen?!“ „Nehmt ihr uns mit?!“ „Ihr müsst euch die neuen Fohlen ansehen!“ „Seit ihr immer noch ein Skandal?!“ Alec lachte. „Wenn ihr so viel fragt, kommen wir nicht zum antworten, ihr beiden!“ Sofort waren die Jungen still und sahen sie aus erwartungsvoll großen Augen an. Alec ging vor ihnen in die Knie. „Also, eins nach dem anderen. Wir bleiben eine Woche, falls eure Mutter uns nicht schon vorher an die Luft setzt-“ „Pah!“, machte Kari. „Mal sehen ob euer Vater riskieren will, dass Onkel Seregil ihn aus Versehen erschießt, aber nein, wir werden euch da noch nicht mit nehmen.“ Die Jungen verzogen die Gesichter. „Wachst noch ein bisschen, dass die Wildschweine euch nicht mehr für ihr Mittagessen halten, dann gern.“ Alec sah, wie Kari zufrieden nickte. Alec selbst hatte in Luthas' Alter bereits Kaninchen und Hasen erlegt und seinen Vater begleitet, wenn er Fallen aufstellte oder auf größeres Wild Jagd machte. Andererseits hatte er auch von kleinauf gelernt, sich im Wald zu bewegen, anders als die Jungen. Das war normal. So wuchsen die meisten Kinder auf, aber es kam Alec dennoch seltsam vor. Vielleicht, weil er selbst eben nicht so aufgewachsen war, weil die Ausnahme seine Normalität gewesen war. In ein, zwei Jahren konnte er vielleicht mit Kari darüber reden. „Aber ich geh gern mit euch in den Wald, Spuren lesen“, versprach er ihnen. Ihre Gesichter hellten sich auf. „Und was den Skandal berifft – sind wir noch immer einer?“ Er schielte zu Seregil hoch. Seregil schmunzelte. „Wenn wir nach Illias Definition gehen, werden wir das immer sein. Ansonsten waren wir ganz brav inden letzten Wochen. Keiner hat über uns geredet.“ „Ja, und die Fohlen?!“, fragte Gherin nun ungeduldig. „Jungs, lasst eure Onkel erst ankommen“, mischte Kari sich nun ein. „Sie müssen sicher erst noch ihre Sachn abstellen – und waschen wollen sie sich sicher auch.“ „Dann aber?“, fragte Gherin. „Noch vor dem Abendessen“, versprach Seregil. Sofort sprangen die Jungen von ihnen ab. „Dann beeilt euch aber!“ Und rannten sofort wieder fort, zweifellos, damit sie ja schnell ihre Satteltaschen in die Gästekammer bringen und sich waschen konnten. Seregil lachte und sie nahmen ihre Taschen und gingen nach oben. Arna hatte die wenige Zeit, die sie gehabt hatte, gut genutzt und das Fenster der Kammer zum Lüften geöffnet und ihnen eine Kanne mit Wasser und eine Waschschüssel hingestellt. Seregil ließ seine Tasche fallen und schlang von hinten die Arme um Alecs Taille und Bauch. „Die Zwerge werden uns vermutlich die ganze Woche keinen Moment aus den Augen lassen.“ Alec gluckste und lehnte sich zurück. „Sie werden sicher auch mal schlafen. Oder doch lieber Micum ärgern.“ Er drehte den Kopf und sie küssten sich. Seregil griff nach seinen Händen und hielt sie fest. „Und notfalls können wir ihnen immer noch davon rennen.“ Seregil lachte in sein Ohr. „Du würdest deinen Neffen davonrennen? Schäm dich,schäm dich.“ „Das hast du mir ziemlich erfolgreich aberzogen“, murmelte Alec und drehte sich zu einem weiteren Kuss um. „Onkel Seregil! Onkel Alec!“ Zwei ungeduldige Kinderstimmen plärrten im harmonischen Duett die Treppe hinauf. „Wo bleibt ihr?!“ Alec seufzte und lachte dann. „Das war wohl überdeutlich.“ „Hm.“ Seregil ließ ihn los. „Dann leisten wir mal den Hausherrschaften Gehorsam, ehe sie noch hoch kommen.“ Sie gingen nach unten und ließen sich von den Jungen und Illia in Empfang nehmen und zu den Koppeln bringen. Sie hatten nicht zu viel versprochen. Sie hatten sieben Fohlen in diesem Jahr, zwei davon waren noch keine drei Wochen alt und alle noch so dünnbeinig und schmal, dass allein ihr Anblick Sorgen machte. Das hinderte sie nicht daran, zum Zaun galloppiert zu kommen, als Illia pfiff, die überlangen Beine flogen, dass Alec Angst hatte, dass sie sich verhedderten und stolperten. Die Mutterstuten kamen gemächlich hinterhergetrabt, beschnüffelten kurz Seregil und Alec und waren es dann zufrieden, in unmittelbarer Nähe zu grasen, während sie ihren Nachwuchs gebührend bewunderten. „Die sind wirklich hübsch.“ Seregil kraulte eines der älteren Fohlen zwischen den Ohren, während er eine Hand sachte über Flanke, Kruppe und dann vorsichtig die Hinterhand hinunter gleiten ließ. Der kleine Hengst, pechschwarz wie seine Mutter, zuckte mit dem Bein. „Der hier wird mal ein guter Läufer.“ „Nicht wahr?“ Illia schmuste hingebungsvoll mit einem der zwei jüngsten, einem fuchsfarbenen Stutfohlen mit sehr temperamentvoll geschwungener Nase und dem typisch glanzlosen, wolligen Fohlenfell. „Papa sagt, ich wäre alt jetzt langsam genug für ein eigenes Pferd. Ich hoff, er erlaubt mir, dass ich die Kleine hier bekomme.“ „Illia hat sie zur Welt gebracht!“, krähte Gherin. „Das ist Illias Fohlen!“ Alec kicherte. „Wirklich.“ „Papa hat mich bei der Geburt helfen lassen“, bestätigte Illia und ihre Augen leuchteten auf. „Das ist irre. Auf einmal ist da so was Kleines da und dann geht das auch noch richtig schnell dass es steht und...“ Sie kraulte die kleine Stute am Hals. „Sie kommt schon zum Gatter oder zur Box wenn sie mich hört. Das macht sie sonst nur bei Papa.“ „Wie soll sie denn heißen, wenn sie alt genug ist?“, fragte Alec. Micum gab keinem Fohlen seinen Namen ehe es nicht ein halbes Jahr alt war. Wenn es so lang lebte, würde es auch noch einige Jahre leben und konnte dementsprechend mit Namen angeredet werden, war seine Logik dahinter, gerade wenn sie noch so jung waren, wenn der Winter kam. Außerdem konnte das Pferd bis dahin seinen Charakter entwickeln und zeigen und einen passenden Namen erhalten. „Ich würd sie Serei nennen?“, fragte Illia, „das Aurënfaie-Wort für Stern?“ „Hübsch.“ Seregil nickte. Illia lächelte über seine Zustimmung. Sie gingen schließlich zurück als es dunkel wurde und es Zeit für das Abendessen wurde. Es war die übliche, laute und gesellige Angelegenheit, Seregil und Alec mussten wie immer einen genauen Bericht über das Stadtleben abgeben, gleichzeitig die Kinder unterhalten und Kari und Arna das würdige Lob für das Essen und das Bier aussprechen. Kari zuckte die Achseln. „Es ist besser als im letzten Jahr.“, meinte sie und Seregil lachte. „Wann kommt je der Tag, an dem du mit deinem Bier zufrieden bist?“ „Wenn es gut ist“, erklärte sie und hob die Nase, wie um zu verbergen, dass sie sich über das Lob freute. Nach dem Abendessen blieben die Jungen noch eine Stunde unten und spielten mit Illia und einer der Katzen, die mutig genug war, sich in das Haus zu wagen. „Na dann“, seufzte Kari schließlich über ihre Nährabeit hinweg, „Kinder, lasst die Katze leben, ja? Gherin, Luthas, kommt. Schlafenszeit für euch.“ Sie wollte aufstehen doch Alec war schneller. „Ich bring sie hoch.“ Luthas ließ sofort die Katze los, die er bis eben noch abgeherzt hatte und das arme Tier flüchtete schnell unter Micums Sessel. „Erzähl uns noch was!“, forderte er und Gherin krähte ein Echo: „Erzähl was, erzähl was!“ „Wenn ihr gewaschen und unter der Decke seid“, erklärte Alec mit einer nicht wirklich überzeugend strengen Miene. „Kommt, Abmarsch.“ Die Kinder kicherten, rührten sich aber nicht und schließlich grollte Alec: „Oh, da muss ich sie wohl jagen...“ Vorgebeugt schlurfte er durch den Raum, auf die Jungen zu und erwischte sie im Nacken. Sie kreischten und johlten vor Vergnügen und Illia klatschte vergnügt in die Hände. „Na los.“ Alec schob sie vor sich her. „Gute Nacht, Mama, gute Nacht Papa!“ Luthas sprang sie beide kurz und herzlich an, ehe er Seregil die gleiche Behandlung zukommen ließ. „Gute Nacht, Onkel.“ Seregil lächelte und fuhr Luthas kurz durch die Haare, die mit jedem Jahr heller wurden. Als Luthas noch klein gewesen war, hatten seine Haare ein dunkles Nerzbraun gehabt, Karis Haaren nicht unähnlich. Jetzt, mit fast acht Jahren war er schon fast so blond wie seine leibliche Mutter Cilla. „Schlaf schön – und vor allem schlaft schnell ein, ich will Alec heute noch zurück haben.“ Die Jungen kicherten. Gherin wünschte seinen Eltern ebenfalls eine gute Nacht und tat das weniger rasch als Luthas, doch als seine Mutter ihm einen Kuss auf die Wange drücken wollte, wand er sich wieselflink davon und flüchtete zu seinem Onkel Seregil, von dem man solche Zärtlichkeitsbekundungen nicht zu befürchten hatte. Dann ließen sie sich auch schon von Alec die Treppe hinauf scheuchen und in der Stube war es ruhig. Karis Nadel machte kaum ein Geräusch, wie sie eine Hose flickte. Illia hatte ihr Strickzeug hervor geholt und klapperte nun vor sich hin. „Was wird das?“, fragte Seregil und versuchte, einen Blick auf das hellblaue Etwas zu erhaschen, das da unter ihren Fingern entstand. „Ein Pullover für Gherin“, sagte Illia. „Danach mach ich noch einen für Luthas.“ Sie hielt mit sichtlichem Stolz ihre Arbeit hoch. Zum Stolz hatte sie auch tatsächlich Grund. Der halbfertige Pullover sah um einiges weniger schief aus als ihre ersten Versuche, die sie Seregil und Alec verehrt hatte. „Wenn du mit Luthas fertig bist, bin ich dann dran?“, fragte er lächelnd und Illia zuckte wie gleichgültig die Achseln. „Das muss ich mir noch überlegen.“ Seregil verzog das Gesicht. „Och, das trifft mich jetzt.“ Illia kicherte und strickte dann weiter. Nach einigen Minuten allerdings verstummten ihre Stricknadeln und sie schielte durch den Raum. „Papa, soll ich noch mal nach den Pferden schauen?“, fragte sie dann. Micum schaute sie ein wenig verdutzt an, doch dann nickte er rasch. „Ja, ja. Danke, mein Schatz.“ Illia legte ihr Strickzeug beiseite und flitzte aus dem Raum. Seregil wartete, bis die Haustür ging. „Ganz deine Tochter“, meinte er dann zu Kari. Sie lächelte nicht ganz fröhlich. „Lässt sich nicht vermeiden.“ Sie lehnte sich vor. „Also, was treibt euch beide aus heiterem Himmel her?“, fragte sie. „Wir haben wirklich nicht vor, Micum zu entführen“, erklärte Seregil rasch. „Und momentan sind wir auch in keine Angelegenheiten verwickelt. Ich schwör's Kari, ich würd bei meiner Ehre schwören, wenn ich nicht wüsste, was du davon hältst.“ „Was ist es dann?“, fragte Micum. „Es ist doch was, ich hab es Alec angesehen.“ Seregil seufzte leise. „Uns ist letztens jemand nachgeschlichen, in der Stadt. Bei Tageslicht.“ Micum runzelte die Stirn. „Bist du dir da sicher?“ „Es ist Alec aufgefallen und ich traue seinen Instinkten. Außerdem würde er nichts sagen wenn er sich nicht sicher wäre.“ Kari atmete tief durch. „Und?“ „Wir wollen die nächsten Wochen im Hirsch&Otter Quartier beziehen“, sagte Seregil langsam, „und wollten verhindern, dass uns jemand da hin folgt.“ Kari holte tief Luft. „Wir sind erst einmal ein Stück Westen, Richtung Cirna geritten“, fuhr er rasch fort, „und als wir sicher waren, dass uns niemand folgt, sofort abgedreht.“ „Und euch ist niemand gefolgt?“, fragte Kari. „Niemand. Und wenn man uns mit Magie nachspionieren würde, wüsste Thero es schon. Als er Watermead mit Schutzzaubern umgeben hat, war er sehr gründlich.“ „So übervorsichtig, das passt gar nicht zu dir“, meinte Micum. Seregil zuckte die Achseln. „Ich ziehe es nun einmal vor, wenn ein Jahr ohne Entführungen vergeht. Oder zwei, oder drei.“ Er strich sich eine nicht vorhandene Strähne aus dem Gesicht. „Oder noch länger, wenn es geht, ihr versteht.“ Kari nickte und atmete dann noch ein Mal tief durch. „Dann stell dich drauf ein, dass ich euch hier ordentlich anstellen werde, solang ihr sa seid. Bei mir wird nicht gefaulenzt.“ Seregil lachte erleichtert. „Sicher.Hätte ich auch nicht anders erwartet.“ „Gut.“ Jetzt wurde Karis Lächeln deutlich entspannter. „Und?“, fragte sie, „haben die Kinder ordentlich mit den Fohlen angegeben?“ „Haben sie. Und haben Recht damit“, meinte Seregil. „Die werden mal gute Pferde. Und Illia ist ganz vernarrt in die kleine Fuchsstute.“ Micum strich sich über die eine Seite seines Bartes. „Hm, ich weiß. Sie war bei der Geburt dabei – naja, besser gesagt, sie und die Bessa haben die Hauptarbeit gemacht da. Ich war richtig überflüssig.“ Er nahm wieder einen Schluck Bier. „Und das Kleine ist genauso verrückt nach Illia wie umgekehrt. Aber wenn sie genauso zickig wird wie ihre Mutter wird Illia sich trotzdem ein anderes Pferd suchen müssen. Meine Kinder sollen sich nicht in mehr Gefahr bringen als sie aushalten können und ein Diva als Pferd ist zu viel Gefahr für eine Zwölfjährige.“ „Bessa ist die, wir damals in Cirna gekauft haben. Die, die nicht mal Beka lang auf dem Rücken hatte“, sagte Kari. „Erinnerst du dich?“ „Oh. Die ist die Mutter?“ Seregil verzog das Gesicht. Er hatte sich nie den Namen der Stute gemerkt, sondern sie für sich immer nur „Miststück“ genannt. Sie hatte einen weichen Trab und einen regelrecht schwebenden Galopp und sie war ausdauernd wenn man sie ritt – wenn man denn oben blieb, denn das war das Problem bei ihr. Seregil hatte mit eigenen Augen erlebt, wie sie eine damals vierzehnjährige Beka für eine halbe Stunde brav getragen hatte, nur um dann von einem Moment auf den anderen zu entscheiden, dass das nun wohl genug gewesen war. Danach hatte sie eine weitere halbe Stunde alles versucht, Beka von ihrem Rücken zu bekommen und schließlich Erfolg gehabt. Das gleiche Spiel hatte sich mit jedem Reiter wiederholt, mit jedem Sattel, an jedem Tag und schließlich hatte Micum aufgegeben und die damals noch nicht siebenjährige Stute als Zuchttier auf die Weide gelassen. Bessas Fohlen erbten von ihr ihre weichen Gänge, was gut war und oft auch in einem geringeren Ausmaß ihren Eigensinn, was weniger erfreulich war. Zum Glück waren sie dabei immer noch umgänglicher als ihre Mutter. Seregil konnte Micums Skepsis gegen das Fohlen durchaus nachvollziehen. „Na mal sehen. Schlimmer als ihre Mutter kann die Kleine ja nicht werden, oder?“ „Das ganz sicher nicht.“ Micum schnaubte. „Aber ich schau mal, wo Illia bleibt.“ Er stand auf und verließ den Raum. Kari widmete sich wieder ihrer Näharbeit. Seregil musterte sie. Sie hatte ihr ruhiges, friedliches Gesicht aufgesetzt, aber da war trotzdem dieser Zug um ihren Mund. Sie wälzte etwas vor sich hin. Früher war das Kummer gewesen, als Seregils Auftauchen noch bedeutet hatte, dass Micum bald mit ihm zusammen verschwinden würde, ohne dass Kari etwas daran ändern konnte oder auch nur erfuhr, wohin Micum ging, wann er wiederkäme und was er denn tat. Seregil suchte nach Worten um zu beginnen und als er keine fand, zog er sich auf ein Räuspern zurück. Kari hob den Blick. „Was ist?“ „Es tut mir Leid. Dass wir dir all die Jahre nur so wenig gesagt haben.“ Verdammt, das war schwerer als gedacht. Wenn er sich bei Alec entschuldigte – egal für was, ob nun für ein kaputtes Hemd oder für einen dummen Vorschlag oder – früher war das gewesen, viel früher – für ein weiteres Geheimnis – war das um einiges leichter. „Nur... es gab Sachen, über die wir nicht reden durften – wirklich – und dann dachte Micum auch, dass du und die Mädchen am sichersten seid, je weniger du weißt. Aber dass es so endet wie mit Illia...“ Er schluckte kurz. „Es ging euch um meine Sicherheit?“, Kari hob eine Augenbraue. „Gut. Dann reden wir mal über meine Sicherheit. Stell dir vor, jemand schaut auf Watermead vorbei, um herauszufinden, ob du und Micum ihm auf der Schliche seid. Stell dir vor, er entscheidet sich, mich oder Illia oder die Jungen zu foltern, um das herauszufinden.“ Seregil musste bei ihren Worten gegen seinen Brechreiz kämpfen. „Seien wir ehrlich, Seregil, glaubst du wirklich, sie würden uns leben lassen, wenn wir nichts wissen?“ „Nein.“ Er schluckte. „Entschuldige.“ „Deine Entschuldigung macht es nicht ungeschehen“, schnappte Kari. „Ich bekomme meine schlaflosen Nächte davon nicht zurück oder die Tage, die ich nichts anderes machen konnte, als am Fenster stehen und nach Micum Ausschau halten, weil ich nicht wusste, wann er zurück kommt oder ob überhaupt.“ Seregil schaffte es nicht, ihr in die Augen zu sehen und blickte stattdessen auf ihre Hände, die sich in die Schürze krallten, die sie bis eben geflickt hatte. Kari atmete tief durch. „Was wissen Beka und Elsbet? Ich weiß, dass Beka auch eine...“ Sie rang sichtlich mit sich, „Wächterin ist. Und Nyal auch. Was ist mit Elsbet?“ „Beka und Nyal wissen über die Aufträge Bescheid, die sie haben oder von denen sie betroffen sind. Von denen wissen Alec und ich nichts und Micum todsicher auch nicht. Nicht solang der Auftrag noch läuft“, sagte Seregil. „Elsbet weiß so viel wie du, ein bisschen mehr vielleicht. Einer ihrer Lehrer im Tempel ist ebenfalls Wächter-“ Seregil hob rasch eine Hand, als Kari den Mund öffnete. „Wenn sie es nicht ausdrücklich wünscht, wird sie nie mehr mit der Sache zu tun haben als jetzt.“ Kari sah auf ihre Hände. „Über manche Sachen könnt ihr nicht reden?“ „Damals bevor Nysander gestorben ist“, Seregil schluckte und räusperte sich dann, „damals zum Beispiel. Da konnten wir nicht reden. Das war keine politische Geschichte mehr... wir wussten, dass unser Gegner Magie verwendet und dass er mit euch das gleiche gemacht hätte wie mit Thyris und Cilla und...“ Seregil atmete tief durch. „Es war nie meine Absicht, dir wehzutun. Oder Micums.“ Kari hob eine Augenbraue und Seregil seufzte. „Gut, meine Absicht war es. So, für die ersten drei Jahre. Aber nie Micums. Und seit langem auch nicht mehr meine.“ Kari seufzte. „Gut. Meinetwegen. Eure Entscheidung.“ „Was?“ „Ihr entscheidet, was wir wissen können und wissen müssen“, sagte sie. „Und ich stelle es nicht infrage. Aber wagt es nicht, mehr Geheimnisse vor mir zu haben, als unbedingt notwendig, verstanden?! So lang auch nur ein Mitglied meiner Familie mit drin hängt, habe ich ein Recht, es zu wissen. Das gilt für meinen Mann, meine leibichen Kinder, meine Ziehkinder – egal, ob sie jetzt zwei, sechzehn oder älter als ich waren, als ich sie adoptiert habe.“ Seregil lachte und auf einmal war die Luft im Raum wesentlich weniger dick, so plötzlich, dass sein Lachen unbeholfen klang. „Und das gleiche gilt für Illia und wenn die Jungen alt genug sind, auch für sie. Verstanden?“ Seregil nickte ergeben. „Das werden einige schöne Gute-Nacht-Geschichten. Micum, du kannst Illia jetzt ruhig herein lassen, ich denke, wir können gleich damit anfangen, reinen Tisch zu machen.“ Die Tür öffnete sich und Illia kam herein und rauschte zu Seregil und ließ sich vor ihm auf dem Boden nieder. „Was gibt es denn zu erzählen?“, fragte sie ernst. Wenn Seregil so zu ihr herunter sah, in dem Licht von Kerzen und Lampen und dem Kamin, sah sie wirklich haargenau so aus wie ihre Mutter als Seregil sie das erste Mal gesehen hatte und sie sah ihn genauso abschätzend an wie Kari damals. Damals wie jetzt bereitete der Blick ihm Unbehagen. „Einiges.“ Seregil atmete durch. „Wird sicher länger als einen Abend dauern.“ Micum kam herein und trat hinter den Sessel, in dem seine Frau saß. Kari lehnte sich nach hinten und griff nach seiner Hand. Er beugte sich zu ihr hinunter und drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Seregil stand auf. „Aber ich glaub, bevor hier auch nur ein Wort erzählt wird, schaue ich erst einmal, ob deine Brüder mir nicht vielleicht Alec zurück geben wollen. Ich werde ihn beim Erzählen brauchen.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~+ Keine längere „Nightrunners“-Geschichte ist vollständig ohne Watermead. Und ich mag Pferde. Pferde sind toll. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)